ISSN 1725-2407

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 234

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Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

48. Jahrgang
22. September 2005


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II   Vorbereitende Rechtsakte

 

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

 

415. Plenartagung am 9./10. März 2005

2005/C 234/1

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Förderung der Genossenschaften in Europa(KOM(2004) 18 endg.)

1

2005/C 234/2

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates: Neufassung der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute sowie der Richtlinie 93/6/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten(KOM(2004) 486 endg. — 2004/0155 und 2004/0159 (COD))

8

2005/C 234/3

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Entscheidung 2000/819/EG des Rates über ein Mehrjahresprogramm für Unternehmen und unternehmerische Initiative, insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) (2001-2005)(KOM(2004) 781 endg. — 2004/0272 (COD))

14

2005/C 234/4

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zu einer gemeinschaftlichen Fluglotsenzulassung(KOM(2004) 473 endg. — 2004/0146 (COD))

17

2005/C 234/5

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Durchführung des zweiten Marco-Polo-Programms über die Gewährung von Finanzhilfen der Gemeinschaft zur Verbesserung der Umweltfreundlichkeit des Güterverkehrssystems (Marco Polo II)(KOM(2004) 478 endg. — 2004/0157 (COD))

19

2005/C 234/6

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1868/94 zur Einführung einer Kontingentierungsregelung für die Kartoffelstärkeerzeugung(KOM(2004) 772 endg. — 2004/0269 (CNS))

25

2005/C 234/7

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien(KOM(2004) 775 endg. — 2004/0270 (COD))

26

2005/C 234/8

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Sozialfonds(KOM(2004) 493 endg.)

27

2005/C 234/9

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)(KOM(2004) 490 endg. — 2004/0161 (CNS))

32

2005/C 234/0

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Die soziale Dimension der Globalisierung — der politische Beitrag der EU zu einer gleichmäßigen Verteilung des Nutzens(KOM(2004) 383 endg.)

41

2005/C 234/1

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Durchführung des Programms Jugend in Aktion im Zeitraum 2007-2013(KOM(2004) 471 endg. — 2004/0152 (COD))

46

2005/C 234/2

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Die Rolle der EIB bei öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) und deren Auswirkung auf die Wachstumsproblematik

52

2005/C 234/3

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Die neuen Mitgliedstaaten und die Grundzüge der Wirtschaftspolitik

60

2005/C 234/4

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Grundregeln für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Verkehrs- und Energienetze sowie zur Änderung der Verordnung Nr. 2236/95 des Rates(KOM(2004) 475 endg. — 2004/0154 (COD))

69

DE

 


II Vorbereitende Rechtsakte

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

415. Plenartagung am 9./10. März 2005

22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Förderung der Genossenschaften in Europa“

(KOM(2004) 18 endg.)

(2005/C 234/01)

Die Kommission beschloss am 23. Februar 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen:

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 14. Februar 2005 an. Berichterstatter war Herr HOFFELT.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 9./10. März 2005 (Sitzung vom 9. März) mit 120 gegen 1 Stimme bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

„Die Genossenschaft ist eine autonome Vereinigung von Personen, die sich zur Befriedigung ihrer gemeinsamen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bestrebungen und Bedürfnisse mit Hilfe eines Unternehmens, das sich in gemeinschaftlichem Eigentum befindet und das demokratisch geführt wird, freiwillig zusammengeschlossen haben.“  (1) Auch wenn die rechtliche Definition der Genossenschaft je nach Mitgliedstaat unterschiedliche Gegebenheiten abdecken kann, erkennen Angehörige der Rechtsberufe ihren Gesellschaftscharakter „intuitu personae“ (in Abhängigkeit von der (Rechts-)Person) an.

1.2

Die genossenschaftliche Identität wird nicht nur durch Werte wie Demokratie, Gleichheit, Billigkeit, Solidarität, Transparenz oder soziale Verantwortung, sondern auch durch Grundsätze wie freiwillige Mitgliedschaft, demokratische Entscheidungsfindung durch die Mitglieder, wirtschaftliche Mitwirkung der Mitglieder und die Vorsorge für die Gemeinschaft gestärkt (2).

1.3

Daneben unterscheidet sich die Genossenschaft von Kapitalgesellschaften auch durch die Variabilität ihres Kapitals; Genossenschaftsanteile lauten auf den Namen des Genossenschaftsmitglieds und sind grundsätzlich nicht auf Dritte, Nichtgenossenschaftsmitglieder, übertragbar.

1.4

In der Europäischen Union sind fast 140 Millionen Bürgerinnen und Bürger Mitglieder von insgesamt ca. 300 000 Genossenschaften, die 2,3 Millionen Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.

1.5

Bei ihrer Organisationsform zeichnen sich Genossenschaften vornehmlich durch die Bündelung von Kaufkraft, des Absatzes bzw. von Arbeitskräften zur Deckung eines wirtschaftlichen Bedarfs ihrer Mitglieder aus. Genossenschaftliches Unternehmertum findet sich in den meisten Wirtschaftsbereichen, Genossenschaften eignen sich gut für die Verfolgung sozialer, ökologischer und kultureller Ziele.

1.6

Genossenschaften sind auch besonders geeignet, einen Beitrag zum Erreichen der Ziele der Lissabon-Strategie zu leisten, da sie sich um den Einklang von wirtschaftlicher Leistung, Partizipation und persönlicher Entfaltung bemühen.

1.7

Zwar können sich Genossenschaften in Bezug auf ihre Größe und ihren Entwicklungsstand stark voneinander unterscheiden, doch sind sie im Allgemeinen in einer örtlichen Gemeinschaft verwurzelt und so an der Knüpfung und Stärkung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gefüges einer Region sowie am Erhalt des sozialen Zusammenhalts in Gebieten, die einen Rückstand aufweisen oder in denen großer Umstrukturierungsbedarf besteht, beteiligt (3). Diese örtliche Verankerung hindert sie jedoch nicht daran, ihre Aktivitäten auch über die Grenzen der Europäischen Union hinaus zu entfalten. So haben Genossenschaften einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Handelsverkehr und die weltweite wirtschaftliche Dynamik (4).

1.8

Vor diesem Hintergrund werden die Rolle und der Einfluss von Genossenschaften sowohl weltweit als auch auf nationaler Ebene anerkannt. So hat die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) im Juni 2002 eine Empfehlung zur Förderung von Genossenschaften angenommen (5), in der u.a. betont wird, dass „Genossenschaften in ihren unterschiedlichen Ausprägungen die umfassendste Beteiligung der gesamten Bevölkerung an der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung fördern“. Diese Empfehlung wurde von allen 25 EU-Mitgliedstaaten angenommen und durchläuft gerade den Ratifizierungsprozess.

1.9

Auf EU-Ebene werden Genossenschaften in Artikel 48 des EG-Vertrags genannt (6). Im Rahmen ihres Referats „Handwerk, kleine Unternehmen, Genossenschaften und Gegenseitigkeitsgesellschaften“ widmet die Kommission dieser Gesellschaftsform besondere Aufmerksamkeit. Der Rat hat vor kurzem das Statut der Europäischen Genossenschaft sowie die Richtlinie zur Ergänzung dieses Statuts hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (7) verabschiedet. Diese Mitteilung zeugt von dem anhaltenden Interesse der Kommission an dieser Gesellschaftsform.

1.10

Dieses Interesse entspricht auch einer Erwartung seitens der Genossenschaften, da sie sich künftig immer größeren Herausforderungen stellen müssen, wenn sie nicht in ihrer Entwicklung gehemmt oder in ihrer Existenz bedroht werden wollen. Die Genossenschaft wurde in mehreren der neuen EU-Mitgliedstaaten durch das frühere Regime benutzt, was diese Gesellschaftsform diskreditiert hat. Auch müssen zahlreiche Genossenschaften, die auf immer stärker umkämpften Märkten tätig sind, erhebliche Mittel aufwenden, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ohne dabei ihre Besonderheiten und ihre Identität einzubüßen.

2.   Leitlinien der Mitteilung

2.1

In ihrer am 23. Februar 2004 vorgelegten Mitteilung macht die Kommission die zentrale Feststellung, „dass die Genossenschaften einen positiven und zunehmend wichtiger werdenden Beitrag zur Erreichung zahlreicher gemeinschaftspolitischer Ziele leisten“.

2.2

Ferner stellt sie fest, dass das Potenzial der Genossenschaften bisher nicht voll ausgeschöpft wurde. Zu diesem Zweck schlägt die Kommission vor, drei große Ziele festzulegen, die im Rahmen von zwölf Aktionen erreicht werden sollen.

2.2.1   Förderung der genossenschaftlichen Unternehmensform in Europa durch eine Verbesserung der Wahrnehmbarkeit und die Hervorhebung der Besonderheiten des Genossenschaftssektors

Hier geht es vor allem um den Aufbau eines strukturierten Informations- und Erfahrungsaustauschs sowie um die Förderung von an öffentliche Stellen und Wirtschaftsakteure gerichtete Maßnahmen.

2.2.2   Verbesserung des nationalen Genossenschaftsrechts

Dieses Ziel wurde im Rahmen der Verabschiedung der Verordnung über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) durch den Rat im Juli 2003 aufgestellt. Es geht hier sowohl um die Umsetzung der Verordnung in nationale Rechtsvorschriften als auch um die Verbesserung der bestehenden nationalen Gesetzgebung bzw. darum, zur Ausarbeitung von „Mustergesetzen“ anzuregen. Hervorzuheben ist, dass die Kommission auch den neuen EU-Mitgliedstaaten besondere Aufmerksamkeit widmet.

2.2.3   Weiterhin verstärkte Berücksichtigung der Genossenschaften in den Zielen der Gemeinschaft sowie deren Beitrag zu diesen Zielen

Hierbei geht es insbesondere um die Agrarpolitik und die Erweiterung, die Entwicklung des ländlichen Raums und die Regionalentwicklung sowie um die Schaffung von Arbeitsplätzen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat den Problemen von Personengesellschaften und der Sozialwirtschaft im Allgemeinen von jeher seine Aufmerksamkeit gewidmet (8). Genau wie der Ausschuss der Regionen ist er der Ansicht, dass alle Unternehmensformen gleichberechtigt gefördert und unterstützt werden sollten (9). Um die Reaktionen genossenschaftlicher Organisationen und Unternehmen zu der Mitteilung zusammenzutragen, veranstaltete der Ausschuss auf der Grundlage eines Fragebogens am 11. Oktober eine öffentliche Anhörung. So konnten die Erwartungen und Prioritäten des Genossenschaftssektors dem Entwurf der Kommission gegenübergestellt werden.

3.2

Der Ausschuss begrüßt die Mitteilung der Kommission über die Förderung von Genossenschaften in Europa. Durch die praktische Umsetzung dieser Mitteilung dürfte die Genossenschaft als Unternehmensform gefördert werden, vor allem durch eine stärkere Beachtung und Verbreitung ihres Beitrags zu den Zielen der Lissabon-Strategie.

3.3

Der Ausschuss stellt jedoch fest, dass in der gesamten Mitteilung viele der geplanten Aktionen zur Sicherstellung einer besseren Förderung von Genossenschaften sehr zurückhaltend formuliert sind, häufig werden z.B. Ausdrücke wie die folgenden verwendet: „wird prüfen, inwieweit es möglich ist“ bzw. „besondere Aufmerksamkeit sollte gewidmet werden“. Es wäre daher wünschenswert, die anzustrebenden Ziele konkreter zu nennen und für deren Erreichung angemessene Fristen aufzustellen.

3.4

Der Ausschuss ist erfreut über die Aufmerksamkeit, die die Kommission speziell den neuen EU-Mitgliedstaaten und den Bewerberländern widmet. In einigen dieser Länder hat die Benutzung von Genossenschaften durch das ehemalige Regime dazu geführt, dass Genossenschaften als Instrument dieses Regimes betrachtet wurden.

3.4.1

Aus diesem Grund hält es der Ausschuss für besonders erforderlich, die Unternehmer dieser Länder auf das Potenzial von Genossenschaften aufmerksam zu machen, das es ermöglicht, eine Tätigkeit zu entwickeln und dabei Ressourcen, Verantwortung und Risiken des Unternehmens auf alle Mitglieder zu verteilen, was auf eine größere Lebensfähigkeit und Lebensdauer von Projekten hoffen lässt (10).

3.4.2

Des Weiteren ist der Ausschuss der Ansicht, dass in diesen neuen Mitgliedstaaten die neue Dynamik, die über das genossenschaftliche Modell bei der Bekämpfung der gesellschaftlichen Ausgrenzung sowie im Umweltbereich generiert wird, unterstützt und darauf geachtet werden sollte, dass das durch bestimmte Genossenschaften errichtete Gefüge aus Vereinigungen durch Veränderungen, die sich auf diese Form des Unternehmertums nachteilig auswirken, nicht wieder aufgelöst wird.

3.5

Der Ausschuss kann den Ansatz der Kommission, der im Genossenschaftsbereich insbesondere auf die Dimension der KMU ausgerichtet ist, zwar voll und ganz nachvollziehen, doch möchte er daran erinnern, dass zahlreiche Genossenschaften und kooperative Vereinigungen den Rahmen der KMU-Definition der Gemeinschaft sprengen. Daher empfiehlt der Ausschuss, die Vorschläge der Mitteilung nicht nur auf diese eine Dimension zu beschränken. Dies betrifft insbesondere die Bezugnahme auf bestimmte EU-Maßnahmen, z.B. im Rahmen der Unterstützungsdienste für Unternehmen oder des Zugangs zu Finanzmitteln.

4.   Bereiche, die Genossenschaften betreffen und in denen eine tiefer gehende Weiterentwicklung erforderlich ist

4.1   Regelungsumfeld

4.1.1

In ihrer Mitteilung widmet die Kommission dem Genossenschaftsrecht und insbesondere den unterschiedlichen Genossenschaftsstatuten in den einzelnen Mitgliedstaaten besondere Aufmerksamkeit. Der Ausschuss unterstützt diesen Ansatz, da es von grundlegender Bedeutung ist, dass die Genossenschaften sowohl auf nationaler als auch auf gemeinschaftlicher Ebene über den bestmöglichen Rechtsrahmen für die Ausübung ihrer Tätigkeiten verfügen.

4.1.2

Daneben unterliegen Genossenschaften auch einer Reihe von Bestimmungen des Gesellschaftsrechts (Rechnungslegungsvorschriften, Sozialrecht, Wettbewerbs- und Steuerrecht usw.). Wenn in diesem Zusammenhang nicht einige Besonderheiten von Genossenschaften beachtet werden, besteht die Gefahr, dass die Entwicklung der Genossenschaften selbst dann behindert werden könnte, wenn die Genossenschaftsgesetze optimiert werden.

4.1.2.1

Beispielsweise sah der ursprüngliche Entwurf der Rechnungslegungsnorm IAS 32 vor, dass die Gesellschaftsanteile von Genossenschaften als Fremdkapital und nicht als Eigenkapital angesehen werden sollten, da potenziell ihre Rückzahlung verlangt werden könnte. Aufgrund der möglichen Auswirkungen dieser Bestimmung auf die Genossenschaften wurde der Regel eine Auslegung hinzugefügt, der zufolge unter zwei ergänzenden Bedingungen eine Ausnahme möglich ist (11). Die Tatsache, dass die Regel nicht überarbeitet, sondern für Genossenschaften eine Auslegung hinzugefügt wurde, ist ein weiterer Anhaltspunkt für die These, dass diese Gesellschaftsform im Allgemeinen im Verhältnis zu Kapitalgesellschaften als Ausnahme angesehen wird. Wie bereits erwähnt (vgl. Ziffer 3.1) ist der Ausschuss der Ansicht, dass Genossenschaften nicht als Ausnahme betrachtet werden sollten, sondern dass, ganz im Gegenteil, in unerlässlichen Fällen der Rechtsrahmen an die Besonderheiten von Genossenschaften angepasst werden müsste.

4.1.2.2

Der Ausschuss fordert die Kommission daher auf, die Synergien, die zwischen dem Genossenschaftsrecht und den weiteren integralen Bestandteilen des Regelungsumfelds geschaffen werden sollten, zu berücksichtigen und in konkreten Maßnahmen zum Ausdruck zu bringen.

4.1.2.3

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Ausschuss ferner, dass die von der Kommission eingesetzten Expertengruppen, die den Auftrag haben, sich zu künftigen Rechtsvorschriften in diesem Bereich zu äußern, die Besonderheiten von Genossenschaften systematisch berücksichtigen und dabei auf das Fachwissen der Genossenschaftsverbände zurückgreifen sollten (12).

4.2   Wettbewerbsregeln, Niederlassungsfreiheit und steuerliche Behandlung

4.2.1

Mit Blick auf das Wettbewerbsrecht schließt sich der Ausschuss voll und ganz der Auffassung an, dass Genossenschaften genau wie andere Unternehmensformen den Artikeln 81, 82 und 86 bis 88 des EG-Vertrags unterliegen. Doch hält er den Absatz der Mitteilung, der auf Artikel 81 des EG-Vertrags zu Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen verweist, für nicht eindeutig, wenn die Kommission hier insbesondere betont: „Auch wenn die Gründung einer Genossenschaft noch nicht gegen Artikel 81 EG verstößt, können das (spätere) Verhalten oder die internen Regeln dieser Genossenschaft doch als wettbewerbsbeschränkend angesehen werden“  (13). Die Kommission empfiehlt daher eine bessere Verbreitung der Wettbewerbsregeln unter den Genossenschaften.

4.2.1.1

Im Lichte der Anhörung von Vertretern aus dem Genossenschaftssektor, die er am 11. Oktober 2004 veranstaltete, ist der Ausschuss der Ansicht, dass das Problem weniger an mangelnden Kenntnissen der Wettbewerbsregeln liegt, sondern darin begründet ist, dass diese Wettbewerbsregeln die Besonderheiten von Genossenschaften nicht immer berücksichtigen. Der Ausschuss fordert die Kommission daher auf, ihre Aktion auch an die für die Wettbewerbspolitik zuständigen Stellen zu richten, damit diese besser über die verschiedenen Organisationsformen von Genossenschaften informiert werden.

4.2.1.2

Hervorzuheben ist, dass eine Vielfalt von Unternehmensformen auf dem Markt ein Schlüsselelement für einen gesunden Wettbewerb darstellt, daher ist der Ausschuss der Ansicht, dass ein solcher Ansatz dazu beitragen könnte, jedwede Diskriminierung von Genossenschaften aufgrund ihrer Organisationsform zu vermeiden.

4.2.2

Im Übrigen macht der Ausschuss darauf aufmerksam, dass es in einigen Ländern verboten ist, sich zwecks Niederlassung in einem bestimmten Sektor eines Genossenschaftsstatuts zu bedienen (14), was eine massive Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit darstellt. Umso bedauerlicher ist, dass die Verordnung über das Statut der europäischen Genossenschaft dieses Verbot bestätigt (15). Der Ausschuss fordert die Kommission daher auf, eine Studie über den Umfang und die Auswirkungen dieses Verbots durchzuführen.

4.2.3

In Bezug auf die steuerliche Behandlung von Genossenschaften unterstützt der Ausschuss den Grundsatz, dass der Schutz oder die Vorteile, die einer bestimmten Unternehmensform gewährt werden, zu den rechtlichen Einschränkungen, dem zusätzlichen gesellschaftlichen Nutzen und den sonstigen Beschränkungen, die mit dieser Unternehmensform verbunden sind, in einem angemessenen Verhältnis stehen sollen (16). In diesem Zusammenhang fordert der Ausschuss die Kommission auf, die Mitgliedstaaten dazu anzuregen, Möglichkeiten für steuerliche Anreize für Genossenschaften zu prüfen — und zwar auf der Grundlage ihres gesellschaftlichen Nutzens bzw. in Abhängigkeit ihres Beitrags zur regionalen Entwicklung — unter strengen Kontrollbedingungen, die an die Einhaltung der genossenschaftlichen Grundsätze und Werte geknüpft sind (17).

4.3   Soziale Verantwortung von Unternehmen und Corporate Governance

4.3.1   Soziale Verantwortung von Unternehmen

4.3.1.1

Die Globalisierung der Wirtschaft stellt immer höhere Anforderungen an die Rentabilität von Unternehmen, was gelegentlich zu Lasten anderer gesellschaftlicher Anliegen geht. Die soziale Verantwortung von Unternehmen, ein Konzept, „das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren“  (18), ist Genossenschaften nicht neu. Durch die Kombination wirtschaftlicher und sozialer Ziele sowie aufgrund der Tatsache, dass ihre Arbeitsmodalitäten auf Personen und interner Demokratie aufbauen, sind sie quasi exemplarisch für die soziale Verantwortung von Unternehmen (19).

4.3.1.2

Der Ausschuss bedauert, dass in der Mitteilung nicht näher auf diesen Aspekt eingegangen wird und empfiehlt, ihm in Zukunft eine Aktion zu widmen, um insbesondere die Praktiken der Genossenschaften in diesem Bereich zu fördern (20).

4.3.2   Corporate Governance

4.3.2.1

Der Ausschuss beschäftigt sich seit mehreren Jahren intensiv mit Themen im Rahmen der Corporate Governance (21). Auf Genossenschaften wird in diesem Bereich nur selten eingegangen. Eigentlich ist dies ein Paradox, da viele Bestimmungen im Zusammenhang mit der Organisation von Genossenschaften diese dazu veranlasst haben, ganz spezielle Führungs- und Managementstrukturen zu entwickeln (22). Auch Prüfungsgenossenschaften können mit ihren Leistungen einen wesentlichen Beitrag zu einer erfolgreichen Tätigkeit der Genossenschaften leisten. Prüfungsgenossenschaften existieren in mehreren Mitgliedstaaten, z.T. bereits mit mehr als hundertjähriger ungebrochener Tradition. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass auch die Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft über die gesetzliche Abschlussprüfung dieses genossenschaftliche Rechtsinstitut anerkennt und integriert.

4.3.2.2

Der Ausschuss ist daher der Ansicht, dass es nützlich wäre, diese Erfahrungen in Zukunft in die Debatte über die Corporate Governance einzubauen, um diese um mögliche Fortschritte und Empfehlungen für unterschiedliche Formen der Unternehmensführung zu bereichern.

4.4   Genossenschaftsvereinigungen

4.4.1

Der Ausschuss weist die Kommission ferner auf das Bestehen von Genossenschaftsvereinigungen hin. Bei diesen Unternehmensmodellen werden eher Strategien für Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen genossenschaftlichen Unternehmen verfolgt als eine Fusion oder Übernahme angestrebt. Durch die Vereinigung können sich diese Unternehmen besser den Herausforderungen der Globalisierung und der sich hieraus ergebenden stärkeren Konkurrenz stellen und dabei ihre Identität als Genossenschaft bewahren bzw. sie hervorheben.

4.4.2

Der Ausschuss hält es für sinnvoll, unter Beachtung der Wettbewerbsregeln die Förderung und Entwicklung solcher Vereinigungen zu unterstützen, die es Genossenschaften ermöglichen, eine gemeinsame Marke oder eine Produkt- und Dienstleistungspalette zu entwickeln, wodurch die Präsenz von Genossenschaften grenzüberschreitend bzw. international gestärkt werden kann. Ferner empfiehlt er, diesen Aspekt in der Mitteilung stärker zu berücksichtigen.

5.   Bemerkungen und Empfehlungen zu den vorgeschlagenen Aktionen

5.1   Wahrnehmung und Förderung genossenschaftlicher Praktiken (Aktionen 1 und 2)

5.1.1

Der Ausschuss fordert die Kommission auf, alle möglichen Maßnahmen zur besseren Wahrnehmung und stärkeren Beachtung der Besonderheiten von Genossenschaften zu ergreifen. Tatsächlich ist die Unkenntnis bezüglich Genossenschaften der wesentliche Grund dafür, dass ihr Potenzial nicht vollständig ausgeschöpft wird. In diesem Zusammenhang hält es der Ausschuss für erforderlich, verstärkt dazu anzuregen, die mit dieser besonderen Unternehmensform verbundenen bewährten Verfahren zu ermitteln, zu vereinheitlichen und weiter zu verbreiten.

5.1.2

Der Ausschuss empfiehlt insbesondere, dass die Kommission der Empfehlung 193 der ILO stärkere offizielle Beachtung schenken sollte, die aufgrund der Tatsache, dass sie von den 25 EU-Mitgliedstaaten angenommen wurde, den ersten europäischen Konsens über die Standards und die Förderung von Genossenschaften darstellt. Der Ausschuss empfiehlt ferner, konkrete Maßnahmen zu entwickeln und einzuleiten, wie z.B. eine Informationskampagne über die Besonderheiten und die unternehmerische Dimension von Genossenschaften, die sich auf Videos, die Website der GD Unternehmen u.ä. stützen könnte. Diese Kampagne sollte die wirtschaftlichen und sozialen Akteure sowie die nationalen Behörden als Zielgruppe im Auge haben.

5.1.3

Der Ausschuss empfiehlt ferner, alle Generaldirektionen der Kommission in diese Aktion zur Förderung von Genossenschaften einzubinden. Dies gilt insbesondere für die Dienststellen, die Maßnahmen mit direktem Bezug zu unternehmerischen und sozialen Aspekten von Genossenschaften durchführen (GD Binnenmarkt, GD Beschäftigung und Soziales, GD Wettbewerb, GD Gesundheit und Verbraucherschutz usw.).

5.2   Statistische Daten (Aktion 3)

5.2.1

Der Ausschuss unterstützt die Kommission in ihrem Bemühen, die Erhebung statistischer Daten über Genossenschaften zu verbessern. In den meisten EU-Mitgliedstaaten werden diese Daten, sofern sie überhaupt vorhanden sind, nur selten regelmäßig aktualisiert. Nur selten werden homogene Verfahren für die Datensammlung angewandt. Dies stellt ein grundlegendes Hindernis für die Förderung von Genossenschaften sowie für mehr Wissen über diese Unternehmensform dar.

5.2.2

Um eine Lösung für dieses Problem zu finden, beabsichtigt die Kommission, Satellitenkonten zu nutzen. Der Rahmen für die Anwendung dieses Verfahrens, der in Bezug auf Genossenschaften noch nicht definiert ist, wurde bislang bei Organisationen getestet, die nicht vorrangig Erwerbszwecke bzw. keinen Erwerbszweck verfolgen (23). Der Ausschuss betont, dass die wirtschaftlichen und kommerziellen Aspekte von Genossenschaften bei diesen Mitteln und Wegen berücksichtigt werden müssen. Die öffentliche Anhörung mit der Fragebogenaktion zeigte, dass diese Bedenken von den genossenschaftlichen Organisationen geteilt werden.

5.2.3

Um möglichst schnell auf den Datenbedarf der Genossenschaften zu reagieren, empfiehlt der Ausschuss, wo möglich unverzüglich eine Zusammenarbeit zwischen Eurostat und den nationalen, für Unternehmensstatistiken zuständigen Statistikbehörden einzurichten, um die Unternehmensdaten je nach ihrem rechtlichen Status systematisch aufzugliedern.

5.3   Allgemeine und berufliche Bildung sowie Unternehmergeist (Aktion 4)

5.3.1

Der Ausschuss hält es für wichtig, Genossenschaften in den Programmen für die allgemeine und berufliche Bildung, für die Förderung des Unternehmergeists und des lebenslangen Lernens (24) zu berücksichtigen. Er macht darauf aufmerksam, dass diese Thematik auch in der Empfehlung 193 der ILO aufgegriffen wurde und ist erfreut, dass auch der Ausschuss der Regionen diesen Punkt in seiner Stellungnahme (25) nennt. Der Ausschuss unterstützt die Kommission daher in ihrem Bemühen, die vorhandenen Erfahrungen zu vernetzen und zu verbreiten.

5.3.2

Der Ausschuss empfiehlt ferner, eine Bestandsaufnahme über die Behandlung von Genossenschaften im Schulunterricht und auf Universitätsebene vorzunehmen. Durch dieses Vorgehen und die Unterstützung der Entwicklung und Verbreitung von speziellem pädagogischem Material könnte die Kommission zwei Ziele zugleich erreichen, nämlich einerseits die Vernetzung bestehender Erkenntnisse und andererseits die Aufnahme des Themas „Genossenschaften“ in die Lehrpläne.

5.4   Unterstützungsdienste für Unternehmen (Aktion 5)

5.4.1

Der Ausschuss teilt den Wunsch der Kommission, die herkömmlichen Unterstützungsdienste für Unternehmen dazu anzuregen, sich stärker an die spezifischen Bedürfnisse von Genossenschaften anzupassen, und macht darauf aufmerksam, dass es Einrichtungen, die sich auf diese Art von Dienstleistungen spezialisiert haben, bereits gibt. Diese Einrichtungen sollten über die von der Kommission durchgeführten Aktionen ihr Dienstleistungsangebot ausbauen und verbreiten können.

5.4.2

In diesem Zusammenhang weist der Ausschuss darauf hin, dass das Projekt für ein neues Mehrjahresprogramm für Unternehmen und unternehmerische Initiative 2006-2011 (26) keine Leitlinie bzw. spezifische Linie für Genossenschaften enthält. Ferner erinnert er daran, dass auch der Aktionsplan für unternehmerische Initiative (27) keinen Verweis hierauf enthält, es sei denn im Rahmen eines Ansatzes für die Sozialwirtschaft, dessen Formulierung in diesem Dokument jedoch ein wenig verwirrend ist.

5.5   Zugang zu Finanzmitteln (Aktion 6)

5.5.1

Der Ausschuss fordert die Kommission auf, so schnell wie möglich zu prüfen, inwieweit es nützlich wäre, in die vom Europäischen Investitionsfonds verwalteten Finanzinstrumente einen speziellen Hinweis auf Genossenschaften aufzunehmen. In diesem Zusammenhang wurde dem Ausschuss jedoch mitgeteilt, dass dieser Hinweis aus Gründen der Gleichbehandlung der Rechtsformen vor kurzem abgelehnt wurde. Der Ausschuss fordert die Kommission daher auf, die neuen konkreten Aktionen für den Zugang zu Finanzmitteln zu verdeutlichen, da der zweite Aspekt der Aktion, dass dafür gesorgt wird, dass Genossenschaften weiterhin an den anderen Gemeinschaftsprogrammen teilnehmen können, nichts an der derzeitigen Lage ändert. Ferner würde der Ausschuss sich wünschen, dass der Europäische Investitionsfonds einen größeren Teil seiner Mittel für die KMU und Genossenschaften bereitstellen würde, die über keine wesentlichen Finanzgarantien verfügen.

5.5.2

In diesem Zusammenhang macht der Ausschuss die Kommission darauf aufmerksam, dass die Banken durch die neuen Basel II-Eigenkapitalvorschriften bei der Vergabe von Krediten an Unternehmen künftig dazu verpflichtet werden, deren Risikoprofil, insbesondere in Abhängigkeit ihrer Solvabilität und der Art ihrer Unternehmensführung zu berücksichtigen. Dies könnte die Finanzierung einiger Genossenschaften erschweren (28).

5.5.3

Aufgrund der Besonderheit ihres Kapitals (nicht börsennotierte Anteile, Auszahlung der Anteilscheine zum Nominalwert usw.) ist der Zugang von Genossenschaften zu Finanzmitteln für ihren Ausbau gelegentlich erschwert. Der Ausschuss unterstützt in diesem Sinne die Kommission, wenn sie die Mitgliedstaaten, die über eine besondere Gesetzgebung für Genossenschaften verfügen, dazu auffordert, für die Genossenschaften die Möglichkeit vorzusehen, handelbare, verzinsliche Anteile für Investoren auszugeben, die keine Mitglieder sind — unter der Bedingung, dass durch die Beteiligung dieser Investoren weder der genossenschaftliche Charakter noch die Kontrolle durch die Mitglieder der Genossenschaft gefährdet werden (29).

5.6   Beitrag von Genossenschaften in bestimmten unternehmenspolitischen Bereichen (Aktion 7)

5.6.1

Der Ausschuss teilt die Ansicht der Kommission, dass sich die Genossenschaft durch die Art ihrer Leitungsstruktur besonders für eine Übernahme durch die Arbeitnehmer als Arbeitnehmer-Genossenschaft eignet. Der Ausschuss schlägt vor, dieses Modell in den Programmen und Aktionen, die die Kommission in diesem Bereich fördern will, künftig stärker hervorzuheben.

5.6.2

Die Kommission schlägt vor, eine Studie über die Genossenschaften, deren wesentliches Anliegen die Erfüllung eines gesellschaftlichen Bedarfs ist, zu erstellen. Durch diese Studie kann auch deren Beitrag zum Erreichen solcher Ziele sichtbar gemacht werden. Der Ausschuss empfiehlt jedoch, bei dieser Studie zwischen den Besonderheiten von Sozialgenossenschaften im Vergleich zu „sozialen Unternehmen“ zu unterscheiden (30).

5.7   Kohärenz und Verbesserung der nationalen Rechtsvorschriften, Ausarbeitung von Mustergesetzen und Europäische Genossenschaft (Aktionen 8, 9, 10, 11)

5.7.1

Das Regelungsumfeld, in dem sich Genossenschaften entwickeln, ist ebenso wichtig wie die Organisationsformen, derer sie sich für das Erreichen ihrer Ziele bedienen; der Ausschuss unterstützt daher die Priorität, die die Kommission dem rechtlichen Status auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene beimisst.

5.7.2

Der Ausschuss ist erfreut über die Veranstaltung von Treffen mit den nationalen Behörden für die Umsetzung der Verordnung über die Europäische Genossenschaft und die dazugehörige Richtlinie. Ferner empfiehlt er eine regelmäßige Kontrolle der vorbereitenden Arbeiten. Zum Vergleich: Die Europäische Aktiengesellschaft, deren Statut vor kurzem in Kraft trat, wurde z.B. nur in sechs nationale Rechtsordnungen integriert.

5.7.3

Zur Ausarbeitung von Mustergesetzen möchte der Ausschuss betonen, dass dieser Absatz recht unscharf formuliert ist. Obwohl die Kommission aussagt, keine Vorschläge für die Harmonisierung des Genossenschaftsrechts vorzulegen, verweist sie auf die Schlussfolgerungen der hochrangigen Expertengruppe auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts, die genau in die Richtung einer Angleichung des nationalen Genossenschaftsrechts gehen.

5.7.4

Der Ausschuss ist sich bewusst, dass zahlreiche Artikel der Verordnung über die Europäische Genossenschaft auf nationale Rechtsvorschriften verweisen. Angesichts der Tatsache, dass fünf Jahre nach ihrem Inkrafttreten ein Bericht über die Anwendung der SCE-Verordnung erstellt werden wird, ist der Ausschuss der Ansicht, dass die Genossenschaftsverbände von Beginn an in die Überlegungen und Arbeiten eingebunden werden müssen, wenn Mustergesetze für die Angleichung des Genossenschaftsrechts aufgestellt bzw. die Verabschiedung gemeinsamer Vorschriften auf europäischer Ebene empfohlen werden sollen.

5.7.5

In diesem Zusammenhang möchte der Ausschuss jedoch darauf hinweisen, dass die öffentliche Anhörung ergeben hat, dass zahlreiche genossenschaftliche Organisationen eher eine Konsolidierung und eine Stärkung der geltenden nationalen Genossenschaftsgesetze als eine Überarbeitung im Hinblick auf eine Harmonisierung wünschen (31). Ihnen zufolge könnte ein solcher Ansatz auch dazu beitragen, bessere Lösungen für das Problem einer Abkehr vom Gegenseitigkeitsprinzip zu finden, mit dem einige Genossenschaften konfrontiert sind (32).

5.7.6

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Ausschuss der Kommission ferner, eine vergleichende Studie zu den Auswirkungen und dem Umfang der Aufnahme von Bestimmungen, die bisher für Kapitalgesellschaften kennzeichnend waren, in die Rechtsvorschriften über Genossenschaften einiger Mitgliedstaaten durchzuführen (33).

5.8   Gemeinschaftspolitische Ziele (Aktion 12)

5.8.1

Der Ausschuss unterstützt die Absicht der Kommission, dem Beitrag, den Genossenschaften zur Erreichung gemeinschaftspolitischer Ziele leisten, über die Gemeinschaftsprogramme stärker Rechnung zu tragen. Er fragt sich jedoch, mit welchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden soll, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Haushaltslinien für diesen Zweck vorgesehen sind.

5.8.2

In der Mitteilung wird vor allem der Bereich „Agrarpolitik und Erweiterung“ dadurch besonders hervorgehoben, dass ihm eine eigene Aktion gewidmet ist. Zwar unterstützt der Ausschuss diesen Schwerpunkt, hält es jedoch für erforderlich, auch Aktionen für die weiteren Bereiche, auf die verwiesen wird — nämlich die Entwicklung des ländlichen Raums, die Regionalentwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen — aufzustellen.

5.8.3

Generell hält es der Ausschuss für zweckmäßiger, sich bei der Planung von Aktionen zur Unterstützung und Förderung auf ein Zentrum genossenschaftlicher Entwicklung auszurichten. So könnte die genossenschaftliche Praxis ausgehend von einem speziellen Bereich auf andere Tätigkeitsbereiche übertragen werden.

6.   Schlussfolgerungen

6.1

Der Ausschuss ist erfreut über die Mitteilung über die Förderung von Genossenschaften in Europa. Sie schließt sich an die Verabschiedung der Verordnung über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) an und hebt so das Interesse der Kommission an Genossenschaften hervor. In ihr werden die wirtschaftlichen und sozialen Aspekte dieser Unternehmensform sowie ihr Potenzial für die Verwirklichung der Ziele der Lissabon-Strategie berücksichtigt.

6.2

Der Ausschuss begrüßt insbesondere, dass der Förderung unternehmerischer Initiative im Genossenschaftsbereich Priorität eingeräumt wird. Tatsächlich stellt das unzutreffende Bild von Genossenschaften in der Öffentlichkeit eines der größten Hindernisse für die Entwicklung dieser Unternehmensform in Europa dar.

6.3

Zwar unterstützt der Ausschuss die grundlegenden Leitlinien der Mitteilung, doch würde er sich wünschen, dass einige Aktionen konkreter gestaltet und mit im Voraus festgelegten Fristen versehen würden. Daher empfiehlt der Ausschuss, so schnell wie möglich einen Begleitprozess für die geplanten Aktionen einzurichten und nicht erst, wie von der Kommission vorgeschlagen, ihre Bewertung im Jahr 2008 abzuwarten. In diesen Prozess sollten die betroffenen Genossenschaftsverbände sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene einbezogen werden.

Brüssel, den 9. März 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Genossenschaftscharta, angenommen 1995 auf dem Kongress des Internationalen Genossenschaftsbundes in Manchester.

(2)  ebda.

(3)  Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16. Juni 2004, CdR 97/2004 fin, Berichterstatterin: Pellinen, ABl. C 318 vom 22.12.2004

(4)  Resolution 56/114, am 19. Dezember 2001 auf der 88. Plenartagung der UNO-Vollversammlung verabschiedet.

(5)  R 193. Empfehlung zur Förderung von Genossenschaften, am 20. Juni 2002 auf der 90. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz verabschiedet.

(6)  Artikel III-142 des Vertrags über eine Verfassung für Europa, der derzeit das Ratifizierungsverfahren durchläuft.

(7)  Verordnung Nr. 1435/2003. ABl. L 207 vom 18.8.2003 – Richtlinie Nr. 2003/72/EG, ABl. Nr. L 207 vom 18.8.2003.

Vgl. EWSA-Stellungnahme vom 26. Mai 1992 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Genossenschaft und zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Genossenschaft hinsichtlich der Rolle der Arbeitnehmer, ABl. C 223 vom 31.8.1992.

(8)  EWSA-Stellungnahme zum Thema „Sozialwirtschaft und Binnenmarkt“, Berichterstatter: Olsson, ABl. C 117 vom 26.4.2000.

(9)  Vgl. Fußnote 3.

(10)  EWSA-Stellungnahme „Die wirtschaftliche Diversifizierung in den Beitrittsstaaten – die Rolle der KMU und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen“, Berichterstatter: Fusco und Glorieux, ABl. C 112 vom 30.4.2004.

(11)  Die Gesellschaftsanteile können als Kapital betrachtet werden, wenn sich der Emittent das uneingeschränkte Recht vorbehält, die Rückzahlung zu verweigern oder die nationale Gesetzgebung bzw. die Statuten einen Schwellenwert festlegen, unterhalb dessen das Kapital nicht sinken darf.

(12)  In diesem Zusammenhang ist es äußerst verwunderlich, dass in der hochrangigen europäischen Expertengruppe auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts, die in der Mitteilung mehrfach genannt wird, kein einziger Experte für das Genossenschaftsrecht vertreten ist.

(13)  KOM(2004) 18 endg., letzter Absatz der Ziffer 3.2.7.

(14)  Beispielsweise ist es in Deutschland nicht möglich, eine Genossenschaft im Bereich der Auslieferung von Arzneimitteln zu gründen.

(15)  Artikel 8 Satz 2: „Sind nach einzelstaatlichem Recht besondere Vorschriften und/oder Beschränkungen für die von der SCE ausgeübte Geschäftstätigkeit oder bestimmte Kontrollen durch eine Aufsichtsbehörde vorgesehen, so finden diese Vorschriften auf die SCE uneingeschränkt Anwendung.“

(16)  Ziffer 3.2.6 der Mitteilung.

(17)  Stellungnahme des Ausschusses der Regionen in Fußnote 3.

(18)  Grünbuch: „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“ KOM(2001) 366 endg.

(19)  Organisation von Fair-Trade-Netzen, Aufstellung von Sozialbilanzen, Gründung des „Groupement Européen du Bilan Sociétal“ etc.

(20)  EWSA-Stellungnahme zu dem Grünbuch: „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“ CESE 355/2002, Berichterstatter: Hornung-Draus, Engelen-Kefer, Hoffelt, ABl. C 125 vom 27.5.2002.

(21)  EWSA-Stellungnahme zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan“, Berichterstatter: Herr Ravoet, CESE 1592/2003, ABl. C 80 vom 30.3.2004.

(22)  Beispiele hierfür sind der Aufbau und die Organisation von Prüfungsgenossenschaften in einigen Ländern der EU, wie z.B. in Deutschland.

(23)  Vgl. Seminar der „Commission sur le développement d'une méthodologie sur les comptes satellites de l'économie sociale“ (Ausschuss für die Entwicklung eines Verfahrens für Satellitenkonten für die Sozialwirtschaft) vom 23. April 2004.

(24)  Beispielsweise die Programme Leonardo, Sokrates, Erasmus.

(25)  Vgl. Fußnote 3.

(26)  Mehrjahresprogramm für Unternehmen und unternehmerische Initiative (2006-2011).

(27)  Mitteilung der Kommission „Aktionsplan: Europäische Agenda für unternehmerische Initiative“ (KOM(2004) 70 endg.). Vgl. EWSA-Stellungnahme 1198/2004 vom 15.9.2004, Berichterstatter: Butters.

(28)  EWSA-Stellungnahme „Fähigkeit der Anpassung der KMU und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen an die durch die wirtschaftliche Dynamik vorgegebenen Änderungen“, EUT C 120 af 20.5.2005, Berichterstatterin: Fusco.

(29)  Ziffer 3.2.4 der Mitteilung.

(30)  Unter der Überschrift „soziale Unternehmen“ verweist die Kommission auf einige Mitgliedstaaten, die spezielle Rechtsformen geschaffen haben, um Unternehmen zu kategorisieren, die hauptsächlich soziale Ziele verfolgen.

(31)  Einige nationale Genossenschaftsorganisationen sind auch dagegen.

(32)  Von einer Abkehr vom genossenschaftlichen Prinzip ist im Allgemeinen dann die Rede, wenn die Genossenschaft ihren Status als Unternehmen, das sich im gemeinschaftlichen Eigentum einer Personenvereinigung befindet, zugunsten externer Investoren verliert. Dies kommt vor allem bei der Umwandlung einer Genossenschaft in eine Kapitalgesellschaft vor.

(33)  Beispiel: In Italien wurde Genossenschaften durch ein Gesetz vor kurzem erlaubt, Schuldverschreibungen zu emittieren.


22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/8


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates: „Neufassung der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute sowie der Richtlinie 93/6/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten“

(KOM(2004) 486 endg. — 2004/0155 und 2004/0159 (COD))

(2005/C 234/02)

Der Rat beschloss am 13. September 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu oobenerwähnter Vorlage zu ersuchen:

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 14. Februar 2005 an. Berichterstatter war Herr RAVOET.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 9./10. März 2005 (Sitzung vom 9. März) folgende Stellungnahme mit 124 gegen 1 Stimme:

1.   Inhalt und Anwendungsbereich des Vorschlags

1.1

Die Europäische Kommission veröffentlichte am 14. Juli 2004 einen Vorschlag für eine Richtlinie (1) zur Neufassung der zweiten Richtlinie über die angemessene Eigenkapitalausstattung (93/6/EWG) (Kapitaladäquanzrichtlinie) und der Kodifizierten Bankenrichtlinie (2000/12/EG). Dieser Richtlinienvorschlag dient der Umsetzung der neuen Basel-Rahmenvereinbarung („International Convergence of Capital Measures and Capital Standards“) in der Europäischen Union. In diesem Dokument wird auf die Richtlinie zur Neufassung als (neue) „Kapitaladäquanzrichtlinie“ Bezug genommen.

1.2

Der Anwendungsbereich der Kapitaladäquanzrichtlinie erstreckt sich auf alle in der Europäischen Union tätigen Kreditinstitute und Wertpapierfirmen. Mit dieser Richtlinie soll das Bankensystem in Europa sehr risikosensibel gemacht werden. Sie wird den Bankensektor veranlassen, im Zuge des technischen Fortschritts und Investitionen in Personalentwicklungsmaßnahmen im Laufe der Zeit zu hochsensiblen Risikobewertungstechniken zu konvergieren. Durch die Schaffung einer gesunden Arbeitsgrundlage, von der aus die Unternehmen im Wege der Kapitalreallokation expandieren und innovativ weiterarbeiten können, wird sie den Verbraucherschutz, die finanzielle Stabilität und die globale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen verbessern.

1.3

Die Kapitaladäquanzrichtlinie ist das Rechtsinstrument zur Umsetzung der vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht ausgearbeiteten neuen Baseler Rahmenvereinbarung in der EU. Der Baseler Ausschuss wurde 1974 von den Notenbankgouverneuren der Zehnergruppe (G10) ins Leben gerufen. Die Vereinbarungen dieses Gremiums sind zwar nicht rechtsverbindlich, dienen jedoch dazu, einen gemeinsamen Aufsichtsrahmen zu schaffen, die Konvergenz hin zu gemeinsamen Ansätze zu erleichtern sowie gemeinsamen Ausgangsbedingungen für international tätige Banken den Weg zu ebnen.

1.4

Der sog. Basel-I-Akkord wurde 1988 veröffentlicht. Im Jahre 1999 begann man damit, das Abkommen im Lichte der sich in den 90ern rasch entwickelnden Risikomanagement-Strategien zu erweitern. Das Resultat dieser Arbeit waren die im Juni 2004 veröffentlichten „International Convergence of Capital Measures and Capital Standards“ (2), auch „neue Baseler Rahmenvereinbarung“ genannt.

1.5

Die neue Baseler Rahmenvereinbarung gliedert sich in drei Teile, die gemeinhin als die drei „Säulen“ bezeichnet werden. Säule 1 legt Eigenkapital-Mindestanforderungen für Kreditrisiko, Marktpreisrisiko und operationelles Risiko fest. Die Kreditinstitute können über eine Menü-Auswahl zwischen unterschiedlichen Stufen der Komplexität wählen. Unter Säule 2 fällt das Aufsichtsverfahren, das im Wege eines aktiven Dialogs zwischen den Instituten und der Aufsichtsinstanz durchgeführt wird. Es dient dazu, das Vorhandensein zweckdienlicher bankeigener Verfahren zur Beurteilung der Eigenkapitalanforderungen im Verhältnis zum Risikoprofil des Finanzkonzerns sicherzustellen. Säule 3 macht den Instituten die Offenlegung ihrer Eigenkapitalunterlegung gegenüber dem Markt zur Auflage. Auf Säule 3 wird oft unter dem Stichwort „Marktdisziplin“ verwiesen, da über die Transparenz beste Praktiken und das Vertrauen der Investoren gefördert werden.

1.6

Den Banken und den Wertpapierfirmen wird eine Menü-Auswahl für die Messung ihrer Kreditrisiken und operationellen Risiken sowie für die Kreditrisikominderung zur Verfügung gestellt. Dadurch sollen die Proportionalität des Regelwerks sichergestellt und Anreize für kleinere Institute geschaffen werden, auf fortgeschrittenere Ansätze umzusteigen. Die Umsetzung der fortgeschrittenen Ansätze ist finanziell aufwändiger, da sie auf von den Instituten entworfenen internen Modellen beruhen. Ihr Vorteil liegt allerdings in einer höheren Risikosensibilität, weshalb sie eine geringere Kapitalunterlegung gestatten.

Säule 1

 

Kreditrisiko

 

Operationelles Risiko

Säule 2

Säule 3

Interne Modelle

Fortgeschrittener IRB-Ansatz

(Advanced Internal Ratings Based Approach — AIRBA)

Fortgeschrittene Kreditrisikominderung (Advanced Credit risk mitigation)

Fortgeschrittenes Verfahren zur Ermittlung der Verlustwahrscheinlichkeit

(Advanced Measurement Approach — AMA)

Standardansätze

Basis-IRB-Ansatz

(Foundation Internal Ratings Based Approach — FIRBA)

Standard Kreditrisikominderung (Standardised Credit risk mitigation)

Standardansatz

(Standardised Approach — STA)

Standardansatz

(Standardised Approach — STA)

Basisindikatoransatz

(Basic Indicator Approach — BIA)

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Die Kapitaladäquanzrichtlinie ist das Rechtsinstrument zur Umsetzung der neuen Baseler Rahmenvereinbarung in der EU. Der Richtlinienvorschlag der Kommission orientiert sich weitgehend an den Basel-Regeln und berücksichtigt zugleich die Besonderheiten der Europäischen Union. Ausschlaggebend ist, dass ein hohes Maß an Parallelität zwischen der Baseler Rahmenvereinbarung und den EU-Bestimmungen hergestellt wird, damit Wettbewerbsgleichheit für europäische Banken gegenüber ihren Konkurrenten gewährleistet wird, die anderen Rechtsordnungen unterliegen, in denen die Rahmenvereinbarung umgesetzt wird.

2.2

Ein Hauptunterschied zwischen der Kapitaladäquanzrichtlinie und der Baseler Rahmenvereinbarung besteht darin, dass die Bestimmungen der Richtlinie auf alle Kreditinstitute und Wertpapierfirmen in der EU Anwendung finden. Die Baseler Rahmenvereinbarung hingegen ist für international operierende Banken konzipiert. Der von der Kommission vorgesehene erweiterte Anwendungsbereich liegt im Interesse von sowohl Einlegern als auch Darlehensnehmern in der EU. Ein solides Bankwesen mit hoher Eigenmittelausstattung erlaubt der Kreditwirtschaft die Aufrechterhaltung ihrer Kreditvergabetätigkeit über den ganzen Konjunkturzyklus hinweg. Dies sorgt für eine größere Stabilität im Bankensektor.

2.3

Die Vorteile für das europäische Bankwesen, die europäischen Unternehmen und die Verbraucher werden sich nur dann als nachhaltig erweisen, wenn die Richtlinie so flexibel gestaltet ist, dass sie mit den Veränderungen in der Praxis, auf den Märkten und im Aufsichtsbedarf Schritt halten kann. Dies ist notwendig, um die Interessen der Einleger und Darlehensnehmer zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass die EU ihren Ruf als ein Markt bewahrt, der sich an den besten Vorgehensweisen orientiert.

2.4

Der von der Kommission gewählte Weg, die dauerhaften Prinzipien und Ziele in den Artikeln der neugefassten Richtlinie und die technischen Maßnahmen in den Anhängen festzulegen, die durch das Komitologieverfahren geändert werden können, ist eine effiziente Vorgehensweise zur Sicherstellung der notwendigen Flexibilität.

3.   Besondere Bemerkungen

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss spricht der Kommission zu der hohen Qualität des Richtlinienvorschlags seine Anerkennung aus. Nach Dafürhalten des Ausschusses gibt es nur wenige Themen, die aufgegriffen werden müssen. Die Qualität des Legislativvorschlags spiegelt das einmalige Niveau der Konsultationen wider, darunter auch die Beteiligung an den Auswirkungsstudien des Baseler Ausschusses, die von der Kommission im Verlauf der Einarbeitung der Basel-Bestimmungen in die EU-Rechtsetzung vorgelegt wurden. Als Stimme der organisierten Zivilgesellschaft in der Europäischen Union lobt der EWSA diese Entwicklung und fordert die Mitgesetzgeber dazu auf, weiterhin die Ansichten der Marktteilnehmer im Rechtsetzungsprozess der EU zu berücksichtigen.

3.1   Auswirkungen auf kleinere Kreditinstitute in der EU

3.1.1

Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass der Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags der Kommission mit Blick auf den Nutzen für alle Verbraucher und Unternehmen in der Europäischen Union korrekt gewählt ist. Darüber hinaus ist der Ausschuss der Auffassung, dass Kreditinstitute aller Größenordnungen von den überarbeiteten Kapitaladäquanz-Regeln Nutzen erwarten können. Der Text der Kommission stellt ein ausgewogenes Gleichgewicht dar: Einerseits werden für kleinere Institute Anreize geschaffen, langfristig zu fortgeschritteneren Ansätzen überzugehen, andrerseits wird die Schaffung eines proportionalen Regelwerkes anvisiert, das die begrenzten Mittel der kleineren Kreditinstitute berücksichtigt.

3.1.2

Der Kommissionstext integriert überdies die Initiativen des Baseler Ausschusses zum Abbau der regulatorischen Hürden bei der Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Diese Änderungen (nachstehend unter „Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen“ behandelt) werden vom EWSA begrüßt — anderenfalls bestünde für den Ausschuss Grund zu der Befürchtung, dass der neue Rahmen zu einer zunehmenden Konzentration im europäischen Bankwesen und somit zu einer eingeschränkten Wahlfreiheit der Verbraucher führen würde. Der Ausschuss zeigt sich zufrieden, dass in der Wirkungsstudie von PriceWaterhouseCoopers vom April 2004 (3) der Schluss gezogen wird, dass bei einer durchgängigen Umsetzung der Richtlinie in der Europäischen Union nicht mit einer wesentlichen Beeinträchtigung der Wettbewerbslage in der Kreditwirtschaft zu rechnen ist.

3.2   Auswirkungen für den Verbraucher

Die finanzielle Stabilität und die höhere Risikoempfänglichkeit im Zuge der neuen Regeln werden den Verbrauchern in Gestalt eines höheren Vertrauens in die Finanzierungssysteme und eines signifikant verringerten systemischen Risikos zugute kommen. Der Wirkungsstudie von PriceWaterhouseCoopers zufolge wird der Übergang zu einer stärker risikosensitiven Handhabung das vorgehaltene Bankkapital reduzieren, was sich in Form einer leichten BIP-Verbesserung in der EU niederschlagen dürfte. Der zielführendere Einsatz von Kapital in der Wirtschaft leistet einen Beitrag zur Erfüllung der übergeordneten wirtschaftlichen und sozialen Ziele der Union.

3.3   Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU)

3.3.1

Der EWSA begrüßt, dass der Rahmen geändert wurde, um den Auswirkungen bei der Kreditvergabe auf die KMU besser gerecht zu werden; er begrüßt auch die Aufnahme dieser Änderungen in den europäischen Rahmen. Besonders hebt der Ausschuss Folgendes hervor:

Durch eine Abflachung der Retail-Kurve wurde die Eigenkapitalunterlegung für Darlehen an Kleinunternehmen reduziert.

Einige Banken behandeln ihre Exposures in Bezug auf die KMU als Retail-Exposures, die sie nunmehr gesammelt als Teil ihres Retail-Portefeuilles verwalten können.

Der Baseler Ausschuss hat die Granularitätsanforderungen für Darlehen an Kleinunternehmen abgeschafft, wodurch mehr Banken von der Vorzugsbehandlung profitieren können, und

im neuen Rahmen werden akzessorische Sicherheiten und Garantien aufgewertet.

3.3.2

Der Ausschuss begrüßt die diesbezüglichen Resultate der dritten Quantitiven Auswirkungsstudie (QIS3). Die Ergebnisse der QIS3 belegen, dass die Eigenkapitalunterlegung der Bank für Kredite an KMU im Unternehmensportefeuille bei Banken, die einen standardisierten Kreditrisikoansatz wählen, weitgehend stabil bleibt. Bei Banken, die mit dem Internen Rating-Verfahren (IRB) arbeiten, wird dieser Wert im Schnitt um 3-11 % abnehmen. Die Kapitalunterlegung für Exposures bei KMU, die der Retail-Behandlung zugeordnet werden können, wird im Schnitt um 12-13 % unter dem standardisierten Ansatz (STA) und bis zu 31 % unter dem fortgeschrittenen IRB-Ansatz (AIRBA) liegen.

3.4   Abschaffen des nationalen Wahlrechts in der Europäischen Union

Die konsequente Anwendung proportionaler Aufsichtsbestimmungen durch die Mitgliedstaaten stünde sowohl mit dem Prinzip der verantwortungsvollen Beaufsichtigung als auch den Binnenmarktzielen im Einklang. Die Anzahl und der Anwendungsbereich der einzelstaatlichen Ausnahmeregelungen in der vorgeschlagenen Kapitaladäquanzrichtlinie würde hingegen deren konsequente Anwendung behindern. Der Ausschuss ist der festen Überzeugung, dass diese nationalen Wahlrechte innerhalb einer festgelegten Frist generell abgeschafft werden sollten und begrüßt die Arbeit, die der Ausschuss der europäischen Bankaufsichtsbehörden (CEBS) dahingehend leistet. Zahllose einzelstaatliche Regelungen könnten den Binnenmarkt für grenzüberschreitend tätige Bankgruppen beträchtlich verzerren, wodurch die Stabilität des Finanzsystems untergraben würde. Dies würde die Nutzwirkung des Gesamtrahmens für Einleger und Darlehensnehmer in der EU mindern, da die Kosten für Kredite steigen und die Auswahl an Finanzprodukten begrenzt werden könnte.

3.4.1   Die Höhe der anzuwendenden Eigenkapitalanforderungen

3.4.1.1

In Artikel 68 der Richtlinie wird den Kreditinstituten auferlegt, den Eigenmittelanforderungen innerhalb eines Konzerns auf individueller Ebene zu entsprechen. In Artikel 69 Absatz 1 wird es weiterhin dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen, auf diese Anforderung zu verzichten und die Regeln auf konsolidierter Basis auf die Kreditinstitute und ihre Tochterunternehmen im selben Mitgliedstaat unter der Voraussetzung anzuwenden, dass der Konzern strenge Bedingungen erfüllt. Diese mögliche Auflagenentbindung könnte die Wettbewerbsgleichheit zwischen Mitgliedstaaten für international tätige Bankgruppen beeinträchtigen. Der Ausschuss hält dies für mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

3.4.1.2

Außerdem würde in Fällen, in denen ein Mitgliedstaat dafür optiert, die Anforderungen auf Ebene der einzelnen Kreditinstitute anzuwenden, der Aufsichtsinstanz die Identifizierung des Risikoprofils der Bankengruppe erschwert. Die Begrenzung der konsolidierten Aufsicht auf Finanztöchter, die im selben Mitgliedstaat wie die Konzernmutter ansässig sind, würde einen analogen Effekt haben. Deshalb sollte die Aufsicht auf der konsolidierten Ebene EU-weit erfolgen, sofern die Kreditinstitute belegen können, dass ihre Eigenmittel adäquat zwischen Konzernmutter und Finanztöchtern verteilt sind.

3.4.2   Interne Risiken

3.4.2.1

Den Mitgliedstaaten wird die Festlegung der Risikogewichtung für gruppeninterne Exposures überlassen. Diese Option erlaubt den Mitgliedstaaten, ein 0 %-Risikogewicht für Exposures zwischen einem Kreditinstitut und seiner Konzernmutter sowie zwischen einem Kreditinstitut und seiner Finanztochter oder einer Finanztochter seiner Konzernmutter zu veranschlagen. Um mit 0 %-Risikogewicht bewertet zu werden, muss der Kreditnehmer (Kontrahent) im selben Mitgliedstaat wie das Kreditinstitut niedergelassen sein. Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass ein 0 %-Risikogewicht das Risiko bei internen Exposures korrekt wiedergibt. Würde ein Ermessensspielraum gewährt, könnte dies dazu führen, dass in einigen Mitgliedstaaten von Kreditinstituten gefordert würde, Kapital für gruppeneigene Exposures vorzuhalten, ohne dass es eine aufsichtsrechtliche Begründung dafür gäbe.

3.4.2.2

Eine Begrenzung des 0 %-Risikogewichts auf Kontrahenten im selben Mitgliedstaat wäre nicht binnenmarktkonform. Exposures innerhalb eines Konzerns bei Kreditnehmern in einem anderen Mitgliedstaat haben dasselbe Risikoprofil wie Exposures bei Kreditnehmern innerhalb desselben Mitgliedstaates. Ein 0 %-Risikogewicht sollte in der Regel bei Exposures innerhalb einer Gruppe mit Bezug auf Kreditnehmer in der EU Anwendung finden.

3.4.3   Das fortschrittliche Verfahren zur Ermittlung von Verlustwahrscheinlichkeiten (Advanced Measurement Approach, AMA)

3.4.3.1

Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht definiert das operationelle Risiko sinngemäß als das Risiko eines direkten oder indirekten Ausfalls, das auf unzureichende oder schief gelaufene interne Abläufe, Mitarbeiter oder Systeme bzw. auf äußere Ereignisse zurückzuführen ist. In der neuen Baseler Rahmenvereinbarung wird erstmalig eine Eigenkapitalunterlegung für das operationelle Risiko eingeführt — somit müssen Finanzinstitute gänzlich neue Messsysteme für das operationelle Risiko entwickeln. Wie oben erwähnt, steht eine Menü-Auswahl verschiedener Handlungsoptionen für die Messung des operationellen Risikos zur Verfügung. Das fortschrittliche Verfahren zur Ermittlung von Verlustwahrscheinlichkeiten (Advanced Measurement Approach, AMA) fordert von den Banken die Ausarbeitung interner Messmodelle, die von den zuständigen Behörden genehmigt werden müssen. Die europäischen Finanzinstitute haben massiv in die Entwicklung dieser Systeme auf Konzernebene investiert, um die Messmethoden für operationelle Risiken auf diejenigen Geschäftsfelder abzustimmen, auf denen sie operieren.

3.4.3.2

In Artikel 105 Absatz 4 wird es dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen, Kreditinstituten zu gestatten, die qualifizierenden Kriterien für das fortschrittliche Verfahren zur Ermittlung von Verlustwahrscheinlichkeiten (Advanced Measurement Approach, AMA) für das operationelle Risiko auf oberster Ebene innerhalb eines Finanzkonzerns zu erfüllen. Die Anwendung des AMA auf konsolidierter Konzernebene in der EU deckt sich mit den Geschäftsfeld-Ansätzen für das Management des operationellen Risikos, die vom europäischen Bankgewerbe eingerichtet worden sind. Wenn die Banken den Anforderungen nicht auf Ebene des EU-Konzerns nachkommen könnten, wäre eine genaue Wiedergabe des Profils des operationellen Risikos der Gruppe nicht möglich. Im Falle von Muttergesellschaften und Finanztöchtern sollten die Anforderungen einer Gesamtbetrachtung unterzogen werden, wenn der Konzern belegen kann, dass konzernintern eine angemessene Verteilung des operationellen Risikokapitals gegeben ist.

3.4.4   Exposures bei Instituten gemäß dem Standardansatz für Kreditrisiko

Parallel zu den neuen Basel-Regeln können die Mitgliedstaaten eine der beiden Methoden zur Bestimmung des Risikogewichts der Exposures bei Instituten festlegen (Anhang VI, Absatz 26-27 und 28-31). Der für ein Kreditinstitut gewählte Ansatz würde somit eher durch dessen Nationalität als durch aufsichtsrechtliche Erwägungen bestimmt. Kreditinstitute, die grenzüberschreitend tätig sind, könnten eine bedeutende Ungleichbehandlung im Vergleich zu Wettbewerbern erfahren, die auf dem selben Markt tätig sind. Dies wäre mit den Zielen des Binnenmarkts unvereinbar: EU-weit sollte es deshalb nur einen Ansatz geben.

3.4.5   Anpassung der Fälligkeit

Neben dem neuen Basel-Rahmen liegt es im Ermessen der Mitgliedstaaten, die Formel für die effektive Fälligkeit (Anhang VII, Teil 2, Absatz 12) für Kreditinstitute unter dem AIRBA auch auf Institute unter dem Basisvariantenansatz anzuwenden. Die Formel für die effektive Fälligkeit passt die Messung der Eigenkapitalunterlegung für Produkte kurzer Laufzeit enger an deren tatsächliches Risikoprofil an. Grenzüberschreitend tätige Kreditinstitute könnten einer materiellrechtlich unterschiedlichen Behandlung gegenüber konkurrierenden Kreditinstituten auf dem selben Markt unterliegen. Darin erblickt der Ausschuss wiederum eine Unvereinbarkeit mit den Binnenmarktzielen. Der einzelstaatliche Ermessensspielraum sollte abgeschafft werden, damit die Gleichbehandlung aller Kreditinstitute nach dem Ansatz der Basisvariante sichergestellt ist.

3.5   Aufsichtsrechtliche Zusammenarbeit — Säule 2 und Säule 3

3.5.1

Der Ausschuss sieht sich einer Meinung mit der Europäischen Kommission, wonach die Zunahme des grenzüberschreitenden Geschäftsverkehrs und die Zentralisierung des Risikomanagements bei grenzüberschreitend tätigen Finanzkonzernen einen erhöhten Bedarf nach verbesserter Koordinierung und Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden in der EU nach sich ziehen. Die Festschreibung einer klaren Rolle für die konsolidierte Aufsicht im Richtlinienvorschlag wahrt die Zuständigkeit der zuständigen einzelstaatlichen Behörden, während er für die Institute eine zentrale Schnittstelle schafft (beispielsweise zur Genehmigung des IRB-Ansatzes für das Kreditrisiko und den AMA-Ansatz für das operationelle Risiko).

3.5.2

Nach Dafürhalten des Ausschusses sollte das Modell der konsolidierten Aufsicht sowohl auf den aufsichtsrechtlichen Überprüfungsprozess der zweiten Säule als auch auf die Offenlegungspflichten gemäß Säule 3 ausgedehnt werden. Beide Säulen sollten für jede Finanzgruppe in der EU auf oberster konsolidierter Ebene Anwendung finden. Werden Säule 2 und 3 auf individueller Ebene angewendet, geben sie nicht das Risikoprofil des gesamten Konzerns wieder. Im Falle des aufsichtsrechtlichen Überprüfungsprozesses von Säule 2 würde dies dazu führen, dass die Finanztöchter einer Bankengruppe EU-weit einer uneinheitlichen Aufsicht unterliegen würden: Das Ziel der besseren Erfassung des Risikoprofils eines Konzerns würde verfehlt — dies läge wohl kaum im Interesse der Einleger und Kreditnehmer. Findet Säule 3 auf Konzernebene keine Anwendung, werden die Investoren aus der Offenlegung nichts über die finanzielle Gesundheit des Konzerns als Ganzes erkennen können.

3.6   Behandlung von Wertpapierfirmen

Der Ausschuss begrüßt, dass Wertpapierfirmen in den europäischen Rahmen einbezogen werden. Da die Leistungsfähigkeit der Finanzmärkte zunehmend von den Wertpapierfirmen abhängt, ist diese Maßnahme für die Stabilität des europäischen Finanzsystems von besonderer Bedeutung. Der Ausschuss spricht sich dafür aus, dass Kreditinstitute und Wertpapierhäuser — insofern sie den selben Risiken ausgesetzt sind — weitestgehend einheitlichen Bestimmungen unterliegen.

3.7   Aufsichtsrechtliche Offenlegung

Der Ausschuss begrüßt ausdrücklich die Einführung einer Regelung zur aufsichtsrechtlichen Offenlegung im Richtlinienvorschlag. Die aufsichtsrechtliche Offenlegung fördert die Konvergenz im Binnenmarkt und signalisiert einen etwaigen Justierungsbedarf in der EU in Bezug auf die Kapitaladäquanz. Die Offenlegung wird ferner dazu beitragen, eklatante Abweichungen bei der Umsetzung der Richtlinie aufzudecken. Die Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen in der EU liegt im Interesse von sowohl den Banken als auch den Verbrauchern.

3.8   Überarbeitung des Handelsbuchs

Gemeinsam mit dem internationalen Verband der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO — International Organisation of Securities Commissions) — das mit der Regulierung der Finanzmärkte befasste internationale Gremium — arbeitet der Baseler Ausschuss an einer Überprüfung des Kreditausfallsrisikos und der Handelsbuchthematik (4). Der Ausschuss begrüßt generell das Engagement der Kommission, die Resultate der Überprüfung des Handelsbuchs in die Richtlinie noch vor ihrer Umsetzung einzuarbeiten. Der Ausschuss zeigt sich einer Meinung, dass die Arbeit an der Problematik des doppelten Ausfalls und des Kreditausfallsrisikos unverzüglich abgeschlossen und in die Richtlinie unter Verwendung der Rechtsinstrumente, die der Kommission zur Verfügung stehen, eingearbeitet werden sollte. Indes ist die Thematik der Abgrenzung zwischen Handels- und Bankbuch ausgesprochen technischer Natur und sollte deshalb nicht übereilt behandelt werden. Eine mangelhafte Bearbeitung dieses so wichtigen Themas könnte später zu negativen Auswirkungen für die europäischen Investoren führen. Der Ausschuss spricht sich für eine eingehendere Überarbeitung dieses Themas und dessen Einarbeitung in die Rechtsetzung der EU zu einem späteren Zeitpunkt aus.

3.9   Termine für die Umsetzung

Der Ausschuss schlägt als Termin für die Umsetzung der Richtlinie den 1. Januar 2007 statt des 31. Dezember 2006 beim Standardansatz und den 1. Januar 2008 statt des 31. Dezember 2007 bei den fortgeschritteneren Ansätzen vor. Die Auflage, die Richtlinie zum 31. Dezember umzusetzen, würde schwerfällige Berichterstattungspflichten nach sich ziehen.

3.10   Konjunkturschwankungen

Zuweilen werden ernste Befürchtungen laut, die neuen Bestimmungen könnten prozyklische Effekte haben. Die Folge wäre eine eingeschränkte Kreditvergabe durch die Banken in Zeiten wirtschaftlicher Rezession, da in einem zunehmend riskanten Umfeld mehr Kapital unterlegt werden müsste. Obwohl sich die eingeschränkte Kreditvergabe in wirtschaftlich schlechten Zeiten nicht vermeiden lässt, könnte hier eine ausgeprägt restriktive Handhabung wirtschaftliche Abschwungtendenzen verstärken. Der Ausschuss begrüßt nachdrücklich das Erfordernis, die Kapitaladäquanzrichtline einer Praxiserprobung über den Zeitraum eines ganzen Konjunkturzyklus zu unterziehen. Die Absicht, die prozyklischen Auswirkungen durch zweijährige Berichte der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zu beobachten, ist das Mindeste, was in Bezug auf prozyklisches Handeln unternommen werden sollte.

3.11   Auswirkungen der IFRS auf die regulatorischen Eigenmittel

3.11.1

Die internationalen Rechnungslegungsnormen IFRS (International Financial Reporting Standards) liefern hochwertiges Datenmaterial, das im Wesentlichen als zuverlässig zu betrachten ist. Sie sollten deshalb als Ausgangspunkt für die Definition des regulatorischen Eigenkapitals herangezogen werden. Die Zugrundelegung der IFRS bei der Kapitaladäquanzbehandlung wird überdies die gleichen Ausgangsbedingungen zwischen den Instituten und die Vergleichbarkeit fördern. Zudem dürfte ein hoher Deckungsgrad zwischen den IFRS- und Kapitaladäquanzregeln dazu beitragen, bei den Marktteilnehmern weniger Unklarheiten aufkommen zu lassen und interne Abläufe einfacher und kostengünstiger zu gestalten.

3.11.2

Nach Auffassung des Ausschusses sollte die Konvergenz beider Regelwerke die Banken im Idealfall dazu befähigen, ausgehend von einem einzigen Zahlensatz und einer einzigen Grundlage ihren finanziellen und regulatorischen Berichterstattungspflichten nachzukommen. Unter gewissen Umständen dürften die Aufsichtsinstanzen abweichende Positionen beziehen, und zwar besonders dann, wenn die Rechnungslegungsgrundsätze Risikoexposures nicht angemessen wiedergeben. Aus diesem Grund werden die Aufsichtsbehörden einige Änderungen an den Rechnungslegungsergebnissen vornehmen müssen. Werden eines oder mehrere Ziele des neuen Kapitaladäquanzrahmens durch die Rechnungslegungsnormen bzw. ihre Anwendung kompromittiert, werden aufsichtsrechtliche Filter zur Bewertung der regulatorischen Eigenmittel benötigt. Aus operationellen Gründen sollten diese Anpassungen, die so genannten regulatorischen akzeptierten Rechnungslegungsgrundsätze (Regulatory Accepted Accounting Principles) nur auf signifikante Posten beschränkt bleiben.

3.11.3

Vor diesem Hintergrund begrüßt der Ausschuss den „Filter“, den die Kommission in Artikel 64 Absatz 4 im Richtlinienvorschlag eingebaut hat, was sich mit der Position des Baseler Ausschusses deckt. Der Ausschuss begrüßt die in Arbeit befindliche Entwicklung von aufsichtsrechtlichen Filtern durch die CEBS.

4.   Schlussfolgerung

4.1

Der Richtlinienvorschlag liegt derzeit dem Ministerrat und dem Europäischen Parlament zur ersten Lesung vor. Der Ausschuss spricht sich für die Einigung auf eine flexible Richtlinie aus, die sich eng an die Baseler Rahmenvereinbarung anlehnt und somit unionsweit eine konvergente Anwendung fördert.

4.2

Die unverzügliche Verabschiedung der Richtlinie ist von großer Bedeutung, damit die Kreditwirtschaft den finanziellen Aufwand für die verbesserten Risikomanagementsysteme in der Größenordnung von 20 Milliarden bis maximal 30 Milliarden Euro wieder hereinholen kann. Eine verzögerte Umsetzung würde das europäische Bankwesen auf dem Weltmarkt benachteiligen, was wohl kaum im Interesse der europäischen Einleger und Kreditnehmer wäre. Gleichwohl dürfen bei der Qualität der Rechtsetzung keine Abstriche gemacht werden; auch sind die Standpunkte aller Beteiligten von den Mitgesetzgebern zu berücksichtigen.

Brüssel, den 9. März 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  http://europa.eu.int/comm/internal_market/regcapital/index_en.htm

(2)  http://www.bis.org/publ/bcbs107.pdf

(3)  PriceWaterhouseCoopers wurde damit beauftragt, eine Studie zu den finanziellen und makroökonomischen Auswirkungen des Richtlinienvorschlags der Europäischen Kommission zu erarbeiten.

(4)  Finanzinstitute arbeiten mit zwei Hauptkategorien für ihre Aktiva, dem „Bankbuch“ und dem „Handelsbuch“. Die lang- und mittelfristigen Transaktionen werden zumeist über das Bankbuch (Kredite, Einlagen, etc.) erfasst, während das Handelsbuch ein Eigentümer-Portefeuille für Finanzinstrumente kurzer Laufzeit darstellt, die vom Institut in seiner Eigenschaft als Händler gehalten werden. Investmentbanken führen quasi alle ihre Finanzinstrumente im Handelsbuch auf. Die Abgrenzung zwischen dem Bankbuch und dem Handelsbuch ist nie formell definiert worden.


22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/14


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Entscheidung 2000/819/EG des Rates über ein Mehrjahresprogramm für Unternehmen und unternehmerische Initiative, insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) (2001-2005)“

(KOM(2004) 781 endg. — 2004/0272 (COD))

(2005/C 234/03)

Der Rat beschloss am 11. Januar 2005, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen:

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 14. Februar 2005 an. Berichterstatter war Herr PEZZINI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 9./10. März 2005 (Sitzung vom 9. März) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Vorwort

1.1

Zahlreiche Mitglieder aus den der EU im Jahr 2004 beigetretenen neuen Mitgliedstaaten hatten noch keine Gelegenheit, sich eingehend mit der in den letzten Jahrzehnten auf Gemeinschaftsebene entwickelten Unternehmenspolitik, insbesondere für KMU, zu befassen. Diese Stellungnahme, die vom Gegenstand her sehr einfach, aber aufgrund der Tragweite der Kommissionsvorschläge von Bedeutung ist, ermöglicht es, kurz auf die verschiedenen Etappen dieses Politikbereichs einzugehen.

2.   Historischer Abriss

2.1

Seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre waren in der Kommission hauptsächlich zwei Generaldirektionen für die Unternehmenspolitik zuständig, und zwar die Generaldirektion Industriepolitik und die Generaldirektion XXIII, die sich insbesondere mit Handwerk und KMU befasste. Die Generaldirektion XXIII veranstaltete in den neunziger Jahren in enger Zusammenarbeit mit den Branchenorganisationen in den Mitgliedstaaten jährlich Dutzende von Begegnungen zur Sondierung der besonderen Bedürfnisse der Kleinst- und Kleinunternehmen.

2.2

Im Jahr 1994 richtete die Kommission — auch auf Betreiben der GD XXIII — den Europäischen Investitionsfonds (EIF) ein, der zwei Ziele verfolgt:

1)

die Finanzierung der für die Entwicklung der Unternehmen unabdingbaren Netzwerke;

2)

die Absicherung der insbesondere für KMU gewährten Kredite durch Bürgschaften.

Der EIF ist heute ausschließlich in letzterem Bereich tätig.

2.3

Die aus den bereits genannten Begegnungen hervorgegangenen Empfehlungen wurden auf drei einschlägigen europäischen Tagungen erörtert, die 1990 in Avignon, 1994 in Berlin und 1997 in Mailand stattfanden. Jede dieser Veranstaltungen wurde von tausenden von Unternehmern aus den Mitgliedstaaten besucht.

2.4

Programme für die Unternehmen wurden folglich in jenen Jahren entweder von der GD Unternehmen oder von der GD XXIII vorgeschlagen. Sofern die Initiative von letztgenannter ausging, zielten sie in erster Linie auf das Handwerk und die KMU ab.

2.5

Im Jahr 1997 wurde das dritte Mehrjahresprogramm für kleine und mittlere Unternehmen (1997-2000) verabschiedet, nachdem es mit den Branchenverbänden erörtert und von der GD XXIII angenommen worden war.

2.6

Der Europäische Rat, der sich auf seiner außerordentlichen Tagung vom 20./21. November 1997 in Luxemburg ausschließlich mit dem Thema Beschäftigung befasste, verabschiedete u.a. drei konkrete Initiativen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und ersuchte die Kommission, Vorschläge zur Stärkung der Wirtschaft und zur Erhöhung der Beschäftigung vorzulegen. Die drei Initiativen waren im Einzelnen: die ETF-Startkapitalfazilität, die Fazilität Joint European Venture (JEV) und die KMU-Bürgschaftsfazilität.

2.7

Im Jahr 1998 wurde von der Kommission mit direkter Beteiligung der EIB und des EIF das auf die in Luxemburg beschlossenen Fazilitäten ausgerichtete Programm „Initiative für mehr Wachstum und Beschäftigung (1998-2000)“ gestartet.

2.8

Im Jahr 1999 forderte der Rat — auch im Zusammenhang mit den Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates in Cardiff von 1998 — in einem Bericht dazu auf, bei allen unternehmenspolitischen Maßnahmen auch den Aspekt der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.

2.9

Im Jahr 2000, als die Arbeiten am vierten Mehrjahresprogramm bereits weit fortgeschritten waren, wurden zwei Dokumente, die für KMU von grundlegender Bedeutung sind, angenommen:

1)

die auf der Tagung des Europäischen Rates in Santa Maria da Feira beschlossene „Europäische Charta für Kleinunternehmen“;

2)

die von den Industrieministern der OECD-Länder initiierte und angenommene Charta über KMU-Politik.

2.10

Ebenfalls im Jahr 2000 leitete der Europäische Rat von Lissabon den bekannten gleichnamigen, auf die wissensbasierte Wirtschaft und Gesellschaft ausgerichteten Prozess, in den die Kommission und die Mitgliedstaaten langfristig eingebunden sind, in die Wege.

2.11

Das im Jahr 2000 aufgelegte vierte Mehrjahresprogramm für Unternehmen und unternehmerische Initiative (2001-2005) fasst die vorausgegangenen Programme zusammen und spiegelt die kulturelle Entwicklung der neunziger Jahre wider.

3.   Einleitung

3.1

Das vierte Mehrjahresprogramm für Unternehmen und unternehmerische Initiative, insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) (2001-2005) wurde am 20. Dezember 2000 mit einer Laufzeit vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2005 und einem Finanzvolumen von 450 Mio. EUR beschlossen.

3.2

Ziel des Programms ist es, die Rahmenbedingungen für Unternehmen in Europa zu verbessern. Das Programm wird von der GD Unternehmen koordiniert und sieht drei unterschiedliche Maßnahmenbereiche vor:

Aktivitäten im Bereich der Unternehmensentwicklung, die auf Untersuchungen und Empfehlungen der Kommission und der Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Unternehmen basieren;

das Netzwerk der Euro-Info-Zentren, die die verschiedenen Informationseinrichtungen in Europa dabei unterstützen, den Unternehmen den Zugang zu gemeinschaftlichen Beihilfen und Unterstützungsprogrammen und -einrichtungen zu erleichtern;

Finanzinstrumente zum Zweck der Verbesserung der finanziellen Rahmenbedingungen der Unternehmen, insbesondere von KMU.

3.3

Das Programm hat folgende Ziele:

Steigerung des Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in einer globalisierten und wissensbasierten Wirtschaft;

Förderung der unternehmerischen Initiative;

Vereinfachung und Verbesserung des Verwaltungs- und Regelungsumfelds der Unternehmen;

Verbesserung der finanziellen Rahmenbedingungen für Unternehmen, insbesondere für die KMU;

Vereinfachung des Zugangs der Unternehmen zu den unterstützenden Dienstleistungen und zu den Förderprogrammen und -netzen der Gemeinschaft sowie Verbesserung der Koordinierung dieser Fazilitäten;

Förderung der Umsetzung der Europäischen Charta für Kleinunternehmen auf Gemeinschaftsebene.

3.4

Das Programm wird mit Hilfe von drei Arten von Instrumenten durchgeführt:

dem Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und der Ermittlung vorbildlicher Lösungen in den Mitgliedstaaten;

dem Netz der Euro-Info-Zentren, die den Unternehmen in allen europäischen Regionen Dienste und Beratung in EU-Fragen zur Verfügung stellen;

verschiedenen gemeinschaftlichen Finanzinstrumenten für KMU, die über den Europäischen Investitionsfonds (EIF) angeboten werden.

3.5

Die Kommission nahm im Hinblick auf das neue Mehrjahresprogramm (2006-2010) regelmäßig Evaluierungen vor, die sowohl intern, als auch von unabhängigen Sachverständigen durchgeführt wurden. Die Kommission hat ein Dokument erarbeitet, in dem möglichst viele Empfehlungen aufgegriffen werden sollten und in dem verdeutlicht wird, auf welche Bereiche sich das neue Programm ausrichten soll.

4.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

4.1

In einem einzigen Artikel wird vorgeschlagen, die Entscheidung 2000/819/EG des Rates (1) abzuändern, die Geltungsdauer des laufenden Mehrjahresprogramms bis zum 31. Dezember 2006 zu verlängern und folglich den als finanziellen Bezugsrahmen dienenden Betrag um 81,5 Mio. von 450 Mio. auf 531,5 Mio. EUR anzuheben.

5.   Die Begründung der Kommission

5.1

Die Ergebnisse der öffentlichen Anhörung und die im Bericht der unabhängigen Sachverständigen vorgebrachten Empfehlungen legen eindeutig eine breitere Grundlage für die Analyse, die Entwicklung und die Koordinierung von Maßnahmen sowie spezielle Maßnahmen zur Förderung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Unternehmen nahe.

5.2

Lediglich in den Jahren 2003 und 2004 konnten die in der Europäischen Charta für Kleinunternehmen vorgesehenen Aktionslinien mit hinreichender Klarheit in den jährlichen Arbeitsprogrammen des Mehrjahresprogramms berücksichtigt werden. Bis zur konkreten Umsetzung der in der Charta ausgesprochenen Empfehlungen ist es allerdings noch ein weiter Weg.

5.3

Im Mehrjahresprogramm sind zwar verschiedene Maßnahmen im Bereich der Unternehmenspolitik vorgesehen, aber es werden nicht genügend Impulse bezüglich der Innovation und der Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen vermittelt.

5.4

Die im Mehrjahresprogramm vorgesehenen Maßnahmen orientieren sich an den Notwendigkeiten und Bedürfnissen der Unternehmen in der EU-15, können aber nicht in ausreichenden Maße an die Bedürfnisse der Unternehmen in den neuen Mitgliedstaaten angepasst werden.

6.   Bemerkungen des EWSA

6.1

Der Ausschuss ist mit den Kommissionsvorschlag im Großen und Ganzen einverstanden, würde es indes für sinnvoll erachten, dass die Kommission einen Entwurf erarbeitet, der auch die etwaigen Empfehlungen des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und anderer Akteure der organisierten Zivilgesellschaft berücksichtigt und der als folgende Aspekte umfassendes „Rahmenprogramm“ fungieren kann:

die in den letzten Jahren erzielten Fortschritte im Bereich der wissensbasierten Wirtschaft;

neue Impulse für die in den Unternehmen aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit notwendigen Innovationen;

die Themen der neuen Finanziellen Vorausschau 2007-2013;

die von den Unternehmen — insbesondere den Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen — in den neuen EU-Mitgliedstaaten geäußerten wirklichen Bedürfnisse;

die nützlichen und notwendigen Synergien mit den Aktionslinien der neuen Strukturfonds und des Kohäsionsfonds;

die insbesondere in den neuen Mitgliedstaaten gehegten Erwartungen bezüglich der Aufgaben der Euro-Info-Zentren.

6.2

Gegenwärtig wird das bis 2006 laufende 6. Rahmenprogramm für Forschung und Innovation umfassend überdacht. Das jetzige Rahmenprogramm ist stark auf — für Großunternehmen zwar außerordentlich wichtige — forschungsrelevante Themen ausgerichtet, der Innovation und der Wettbewerbsfähigkeit, die hingegen für KMU von zentralem Stellenwert sind, wird indes nur wenig Bedeutung beigemessen. Dank einer längeren Bedenkzeit und einer zeitlichen Abstimmung könnten neue, dynamische Synergien zwischen dem nächsten Rahmenprogramm für Forschung und Innovation und dem künftigen Mehrjahresprogramm für Unternehmen und unternehmerische Initiative ermöglicht werden.

6.3

Einige Instrumente des laufenden Mehrjahresprogramms haben nicht die erwünschten Ergebnisse erbracht (2): Sie gehen wahrscheinlich auf Initiativen zurück, die nach Beginn des Lissabon-Prozesses ergriffen, aber nicht konkret auf die Bedürfnisse der Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen abgestimmt wurden.

7.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

7.1

Die im Jahr 2004 der EU beigetretenen Staaten hatten nicht wie die alten Mitgliedstaaten die Möglichkeit, sich intensiv untereinander auszutauschen und zur Erarbeitung einer Politik für Unternehmen und unternehmerische Initiative, die über eine solide und allgemein akzeptierte Grundlage verfügt, beizutragen.

7.2

Der Ausschuss würde es sehr begrüßen, wenn die DG Unternehmen während des laufenden Jahres bzw. des Zeitraums, der sich durch die Verlängerung der Laufzeit ergibt (d.h. in 2005 und 2006) eine Reihe von Treffen mit Vertretern der KMU-Verbände aller Mitgliedstaaten veranstalten würde mit dem Ziel, bewährte Verfahren zu erörtern und auf die spezifischen Probleme der neuen Mitgliedstaaten einzugehen. Auf diese Art und Weise ließen sich zahlreiche Aspekte ermitteln, die dann im neuen Rahmenprogramm aufgegriffen werden könnten.

7.3

Der Ausschuss empfiehlt, im Laufe des Jahres 2006 in einem der unlängst beigetretenen Mitgliedstaaten die „Vierte Europäische Konferenz der Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen“ zu veranstalten. Diese soll im Rahmen eines umfassenden Überblicks Lösungsmöglichkeiten für die von den neuen Mitgliedstaaten in puncto Unternehmenspolitik deutlich gemachten Probleme aufzeigen.

7.4

Die Kommission sollte so rasch wie möglich mit dem Ausschuss die Anhaltspunkte, die sich aus der von ihr angeregten unabhängigen Prüfung ergeben haben, erörtern und die im Rahmen des laufenden Mehrjahresprogramms erzielten Ergebnisse untersuchen. Im Übrigen könnte der Ausschuss bereits jetzt dank seiner zahlreichen Mitglieder aus dem Unternehmensbereich wichtige Beiträge leisten, die sich — wie alle seine Arbeiten — durch Wirklichkeitsnähe und Engagement auszeichnen.

7.5

Der Ausschuss ist im Laufe mehrjähriger Überlegungen — u.a. auch dank des internen Dialogs im Zuge der Erarbeitung der Stellungnahmen — zu folgender Überzeugung gelangt: Sollen Maßnahmen zur Unternehmensentwicklung sinnvoll und konkret sein, dann muss zum einen ein intensiver Austausch mit und unter den von den Problemen der Unternehmen direkt Betroffenen (Unternehmer und Arbeitnehmer) stattfinden. Zum anderen ist aber auch einzusehen, dass die Probleme der Kleinst- und Kleinunternehmen nicht mit denen der Großunternehmen vergleichbar sind bzw. dass sie, sollten sie ähnlich sein, in jedem Falle aber unterschiedliche Charakteristika aufweisen, da sie mit Mitteln und Maßnahmen angegangen werden, die sich von denen der Großunternehmen grundlegend unterscheiden. Dies ist bei Konzeption und Anwendung neuer Maßnahmen zur Unternehmensförderung stets zu berücksichtigen.

7.6

Der Ausschuss begrüßt folglich die vorgeschlagene Verlängerung, legt aber der Kommission nahe, die in der vorliegenden Stellungnahme empfohlenen Initiativen umzusetzen und dem Europäischen Parlament und dem Ausschuss darüber Bericht zu erstatten.

Brüssel, den 9. März 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  ABl. L 333 vom 29.12.2000, S. 84. Entscheidung zuletzt geändert durch die Entscheidung Nr. 593/2004/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 268 vom 16.8.2004, S. 3).

(2)  Diesbezüglich wird auf das enttäuschende Ergebnis des Programms JEV und auf die Schlussfolgerungen des Dokuments SEC(2004) 1460 vom 15.11.2004 verwiesen.


22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/17


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zu einer gemeinschaftlichen Fluglotsenzulassung“

(KOM(2004) 473 endg. — 2004/0146 (COD))

(2005/C 234/04)

Der Rat beschloss am 22. September 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 80 Absatz 2 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen:

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 21. Februar 2005 an. Berichterstatter war Herr McDonogh.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 9./10. März 2005 (Sitzung vom 9. März) mit 126 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Der europäische Luftraum ist immer noch einer der weltweit am stärksten überlasteten Verkehrsräume. Die Fragmentierung des Flugsicherungssystems in einzelstaatlich abgegrenzte Vorschriften, Verfahren, Märkte und Leistungsniveaus wurde von der hochrangigen Gruppe für den einheitlichen europäischen Luftraum als Haupthindernis für wesentliche Fortschritte der Flugsicherungsbranche erkannt. Mit dem Paket für den einheitlichen europäischen Luftraum werden diese unterschiedlichen Formen der Fragmentierung durch eine Reihe von Initiativen angegangen.

2.   Hintergrund

2.1

Die Annahme der vier Verordnungen, aus denen das Maßnahmenpaket für den einheitlichen europäischen Luftraum besteht, wird das Umfeld für das Flugverkehrsmanagement grundlegend verändern. Der ergänzende Vorschlag für eine gemeinschaftliche Fluglotsenzulassung ist aus mehreren Gründen von Bedeutung.

Die Zulassung trägt zu einem Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Bestandteilen des Pakets für den einheitlichen europäischen Luftraum bei, damit nicht nur institutionelle, wirtschaftliche und technische Aspekte abgedeckt sind, sondern auch soziale Gesichtspunkte berücksichtigt werden.

2.2

Zur Vorbereitung dieser Legislativinitiative hatte die Kommission eine Studie in Auftrag gegeben, um den Stand der Erteilung von Zulassungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten zu ermitteln. Die Studie ergab, dass die Erteilung von Zulassungen trotz vieler internationaler Vorschriften der ICAO oder von EUROCONTROL in den EU-Mitgliedstaaten weiterhin hochgradig unterschiedlich erfolgt. In der Studie wurde empfohlen, dass folgende Bereiche von gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften abgedeckt werden sollten:

a)

Bezüglich der Bedingungen für die Erlangung und Aufrechterhaltung einer Zulassung sollten Altersbegrenzungen und die Gültigkeit von Berechtigungsvermerken („Rating endorsements“) und Kontrollstellenvermerken („Unit endorsements“) vorgegeben werden.

b)

Bezüglich der Ausbildung von Lotsenanwärtern und Befähigungsstandards sollten die Überprüfung der Befähigung von Fluglotsen, die Ausbildung und die Prüfungsanforderungen, auch bezüglich der Sprachkenntnisse und ihrer Beurteilung, festgelegt werden.

c)

Bezüglich der Anerkennung von Ausbildungsinstituten und Ausbildungseinheiten sollten alle Ausbildungseinrichtungen über eine Akkreditierung verfügen und Anforderungen an die Ausbilderqualifikation festgelegt werden.

2.3

Die vorbereitende Studie hat gezeigt, dass trotz der bestehenden internationalen Rechtsvorschriften die einzelstaatlichen Traditionen stark ausgeprägt sind, was zu unterschiedlichen Qualitätsniveaus und schwer vergleichbaren Befähigungen führt. Diese Fragmentierung ist in einem gemeinschaftlichen Umfeld nicht länger hinnehmbar, da sie im überlasteten Luftraum Europas ein erhöhtes Gefahrenrisiko bedeuten kann. Die Harmonisierung der Fluglotsenzulassung wird die Sicherheit verbessern, da das Befähigungsniveau innerhalb von und zwischen Flugsicherungsdienstleistern harmonisiert wird, was zu effizienteren und sichereren Schnittstellen zwischen ihnen beitragen wird. Dies wird zu einer effizienteren Organisation des Arbeitsmarkts für Fluglotsen führen, ihre Verfügbarkeit erhöhen und die Einrichtung funktionaler Luftraumblöcke erleichtern. Die Zulassung wird zu einer größeren Freizügigkeit der Arbeitnehmer führen, weil das Ermessen entfällt, das manche Mitgliedstaaten bei der gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen derzeit walten lassen.

2.4

Angesichts der Tatsache, dass die meisten Mitgliedstaaten bereits über Rechtsvorschriften auf der Grundlage der ICAO-Prinzipien verfügen und derzeit die Rechtsvorschriften zum einheitlichen europäischen Luftraum und zu ESARR5 umsetzen, ist es von größter Bedeutung, die umfassende Vereinbarkeit mit dieser Richtlinie sicherzustellen.

2.5

Nur zertifizierten Ausbildungseinrichtungen wäre es möglich, den einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden Lehrgänge und Ausbildungspläne zur Genehmigung vorzulegen.

2.6

Die Richtlinie geht über die Bestimmungen bezüglich bestehender Zulassungen in der Zivilluftfahrt für Flugzeugführer (Richtlinie 91/670/EWG) hinaus, bei denen es um die gegenseitige Anerkennung einzelstaatlicher Erlaubnisse geht. Sie ist eher mit Genehmigungen im Seefahrt- und Eisenbahnbereich vergleichbar (Vorschlag in KOM(2004) 142), wonach Regeln zu Befähigungen auf europäischer Ebene festgelegt werden und nicht dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Es liegt auf der Hand, dass diese Richtlinie für Fluglotsen auch über die Grenzen der Gemeinschaft hinaus wirken wird.

2.7

Die Kosten hängen vom derzeitigen Qualitätsniveau des Ausbildungssystems ab. Die Richtlinie bringt die Qualität der Ergebnisse des Ausbildungssystems auf das Niveau, das für die Erfüllung der Sicherheitsanforderungen im dichten und komplexen europäischen Verkehrssystem erforderlich ist.

2.8

Durch die Festlegung hoher Standards für die Erstausbildung und die Durchsetzung besserer Garantien für eine neutrale und objektive Prüfung während der Ausbildung in der Kontrollstelle sollte sich die Erfolgsquote der Kontrollstellenausbildung steigern lassen.

2.9

Die Kosten für Maßnahmen auf den verschiedenen Stufen der Zulassungskette können leicht steigen, teilweise aufgrund der Führung von Unterlagen für Audits.

2.10

Insgesamt sollten mögliche kurzfristige Kostensteigerungen längerfristig durch Kosteneinsparungen aufgrund eines rationelleren Personaleinsatzes ausgeglichen werden können. Die Richtlinie wird nicht zuletzt auch der Sicherheit der Fluggäste zugute kommen.

2.11

Der Vorschlag umfasst keinen Finanzbogen.

2.12

Die Schaffung des einheitlichen europäischen Luftraums erfordert detailliertere Rechtsvorschriften, besonders zur Zulassung von Fluglotsen, um deren Verfügbarkeit zu erhöhen und die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen zu fördern, wie dies Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 550/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2004 über die Erbringung von Flugsicherungsdiensten im einheitlichen europäischen Luftraum (Flugsicherungsdienste-Verordnung) (1) vorsieht.

2.13

Mit der Einführung einer solchen gemeinschaftlichen Zulassung wird die besondere Rolle der Fluglotsen bei der sicheren Durchführung der Flugverkehrskontrolle anerkannt. Die Festlegung gemeinschaftlicher Befähigungsstandards wird auch zu einer Verminderung der Uneinheitlichkeit in diesem Bereich führen und eine effizientere Organisation der Arbeit im Rahmen einer zunehmenden regionalen Zusammenarbeit zwischen Flugsicherungsdienstleistern ermöglichen. Diese Richtlinie ist daher ein wesentlicher Teil der Rechtsvorschriften für den einheitlichen europäischen Luftraum.

2.14

Ziel dieser Richtlinie ist die Erhöhung der Sicherheitsstandards und Verbesserung des Betriebs des gemeinschaftlichen Systems der Flugverkehrskontrolle durch eine gemeinschaftliche Fluglotsenzulassung.

2.15

Der Inhaber einer Berechtigung, der während eines Zeitraums von fünf Jahren keine Flugsicherungsdienste nach einem mit dieser Berechtigung verbundenen Vermerk erbracht hat, darf die mit dieser Berechtigung verbundenen Rechte nur ausüben, wenn er die Beurteilungs- und Ausbildungsanforderungen erfüllt.

2.16

Um Befähigungsniveaus zu gewährleisten, die für eine hohen Sicherheitsanforderungen genügende Durchführung der Aufgaben von Fluglotsen unabdingbar sind, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden die Fluglotsenausbildung beaufsichtigen und überwachen.

2.17

Jeder Mitgliedstaat erkennt die Zulassungen und die zugehörigen Berechtigungen und Vermerke an, die von der einzelstaatlichen Aufsichtsbehörde eines anderen Mitgliedstaats gemäß dieser Richtlinie erteilt wurden.

3.   Bemerkungen

3.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss befürwortet den Kommissionsvorschlag, mit dem neue Bestimmungen für Fluglotsen eingeführt werden sollen. Angesichts der für die nächsten zehn Jahre prognostizierten enormen Zunahme der Luftverkehrsbewegungen sind diese neuen Bestimmungen erforderlich und auch an der Zeit. Außerdem ist EU-weite Einheitlichkeit in Bezug auf Standard und Qualifikationen geboten, um die Sicherheit der Reisenden zu gewährleisten. Mit der Zunahme des Luftverkehrs wird auch die Nachfrage nach Fluglotsen weltweit steigen. Deswegen ist die Freizügigkeit in diesem Zusammenhang ein entscheidender Aspekt.

3.2

Der EWSA fragt sich, ob der Zeithorizont von vier Jahren für die Umsetzung der vorgeschlagenen Bestimmungen eine realistische Vorgabe ist.

3.3

Die Europäische Kommission muss dafür Sorge tragen, dass die Richtlinie keine Monopolisierung der Ausbildung auf einzelstaatlicher Ebene hergibt.

3.4

Die in der Zulassung eingetragenen Vermerke sollten auch Aufschluss über die sprachliche Kompetenz geben, wie etwa Englisch Stufe 4.

3.5

Bei sämtlichen Fluglotsen-Erstausbildungskursen sollten als Mindestanforderung gelten, dass sie den Leitlinien von EUROCONTROL für gemeinsame Kerninhalte und Ziele der Fluglotsenausbildung genügen müssen.

3.6

Die Einführung stichprobenartiger Alkohol- und Medikamentenkonsumkontrollen beim gesamten eingesetzten Fluglotsenpersonal ist begrüßenswert und entspricht außerdem auch der Sicherheitsregelung ESARR5 genau wie die psychologische Eignungsprüfung von auszubildenden Fluglotsen.

3.7

Der Altersaspekt ist noch immer ein echtes Problem. Statistisch gesehen nimmt das Risiko einer schweren Erkrankung oder plötzlichen Todes mit dem Alter zu. In allen Mitgliedstaaten gibt es eine Altersgrenze für Piloten.

3.8

Was speziell Artikel 4 angeht, sollte nach Ansicht des Ausschusses:

Absatz 5 einen ausdrücklichen Rechtsbehelf gegen den Entzug der Zulassung enthalten

Absatz 7 einen ausdrücklichen Rechtsbehelf gegen einen medizinischen Befund, aufgrund dessen die Zulassung ausgesetzt wird, umfassen.

Brüssel, den 9. März 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Verordnung (EG) Nr. 550/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2004 über die Erbringung von Flugsicherungsdiensten im einheitlichen europäischen Luftraum („Flugsicherungsdienste-Verordnung“) (ABl. L 96 vom 31.3.2004, S. 10) – EWSA-Stellungnahme: ABl. C 241 vom 7.10.2002, S. 24.


22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/19


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Durchführung des zweiten ‚Marco-Polo‘-Programms über die Gewährung von Finanzhilfen der Gemeinschaft zur Verbesserung der Umweltfreundlichkeit des Güterverkehrssystems (‚Marco Polo II‘)“

(KOM(2004) 478 endg. — 2004/0157 (COD))

(2005/C 234/05)

Der Rat beschloss am 15. Februar 2005, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 71 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen:

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 21. Februar 2005 an. Berichterstatter war Herr LEVAUX.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 9./10. März 2005 (Sitzung vom 9. März) mit 129 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung: Begründung der Kommission

1.1

Die Kommission verweist in ihrem Vorschlag für eine Verordnung über die Durchführung des Programms „Marco Polo II“ auf die Gründe für die Notwendigkeit eines Ausbaus der Güterverkehrsinfrastruktur:

Die prognostizierte Verdoppelung des Straßengüterverkehrs bis zum Jahre 2020 und die Unzulänglichkeiten der vorhandenen Verkehrsnetze haben gravierende Folgen wie Verkehrsstaus, Umweltzerstörung, Unfälle und eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit.

Das Ziel „nachhaltige Entwicklung“ macht ein energieeffizienteres Verkehrssystem erforderlich.

1.2

Die Kommission hebt erneut hervor, dass stärker auf intermodale Verkehrslösungen zurückgegriffen werden müsse, die durch die Einbindung des Kurzstreckenseeverkehrs, der Schiene und der Binnenschifffahrt in die Logistikkette eine bessere Nutzung der bestehenden Verkehrsinfrastruktur ermöglichen. Die Politik für Intermodalität war bereits Gegenstand des Programms „Marco Polo I“ (2003-2006), das darauf abzielte, den durchschnittlichen jährlichen Zuwachs zum internationalen Straßengüterverkehr auf die drei genannten Verkehrsträger zu verlagern.

1.3

Zur Fortführung dieser Politik im Zeitraum 2007-2013 schlägt die Kommission nun das Programm „Marco Polo II“ vor, dessen Geltungsbereich auf alle Nachbarn der EU erweitert wird und das zwei neue Arten von Aktionen beinhaltet:

Meeresautobahnen-Aktionen,

Aktionen zur Verkehrsvermeidung.

1.4

Die Kommission schlägt einen Gesamtfinanzierungsrahmen von 740 Mio. EUR für den Zeitraum 2007-2013 vor, wodurch es möglich sein sollte,

140 Mrd. Tonnenkilometer Transportleistung von der Straße (dies entspricht 7 Mio. Lkw-Fahrten von je 1 000 km) auf andere Verkehrsträger zu verlagern;

die CO2-Emissionen um 8 400 Mio. kg zu vermindern;

einen geschätzten Nutzen von ca. 5 Mrd. EUR für die Gesellschaft und die Umwelt zu erzielen.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1   Schlussbemerkungen des Ausschusses in seiner Stellungnahme zum Programm „Marco Polo I“

2.1.1

Der Ausschuss hat — nicht ohne zum Teil den mangelnden Ehrgeiz der Ziele bzw. die unzureichende Mittelausstattung zu kritisieren — der von der Kommission verfolgten Politik zur Verlagerung des unvermeidlichen und vorhersehbaren Zuwachses im Straßengüterverkehr auf andere Verkehrsträger wiederholt seine Unterstützung ausgesprochen.

2.1.2

Der Ausschuss brachte insbesondere in seiner Stellungnahme vom 17./18. Juli 2002 zum Verordnungsvorschlag über die Durchführung des Programms „Marco Polo I“ (CES 842/2002) zum Ausdruck, dass seines Erachtens die von der Kommission angestrebten Ziele im Bereich der Verkehrsverlagerung nicht ausschließlich mithilfe dieses Programms erreicht werden könnten, und empfahl daher ergänzend die folgenden zehn konkreten Fördermaßnahmen:

Verstärkung der Kontrollen und Erhöhung der Strafgelder bei Verstößen gegen die Sozialgesetzgebung;

Finanzierung der Infrastrukturen zur Verkehrsverlagerung durch öffentliche Mittel (z.B. der Terminals, Anschlüsse usw.);

Anbieter von neuen gemeinwohlorientierten Leistungen zur Regelmäßigkeit des Angebots verpflichten, um die Dauerhaftigkeit der Verlagerung zu gewährleisten, da die Kunden sonst nicht ihr Verhalten ändern werden;

schon jetzt die Modalitäten einer Verlängerung des Programms „Marco Polo“ um 2 oder 3 Jahre vorsehen, um seine Kontinuität bis 2010 sicherzustellen (zu vermeiden ist eine Unterbrechung wie zwischen den Programmen PACT und „Marco Polo“);

die mit dem Programm PACT gesammelten Erfahrungen voll ausschöpfen, indem seine externe Bewertung abgeschlossen wird, denn die positiven Auswirkungen sind bisher unvollständig ausgewertet;

Aufstellung eines Zeitplans für Maßnahmen, die für die Umsetzung der durch das Programm „Marco Polo“ geförderten Aktionen erforderlich sind;

einen Verwaltungsausschuss mit dem kontinuierlichen Follow-up der geförderten Aktionen beauftragen, damit nach Ablauf der halben Laufzeit des Programms „Marco Polo“ die zweckmäßigen Anpassungen vorgenommen werden können;

die Möglichkeit vorsehen, im Rahmen des Programms „Marco Polo“ ebenfalls Vorhaben zu fördern, die auch den Luftverkehr und den Rohrleitungsverkehr umfassen, wenn sie mit anderen Verkehrsträgern kombiniert sind;

auch Projekte zulassen, die sich auf Maßnahmen beziehen, welche auf dem Gebiet lediglich eines Mitgliedstaats durchgeführt werden sollen, sofern sich diese Maßnahmen zum Vorteil aller Kunden internationaler Verkehrstransporte, die durch dieses Gebiet führen, auswirken;

Ausarbeitung eines „europäischen Leitfadens“, der alle Umschlagplätze für den kombinierten Verkehr (KV) in der EU mit ihren Eigenschaften aufführt und Mindestnormen vorgibt.

2.1.3

Der Ausschuss wies in der vorgenannten Stellungnahme gleichfalls darauf hin, dass die angestrebten Ziele nur mit einer umfassenden Verkehrspolitik, mittels Änderung bestimmter Praktiken und mittels eines beharrlichen Engagements für die Schaffung neuer oder ergänzender Verkehrsinfrastrukturen erreicht werden können.

2.1.4

Insbesondere bezüglich des Langstreckentransports großer Warenmengen, bei deren Lieferung zwar keine Dringlichkeit besteht, jedoch bestimmte Lieferfristen eingehalten werden müssen, hat der Ausschuss der Kommission empfohlen, sich Gedanken über einen sukzessiven Umstieg vom Betriebskonzept „ohne Lagerhaltung“ auf das Konzept der„umlaufenden Lagerhaltung“ zu machen. Die Zahl der dringenden Lieferungen könnte dadurch reduziert werden, und der nicht über die Straße abgewickelte Güterverkehr wäre bei gleichzeitiger Gewährleistung einer termingerechten Lieferung somit auch hinsichtlich der Kosten und der Lieferfristen konkurrenzfähig. Das Betriebskonzept „ohne Lagerhaltung“ und die daraus folgende radikale Verkürzung der Lieferfristen sowie die generelle Dringlichkeit von Lieferungen sind eindeutig wirtschaftlich motiviert. Aus der Sicht der nachhaltigen Entwicklung führen dieses Betriebskonzept und die sich daraus ergebenden Konsequenzen jedoch zu überhöhten Umwelt- und Energiekosten und müssen daher überdacht werden. Der Ausschuss fordert die Kommission erneut auf, in diesbezügliche Überlegungen eingebunden zu werden. Er vertritt die Auffassung, dass der Straßengüterverkehr auf Kurzstrecken und insbesondere auf der Endstrecke einer Lieferung zwar weiterhin unersetzlich bleibt, die kompromisslose Forcierung des Betriebskonzepts „ohne Lagerhaltung“ und die zum absoluten Grundsatz erhobene Dringlichkeit der Lieferungen jedoch die Verlagerung von Teilen des Straßengüterverkehrs auf alternative Verkehrsträger erschweren, die mit den Erfordernissen der nachhaltigen Entwicklung besser vereinbar sind.

2.1.5

Ohne den Ergebnissen der notwendigen Überlegungen vorgreifen zu wollen, ist der Ausschuss der Meinung, dass die angestrebte Verhaltensänderung der Wirtschaftsteilnehmer ein Überdenken bislang bewährter Betriebskonzepte, die den neuen Zielsetzungen jedoch nicht genügen, erfordert.

2.1.6

Der Ausschuss stellt fest, dass die von ihm seinerzeit vorgeschlagenen Fördermaßnahmen nur teilweise berücksichtigt wurden. In Anbetracht der Tatsache, dass die Situation sich seit dem Jahre 2002 nicht grundlegend verändert hat, empfiehlt der Ausschuss in der vorliegenden Stellungnahme dieselben Maßnahmen, die er in einigen Punkten ergänzt.

2.2   Bewertung der ersten Ergebnisse des Programms „Marco Polo I“ (2003-2006)

2.2.1

Die Kommission erachtet, dass das mit einem Budget von 100 Mio. EUR ausgestattete Programm „Marco Polo I“ erste ermutigende Ergebnisse aufweist. Der Ausschuss verweist jedoch darauf, dass das erste Projektauswahlverfahren erst vor knapp einem Jahr, nämlich im Oktober 2003, eingeleitet wurde und dass die Effizienz der lancierten intermodalen Aktionen daher noch nicht bewertet werden konnte. Darüber hinaus stellt der Ausschuss fest, dass

im Weißbuch der Kommission vom 12. September 2001 mit dem Titel „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ eine Mittelausstattung des Programms „Marco Polo I“ in Höhe von 120 Mio. EUR für den Programmplanungszeitraum von vier Jahren, also 30 Mio. EUR pro Jahr, vorgesehen war;

die Kommission in ihrem Anfang 2002 vorgelegten Verordnungsvorschlag zur Durchführung des Programms „Marco Polo I“ eine Mittelausstattung von 115 Mio. EUR für fünf Jahre, also 23 Mio. EUR pro Jahr, vorsah;

das Programm „Marco Polo I“ schließlich nur mit einem Budget von 100 Mio. EUR für fünf Jahre, also 20 Mio. EUR pro Jahr, ausgestattet wurde;

für das erste Laufjahr des Programms „Marco Polo I“ nur 15 Mio. EUR aus dem Gemeinschaftshaushalt bereitgestellt worden sind.

2.2.2

Der Ausschuss zeigt sich erstaunt über diese schrittweise Verringerung der Mittelausstattung und stellt die Verlässlichkeit der Planung insofern in Frage, als die vorhersehbare Zahl der Förderanträge zwar kontinuierlich steigen soll, die Mittelausstattung jedoch gleichzeitig konstant abnimmt.

2.2.3

Unter diesen Umständen und in Ermangelung der erforderlichen Informationen versteht der Ausschuss nicht, wie die Kommission zu der Feststellung gelangt, „dass die finanziellen Mittel des Programms bei weitem unzureichend sind, um alle guten Projektvorschläge zu finanzieren“, wenn doch die in der Haushaltsplanung vorgesehenen 20 Mio. EUR nicht ausgeschöpft worden sind.

2.3   Ex-ante-Bewertung und Konsultation der Interessengruppen

2.3.1

In Kapitel III Randnummer 12 der Begründung wird ein offensichtlich wichtiges Dokument — nämlich die Finanzaufstellung — angeführt, die „ein umfassendes Zeugnis“ darüber ablegen soll, dass der vorliegende Verordnungsvorschlag der Kommission „die Bewertung und die Empfehlungen der unabhängigen Sachverständigen“ aufgrund der von ihnen für den Zeitraum 2007-2013 durchgeführten „Ex-ante-Bewertung bezüglich der Verlängerung des Marco-Polo-II-Programms“ […]„vollständig“ berücksichtigt. Dieses 19-seitige, in englischer Sprache abgefasste Dokument wurde nicht übersetzt. In Kapitel III Randnummer 13 wird lediglich eine 15-zeilige Zusammenfassung der Schlussfolgerungen der Kommission aus der Bewertung der Sachverständigen wiedergegeben.

2.3.2

Der Ausschuss erinnert daran, dass Dokumente, die allen beteiligten Parteien zugänglich sein sollen, übersetzt werden müssen. Wenn eine Übersetzung des vollständigen Berichts der Sachverständigen nicht möglich sei, müssten diese dazu aufgefordert werden, eine Zusammenfassung ihres Berichts zu schreiben, deren Übersetzung es den interessierten Kreisen ermöglichen würde, die Quintessenz der Schlussfolgerungen sowie die einschlägigen Argumente unmittelbar selbst nachzulesen.

2.3.3

Der Ausschuss erinnert im Übrigen daran, dass er in seiner Stellungnahme zum Verordnungsvorschlag für die Durchführung des Programms „Marco Polo I“ (CES 842/2002) unter Ziffer 2.5.2 begrüßte, dass „die Kommission die Meinung der betroffenen Parteien eingeholt hat, bevor sie ihre Vorschläge unterbreitet hat“, jedoch gleichzeitig mit Bedauern feststellte, „erst spät zu diesem Konsultationsprozess hinzugezogen worden zu sein“.

2.3.4

Der Ausschuss sieht sich daher nicht in der Lage, die Schlussfolgerungen aus der vorgenannten Bewertung zu beurteilen, nimmt jedoch zur Kenntnis, dass die Kommission eine kräftige Aufstockung des Programmhaushalts erwartet und davon den Erfolg des Programms abhängig macht.

2.3.5

Der Ausschuss nimmt die von der Kommission übermittelten Zusammenfassungen dreier durchgeführter Projekte zur Kenntnis:

Einrichtung eines intermodalen Schienenverkehrsdienstes zwischen Deutschland und Italien über Österreich, der von einem Privatunternehmen betrieben wird;

das 2002 initiierte Projekt IKEA Rail, bei dem auf der Schiene (1 044 km) aus Älmhult (Schweden) für ganz Europa bestimmte Produkte auf einen Umschlagplatz in Duisburg (Deutschland) angeliefert werden. In den Jahren 2002/2003 verkehrten ca. 400 Züge, die ausschließlich Fracht von IKEA geladen hatten;

Einrichtung regelmäßiger Seeverkehrsverbindungen zum Transport von LKWs zwischen verschiedenen italienischen und spanischen Häfen.

2.3.6

Diese drei Projekte verdeutlichen die Möglichkeiten, die das von der EU eingerichtete Begleitinstrument schafft. Der Ausschuss hält jedoch fest, dass diese Projekte im Rahmen der Pilotaktionen für den kombinierten Verkehr (PACT), des Vorläuferprogramms von „Marco Polo I“, durchgeführt wurden.

2.3.7

Sie sind von ihrer Konzeption her besonders interessant, und ihre Ergebnisse sind in die laufenden Projekte eingeflossen. Der Ausschuss bittet nachdrücklich darum, zu gegebener Zeit über die konkrete Auswertung der Projekte des laufenden Programms „Marco Polo I“ informiert zu werden.

2.4   Das Programm „Marco Polo II“ (2007-2013)

2.4.1

Im Verordnungsvorschlag für die Durchführung des Programms „Marco Polo II“ werden die drei bereits bestehenden Arten von Aktionen unverändert übernommen:

Aktionen zur Verkehrsverlagerung (Starthilfen);

katalytische Aktionen;

gemeinsame Lernaktionen.

2.4.2

Es ist jedoch ein größerer räumlicher Geltungsbereich vorgesehen, der die auf 25 Mitgliedstaaten erweiterte EU sowie die Beitrittstaaten, aber auch die EFTA- und EWR-Länder umfasst. Der Ausschuss unterstützt diese Vorgangsweise und schließt sich der einleuchtenden Feststellung der Kommission an, dass „die Strukturen von Produktions- und Versorgungsketten […] vor den Grenzen der EU 25 nicht halt [machen], würde jedoch dafür plädieren, dass die Kommission von „Produktions-, Handels- und Versorgungsketten“ spricht.

2.4.3

Der Ausschuss schlägt der Kommission vor, den Donaukorridor VII als charakteristisches Beispiel für das in seiner weitesten geografischen Ausdehnung verstandene Europa anzuführen, ist hier doch eine intermodale Verkehrsinfrastruktur außergewöhnlichen Ausmaßes gegeben, die alle Verkehrsträger miteinander verknüpft:

die Binnenschifffahrt, durch die durchgehende Verbindung von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer, deren Mittelpunkt ca. bei Kilometer 1.500 in Österreich liegt;

der Straßengüterverkehr und der Schienengüterverkehr, die über die entsprechenden Umschlagplätze eine großräumige Versorgung der auf beiden Uferseiten gelegenen Gebiete ermöglichen;

der Seeverkehr und der Fluss-/Seeverkehr, mit der Verlängerung der Wasserstraße gen Westen — in Richtung Kanalinseln und Nordsee — über den Rhein-Main-Donaukanal, sowie gen Osten — in Richtung Russland (Wolga), Ukraine und Türkei — über das Schwarze Meer.

2.4.4

Im Verordnungsvorschlag zur Durchführung des Programms „Marco Polo II“ sind überdies zwei neue Aktionsarten vorgesehen:

Meeresautobahnen, ein Konzept, das der Ausschuss bereits wiederholt begrüßt hat. Der Kontinent Europa verfügt von Natur aus über Tausende Kilometer Küste, Hunderte Häfen und Flussmündungen, von denen aus das Hinterland und der gesamte Kontinent erreicht werden können. Daher sollten Projekte im Bereich Gütertransport und -verteilung überall in Europa angeregt und gefördert werden, vorausgesetzt, an den Küsten und Flussmündungen werden mehr KV-Umschlagplätze geschaffen.

Aktionen zur Verkehrsvermeidung, ein naheliegendes Konzept, das eine Rationalisierung der Produktion, des Vertriebs und der Verteilung sowie die Vermeidung unnötiger Transporte ermöglicht. So können z.B.:

Produkte in dehydriertem Zustand transportiert werden, um den Transport von Wasser, das diesen am Bestimmungsort wieder beigemengt werden kann, zu vermeiden;

Zuliefererbetriebe in der Nähe der Montagestätten errichtet werden, wodurch der Transport über lange Strecken vermieden werden kann.

Der Ausschuss befürwortet Versuche und Projekte, die in diese Richtung gehen.

2.4.5

Die Kommission strebt einen stärkeren Synergieeffekt im Schienenverkehr an und empfiehlt beispielsweise die Nutzung zweckbestimmter Schieneninfrastruktur durch Schnellzüge für Gütertransport und Expresspost. Der Ausschuss befürwortet derartige Projekte, weist jedoch bezüglich der „Expresspost“ darauf hin, dass die Übermittlung von Informationen bereits heute zum großen Teil über die elektronische Post erfolgt und der Schriftverkehr künftig weitgehend elektronisch abgewickelt werden dürfte.

2.4.6

Nichtsdestoweniger muss neben der notwendigen Schaffung von Hochgeschwindigkeitsstreckennetzen für Güterzüge gleichzeitig auch ein für allemal die Interoperabilität von Rollmaterial, Ausrüstungen und Bahnbetriebsvorschriften sichergestellt werden. Ferner muss — ohne den Bau neuer Schienenstrecken abzuwarten — die bestehende Infrastruktur besser genutzt werden. Auch ist zu prüfen, wie stillgelegte oder wenig befahrene Strecken im Zuge der Verlagerung des Personenreiseverkehrs auf andere Verkehrsträger, insbesondere auf Hochgeschwindigkeitsstrecken, besser genutzt werden können.

2.4.7

Der Ausschuss ersucht die Kommission daher, die Mitgliedstaaten erneut dazu aufzufordern, eine Liste aller Möglichkeiten zu erstellen, wie bestehende, stillgelegte oder wenig befahrene Verkehrsnetze für den Güterverkehr eingesetzt werden können. Dies betrifft insbesondere die Bahninfrastruktur, aber auch die Wasserstraßen, sodass immer dann, wenn dies machbar ist, schnellere und im Sinne der nachhaltigen Entwicklung vorteilhaftere Lösungen als der Straßengüterverkehr angeboten werden können.

2.4.8

Um dem Schienengüterverkehr wie auch den anderen Verkehrsträgern im Vergleich zum Straßengüterverkehr mehr Glaubwürdigkeit zu verschaffen, wiederholt der Ausschuss seine Forderung, dass es nun an der Zeit sei, den Worten auch Taten folgen zu lassen und der Schienen-, See- und Binnenschifffahrtsinfrastruktur einen höheren Anteil an den gewährten Finanzmitteln vorzubehalten oder zuzuweisen als bislang. Dies gilt insbesondere für die Finanzierung der TEN-V-Projekte und für die den neuen Mitgliedstaaten und den Balkanstaaten gewährten Mittel.

2.4.9

Der Ausschuss nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, dass die Kommission den „beträchtlichen“ Bedarf der Transportwirtschaft an Infrastrukturen anerkennt, die für die Umsetzung der Ziele der dienstleistungsorientierten Aktionen des Programms „Marco Polo“ notwendig und ausreichend sind. Die Forderung der Finanzierung solcher „Zusatz- Infrastrukturen“ hatte der Ausschuss bereits in seiner Stellungnahme zum Programm „Marco Polo I“ (CES 842/2002) erhoben.

3.   Besondere Bemerkungen zum Verordnungsvorschlag zur Durchführung des Programms „Marco Polo II“

3.1   Artikel 1: Gegenstand

3.1.1

Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission ihren Verordnungsvorschlag für den Zeitraum 2007-2013 im Jahr 2004 vorlegt, wodurch es möglich sein sollte, die Kontinuität des Programms „Marco Polo“ zu gewährleisten und Verzögerungen wie beim Start des Programms „Marco Polo I“ im Jahre 2001/2002 zu verhindern. Da die Kommission derzeit noch nicht in der Lage ist, eine echte Bilanz über die Umsetzung des Programms „Marco Polo I“ zu ziehen, kann aufgrund dieser vorausschauenden Vorgehensweise — wie vom Ausschuss bereits in seiner Stellungnahme CES 842/2002 gefordert — ein „Verwaltungsausschuss mit dem kontinuierlichen Follow-up der geförderten Aktionen [beauftragt werden], damit nach Ablauf der halben Laufzeit des Programms“ Marco Polo „die zweckmäßigen Anpassungen vorgenommen werden können“.

3.2   Artikel 2: Begriffsbestimmungen

3.2.1

Der Ausschuss stellt fest, dass in der Definition des Begriffs „Konsortium“ festgelegt wird, dass diesem mindestens zwei Unternehmen angehören müssen. Er wiederholt seine frühere Forderung, den Begriff „Konsortium“ wie folgt zu definieren: „Eine formelle oder informelle Abmachung, bei der mindestens zwei Unternehmen, die nicht zur gleichen Unternehmensgruppe gehören, wobei das eine Unternehmen kein Tochterunternehmen des anderen sein darf, gemeinsam eine Aktion durchführen und deren Risiko gemeinsam tragen“.

3.3   Artikel 3: Anwendungsbereich

3.3.1

Der Ausschuss wiederholt seine bereits in der Stellungnahme CES 842/2002 erhobene Forderung, da nach seiner Ansicht die Regelung, wonach Aktionen das Hoheitsgebiet mindestens zweier Mitgliedstaaten oder das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und das Hoheitsgebiet eines nahe gelegenen Drittlands betreffen müssen, zu restriktiv ist. Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass auch Aktionen, die auf einen einzigen Mitgliedstaat beschränkt sind, im Transitverkehr allen Nutzern des jeweiligen Verkehrsträgers zugute kommen können (z.B. Aktionen im Bereich der Nutzung oder der Entwicklung von KV-Umschlagplätzen an Verkehrsknotenpunkten innerhalb eines Hoheitsgebietes).

3.3.2

Der Ausschuss befürwortet die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Drittstaaten (mögliche Beitrittstaaten und andere) und nimmt zur Kenntnis, dass die Mittel für Aktionen auf deren Hoheitsgebiet außer unter den in Absatz 3 und 4 des vorliegenden Artikels festgelegten Bedingungen nicht durch das Programm gedeckt sind.

3.3.3

Im Sinne größerer Kohärenz sollte nach Auffassung des Ausschusses im Verordnungsvorschlag jedoch präzisiert werden, dass in Drittstaaten vor allem Aktionen finanziert werden sollten, die möglichst die Entwicklung von Alternativen zum Straßengütertransport oder die Förderung der Intermodalität zum Ziel haben.

3.4   Artikel 4: Förderungswürdige Antragsteller und Begünstigte

3.4.1

Unter dem Vorbehalt, dass seine Anmerkung zur Zusammensetzung eines „Konsortiums“ Berücksichtigung findet, billigt der Ausschuss Artikel 4, weist jedoch wie bereits in seiner Stellungnahme CES 842/2002 darauf hin, dass in Ausnahmefällen, wenn Aktionen auf einen einzigen Mitgliedstaat beschränkt sind, die Bestimmung, der zufolge Unternehmen in mindestens zwei Mitgliedstaaten bzw. in einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat niedergelassen sein müssen, nicht zur Anwendung gelangt.

3.5   Artikel 5: Förderungswürdige Aktionen und Förderungsbedingungen

3.5.1

Der Ausschuss hat bereits in seiner Stellungnahme zum Programm „Marco Polo I“ (CES 842/2002) in Bezug auf die Artikel 3.5, 3.6 und 3.7 betont, dass die Mindestförderbeträge pro Aktion zu hoch angesetzt seien. Er forderte die Herabsetzung der von der Kommission vorgeschlagenen Mindestförderbeträge:

von 1 Mio. EUR auf 500 000 EUR für Aktionen zur Verkehrsverlagerung;

von 3 Mio. EUR auf 1,5 Mio. EUR für katalytische Aktionen;

von 500 000 EUR auf 250 000 EUR für gemeinsame Lernaktionen.

3.5.2

Der Ausschuss stellt fest, dass die Kommission (im Anhang zu dem von ihr unterbreiteten Vorschlag für die unter Artikel 5 genannten Förderungsbedingungen) nach wie vor zu hohe Mindestförderbeträge ansetzt, mit Ausnahme der gemeinsamen Lernaktionen, für die der Mindestförderbetrag — wie vom Ausschuss gewünscht — von 500 000 EUR auf 250 000 EUR herabgesetzt wurde. Der Ausschuss erachtet die Festlegung geringerer Mindestförderbeträge, die einen entsprechend stärkeren Anreiz darstellen würden, für die Förderung von Projekten, die zwar bescheidener, auf lokaler Ebene aber oftmals effizienter sind, für unerlässlich.

3.5.3

Der Ausschuss fordert daher:

die Herabsetzung der Mindestförderbeträge um 50 %, d.h.,

von 1 Mio. EUR auf 500 000 EUR für Aktionen zur Verkehrsverlagerung;

von 3 Mio. EUR auf 1,5 Mio. EUR für katalytische Aktionen;

von 4 Mio. EUR auf 2 Mio. EUR für Meeresautobahnen-Aktionen;

von 1 Mio. EUR auf 500 000 EUR für Aktionen zur Verkehrsvermeidung;

die Beibehaltung des auf 250 000 EUR festgesetzten Mindestförderbetrags für gemeinsame Lernaktionen, wie von der Kommission vorgeschlagen;

die Einrichtung einer gesonderten Kategorie für den Fluss-/Seeverkehr und die Binnenschifffahrt mit einem Mindestförderbetrag von 500 000 EUR. Der von der Kommission vorgeschlagene Mindestförderbetrag von 4 Mio. EUR (der nach Ansicht des Ausschusses auf 2 Mio. EUR herabgesetzt werden sollte) mag zwar angesichts der Größe der im Seeverkehr eingesetzten Schiffe und des Umfangs der transportierten Güter für die Meeresautobahnen-Aktionen angebracht sein, entspricht jedoch nicht den Erfordernissen der Binnenschifffahrt.

3.5.4

Der Ausschuss heißt gut, dass den verschiedenen Aktionen zeitlich begrenzte Ziele vorangestellt werden, innerhalb derer eine Aktion abgeschlossen sein muss, um förderungswürdig zu sein. Allerdings ist die für Aktionen zur Verkehrsverlagerung vorgesehene Frist von 36 Monaten zu kurz bemessen und sollte, wie für die anderen Aktionen auch, 60 Monate betragen.

3.6   Artikel 11: Haushalt

3.6.1

Der Ausschuss hat bereits darauf hingewiesen, dass er nicht über die notwendigen Informationen verfügt, um die von der Kommission vorgeschlagene Mittelausstattung des Programms „Marco Polo II“ in Höhe von 740 Mio. EUR zu bewerten. Er nimmt jedoch zur Kenntnis, dass laut Kommission anhand dieses Gesamtfinanzierungsrahmens von 740 Mio. EUR wie bereits unter Ziffer 1.4 erwähnt ein volkswirtschaftlicher Nutzen von 5 Mrd. EUR im Umwelt- und Sozialbereich erzielt werden kann.

3.6.2

Der Ausschuss fordert die Kommission dazu auf, im Jahr 2005, zur Halbzeit des Programms „Marco Polo I“, eine Bilanz der erfolgreich durchgeführten Projekte und der tatsächlich erzielten Einsparungen zu veröffentlichen.

3.6.3

Wie bereits in seiner Stellungnahme CES 842/2002 betont, ist der Ausschuss der Ansicht, dass die Kommission die Möglichkeit vorsehen sollte, während der Laufzeit des Programms dessen Mittelausstattung nach oben zu korrigieren, um über zusätzliche Mittel verfügen zu können, wenn sich herausstellt, dass die entsprechenden Aktionsvorhaben zahlreicher sind als erwartet.

3.7   Artikel 14: Bewertung

3.7.1

Der Ausschuss nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, dass die Kommission entsprechend seiner Forderung in seiner Stellungnahme CES 842/2002 dem Europäischen Parlament, dem Ausschuss der Regionen sowie dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss den Bewertungsbericht über die Ergebnisse des Programms „Marco Polo I“ für den Zeitraum 2003-2006 bis spätestens 30. Juni 2007 vorlegen wird.

3.7.2

Er würde ferner die Übermittlung ausreichender Informationen begrüßen, um eine Stellungnahme erarbeiten und Vorschläge für eine eventuelle Anpassung des Programms „Marco Polo II“ unterbereiten zu können, das am 1. Januar 2007 starten und sich somit zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des vorgenannten Bewertungsberichts in der ersten Phase seiner Laufzeit befinden wird.

4.   Schlussbemerkungen

4.1

Der Ausschuss befürwortet nach den Programmen PACT und „Marco Polo I“ nun auch das Programm „Marco Polo II“. Im Rahmen dieser drei Programme können Projekte zur Verbesserung der Umweltfreundlichkeit des Güterverkehrssystems durchgeführt werden. Die Erhöhung der Mittelausstattung von 100 Mio. EUR für das Programm „Marco Polo I“ auf 740 Mio. EUR für „Marco Polo II“ verdeutlicht das Bestreben der EU, rasch zu mehr Nachhaltigkeit im Bereich des Gütertransports zu gelangen.

4.2

Im Hinblick auf die Verwirklichung der von der Kommission festgelegten Ziele im Bereich der Verlagerung des Güterverkehrs möchte der Ausschuss an dieser Stelle erneut auf die Maßnahmen hinweisen, die er bereits in seiner Stellungnahme zum Programm „Marco Polo I“ vom 17./18. Juli 2002 (CES 842/2002) empfohlen hat:

Um die Wettbewerbsbedingungen für die einzelnen Verkehrsmittel anzugleichen, müssen verstärkt Kontrollen durchgeführt und die Strafgelder bei Verstößen gegen die Sozialgesetzgebung erhöht werden;

Anbieter von neuen, im Rahmen der Programme „Marco Polo“ geförderten gemeinwohlorientierten Leistungen müssen zur Regelmäßigkeit des Angebots verpflichtet werden, um die Dauerhaftigkeit der Verlagerung zu gewährleisten;

im Rahmen des Programms „Marco Polo“ muss die Möglichkeit vorgesehen werden, ebenfalls Vorhaben zu fördern, die auf dem Gebiet lediglich eines Mitgliedstaats durchgeführt werden sollen, sofern sich diese Maßnahmen zum Vorteil aller Kunden internationaler Verkehrstransporte, die durch dieses Gebiet führen, auswirken;

ein „europäischer Leitfaden“ sollte ausgearbeitet werden, der alle Umschlagplätze für den kombinierten Verkehr in der EU mit ihren Eigenschaften aufführt;

die Möglichkeit sollte vorgesehen werden, im Rahmen des Programms „Marco Polo II“ auch Vorhaben zu fördern, die den Transport von Flüssigkeiten bzw. Gasen mittels Rohrleitungsverkehr (Pipelines) mit an einem KV-Umschlagplatz gelegener Verteilungsanlage umfassen.

4.3

Damit das Programm „Marco Polo“ auch der Binnenschifffahrt und dem Fluss-/Seeverkehr zugute kommt, fordert der Ausschuss die Einrichtung einer gesonderten Kategorie mit einem auf 500 000 EUR herabgesetzten Mindestförderbetrag. Die Binnenschifffahrt kann nicht mit dem Seeverkehr verglichen werden, da die dort eingesetzten Schiffe größer sind und der Investitionsbedarf entsprechend höher ist.

4.4

Der Ausschuss wünscht ferner, gemeinsam mit der Kommission Überlegungen hinsichtlich des sukzessiven Umstiegs vom Betriebskonzept „ohne Lagerhaltung“ auf das Konzept der „umlaufenden Lagerhaltung“ anzustellen, das bei Lieferungen ohne Dringlichkeitscharakter zum Einsatz gelangen kann (bei bestimmten Schwerlasten muss nur der Liefertermin eingehalten werden).

Brüssel, den 9. März 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/25


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1868/94 zur Einführung einer Kontingentierungsregelung für die Kartoffelstärkeerzeugung“

(KOM(2004) 772 endg. — 2004/0269 (CNS))

(2005/C 234/06)

Der Rat beschloss am 20. Januar 2005, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 37 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen:

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 17. Februar 2005 an. Berichterstatter war Herr KONSTANTINIDIS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 9./10. März 2005 (Sitzung vom 9. März) mit 127 Ja-Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsdokuments

1.1

Mit der vorgeschlagenen Verordnung sollen die Kontingente für die Erzeugung von Kartoffelstärke für die Wirtschaftsjahre 2005/2006 und 2006/2007 auf die Erzeugermitgliedstaaten aufgeteilt werden. Grundlage ist der Bericht der Kommission an den Rat über die Kontingentierungsregelung für die Kartoffelstärkeerzeugung, aufgrund dessen die Verordnung (EG) Nr. 1868/94 geändert werden soll.

1.2

Es wird vorgeschlagen, die gegenwärtigen Kontingente für die kommenden zwei Jahre beizubehalten.

1.3

Die Kommission begründet die Beibehaltung des Status quo mit dem Argument, dass es noch zu früh sei, um die Auswirkungen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (Entkoppelung) und der Erweiterung der EU auf den Kartoffelstärkesektor abschätzen zu können. Tatsache ist, dass die GAP-Reform in einigen Erzeugermitgliedstaaten erst im Jahre 2006 (d.h. im Wirtschaftsjahr 2006/2007) umgesetzt werden wird.

1.4

Die Kommission wird daher bis 30. September 2006 einen neuen Bericht mit geeigneten Vorschlägen vorlegen.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Laut Bericht der Kommission entsprach die Kartoffelstärkeerzeugung in der EU annähernd dem festgesetzten Kontingent. Ferner seien die Gesamtausfuhren von Getreide- und Kartoffelstärke relativ konstant geblieben. Der Anteil der Kartoffelstärkeerzeugung an der Gesamtproduktion von Stärkeerzeugnissen sei auf rund 20 % zurückgegangen. Wie bereits erwähnt, schlägt die Kommission die Verlängerung der für das Wirtschaftsjahr 2004/2005 festgesetzten Kontingente vor. Mit Ausnahme der polnischen, litauischen und tschechischen Landwirte befürwortet der Großteil der europäischen Kartoffelstärkeerzeuger den Vorschlag der Kommission, hätte aber der Fortschreibung der Kontingentierungsregelung für den sonst üblichen Zeitraum (drei Jahre) den Vorzug gegeben.

2.2

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss unterstützt den Vorschlag der Kommission, teilt jedoch die Bedenken der Kartoffelstärkeindustrie hinsichtlich des knapp bemessenen Zeitraums für die Erörterung und Annahme des Vorschlags, insbesondere da die Landwirte bereits im März 2005 mit der Aussaat von Pflanzkartoffeln beginnen. Der Ausschuss fordert daher das Europäische Parlament und den Rat dazu auf, dies bei den Beratungen über den vorliegenden Vorschlag gebührend zu berücksichtigen.

3.   Schlussfolgerung

3.1

Der Ausschuss befürwortet den Vorschlag der Kommission zur Fortschreibung der gegenwärtigen Kontingente für die Wirtschaftsjahre 2005/2006 und 2006/2007 und empfiehlt, die Frist für die Bewertung im Hinblick auf die Ausarbeitung des nächsten Vorschlags genauestens einzuhalten.

Brüssel, den 9. März 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/26


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien“

(KOM(2004) 775 endg. — 2004/0270 (COD))

(2005/C 234/07)

Der Rat beschloss am 16. Dezember 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 152 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen:

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 17. Februar 2005 an. Berichterstatter war Herr CHIRIACO.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 9./10. März 2005 (Sitzung vom 9. März) mit 130 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

1.1

Folgende maßgebliche Änderungen der Verordnung zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien (TSE) werden vorgeschlagen:

Verlängerung des bereits 2003 (1) verlängerten Zeitraums, in dem die Übergangsmaßnahmen gelten, um zwei weitere Jahre;

Verschärfung einiger Präventivmaßnahmen (Einbeziehung der Hirschartigen (Cervidae), Förderung der Selektion TSE-resistenter Schafe durch ein harmonisiertes Züchtungsprogramm, Angleichung an die Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 mit Hygienevorschriften für tierische Nebenprodukte, Verbot von Gasinjektionen in die Schädelhöhle als Schlachttechnik);

Ausdehnung der Bestimmungen über die Tierverbringungssperren auf Schafe und Ziegen;

Beschränkung des Inverkehrbringens von Rohstoffen für die Herstellung von Dikalziumphosphat, aber Aufhebung der Beschränkungen für nicht zum Verzehr bestimmter Milch analog zur Ausnahme für zum Verzehr bestimmter Milch;

Konsolidierung der Rechtsgrundlage für Kontrollen in Drittländern.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Wenngleich der EWSA die wiederholte Verlängerung von Übergangsregelungen bereits kritisiert hat (2), nimmt er zur Kenntnis, dass die Bestimmungen nach den von der Kommission festgelegten Kriterien der Risikobewertung auf internationaler Ebene im Rahmen des Internationalen Tierseuchenamtes (OIE) harmonisiert werden müssen.

2.2

Die europäische Praxis führte nämlich vor Augen, dass durch die gegenwärtige Einteilung in fünf Statusklassen, die auf aufgetretenen Krankheitsfällen anstatt auf dem Erkrankungsrisiko beruhen, diejenigen Länder, die weniger Kontrollen durchführen, bevorzugt und diejenigen benachteiligt werden, die mittels wirksamer Kontrolle die aufgetretenen Fälle ans Licht bringen. Die jüngsten, in Japan, Kanada und den Vereinigten Staaten aufgetretenen Fälle dürften einen beschleunigten Abschluss eines Abkommens zur Annahme optimierter gemeinsamer Verfahren im Rahmen des OIE, voraussichtlich im Mai 2005, begünstigen.

2.3

Der Ausschuss möchte gleichwohl seine bereits ausgesprochene Empfehlung bekräftigen: Sollte es nicht möglich sein, auf internationaler Ebene zu einer Einigung über gemeinsame Regeln für das Risikomanagement zu gelangen, muss die EU die Konsequenzen ziehen und die erforderlichen Regeln selbst aufstellen, ungeachtet der hierdurch in der WTO entstehenden Komplikationen für den Handel mit Drittländern. Eine fehlende internationale Akzeptanz und sich hinziehende Verhandlungen dürfen die Durchführung der für die Zusammenarbeit in der EU erforderlichen Maßnahmen nicht verzögern.

2.4

Der Ausschuss begrüßt, dass die Kommission den Anlass, den die Verlängerung bietet, dazu nützt, vorbeugende Maßnahmen zu verschärfen, Züchtungsprogramme zu fördern und Verbringungssperren und Kontrollen — insbesondere mit Blick auf Drittstaaten — zu verstärken.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1

Die Einbeziehung der „Hirschartigen“ ist unbedingt notwendig.

3.2

Die Konsolidierung der Rechtsgrundlage des harmonisierten Züchtungsprogramms, das bereits gute Ergebnisse zeitigt, ermöglicht eine verstärkte Züchtung TSE-resistenter Schafe.

3.3

Rechtliche Kohärenz gebietet die Angleichung an die Verordnung Nr. 1774/2002.

3.4

Die bereits für importierte Tiere untersagten Gasinjektionen in die Schädelhöhle werden bei der Schlachtung innerhalb der EU explizit verboten, wodurch der Schutz vor Kontaminierung eindeutig erhöht wird.

3.5

Die Bestimmungen bezüglich der Verbringungssperren für Rinder werden sinnvollerweise auf von Scrapie befallene Tiere ausgedehnt.

3.6

Der Ausschuss begrüßt, dass der Anwendungsbereich der Vorschriften für das Inverkehrbringen und die Ausfuhr von Rindern, Schafen und Ziegen sowie deren Sperma, Eizellen und Embryonen auf andere Tierarten ausgedehnt werden soll und dass Rohstoffe für die Herstellung von Dikalziumphosphat — gemäß den Empfehlungen des Wissenschaftlichen Lenkungsausschusses — Beschränkungen unterliegen sollen.

3.7

Für den Ausschuss ist es von grundlegender Bedeutung, dass die Möglichkeit von Kontrollen in Drittländern rechtlich untermauert wird, um die in diesem Bereich auf europäischer Ebene gewonnenen Erfahrungen nutzen zu können. Gleichwohl empfiehlt er, die hierfür erforderlichen Finanzmittel und Humanressourcen bereitzustellen.

Brüssel, den 9. März 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Stellungnahme, Berichterstatter: Herr Nielsen, ABl. C 208 vom 3.9.2003.

(2)  Ebenda.


22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/27


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Sozialfonds“

(KOM(2004) 493 endg.)

(2005/C 234/08)

Der Rat beschloss am 18. November 2004 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu obenerwähnten Vorlagen zu ersuchen:

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 18. Februar 2005 an. Berichterstatterin war Frau ENGELEN-KEFER.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 9./10. März 2005 (Sitzung vom 9. März) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Am 14. Juli 2004 hat die Europäische Kommission ihre Vorschläge zur Reform der Kohäsionspolitik für den Zeitraum 2007 bis 2013 verabschiedet. Diese Vorschläge sollen die bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Strukturfondsverordnungen ablösen. In der Begründung des Verordnungsvorschlages verweist die Kommission auf die erheblich verstärkten Disparitäten in der erweiterten Union sowie auf die Herausforderungen für die Union durch die Globalisierung, den wirtschaftlichen Strukturwandel und die demografische Entwicklung.

1.2

Vor diesem Hintergrund schlägt die EU-Kommission eine finanzielle Erhöhung der Strukturfondsmittel bei gleichzeitiger Konzentration auf prioritäre Ziele vor. Mit einer Mittelausstattung von 336,1 Mrd. EUR, das entspricht etwa einem Drittel des Haushaltes der Gemeinschaft, soll die zukünftige Strukturförderung

gezielter auf strategische Schwerpunkte der EU ausgerichtet werden (Ziele von Lissabon und Göteborg, EU-Beschäftigungsstrategie),

auf die ökonomisch schwächsten Regionen konzentriert,

stärker dezentralisiert und die Umsetzung vereinfacht, transparenter und effizienter werden.

1.3

Dies soll durch eine Neudefinition der Ziele erreicht werden, nämlich Konvergenz, regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung sowie territoriale Zusammenarbeit.

Das Verordnungspaket umfasst

eine allgemeine Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für alle drei Finanzinstrumente (EFRE, ESF, Kohäsionsfonds);

je eine gesonderte Verordnung über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), den Europäischen Sozialfonds (ESF) und den Kohäsionsfonds;

eine neue Verordnung zur Schaffung eines europäischen Verbunds für grenzüberschreitende Zusammenarbeit (EVGZ).

1.4

Die vorliegende Stellungnahme befasst sich zwar hauptsächlich mit der Rolle des ESF im Rahmen der europäischen Strukturförderung. Da wesentliche Grundlagen für die Funktionsweise und Ausrichtung der Fördermaßnahmen des ESF in der allgemeinen Verordnung niedergelegt sind, wird diese in die Bewertung einbezogen.

2.   Die neuen Ziele der EU-Strukturfonds

2.1

Nach dem Vorschlag soll die EU-Strukturförderung ab 2007 auf die drei Ziele Konvergenz, regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung und europäische territoriale Zusammenarbeit ausgerichtet werden.

2.2   Konvergenz

2.2.1

Dieses Ziel ähnelt dem derzeitigen Ziel 1 und soll die wirtschaftliche Konvergenz der Regionen mit dem größten Entwicklungsrückstand unterstützen und zwar durch Investitionen in Kapital und Humanressourcen, die Förderung von Innovationen und die Entwicklung der Wissensgesellschaft, die Unterstützung des Strukturwandels, den Schutz und die Verbesserung der Umwelt sowie eine effizientere Verwaltung. Mit einer Mittelausstattung von 264 Mrd. EUR (ca. 78,5 % der Gesamtmittel) stellt die neu ausgerichtete Regionalförderung den Schwerpunkt der EU-Strukturförderung dar. Zu diesem Ziel sollen beitragen der EFRE, der ESF und der Kohäsionsfonds.

2.3   Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung

2.3.1

Dieses Ziel führt die derzeitigen Ziele 2 und 3 zusammen. Es ist darauf ausgerichtet, die regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung außerhalb der bedürftigsten Regionen und Mitgliedstaaten zu unterstützen. Dabei wird ein doppelter Ansatz verfolgt: einerseits soll durch regionale Entwicklungspläne (EFRE) die Umstellung der vom Strukturwandel besonders betroffenen industriellen, städtischen und ländlichen Gebiete unterstützt werden durch Förderung von Innovationen, Wissensgesellschaft, Unternehmertum und Umweltschutz. Andererseits soll durch nationale und regionale Programme, die aus dem ESF gespeist werden, die Integration der vom Strukturwandel betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt und generell die Beschäftigungsfähigkeit gefördert werden, durch Qualifizierung und arbeitsmarktpolitische Eingliederungsmaßnahmen. Diese sollen der Erreichung von Vollbeschäftigung, der Verbesserung der Arbeitsqualität und der Arbeitsproduktivität sowie der sozialen Integration und insgesamt der Umsetzung der europäischen Beschäftigungsstrategie dienen. Die Mittelausstattung soll 57,9 Mrd. EUR (ca. 17,2 % der Gesamtmittel) betragen, bei einer Aufteilung von 50 zu 50 zwischen EFRE und ESF.

2.4   Europäische territoriale Zusammenarbeit

2.4.1

Dieses Ziel baut auf den Erfahrungen der derzeitigen Gemeinschaftsinitiative INTERREG auf und soll die Zusammenarbeit in Grenzregionen einschließlich innergemeinschaftlicher Seegrenzen sowie an bestimmten Außengrenzen der Union unterstützen, durch gemeinsame Programme, Bildung von Netzwerken und Erfahrungsaustausch (EFRE). Die Mittelausstattung soll 13,2 Mrd. EUR (ca. 3,9 % der Gesamtmittel) betragen.

3.   Die besondere Rolle des Europäischen Sozialfonds

3.1

Der Europäische Sozialfonds kommt nach dem Vorschlag in den beiden Zielen „Konvergenz“ und „regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ zum Einsatz, wobei allein schon aufgrund der vorgeschlagenen Mittelausstattung die Förderung in den Regionen mit Entwicklungsrückstand die mit Abstand größte Bedeutung hat. Den politischen Rahmen für die ESF-Interventionen bilden die Europäischen Beschäftigungsleitlinien und Empfehlungen, wobei die Schwerpunkte der ESF-Förderung auf vier zentralen Feldern liegen sollen:

Förderung der Anpassungsfähigkeit von Arbeitskräften und Unternehmen;

verbesserter Zugang zu Beschäftigung, Verhinderung von Arbeitslosigkeit, Verlängerung des Erwerbslebens und Erhöhung der Beschäftigungsquote;

soziale Eingliederung benachteiligter Gruppen des Arbeitsmarktes und Bekämpfung von Diskriminierungen;

Förderung von Reformpartnerschaften im Bereich Beschäftigung und soziale Integration.

3.2

Insbesondere in den besonders bedürftigen Regionen, die unter das Ziel „Konvergenz“ fallen, soll der ESF auch die Verbesserung der Aus- und Weiterbildungssysteme und die Entwicklung der institutionellen Kapazität und Verbesserung der Effizienz öffentlicher Verwaltungen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene unterstützen, um den gemeinschaftlichen Besitzstand durchzusetzen. Die bislang im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative EQUAL geförderten innovativen Maßnahmen und die transnationale Zusammenarbeit sollen in die Regelförderung integriert werden. Besonderes Augenmerk soll auf die Förderung der Chancengleichheit im Sinne eines „gender main-streaming“-Ansatzes gelegt werden, mit spezifischen Maßnahmen zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Verbesserung ihrer beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten.

3.3

Der ESF ist das Finanzinstrument zur Umsetzung der EU-Beschäftigungsleitlinien, d.h. er unterstützt die Arbeitsmarkt- und sozialen Integrationspolitiken der Mitgliedstaaten insbesondere durch zielgenauere Integration in den Arbeitsmarkt, die Verbesserung der Qualität der Arbeit und der Arbeitsorganisation sowie Qualifizierungsmaßnahmen zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit.

3.3.1

Im Interventionsbereich „Steigerung der Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer und Unternehmen“ unterstützt der ESF Maßnahmen zur

Förderung von Investitionen in die Humanressourcen durch die Entwicklung und Umsetzung von Systemen und Strategien des lebenslangen Lernens, insbesondere für Geringqualifizierte;

Bewältigung des wirtschaftlichen Strukturwandels durch innovative Formen der Arbeitsorganisation sowie Ermittlung zukünftiger Qualifikationsbedarfe.

3.3.2

Im Interventionsbereich „Verbesserung des Zugangs zum Arbeitsmarkt und präventive Arbeitsmarktpolitik“ unterstützt der ESF

Maßnahmen zur Modernisierung und Stärkung der Arbeitsverwaltungen;

aktive und präventive Eingliederungsmaßnahmen und auf die Bedürfnisse des Einzelnen zugeschnittene Unterstützung;

spezifische Maßnahmen zur nachhaltigen Erhöhung der Erwerbsquote von Frauen, zum Abbau der geschlechtsspezifischen Segregation am Arbeitsmarkt und zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie;

spezifische Maßnahmen zur sozialen Eingliederung von Migranten/innen.

3.3.3

Im Interventionsbereich „Integration benachteiligter Gruppen des Arbeitsmarktes und Bekämpfung von Diskriminierungen“ soll die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit von benachteiligten und sozial ausgegrenzten Personen durch geeignete Eingliederungsmaßnahmen insbesondere auch soziale Hilfs- und Betreuungsdienste sowie die Sensibilisierung gegenüber Diskriminierungen beim Arbeitsmarktzugang im Vordergrund stehen.

3.3.4

Darüber hinaus unterstützt der ESF im Rahmen des Ziels „Konvergenz“ Maßnahmen zur

Reform der allgemeinen und beruflichen Bildung im Hinblick auf die Erfordernisse einer wissensbasierten Gesellschaft und die Verbesserung ihrer Arbeitsmarktrelevanz,

Förderung des lebenslangen Lernens insbesondere zur Verringerung der Schulabbrecherquoten und Verbesserung des Zugangs zur beruflichen Aus- und Weiterbildung,

Entwicklung des Humanpotenzials im Bereich Forschung und Entwicklung sowie

Stärkung der institutionellen Kapazität und Effizienz öffentlicher Verwaltungen und Dienstleistungen im Wirtschafts-, Arbeits-, Sozial-, Umwelt- und Justizbereich.

3.4

Im Hinblick auf die Programmplanung schlägt die EU-Kommission einige Veränderungen vor, die sich aus den allgemeinen Bestimmungen für die Europäischen Strukturfonds ergeben. Die neue Form der Programmierung, die die ESF-Interventionen einschließt, soll im Wesentlichen beinhalten:

die Verabschiedung strategischer Leitlinien für die Kohäsionspolitik mit strategischen Zielen für die einzelnen Fonds durch den Rat unter Bezugnahme auf die Grundzüge der Wirtschaftspolitik und die EU-Beschäftigungsleitlinien;

einen mit der EU-Kommission zu verhandelnden einzelstaatlichen strategischen Rahmenplan als Bezugsrahmen für die Aufstellung operationeller Programme für die einzelnen Fonds, getrennt nach den Zielen „Konvergenz“ und „regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“;

die Vorlage jährlicher Durchführungsberichte sowohl zum einzelstaatlichen strategischen Rahmenplan als auch zu jedem operationellen Programm, das von der EU-Kommission genehmigt sein muss.

4.   Bewertung

4.1

Die EU-Erweiterung ist für die Union eine große ökonomische und soziale Herausforderung, die nicht nur aber auch durch die EU-Strukturpolitik bewältigt werden muss. Der EWSA unterstützt die von der EU-Kommission vorgeschlagene Konzentration der Mittel auf die ökonomisch schwächsten Regionen, was vor allem den neuen Mitgliedstaaten zugute kommen müsste, in denen sich die meisten der am wenigsten entwickelten Regionen befinden. Die vorgeschlagene Erhöhung der Strukturfondsmittel von rund 276 Mrd. EUR auf 336,1 Mrd. EUR für 2007-2013, das entspricht 0,41 % des Bruttonationalproduktes (BNP) der Union, erscheint dem EWSA angemessen, wenn man bedenkt, dass diese nun auf 25 Mitgliedstaaten verteilt werden müssen. Der EWSA ist jedoch der Auffassung, dass die strukturpolitischen Interventionen auch künftig, wenn auch in geringerem Maße, in den alten Mitgliedstaaten erfolgen sollten, zumindest in den Gebieten, die besonders durch den industriellen Wandel betroffen sind und eine sehr hohe Arbeitslosenrate aufweisen. Zugleich muss sichergestellt werden, dass für die durch den sog. statistischen Effekt nicht mehr förderfähigen bisherigen Ziel-1-Gebiete faire Übergangsregelungen geschaffen werden. Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, die Gemeinschaftsinitiative EQUAL vollständig in den ESF zu integrieren, damit ihre unbestreitbaren Vorzüge voll genutzt werden können, unter anderem der innovative Charakter der geförderten Projekte, die Förderung des Austauschs von Erfahrungen und bewährten Praktiken im Rahmen der EU sowie die Stärkung des Prinzips der partnerschaftlichen Einbindung aller Beteiligten in die Umsetzung der Projekte. Nach Integration der Initiative EQUAL könnte die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten auffordern, in ihre nationalen operationellen Programme Maßnahmen nach dem Vorbild von EQUAL aufzunehmen.

4.2

Die Neugliederung der Ziele ist nach Auffassung des EWSA sinnvoll, insbesondere die Integration von arbeitsmarktpolitischen und strukturpolitischen Zielen im neuen Ziel „Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“, die gleichgewichtig verfolgt werden müssen. Gerade in den vom wirtschaftlichen Strukturwandel besonders betroffenen Gebieten sind abgestimmte Maßnahmen zur Förderung von Investitionen und Innovationen (EFRE) als auch zur Bewältigung der sozialen Folgen des Strukturwandels (ESF) besonders vordringlich. Die neue Zielstruktur bietet Chancen, wenn sichergestellt wird, dass auch die Programmplanung integriert erfolgt. Zwar ist eine Integration der Maßnahmen durch den einzelstaatlichen strategischen Rahmenplan vorgesehen. Die weitere Programmplanung erfolgt jedoch getrennt nach einzelnen Fonds. Aus Sicht des EWSA muss gewährleistet sein, dass die operationellen Programme in den Zielen „Konvergenz“ und „regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ aufeinander Bezug nehmen, damit sie sich wirksam ergänzen. Für die arbeitsmarktpolitischen Interventionen des ESF ist es darüber hinaus erforderlich, ausgehend von der Struktur der Arbeitslosigkeit, regionale Schwerpunkte setzen zu können. Regionen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit müssen vorrangig berücksichtigt werden, wobei insbesondere auch lokale Beschäftigungsinitiativen und territoriale Beschäftigungspakte unterstützt werden sollten.

4.3

Die für die Interventionsbereiche des ESF vorgesehenen Schwerpunkte entsprechen im Wesentlichen der EU-Beschäftigungsstrategie bzw. den geltenden Beschäftigungsleitlinien. Dabei ist der EWSA der Auffassung, dass es zur Erreichung der Lissabonziele vordringlich ist, den Schwerpunkt in der Arbeitsmarktpolitik auf aktive, präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit und zur Integration benachteiligter Gruppen in den Arbeitsmarkt zu legen. Entsprechend den Vorschlägen der Expertengruppe „Zukunft der EU-Sozialpolitik“ sollte dabei der früheren und aktiven Integration Jugendlicher besonderes Augenmerk geschenkt werden sowie der Erhöhung der Erwerbsquote von Frauen und der Integration Älterer in das Erwerbsleben. Letzteres erfordert vor allem eine stärkere Beteiligung an Weiterbildungsmaßnahmen und die Verbesserung der Arbeitsqualität durch geeignete Maßnahmen der Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation. Der innovative Charakter der Maßnahmen im Rahmen der nationalen Aktionspläne für Beschäftigung sollte dabei im Vordergrund stehen. Dies wird auch in der Stellungnahme des ESF-Ausschusses unterstrichen. (1)

4.4

Der ESF in Verbindung mit den anderen EU-Strukturfonds ist auch als ein Instrument anzusehen, dass das horizontale Ziel der Bekämpfung von Diskriminierungen, wie es durch verschiedene Aktionen auf europäischer Ebene verfolgt wird, zu unterstützen. Neben Jugendlichen, Frauen und Älteren gehören behinderte Menschen, Migranten und ethnische Minoritäten zu den besonders benachteiligten Gruppen des Arbeitsmarktes. Ebenso können Menschen auf Grund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Der Integration dieser benachteiligten Gruppen muss daher besonderes Augenmerk geschenkt werden, durch Maßnahmen der sozialen Unterstützung, der Qualifizierung und der Arbeitsgestaltung, z.B. durch die Einrichtung behindertengerechter Arbeitsplätze. Insbesondere für Migranten sollten ferner entsprechende Aufklärungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer Rechte, u.a. ihrer Arbeitnehmerrechte, ergriffen werden. Die ESF-Interventionen sollten daher auch Bezug nehmen auf die Nationalen Aktionspläne zur sozialen Eingliederung und Maßnahmen vorsehen, die die Arbeitsmarktchancen dieser Gruppen verbessern. Auch hier stimmt der EWSA mit der Meinung des ESF-Ausschusses überein. Die Mitgliedstaaten und die durchführenden Behörden müssen darüber hinaus sicherstellen, dass aus den Strukturfonds finanzierte Unterstützungsmaßnahmen nicht unbeabsichtigt Barrieren schaffen, die diesen benachteiligten Gruppen den Zugang erschweren.

4.5

Der ESF soll im Ziel „Konvergenz“ auch Maßnahmen unterstützen, die auf die Reform der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung gerichtet sind und zwar im Hinblick auf die Anforderungen einer wissensbasierten Gesellschaft und die Erhöhung der Arbeitsmarktrelevanz der vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten. Ebenso soll verantwortungsvolles Verwaltungshandeln förderfähig sein, das die Kapazität und Effizienz öffentlicher Verwaltungen und Dienstleistungen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene verbessert. Da das Ziel „Konvergenz“ die Regionen mit Entwicklungsrückstand betrifft, zielen diese Interventionen insbesondere auf die neuen Mitgliedstaaten. Der EWSA gibt zu bedenken, dass die Bereitstellung moderner Bildungs- und Ausbildungssysteme sowie die Gewährleistung effizienter Verwaltungen eine staatliche Aufgabe ist. Zwar sehen die EU-Beschäftigungsleitlinien auch Ziele für die Reform der allgemeinen und beruflichen Bildung vor. Deren Umsetzung ist jedoch vorrangig Aufgabe staatlicher Politik, in manchen Mitgliedstaaten, wie z.B. in Deutschland, liegt die Kompetenz hierfür sogar auf Länderebene. Der ESF ist vorrangig ein Instrument zur Ergänzung der nationalen Arbeitsmarktpolitiken durch innovative Maßnahmen, u.a. zur Qualifizierung, und sollte nach Ansicht des EWSA seine Interventionen darauf konzentrieren.

4.6

Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Veränderungen in der Programmierung lassen die Absicht erkennen, strategischer an die Programmplanung heranzugehen. Durch europäische strategische Leitlinien für die Kohäsionspolitik insgesamt und eine entsprechende Rahmenplanung auf nationaler Ebene soll die Verbindung zwischen den allgemeinen politischen Zielen von Lissabon und Göteborg sowie den Grundzügen der Wirtschaftspolitik und den Beschäftigungsleitlinien gestärkt werden. Für die EU-Beschäftigungspolitik und die ESF-Interventionen besteht dieser Zusammenhang bereits, durch die Aufstellung der nationalen Aktionspläne, die auf den besonderen Beitrag des ESF zur Umsetzung der EU-Beschäftigungsstrategie eingehen. Darüber hinaus wird für den Bereich der sozialen Integration im Zweijahresrhythmus ein nationaler Aktionsplan aufgestellt, der ebenfalls arbeitsmarktpolitische Maßnahmen umfasst. Der EWSA möchte deshalb die Frage aufwerfen, ob es dem berechtigten Interesse der EU-Kommission an der Kontrolle der Mittelverwendung wirklich dient, jährliche Durchführungsberichte sowohl zum einzelstaatlichen strategischen Rahmenplan als auch zu den operationellen Programmen zu verlangen, so weit sie über den Nachweis und die Verwendung der verausgabten Mittel hinausgehen. Vielmehr empfiehlt der EWSA im Hinblick auf den ESF zu überlegen, ob der nationale Aktionsplan zur Umsetzung der EU-Beschäftigungsleitlinien nicht mit den Anforderungen an die Programmierung für die ESF-Interventionen verbunden werden kann. Dies wäre der angestrebten Vereinfachung der Programmplanung förderlich. Ähnliche Bedenken im Hinblick auf weitere Bürokratisierung statt Vereinfachung äußert der ESF-Ausschuss. Im Interesse der Wirksamkeit der ESF-Interventionen bittet der EWSA darum, diese Bedenken ernsthaft zu prüfen.

4.7

Der EWSA begrüßt es, dass die bisherigen Prinzipien der EU-Strukturförderung Konzentration, Programmplanung, Zusätzlichkeit und Partnerschaft erhalten bleiben sollen. Es wäre jedoch aus Sicht des EWSA wünschenswert, die besondere Rolle der Sozialpartner bei den arbeitsmarktpolitischen Interventionen des ESF und die Notwendigkeit ihrer Beteiligung sowohl auf zentraler als auch auf regionaler Ebene stärker hervorzuheben. Die Sozialpartner tragen sowohl in den institutionellen Strukturen als auch bei der praktischen Umsetzung der Arbeitsmarktpolitiken in den Mitgliedstaaten Mitverantwortung. Die zusätzlichen Interventionen des ESF müssen in Verbindung mit den nationalen arbeitsmarktpolitischen Strategien geplant und umgesetzt werden. Dies erfordert eine Beteiligung der Sozialpartner sowohl auf zentraler als auch regionaler Ebene bei der Programmplanung und Programmdurchführung. In Übereinstimmung mit dem ESF-Ausschuss unterstützt der EWSA den Vorschlag, in den Konvergenzregionen einen bestimmten Anteil der finanziellen Mittel zur Unterstützung der Sozialpartner bei der Umsetzung der EU-Beschäftigungsstrategie vorzusehen.

4.8

Der EWSA begrüßt, dass die Mitgliedstaaten und die Verwaltungsbehörden des jeweiligen operationellen Programms eine angemessene Konsultation mit Nichtregierungsorganisationen bei der Planung, Durchführung und Begleitung der ESF-Förderung beachten sollen. Er hält eine Klarstellung in Artikel 5 Absatz 2 des Verordnungsvorschlages dahingehend für erforderlich, dass diese Konsultationen auf zentraler und regionaler Ebene stattfinden. Er begrüßt weiterhin, dass neben den Sozialpartnern auch den Nichtregierungsorganisationen der Zugang zu den finanzierten Maßnahmen ermöglicht wird. Im Rahmen der vorgesehenen Partnerschaft muss auch der arbeitsmarktpolitischen Bedeutung nicht-gewinnorientierter sozialer Dienstleister Rechnung getragen werden. Insoweit empfiehlt der EWSA ihre stärkere Einbeziehung bei der Beteiligung an der Planung, Durchführung und Begleitung der ESF-Förderung.

4.9

Der EWSA empfiehlt einen vermehrten Rückgriff auf die technische Hilfe des ESF zur Finanzierung der Bildungs-, Schulungs- und Informationsaktivitäten aller nichtstaatlichen Akteure, die dazu beitragen, die Ziele des ESF zu verwirklichen.

Brüssel, den 9. März 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Siehe Homepage der Europäischen Kommission (Beschäftigung und Soziales).


22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/32


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)“

(KOM(2004) 490 endg. — 2004/0161 (CNS))

(2005/C 234/09)

Der Rat beschloss am 10. November 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 37 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Ferner hat das Europäische Parlament mit Schreiben vom 21. Dezember 2004 seinen Beschluss vom 14. Dezember 2004 mitgeteilt, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu diesem Vorschlag zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 17. Februar 2005 an. Berichterstatter war Herr BROS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 9./10. März 2005 (Sitzung vom 9. März) mit 125 gegen 6 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Die im März 1999 auf dem Europäischen Rat von Berlin verabschiedete Agenda 2000 etablierte eine Politik der Entwicklung des ländlichen Raums als zweiten Pfeiler der Gemeinsamen Agrarpolitik. Sie soll die Reformen der Marktpolitik im ganzen Gebiet der Europäischen Union begleiten. So wurde durch die im Juni 2003 angelaufene neue Reform mit neuen Maßnahmen zur Produktförderung, Lebensmittelsicherheit und artgerechten Tierhaltung die Rolle der zweiten Säule der GAP gestärkt. Diese Ausrichtung muss sich in einer Aufstockung der für die Entwicklung des ländlichen Raums verfügbaren Finanzmittel niederschlagen.

1.2

Vor dem Hintergrund der Schlussfolgerungen der Salzburger Konferenz (November 2003) hat die Kommission in ihrer Mitteilung zur Finanziellen Vorausschau und in dem Verordnungsvorschlag, der in dieser Stellungnahme erörtert wird, die drei wesentlichen Ziele festgelegt, die sie mit der künftigen Politik der Entwicklung des ländlichen Raums verfolgen will:

Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors durch Förderung der Umstrukturierung;

Schutz von Umwelt und Landschaft durch Unterstützung des Landmanagements;

Steigerung der Lebensqualität in ländlichen Gebieten und Förderung der wirtschaftlichen Diversifizierung durch gezielte Maßnahmen für den Agrarsektor und andere Akteure im ländlichen Raum.

1.3

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss richtet sein besonderes Augenmerk auf diese Vorschläge. In der Initiativstellungnahme „2. Pfeiler der Gemeinsamen Agrarpolitik: Perspektiven der Anpassung der Politik zur Entwicklung der ländlichen Gebiete“ (1) wird dargelegt, dass die Frage der Entwicklung des ländlichen Raums Teil folgender breiterer Problematiken ist:

Gelingen der Erweiterung der Europäischen Union (über die Hälfte der Bevölkerung der EU-25 lebt in ländlichen Gebieten);

Aufrechterhaltung eines hohen Lebensmittelsicherheitsniveaus, dem das Konzept der nachhaltigen Entwicklung zugrunde liegt;

Wahrung eines europäischen Agrarmodells, das einer multifunktionalen Landwirtschaft Raum lässt und eine harmonische Verteilung der landwirtschaftlichen Tätigkeit auf sämtliche Gebiete der Europäischen Union ermöglicht.

1.4

Um dieser Gesamtproblematik gerecht werden zu können, hat der Ausschuss in seiner oben genannten Initiativstellungnahme die grundsätzlichen Positionen verdeutlicht, die als Richtschnur für die künftige Politik der Entwicklung des ländlichen Raums dienen müssen:

Die Entwicklung der ländlichen Gebiete gehört zum territorialen Zusammenhalt der EU, weshalb sie integraler Bestandteil der vorrangigen Ziele der Regionalpolitik sein müssen;

vorrangiges Ziel des zweiten Pfeilers der GAP muss sein, die Anpassung der Landwirtschaft an die strukturellen Entwicklungen zu flankieren und den Erwartungen der Bürger gerecht zu werden;

die für diese Politik bereitgestellten Finanzmittel müssen angemessen sein, denn andernfalls wird ein Rückzug der Gemeinschaftspolitik aus den ländlichen Gebieten zu verzeichnen sein;

nur die multifunktionalen Aspekte der landwirtschaftlichen Produktion tragen in mehrfacher Hinsicht zur Wahrung eines lebendigen ländlichen Raums bei;

Fragen der Landwirtschaft und der Entwicklung des ländlichen Raums müssen in die Zuständigkeit desselben Kommissionsmitglieds fallen.

Als logische Fortsetzung seiner Arbeiten möchte der Ausschuss den anderen Institutionen nun seinen Standpunkt zu dem Kommissionsvorschlag mitteilen, der speziell die Unterstützung der Entwicklung des ländlichen Raums zum Thema hat.

1.5

Die Europäische Kommission hat die betroffenen Akteure ausführlich konsultiert, und der Ausschuss hatte mehrfach Gelegenheit, namentlich in den Beratenden Ausschüssen, seine verschiedenen Vorschläge vorzutragen. Diese umfangreiche Anhörung verdeutlicht die Aufgeschlossenheit der Kommission, und der Ausschuss hofft daher, dass sie die ihr unterbreiteten Vorschläge im Zuge des Beschlussfassungsprozesses zum Tragen bringen kann.

1.6

Der Ausschuss wird eine Stellungnahme zu der neuen Rechtsgrundlage für die Finanzierung der verschiedenen Maßnahmen durch den ELER (2) und EGFL (KOM(2004) 489 endg. — 2004/0164 (CNS) (3)) vorlegen, in der er die Verwaltungsaspekte der Umsetzung der Programme für die Entwicklung des ländlichen Raums erörtert.

2.   Der Kommissionsvorschlag

2.1

Dem Kommissionsvorschlag liegt das Ziel einer größeren Verständlichkeit und Transparenz der Gemeinschaftspolitik zur Entwicklung des ländlichen Raums zugrunde. Aus diesem Grunde schlägt die Kommission die Einrichtung eines speziellen Fonds (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums — ELER) vor, der in Ergänzung zur Marktpolitik und Politik der Einkommensstützung im Rahmen der GAP, zur Kohäsionspolitik und zur gemeinsamen Fischereipolitik die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums in der gesamten Gemeinschaft mitfinanzieren soll.

2.2

Die Kommission schlägt einen Strategieplan der Gemeinschaft zur Entwicklung des ländlichen Raums vor, um eine bessere Kohärenz zwischen den auf europäischer Ebene gesteckten Zielen und der Umsetzung der Programme für die Entwicklung des ländlichen Raums zu gewährleisten. Dieser Plan soll vom Rat genehmigt werden. Aufgabe der Mitgliedstaaten soll sein, ihre nationalen Strategiepläne unter Berücksichtigung dieser Leitlinien zu erarbeiten. Diese Pläne und die Programme für ländliche Entwicklung sollen in enger Abstimmung zwischen der Kommission, dem Mitgliedstaat und den vom Mitgliedstaat benannten Organen (Regional- und Kommunalbehörden, Wirtschafts- und Sozialpartner und jeder andere repräsentative Partner der Zivilgesellschaft) erstellt werden.

2.3

Zur Ergänzung der Begleitmaßnahmen der Programmplanung schlägt die Kommission vor, dass jeder Mitgliedstaat einen jährlichen zusammenfassenden Bericht mit den Ergebnissen der Programme für die Entwicklung des ländlichen Raums im Verhältnis zu den im nationalen Strategieplan festgelegten Indikatoren und den Ergebnissen der jährlichen laufenden Bewertungen für jedes Programm erarbeitet. Die Kommission soll dem Rat, dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen einen Jahresbericht vorlegen.

2.4

Die Kommission schlägt vor, die 26 bestehenden Maßnahmen und die neuen Maßnahmenvorschläge wie die Finanzierung von NATURA 2000, die Maßnahmen für Forstwirtschaft und Umweltschutz oder die Unterweisung kommunaler Mandatsträger in der Konzeption territorialer Projekte zu drei Schwerpunktachsen mit jeweils unterschiedlichen Zielen zu bündeln und darin Mindestwerte für die Finanzausstattung der einzelnen Schwerpunkte aufzunehmen:

15 % für Schwerpunktachse I „Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft“ und 15 % für Schwerpunktachse III „Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft und Lebensqualität im ländlichen Raum“,

25 % für Schwerpunktachse II „Umwelt und Landmanagement“.

2.4.1

Die Schwerpunktachse I hat die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von Land- und Forstwirtschaft zum Ziel. Vier Maßnahmengruppen sind vorgesehen:

Stärkung der Humanressourcen,

Umstrukturierung des physischen Potenzials,

Verbesserung der Qualität der Produktion und der Erzeugnisse,

zwei Übergangsmaßnahmen für die neuen Mitgliedstaaten: Unterstützung der Semisubsistenz-Betriebe und Gründung von Erzeugergemeinschaften.

2.4.2

Schwerpunktachse II „Umwelt und Landmanagement“ bezieht sich auf die nachhaltige Bewirtschaftung land- und forstwirtschaftlicher Flächen. Die Maßnahme für „benachteiligte Gebiete“ wird — allein nach dem Kriterium der naturbedingten Nachteile — neu definiert, was die Abgrenzung der Zwischengebiete betrifft. Des Weiteren ist eine generelle Bedingung für die Begünstigten, dass sie die für die Landwirtschaft bzw. Forstwirtschaft relevanten Anforderungen der EU und der Mitgliedstaaten einhalten (Konditionalität der Direktbeihilfen des 1. Pfeilers der GAP).

2.4.3

Schwerpunktachse III „Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft und Lebensqualität im ländlichen Raum“ betrifft Maßnahmen in Zusammenhang mit der Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft durch Unterstützung nichtlandwirtschaftlicher Tätigkeiten von Landwirten oder Nichtlandwirten, Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum (wesentliche Dienstleistungen für die Bevölkerung, Infrastrukturen) und Maßnahmen in Zusammenhang mit der Kompetenzentwicklung und Sensibilisierung der kommunalen Mandatsträger mit Blick auf die Erarbeitung und Umsetzung einer lokalen Entwicklungsstrategie.

2.5

Das LEADER-Konzept wird auf alle drei Schwerpunktachsen ausgedehnt und muss mindestens 7 % der für die Entwicklung des ländlichen Raums insgesamt eingeplanten Mittel abdecken. Die Kommission schlägt vor, die leistungsgebundene Reserve (3 % des ELER) diesem Programm zuzuordnen.

2.6

Was den finanziellen Aspekt angeht, so schlägt die Kommission vor, für diese Politik 88,75 Milliarden Euro für den Zeitraum 2007-2013 bereitzustellen. Die Modulation wird — für sämtliche Schwerpunktachsen — jedes Jahr den „einzigen Fonds“ speisen (ca. 8 Milliarden Euro für denselben Zeitraum).

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Kommissionsvorschlag, der zum einen die Schaffung eines speziellen Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zum anderen einen Fonds für die Marktmaßnahmen in Bezug auf die landwirtschaftlichen Erzeugnisse und die Direktzahlungen (EGFL) umfasst. Der Ausschuss betont weiter, dass dieser Legislativvorschlag den Schlussfolgerungen der Salzburger Konferenz über das Thema „Die Entwicklung des ländlichen Raums in einer erweiterten Europäischen Union“ entspricht. Er möchte das Europäische Parlament und den Rat jedoch nachdrücklich auf die Anpassungen hinweisen, die notwendig sind, um bei einer Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums die Grundsätze zu wahren, auf die der Ausschuss in seiner Initiativstellungnahme aufmerksam gemacht hat.

3.2

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass die Einrichtung eines Monofonds für die Entwicklung des ländlichen Raums nicht ohne Einbindung in die bestehenden Politiken der Europäischen Union vorgenommen werden kann. In den Schlussfolgerungen der Salzburger Konferenz, den Erklärungen des Rates von Luxemburg im Juni 2003 und den Empfehlungen des EWSA (4) wird betont, dass die Politik zugunsten der Entwicklung des ländlichen Raums (2. Pfeiler der GAP) mit der Anpassung der Landwirtschaft (1. Pfeiler der GAP) einhergehen muss. Aus diesem Grunde spricht sich der EWSA dafür aus, dass in Artikel 3 des Vorschlags wieder ein Bezug auf Artikel 33 des Vertrags (Definition der allgemeinen Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik) aufgenommen wird.

3.2.1   Vorschlag des Ausschusses zur Anpassung des Wortlauts: „Artikel 3: Auftrag und Instrumente

1.

Der Fonds trägt zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums in der gesamten Gemeinschaft bei in Ergänzung zu den und ergänzt die übrigen Instrumente der gemeinsamen Agrarpolitik (Markt- und Einkommensstützungsmaßnahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik), der Kohäsionspolitik und der Gemeinsamen Fischereipolitik. Damit leistet er einen Beitrag zur Erreichung der in Artikel 33 des Vertrags verankerten Ziele.

2.

Der Fonds kommt auch zusammen mit der Kohäsionspolitik und der gemeinsamen Fischereipolitik zum Einsatz.“

3.3

Nach Ansicht des Ausschusses beruht die Wirtschaftsentwicklung des ländlichen Raums auch auf der Komplementarität der landwirtschaftlichen und der nichtlandwirtschaftlichen Akteure. Er begrüßt die Vorschläge für Maßnahmen zugunsten nichtlandwirtschaftlicher Tätigkeiten und zur Förderung von Klein- und Kleinstunternehmen gemäß der Europäischen Charta für Kleinunternehmen, deren Bedeutung für die Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum betont werden muss.

3.4

Die Prozesse zur Bewertung und Anpassung der Ziele dieses Fonds berücksichtigen nicht den Zeitplan für die Entwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik. Die Kommission hat nämlich unterstrichen, dass die im Juni 2003 beschlossene Reform der GAP je nach Gebiet unterschiedliche Auswirkungen haben werde und im Zeitraum 2008-2009 zum einen die neuen Mitgliedstaaten das vereinfachte Regime aufgeben würden und zum anderen die Kommission die verschiedenen zum Einsatz kommenden Entkopplungssysteme bewerten werde. Daher erscheint es notwendig, bei den strategischen Folgemaßnahmen der europaweiten Politik für die Entwicklung des ländlichen Raums den Zeitplan für den 1. Pfeiler der GAP zu berücksichtigen.

3.4.1   Vorschlag des Ausschusses zur Anpassung des Wortlauts: „Artikel 13: Jahresbericht der Kommission

1.

Die Kommission legt zu Beginn jedes Jahres und erstmals im Jahr 2009 einen Jahresbericht vor, in dem die wichtigsten Entwicklungen, Tendenzen und Aufgaben im Zusammenhang mit der Umsetzung der strategischen Leitlinien der Gemeinschaft und der einzelstaatlichen Strategiepläne sowie mit den Auswirkungen, die die Entwicklung der GAP einerseits und die wichtigsten Tendenzen auf den internationalen Märkten für landwirtschaftliche Erzeugnisse andererseits in den ländlichen Gebieten haben, zusammengefasst werden.“

3.5

In seiner Initiativstellungnahme vom 1. Juli 2004 (5) hatte der Ausschuss den Finanzvorschlag der Kommission verglichen mit den gesteckten Zielen als bescheiden bezeichnet. In der Tat dürfte sich das Gesamtbudget für die Entwicklung des ländlichen Raums im Zeitraum 2007-2013 auf knapp 96 Milliarden Euro für eine EU mit 25 Mitgliedstaaten belaufen; dem stehen 65 Milliarden Euro für den derzeitigen Zeitraum (EU mit 15 Mitgliedstaaten) gegenüber. Während die Kommission im Vorwort des Dokuments KOM(2004) 490 endg. selbst feststellt, dass 50 % der Bevölkerung der Europäischen Union in ländlichen Gebieten leben, soll das dem ELER zugewiesene Budget 28 % der Ausgaben entsprechen, die der Regionalpolitik zugewiesen werden, und 32,5 % der Ausgaben des 1. Pfeilers der GAP (einschließlich Modulation). Es muss also vermieden werden, dass der ELER das einzige Finanzinstrument zugunsten der ländlichen Gebiete wird. Dies würde nämlich eine Ghettoisierung der ländlichen Gebiete bedeuten.

3.5.1

Aus dem oben Gesagten folgt, dass es notwendig wird, diese Politik stärker durch die Regionalpolitik und die Politik zur Entwicklung der Humanressourcen (Europäischer Sozialfonds) zu ergänzen. Daher überlegt der Ausschuss, ob es wirklich erforderlich ist, die Finanzierung der kleinen ländlichen Infrastrukturen nur durch die Politik für ländliche Entwicklung abzudecken und ein Kapitel „Kompetenzentwicklung“ der lokalen Verantwortlichen einzuführen, obwohl die entsprechende Finanzierung in den Aufgabenbereich des ESF fällt.

3.5.2

Der Ausschuss begrüßt die Schaffung eines Mindestvolumens, das den Gebieten mit strukturellem Entwicklungsrückstand vorbehalten ist (31 Milliarden Euro). Dieser Betrag wird höher sein als derjenige des derzeitigen Zeitraums (21 Milliarden Euro).

3.5.3

Die für LEADER bestimmten Haushaltsmittel sollen von 2,2 Milliarden Euro auf 8,8 Milliarden Euro steigen (7 % aus dem ELER und 3 % aus der leistungsgebundenen Reserve): Dies bedeutet die größte prozentuale Steigerung. Der Ausschuss begrüßt die Berücksichtigung von LEADER als eigenständige Schwerpunktachse der Politik für die Entwicklung des ländlichen Raums, die die Teilhabe der Zivilgesellschaft an der Entwicklung der ländlichen Gebiete festschreibt. Zwar ist die Methode ebenso wichtig wie die Ziele, doch bedauert der Ausschuss, dass die Umsetzung innovativer Maßnahmen oder Pilotaktionen als Ziel nicht mehr hervorgehoben wird. Schließlich weist der Ausschuss die Kommission auf die reale Gefahr einer allzu hohen finanziellen Verpflichtung hin. Es wäre bedauerlich, wenn die Schwerpunktachse LEADER in einer angespannten Haushaltslage aus Verwaltungsgründen oder wegen fehlender kommunaler Finanzmittel nicht hinreichend genutzt würde. Der Ausschuss schlägt daher einen niedrigeren vorgeschriebenen Mindestsatz für alle Mitgliedstaaten vor (ein Mindestsatz in Höhe von 4 % wäre angesichts der derzeitigen Programmplanung angemessener). Trotz eines solchen Mindestsatzes bliebe es jedem Mitgliedstaat unbenommen, das LEADER-Konzept in größerem Umfang zu nutzen.

3.5.4

Folglich würden ca. 50 Milliarden Euro für die Finanzierung der klassischen Maßnahmen des Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums verbleiben. Dieser Betrag wird im Zuge des Finanztransfers vom 1. auf den 2. Pfeiler der GAP lediglich um 8 Milliarden Euro zunehmen. Der Ausschuss fordert daher, dass die durch die Modulation frei werdenden Mittel nur den Schwerpunktachsen I und II zugeordnet werden, damit sie das Ziel erfüllen, die Anpassung der Landwirtschaft zu flankieren. Diese Zuordnung wird ebenfalls keinerlei Einfluss auf die Beträge haben, die jeder Mitgliedstaat bei der Verabschiedung der Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums den verschiedenen Schwerpunkten zuweisen kann. Im Übrigen sollten die sich aus der Modulation ergebenden Mittel logischerweise dem Prinzip der Konditionalität entsprechen, das in Artikel 10 der Verordnung 1782/2003 definiert wird. Die Anwendung der Konditionalität ist aber nur bei den in den Schwerpunktachsen I und II genannten Maßnahmen möglich.

Vorschlag des Ausschusses zur Anpassung des Wortlauts: „Artikel 70: Haushaltsmittel und ihre Aufteilung

[…]

6.

Zusätzlich zu den Beträgen gemäß Absatz 5 berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei der Programmierung die Beträge, die sich aus der Modulation gemäß Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr.. des Rates (Finanzierung der GAP) ergeben. Diese Beträge werden auf die Schwerpunktachsen I und II der Verordnung (EG) Nr. .../... übertragen [ELER].“

3.5.5

Die Kommission schlägt vor, das Sanktionssystem für die Landwirte auf der Grundlage der Konditionalität der Beihilfen des 1. Pfeilers der GAP auf die Maßnahmen von Schwerpunktachse II anzuwenden. Da die Konditionalität der Direktbeihilfen nur für die Landwirte gilt, kann der Ausschuss diesen Vorschlag nicht unterstützen, da er auf eine Unterscheidung abzielt, die ausschließlich auf der Stellung im Beruf basiert. Der Ausschuss weist darauf hin, dass er für den Grundsatz der Gleichbehandlung der Begünstigten gegenüber einer öffentlichen Beihilfe plädiert.

3.5.6

In den Finanzschätzungen der Kommission wird die Umsetzung des NATURA-2000-Netzes auf jährlich 6,1 Milliarden Euro beziffert, wovon die EU im Rahmen der Kofinanzierung einen hohen Anteil tragen wird. Der EU-Anteil könnte aus dem Fonds für ländliche Entwicklung finanziert werden, z.B. die Ausgaben für die notwendigen Kompensationszahlungen für die Landeigentümer bzw. -nutzer. Der Ausschuss hat sich zum Finanzierungsvorschlag der Kommission für NATURA 2000 in einer separaten Stellungnahme (6) geäußert. Darin stellt er fest, dass die NATURA-2000-Finanzierung eine neue und zusätzliche Aufgabe darstellt, die einem Fördertitel zugeordnet werden soll, der — entgegen den politischen Versprechungen — kaum anwächst. Er macht deutlich, dass er dem Kommissionsvorschlag nur dann akzeptieren kann, wenn

die für NATURA 2000 notwendigen Mittel zusätzlich zum in der finanziellen Vorausschau getätigten Ansatz für die ländliche Entwicklung zur Verfügung gestellt werden (also nicht zu Lasten bereits vorhandener Programme gehen); und

diese Mittel dann für NATURA-2000-Maßnahmen zweckgebunden werden (damit sie auch ausschließlich für diese wichtige Politikaufgabe verwendet werden können).

3.5.6.1

Der Ausschuss schlägt daher vor, die in Artikel 36 und 43 vorgesehenen Maßnahmen für den Ausgleich von Einkommensverlusten, die in dem betreffenden NATURA 2000-Gebiet entstehen, beizubehalten, empfiehlt jedoch, den Teil über die Finanzierung der Funktionsweise des Netzes NATURA 2000 aus Maßnahme 53 herauszunehmen, da er Gegenstand eines gesonderten Programms sein muss.

Vorschlag des Ausschusses zur Anpassung des Wortlauts: „Artikel 53: Schutz, Aufwertung und Bewirtschaftung des natürlichen Erbes

Die Beihilfe gemäß Artikel 49 Buchstabe a) Ziffer iv) betrifft Aktionen zur Sensibilisierung für den Umweltschutz und die touristische Aufwertung sowie die Ausarbeitung von Schutz- und Bewirtschaftungsplänen für Natura-2000-Gebiete und sonstige Lebensräume mit hohem Naturwert.

3.6

Der Ausschuss begrüßt zwar, dass die Kommission die Notwendigkeit anerkennt, naturgegebene Nachteile für Berggebiete zu kompensieren, stellt jedoch ihren Lösungsvorschlag für einfach benachteiligte Gebiete in Frage. Dieser entspricht zugleich einer Verringerung der förderfähigen Fläche und einer Verringerung der Intensität der Gemeinschaftsförderung. Aus diesem Grunde weist der Ausschuss darauf hin, dass die naturgegebenen Faktoren (in puncto Landwirtschaft, Klima und Wasser) bei der Einordnung der Gebiete mit einfacher naturgegebener Benachteiligung addiert werden müssen. Durch die Häufung leichter naturgegebener Benachteiligungen stellen sich der Entwicklung der ländlichen Gebiete nämlich echte Hindernisse in den Weg. Ferner schlägt der Ausschuss für die Gebiete, die nicht mehr als „Gebiet mit leichter naturgegebener Benachteiligung“ eingeordnet werden, eine Degression der Gemeinschaftsbeihilfe — wie für die Regionalpolitik vorgesehen — vor. Anhand dieses „Phasing-out-Programms“ könnten die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen in den landwirtschaftlichen Betrieben abgemildert werden.

3.6.1   Vorschlag des Ausschusses zur Anpassung des Wortlauts (neuen Absatz 5 hinzufügen) von „Artikel 37: Zahlungen für Agrarumwelt- und Tierschutzmaßnahmen

[…]

5.

Vorgesehen ist ein 5-jähriger Zeitraum des 'Phasing out' mit degressiv angelegten Zahlungen für Landwirte aus den Gebieten, die aufgrund der geänderten statistischen Nomenklatur nicht mehr als Gebiet mit einfacher naturgegebener Benachteiligung gelten (Artikel 47 Absatz 3 a).“

3.7

Die Kommission beabsichtigt zum einen, die Anwendungsregeln innerhalb der Verordnung „Entwicklung des ländlichen Raums“ nicht endgültig festzulegen, und zum anderen, flexiblere Regeln für die finanzielle Programmplanung anzuwenden. Diese beiden Zielsetzungen dürften die Umsetzung der neuen Verordnung „Entwicklung des ländlichen Raums“ deutlich verbessern. Der Ausschuss befürwortet zwar den Grundsatz, Mindestsätze pro Schwerpunktachse festzulegen, ist jedoch der Ansicht, dass der Vorschlag der Kommission nicht mit ihren diesbezüglichen Leitlinien übereinstimmt. Aus einer Studie geht hervor, dass die derzeitige Nutzung der Mittel der Verordnung „Entwicklung des ländlichen Raums“ eng mit den Besonderheiten des landwirtschaftlichen Umfeldes, der ländlichen Gebiete der Länder und der Regionen der EU verknüpft ist. Desgleichen hat die Kommission unterstrichen, dass die im Juni 2003 auf den Weg gebrachte GAP-Reform verschiedene Auswirkungen in den ländlichen Gebieten haben werde. Aus diesem Grunde müssten die kumulierten Mindestsätze pro Schwerpunktachse unter 50 % liegen, um das Subsidiaritätsprinzip erfüllen und unterschiedlichen Voraussetzungen in den ländlichen Gebieten gerecht werden zu können.

3.7.1   Vorschlag des Ausschusses zur Anpassung des Wortlauts: „Artikel 16: Gleichgewicht der Schwerpunkte

Die finanzielle Beteiligung der Gemeinschaft an jedem der drei Ziele gemäß Artikel 4 macht mindestens 10 % 15 % der gesamten Beteiligung des Fonds für das Programm der Schwerpunktachsen I und III gemäß Abschnitt I beziehungsweise III in Titel IV, Kapitel I, und 20 % 25 % der gesamten Beteiligung des Fonds für das Programm der Schwerpunktachse II gemäß Abschnitt II des genannten Kapitels aus.“

3.8

Der Prozess zur Bewertung der Programme für ländliche Entwicklung gewährleistet eine ordnungsgemäße Nutzung und eine größere Effizienz der Gemeinschaftsmittel. Der Ausschuss weist jedoch darauf hin, dass die Ziele einer öffentlichen Politik entsprechend den künftigen Herausforderungen und nicht nur gemäß den Ergebnissen der Planung verschiedener Programme für die Entwicklung des ländlichen Raums festgelegt werden. Aus diesem Grunde wird die von der Kommission vorgeschlagene Verringerung des Verwaltungsaufwands durch die Bewertungsprozesse, die die Programme überlagern, in ihrer Wirkung eingeschränkt und nur wenige mittelbare Auswirkungen auf den Endbegünstigten haben.

3.9

Der Ausschuss betont ferner, dass die Verwaltungsvereinfachung im Kommissionsvorschlag nicht bis zum Endbegünstigten behandelt wird. Dieser Frage wird zwar hauptsächlich in der Stellungnahme zu der „Finanzierung der GAP“ (7) nachgegangen, doch möchte der Ausschuss an dieser Stelle seiner Besorgnis Ausdruck verleihen, dass die Verfahren für den Endbegünstigten nur wenig vereinfacht wurden. So hat die Kommission in Artikel 25 vorgeschlagen, die Bedingungen für die Modernisierung der Betriebe zu vereinfachen, indem die Beihilfe für Investitionen in landwirtschaftliche Betriebe nicht mehr länger davon abhängig gemacht wird, ob normale Absatzmöglichkeiten auf den Märkten bestehen (betreffende Produkte, Investitionsart und vorgesehene Kapazitäten). Gleichzeitig wird in Artikel 73 die Frist für eine Wiedereinziehung der Beträge auf sieben Jahre festgelegt für den Fall, dass die Investition wesentlich verändert wird. Mit dieser neuen Regel werden Kontrollen verstärkt und folglich neue Kriterien für die wirtschaftliche Lebensfähigkeit von Projekten in der Programmplanungsphase vorgeschrieben. Schließlich erscheint die geplante Dauer angesichts der Art und des Anspruchs der finanzierten Projekte überlang.

3.10

Der Ausschuss begrüßt es, dass die Vorbereitung, Durchführung und Begleitung der Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum nach dem Partnerschaftsprinzip erfolgen muss (Artikel 6), wozu auch die Konsultation der Wirtschafts- und Sozialpartner gehört. Der Ausschuss fordert, dass diese Bestimmung obligatorisch wird und sämtliche repräsentativen Akteure der wirtschaftlichen und sozialen Gruppen des ländlichen Raums vollberechtigt an dem Netzwerk für ländliche Entwicklung auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene teilnehmen. Des Weiteren möchte der Ausschuss an dem in Artikel 95 vorgesehenen Ausschuss für „Entwicklung des ländlichen Raums“ — wie laut Artikel 7 des Ratsbeschlusses (1999/468/EG) möglich — als Beobachter teilnehmen. Auf diese Weise könnte die organisierte Zivilgesellschaft an sämtlichen Etappen der Umsetzung der Gemeinschaftspolitik teilnehmen.

3.10.1   Vorschlag des Ausschusses zur Anpassung des Wortlauts: „Artikel 68: Europäisches Netzwerk für ländliche Entwicklung

Ein europäisches Netzwerk für ländliche Entwicklung wird zur Vernetzung der nationalen Netzwerke, sowie der wirtschaftlichen und sozialen Vertretungsorganisationen und Verwaltungen, die auf Gemeinschaftsebene im Bereich der Entwicklung des ländlichen Raums tätig sind, sowie des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses gemäß Artikel 67 Absatz 1 eingerichtet.“

3.10.2   Vorschlag des Ausschusses zur Anpassung des Wortlauts: „Artikel 69: Nationales Netzwerk für den ländlichen Raum

Jeder Mitgliedstaat errichtet ein nationales Netzwerk für den ländlichen Raum, das sämtliche wirtschaftlichen und sozialen Vertretungsorganisationen und Verwaltungen umfasst, die im Bereich der Entwicklung des ländlichen Raums tätig sind, sowie die Einrichtung umfasst, welche die organisierte Zivilgesellschaft repräsentiert.“

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Der Ausschuss betont, dass die Bündelung der 26 Maßnahmen zugunsten der Entwicklung des ländlichen Raums zu drei verschiedenen Schwerpunktachsen für größere Klarheit sorgt. Offenbar hätten bestimmte Maßnahmen mehr Berechtigung in Schwerpunktachse III, denn bei ihrer Umsetzung wird die Planung des ländlichen Raums mit all seinen Komponenten immer stärker berücksichtigt. Folglich schlägt der Ausschuss vor, die in Artikel 28 (mit der Entwicklung und Anpassung der Land- und Forstwirtschaft verbundene Infrastruktur), Artikel 38 (nichtproduktive Investitionen in der Landwirtschaft) und Artikel 46 (nichtproduktive Investitionen in der Forstwirtschaft) beschriebenen Maßnahmen in Achse III aufzunehmen.

4.2

In seinem Bericht über Junglandwirte (2001) (8) hat der Ausschuss bereits die Bedeutung der Niederlassungsbeihilfe für Junglandwirte und des dauerhaften Verbleibs in der Landwirtschaft hervorgehoben. Diese Thematik müsste daher eine Priorität des künftigen Strategieplans zur Entwicklung des ländlichen Raums sein, und die Niederlassungsbeihilfe sollte sich nicht, wie in Artikel 21 des Verordnungsvorschlags der Kommission vorgesehen, auf eine einmalige Prämie beschränken; ferner ist insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass die zugewiesenen Beträge nicht immer weiter sinken.

4.2.1   Vorschlag des Ausschusses zur Anpassung des Wortlauts: „Artikel 21: Niederlassung von Junglandwirten

2.

Gewährt wird die Unterstützung in Form

einer einmaligen Prämie bis zu dem in Anhang I festgesetzten Höchstbetrag;

einer Zinsvergütung für Darlehen zur Deckung der Niederlassungskosten; der Kapitalwert dieser Vergütung darf nicht höher als der Wert der einmaligen Prämie sein.“

4.2.2   Vorschlag des Ausschusses zur Anpassung des Wortlauts: „Artikel 23: Inanspruchnahme von Betriebsberatungsdiensten

c)

potenzielle künftige Landwirte und Waldbesitzer bei der Übernahme von Kosten zu unterstützen, die sich aus der Erarbeitung des 'Geschäftsplans' für ihre land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit ergeben.

4.3

Der Ausschuss weist auf den schwierigen Prozess zur Umgestaltung der Landwirtschaft hin, der in mehreren neuen Mitgliedstaaten im Gange und noch lange nicht abgeschlossen ist. Aus diesem Grund ist die Bedingung, zehn Jahre Landwirtschaft betrieben haben zu müssen, um Beihilfen zum Vorruhestand erhalten zu können, in diesen Fällen übergebührlich beschwerend. Der Ausschuss schlägt daher vor, innerhalb eines Übergangszeitraums eine kürzere landwirtschaftliche Tätigkeit als ausreichend anzusehen und als zusätzliche Bedingung zu verlangen, dass der Antragsteller den größten Teil seines Erwerbslebens in der Landwirtschaft tätig war.“

4.3.1   Vorschlag des Ausschusses zu Artikel 22: Vorruhestand, Absatz 2, „Der Abgebende muss…“, einen neuen Buchstaben d) einfügen:

„d)

Im Fall von Landwirten aus zum 1. Mai 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten gilt für einen Übergangszeitraum von zehn Jahren, dass der Abgebende in den letzten fünf Jahren vor der Übergabe des Betriebs Landwirtschaft betrieben haben und in den letzten fünfzehn Jahren vor der Übergabe mindestens die Hälfte seines Erwerbslebens in der Landwirtschaft als Landarbeiter tätig gewesen sein muss.“

4.4

Dem Kommissionsvorschlag zufolge sollen die Investitionsbeihilfen die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Tätigkeiten bzw. deren Diversifizierung ermöglichen. Der Ausschuss möchte präzisieren, dass Investitionsbeihilfen nicht nur als Sachinvestitionen verstanden werden dürfen. Immaterielle Investitionen — über die Verbreitung technologischer Fortschritte und den Wissenstransfer an landwirtschaftliche Betriebe, was qualitative Aspekte sowie die Aufwertung und/oder den Schutz der Umwelt angeht, — müssen in jede betreffende Maßnahme (Artikel 25, Artikel 27, Artikel 31 und Artikel 50) aufgenommen werden.

4.4.1

Der Agrarsektor ist durch eine geringe Präsenz von Frauen gekennzeichnet, was die von der der Kommission veröffentlichten Zahlen deutlich machen: Somit sind Männer die Hauptbegünstigten von Direkt- und Strukturhilfen. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, Frauen bei der Beschlussfassung mehr Gewicht zu verleihen. Die Europäische Union muss daher Maßnahmen entwickeln, die darauf abzielen, dem abzuhelfen und zur Schaffung von Betrieben beizutragen, die von Frauen geleitet werden. Der Ausschuss empfiehlt, diesen Aspekt im Rahmen des strategischen Gemeinschaftsprogramms in einem gesonderten Punkt zu behandeln.

4.5

In Artikel 27 werden Investitionen behandelt, die eine Erhöhung der Wertschöpfung der land- und forstwirtschaftlichen Primärerzeugung ermöglichen, und die Förderfähigkeit wird von der Betriebsgröße abhängig gemacht. Der Ausschuss möchte unterstreichen, dass die vorgeschlagene Beschränkung im Rahmen der Konsolidierung der Wirtschaftstätigkeit im ländlichen Raum zu einseitig ist, um eine echte Entwicklungschance für wirtschaftliche Tätigkeiten im ländlichen Raum zu bieten. Unternehmen wie landwirtschaftliche Genossenschaften oder Lebensmittelhersteller mit einem Umsatz von über 10 Millionen Euro und mehr als 50 Beschäftigten erhalten Darlehen nicht unbedingt leichter als Kleinunternehmen und stellen eine nicht zu vernachlässigende „Arbeitsplatzquelle“ dar.

4.5.1

Gleichwohl muss die Beihilfe aus dem ELER unter dem Aspekt der Wertschöpfung der landwirtschaftlichen Primärerzeugung denjenigen verarbeitenden Tätigkeiten vorbehalten sein, die einen echten Mehrwert für die lokale und territoriale landwirtschaftliche Primärerzeugung schaffen und das Know-how sowie die Gebiete, ihre Traditionen und Innovationen aufwerten. Dementsprechend muss es auch Aufgabe des ELER sein, die Zusammenarbeit und gegenseitige Abstimmung zwischen den verschiedenen Akteuren der Lebensmittelherstellung und Forstwirtschaft in dem jeweiligen Gebiet zu fördern.

4.5.2   Vorschlag des Ausschusses zur Anpassung des Wortlauts: „Artikel 27: Erhöhung der Wertschöpfung der land- und forstwirtschaftlichen Primärerzeugung

2.

Die Beihilfe gemäß Absatz 1 ist auf Kleinst-, und kleine und mittlere Unternehmen gemäß der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission sowie auf von Erzeugern gebildete Gemeinschaftsunternehmen begrenzt. Im Falle der forstlichen Erzeugung ist die Beihilfe auf Kleinstunternehmen begrenzt.“

4.6

Der Wortlaut von Artikel 28 scheint die in der geltenden Verordnung für die Entwicklung des ländlichen Raums genannten förderfähigen Maßnahmen nicht vollständig abzudecken. Daher schlägt der Ausschuss vor, die Flurbereinigung in diesem Artikel ausdrücklich zu erwähnen. Die Praxis der Flurbereinigung darf nicht nur landwirtschaftliche Aspekte betreffen, sondern muss auch dem Landschaftsschutz Rechnung tragen.

4.6.1   Vorschlag des Ausschusses zur Anpassung des Wortlauts: „Artikel 28: Verbesserung und Ausbau der mit der Entwicklung und Anpassung der Land- und Forstwirtschaft verbundenen Infrastruktur

Die Beihilfe gemäß Artikel 19 Buchstabe b) Ziffer iv) deckt insbesondere die Kosten von Maßnahmen zur Flurbereinigung oder zur Erschließung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen, zur Energieversorgung und zur Bewirtschaftung der Wasserressourcen.“

4.7

Der Ausschuss betont, dass der obligatorische bzw. fakultative Charakter der Maßnahmen des Legislativvorschlags nicht eindeutig aus dem Wortlaut, besonders der französischen Fassung, hervorgeht, und schlägt daher vor, den Wortlaut von Artikel 37 (Agrarumwelt- und Tierschutzmaßnahmen) mit dem Hinweis zu ändern, dass diese Maßnahmen — wie im Rahmen der geltenden Verordnung — obligatorisch bleiben.

4.7.1   Vorschlag des Ausschusses zur Anpassung des Wortlauts: „Artikel 37 — Zahlungen für Agrarumwelt- und Tierschutzmaßnahmen

1.

Die Mitgliedstaaten müssen stellen die Beihilfen gemäß Artikel 34 Buchstabe a) Ziffer iv) entsprechend den spezifischen Bedürfnissen in ihrem gesamten Hoheitsgebiet zur Verfügung stellen.“

4.8

Wie in Ziffer 3.4 betont wird, darf der ELER kein Ersatz-Fonds sein, wenn andere Finanzinstrumente zugunsten der ländlichen Gebiete nicht in geeigneter Weise zur Verfügung stehen. Der Ausschuss schlägt daher vor, in Artikel 57 „Kompetenzentwicklung und Animation“ die Buchstaben c) und d) zu streichen. Der Europäische Sozialfonds muss bei der Schulung von Animateuren und kommunalen Mandatsträgern, die für ein Projekt zur Entwicklung des ländlichen Raums zuständig sind, zum Einsatz kommen können. Ist das Projekt ferner Teil einer LEADER-Maßnahme, dann kann damit ein Teil der Gebietsbetreuung finanziert werden.

4.9

Der Ausschuss lehnt den Vorschlag ab, wie in der Regionalpolitik eine leistungsgebundene Reserve einzurichten und ihre Nutzung dem LEADER-Schwerpunkt zuzuweisen. Die Erfahrung mit dem Einsatz einer leistungsgebundenen Reserve in der Regionalpolitik hat nämlich gelehrt, dass diese Maßnahme von den Mitgliedstaaten eher als unbefriedigend denn als förderlich empfunden wird. Auch wenn die Bewertungskriterien in Artikel 92 bewusst allgemein gehalten sind, erklärt die Kommission nicht, inwiefern diese Reserve an die auf Gemeinschaftsebene erarbeiteten strategischen Ziele geknüpft ist. Schließlich kann der Beschluss über die Zuweisung der Reserve frühestens 2011 von den Lokalen Aktionsgruppen gefasst werden. Somit werden nur noch zwei Jahre der Programmplanung verbleiben, um neue Projekte mit beträchtlichem Finanzvolumen (2,6 Milliarden Euro) und neue einzelstaatliche Kofinanzierungen zu finden, die zum Zeitpunkt der Programmplanung noch nicht abgedeckt sind. Aus diesem Grunde empfiehlt der Ausschuss die Streichung von Artikel 92 und fordert die Kommission auf, dem LEADER-Konzept im Rahmen des strategischen Gemeinschaftsplans und der Phase der Genehmigung der Programme für die Entwicklung des ländlichen Raums mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

4.10

Der Ausschuss begrüßt den Kommissionsvorschlag zugunsten des Aufbaus von Vertretungsdiensten für landwirtschaftliche Betriebe. Früher hat sich bereits gezeigt, dass diese Maßnahme zur Attraktivität eines ländlichen Gebietes und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt. Der Höchstzeitraum von fünf Jahren ab dem Aufbau des Dienstes scheint jedoch zu kurz, um die Dauerhaftigkeit eines derartigen Dienstes zu gewährleisten.

4.10.1   Vorschlag des Ausschusses zur Anpassung des Wortlauts: „Artikel 24: Aufbau von Betriebsführungs-, Vertretungs- und Beratungsdiensten

Die Beihilfe gemäß Artikel 19 Buchstabe a) Ziffer v) wird zur Deckung der Kosten, die beim Aufbau und bei der Entwicklung solcher Betriebsführungs-, Vertretungs- und Beratungsdienste entstehen, degressiv über einen Zeitraum von höchstens fünf sieben Jahren ab dem Aufbau gewährt.“

4.11

Die unter Artikel 49 genannten Ziele Förderung des Unternehmergeistes und Stärkung des Wirtschaftsgefüges dürfen nicht nur der Gründung und Entwicklung von Kleinstunternehmen dienen, sondern müssen auch die Übernahme bestehender Unternehmen und die Förderung der Übertragung umfassen. Entsprechend seinen verschiedenen Positionen zur Unternehmenspolitik spricht sich der Ausschuss dafür aus, unter Artikel 49 Buchstabe a) Unterbuchstabe ii) folgenden Wortlaut hinzuzufügen: „... Unterstützung der Gründung, Übernahme und Entwicklung von Kleinstunternehmen ...“.

4.12

Das Agrarumweltprogramm trägt vom ökologischen Standpunkt aus zur Schaffung von positiven externen Effekten bei (u.a. Verringerung von Erosion und Wüstenbildung, Verbesserung von Wasserqualität und Wassereinsparung, Erhaltung der Biovielfalt durch Artenschutz). Es wird daher als notwendig erachtet, aufgrund dieser externen Effekte die Anreizmaßnahmen beizubehalten.

4.12.1   Vorschlag des Ausschusses zur Änderung von Artikel 37 Absatz 4

„4.

Die Zahlungen werden jährlich gewährt und dienen zur Deckung der zusätzlichen Kosten und der Einkommensverluste infolge der eingegangenen Verpflichtungen, als Anreiz zum Ausgleich für die durch die Durchführung von Agrarumweltmaßnahmen geleisteten Umweltverbesserungen sowie gegebenenfalls zur Deckung von Transaktionskosten.

Die Begünstigten werden ggf. im Wege einer Ausschreibung nach Kriterien der wirtschaftlichen Effizienz, der Umweltwirkung und des Tierschutzes ausgewählt.

Die Beihilfehöchstbeträge sind in Anhang I festgesetzt.“

4.13

Zur Unterstützung und Förderung der Schaffung und Übernahme kleiner und Kleinstunternehmen im ländlichen Raum und gemäß den Erwägungsgründen zu dem Beschluss des Rates und des Parlaments vom 12. Juli 2004 über das Mehrjahresprogramm ersucht der Ausschuss die Kommission und den Europäischen Investitionsfonds um neue Maßnahmen, mit denen die Nutzung der Finanzinstrumente, namentlich der KMU-Garantie, durch Unternehmen im ländlichen Raum gefördert und weiterentwickelt werden kann. Er fordert den EIF und die Kommission ferner auf, zu prüfen, ob der ELER, der ESF und der EFRE sowie die EIF-Instrumente sich gegenseitig ergänzen bzw. zusätzlich zueinander eingesetzt werden können, um Investitionen von Gründern und Übernehmern eines Unternehmens im ländlichen Raum verstärkt und in einfacherer Form zu fördern.

4.14

Die Kommission betont in ihrem Vorschlag, dass die Maßnahmen der Schwerpunktachse „Landmanagement“ insbesondere Landwirten und Waldbesitzern Anreize für eine Flächennutzung bieten sollen, die mit der notwendigen Erhaltung des Landschaftsbilds vereinbar ist. Der Ausschuss stellt fest, dass die Kommission keine Neubewertung der Beihilfenobergrenze für Agrarumweltmaßnahmen gegenüber dem Vorschlag von 1999 angeregt hat.

4.15

Der Ausschuss erwartet in der Verordnung eine Aussage, dass auch Maßnahmen der Mitgliedstaaten und Regionen zum Erhalt und zur Nutzung genetischer Ressourcen insbesondere in On-Farming auf der Basis des ELER-Programms gefördert werden können.

5.   Schlussfolgerungen

5.1

Der Legislativvorschlag der Kommission zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums entspricht größtenteils den Salzburger Schlussfolgerungen. Der Ausschuss verfolgt dieses Thema mit großer Aufmerksamkeit und möchte der Kommission für den anspruchsvollen Dialog danken, den sie stets mit den Ausschussmitgliedern geführt hat. Insbesondere möchte der Ausschuss unterstreichen, dass der ELER allein nicht ausreicht, um die gesamte Problematik der Entwicklung des ländlichen Raums anzugehen. Komplementaritäten mit dem EFRE (Europäischer Fond für Regionalentwicklung) und dem ESF (Europäischer Sozialfonds) müssen vertieft werden.

5.2

Die Entwicklung der ländlichen Gebiete muss selbstredend dem Grundsatz des territorialen Zusammenhalts folgen. Will man die wirtschaftliche und soziale Zukunftsfähigkeit dieser Gebiete sichern, so muss der Beitrag der Gemeinsamen Agrarpolitik und ihrer beiden Säulen zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen in ganz Europa berücksichtigt werden, insbesondere indem innovative, wettbewerbsfähige landwirtschaftliche und nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten entwickelt werden. Der Ausschuss fordert daher die Kommission und den Rat auf, in die Halbzeitbewertung der Lissabon-Strategie auch die neuen Leitlinien der Gemeinsamen Agrarpolitik mit einzubeziehen.

5.3

Das Budget wirft nach wie vor die meisten Fragen auf. Der Ausschuss hat die Haushaltsvorschläge der Kommission als bescheiden und stabil (1,24 % des BNE) eingestuft und deshalb die vollständige Eingliederung von Natura 2000 in den ELER kritisch gesehen, da er nahezu die Hälfte des Haushaltsvolumens des ELER darstellen würde. Ebenso ist die Verdreifachung des Finanzvolumens für das LEADER-Konzept angesichts der Entwicklung der einzelstaatlichen Kofinanzierungen paradox. Der Ausschuss weist ferner darauf hin, dass der Finanzvorschlag der Kommission die Mindestvoraussetzung dafür ist, dass die künftige Politik der Entwicklung des ländlichen Raums in die Strategie für nachhaltige Entwicklung und in die Lissabon-Strategie für eine wettbewerbsfähige europäische Wirtschaft und für Vollbeschäftigung eingebettet werden kann.

5.4

Des Weiteren ist der Ausschuss darüber besorgt, wie sich die Haushaltsberatungen auf die Umsetzung der künftigen Politik für die Entwicklung des ländlichen Raums auswirken werden. Laut Termin der Kommission sollen die Programme für die Entwicklung des ländlichen Raums nämlich vor Ende 2006 angenommen werden, doch wird es für die Mitgliedstaaten schwierig werden, rasch eine interinstitutionelle Vereinbarung über die finanzielle Vorausschau zu erzielen. Der Ausschuss spricht sich daher dafür aus, dass die Kommission so früh wie möglich die wesentlichen Punkte des strategischen Gemeinschaftsplans vorlegt, auch wenn die Verabschiedung der Verordnungen weit später erfolgt.

5.5

Ferner unterbreitet der Ausschuss der Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat mehrere Anpassungsvorschläge in Zusammenhang mit den im Zuge der Salzburger Konferenz festgelegten politischen Leitlinien, z.B. die Beibehaltung der Verbindung zwischen dem ersten und dem zweiten Pfeiler der GAP, die Achtung des Subsidiaritätsprinzips bei der Maßnahmenplanung und eine weiterreichende Vereinfachung für den Endbegünstigten. Daher ruft der Ausschuss die Kommission dazu auf, diesem Thema besondere Aufmerksamkeit zu widmen, insbesondere in der Phase der Genehmigung der Programme für die Entwicklung des ländlichen Raums, und dabei die Mitgliedstaaten zu fragen, inwiefern sie zur Vereinfachung für den Endbegünstigten beigetragen haben.

5.6

Der Ausschuss möchte in Zukunft und in der Phase der Umsetzung dieser Politik eng in den Beschlussfassungsprozess einbezogen werden, um zu der Gemeinschaftsstrategie Stellung beziehen und für die ordnungsgemäße Anhörung der organisierten Zivilgesellschaft mit Blick auf die Erarbeitung der Programme für die Entwicklung des ländlichen Raums Sorge tragen zu können.

Brüssel, den 9. März 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  ABl. C 302 vom 7.12.2004, S. 53-59.

(2)  Anm. der Übersetzung: in dem hier genannten Kommissionsdokument (2004) 489 endg. wird der neue Fonds als ELFF (Europäischer Fonds für Landwirtschaft und Landentwicklung) bezeichnet.

(3)  Stellungnahme CESE 126/2005, Berichterstatter: Herr Kienle.

(4)  ABl. C 302 vom 7.12.2004, S. 53-59.

(5)  ABl. C 302 vom 7.12.2004, S. 53-59.

(6)  Stellungnahme des EWSA 136/2005 (Berichterstatter: Herr RIBBE).

(7)  Stellungnahme des EWSA 126/2005, Berichterstatter: Herr Kienle.

(8)  Stellungnahme des EWSA „Neue Wirtschaft, Wissensgesellschaft und ländliche Entwicklung: Perspektiven für Junglandwirte“, Berichterstatterin: Frau SÁNCHEZ MIGUEL; 17.10.2001; ABl. C 36 vom 8.2.2002.


ANHANG

zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Der folgende Änderungsantrag wurde abgelehnt, hatte jedoch mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen auf sich vereinigt:

Änderungsantrag 3

Ziffern 3.5.3 und 3.5.4 sollen gestrichen werden.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 31

Nein-Stimmen: 69

Stimmenthaltungen: 10


22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/41


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die soziale Dimension der Globalisierung — der politische Beitrag der EU zu einer gleichmäßigen Verteilung des Nutzens“

(KOM(2004) 383 endg.)

(2005/C 234/10)

Die Kommission beschloss am 26. Mai 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 15. Februar 2005 an. Berichterstatter waren Herr ETTY und Frau HORNUNG-DRAUS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 9./10. März 2005 (Sitzung vom 9. März) mit 59 gegen 15 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Allgemeine Bemerkungen

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss

1.1

begrüßt die Mitteilung der Kommission „Die soziale Dimension der Globalisierung — der politische Beitrag der EU zu einer gleichmäßigen Verteilung des Nutzens“ (KOM(2004) 383 endg.), in welcher die besondere Rolle aufgezeigt wird, die die Europäische Union bei einer für alle gerechten Gestaltung des Globalisierungsprozesses spielen kann;

1.2

vertritt die Ansicht, dass die Europäische Union aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem eigenen umfassenden und erfolgreichen Prozess der regionalen Integration einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung der sozialen Dimension der Globalisierung leisten kann; dieser Integrationsprozess ist allerdings kein Modell, das sich eins zu eins auf andere Teile der Welt übertragen ließe;

1.3

trägt den Ergebnissen einer speziellen Anhörung vom 17. Dezember 2004 Rechnung, an welcher Experten der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds teilnahmen, um aus ihrer Sicht die Rolle ihrer jeweiligen Organisation im Hinblick auf die soziale Dimension der Globalisierung darzulegen (1). Der EWSA wird einen Bericht über diese besondere Veranstaltung sowie die einzelnen Redebeiträge veröffentlichen;

1.4

unterstreicht die Bedeutung eines wertebezogenen Globalisierungskonzepts, das die Werte beinhaltet, die das Wesen einer sozialen Marktwirtschaft ausmachen. Dazu gehören die Verantwortung des Einzelnen, die Achtung der Rechtsstaatlichkeit, der Person und des Eigentums, Transparenz, Integrität, Menschenwürde, Gleichstellung und Freiheit, gewerkschaftliche und Arbeitnehmer-Grundrechte, gute Beziehungen zwischen den Sozialpartnern, der umfassende Zugang zu allgemeiner und beruflicher Bildung unabhängig vom Geschlecht und ein hohes Maß an sozialem Schutz. Sie untermauern das Globalisierungskonzept der EU, das folgende Kernpunkte beinhaltet:

solide institutionelle Strukturen;

ein effizienter öffentlicher Dienst und effiziente Dienste von allgemeinem Interesse;

ein starker sozialer und ziviler Dialog;

Investitionen in das Humankapital;

Qualität der Beschäftigung;

1.5

teilt die Ansicht der Europäischen Kommission, dass die globale Marktwirtschaft viele bedeutende Vorteile gebracht hat, ein großes produktives Potenzial für die wirtschaftliche, politische und soziale Entwicklung in sich birgt und durch sie mehr und bessere Arbeitsplätze geschaffen wurden; erkennt jedoch auch die Erkenntnisse der Weltkommission über die soziale Dimension der Globalisierung (WCSDG) an, dass in der Vergangenheit Maßnahmen zur Marktöffnung und finanzielle und wirtschaftliche Erwägungen dominierten, während die sozialen Folgen ebenso unberücksichtigt blieben wie die Feststellung, dass diese Regeln und Maßnahmen das Ergebnis globaler Entscheidungsstrukturen sind, die den Interessen und Bedürfnissen der schwächeren Akteure nicht ausreichend Rechnung tragen;

1.6

verweist auf eine aktuelle Studie der Weltbank (2), die deutlich macht, dass die Öffnung der Märkte und die wirtschaftliche Integration denjenigen Entwicklungsländern erhebliche wirtschaftliche Fortschritte gebracht haben, denen es gelungen ist, auf die Weltmärkte für verarbeitete Güter und Dienstleistungen vorzudringen. In einer weiteren Studie der Weltbank (Februar 2003) wird festgestellt, dass zwischen der Verringerung von Einkommensunterschieden und Lohndiskriminierung sowie einer verbesserten Wirtschaftsleistung einerseits und einer hohen Zahl von gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern und guten Beziehungen zwischen den Sozialpartnern andererseits ein Zusammenhang besteht (3). In dieser Studie werden die Argumente für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen wirtschaftlichen und sozialen Werten bekräftigt, welche auch die WCSDG im Zusammenhang mit der Frage der Armut in einer globalisierten Welt ins Feld führt;

1.7

stellt fest, dass sich die Globalisierung zwar in vielerlei Hinsicht positiv ausgewirkt hat, doch Armut, die sowohl als Ursache als auch als Folge in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Zunahme der informellen Wirtschaft steht, nach wie vor eines der größten Probleme in der Welt ist;

1.8

stellt fest, dass Probleme im Zusammenhang mit Armut vor allem in vom Globalisierungsprozess ausgeschlossenen Ländern fortbestehen. So leben weltweit zwei Milliarden Menschen unterhalb der Armutsgrenze vornehmlich in Ländern, die nicht aktiv an der Globalisierung teilnehmen und damit Gefahr laufen, weiter an den Rand der Weltwirtschaft gedrängt zu bleiben;

1.9

stellt fest, dass Armut auch in Entwicklungsländern, die als Schwellenländer mit starkem Wirtschaftswachstum gelten können, ein Problem ist, das nur bekämpft werden kann, wenn bestehende Ungleichheiten verringert, eine wettbewerbsfähige reguläre Wirtschaft geschaffen und wirksame sozialpolitische Maßnahmen durchgeführt werden;

1.10

schließt sich einer der Kernbotschaften des WCSDG-Berichts an, nämlich dass sich der Ausgangspunkt für Veränderungen auf nationaler Ebene befindet. Die soziale Entwicklung muss von unten nach oben verlaufen. Dabei kommt allen Institutionen auf nationaler und lokaler Ebene die äußerst wichtige Aufgabe zu, die Integration zu fördern und sicherzustellen, dass mehr Menschen von den Vorteilen der Globalisierung profitieren können und vor ihren negativen Auswirkungen geschützt werden. Für eine gerechte Verteilung der Früchte der Globalisierung ist es von grundlegender Bedeutung, dass in allen Ländern und Regionen ein sozialer und zivilgesellschaftlicher Dialog mit starken, repräsentativen, unabhängigen und verantwortlichen Akteuren entwickelt wird;

1.11

vertritt den Standpunkt, dass verantwortungsvolles Regieren auf lokaler, nationaler, regionaler wie globaler Ebene auf der Grundlage der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Kernarbeitsnormen und Erklärungen der ILO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit ein Grundpfeiler für die Liberalisierung des Handels und für Wachstum und Entwicklung in der ganzen Welt ist. Der EWSA unterstützt die EU in ihren Bestrebungen, auf internationaler Ebene eine Debatte über die Einführung einer Grundlage für weltweite Umweltstandards zu fördern.

2.   Besondere Bemerkungen: Der Beitrag der EU-Politik

2.1

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die EU entscheidend zur Unterstützung und Förderung der sozialen Dimension der Globalisierung beitragen kann. Sie kann eine aktive Politik einleiten und verfolgen, die darauf abzielt, die Regierungen von der Notwendigkeit einer gerechten Rechts- und Justizordnung, der Achtung von Eigentumsrechten, von kostenwirksamen Verfahren zur Streitbeilegung und Vertragsdurchsetzung, des Zugangs zur allgemeinen und beruflichen Bildung, angemessen geregelter Finanzinstitutionen und des Zugangs dazu, eines gerechten Steuersystems und der Anerkennung der wichtigen Rolle der menschlichen Entwicklung zu überzeugen. Die Verfolgung dieser Ziele darf jedoch nicht dazu führen, dass das erzielte Handelswachstum ohne Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung bleibt (oder sich gar negativ auswirkt), dass die Liberalisierung der Finanzmärkte nicht mit einer ausgewogenen Steuer- und Sozialgesetzgebung einhergeht, die Strukturanpassungen und Reformen in der Beschäftigung und im Bildungs- und Gesundheitswesen ungerecht gestaltet werden oder in allen Ländern, d.h. auch in den Industrieländern, die Ungleichheiten zunehmen. Wenn die EU diese Rolle aber wirkungsvoll ausüben will, müssen die Kommission und die Mitgliedstaaten für die Kohärenz ihrer eigenen Politikansätze in den relevanten Bereichen Sorge tragen.

2.2

Die Europäische Kommission hat eine Reihe von Instrumenten entwickelt, mit denen sich nach Ansicht des EWSA Fortschritte in der sozialen Dimension der Globalisierung erzielen lassen. Dazu gehören bilaterale und regionale Abkommen, Entwicklung und externe Kooperation, Handelspolitik, Marktzugang für Entwicklungsländer, Förderung privater Initiativen zugunsten der sozialen Entwicklung und Förderung der Governance auf globaler Ebene. Der Ausschuss verweist auf seine jüngsten Stellungnahmen zu diesen Instrumenten (siehe Anhang 2). Er sieht für diese Instrumente zwar ebenso sinnvolle Einsatzmöglichkeiten wie die Kommission, möchte jedoch seine Präferenz für multilaterale Abkommen zum Ausdruck bringen. Der EWSA betont, dass die EU auch weiterhin Anreize zur Förderung des Süd-Süd-Handels geben sollte.

2.3

Bilaterale und regionale Abkommen können dazu beitragen, Entwicklungen auf dem Gebiet des verantwortungsvollen Regierens (Governance), der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und der Demokratisierung voranzutreiben. Der EWSA unterstützt Verhandlungen zwischen der EU und ihren Handelspartnern über bilaterale und/oder regionale Abkommen unter der Voraussetzung, dass diese auf der Grundlage politischer und wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Erwägungen geführt werden und auf dem multilateralen Handelssystem aufbauen bzw. dieses ergänzen. Dabei sollte realisierbaren Abkommen Vorrang eingeräumt werden, die ein großes Handelsvolumen und spürbare Vorteile beim Marktzugang (Waren, Dienstleistungen und Investitionen) versprechen. All diese Abkommen müssen natürlich voll den WTO-Regeln entsprechen. Der EWSA betont, dass diese Abkommen im Hinblick darauf diskutiert und geprüft werden müssen, wie sie sich auf die soziale Dimension auswirken, und begrüßt die Idee, dass auch internationale Organisationen wie die ILO daran mitwirken sollen.

2.3.1

In diesem Zusammenhang nimmt der Ausschuss mit Interesse die Absicht der Kommission zur Kenntnis, im Rahmen bilateraler Abkommen neue gemeinsame Mechanismen zur Diskussion und Beobachtung wichtiger Aspekte der sozialen Dimension der Globalisierung einzurichten, in die auch internationale Organisationen einbezogen werden könnten („Gemeinsame bilaterale Beobachtungsstellen“). Damit kann die verantwortungsvolle Rolle freier, unabhängiger Sozialpartner und anderer wichtiger Organisationen der Zivilgesellschaft, wie Bauern-, Verbraucher- und Umweltverbände usw. demonstrativ aufgewertet werden. Der EWSA als deren institutionelle Vertretung kann sich aufgrund seiner Erfahrung bei der Organisation grenzübergreifender zivilgesellschaftlicher Partnerschaften insbesondere im Rahmen des Mercosur, der AKP- und der Europa-Mittelmeer-Kooperation gut vorstellen, darin mitzuarbeiten (4).

2.4

Der EWSA vertritt die Ansicht, dass der „Europäischen Nachbarschaftspolitik“ besondere Bedeutung beizumessen ist. Dieses Konzept zum Ausbau der Beziehungen zu den östlichen und südlichen Nachbarländern der EU kann erheblich zur sozialen Entwicklung in diesen Ländern beitragen, wenn die Bereiche regionale Entwicklung, Beschäftigung und Sozialpolitik in die Zusammenarbeit einbezogen werden. Die Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit den Kandidatenländern vor der EU-Erweiterung zeigen, dass sich dieses Konzept in Beitrittsländern positiv ausgewirkt hat.

2.5

Wenn auf dem Gebiet der Entwicklung und Demokratie Fortschritte erreicht werden sollen, kommt der Förderung der Menschenrechte (einschließlich der Rechte der Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Gewerkschaften gemäß der ILO-Übereinkommen Nr. 87 und Nr. 98) und dem Demokratisierungsprozess in Drittländern große Bedeutung zu. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen verantwortungsvoller Staatsführung, wozu auch die Bekämpfung der Korruption gehört, Rechtsstaatlichkeit, Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und Qualität der Rechtsprechung. In diesem Kontext erinnert der EWSA daran, dass Menschenrechtsabkommen zwischenstaatliche Übereinkommen sind. Die daraus erwachsenden Verpflichtungen betreffen zuallererst die Staaten. Die Europäische Kommission sollte die Mitgliedstaaten bestärken, diese Verpflichtungen einzuhalten, und sich im internationalen Dialog für ein stärkeres Pflichtbewusstsein der Staaten einsetzen und sie an ihre Verantwortung für die soziale Entwicklung erinnern. Erst mit ihrer Umsetzung in innerstaatliches Recht bzw. sonstige relevante nationale Regelungen werden internationale Rechtsnormen für natürliche und juristische Personen, d.h. für Bürger und Unternehmen, verbindlich.

2.6

Diese Prioritäten müssen auch für die externe Kooperation und Entwicklungshilfe gelten. Eine der wichtigsten Botschaften der WCSDG lautet, dass Veränderungen auf der einzelstaatlichen Ebene beginnen müssen. Der EWSA ist der Auffassung, dass man sich im Rahmen eines schlüssigen entwicklungspolitischen Gesamtkonzepts auf einzelne Bereiche konzentrieren sollte.

2.6.1

Ein vorrangiger Bereich ist z.B. menschenwürdige Arbeit (5), wozu die Entwicklung einer umfassenden Beschäftigungspolitik zur Schaffung produktiver und dauerhafter Arbeitsplätze, die Anpassung der Fähigkeiten des Einzelnen an die derzeitigen und künftigen beruflichen Anforderungen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie die Anhebung des Lebensstandards gehören. Derartige Maßnahmen müssen produktivere, bessere Arbeitsplätze in der Wirtschaft entstehen lassen, Arbeitslose in den Beschäftigungssektor führen und öffentliche und private Investitionen sowie die internationale Hilfe in den produktivsten Bereichen konzentrieren.

2.6.2

Ein weiteres vorrangiges Gebiet ist die Bildung, die an die Erfordernisse des Arbeitsmarktes angepasst werden und die notwendigen Grundkenntnisse und -fähigkeiten vermitteln muss. Dabei kommt der Wirtschaft in einem Rahmen, der Sozialpartner und Regierungen einbezieht, eine wichtige Rolle bei der Politikgestaltung zu, weil sie Aussagen über die beruflichen Anforderungen in der Volkswirtschaft auf kurze, mittlere und lange Sicht machen kann.

2.6.3

Und schließlich sollte der Schutz von sozialwirtschaftlichen Organisationen wie z.B. Genossenschaften, in denen marktwirtschaftliche und soziale Erwägungen einhergehen und sowohl wirtschaftlicher als auch sozialer Wohlstand erzeugt wird, in der Zusammenarbeit mit und der Hilfe für Entwicklungsländer ein prioritärer Handlungsbereich sein.

2.7

Es muss eine Migrationspolitik entwickelt werden, die auf veränderte Muster und die derzeitigen Realitäten des Arbeitsmarktes reagiert und in einem auf Rechten basierenden multilateralen Rahmen die von der UNO verabschiedete „Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen“ und die Zusammenhänge zwischen Wirtschafts-, Sozial-, Allgemein-, Handels-, Arbeits-, Gesundheits-, Kultur-, Sicherheits- und Außenpolitik und Entwicklungsbelangen berücksichtigt. Der EWSA teilt die Meinung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, der im Januar 2004 vor dem Europäischen Parlament sagte: „Nur durch Zusammenarbeit — bilateral, regional und weltweit — können wir Allianzen zwischen Aufnahme- und Herkunftsländern zum Nutzen aller schmieden, aus der Zuwanderung einen Motor der Entwicklung machen, wirkungsvoll den Menschenhandel bekämpfen und gemeinsame Normen für die Behandlung der Zuwanderer und die Steuerung der Immigration aufstellen“.

2.8

Der internationale Handel ist für alle Volkswirtschaften von immer größerer Bedeutung und ein potenzieller Schlüssel zur Linderung der Armut. Aus den Erfahrungen der Entwicklungsländer, die ein wettbewerbsfähiges herstellendes Gewerbe aufbauen konnten, lässt sich die Lehre ziehen, dass für den Aufbau neuer Exportkapazitäten eine proaktive exportorientierte Strategie nötig ist, die auf Qualität und nicht auf niedrigen Löhnen als Wettbewerbsvorteil basiert. Voraussetzung für den Erfolg ist allerdings ein parallel verlaufender Prozess der strategischen Integration in die Weltwirtschaft mit gleichzeitiger Förderung der Entwicklungsprioritäten des Landes einschließlich der besonders wichtigen und daher besonders zu fördernden lokalen Entwicklungsinitiativen. Dieser Prozess muss eine soziale Dimension haben. In diesem Zusammenhang sollte den Fällen von Ausbeutung von (weiblichen) Arbeitskräften in der Mehrzahl der „Export Processing Zones“ (Sonderwirtschaftszonen) besonderes Augenmerk geschenkt werden. Nach Auffassung des EWSA ist ein koordiniertes Zusammenwirken relevanter internationaler Organisationen nötig, um der Missachtung von Arbeitnehmerrechten in diesen EPZ ein Ende zu setzen. Die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedstaaten sollten dies aktiv unterstützen.

2.9

Die EU-Politik auf den Gebieten Handel, Investitionen und Entwicklung muss mit den allgemeinen politischen Zielen der EU voll und ganz im Einklang stehen und in diese integriert werden. Der EWSA befürwortet die Ziele des gemeinschaftlichen Allgemeinen Präferenzsystems (APS), gibt jedoch zu bedenken, ob die darin vorgesehenen Anreize (in den Bereichen Umwelt, Soziales und Drogenbekämpfung) nicht mit einem zu hohen bürokratischen Aufwand für den Importeur verbunden sind und daher von den ärmeren Ländern und Kleinunternehmen, denen diese Maßnahmen ja hauptsächlich zugute kommen sollen, nur begrenzt in Anspruch genommen werden. Der Ausschuss ruft die Europäische Kommission auf, sich auf die Förderung der Ratifizierung und der Umsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen durch die Empfängerländer in Recht und Praxis zu konzentrieren und bei der Überprüfung in 2005 auch Maßnahmen vorzusehen, damit dies den Empfängern möglichst optimal zugute kommt. In diese Überprüfung sollten die Sozialpartner und andere wichtige Organisationen der Zivilgesellschaft voll einbezogen werden.

2.10

In Bezug auf die OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen empfiehlt der EWSA, dass die Europäische Kommission eine Informationskampagne einleitet, um diese wichtigen, nützlichen Instrumente stärker in das Bewusstsein der Unternehmen und ihrer Europäischen Betriebsräte zu rücken. Die Leitsätze sollten unverbindlich bleiben, doch sollten die Unterzeichnerstaaten sie weiter propagieren und multinationale Unternehmen ermuntern, sich daran zu halten. Dabei muss verhindert werden, dass die Verknüpfung von Leitlinien und Handelsabkommen mit Drittstaaten als neue Form des Protektionismus ausgelegt wird. Die Kommission sollte die OECD darin unterstützen, auch Länder, die nicht Mitglied der OECD sind, zur Beachtung der Leitlinien zu bewegen. Das gleiche gilt für die Dreigliedrige Grundsatzerklärung der ILO über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik.

2.11

In Bezug auf die Förderung privater und freiwilliger Initiativen zu Gunsten der sozialen Entwicklung vertritt der EWSA die Auffassung, dass Unternehmen zu Fortschritten bei der sozialen Entwicklung beitragen können. Die soziale Verantwortung der Unternehmen ist ein Konzept, das zeigt, wie nationale und multinationale Unternehmen das Prinzip der Nachhaltigkeit in ihrer eigenen Unternehmenstätigkeit umsetzen können. In diesem Zusammenhang verweist der EWSA auf seine Stellungnahme zu dem „Grünbuch: Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“ (CES 355/2002). Bei der sozialen Verantwortung der Unternehmen geht es nicht nur um die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen; es geht auch um die Entwicklung besserer Arbeitsplätze mit einem angemessenen Gesundheits- und Arbeitsschutz, bei denen die Bedürfnisse von Behinderten berücksichtigt und die Kultur des lebensbegleitenden Lernens gefördert werden. Sozial verantwortlich Handeln bedeutet, dass Unternehmen die bestehenden sozialen Regeln aktiv anwenden und sich dafür engagieren, dass in den Beziehungen zu den relevanten Akteuren ein Geist der Partnerschaft herrscht.

2.12

Eine weitere Kernaussage des WCSDG-Berichts bezieht sich auf bessere Entscheidungsstrukturen (Governance) auf nationaler und globaler Ebene. Hinsichtlich der globalen Ebene ist auch der EWSA der Ansicht, dass das multilaterale System internationaler Organisationen unbedingt gestärkt werden muss. Der Schlüssel zur Governance auf globaler Ebene liegt in einer intensiveren, umfassenderen politischen Abstimmung zwischen den einzelnen Organisationen. Die globalen Entscheidungsstrukturen müssen effizienter arbeiten, besser mit Mitteln ausgestattet sein, besser und schneller reagieren und doppelten Arbeitsaufwand und Missmanagement vermeiden. Die Mitgliedstaaten der EU sollten in den Entscheidungsgremien internationaler Organisationen auf Fortschritte in diese Richtung drängen. Dabei gilt es zu beachten, dass die Mitgliedstaaten eine mindestens ebenso wichtige Rolle für Koordinierung und Kohärenz spielen wie die Kommission. Die Mitteilung hätte mehr diesbezügliche Empfehlungen enthalten können. Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten bei der Politikgestaltung in den wichtigsten internationalen Foren auf ein gutes Zusammenspiel achten. Die EU sollte sich unbedingt mit ihrem ganzen Gewicht für ein verantwortliches Regieren auf internationaler Ebene einsetzen. Die Mitgliedstaaten müssen die Zusammenarbeit verstärken und ihre Vorschläge und Aktionen in den internationalen Organisationen besser vorbereiten und ihre Positionen abstimmen.

3.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen: Der Weg voran

3.1

Der EWSA sieht eine interne und eine externe Ebene, auf der die EU zu Fortschritten in der sozialen Dimension der Globalisierung beitragen kann.

3.2

Die interne Ebene betrifft die Fähigkeit der EU zur Bewältigung der Strukturreformen, denn nach Überzeugung des EWSA liegt in einer erfolgreichen Umsetzung der Lissabon-Strategie der Schlüssel zum Erfolg des besonderen Beitrags der EU-Politik zur sozialen Dimension der Globalisierung. Nur wenn es den Mitgliedstaaten gelingt, die notwendigen Strukturreformen durch eine Verzahnung und gegenseitige Befruchtung von Wirtschaftsentwicklung, Beschäftigungs- und Sozialpolitik erfolgreich durchzuführen und wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten, kann die Europäische Union als Maßstab auf globaler Ebene dienen. Die EU muss ihre Bemühungen zur Überwindung protektionistischer Tendenzen in ihrer derzeitigen Handelspolitik fortsetzen, was vor allem — aber nicht nur — für die Landwirtschaft und hier vor allem für Verarbeitungserzeugnisse gilt, und sollte grundsätzlich den Weg zu einer Handelspolitik ohne Exportsubventionen frei machen. Des Weiteren müssen sich die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten aktiv und mit entschiedenen Reformen den Herausforderungen der Bevölkerungsalterung und der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit stellen. Für eine spürbare Anhebung des Beschäftigungsniveaus bedarf es Reformen in den Sozialschutz- und Sozialversicherungssystemen, damit sich Arbeit mehr lohnt und die Lohnnebenkosten gesenkt werden können. Flexible Arbeitsverhältnisse sind ebenso wichtig wie ein geeigneter Schutz für die in diesen Arbeitsverhältnissen stehenden Arbeitnehmer und wie Investitionen in Humankapital. Ebenso geeignet sind neue aktive Strategien im Bereich der Wirtschaftsmigration, wie sie der Europäische Rat von Thessaloniki erwogen hat und sie von der Kommission und dem EWSA vorgeschlagen wurden. Alle diese Reformen müssen mit Umsicht und in Zusammenarbeit mit Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgearbeitet werden.

3.3

Der EWSA verweist auf den jüngsten Bericht des Weltwirtschaftsforums über die Wettbewerbsfähigkeit in der Welt 2003-2004 (Global Competitiveness Report 2003–2004), in dem den skandinavischen Ländern ausgesprochen gute Leistungen bescheinigt werden. Dabei handelt es sich um Länder, die zum einen eine lange Tradition in der sozialen Marktwirtschaft aufweisen, denen es aber gleichzeitig gelungen ist, die zur Beibehaltung der Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft erforderlichen Strukturreformen erfolgreich durchzuführen. Dies beweist, dass das europäische Sozialmodell die Grundlage für erfolgreiche Strukturreformen sein kann.

3.4

Die externe Ebene bezieht sich auf die Führungsrolle, welche die EU zur Stärkung des Multilateralismus und der global governance übernehmen sollte. Im Kern geht es um die Stärkung des Systems internationaler Organisationen innerhalb der UNO und um mehr politische Kohärenz zwischen den einzelnen Organisationen und gegenüber den Bretton-Woods-Institutionen und der WTO. Die EU sollte sich insbesondere für eine Stärkung der bestehenden Normen für die soziale Entwicklung einsetzen, wie z.B. der ILO-Kernarbeitsnormen, dem globalen Anliegen einer menschenwürdigen Arbeit und der UNO-Menschenrechtskonventionen. Sie sollte auch auf die rechtliche und tatsächliche Umsetzung dieser Normen in den UNO-Mitgliedstaaten hinarbeiten. Sie sollte die soziale Dimension und menschenwürdige Arbeit besser in ihre Programme für externe Kooperation integrieren. Die EU-Mitgliedstaaten sollten ihre Entwicklungshilfe aufstocken.

3.5

In diesem Zusammenhang kommt der EU die Aufgabe zu, Formen der offiziellen Vertretung und zur Konsultation der Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und anderer wichtiger Organisationen der Zivilgesellschaft in internationalen Finanz- und Handelsinstitutionen wie dem IWF, der Weltbank und der WTO anzuregen und zu fördern. Hier kann die OECD den internationalen Institutionen als ein Vorbild dienen, dessen Nützlichkeit sich seit vielen Jahren immer wieder zeigt.

3.6

Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten in enger Zusammenarbeit ernsthaft den Vorschlag der WCSDG zur Einrichtung eines wirtschaftlichen und sozialen „Sicherheitsrates“ erwägen. Dies ist eine ihrer wichtigsten Empfehlungen für die Schaffung guter Führungsstrukturen auf globaler Ebene, denn sie sieht die Notwendigkeit, einen überzeugenden Ausgleich zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik herzustellen, um die vereinbarten Ziele zu erreichen. Darüber hinaus sollten sie alle ernsthaften Ansätze zur Reformierung und Stärkung des Wirtschafts- und Sozialrates (ECOSOC) der Vereinten Nationen und dessen bisher noch nicht zur Geltung gekommenen Rolle bei der weltweiten Politikkoordinierung auf wirtschafts- und sozialpolitischem Gebiet mit der gebotenen Aufmerksamkeit prüfen. Wenn der ECOSOC wirklich eine Aufwertung erfährt, wird der EWSA Mittel und Wege prüfen, wie der organisierten Zivilgesellschaft Europas über den ECOSOC im System der Vereinten Nationen besser Gehör verschafft werden kann.

3.7

Die Europäische Kommission und der Rat sollten die Botschaft der WCSDG zu eigen machen, dass menschenwürdige Arbeit („decent work“) wesentlich zur Bekämpfung der Armut beiträgt. Sie sollten menschenwürdige Arbeit als weltweites Ziel fördern und vorschlagen, dies in die Millenniumserklärung und die Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen aufzunehmen.

3.8

Besonders nachdrücklich war der dringende Appell der WCSDG an die Regierungen, Maßnahmen in und zwischen den internationalen Finanzinstitutionen, der Welthandelsorganisation und der Internationalen Arbeitsorganisation zu koordinieren und schlüssig zu formulieren. Voraussetzung für eine solche Zusammenarbeit und Kohärenz ist, dass die Regierungen auf einzelstaatlicher Ebene das Gleiche tun. Sie müssen der gängigen Praxis ein Ende setzen, dass die Vertreter im IWF ihre Anweisungen vorwiegend aus den Finanzministerien, die in der Welthandelsorganisation aus den Handels- oder Wirtschaftsministerien und die in der Weltarbeitsorganisation aus den Ministerien für Arbeit, Soziales und Beschäftigung erhalten. Der EWSA regt nachdrücklich an, dass die Kommission und der Rat den Vorschlag erwägen, dass Regierungen von Mitgliedstaaten, in denen es einen Wirtschafts- und Sozialrat gibt, diesen um eine Stellungnahme zu den Mitteln und Wegen zur Umsetzung dieser Zusammenarbeit und Kohärenz auf einzelstaatlicher Ebene ersuchen. Wo es einen solchen Rat nicht gibt, könnten die Regierungen der betreffenden Mitgliedstaaten die Meinung der repräsentativsten Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften in ihrem Land einholen oder bestehende Mechanismen der Konsultation nutzen, an denen die Zivilgesellschaft schon in Vorbereitung des UNO-Sozialgipfels und des Folgegipfels +5 beteiligt war.

3.9

Die Kommission könnte bei der Förderung eines effizienteren Dialogs zwischen der ILO und der WTO (und letzten Endes auch zwischen der ILO und dem IWF sowie zwischen der ILO und der Weltbank) in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten noch einen Schritt weiter gehen, als sie es in ihrem Vorschlag in Abschnitt 5.5 der Mitteilung tut. Die WTO (die einer Berücksichtigung der sozialen Dimension der in ihre Zuständigkeit fallenden Politikbereiche bislang sehr verschlossen gegenübersteht), der IWF und die Weltbank könnten auf der Grundlage eines Mandats ihrer Mitgliedstaaten Gremien zur Koordinierung mit der ILO einrichten, die sich um die Berücksichtigung der sozialen Dimension in ihrer Arbeit und um die Beobachtung der Entwicklung kümmern. So werden zum Beispiel nach dem Auslaufen des WTO-Übereinkommens über Textilwaren und Bekleidung Ende 2004 viele Textilausfuhrländer mit akuten Umstellungsschwierigkeiten und großen Arbeitsplatzverlusten zu kämpfen haben. Wegen ihres Querschnittscharakters würde sich diese Frage gut als Einsatzfeld einer Initiative für politische Kohärenz eignen, in der alle betroffenen Stellen — WTO, Weltbank, IWF, ILO und andere einschlägige UN-Einrichtungen — zusammenwirken, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen aufzufangen und den Regierungen der voraussichtlich betroffenen Staaten Handlungsempfehlungen zu geben, unterstützt von internationaler Hilfe.

3.10

Die EU sollte sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass Kernarbeitsnormen als Bezugsmarke in die regelmäßigen Überprüfungen der Handelspolitik der WTO-Mitgliedstaaten aufgenommen werden, und sich dabei auf die eigenen Erfahrungen von Oktober 2004 stützen. Der EWSA würde es für sinnvoll halten, wenn er in der Delegation der Kommission, die an einer solchen künftigen Überprüfung der Handelspolitik teilnimmt, vertreten wäre. Darüber hinaus könnte die Kommission auch die wichtigsten Handelspartner der EU zu derartigen Überprüfungen der Handelspolitik ermuntern.

3.11

Der EWSA hält den Vorschlag der WCSDG für ein „Forum für Globalisierungspolitik“ im Rahmen der UNO unter Einbeziehung der Institutionen des multilateralen Systems und anderer Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen, die sich mit der sozialen Dimension der Globalisierung beschäftigen, für interessant, meint jedoch, dass er sich unter den derzeit herrschenden Bedingungen als zu ehrgeizig erweisen könnte. Wenn die Staaten wirklich ernsthafte Anstrengungen zur Koordinierung und besseren Übereinstimmung ihrer Standpunkte in den internationalen Finanzinstitutionen, der WTO und der ILO unternommen haben und davon ausgehend tatsächlich eine bessere Kooperation dieser internationalen Organisationen untereinander eingeleitet worden ist, kann man auf diesen Vorschlag zurückkommen.

Brüssel, den 9. März 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Folgende Experten nahmen an der Anhörung teil:

Herr Gerry Rodgers, Direktor für Policy Integration, ILO

Herr Dominique Peccoud, Hauptberater für Außenbeziehungen und Partnerschaft, ILO

Frau Haleh Bridi, Vertreterin der Weltbank bei den EU-Institutionen

Herr Pierre Dhonte, Vertreter des IWF bei der EU.

(2)  Globalisation, Growth and Poverty: Building an Inclusive World Economy (Globalisierung, Wachstum und Armut: der Weg zu einer gerechten Weltwirtschaft), Weltbank, Washington, 2002.

(3)  Unions and Collective Bargaining. Economic effects in a global environment (Gewerkschaften und Tarifverhandlungen: Wirtschaftliche Folgen in einer globalisierten Welt), Weltbank, Washington, 2003.

(4)  Der EWSA unterhält über entsprechende Gremien wie Follow-up-Gruppen, Gemischte Beratende Ausschüsse, ein Dialogforum und Kontaktgruppen Beziehungen zu verschiedenen Regionen der Welt.

(5)  „Decent work“ in der ILO.


22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/46


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Durchführung des Programms ‚Jugend in Aktion‘ im Zeitraum 2007-2013“

(KOM(2004) 471 endg. — 2004/0152 (COD))

(2005/C 234/11)

Verfahren

Der Rat beschloss am 9. September 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 18. Februar 2005 an. Berichterstatter war Herr RODRÍGUEZ GARCÍA CARO.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 9./10. März 2005 (Sitzung vom 10. März) mit 196 Stimmen ohne Gegenstimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:.

1.   Einleitung

1.1

Die Europäische Union hat seit 1988 im Rahmen der aufeinander folgenden Phasen des Programms „Jugend für Europa“, des Programms „Europäischer Freiwilligendienst“ sowie des laufenden Programms „Jugend“ (das die Aktionen seiner Vorläufer einschließt) eine Reihe von Maßnahmen zur Umsetzung von Artikel 149 Absatz 2 des EG-Vertrags eingeleitet, dem zufolge die Tätigkeit der Gemeinschaft auf die Förderung des Ausbaus des Jugendaustauschs und des Austauschs sozialpädagogischer Betreuer abzielt.

1.2

Die nacheinander durchgeführten, spezifischen Programme im Jugendbereich genießen von Anfang an hohe Anerkennung mit einer starken Beteiligung sämtlicher Zielgruppen an den einzelnen Maßnahmen. Diese Programme haben es den Mitgliedstaaten erlaubt, ihre Anstrengungen in allen Aktionsbereichen zu koordinieren, in denen jungen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit eröffnet wird, im Rahmen nicht arbeits- oder bildungsbezogener Austausche zwischen den Teilnehmerländern Kontakte zu knüpfen sowie Erfahrungen und Erkenntnisse zu sammeln.

1.3

Mit der Bedeutung, die der Unionsbürgerschaft in Artikel 17 und 22 des EU-Vertrags beigemessen wird, wird die Rolle des Programms in der nahen Zukunft noch gestärkt. Im Mittelpunkt stehen hierbei die gezielte Förderung der aktiven Bürgerschaft junger Menschen und die Stärkung ihres Zugehörigkeitsgefühls zu Europa.

1.4

Die ersten beiden Phasen des Programms „Jugend für Europa“ umfassten im Wesentlichen zwei Arten von Aktionen: zum einen die direkte Unterstützung von Jugendprojekten im Zusammenhang mit dem Austausch und der Mobilität junger Menschen zwischen Teilnehmerländern, zum anderen die Studien- und Weiterbildungsaufenthalte von Jugendbetreuern.

In der dritten Phase (1995-1999) wurden die Austausch- und Mobilitätsmaßnahmen auf Drittstaaten ausgeweitet und die auf sozialpädagogische Betreuer ausgerichteten Aktionen fortgeführt. Zudem wurden Maßnahmen eingeführt, um Aktivitäten für Jugendliche, die zwischenstaatliche Zusammenarbeit im Bereich der Jugendpolitik, die Durchführung von Informationskampagnen für Jugendliche sowie die Erforschung jugendbezogener Phänomene zu fördern.

1.5

Durch das von 1998 bis 2002 laufende Programm „Europäischer Freiwilligendienst“ konnten die Jugendinitiativen um spezifische Aktivitäten der Freiwilligenarbeit und Solidarität im Rahmen der Kooperationspolitik im Jugendbereich erweitert werden. Ziel war, junge Menschen in ihren Mitbestimmungsmöglichkeiten, ihrem Unternehmergeist und ihrer Eigeninitiative zu stärken und sie mit dem europäischen Gedanken vertraut zu machen.

1.6

Die Vorläuferprogramme im Jugendbereich wurden in das bis 2006 laufende Programm „Jugend“ integriert sowie im Hinblick auf die neuen Herausforderungen dynamisiert und modernisiert. Neben der Fortführung der Mobilitäts- und Kooperationsmaßnahmen sieht dieses Programm weitere konkrete Maßnahmen zur Förderung innovativer und kreativer, von Jugendlichen initiierter Projekte vor.

1.7

In den letzten Jahren haben der Ministerrat und die Europäischen Räte wiederholt und unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die Kontinuität des derzeitigen Programms gewährleistet bleiben muss. Auch das Europäische Parlament hat sich an der Diskussion aktiv beteiligt und die Kommission aufgefordert, ein Programm zu entwickeln, das das derzeitige ersetzen soll, um die wachsenden Herausforderungen in der Jugendpolitik bewältigen zu können.

Über die Festlegungen in Artikel 149 des EG-Vertrags hinaus ist im Vertrag über eine Verfassung für Europa vorgesehen, dass die Union die Beteiligung junger Menschen am demokratischen Leben in Europa fördert.

1.8

Neben den vorgenannten Gründen (die für sich genommen bereits ausreichen, um die Fortführung der Maßnahmen im Jugendbereich zu rechfertigen) haben die Zwischenbewertung des derzeitigen Programms wie auch die öffentliche Anhörung durch die Kommission die Notwendigkeit der Fortführung eines spezifischen Programms aufgezeigt, das die Kontinuität der Aktionen sicherstellt sowie die europäische Identität und eine aktive Bürgerschaft junger Menschen fördert.

1.9

All diese Aspekte haben zur Vorlage des Programms „Jugend in Aktion“ für den Zeitraum 2007-2013 geführt. Der EWSA wurde gemäß Artikel 149 Absatz 4 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem diesbezüglichen Kommissionsvorschlag ersucht.

2.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

2.1

Im Mittelpunkt des Programms stehen

die Förderung der aktiven Beteiligung junger Menschen an der Zivilgesellschaft,

die Förderung der Toleranz, der Solidarität und des interkulturellen Dialogs unter Jugendlichen,

die Stärkung der Unionsbürgerschaft.

2.2

Die allgemeinen Ziele des Programms, die ihrerseits den Maßnahmen des Programms entsprechen, sind folgende:

Förderung der aktiven Bürgerschaft junger Menschen im Allgemeinen und ihrer europäischen Bürgerschaft im Besonderen,

Entwicklung der Solidarität junger Menschen zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts der Europäischen Union,

Förderung des gegenseitigen Verständnisses der Völker durch die jungen Menschen,

Beitrag zur Entwicklung der Qualität der Systeme zur Unterstützung der Aktivitäten junger Menschen und zur Entwicklung der Kompetenzen der Organisationen der Zivilgesellschaft im Jugendbereich,

Förderung der europäischen Zusammenarbeit in der Jugendpolitik.

2.3

Die (sich ausdrücklich auf jeweils eines der vorgenannten allgemeinen Ziele beziehenden) Aktionen und Maßnahmen des Programms umfassen:

Jugend für Europa:

Jugendaustausch,

Unterstützung von Jugendinitiativen,

Projekte der partizipativen Demokratie.

Europäischer Freiwilligendienst:

Individueller europäischer Freiwilligendienst,

Europäischer Freiwilligendienst für Gruppen,

Zusammenarbeit zwischen Zivil- und Freiwilligendiensten.

Jugend für die Welt:

Zusammenarbeit mit den Nachbarländern des erweiterten Europas,

Zusammenarbeit mit anderen Ländern.

Sozialpädagogische Betreuer und Unterstützungssysteme:

Förderung von auf europäischer Ebene im Jugendbereich tätigen Einrichtungen,

Unterstützung des Europäischen Jugendforums,

Ausbildung und Vernetzung sozialpädagogischer Betreuer,

Projekte zur Förderung von Innovation und Qualität,

Informationsmaßnahmen für junge Menschen und sozialpädagogische Betreuer,

Partnerschaften,

Unterstützung der Programmstrukturen,

Valorisierung.

Unterstützung der politischen Zusammenarbeit:

Begegnungen junger Menschen mit Verantwortlichen der Jugendpolitik,

Unterstützung von Tätigkeiten zur Verbesserung des Verständnisses und des Wissens im Jugendbereich,

Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen.

2.4

Das Programm, das für den Zeitraum 2007-2013 geplant ist und mit Mitteln in Höhe von 915 Millionen Euro ausgestattet werden soll, richtet sich an junge Menschen im Alter zwischen 13 und 30 Jahren.

3.   Bemerkungen zum Kommissionsvorschlag

3.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat sich bereits über die früheren Programme im Jugendbereich positiv geäußert. Ebenso begrüßt er den jetzt vorliegenden Kommissionsvorschlag als Ganzes und die beabsichtigte Fortführung der Gemeinschaftsaktion.

Seit 1986 hat sich der Ausschuss für jugendspezifische Maßnahmen ausgesprochen, die er durch Kritik und Anregung inhaltlich zu verbessern versucht hat. Der Ausschuss hat bisher folgende einschlägige Stellungnahmen verabschiedet:

Stellungnahme zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über ein Programm „Jugend in Europa“ (1);

Stellungnahme zum „Vorschlag für einen Beschluss des Rates über ein Aktionsprogramm zur Förderung des Austauschs und der Mobilität von Jugendlichen in der Gemeinschaft Programm ‚Jugend für Europa‘“ (2);

Stellungnahme zum Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die dritte Phase des Programms „Jugend für Europa“ (3);

Stellungnahme zum Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung des Programms „Europäischer Freiwilligendienst für Jugendliche“ (4);

Stellungnahme zum Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung des Programms „Jugend“ (5);

Stellungnahme zum Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung des Programms zur Unterstützung europaweit tätiger Jugendorganisationen (6).

3.2

Der Ausschuss stellt mit Genugtuung fest, dass die Kommission im gesamten Vorschlag Empfehlungen aus seiner Initiativstellungnahme zum Weißbuch „Jugendpolitik“ aufgreift (7). Als Teil der europäischen Zivilgesellschaft ist der Ausschuss weiterhin entschlossen, als Mittler zwischen der Zivilgesellschaft und den europäischen Institutionen zu fungieren, indem er seine Erfahrung und sein Fachwissen zu sämtlichen Aktionen zum Wohle der Unionsbürger beisteuert.

3.3

Die Maßnahmen der Vorläuferprogramme im Jugendbereich werden fortgesetzt, was bedeutet, dass sie — unabhängig von den in diesen Programmen festgelegten Zielen — weiterhin für nützlich und deshalb förderungswürdig erachtet werden.

Zwar erkennt der Ausschuss die Notwendigkeit des Vorschlags und all seine positiven inhaltlichen Aspekte an, er ist aber der Auffassung, dass es sich hier insgesamt eher um eine Verlängerung der Aktionen des derzeitigen Programms handelt als um eine Initiative mit innovativen Maßnahmen, die zur Verwirklichung des Hauptziels dieses Programms — der Förderung der aktiven Bürgerschaft junger Menschen und ihres Zugehörigkeitsgefühls zu Europa — beitragen könnten. Nach Auffassung des Ausschusses sollten dabei die im Rahmen einiger Programmaktionen vorgesehenen wirklich innovativen Maßnahmen (z.B. die Unterstützung von Projekten der partizipativen Demokratie unter Aktion I) verstärkt werden. Dies gilt konkret für die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Gesprächen zwischen Entscheidungsträgern und Jugendlichen, der Einrichtung von Jugendparlamenten oder der Durchführung von Projekten zur Förderung der aktiven Bürgerschaft.

Ungeachtet dieses Hauptziels sollte das neue Programm auch im Einklang mit dem Konzept des lebensbegleitenden Lernens in allen Lebensbereichen stehen. Die informelle Bildungserfahrung, die Jugendlichen im Rahmen des Programms ermöglicht wird, sollte andere durch spezielle EU-Programme geförderte Formen der schulischen und beruflichen Bildung ergänzen.

3.4

Nach Auffassung des Ausschusses sollte eine neue Maßnahme in die Aktion „Unterstützung der politischen Zusammenarbeit“ aufgenommen werden, die folgende Aspekte umfasst:

von Jugendorganisationen veranstaltete Seminare, Konferenzen und Studienbesuche zu verschiedenen Themen von europäischem Interesse für Jugendliche sowie einschlägige Machbarkeitsstudien.

3.5

Die Vorausschätzung der Haushaltsmittel für die im Programm vorgesehenen Aktionen beläuft sich auf 915 Millionen Euro in einem Zeitraum von sieben Jahren. Damit wird fast der Betrag von 1 Milliarde Euro erreicht, den der Ausschuss für das Programm „Jugend“ im Zeitraum 2000-2006 als erforderlich erachtet hatte (faktisch werden die Mittel von ca. 657 Millionen Euro für das Programm „Jugend“ auf 915 Millionen Euro für das Programm „Jugend in Aktion“ erhöht).

Diese positive Tatsache bedarf jedoch zweier Anmerkungen. Erstens beträgt der Finanzierungszeitraum des Programms „Jugend“ fünf Jahre, derjenige des Programms „Jugend in Aktion“ hingegen sieben Jahre. Zweitens besteht die Zielgruppe des gegenwärtigen Programms aus 50 Millionen Jugendlichen, die des künftigen Programms hingegen aus 75 Millionen.

Das bedeutet, dass pro Jugendlichen auch künftig 12 Euro vorgesehen sind und mithin nicht der Betrag von 20 Euro erreicht wird, den der Ausschuss in seiner Stellungnahme zum Programm „Jugend“ empfohlen hat (8). Somit ist insgesamt festzustellen, dass die Mittelausstattung unzureichend bleibt.

3.6

Der Ausschuss möchte eine der Empfehlungen des Vorschlags, der auf der Zwischenbewertung des Programms „Jugend“ beruht, herausstellen. Er begrüßt nachdrücklich, dass das neue Programm zwar auf Jugendliche mit ganz unterschiedlichem Hintergrund abzielt, wobei den — im weitesten Wortsinne — benachteiligten Jugendlichen besonders Rechnung getragen wird (dabei muss unbedingt auf eine gleichmäßige Verteilung der Mittel zwischen jungen Frauen und jungen Männern geachtet werden). Der Ausschuss bekräftigt daher die bereits in seinen ersten einschlägigen Stellungnahmen bekundete Unterstützung für benachteiligte Jugendliche. Er möchte über den tatsächlichen Umfang der Beteiligung dieser Gruppe Jugendlicher an dem Programm genau informiert werden.

3.7

Deshalb — und infolge der Empfehlungen auf der Grundlage der Zwischenbewertung des Programms „Jugend“ — erachtet es der Ausschuss für notwendig, die Resonanz des neuen Programms „Jugend in Aktion“ in der Öffentlichkeit durch eine effiziente Informationsstrategie zu verbessern. Dadurch sollen mehr Jugendliche und Organisationen von der Existenz des Programms und seiner Aktionen erfahren. Diese Kampagne sollte unbedingt in allen Bildungseinrichtungen, Arbeitsagenturen, Freizeitvereinen und Sportverbänden sowie in allen Einrichtungen und Organisationen mit einem signifikanten Anteil von Jugendlichen durchgeführt werden, da sich hier die meisten Adressaten des Programms befinden.

3.8

Die Förderung des Konzepts der Unionsbürgerschaft und die Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls zu der stets enger zusammenwachsenden Europäischen Union sind Ziele, die der Ausschuss gutheißt. An diesen Zielen ist das Handeln der Union ausgerichtet. Einer der spezifischen Aktionsbereiche der Union ist Gegenstand des in dieser Stellungnahme untersuchten Kommissionsvorschlags.

In ihrer Mitteilung „Aktive Bürgerschaft konkret verwirklichen: Förderung der europäischen Kultur und Vielfalt durch Programme im Bereich Jugend, Bürgerbeteiligung, Kultur und audiovisuelle Medien“ (9) betont die Kommission, dass es den Unionsbürgern möglich sein muss, sich zur Union zugehörig zu fühlen. Sie stellt aber auch fest, dass viele Bürger die Union als rein politisches und wirtschaftliches Gebilde empfinden, das ihnen fern und fremd ist.

Deshalb schließt sich der Ausschuss der Auffassung an, dass Maßnahmen dieser Art erforderlich sind, die dieses Gefühl der Unionsbürgerschaft und der Unionszugehörigkeit fördern. Gleichwohl müssen die Institutionen und die Mitgliedstaaten aber auch darüber nachdenken, inwiefern sie dafür verantwortlich sind, dass diese Ziele nicht vollkommen erreicht werden und dass ein Teil der Bevölkerung die Union als Verbund von Staaten ansehen, deren unterschiedliche Wirtschaftsinteressen ständig in Einklang gebracht werden müssen.

3.9

Die Verbreitung von Werten, die auf Toleranz, Solidarität, gegenseitigem Verständnis und dem Dialog mit anderen Kulturen und zwischen Generationen beruhen, ist ein Ziel, das entschlossen und rückhaltlos verfolgt und verwirklicht werden muss. Der Ausschuss befürwortet die Maßnahmen zur Förderung dieser im Kommissionsvorschlag ausdrücklich genannten Werte.

Da das Programm speziell auf junge Menschen — konkret: auf Heranwachsende sowie auf benachteiligte junge Erwachsene — ausgerichtet ist, vertritt der Ausschuss die Auffassung, dass im Vorschlag bestimmte nicht berücksichtigte, aber ebenfalls wichtige Werte besonders hervorgehoben werden sollten. Diese Werte, die für die Entwicklung junger Menschen zu mündigen und aktiven Bürgern grundlegend sind, fußen auf Verantwortungsgefühl, Zufriedenheit durch beruflichen Erfolg, Achtung der Regeln des sozialen Miteinanders usw. In einer fortgeschrittenen Gesellschaft, in der die Bürger über ihre Rechte mit klaren und unmissverständlichen Botschaften informiert werden, ist es wichtig, jede Gelegenheit zu nutzen, um diese Werte den Bürgern — vor allem den Jugendlichen — zu vermitteln. Das Programm „Jugend in Aktion“ könnte ein Mittel zur Förderung dieser Werte sein.

3.10

Die Bedeutung der sprachlichen Vielfalt in der Europäischen Union ist ein Zeichen ihres kulturellen Reichtums. Der Ausschuss hat wiederholt auf die Bedeutung hingewiesen, die das Sprachenlernen für ein besseres wechselseitiges Kennen und Verstehen der Bürger der Mitgliedstaaten hat.

Deshalb sollte das Programm „Jugend in Aktion“ auch zur Förderung des Sprachenlernens beitragen, indem das Sprachenlernen ausdrücklich im Zusammenhang mit den allgemeinen Zielen und den Einzelzielen des Programms genannt wird.

Der Ausschluss schlägt vor, in Artikel 2 Absatz 3 des Vorschlags neben der kulturellen und multikulturellen Vielfalt Europas auch die sprachliche Vielfalt anzuerkennen.

Darüber hinaus sollte das Einzelziel in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe d) wie folgt definiert werden: „Entwicklung des interkulturellen Lernens und des Sprachenlernens bei jungen Menschen“.

3.11

Einer der Aspekte des Programms, die für die Vermittlung von Werten an Jugendliche bedeutsam sind, ist die Aktion „Europäischer Freiwilligendienst“. Seit ihrer Einführung als spezifisches Programm im Jahr 1998 ist diese Aktion eine wertvolles Instrument zur Förderung der Solidarität unter Jugendlichen und zur Bereicherung ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Deshalb begrüßt der Ausschuss das große Spektrum an Einzelmaßnahmen, die diese Aktion umfasst. Auch stellt er erneut mit Zufriedenheit fest, dass die Kommission seine früheren Empfehlungen zu diesem Thema berücksichtigt hat.

3.12

Gleichwohl scheinen dem Ausschuss die für diese Aktion vorgesehenen Haushaltsmittel recht hoch zu sein, denn die Zahl der Teilnehmer ist vergleichsweise gering (die Mittelausstattung ist dem Finanzbogen im Anhang zum Vorschlag zu entnehmen). Andererseits gibt es Informationen aus einzelnen Mitgliedstaaten, dass die Veranstalter die Nachfrage der Jugendlichen nach freiwilligen Einsätzen nicht decken können. Möglicherweise ist dies auf die Antragserfordernisse und Effektivität dieser Aktion zurückzuführen. Der Ausschuss nimmt deshalb an, dass Aktion 1 „Jugend für Europa“ eine stärkere Beteiligung bewirkt und damit auch eine größere Wirkung auf benachteiligte junge Menschen hat. Folglich sollte aus Sicht des Ausschusses geprüft werden, ob die Gewichtung der Haushaltsmittel für die einzelnen Aktionen dem Bedarf entspricht. Dabei sind die Möglichkeiten für eine Steigerung der Effizienz einzelner Aktionen zu berücksichtigen.

3.13

„Die Jugendpolitik sollte darauf abzielen, junge Menschen in alle Phasen des Entscheidungsprozesses einzubinden, um von ihren Erfahrungen aus erster Hand zu profitieren und sie als aktive und verantwortungsbewusste Bürger anzuspornen.“ Dieser Satz aus den Empfehlungen in der Initiativstellungnahme zum „Weißbuch: Jugendpolitik“ (10) enthält eine umfassende Definition der Ziele, die als Bezugsrahmen für das Programm dienen können. Je besser diese Ziele durch das Programm erreicht werden, desto besser ergänzen sich die beiden wesentlichen Prinzipien, die seinen Zielen zugrunde liegen: Bürgerschaft und Beteiligung.

3.14

Die Vergabe eines Großteils der Aktivitäten des Programms an externe Stellen macht zusätzliche Anstrengungen erforderlich, um Kohärenz und Transparenz zu gewährleisten. Der Ausschuss befürwortet zwar eine möglichst bürgernahe Programmverwaltung, vertritt aber auch die Position, dass die Kommission weiterhin am Entscheidungsprozess bezüglich der Auswahl der unter diesem Programm förderfähigen Organisationen beteiligt sein muss.

3.15

Die Aussicht einer in großem Maße dezentralen Umsetzung des Programms auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene unter umfassender Einbeziehung von Organisationen und Einzelpersonen wird ein Höchstmaß an Konsequenz, Transparenz und Öffentlichkeitswirkung erfordern, um einen sinnvollen Einsatz der öffentlichen Mittel zu gewährleisten.

3.16

In diesem Prozess der Auswahl von Organisationen und der Zuteilung von Mitteln für die von ihnen vorgeschlagenen Projekte muss seitens der Gemeinschaftsinstitutionen und der zuständigen Einrichtungen der Teilnehmerländer darauf geachtet werden, dass die Mittel aus dem Programm „Jugend in Aktion“ nicht zur Finanzierung von Verbänden und Organisationen dienen, die (durch ihr Handeln oder ihre Untätigkeit) intolerantes, gewaltverherrlichendes, rassistisches oder fremdenfeindliches Gedankengut akzeptieren oder propagieren. Aus diesem Grund müssen die Stellen, die für die Auswahl und Genehmigung von Projekten auf Ebene der Gemeinschaft wie auch der Mitgliedstaaten zuständig sind, die Vorgeschichte solcher Organisationen berücksichtigen, um sie namentlich von jedem Auswahlprozess auszuschließen.

Zudem muss in diesem Auswahlprozess gewährleistet sein, dass bei der Auswahl förderfähiger Organisationen nur diejenigen berücksichtigt werden, die eine gewisse Repräsentativität und Mitgliederstärke aufweisen.

3.17

Der Ausschuss stimmt der Feststellung der Kommission zu, dass der zusätzliche Nutzen des Vorschlags aus seinem Wesen selbst resultiert, d.h. aus der Förderung der Zusammenarbeit zwischen Staaten, um jungen Menschen eine transnationale Mobilität zu ermöglichen. Die Staaten selbst könnten dies alleine nicht erreichen. Es ist deshalb dringend erforderlich, dass alle Teilnehmerländer den Bestimmungen von Artikel 6 Absatz 5 des Vorschlags Beachtung schenken und alles in ihrer Macht Stehende tun, um die noch bestehenden Mobilitätshemmnisse zu beseitigen.

Zu diesem Aspekt hat sich der Ausschuss wiederholt in Stellungnahmen geäußert, die sowohl andere Phasen dieses Programms als auch mobilitätsbezogene Probleme zum Gegenstand hatten (11).

In diesen Stellungnahmen hat der Ausschuss unmissverständlich auf die Notwendigkeit hingewiesen, alle Maßnahmen voranzutreiben, die (vor allem jungen) Bürgern die Teilnahme an dem Programm ermöglichen. Dabei darf ihnen nicht durch bürokratische Hürden der Zugang zum Programm entscheidend erschwert werden — Hürden, die im Übrigen von den Mitgliedstaaten längst hätten beseitigt werden müssen.

3.18

Die Ausweitung der Altersgrenzen für die Teilnehmer — d.h. eine auf 13 Jahre herabgesetzte Untergrenze und eine auf 30 Jahre heraufgesetzte Obergrenze — ist eine wichtige Verbesserung, die früheren Empfehlungen des Ausschusses entspricht. Sie bedeutet eine Öffnung des Programms für eine große Bevölkerungsgruppe mit 75 Millionen potenziellen Teilnehmern. Vor diesem Hintergrund hält der Ausschuss eine Studie für notwendig, die eine genauere Charakterisierung dieser Altersgruppe (in ihrer Heterogenität und zugleich nie zuvor da gewesenen Einheit) ermöglichen und eine bessere Grundlage für das Programm in der Europäischen Union schaffen würde — insbesondere wenn sich die EU den auf eine Änderung des Generationenvertrags abzielenden Empfehlungen der Hochrangigen Gruppe für die Zukunft der Sozialpolitik anschließen möchte.

Der Ausschuss wiederholt jedoch seine Empfehlung, das Alter für die Teilnahme an Austauschmaßnahmen auf 11 Jahre zu senken: Auch wenn die Angehörigen dieser Altersgruppe noch nicht als Jugendliche bezeichnet werden können, besteht kein Zweifel, dass in jungen Jahren erworbene und vermittelte Werte auf besondere Weise verinnerlicht werden. Ihre Teilnahme sollte daher immer im Rahmen eines entsprechend organisierten Programms erfolgen — und niemals auf individueller Basis.

3.19

Artikel 15 des Beschlussvorschlags sieht die Verpflichtung zur Zwischen- und Ex-post-Bewertung des Programms vor. Hinsichtlich der Zwischenbewertung ist der Ausschuss der Auffassung, dass einer der zu bewertenden Aspekte die Auswirkungen des Programms in den einzelnen Teilnehmerländern sein sollte. Nach der Feststellung dieser Auswirkungen sollte das Augenmerk besonders auf die Verstärkung der Information über das Programm in den Ländern gerichtet werden, in denen die Teilnahme an den „Jugend in Aktion“-Maßnahmen gering ist. Auf diese Weise sollte versucht werden, die Fördermittel ausgewogener zu verteilen, damit sie nicht in erster Linie strukturstarken Gebieten, die über umfangreiche Erfahrungen mit der Entwicklung solcher Aktionen verfügen, zugute kommen, sondern dazu beitragen, diese Erfahrungen an Regionen mit geringerer Beteiligung an den Programmaktionen weiterzuleiten.

3.20

Wie in dieser Stellungnahme bereits herausgestellt wurde, werden mit „Jugend in Aktion“ die Aktionen vorhergehender jugendpolitischer Programme fortgesetzt. Deshalb muss daran erinnert werden, dass die Sozialpartner an der Vorbereitung und der nachträglichen Bewertung bestimmter Programmaktionen (vor allem auf Freiwilligkeit beruhender Aktionen) sowie die Jugendorganisationen an deren Durchführung beteiligt werden müssen. Ziel ist dabei, Verzerrungen auf dem Beschäftigungsmarkt zu vermeiden und auch zu verhindern, dass die freiwillige Arbeit als Ersatz für bezahlte Arbeit missbraucht wird (dies gilt insbesondere auch für qualifizierte Tätigkeiten).

3.21

Darüber hinaus unterstreicht der Ausschuss die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern und den im Jugendbereich tätigen Verbänden, was Maßnahmen zur Unterstützung von Jugendinitiativen im Rahmen der Aktion „Jugend für Europa“ betrifft. Die im Ausschuss vertretenen Organisationen können einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Initiative, des Unternehmergeists und der Kreativität junger Europäer leisten.

3.22

Der Ausschuss begrüßt die Maßnahmen zur Unterstützung der Arbeit von Jugendverbänden als Instrument zur Stärkung der Beteiligung von Jugendlichen an der Zivilgesellschaft. Er ist deshalb der Ansicht, dass die Förderung dieser Verbände an Orten und unter jungen Menschen, die in den existierenden Organisationen nicht hinreichend berücksichtigt werden, besondere Aufmerksamkeit verdient.

Betreffend die Mittelausstattung gemäß dem Finanzbogen im Anhang zu dem Vorschlag ist der Ausschuss nicht einverstanden mit der Reduzierung der Mittel für Organisationen, die auf europäischer Ebene im Bereich der Jugend tätig sind. Er ist der Überzeugung, dass mit Blick auf die Ziele des neuen Programms die für diese Maßnahme veranschlagten Mittel anteilmäßig nicht unter das im Programm „Jugend“ weiter vorgesehene Niveau abgesenkt werden dürfen.

3.23

Der Ausschuss begrüßt die neue von den Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Deutschlands, Spaniens und Schwedens eingeleitete Initiative zur Verwirklichung eines „Europäischen Pakts für die Jugend“ im Rahmen der in der Lissabon-Strategie festgelegten Ziele zur Entwicklung neuer Formen der Einbeziehung junger Menschen in die politischen Entscheidungsprozesse.

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass dieser Pakt als ein Mittel betrachtet werden sollte, mit dem Fortschritte auf Gebieten wie der Beschäftigung, der sozialen Eingliederung und der Bildung, aber auch in der Jugendpolitik der Europäischen Union, beim Programm „Jugend in Aktion“ und in anderen neuen Bereichen der neuen Agenda für eine europäische Jugendpolitik erzielt werden können.

Brüssel, den 10. März 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  CES 769/1986.

(2)  ABl. C 159 vom 17.6.1991.

(3)  ABl. C 148 vom 30.5.1994.

(4)  ABl. C 158 vom 26.5.1997.

(5)  ABl. C 410 vom 30.12.1998.

(6)  ABl. C 10 vom 14.1.2004.

(7)  ABl. C 116 vom 20.4.2001.

(8)  ABl. C 410 vom 30.12.1998.

(9)  KOM(2004) 154 endg.

(10)  ABl. C 116 vom 20.4.2001.

(11)  ABl. C 133 vom 28.4.1997: Stellungnahme zum „Grünbuch über ‚Allgemeine und berufliche Bildung - Forschung: Hindernisse für die grenzüberschreitende Mobilität‘“;

ABl. C 149 vom 21.6.2002: Stellungnahme zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“.


ANHANG

zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgender Änderungsantrag, auf den mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen entfielen, wurde im Verlauf der Beratungen abgelehnt:

Neue Ziffer 3.14 einfügen:

„Die Kommission sollte gewährleisten, dass die Arbeit der Nationalen Agenturen für die Verwaltung des Programms ‚Jugend‘ so koordiniert wird, dass die dezentrale Durchführung des Programms in den Mitgliedstaaten nicht zu neuen Beschränkungen des Zugangs zum Programm führt.

Die Arbeit und Verfahren der Nationalen Agenturen sollten durch eine im Zuge der Durchführung des Programms ‚Jugend in Aktion‘ eingesetzte und mit Beamten der Europäischen Kommission sowie Vertretern der in Frage kommenden Sozialpartner besetzten Kommission überwacht und bewertet werden.“

Begründung

Der Kommissionsvorschlag für das Programm „Jugend in Aktion“ sieht eine im Vergleich zum gegenwärtigen Programm „Jugend“ in viel höherem Maße dezentrale Durchführung vor. Die Nationalen Agenturen des Programms spielen dabei die Hauptrolle: sie treffen die wichtigen Entscheidungen, sie setzen die einzelstaatlichen Prioritäten und entscheiden über eine Vielzahl von Details bei der Programmdurchführung. Dezentralisierung ist wegen der einzelstaatlichen Schwerpunktbildung für viele europäische Jugendorganisationen und -netze ein großes Problem. Aufgrund unterschiedlicher Prioritäten nationaler Agenturen und unterschiedlicher Konzeptionen von Partnerschaft können europäische Jugendverbände und ihre Vertretungen in den verschiedenen Ländern nicht so zusammenarbeiten, wie sie es wünschen.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 51

Nein-Stimmen: 72

Stimmenthaltungen: 30


22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/52


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Rolle der EIB bei öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) und deren Auswirkung auf die Wachstumsproblematik“

(2005/C 234/12)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 27. April 2004, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Die Rolle der EIB bei öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) und deren Auswirkung auf die Wachstumsproblematik“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 16. Februar 2005 an. Berichterstatter war Herr LEVAUX.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 9./10. März 2005 (Sitzung vom 10. März) mit 153 Stimmen ohne Gegenstimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

In der vorliegenden Stellungnahme sind umfangreiche Auszüge aus einer Hintergrundunterlage übernommen, die von der EIB im Juli 2004 für den EWSA erstellt wurde (1).

1.2

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird das System öffentlich-privater Partnerschaften (in Form von Konzessionen und anderen Vertragsverhältnissen) in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich genutzt. Der Begriff ÖPP deckt eine Vielzahl von Situationen ab, und aus der Sicht der EIB besteht das Hauptmerkmal einer ÖPP darin, dass sich „öffentliche und private Projektträger das Risiko auf der Grundlage der gemeinsamen Verpflichtung teilen, ein angestrebtes Vorhaben, das im öffentlichen Interesse liegt, zu verwirklichen“.

2.   ÖPP-Problematik und Rolle der EIB

2.1   Eine europäische Geschichte

2.1.1

Vor 2000 Jahren lag die Zuständigkeit für die eigentliche Beförderung der Botschaften — die „vehiculatio“ — im römischen Reich beim Kaiser, wohingegen die Kommunalbehörden — „municipes“ — für die Relaisstationen — „stationes“ — zuständig waren.

In dem Vertrag, den die Kommunalbehörden nach der Erteilung des Zuschlags mit den Betreibern dieser enormen Relaisstationen schlossen, wurde diesen die Verantwortung für den Bau sowie den Unterhalt und den Betrieb der Anlagen für die Dauer von fünf Jahren — „lustrum“ — übertragen, eine im römischen Recht recht gängige Laufzeit, die sich im Immobilienbereich (und zwar insbesondere in einseitig nach Belieben widerrufbaren Verträgen) häufiger findet. Erst zwölfhundert Jahre später kommt diese Vertragsform wieder.

Nicht nur der Postverkehr zu Zeiten des Kaisers Augustus, sondern auch der Bau von Häfen, Thermen, Märkten und selbst Straßen wurde über Konzessionsverträge realisiert.

2.1.2

Im 19. Jahrhundert wurde das europäische Schienennetz zur Gänze über Konzessionsverträge gebaut, die nicht nur im Eisenbahnwesen und bei Kunstbauten, sondern auch bei kommunalen öffentlichen Dienstleistungen wie Wasser, Gas, Strom, Müllabfuhr, Telefon usw. gebräuchlich waren.

2.1.3

Das öffentliche Vergaberecht ist im Übrigen in den meisten EU-Mitgliedstaaten weitgehend aus dem Konzessionsrecht hervorgegangen.

2.1.4

Im 20. Jahrhundert ermöglichten Konzessionsverträge nicht nur den Bau von Autobahnen und Parkplätzen, sondern auch von Wasserversorgungsnetzen, Museen, Flughäfen, Straßenbahnen, U-Bahnen und städtischen Anlagen sowie die Gesamtrenovierung von Schulen und Krankenhäusern.

2.1.5

Viele Länder nutzen die Möglichkeit von ÖPP, und die am 27. Oktober 2004 verabschiedete EWSA-Stellungnahme (2) zu dem „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ enthält hierzu eine kurze Zusammenfassung.

2.2   Überblick der EIB über ihren Aktionsrahmen

2.2.1

„Der Europäische Rat vom Oktober 2003 forderte die Kommission und die EIB auf festzustellen, wie öffentliche und private Finanzierungsmittel am besten für die Wachstumsinitiative mobilisiert und wie eine Reihe von Initiativen, die zur Entwicklung von ÖPP (3) beitragen dürften, weiterverfolgt werden könnten.

2.2.2

Die Kommission erstellte danach mit Unterstützung der Bank einen Maßnahmenkatalog, der in die Wachstumsinitiative Eingang fand, die im Dezember 2003 vom Europäischen Rat Brüssel beschlossen wurde. Die Vorschläge betrafen insbesondere die Schaffung geeigneter aufsichtsrechtlicher, finanzieller und administrativer Bedingungen, um private Investitionen zu stimulieren und Haushaltsmittel der Gemeinschaft zu mobilisieren. Zudem wurden die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Neuausrichtung der öffentlichen Ausgaben hin zu wachstumsfördernden Bereichen ohne gleichzeitige Ausweitung der öffentlichen Haushalte fortzusetzen.

2.2.3

Schwerpunkt der Vorschläge der EIB an den Rat war die Bereitstellung umfangreicher zusätzlicher Mittel sowohl für die TEN als auch für die i2i (4), die beiden Schlüsselsektoren der Wachstumsinitiative (...) (5). Insbesondere verpflichtete sich die EIB:

alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Palette der eingesetzten Finanzierungsinstrumente zu erweitern, darunter insbesondere solche für ÖPP (...);

ihre Zusammenarbeit auf institutioneller Ebene mit der Kommission, den Mitgliedstaaten und spezialisierten Finanzinstitutionen (einschließlich nationaler ÖPP-Task Forces) sowie mit den Bankensektoren und Kapitalmärkten auszubauen, um umfangreichere Finanzierungen des privaten und des öffentlichen Sektors in diesen Schlüsselbereichen zu fördern.

2.2.4

Die von der EIB im Rahmen der Wachstumsinitiative gegebenen Zusagen stellen eine natürliche Entwicklung dar und erweitern die in den vergangenen zehn Jahren von ihr bereits ergriffenen Maßnahmen zur Förderung einer verstärkten Finanzierung öffentlicher Infrastruktur durch den privaten Sektor. (...)“

2.2.5

Der EWSA hat in seiner Stellungnahme zu dem „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ (6) die sehr unterschiedliche Handhabung von ÖPP in den Mitgliedstaaten hervorgehoben. Er hat außerdem festgestellt, dass die lokalen bzw. dezentralen Behörden bei der Bildung von ÖPP häufig pragmatischer vorgehen als die zentralstaatliche Ebene.

3.   Die Entwicklung der ÖPP in Europa nach Darstellung der EIB

3.1   Die besonderen Merkmale von ÖPP

3.1.1

„Der Begriff ‚öffentlich-private Partnerschaft‘ (ÖPP) wird allgemein seit den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts verwendet; es gibt jedoch kein einheitliches europäisches Modell der ÖPP. (...)

3.1.2

Neue Investitionen in die Infrastruktur in Europa erfolgen in zunehmendem Maße im Rahmen verschiedener ÖPP-Strukturen, die auf dem Grundsatz beruhen, dass der private Sektor sich an dem mit der Bereitstellung von öffentlicher Infrastruktur verbundenen Risiko beteiligt und dafür entweder von den Benutzern oder aus öffentlichen Mitteln proportional zu der erbrachten Leistung oder zu dem auf den privaten Sektor übertragenen Risiko vergütet wird. Solche Vorhaben können mit Investitionen des privaten Sektors in neue Anlagen oder in die Modernisierung vorhandener verbunden sein. Typische Beispiele für solche öffentlichen Infrastruktureinrichtungen sind Flughäfen, Eisenbahnen, Straßen, Brücken, Tunnel, Anlagen zum Schutz der Umwelt (wie z.B. Abfallverbrennungsanlagen und Wasseraufbereitungsanlagen) und öffentliche Gebäude, darunter Büros der öffentlichen Verwaltung, Schulen, Krankenhäuser und Haftanstalten. (...)“

Anhang 2 illustriert mit Stand von Ende 2003 „das Ausmaß, in dem ÖPP-Programme, Rechtssysteme und staatliche Organisationen (...) innerhalb der EU-25 (...) entwickelt wurden bzw. werden (...)“.

3.1.3

„Hauptziel des öffentlichen Sektors im Rahmen eines ÖPP-Programms ist die Nutzbarmachung von Know-how des privaten Sektors zur Verbesserung der Leistungen des öffentlichen Sektors“. (...) Daher „werden ÖPP (...) häufig vom öffentlichen Sektor ausgestaltet:

Vertragsabschlüsse, die Dienstleistungsaufträge und weniger die Beschaffung von Anlagen zum Gegenstand haben;

Spezifizierung der benötigten Dienstleistungen auf der Grundlage von Outputs und nicht von Inputs;

Verknüpfung von Zahlungen an den privaten Sektor mit Niveau und Qualität der tatsächlich erbrachten Dienstleistungen;

gelegentlich ein die gesamte Nutzungsdauer der Anlagen umfassender Ansatz im Hinblick auf Planung, Bau und Betrieb, wenn klar ist, dass diese Anlagenbestandteile durch separate Beschaffung nicht preisgünstiger geliefert werden können;

angestrebt wird ein optimaler Risikotransfer auf den privaten Sektor, und zwar auf der Grundlage, dass Risiken von dem Vertragspartner getragen werden sollten, der sie am besten steuern kann;

Verpflichtung des privaten Partners zur Beschaffung eines Teils oder der gesamten für die Investition erforderlichen Mittel, wenn klar ist, dass die höheren Kosten der Finanzierung durch die Senkung anderer Kosten und die schnelle Verfügbarkeit der erbrachten Dienstleistung ausgeglichen werden;

Benutzung verschiedener Zahlungsmechanismen, wie am Markt erzielte Einnahmen, Shadow-tolls, Zahlungen in Abhängigkeit von der verfügbaren Kapazität usw.“

3.2   Faktoren für die Entwicklung von ÖPP in Europa

3.2.1

„ÖPP-Strukturen (...) können für die Entwicklung der Infrastruktur in ganz Europa von Bedeutung sein. (...) Sofern die jeweiligen Stärken des öffentlichen und privaten Sektors und die potenziellen Synergien bei einer Zusammenarbeit zwischen ihnen voll genutzt werden, können ÖPP zu größerer Quantität und Qualität der öffentlichen Dienstleistungen beitragen.

3.2.2

ÖPP bieten die Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit des privaten Sektors nutzbar zu machen und geeignete Mechanismen zur Risikoteilung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor einzuführen. Leider war dies in der Praxis nicht immer der Fall, insbesondere bei bestimmten großen IT-Projekten. Die Möglichkeit, Risiken und Erträge zu übertragen und innerhalb der Projektstrukturen aufeinander abzustimmen, hat sich als kritisch für die Fähigkeit der ÖPP erwiesen, dem öffentlichen Sektor einen besseren Gegenwert für die investierten Mittel zu bieten. (...)

3.2.3

Neben der Reform der Richtlinien für die Vergabe öffentlicher Aufträge hat dies [i.e. diese Entwicklung] zur positiven Reaktion des privaten Sektors auf diese neuen Möglichkeiten, an Bereitstellung und Betrieb von öffentlichen Infrastrukturen in vielen Ländern der EU mitzuwirken, beigetragen. (...)

3.2.4

Auch kleinere Privatunternehmen (einschließlich KMU) haben dadurch die Möglichkeit, an Großprojekten teilzunehmen (und Zugang zu langfristigen Finanzierungsmitteln zu erhalten), und zwar in einer Weise, die bei konventionellen, bilanzwirksam finanzierten Vorhaben des privaten Sektors problematisch gewesen wäre. (...)“

3.2.5

Die Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen erfordert wegen der finanziellen Probleme im öffentlichen Sektor, die durch eine Politik verursacht wurden, die über Jahre hinweg die notwendigen Investitionen im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen vernachlässigte, ein höheres Investitionsvolumen und eine beschleunigte Durchführung von Projekten, was im Rahmen der klassischen Auftragsvergabe wahrscheinlich nicht finanziert werden könnte. Ein innovativer Ansatz bei der Finanzierung von Investitionsvorhaben für den öffentlichen Sektor kann allerdings ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis bewirken als ÖPP.

3.2.6

Die EIB unterstreicht folgendes: „Da zahlreiche solcher Projekte im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung bei der Erfassung des Haushaltsdefizits nach ESVG 95 (7) als bilanzwirksam klassifiziert werden (...), ist die Frage der Behandlung im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nur einer von vielen Faktoren, die von den Ländern bei der Entscheidung, ein umfassendes ÖPP-Programm zu genehmigen, zu berücksichtigen sind; diese Frage ist jedoch sicherlich nicht die wichtigste. (...)“ Der EWSA weist darauf hin, dass Eurostat (8) Regeln für die Verbuchung von ÖPP-Projekten in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen festgelegt hat, die Folgendes berücksichtigen:

die Modalitäten der Übertragung des Baurisikos vom öffentlichen auf den privaten Partner,

die Kriterien betreffend das Ausfallrisiko

sowie in bestimmten Fällen das Nachfragerisiko.

3.2.7

Der EWSA erkennt die Fortschritte an, die durch den Ausbau der ÖPP erzielt wurden, aber es bestehen weiterhin zahlreiche Hindernisse, die zuerst ausgeräumt werden müssen, damit die Behörden der Mitgliedstaaten diese Form der Partnerschaft regelmäßig nutzen.

3.3   ÖPP und angemessener Gegenwert für die investierten Mittel

3.3.1

„Der wichtigste Gesichtspunkt, unter dem ein Land ein ÖPP-Programm auflegt, sollte die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit sein. (...) Das Prinzip ‚keine Leistung/keine Bezahlung‘ sollte einen Anreiz schaffen, dass der private Partner die Projektanlagen termingerecht erstellt und betreibt. (...) Die Durchführung von Vorhaben im Wege der traditionellen öffentlichen Auftragsvergabe wird in bestimmten Ländern gelegentlich durch erhebliche zeitliche Verzögerungen und Kostenüberschreitungen beeinträchtigt; mit den gleichen Problemen haben aber auch einige ÖPP-Projekte zu kämpfen. Ist der private Sektor zur Instandhaltung während der Nutzungsdauer verpflichtet, besteht für die Betreiber ein Anreiz, Ausgaben für Investitionen und Instandhaltung während dieser Phase zu optimieren. (...) Es hat jedoch auch Fälle gegeben, in denen die Betreiber ihre Verträge ausgenutzt haben, wenn sich beispielsweise die Umstände unerwartet geändert haben oder Kostenvoranschläge sich als ungenau erwiesen haben.

3.3.2

Der Nutzen der Risikotransfers für den öffentlichen Sektor muss für jedes Projekt im einzelnen nachgewiesen werden. Grundlage hierfür ist eine anerkannte Methode, die allgemein als Public Sector Comparator (PSC) bezeichnet wird. (...) Mechanismen für die Verbreitung der anerkanntermaßen besten Praxis, wie die Schaffung von ÖPP-Task Forces und spezialisierten Einheiten sowie die Anwendung allgemein anerkannter Referenz-Instrumente zur Ermittlung des erhaltenen Gegenwerts, können ebenfalls äußerst hilfreich sein. (...)“ Der EWSA merkt an, dass mehrere Mitgliedstaaten Sachverständigengremien für den Abschluss von ÖPP-Verträgen und die Auswahl beispielhafter Praktiken eingesetzt haben. Er spricht sich daher dafür aus, generell systematische Vergleiche zwischen den von öffentlichen Stellen und privaten Unternehmen durchgeführten Projekten (Kosten, Ergebnisse usw.) anzustellen und über eine hochrangige Sachverständigengruppe für eine Koordinierung auf europäischer Ebene zu sorgen.

4.   Beteiligung der EIB an ÖPP

4.1   Finanzierungsgrundsätze

4.1.1

„Die EIB verlangt in erster Linie, dass alle von ihr unterstützten ÖPP-Projekte finanziell robust sowie wirtschaftlich und technisch tragfähig sind, die Umweltanforderungen der Bank erfüllen und in Einklang mit den EU-Richtlinien über die Auftragsvergabe ausgeschrieben werden. (...)

4.1.2

Soweit möglich beteiligt sich die EIB bereits im Frühstadium an den Projekten, und zwar vor Beginn des Auftragsvergabeverfahrens, wobei die Bank während der Vergabephase auf nichtexklusiver Basis mit allen Bietern (...) zusammenarbeitet. Dies stellt sicher, dass die Bieter u.a. in einem Wettbewerb darüber stehen, inwieweit sie die finanziellen Vorteile der Einschaltung der EIB an den öffentlichen Sektor weiterleiten.

4.1.3

Der Grundsatz der Bank, Mittel in Ergänzung zu denen anderer Quellen (...) bereitzustellen, gilt auch für ÖPP-Strukturen. (...)“

4.1.4

So werden „viele Darlehen der EIB für ÖPP-Vorhaben (...) entweder von Banken oder von speziellen Kreditversicherungsgesellschaften besichert, und zwar entweder bis zum Ende der Laufzeit oder die Garantie wird freigegeben, sobald der Betrieb der Projektanlagen zufriedenstellend läuft. (...)“

4.1.5

„Die Kreditqualität des ÖPP-Portfolios der Bank wird dadurch gestützt, dass hinter den Zahlungsströmen zu vielen ÖPP-Projekten der öffentliche Sektor steht. So liegen bei vielen Projekten (wie z.B. bei den ÖPP-Vorhaben in den Bereichen Krankenhäuser und Schulen im Vereinigten Königreich) die Zahlungsverpflichtungen ausschließlich beim öffentlichen Sektor, und die Konzessionsnehmer sind keinerlei Nachfragerisiko ausgesetzt. Ein solider aufsichtsrechtlicher und vertraglicher Rahmen wirkt sich ebenfalls positiv auf ÖPP aus. (...) Schließlich bleiben die Darlehensbeträge im Rahmen von ÖPP trotz des gestiegenen Volumens der ÖPP-Aktivitäten [vgl. Anhang 3] im Vergleich zum gesamten Darlehensvolumen relativ begrenzt. (...)“

4.1.6

Der EWSA hält fest, dass die EIB für ÖPP-Projekte Finanzmittel in einer Spanne zwischen einem Sechstel und der Hälfte der Gesamtinvestitionssumme bereitstellt.

4.2   Engagement der Bank gegenüber ÖPP

4.2.1   EIB-Engagement nach Art der Vorhaben

„Im Jahr 2003 stellte die Bank einen Finanzierungsbeitrag von insgesamt 2,7 Mrd. EUR für 17 neue ÖPP-Vorhaben zur Verfügung. Auf Portfoliobasis erhöhte sich damit das gesamte Engagement der Bank gegenüber ÖPP nominal auf 14,7 Mrd. EUR und risikogewichtet auf 5,9 Mrd. EUR. Das größte Engagement innerhalb des ÖPP-Portfolios betrifft (...)“ die in Anhang 4 — Tabelle A — aufgeführten Projekte.

4.2.2   EIB-Engagement nach Ländern

Zum „Engagement nach Ländern“ vgl. Anhang 4 — Tabelle B. „Das risikogewichtete Engagement ist derzeit auf das Vereinigte Königreich, Portugal und Spanien konzentriert. (...)“

4.3   Darlehenslaufzeiten

„Darlehen an ÖPP sind durch lange Tilgungszeiträume gekennzeichnet (...)“ (vgl. Anhang 4 — Tabelle C).

4.3.1   Aufschlüsselung des EIB-Engagements nach Darlehenslaufzeit

„Per 31. Dezember 2003 betrafen 83 % (nominal) bzw. 87 % (risikogewichtet) der ÖPP-Engagements Darlehen mit Laufzeiten von 20 Jahren und mehr. Die längsten Darlehenslaufzeiten gibt es in den Bereichen soziale Infrastruktur (in erster Linie Krankenhäuser, die durch eine lange wirtschaftliche Nutzungsdauer und eine starke vertragliche Bindung an den öffentlichen Sektor gekennzeichnet sind), Stadtentwicklung und öffentlicher Nahverkehr; hier liegen die Darlehenslaufzeiten üblicherweise zwischen 25 und 30 Jahren. (...)“ Der EWSA unterstreicht, dass es wegen der langen Laufzeiten unter Umständen einige Zeit dauert, bis eine Bilanz der ersten ÖPP-Projekte gezogen werden kann. Daher ist eine endgültige Beurteilung ihres Wertes in diesem Stadium unmöglich. Außerdem ändern sich in solch einem langen Zeitraum unweigerlich die Umstände. Die Starrheit von ÖPP kann daher die Flexibilität des öffentlichen Sektors einschränken, auf neue Entwicklungen zu reagieren, die im öffentlichen Interesse sind. (9)

4.3.2   Künftiges EIB-Engagement

Eine Analyse des künftigen EIB-Engagements „ergibt einen Trend zu längeren Darlehenslaufzeiten bei ÖPP-Vorhaben (10). (...) Es ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass solche langen Laufzeiten zur Norm werden, die vom öffentlichen Sektor verlangt wird. Dies spiegelt den Bedarf an Darlehen wider, die dem Ertragsprofil der ÖPP-Vorhaben entsprechen.“

5.   Erfahrungen der EIB mit öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP)

5.1   Die Auswahl, Prüfung und Überwachung von ÖPP-Projekten

„Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein frühzeitiger Dialog zwischen der Bank und den zuständigen Behörden bei der Ermittlung der geeignetsten Projekte (...) von großem Nutzen ist“, was die Bank in die Lage versetzt, einen großen Teil ihrer Aktivitäten im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften auf vorrangige Sektoren (TEN, Bildungswesen und i2i, Gesundheitswesen) sowie auf Regionalentwicklungsgebiete zu konzentrieren (...). Öffentlich-private Partnerschaften erfordern zusätzliche Kapazitäten der Bank für die Prüfung, Strukturierung und Aushandlung der Finanzierungen. (...)

5.2   Auftragsvergabeverfahren und staatliche Beihilfen

5.2.1

„Angemessene Wettbewerbsverfahren bei der Auftragsvergabe sind eine der entscheidenden Voraussetzungen für den Erfolg eines ÖPP-Projekts. Der Vergabeprozess kann sehr komplex sein und sowohl auf öffentlicher als auch auf privater Seite den Einsatz hochqualifizierter Mitarbeiter erforderlich machen. In einigen Fällen können im Rahmen eines ÖPP-Projekts langwierige und kostspielige Verhandlungen notwendig sein; in anderen Fällen (häufig in Ländern mit Erfahrungen im Bereich der Konzessionsvergabe) kann die Möglichkeit bestehen, die Auftragsvergabe ohne Abschwächung des Wettbewerbsdrucks zu vereinfachen. Die Prüfung des Auftragsvergabeverfahrens ist ein wesentlichen Bestandteil der Due-Diligence-Prüfung von ÖPP-Projekten durch die EIB. (...)“

5.2.2

Nach Auffassung des EWSA ist es im Rahmen eines lauteren Wettbewerbs geboten, dass bei den von der EIB unterstützten Projekten das europäische Wettbewerbsrecht insbesondere im Hinblick auf staatliche Beihilfen eingehalten wird. Der EWSA verweist in diesem Zusammenhang auf den Standpunkt, den er in seiner Stellungnahme zu dem vorgenannten Grünbuch (11) vertritt.

5.3   Ergebnisse der ÖPP-Projekte

5.3.1

Die nationalen Prüfungsbehörden widmen den Ergebnissen zahlreicher in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen finanzierten ÖPP-Projekte sowie dem Gegenwert des Mitteleinsatzes (Value for money) für diese Projekte besondere Aufmerksamkeit. (...)

Zur Bewertung der Ergebnisse der ÖPP-Projekte empfiehlt der Ausschuss den Rückgriff auf alle verfügbaren Analysen aller Staaten, die ÖPP-Projekte durchgeführt haben. Zwar hat das Vereinigte Königreich zur Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen von diesem Instrument am stärksten Gebrauch gemacht, es liegen indes auch Ergebnisse dieser Art aus anderen Ländern vor. Außerdem gehört zu einer vollständigen Evaluierung auch die Berücksichtigung aller verfügbaren Quellen, v.a. die Berücksichtigung der Erfahrungen der Sozialpartner, insbesondere der Gewerkschaften im Hinblick auf die Entwicklung der Arbeitsbedingungen, und der Verbraucher im Hinblick auf die Qualität der Dienstleistungen.

5.3.2

Der Anhang 5 enthält Auszüge aus Berichten des britischen National Audit Office  (12). Aus ihnen geht hervor, dass die ÖPP-Projekte im Vereinigten Königreich im Allgemeinen erfolgreich waren, was insbesondere auf die Einhaltung des Kosten- und Zeitrahmens bei großen Infrastrukturvorhaben zutrifft. Bei den ersten Projekten im Zusammenhang mit Schulen sind allerdings auch Schwächen deutlich geworden. Die Berichte waren auch äußerst nützlich in Bezug auf die Hervorhebung der aufgetauchten Schwierigkeiten oder der begangenen Fehler; dies gilt insbesondere für den IT-Sektor, in dem ÖPP-Projekte bisher nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen geführt haben. Ähnliche Berichte (13) anderer nationaler Prüfungseinrichtungen stehen ebenfalls zur Verfügung; als Beispiel sei der kürzlich fertiggestellte kritische Bericht des portugiesischen Rechnungshofs (Tribunal de Contas) über das SCUT-Programm genannt (14).

5.3.3

Insgesamt hat die EIB die Erfahrung gemacht, dass die Ergebnisse der von ihr finanzierten Projekte gut waren. Die Bauarbeiten im Rahmen der Projekte wurden im Allgemeinen zu den in den Projektverträgen vereinbarten Fertigstellungsterminen abgeschlossen. Lediglich bei einem der Projekte im Portfolio sind erhebliche Verzögerungen eingetreten. (...)

5.3.4

Im Allgemeinen haben Projekte innerhalb von sechs bis zwölf Monaten nach Aufnahme des Betriebs die erwarteten operationellen Ergebnisse erreicht. (...) Die bei den von der EIB finanzierten Projekten angewandten Kriterien für die Freigabe von Sicherheiten und die Refinanzierung sind normalerweise stets zum angemessenen Zeitpunkt erfüllt worden.

5.4   Sektoraler Schwerpunkt

5.4.1

„Wie oben bereits erwähnt wurde, ist festzustellen, dass der anfängliche Schwerpunkt von ÖPP-Projekten in den meisten Ländern im Verkehrssektor liegt. Später dehnt sich die Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor in den Ländern häufig schrittweise auf andere Sektoren (wie beispielsweise das Bildungs- und Gesundheitswesen, die Energie- und Wasserwirtschaft sowie die Abfallwirtschaft) aus, in denen ebenfalls gute Möglichkeiten für eine Beteiligung des privaten Sektors an ÖPP-Projekten gesehen werden. (...)

5.4.2

Beispielsweise hat das Vereinigte Königreich besonderen Nachdruck auf öffentlich-private Partnerschaften in den Bereichen Bildung und Gesundheit gelegt. (...) Seit 1997 hat das britische Gesundheitsministerium (Department of Health) für 64 ÖPP-Krankenhausprojekte mit einem Investitionsvolumen von 11,1 Mrd. GBP (15,7 Mrd. EUR) die Suche nach privaten Partnern genehmigt. 27 dieser Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 3 Mrd. GBP (4,3 Mrd. EUR) sind abgeschlossen, in Betrieb oder noch im Bau befindlich. (...)

5.4.3

Mindestens drei weitere europäische Länder (Portugal, Spanien und Italien) leiten jetzt umfangreiche ÖPP-Programme im Gesundheitswesen in die Wege.

5.4.4

Bemerkenswert ist auch, dass nationale ÖPP-Programme häufig mit relativ großen, von der Zentralregierung unterstützten Projekten beginnen, an die sich später kleinere (in einigen Fällen wiederkehrende) Projekte auf kommunaler oder regionaler Ebene anschließen.“

5.4.5

Der Ausschuss weist auf die Notwendigkeit hin, in der Wirtschaftspolitik der Europäischen Union einen ganzheitlichen Ansatz für Forschung, Entwicklung und Innovation zu verfolgen. Er vertritt die Ansicht, dass die Möglichkeiten der Europäischen Investitionsbank in diesem Bereich nicht voll ausgeschöpft werden. Er schlägt daher vor, dass sie einen beträchtlichen Teil ihrer Ressourcen in diesem Bereich einsetzen sollte, vor allem für angewandte Forschung und Innovation. Dies erfordert eine kreative Nutzung aller EIB-Instrumente — einschließlich der ÖPP — im Bereich der Forschung, die in den meisten Fällen durchaus im Dienst der Allgemeinheit steht.

6.   Bemerkungen zu den Zahlungsmechanismen und ÖPP-Konstruktionen

6.1

„Bei der Strukturierung der Zahlungsmechanismen im Zusammenhang mit ÖPP-Projekten im EIB-Portfolio gibt es eine erhebliche Vielfalt, die die Vielfalt der PPP-Konstruktionen in Europa widerspiegelt. (...)“

6.2

Die Zahlungen des Staates spielen eine wesentliche Rolle. „In einigen Fällen wurde für die Konzessionsnehmer ein direkter Anreiz geschaffen, die Sicherheit zu verbessern (durch eine gute Instandhaltung, verbesserte Beleuchtung usw.), indem an die Zahl der Verkehrsunfälle geknüpfte Zahlungen vereinbart wurden.

6.3

In der Praxis hat die Bank eine allgemeine Tendenz des öffentlichen Sektors festgestellt, bei öffentlich-privaten Partnerschaften im Verkehrssektor verfügbarkeitsabhängige Zahlungen gegenüber Mautsystemen immer häufiger zu bevorzugen. Die von ÖPP-Konstruktionen gebotene Möglichkeit der Anwendung unterschiedlicher Zahlungsmechanismen zum Erreichen unterschiedlicher politischer Ziele und die Optimierung der Risikoteilung ist jedoch ein Hauptmerkmal und eine der größten Stärken öffentlich-privater Partnerschaften. (...)

6.4

Angesichts der Bereitschaft der EU-Kommission, in den neuen Mitgliedstaaten in geeigneten Fällen Mittel der Struktur- bzw. des Kohäsionsfonds zur Teilfinanzierung des Beitrags des öffentlichen Sektors zur Verfügung zu stellen, ist die Zusammenarbeit der nationalen Task-Forces mit der Generaldirektion Regionalentwicklung (GD Regio) und anderen Dienststellen der Kommission ebenfalls sehr wünschenswert. (...)“

7.   Zusätzlicher Nutzen des Know-hows der EIB im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften

7.1

„Die EIB hat für die von ihr finanzierten ÖPP-Projekte einen erheblichen zusätzlichen Nutzen bewirkt. Angesichts der langen wirtschaftlichen Nutzungsdauer der finanzierten Anlagen und der typischen Entwicklung des Cashflow während der Projektlebensdauer sind die von der Bank angebotenen langen Darlehenslaufzeiten und tilgungsfreien Zeiträume aus finanzieller Sicht für große Infrastrukturvorhaben besonders geeignet. (...)

7.2

Überdies verbessern die Kosten der EIB-Mittel den Gegenwert, den der öffentliche Sektor für die eingesetzten Mittel erhält. Durch die Verbessung der Wirtschaftlichkeit der Projekte ergeben sich auch Vorteile für die anderen Geldgeber. (...)

7.3

Der hohe Standard der Due-Diligence-Prüfungen der EIB sowie ihre Bereitschaft, die Verbindlichkeiten bis zur Fälligkeit zu halten (d.h. sie nicht zu verkaufen oder die Mittel im Rahmen von Konsortien bereitzustellen, was bei anderen vorrangigen Geldgebern üblich ist), bieten dabei dem öffentlichen Sektor in hohem Maße Stabilität, Solidität, das Sammeln von Erfahrungen und einen zusätzlichen Nutzen.

7.4

Die Fähigkeit der Bank, im Rahmen der vorausgehenden Projektprüfung den öffentlichen Sektor im Hinblick auf die Entwicklung der ÖPP-Programme oder einzelnen vorrangigen Projekte, die Modellcharakter haben, entweder direkt oder indirekt (...) zu beraten, ist vom öffentlichen Sektor bisher ebenfalls sehr begrüßt worden in den Fällen, in denen die Bank von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. (...)

7.5

In diesem Zusammenhang kann eine Beteiligung der Bank an einem Projekt aufgrund ihres einzigartigen Status als ‚unparteiischer‘ und keinen Erwerbszweck verfolgender Geldgeber, der an politischen Vorgaben orientiert ist und über erhebliches technisches Know-how verfügt, einen wichtigen Beitrag zur Vertrauensbildung zwischen den Beteiligten des öffentlichen und des privaten Sektors an einem Projekt leisten. Ein Beispiel für die Katalysatorwirkung der Bank ist die neue Brücke über den Tejo, das Vorzeigeprojekt des portugiesischen ÖPP-Programms, bei dem diese Rolle besonders anerkannt wurde.

7.6

Schließlich war die EIB auch in der Lage, innovative und flexible Finanzierungsstrukturen für ÖPP-Projekte zu entwickeln. (...) Gemäß der Wachstumsinitiative arbeitet die Bank außerdem an der weiteren Entwicklung einer umfangreichen Palette von Finanzierungsinstrumenten wie beispielsweise Garantien, nachrangigen und Mezzanine-Finanzierungen sowie Infrastrukturfonds. Ferner möchte sie den Einsatz von Verbriefungen ausweiten, die ein geeignetes Instrument sind, um die Beteiligung des privaten Sektors an der Durchführung öffentlicher Infrastrukturvorhaben zu erleichtern. In Verbindung mit der Bedeutung, die andere Geldgeber der Due-Diligence-Prüfung der Bank beimessen, tragen diese Innovationen dazu bei, dass die Bank ihrer Rolle als Katalysator für die Mobilisierung anderer Mittelquellen gerecht werden kann.“

7.7

Der EWSA hält fest, dass die EIB durch die Senkung der Kosten und eine strikte Politik der Projektbewertung und Risikoübertragung einen Beitrag zur Unterstützung der staatlichen Stellen bei der Durchführung von ÖPP-Projekten in den Mitgliedstaaten leisten kann.

8.   Schlussfolgerungen

8.1

Der EWSA begrüßt den wichtigen Beitrag, den die EIB zur Förderung der ÖPP und zur Unterstützung der Erweiterung und Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten leistet, insbesondere durch die Kofinanzierung neuer Vorhaben in folgenden Bereichen:

TEN und (...) Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur;

Schul- und Hochschulausbildung;

primäre und sekundäre Gesundheitsversorgung; und

Verbesserung der Umweltbedingungen. (...)

Der EWSA empfiehlt der EIB jedoch, ihre Tätigkeit auf die Finanzierung von angewandter Forschung und Innovation, einschließlich Patente, auszuweiten, damit sich die EU auf dem Weltmarkt eine führende Stellung sichern kann.

8.2

Der EWSA hat in seiner Stellungnahme zu dem „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ (15) auf die Notwendigkeit hingewiesen:

bei ÖPP-Bauvorhaben die Sozialstandards, Gesundheitsvorschriften und Zugänglichkeitsbestimmungen einzuhalten. Die EIB sollte bei den von ihr kofinanzierten Vorhaben die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen in den verschiedenen Phasen von Planung, Bau und Betrieb sicherstellen;

einen lauteren Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Trägern zu gewährleisten. Die EIB muss daher bei den von ihr kofinanzierten Projekten auf die strenge Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen (rechtlich und steuerlich) für öffentliche und private Träger achten; insbesondere darf das Vergabeverfahren nicht durch staatliche Beihilfen verfälscht werden;

systematisch die ÖPP-Projekte einer Überprüfung zu unterziehen und dabei eine Liste von Kriterien anzuwenden, die die Entwicklung der Kosten der verschiedenen Alternativen sowie die Erfahrungen aller betroffenen Akteure, darunter Arbeitnehmer und Verbraucher, berücksichtigen.

8.3

Der EWSA ist der Auffassung, dass alle öffentlichen ÖPP-Sachverständigengremien der Mitgliedstaaten untereinander und mit der EIB zusammenarbeiten müssen, um der Kommission zu gegebener Zeit eine Zusammenstellung beispielhafter Verfahren vorlegen zu können, auf deren Grundlage eine Debatte zur Verbesserung des Rechtsrahmens der Gemeinschaft eingeleitet werden kann.

8.4

Angesichts des Umfangs des Engagements der EIB und ihrer Erfahrung im Bereich ÖPP schlägt der EWSA vor, dass einmal pro Jahr die Erörterung eines von der EIB und der Kommission gemeinsam vorgelegten Berichts über die ÖPP auf der Tagesordnung des Rates Wirtschaft und Finanzen und des Rates Wettbewerbsfähigkeit stehen sollte.

Brüssel, den 10. März 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  „Die Rolle der EIB im Bereich öffentlich-private Partnerschaften (PPP)“, Europäische Investitionsbank, Juli 2004. Dieses Dokument wurde für die Studiengruppe des EWSA erstellt und kann per E-Mail (eco@esc.eu.int) beim Sekretariat des EWSA angefordert werden.

(2)  EWSA-Stellungnahme „Konzessionen und öffentlich-private Partnerschaften“, ABl. C 120 vom 20.5.2005 zu dem „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ (KOM(2004) 327 endg.).

(3)  Anmerkung der Übersetzung: Aus Gründen der Einheitlichkeit wird im Folgenden - auch in den dem EIB-Bericht entnommenen Textstellen - durchgängig die deutsche Abkürzung verwendet.

(4)  Im Rahmen des i2i-Programms der EIB-Gruppe werden Mittel für mittel- und langfristige Darlehen und Beteiligungen sowie Garantiestrukturen bereitgestellt. Weitere Informationen über dieses Programm, das den Zielen der Lissabon-Strategie Rechnung trägt, können auf der Website der EIB unter der Adresse www.bei.org aufgerufen werden.

(5)  Vgl. Bericht an den ECOFIN-Rat vom 25. November 2003 – Verwaltungsratsunterlage 03/515.

(6)  EWSA-Stellungnahme „Konzessionen und öffentlich-private Partnerschaften“, ABl. C 120 vom 20.5.2005 zu dem „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ - KOM(2004) 327 endg.

(7)  Z.B. werden im Vereinigten Königreich etwa 60 % aller ÖPP-Transaktionen als bilanzwirksam eingestuft.

(8)  Eurostat-Entscheidung über Defizit und Schuldenstand - Behandlung öffentlich-privater Partnerschaften, Pressemitteilung STAT/04/18 vom 11. Februar 2004.

(9)  Der EWSA hat sich in seiner Stellungnahme zum Thema „Konzessionen und öffentlich-private Partnerschaften“, ABl. C 120 vom 20.5.2005 für eine langfristige Überprüfung auf der Grundlage der gesammelten Erfahrungen ausgesprochen.

(10)  Nahezu 30 % dieser künftigen Engagements weisen eine Tilgungsdauer von über 30 Jahren auf.

(11)  EWSA-Stellungnahme „Konzessionen und öffentlich-private Partnerschaften“, ABl. C 120 vom 20.5.2005 zu dem „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ - KOM(2004) 327 endg.

(12)  Die Berichte können auf der Website http://www.nao.org.uk aufgerufen werden.

(13)  http://www.tcontas.pt/pt/actos/rel_anual/2003/ra-2003-res.pdf

(14)  Der Bericht kann auf der Website http://www.tcontas.pt aufgerufen werden.

(15)  EWSA-Stellungnahme „Konzessionen und öffentlich-private Partnerschaften“, ABl. C 120 vom 20.5.2005 zu dem „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ - KOM(2004) 327 endg.


ANHANG 1

zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgende Änderungsanträge, die mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen auf sich vereinigten, wurden im Verlauf der Beratungen abgelehnt.

Ziffer 4.1.5: Nach dem zweiten Satz folgenden Satz hinzufügen::

„Bei manchen Projekten ist es in der Tat schwierig festzustellen, welches Risiko auf den privaten Sektor übertragen wurde.“

Begründung

Erfolgt mündlich.

Abstimmungsergebnis:

Nein-Stimmen: 69

Ja-Stimmen: 47

Stimmenthaltungen: 17

Ziffer 5.3.2: Nach dem zweiten Satz folgenden Text hinzufügen:

„Die Treasury Taskforce wird allerdings von einigen Sozialpartnern nicht als unparteiische Instanz betrachtet, da die Förderung von ÖPP-Projekten zu ihrem Aufgabengebiet gehört. Folglich ist ihre optimistische Bewertung umstritten, insbesondere weil die meisten ÖPP-Projekte noch nicht das Ende der Laufzeit erreicht haben und eines der frühesten Projekte, die Skye Road Bridge, vom öffentlichen Sektor finanziert werden musste.“

Begründung

Erfolgt mündlich.

Abstimmungsergebnis:

Nein-Stimmen: 74

Ja-Stimmen: 48

Stimmenthaltungen: 13


22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/60


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die neuen Mitgliedstaaten und die Grundzüge der Wirtschaftspolitik“

(2005/C 234/13)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 29. Januar 2004, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Die neuen Mitgliedstaaten und die Grundzüge der Wirtschaftspolitik“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 16. Februar 2005 an. Berichterstatter war Herr Koulumies.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 9./10. März 2005 (Sitzung vom 10. März) mit 170 gegen 2 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

ZUSAMMENFASSUNG

Die Grundzüge der Wirtschaftspolitik 2003-2005 bestätigten die wirtschaftspolitische Strategie, die auf drei Kernelementen aufbaut: die auf Wachstum und Stabilität ausgerichtete Wirtschaftspolitik, die Wirtschaftsreformen zur Förderung des europäischen Wachstumspotenzials sowie die Stärkung der Nachhaltigkeit. Zugleich machte die Europäische Kommission deutlich, vor welch großen Herausforderungen die neuen Mitgliedstaaten stehen. Unter dem Blickwinkel Europäische Union als Ganzes sind die Auswirkungen der Erweiterung ungleichmäßig verteilt.

Die Mehrheit der neuen Mitgliedstaaten dürfte wohl den raschen Beitritt zur Euro-Zone anstreben. Die Erfüllung der Beitrittsbedingungen setzt voraus, dass diese Länder eine nachhaltige und disziplinierte Haushaltspolitik führen. Wenn der Stabilitätspakt auf lange Sicht funktionieren soll, wird er überarbeitet werden müssen. Diese Reform muss so angelegt sein, dass auf lange Sicht die Voraussetzungen für das Wachstum in der EU gesichert werden und sich alle Beteiligten stärker für die gemeinsamen Ziele engagieren. Die Forderung nach verbesserter Wettbewerbsfähigkeit richtet sich an alle Mitgliedstaaten der EU. Die neuen Mitgliedstaaten können sich langfristig nicht damit zufrieden geben, das jetzige Produktivitätsniveau der EU-15 zu erreichen. In die Informations- und Kommunikationstechnologie, in den Bereich Forschung und Entwicklung sowie in Bildung und Ausbildung muss unionsweit deutlich stärker als bislang investiert werden. Neben der wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit ist auch die Sicherung der nachhaltigen Entwicklung im Umweltbereich wichtig. Für die neuen Mitgliedstaaten ist unter anderem die verbesserte Effizienz beim Energieverbrauch ein vordringliches Anliegen.

Die schnelle Angleichung des Lebensstandards der EU-15-Staaten und der neuen Mitgliedstaaten ist bei weitem keine Selbstverständlichkeit. Wahrscheinlich wird dieser Prozess noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Die demografische Entwicklung ist eine der größten Herausforderungen für die ganze EU. Aus diesem Grunde müssen diverse Maßnahmen getroffen werden, um auf höhere Geburtenraten hinzuwirken. Unverzüglich sollten alle in der Europäischen Union vorhandenen Arbeitsressourcen mobilisiert werden, wobei insbesondere Frauen und Jugendlichen ein leichter Zugang zum sowie dauerhafter Verbleib auf dem Arbeitsmarkt ermöglicht werden sollte. Ältere Arbeitnehmer sollten zum Verbleib im Arbeitsleben angeregt werden. Wichtig ist, dass der Binnenmarkt vollendet und die gute Wirtschaftsführung aktiv gefördert werden.

1.   Die Behandlung der neuen Mitgliedstaaten in den früheren Grundzügen der Wirtschaftspolitik und Stellungnahmen

1.1

Unter „neue Mitgliedstaaten“ sind in dieser Stellungnahme die am 1. Mai 2004 der Union beigetretenen Staaten Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern zu verstehen.

1.2

Die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Kommission geben, ihrem Arbeitstitel entsprechend, sehr breit angelegte wirtschaftpolitische Ziele und Strategien vor. Dabei geht es jedoch eher um die Analyse des internen Funktionierens der Union als um das externe Umfeld. Besonders Fragen, die die neuen Mitgliedstaaten betreffen, sind vor dem Beitritt dieser Länder quasi gar nicht erörtert worden.

1.3

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat in seinen Stellungnahmen zu den Grundzügen der Wirtschaftpolitik die Kandidatenländer bereits in den Schlussfolgerungen seiner im März 2002 verabschiedeten Stellungnahme erwähnt. Seinerzeit stellte der Ausschuss fest, dass „die bevorstehende Erweiterung der Gemeinschaft […] es ebenfalls dringlich erscheinen lässt, die wirtschaftspolitischen Koordinierungsprozeduren neu zu überdenken“.

1.4

In der im März 2003 verabschiedeten Stellungnahme wurde auf die bevorstehende Erweiterung mehrfach Bezug genommen. In der Schlussfolgerung betonte der Ausschuss, dass eine der zentralen Erfordernisse für die kommenden Jahre „eine wirklich tatkräftige Unterstützung des Beitritts neuer Mitgliedstaaten“ sei. In den Statistiken im Anhang zu der Stellungnahme wurden die Angaben betreffend die damaligen Mitgliedstaaten und die beitrittswilligen Staaten in gleicher Weise behandelt.

1.5

In einer im Dezember 2003 verabschiedeten Stellungnahme zeigte sich der EWSA verwundert, „dass die auf drei Jahre ausgerichteten Grundzüge nur in einem einzigen Satz die Tatsache erwähnen, dass die Union in einigen Monaten zehn neue Mitgliedstaaten umfassen wird“. Diese Länder wurden lediglich aufgefordert, sich an den „Grundzügen“ zu orientieren. Diese Herangehensweise war nach Auffassung des EWSA nicht weitsichtig genug.

1.6

In dieser Stellungnahme wird auch auf die Auswirkungen der Erweiterung Bezug genommen, und zwar wie folgt: „Insbesondere die jetzt schon mangelhafte Koordinierung der Wirtschaftspolitiken wird durch die Erweiterung massiv erschwert werden. Denn durch die Erweiterung entsteht neuer Koordinierungsbedarf in zweifacher Hinsicht: erstens innerhalb der einzelnen Politikbereiche […], und zweitens zwischen den drei großen Bereichen der Makropolitik, wo die Differenzen durch die Erweiterung deutlich vergrößert werden.“

1.7

Zudem wird in der Stellungnahme vor möglichen Auswirkungen gewarnt, denn „die neuen Mitgliedsländer[werden] versuchen […], möglichst rasch die Kriterien zum Beitritt zur Wirtschafts- und Währungsunion zu erfüllen und sich in diesem Bemühen eng an den Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes orientieren […]“.

1.8

In seiner jüngsten Stellungnahme zu den Grundzügen der Wirtschaftspolitik „Für eine bessere Wirtschaftsführung in der EU“  (1) von 2004 stellt der EWSA fest, die Erweiterung der Union markiere den Beginn einer neuen Ära. Dem Titel entsprechend wird in der Stellungnahme die Regierungsführung untersucht, die für die Glaubwürdigkeit und die Effizienz der Union wesentlich ist. In dem Dokument heißt es: „Es ist dringend ein vertrauenerweckender institutioneller Rahmen erforderlich.“

1.9

In der Stellungnahme wird auch auf die Bewertung durch die Kommission in den Grundzügen der Wirtschaftspolitik 2004 verwiesen: „... kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Probleme der neuen Mitgliedstaaten bezüglich Haushaltssituation, Schuldenlage und Beschäftigung denen der EU-15 vergleichbar sind.“ Dies heißt jedoch nicht, dass die Probleme der neuen Mitgliedstaaten identisch mit denjenigen der EU-15 sind. Zudem gibt es in vielerlei Hinsicht erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Vergleiche dieser Art lassen sich nur teilweise anstellen. Die Anpassung der Rechtsvorschriften sowie der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Praktiken an das hoch entwickelte Niveau der EU-15 werde möglicherweise Schocks auslösen, heißt es in der Stellungnahme.

1.10

Folglich hat der Ausschuss in seinen früheren Stellungnahmen zu den Grundzügen der Wirtschaftspolitik die zentralen Probleme der neuen Mitgliedstaaten zumindest berührt, wenngleich ihnen vergleichsweise wenig Raum gewidmet wurde. Die Tatsache, dass die Kommission in ihren Mitteilungen die Auswirkungen der Erweiterung weder prognostiziert noch analysiert hat, war natürlich für den Inhalt der Stellungnahmen des EWSA mit maßgebend.

2.   Die Grundzüge der Wirtschaftspolitik in den neuen Mitgliedstaaten

2.1

Die Grundzüge der Wirtschaftspolitik 2003-2005 enthalten eine wirtschaftspolitische Strategie, die auf drei zentralen Faktoren beruht:

Ausrichtung der Wirtschaftspolitik auf Wachstum und Stabilität,

Wirtschaftsreformen, die das europäische Wachstumspotenzial erhöhen, sowie

Stärkung der Nachhaltigkeit.

2.2

In der ersten Jahreshälfte 2003 kam das Wirtschaftswachstum in der EU-15 quasi zum Erliegen. Zwar gab es erfolgreiche Wirtschaftsreformen, aber diese gingen nicht soweit, wie zum Erreichen der Lissabon-Ziele notwendig gewesen wäre. Die Produktivität stieg nur schleppend, und auch die Vollendung des Binnenmarktes kam nur wenig voran. Bei der nachhaltigen Entwicklung waren zwar gewisse Fortschritte zu verzeichnen, diese waren aber nicht zufriedenstellend. So misslang beispielsweise die Reduzierung der Treibhausgasemissionen trotz der guten Fortschritte, die Ende der 1990er zu verzeichnen waren.

2.3

Im April 2004 aktualisierte die Kommission ihre Grundzüge der Wirtschaftspolitik. Sie kam zu dem Schluss, dass die Strategie auch für die zur Union beitretenden Länder geeignet sei. Die neuen Mitgliedstaaten werden dieselben strukturellen Anpassungen wie die EU-15 zu bewältigen haben, wobei die Herausforderungen für die neuen Mitgliedstaaten zumeist bedeutend größer sind, in einigen Fällen aber auch kleiner.

2.4

Die Unterschiede zwischen den neuen Mitgliedstaaten sind sehr groß. Gleichwohl versucht die Kommission den jeweiligen Ländern die Empfehlungen zu geben, die den verschiedenen Entwicklungen gerecht werden.

2.5

Der Schwerpunkt bei der Aktualisierung der Grundzüge lag bei der Eingliederung der neuen Mitgliedstaaten in das jetzige wirtschaftspolitische Koordinatensystem. Die strukturellen Anforderungen an die neuen Länder sind im Schnitt größer, da:

die Arbeitslosigkeit verglichen mit den Mitgliedstaaten der EU-15 fast doppelt so hoch ist,

sich das Defizit der öffentlichen Haushalte in den Jahren 2000-2004 durchschnittlich auf etwas mehr als ca. 4 Prozent des BIP beläuft,

das kaufkraftbereinigte Einkommensniveau bei etwa der Hälfte desjenigen in der EU-15 liegt,

in den neuen Mitgliedstaaten ein sehr hoher Anteil der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig ist und

viele der neuen Mitgliedstaaten hohe Leistungsbilanzdefizite aufweisen.

2.6

Eine Voraussetzung für den Erfolg einer auf Wachstum und Stabilität ausgerichteten Wirtschaftspolitik ist, dass sich die neuen Mitgliedstaaten um eine Stabilisierung ihrer öffentlichen Haushalte und die Reduzierung der Leistungsbilanzdefizite bemühen, besonders dann, wenn das Defizit eher auf den Konsum als auf Investitionen zurückzuführen ist.

2.7

Das Wachstumspotenzial muss durch von den Sozialpartnern ausgehandelte Reformen erhöht werden, die zugleich auch den auf dem Arbeitsmarkt stattfindenden Strukturwandel absichern (u.a. im Bereich der beruflichen Bildung), die Produktivität beispielsweise durch mehr Wettbewerb, die Reduzierung der Regulierungsmaßnahmen zur Steigerung ihrer Wirksamkeit und die Weiterentwicklung der Kapitalmärkte verbessern. Die soziale Nachhaltigkeit kann gefördert und die Armut bekämpft werden, indem der Arbeit die zentrale Rolle zugewiesen wird. Bei der Verbesserung der Nachhaltigkeit im Bereich Umwelt kommen den Investitionen in den Verkehrs- und Energiesektor, neben der Wirtschaft und der Landwirtschaft, eine wichtige Rolle zu.

2.8

Die Kommission hebt die Tragweite der Herausforderungen für die neuen Mitgliedstaaten sowie die Schwierigkeiten der anstehenden politischen Entscheidungen hervor. In den Grundzügen der Wirtschaftspolitik werden die besonderen Umstände dieser Staaten berücksichtigt, beispielsweise indem länderspezifische Empfehlungen mit längeren Übergangszeiträumen als den für die EU-15 zulässigen Fristen versehen werden.

3.   Wirtschaftliche Entwicklung und Auswirkungen der Erweiterung

3.1   Wirtschaftliche Entwicklung und Aussichten in den neuen Mitgliedstaaten

3.1.1

Die Erweiterung wirkt sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. In der EU-15 zeichnete sich in der zweiten Jahreshälfte 2003 eine Wirtschaftserholung ab. Das Wachstum der Weltwirtschaft und das wieder erstarkende Vertrauen der Verbraucher beschleunigten die Wirtschaftserholung. Die Belebung des Verbrauchs kann teilweise mit dem historisch niedrigen Zinsniveau erklärt werden. Trotz der Wirtschaftsbelebung dauert es seine Zeit, bis sich dies in der Beschäftigungssituation bemerkbar macht. Die Unsicherheit der Verbraucher über ihr künftiges Einkommen belastet nach wie vor das Konsumverhalten, auch die Risiken im Zusammenhang mit der internationalen Entwicklung nehmen zu. Die Wirtschaftsbelebung in den EU-15-Ländern ist auch für die neuen Mitgliedstaaten von Bedeutung, da der Löwenanteil ihrer Ausfuhr für die Märkte der vorgenannten Länder bestimmt ist.

3.1.2

In den neuen Mitgliedstaaten betrug das Wachstum im Jahr 2003 durchschnittlich 3,5 Prozent. Besonders in den baltischen Ländern, in Ungarn und in Tschechien kurbelte der private Verbrauch das Wachstum an. Vor allem in der Slowakei und in Polen zog der Export an, in Polen stieg vor allem der Export hochwertiger Verarbeitungserzeugnisse an.

3.1.3

Der Anstieg der Investitionen war in einigen neuen Mitgliedstaaten bescheiden. Obgleich sich dies mit der internationalen Situation deckt, illustriert es zugleich auch die Verlangsamung des Reformprozesses in diesen Ländern. Die Annäherung des Zinsniveaus an das übrige EU-Niveau sowie die notwendige Verbesserung der Infrastruktur sind Faktoren, die vermehrte Investitionen auslösen sollten. Das Investitionsniveau ist in den neuen Mitgliedstaaten allgemein so hoch wie in der EU-15. Dies trägt dazu bei, das Wirtschaftswachstum in den neuen Mitgliedstaaten abzusichern.

3.1.4

Für 2004 und 2005 wird in den neuen Mitgliedstaaten ein Wirtschaftswachstum von durchschnittlich rund 4 % erwartet. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Wachstum in denjenigen neuen Mitgliedstaaten am größten sein wird, in denen das Pro-Kopf-BIP am niedrigsten ist. Am schnellsten dürfte die Entwicklung in Polen verlaufen, was auf die wachstumsfreundliche Finanzpolitik zurückzuführen ist. Von den neuen Mitgliedstaaten mit hohem Einkommensniveau wird besonders für Zypern ein relativ starkes Wirtschaftswachstum prognostiziert. Höhere Ölpreise könnten das künftige Wirtschaftswachstum in allen EU-Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

3.1.5

Abgesehen von Ungarn, der Slowakei und Slowenien bewegt sich die Inflationsrate in den neuen Mitgliedstaaten in jüngster Zeit auf demselben Niveau wie in der Eurozone. Obwohl sich die Inflation 2004 etwas beschleunigt hat — u.a. aufgrund des gestiegenen Ölpreises — wird für 2005 ein Rückgang auf 3 % erwartet.

3.1.6

Das Defizit der öffentlichen Haushalte betrug im Zeitraum 2000 bis 2003 in den neuen Mitgliedstaaten schätzungsweise 4,9 % des BIP. An den Endpunkten der Skala liegen Estland — mit einem Haushaltsüberschuss von 1 % — und Tschechien mit einem Defizit von 7 % des BIP. Außer in Tschechien überschritt das Defizit auch in fünf weiteren neuen Mitgliedstaaten — Malta, Polen, Slowakei, Ungarn und auf Zypern — die 3 %-Grenze (Quelle: siehe statistischer Anhang). Beschleunigt sich die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, so kann bei den meisten Ländern von einer Verbesserung der Situation ausgegangen werden.

3.1.7

Wie auch die EU-15 haben die neuen Mitgliedstaaten ihre Besonderheiten. Deshalb ist es nicht selten irreführend, die neuen Mitgliedstaaten en bloc zu betrachten. Generell lässt sich jedoch sagen, dass die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Mitgliedstaaten im Vergleich zur EU-15 relativ günstig verlaufen ist. Die EU-Mitgliedschaft, der relativ schnelle Anstieg der Binnennachfrage sowie die im Vergleich zur EU-15 niedrigeren Produktionskosten werden in den kommenden Jahren für eine Ausweitung der Produktion in diesen Ländern sorgen, was gleichzeitig eine Nachfrage nach Investitions- und Konsumgütern aus der EU-15 schaffen dürfte.

3.2   Makroökonomische Effekte der Erweiterung in der EU

3.2.1

Die Auswirkungen der Erweiterung sind zwischen den neuen Mitgliedstaaten und der EU-15 ungleichmäßig verteilt. Dies liegt vor allem daran, dass die neuen Mitgliedstaaten bei ihrem Außenhandel stark auf die EU-15 bezogen sind, während die Bedeutung der neuen Mitgliedstaaten für die EU-15 geringer ist. Die Handelsbeziehungen vieler alter Mitgliedstaaten sind traditionell hauptsächlich auf andere westlichen Industrieländer, beispielsweise die Vereinigten Staaten, ausgerichtet.

3.2.2

Der Beitrittsprozess der mittel- und osteuropäischen Staaten vollzog sich Schritt für Schritt und umfasste den Aufbau von Institutionen und den Abbau von Handelshemmnissen gegenüber der EU-15. Die bedeutendsten Handelsbeschränkungen betrafen den Warenverkehr mit Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Nach dem Beitritt bestehen die Beschränkungen vor allem aus Übergangsregelungen betreffend die Freizügigkeit von Arbeitnehmern und den Umweltschutz.

3.2.3

Es wird davon ausgegangen, dass die Erweiterung, wenn auch geringe, so doch positive Auswirkungen auf die EU-15 haben wird. Der Nutzen für die neuen Mitgliedstaaten wird wahrscheinlich größer sein. Dieser Nutzen entsteht insbesondere durch den Abbau der verbleibenden Handelshemmnisse sowie durch eine größere Freizügigkeit von Arbeitskräften und Kapital.

3.2.4

Zu beachten ist, dass sich die Auswirkungen der Erweiterung sehr unterschiedlich über die gesamte EU verteilen werden. Die stärksten Auswirkungen in der EU-15 werden in Regionen in Österreich, Deutschland und Finnland, die an die neuen Mitgliedstaaten angrenzen, zu verzeichnen sein. Je nach Sektor werden die Auswirkungen sehr unterschiedlich sein.

3.2.5

Die stärksten Auswirkungen der Erweiterung werden in arbeitsintensiven Sektoren, wie der Landwirtschaft, der Nahrungsmittelindustrie und dem Bausektor sowie vielen Dienstleistungssektoren zu verzeichnen sein, die aufgrund von Entfernungen bzw. von Vorschriften keinen Nutzen aus der räumlichen Streuung der Tätigkeiten ziehen können. Andererseits gibt es auch Industriezweige, deren Produktion leicht ins Ausland verlagert werden kann.

3.2.6

Das niedrige Kostenniveau in den neuen Mitgliedstaaten eröffnet der gesamten EU ferner eine potenzielle Möglichkeit mit Blick auf das Phänomen China. Die räumliche Nähe von Niedrigkostenländern bedeutet, dass es günstiger ist, in Europa zu produzieren als an weiter entfernten Standorten. Dies gilt insbesondere für die frühen Stadien des Lebenszyklus forschungsintensiver Produkte. Erst dann, wenn der Forschungsanteil an den Produktionskosten zurückgeht, würde die Produktion evtl. in weiter entfernte Länder mit noch niedrigeren Produktionskosten verlagert werden. Derzeit ist das Produktionskostengefälle zwischen den alten und den neuen Mitgliedstaaten noch groß, jedoch wird es allmählich kleiner werden.

4.   Besondere Fragen

4.1   Beitritt zur Eurozone

4.1.1

Die Mehrheit der Bevölkerung in den neuen Mitgliedstaaten dürfte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit einen schnellen Beitritt zur Eurozone wünschen. Um die Bedingungen für den Beitritt zur Eurozone zu erfüllen, wird sich eine nachhaltige, disziplinierte Haushaltsführung als unumgänglich erweisen. Besonders in den ersten Jahren der Mitgliedschaft ist hier mit großen Schwierigkeiten zu rechnen. Die Maastricht-Kriterien beziehen sich auf ein niedriges Inflations- und Zinsniveau, das Haushaltsdefizit, die Verschuldung der öffentlichen Hand und stabile Wechselkurse. Freilich gelten für alle Staaten der Union dieselben Anforderungen.

4.1.2

Eine zentrale Frage, die sich hier natürlich stellt, ist, wie sich das Streben nach Erfüllung der Maastricht-Kriterien auf die Wirtschaftsleistung der neuen Mitgliedstaaten auswirken wird. Wenn die Länder beim Beitritt zum WKM 2 versuchen, ihre Währung in den Grenzen der Schwankungsbreite zu halten, können ihre Währungen sehr schnell ins Visier von Währungsspekulanten geraten. Würde die Währungsstabilität mit hohen Zinsen aufrecht gehalten, hätte dies negative wirtschaftliche Auswirkungen, z.B. auf die Beschäftigung. Estland, Lettland und Slowenien sind die neuen EU-Staaten, die als erste in den WKM 2 eintreten, wobei die Schwankungsbreite für ihre Währungen relativ groß ist. Nur so können sie sich besser der gegen ihre Währung gerichteten möglichen Spekulationsgefahr erwehren. Die Currency-Board-Regelungen in Estland und Litauen tragen auch zur Stabilität ihrer Euro-Wechselkurse bei.

4.1.3

Die Zielvorgabe einer niedrigen Inflation ist bei einem schnellen Wirtschaftswachstum ebenfalls nicht ganz unproblematisch. In einigen der neuen Mitgliedstaaten war die Inflation seinerzeit höher als in der EU-15. Die Anpassung rasch wachsender Wirtschaften an eine besonders niedrige Inflation kann zu einer schädlichen Wachstumsbremse werden, da eine höhere Inflation oft auf natürliche Weise mit der Phase schnellen Wachstums in diesen Ländern einhergeht. Steigt die Produktivität schneller, kommt es gewöhnlich auch zu einem raschen Preisanstieg. Andererseits kann eine galoppierende Inflationsrate natürlich auch das Wirtschaftswachstum bremsen.

4.1.3.1

Gegenwärtig unbedenkliche Inflationsraten könnten bei Auslaufen der jeweiligen von den Beitrittsverträgen vorgesehenen Übergangsperioden unter Umständen zu hoch sein. In diesem Moment könnte die Inflation anziehen, da die befristete Erlaubnis, keine Mehrwertsteuer zu erheben oder reduzierte Verbrauchsteuersätze anzuwenden, sowie die Möglichkeit einzelstaatlicher Regelungen entfallen würden.

4.1.4

Stärker als in den großen Staaten ist die Wirtschaft der kleinen Länder an die Weltwirtschaft gekoppelt. Durch eine höhere Schuldenaufnahme bzw. ein größeres Haushaltsdefizit können diese Länder im Gegensatz zu größeren Staaten nicht das Wirtschaftswachstum ankurbeln — wie dies etwa im Vorfeld von Wahlen zu beobachten ist. Die öffentlichen Haushalte kleiner Länder sind gewöhnlich transparenter und leichter zu kontrollieren. Dies lässt vermuten, dass die kleineren der neuen Mitgliedstaaten als erste der Eurozone beitreten werden. In Estland ist der ausgeglichene Haushalt sogar gesetzlich vorgeschrieben.

4.1.5

Probleme könnten entstehen, wenn Staaten versuchten, die Maastricht-Kriterien sehr schnell zu erfüllen. Bevor sie der Eurozone beitreten, sollte der Wechselkurs ihrer Währung zwei Jahre lang ohne Neufestsetzung der Parität stabil gegenüber dem Euro sein. Zusätzlich zu den bereits in Ziffer 4.1.2 erwähnten Problemen laufen Staaten, die es zu eilig haben, Gefahr, dass ihr Wechselkurs beim Beitritt zu hoch oder zu niedrig bewertet wird. Durch eine Überbewertung ihrer Währung, die ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten beeinträchtigen würde, oder eine Unterbewertung, durch die Inflationsdruck entstehen würde, könnten daher die Dynamik ihrer Wirtschaft geschwächt und ihre Wachstumsvoraussetzungen verschlechtert werden. Im einen wie im anderen Fall würde Lohndruck entstehen, was das Problem der Betriebsverlagerungen verschärfen und die Binnennachfrage belasten würde, die nicht selten der Wachstumsmotor dieser Staaten ist. Die Parität des Eintritts in den Wechselkursmechanismus MCE-2 muss daher mit Umsicht festgelegt werden. Die Länder der Euro-Zone müssen jedoch in jedem Fall ihre Wettbewerbsfähigkeit im Auge behalten, selbst wenn der Wechselkurs zum Zeitpunkt des Beitritts auf einem angemessenen Niveau liegt.

4.1.6

Durch die Erweiterung befinden sich die EU-Mitgliedstaaten, die nicht Teil der Eurozone sind, zurzeit knapp in der Mehrheit, doch umfasst die Eurozone gemessen am BIP den weitaus größten Teil der EU. Der Beitritt neuer Staaten zur Eurozone in den nächsten Jahren wird die Voraussetzungen für eine Stärkung der internationalen Stellung des Euro verbessern.

4.2   Der Stabilitäts- und Wachstumspakt

4.2.1

Die öffentlichen Haushalte der meisten neuen Mitgliedstaaten sind annähernd nachhaltig. Nur vereinzelt übersteigt die Verschuldung 60 % des BIP. Wenn auch in einigen Staaten eine Zunahme der Schuldenlast aufgrund des Defizits der öffentlichen Haushalte droht, sollte bedacht werden, dass im Vergleich mit den Staaten der EU-15 die Höhe der Auslandsverschuldung in den neuen Mitgliedstaaten überhaupt nicht bedrohlich ist. Unionsweit haben sich die Mitgliedstaaten wiederholt zu den Lissabon-Zielen und dem Ziel einer soliden Haushaltspolitik bekannt.

4.2.2

Der Stabilitätspakt steht seit längerer Zeit im Kreuzfeuer der Kritik. Der Ausschuss hat mehrere Stellungnahmen zum Stabilitätspakt erarbeitet (2). Obwohl der Pakt keineswegs optimal funktioniert, hat er zur Wahrung der Haushaltsdisziplin beigetragen. Auch die gesteigerte Effizienz der Überwachung und die Transparenz des Defizitverfahrens haben dazu beigetragen, die Haushaltsdisziplin zu festigen. Die Mitgliedstaaten müssen eine klare Vorstellung von der Zukunft des Stabilitäts- und Wachstumspakts haben, um ihre Wirtschaftspolitik mittelfristig planen zu können.

4.2.3

Ungenaue bzw. mangelhafte Angaben der Mitgliedstaaten über die Haushaltsausgaben und -prognosen führen zu Schwierigkeiten bei der Kontrolle. Die Kommission und verschiedene Ausschüsse haben an gemeinsamen Kriterien für eine mehrseitige Überwachung und politische Koordination gearbeitet. Die Feinabstimmung der Methoden und Verfahren kann jedoch nicht ohne absolut zuverlässiges statistisches Datenmaterial erfolgen. Sowohl in einigen neuen Mitgliedstaaten als auch in einigen Staaten der EU-15 muss die Erhebung des statistischen Materials trotz der Fortschritte der letzten Jahre noch optimiert werden.

4.2.4

Sehr häufig wird die Meinung vertreten, dass der auf dem Vertrag von Maastricht basierende Stabilitätspakt anders interpretiert werden müsse. Viele der derzeit angewendeten Verfahren müssten in einer Union mit 25 Mitgliedstaaten gelockert werden. Die Behandlung der Stellungnahmen und der eigenen Programme der Kommission und der Mitgliedstaaten ist immer mehr zu einer Formalität geworden: Als immer wichtiger erweist sich die inoffizielle Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten. Die Glaubwürdigkeit der Einheitswährung darf jedoch nicht gefährdet werden.

4.2.5

Die Kontrolle der Wirtschaftpolitik und die Stabilisierung der öffentlichen Finanzen werden sich in den neuen Mitgliedstaaten schwierig gestalten. Besonders bei einer instabilen innenpolitischen Lage ist ein schwächeres Engagement zu verzeichnen. Trotz der grundlegenden Reformen, die von den neuen Mitgliedstaaten bei der Einführung der Marktwirtschaft durchgeführt wurden, stehen einige von ihnen vor schwierigen Entscheidungen, da die unumgänglichen strukturellen Erneuerungen gewöhnlich mit höheren öffentlichen Ausgaben verbunden sind. Die Zuweisung der öffentlichen Mittel ist in den neuen Mitgliedstaaten eine noch schwierigere Frage als in der EU-15.

4.2.6

Eine Teilüberarbeitung des Stabilitätspakts ist für sein langfristiges Funktionieren erforderlich. Die Überarbeitung muss das Engagement aller Beteiligten für die gemeinsamen Ziele stärken. Die Glaubwürdigkeit der Verpflichtung zu Stabilität der öffentlichen Haushalte, Haushaltsdisziplin, Nachhaltigkeit und haushaltspolitische Koordinierung in den neuen Ländern darf dabei keinen Schaden nehmen.

4.3   Unterschiede in Bezug auf den wirtschaftlichen Wohlstand und die Beschäftigungslage (3)

4.3.1

Das BIP der EU ist im Zuge der Erweiterung um nur 5 % in Marktpreisen gestiegen. Auch nach Kaufkraftbereinigung ist es um lediglich 10 % gestiegen, obwohl die Bevölkerung um beinahe 20 % zugenommen hat. Die neuen Mitgliedstaaten verbindet ihre relative Armut im Vergleich zum Durchschnitt der restlichen 15 Länder. Das kaufkraftbereinigte Pro-Kopf-BIP ist in den neuen Mitgliedstaaten nur halb so hoch wie in der EU-15. Wie schon bei der EU-15, so lassen sich auch bei den neuen Ländern bedeutende Abweichungen feststellen: Die wohlhabendsten der neuen Mitgliedstaaten sind Zypern, Slowenien und Malta. Zu den ärmsten zählen Polen sowie die baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland. Das BIP pro Kopf ausgedrückt in KKS ist in Slowenien und Zypern genauso hoch wie in Griechenland und Malta und entspricht in der Tschechischen Republik dem Portugals.

4.3.2

Laut Eurostat leben in den neuen Mitgliedstaaten 13 % der Bevölkerung unter der relativen Armutsgrenze. Der entsprechende Wert für die EU-15 beträgt 15 %. Die Armutsgrenze wird dadurch definiert, dass das verfügbare Einkommen eines Bürgers bzw. eines Haushalts mit dem Durchschnittseinkommen in Bezug gesetzt wird. Als Armutsgrenze werden 60 % des Einkommensdurchschnitts des jeweiligen Landes angegeben. Der geringe Unterschied zwischen diesen Prozentsätzen darf nicht über die Tragweite der sozialen Problematik hinwegtäuschen, da — wie oben ausgeführt — das Pro-Kopf-BIP, gemessen in Kaufkraftparitäten, in den neuen Mitgliedstaaten halb so hoch ist wie in den alten Mitgliedstaaten.

4.3.3

Die Einkommensverteilung innerhalb der neuen Mitgliedstaaten unterscheidet sich nicht wesentlich von der Einkommensstruktur innerhalb der EU-15. Bei den neuen Mitgliedstaaten weisen Tschechien, Ungarn und Slowenien die geringsten internen Einkommensunterschiede auf. Größenordnungsmäßig sind sie mit den nordischen Ländern vergleichbar. In Estland, Litauen und Lettland ist die Spreizung der Einkommen stärker ausgeprägt und lässt sich am ehesten mit den größeren Einkommensunterschieden in Irland und Großbritannien vergleichen. Die größte Einkommensdifferenzierung in der EU-15 weisen Irland und die südeuropäischen Länder auf. Das Problem der Ländervergleiche besteht darin, dass sie die landesinternen regionalen Unterschiede unberücksichtigt lassen, obwohl diese beträchtlich sein können.

4.3.4

Die Beschäftigungsquote in den neuen Länder liegt durchschnittlich bei nur 56 %, während sie in der EU-15 ca. 64 % beträgt. Wesentlich ist die Frage, ob es den Ländern gelingt, gleichzeitig ihre Produktivität und den Beschäftigungsgrad zu heben. Es scheint, dass die meisten neuen Mitgliedstaaten dem Produktivitätszuwachs den Vorzug geben, der ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit auch die der EU insgesamt erhöht. Die Lissabon-Strategie gibt hierauf eine Antwort, die weiterhin aktuell ist, wenn auch gewisse Nachbesserungen vorgenommen werden könnten.

4.3.5

In ihren Grundzügen der Wirtschaftspolitik (7.4.2004) stellt die Kommission fest, dass der geringen Beschäftigungsquoten Jugendlicher und älterer Arbeitnehmer in den neuen Mitgliedstaaten besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Außerdem müssen der Sozialschutz und die Qualifikationen der Arbeitnehmer weiter verbessert werden. Der Ausschuss hält diese Aspekte für wesentlich, und auch in der EU-15 sind diese Zielsetzungen wichtig.

4.3.6

Die neuen Mitgliedstaaten weisen in Bezug auf die Beschäftigungsquote von Frauen und älteren Arbeitnehmer untereinander große Unterschiede auf. In Estland, Lettland, Litauen, Slowenien, Tschechien und auf Zypern ist die Beschäftigungsquote der Frauen höher als im EU-15-Durchschnitt, in Polen und besonders auf Malta liegt sie hingegen wesentlich darunter. Die Beschäftigungsquote der älteren Erwerbstätigen ist in Estland, Lettland, Litauen Tschechien und auf Zypern höher als im EU-15-Durchschnitt, in den anderen neuen Mitgliedstaaten hingegen bedeutend niedriger. In allen anderen neuen Mitgliedstaaten lag die Arbeitslosenquote der Frauen 2003 außer in Estland und Ungarn geringfügig über der Arbeitslosenquote der Männer. Der Unterschied war auf Malta und in Tschechien besonders groß.

4.3.7

Im Zeitraum 2000-2003 sank die Arbeitslosigkeit in den neuen Mitgliedstaaten. Besonders ausgeprägt war dieser Trend in den baltischen Staaten, wo die Arbeitslosigkeit um ca. drei Prozentpunkte abnahm. In Slowenien und Ungarn verbesserte sich die Beschäftigungslage bereits Mitte der 90er Jahre. Im Anhang der Stellungnahme befinden sich statistische Angaben zur Beschäftigung und Arbeitslosigkeit.

4.3.8

Die Altersstruktur der Bevölkerung und der Zustand der Sozialschutzsysteme sind maßgebliche Faktoren für die Einkommensstruktur eines Landes. Die Überalterung steht mit dem niedrigen Einkommensniveau in den neuen Ländern in einem signifikanten Zusammenhang. In der niedrigsten Einkommensklasse sind die über 65-jährigen auf Zypern, in Tschechien, in der Slowakei, in Slowenien und in Litauen überrepräsentiert. Am stärksten von der Armut bedroht sind kinderreiche Familien, Haushalte von Alleinerziehenden sowie junge Eltern im Alter von 16-24 Jahren.

4.3.9

Der allgemeine Bildungsstand ist in den neuen EU-Ländern höher als in der EU-15. In den neuen Mitgliedstaaten haben ca. 89 % der 25-64-jährigen einen höheren Schulabschluss — in der EU-15 liegt der entsprechende Wert bei 65 %. Die meisten Bürger mit einer höheren Schulbildung gibt es in Tschechien, Estland und der Slowakei. In der EU-15 trifft das nur für Deutschland, Großbritannien und Schweden zu, wo der entsprechende Anteil 80 % der Bevölkerung übersteigt. Das hohe Bildungsniveau in Verbindung mit den günstigen Lohnkosten macht für Investoren die Attraktivität der neuen Mitgliedstaaten aus.

4.3.10

Das Wirtschaftswachstum ist in den neuen Mitgliedstaaten im Schnitt höher als in der EU-15. Die Einigung Europas ist jedoch längst nicht gleichbedeutend mit einer raschen Einebnung der Einkommensunterschiede. Bei dem derzeitigen Tempo wird dies noch Jahrzehnte dauern. Einer sehr schematischen Berechnung zufolge könnten Zypern und Malta am schnellsten den durchschnittlichen Lebensstandard der EU-15 erreichen. Dies würde immerhin gut 20 Jahre in Anspruch nehmen. Viele Faktoren, wie etwa die Strukturfonds der EU, könnten einen Beitrag zum schnellen Abbau der Einkommensunterschiede leisten. Der Anhang dieser Stellungnahme enthält Wirtschaftsdaten zu allen EU-Mitgliedstaaten.

4.4   Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität

4.4.1

In den neuen Mitgliedstaaten sind die Gesamtlohnkosten im Schnitt deutlich niedriger als in der EU-15. Gleichzeitig gelten ihre Arbeitsmärkte als sehr flexibel. Viele Produktionsbetriebe, in gewissem Umfang auch die Dienstleister, haben ihre Standorte in die neuen Mitgliedstaaten verlagert. Oft wird dabei aber außer Acht gelassen, dass das durchschnittliche Produktivitätsniveau in diesen Ländern auch deutlich unter dem der EU-15 liegt. Die Produktivität pro Erwerbstätigem lag kaufkraftbereinigt im Jahr 2003 in den neuen Mitgliedstaaten bei nur 54 % des Niveaus der EU-15.

4.4.2

Zu Beginn der 90er Jahre haben diese Staaten große öffentliche Sektoren „geerbt“; die Rechtsvorschriften sind in vielen Fällen als unflexibel zu bezeichnen. Gleichwohl haben diese Länder bei der Reform des öffentlichen Sektors gute Fortschritte erzielt, und nunmehr sind ihre öffentlichen Ausgaben in Relation zum BIP im Schnitt mit denjenigen der EU-15-Länder vergleichbar.

4.4.3

Die Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität erfordert Maßnahmen im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung, der Forschung sowie der Arbeitsorganisation. Außerdem müssen für die Gründung und den Betrieb kleiner Unternehmen bürokratische Hindernisse ausgeräumt und Unternehmertum gefördert werden. Die Wettbewerbsfähigkeit und die Produktivität verbessern sich auch, wenn ineffiziente und unrentable Unternehmen den Markt verlassen. Dadurch werden Ressourcen für einen wirksameren Einsatz frei. Derartige Umstrukturierungsmaßnahmen erfordern jedoch auch Anpassungsmaßnahmen für die von dieser Umstrukturierung betroffenen Personen (4).

4.4.4

Den neuen Mitgliedstaaten ist es bereits gelungen, von ihren flexiblen Märkten zu profitieren. Kapital, Technologie und oft sogar die Arbeitskräfte können ziemlich leicht von einem Land ins andere verlagert werden. Dieselbe Flexibilität der Strukturen erleichtert nämlich auch die Verlagerung von Arbeitsplätzen an andere Standorte. Langfristig müssen Nationen und Regionen auch mit dem Wettbewerbsfaktor „Infrastruktur“ punkten können, wozu die Informations- und Kommunikationstechnik und die Forschungskapazität gehören. Der Anteil der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung am Nationaleinkommen liegt in der EU-15 im Schnitt bei 2 %, in den neuen Mitgliedstaaten bewegt er sich in der Größenordnung von einem Prozent.

4.4.5

Die neuen Mitgliedstaaten können sich langfristig nicht damit zufrieden geben, das jetzige Produktivitätsniveau der EU-15 zu erreichen. In allen Mitgliedstaaten muss besonders in Know-how investiert werden. Die Verlangsamung des Produktivitätszuwachses in der EU erklärt sich durch geringe Investitionen und den geringen Technologieeinsatz. In die Informations- und Kommunikationstechnologie, in den Bereich Forschung und Entwicklung sowie in Bildung und Ausbildung muss unionsweit deutlich stärker als bislang investiert werden. Gerade die neuen Mitgliedstaaten werden vor eine große Herausforderung gestellt, die zugleich aber auch eine große Chance ist.

4.4.6

Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit setzt vielfach auch strukturelle Änderungen in verschiedenen Wirtschaftszweigen voraus. Besonders in den neuen Mitgliedstaaten kann die Wettbewerbsfähigkeit durch strukturelle Reformen in der Landwirtschaft und der Schwerindustrie verbessert werden.

4.5   Nachhaltige Entwicklung im Umweltbereich

4.5.1

Ein Kernpunkt der Strategie der Grundzüge der Wirtschaftspolitik ist die Stärkung der nachhaltigen Entwicklung. Neben der wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit kommt es für die neuen Mitgliedstaaten auch darauf an, die nachhaltige Entwicklung in Bezug auf die Umwelt zu sichern. Die Qualität der natürlichen Ressourcen und die Umwelt müssen unbedingt Berücksichtigung finden — auf längere Sicht zahlt sich dies auch wirtschaftlich aus.

4.5.2

Für die neuen Mitgliedstaaten ist die verbesserte Effizienz beim Energieverbrauch ein wichtiges Anliegen. Eurostat zufolge lag in der EU-15 der durchschnittliche Effizienzwert — also der Energieverbrauch im Verhältnis zum BIP in KKS in den Jahren 2000-2002 bei 173. In den neuen Mitgliedstaaten liegt er hingegen bei 258! Vom Standpunkt der für die nachhaltige Entwicklung bedeutsamen Energieeffizienz aus betrachtet, gibt es in den neuen Mitgliedstaaten also noch ein Verbesserungspotenzial.

4.5.3

Obwohl in den neuen Mitgliedstaaten bereits eine positive Entwicklung stattgefunden hat, ist dennoch ein großer Investitionsbedarf, besonders in der Energieerzeugung und zur Verbesserung des Wirkungsgrades beim Energieverbrauch im Verkehrswesen festzuhalten. Besonders der subventionierte Energieverbrauch muss aus Gründen des Umweltschutzes einer Überprüfung unterzogen werden. Der Ausschuss unterstützt die Empfehlung der Kommission, diejenigen Subventionen zu kürzen, die sich negativ auf die Umwelt auswirken und der nachhaltigen Entwicklung zuwider laufen.

4.5.4

Im Jahre 2003 wurde die Richtlinie über Strom aus erneuerbaren Energiequellen umgesetzt. Die Kommission stellt in ihren Grundzügen fest, dass bei der Erzeugung von „grüner“ Elektrizität nur sehr wenige Fortschritte erzielt werden konnten. Ausnahmen hierbei sind Deutschland, Spanien und Dänemark, wo dank der Windkraft positive Ergebnisse vorliegen.

4.5.5

Es wird Jahre dauern, bis in den neuen Mitgliedstaaten bei der Verwendung und Erzeugung von Energie dieselbe Energieeffizienz wie in der EU-15 erreicht wird. Die Größe der Aufgabe, die ihnen aus dieser Zielsetzung erwächst, darf diese Länder aber keineswegs davon abhalten, Anstrengungen auf dem Wege zur Sicherung der nachhaltigen Entwicklung zu unternehmen. Ein Aspekt dieser Bestrebungen sollte die Schärfung des allgemeinen Bewusstseins der Bevölkerung für die Bedeutung der nachhaltigen Entwicklung sein.

5.   Schlussfolgerungen

5.1

Die EU-15 hat in den vergangenen Jahren nicht dieselbe Dynamik im Wirtschaftswachstum vorzuweisen wie viele der neuen Mitgliedstaaten. Auch künftig wird das Wirtschaftswachstum in den neuen Mitgliedstaaten zumindest mittelfristig wahrscheinlich höher ausfallen. Das Wachstum kann auch mit Hilfe der Strukturfonds gefördert werden. Die Erweiterung kommt auch dem Wachstum in der EU-15 zugute.

5.2

Es ist durchaus nicht selbstverständlich, dass sich die unterschiedlichen Lebensstandards der EU-15 und der neuen Mitgliedstaaten rasch angleichen. Die politische Vereinigung ist nicht immer gleichbedeutend mit einer Verringerung der Unterschiede in Einkommen und Lebensstandard: Ein Beispiel für angleichende regionale wirtschaftliche Unterschiede, die nur schleppend beseitigt werden, liefert die deutsche Wiedervereinigung. Nicht einmal enorme Geldsummen und die Vereinigung der Institutionen vermochten hier Entscheidendes auszurichten.

5.3

Die Erweiterung der Europäischen Union wird den Handel, die Investitionen und, nach einer Übergangszeit, auch die Freizügigkeit der Arbeitskräfte zwischen den neuen Mitgliedstaaten und der EU-15 erleichtern. Das Wirtschaftsumfeld der neuen Mitgliedstaaten wird damit transparenter und die Unternehmen, die Investitionsvorhaben erwägen, können wirtschaftliche Entscheidungen leichter treffen. Zwischen den Ländern bleiben aber auch Unterschiede, die nicht in die Zuständigkeit der Europäischen Union fallen. In Steuerfragen berührt die Zuständigkeit der Europäischen Union heutzutage am ehesten den Mindestsatz bei der Mehrwertsteuer und einige Grundsätze der Unternehmensbesteuerung.

5.4

Die Übergangsregelungen betreffen vor allem die Freizügigkeit von Arbeitskräften zwischen den Staaten. In einigen Fällen können sie diese Freizügigkeit für bis zu sieben Jahre einschränken. Viele Länder der EU-15 sind von der Bevölkerungsalterung betroffen, diese Länder benötigen trotz einer hohen strukturellen Arbeitslosigkeit neue Arbeitskräfte. Durch die Übergangsfristen besteht die Gefahr, dass sowohl notwendige Strukturreformen in den neuen Mitgliedstaaten verzögert als auch das Wirtschaftswachstum in der EU-15 wie auch in den neuen Mitgliedstaaten gebremst werden könnten.

5.5

Unternehmen, die in den neuen Mitgliedstaaten investiert haben oder dies beabsichtigen, berichten, dass sie häufiger als in der EU-15 mit den Probleme von Übergangsökonomien konfrontiert werden, die nicht ausschließlich mit den Mitteln der Gesetzgebung angegangen werden können. Diese Probleme stehen oft im Zusammenhang mit Korruption. Korruption ist aber auch in der EU-15 keine unbekannte Größe.

5.6

Über Jahrzehnte verwurzelte gesellschaftliche Verhaltensschablonen ändern sich nur langsam. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union hat jedoch auch hier zu einem positiven Veränderungsdruck geführt. Die effiziente Nutzung des Potenzials der neuen Mitgliedstaaten setzt voraus, dass die gemeinsamen Rechtsnormen der Europäischen Union eingehalten werden. Dies betrifft vor allem die Binnenmarkt-Vorschriften, wichtig ist aber auch die unionsweit einheitliche Umsetzung anderer wettbewerbsrelevanter Bestimmungen, etwa in der Umweltgesetzgebung.

5.7

In den neuen Mitgliedstaaten besteht ein günstiges Verhältnis zwischen Lohnkosten und Bildungsniveau der Arbeitskräfte. Die Besteuerung ist ein weiterer Faktor, der die unternehmerischen Investitionen in den neuen Mitgliedstaaten beeinflusst. Von der Art der Unternehmenstätigkeit hängt ab, welche Faktoren für die Standortwahl ausschlaggebend sind.

5.8

Ein Wettlauf um die niedrigsten Steuersätze („race to the bottom“) birgt aber auch Gefahren in sich. So besteht die Möglichkeit, dass der öffentlichen Hand diejenigen Mittel fehlen, die notwendig sind, um die für den Aufholprozess notwendigen Investitionen in Infrastruktur und in das Sozialsystem zu finanzieren. Dadurch besteht auch die Gefahr, dass die Steuerlast auf den vergleichsweise immobilen Faktor Arbeit verlagert wird, was negative Auswirkungen auf die Beschäftigungslage mit sich brächte.

5.9

Zu Direktinvestitionen bzw. Totalverlagerungen in die neuen Mitgliedstaaten entschließen sich am ehesten Unternehmen mit einer bereits umfassenden Geschäftstätigkeit in diesen Ländern bzw. Unternehmen, deren Wettbewerbsvorteil sehr stark auf — im Vergleich zum Bildungsniveau — kostengünstiger Arbeitskraft beruht. Dieser Vorteil in den neuen Mitgliedstaaten spricht auch weiterhin für eine Verlagerung der Produktion von anderen Standorten, auch aus der EU-15. Überdies belebt die Geschäfts- und Produktionstätigkeit von Unternehmen aus den EU-15-Staaten in den neuen Mitgliedstaaten oftmals auch die wirtschaftliche Tätigkeit in den EU-15-Staaten. Dies lässt sich unter anderem an dem ansteigenden Handelsaufkommen zwischen der EU-15 und den neuen Mitgliedstaaten ablesen.

5.10

Die wirtschaftliche Angleichung der neuen Mitgliedstaaten und der EU-15 ist ziemlich günstig verlaufen. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, obwohl in der Zukunft mit Risiken zu rechnen ist. Das wahrscheinlichste Szenario sieht so aus, dass das im Vergleich zur EU-15 im Schnitt vorteilhafte Lohn- und Preisgefüge an Attraktivität einbüßt. Aufgrund des niedrigen Ausgangsniveaus dürfte dies jedoch noch lange dauern.

5.11

In der Tat ist der demografische Wandel eine der größten Herausforderungen für die EU, da das Ausscheiden von Arbeitskräften aus dem Arbeitsmarkt im Vergleich zu heute stark zunehmen wird. Der Verbleib älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt müsste somit aktiv und auf vielfältige Weise gefördert werden. Damit die Wettbewerbsfähigkeit langfristig gesichert ist, ist es auch besonders wichtig, auf eine höhere Geburtenrate hinzuwirken und alle Arbeitsressourcen der Union zu mobilisieren. Dies kann nur durch die Förderung der Gleichberechtigung von Frau und Mann und durch die Förderung der besseren Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienleben erreicht werden. Zugleich müssten in allen Mitgliedstaaten gesellschaftliche Ausgrenzung und Armut bekämpft werden, was auch den sozialen Zusammenhalt verbessern würde.

5.12

Die Sozialpartner sind in einigen neuen Mitgliedstaaten nur sehr schwach und nicht in einem einheitlichen Rahmen organisiert. Zwischen den einzelnen Gewerkschaften bestehen große Unterschiede in Bezug auf ihre Repräsentativität. Gemeinsam ist den meisten eine spärliche Mittelausstattung, gleiches gilt für Nichtregierungsorganisationen. Diese Organisationen müssen ihre Tätigkeiten ausbauen, damit ein erfolgreicher Dialog geführt werden kann. Zugleich können sie alle zur Schaffung wachstumsfreundlicher Bedingungen beitragen. Die soziale Konzertierung ist für eine starke und solidarische Integration Europas unverzichtbar.

5.13

Die Kommission sollte auch sorgfältig diejenigen internationalen Unsicherheitsfaktoren beobachten, die das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der EU gefährden, beispielsweise die Auswirkungen des gestiegenen Ölpreises oder der strukturellen Defizite der Vereinigten Staaten im Haushalt und der Handelsbilanz.

5.14

Alle Mitgliedstaaten müssen sich auch weiterhin um die Vollendung des Binnenmarkts, eine wirksamere Umsetzung der Lissabon-Reformen und eine bessere Economic Governance bemühen. Ohne diese Reformen könnten das Wirtschaftswachstum und der Wohlstand in der gesamten EU zurückgehen.

5.15

Obwohl in dieser Stellungnahme die neuen Mitgliedstaaten und die EU-15 zumeist als verschiedene Gruppen dargestellt werden, hat dies nur als grobe Verallgemeinerung Gültigkeit. In allen Ländern gibt es spezifische Probleme und Bedürfnisse.

Brüssel, den 10. Februar 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Stellungnahme des EWSA: „Für eine bessere Wirtschaftsführung in der EU“, ABl. C 74 vom 23.3.2005, verabschiedet am 15. September 2004.

(2)  Vgl. die letzte Stellungnahme des EWSA zu diesem Thema: „Haushaltspolitik und Investitionen“, ABl. C 110/19 vom 30. April 2004, S. 111-115.

(3)  Der Ausschuss möchte darauf hinweisen, dass für die wichtige Beurteilung in der Frage des Lebensstandards vorzugsweise auf das Konzept des „verfügbaren Einkommens von Haushalten“ zurückgegriffen werden sollte. Die diesbezüglichen statistischen Angaben sind bedauerlicherweise lückenhaft. Der EWSA möchte bei dieser Gelegenheit erneut fordern, die statistischen Dienste der EU auszubauen und die Zusammenarbeit zwischen den für diesen Bereich zuständigen einzelstaatlichen Behörden und EUROSTAT zu intensivieren.

(4)  Stellungnahme des EWSA: „Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen“, ABl. C 120 vom 20.5.2005.


22.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 234/69


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Grundregeln für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Verkehrs- und Energienetze sowie zur Änderung der Verordnung Nr. 2236/95 des Rates“

(KOM(2004) 475 endg. — 2004/0154 (COD))

(2005/C 234/14)

Der Rat beschloss am 9. März 2005, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 156 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 21. Februar 2005 an. Berichterstatter war Herr RANOCCHIARI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 415. Plenartagung am 10. März 2005 mit 112 gegen 8 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Im Jahr 2000 entfiel auf die Europäische Union ein Anteil von 15 % des weltweiten Energieverbrauchs; damit war die EU der größte Importeur und (nach den USA) der zweitgrößte Verbraucher; die Nachfrage nach Primärenergie stieg von 1990 auf 2000 um 10 %. Im gleichen Zeitraum wurden die politischen und wirtschaftlichen Systeme vieler der zehn neuen Mitgliedstaaten geändert und umstrukturiert, was zu einem Rückgang ihrer Primärenergienachfrage um 17 % geführt hat. Somit wuchs die Primärenergienachfrage der 25 Mitgliedstaaten insgesamt um durchschnittlich nur 6 %.

1.2

Das Szenario zur Entwicklung der Primärenergienachfrage von 2000 bis 2030 geht indes von einer durchschnittlichen Zunahme im Europa der 25 um 19,3 % aus, wobei die Nachfrage der zehn neuen Mitgliedstaaten am stärksten (um 26 %) wächst, während sie in den bisherigen 15 Mitgliedstaaten um 18,4 % zunimmt.

1.3

Um die Verbesserung des Systems in den zehn neuen Mitgliedstaaten zu belegen, braucht man nur die Entwicklung der Energieintensität (1) zu erwähnen, für die eine jährliche Steigerung um 1,7 % im Zeitraum 2000 — 2030 in den 25 Mitgliedstaaten angenommen wird, also gleich hoch wie im letzten Jahrzehnt (1990 — 2000). Diese Zahl kommt jedoch durch eine Steigerung von 2,6 % jährlich in den zehn neuen Mitgliedstaaten (im vorhergehenden Jahrzehnt 3,5 %) und einen Rückgang in den 15 bisherigen Mitgliedstaaten um 1,7 % jährlich zustande.

1.4

Und schließlich ist darauf hinzuweisen, dass dieses Szenario auch für die nächsten 25 Jahre von einer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ausgeht, die für 2020 mit noch fast 90 % eingeschätzt wird.

1.5

Der Verkehr, das Hauptthema dieses Verordnungsvorschlags, macht etwa 32 % des Energieverbrauchs aus und trägt mit mehr als 10 % zum BIP der EU bei; der Güter- und der Personenverkehr hat sich in den letzten 30 Jahren verdoppelt. Der Verkehrssektor beschäftigt derzeit etwa 10 Mio. Arbeitnehmer. Bis 2020 wird sich das gesamte Verkehrsaufkommen ungefähr verdoppeln; der Güterverkehr im Europa der 15 wird um 70 %, in den 10 neuen Mitgliedstaaten um etwa 100 % zunehmen; in den letzten 30 Jahren lag die Steigerung bei 185 % im Güterverkehr und bei 145 % im Personenverkehr. Diese enorme Zunahme hat auch einige negative Auswirkungen, insbesondere Staus, mit sich gebracht, die das BIP mit etwa 0,5 % im Jahr belasten; bis 2010 wird sich dieser Prozentsatz voraussichtlich verdoppeln und auf etwa 80 Mio. € belaufen. Tagtäglich sind 7 500 Straßenkilometer — also etwa 15 % des transeuropäischen Netzes der 15, und etwa 20 % des Eisenbahnnetzes durch Staus blockiert (2).

1.6

Die Schaffung eines dem zunehmenden Bedarf der EU angemessenen Verkehrs- (TEN Verkehr) und Energieinfrastrukturnetzes (TEN Energie) gehört seit über 10 Jahren zu den Gemeinschaftsstrategien und gilt zu Recht v.a. für die Vollendung des Binnenmarktes, aber auch zur Erreichung der Ziele von Lissabon als grundlegender Schritt. Der Europäische Rat von Barcelona hat 2002 betont, wie wichtig es ist, die vorhandenen elektrifizierten Netze auszubauen, und hat „für die Mitgliedstaaten einen Zielwert für deren Elektrizitätsverbund in Höhe von mindestens 10 % ihrer installierten Produktionskapazität bis 2005“ festgesetzt. Auch hat der Europäische Rat im Dezember 2003 die transeuropäischen Verkehrs- und Energienetze in den Mittelpunkt seiner Wachstumsförderung gerückt.

2.   Die derzeitige Lage

2.1

Zwar wurden die bestehenden Probleme und der künftige zusätzliche Bedarf klar erkannt; dennoch haben alle betroffenen Instanzen, angefangen bei den Mitgliedstaaten, noch keine angemessenen Maßnahmen getroffen. Es sei nur daran erinnert, dass von den 14 Großprojekten im Verkehrsbereich, die bis 2010 zu verwirklichen sich die Mitgliedstaaten 1994 (auf der Tagung des Europäischen Rates in Essen) verpflichtet hatten, Ende 2003 nur drei fertiggestellt waren und weniger als

Formula

der für die grenzüberschreitenden Verbindungen erforderlichen Investitionen getätigt worden war. Beim derzeitigen Investitionstempo könnte es noch zwanzig Jahre dauern, bis das Programm vollständig umgesetzt ist.

2.2

Nicht weniger gravierend ist das Problem der Energieversorgung, wenngleich der Investitionsbedarf der EU in diesem Bereich wesentlich geringer ist, wie weiter unten ausgeführt wird. Es besteht nämlich keine Entsprechung zwischen den physischen Möglichkeiten der Netze und den in der Regelung vorgesehenen Bestimmungen. Durch die für 2007 erwartete Liberalisierung dürfte ein echter Elektrizitätsbinnenmarkt entstehen; sie wird jedoch nur beschränkte Wirkung entfalten, wenn die heute unzureichenden und überlasteten Netze nicht ausgebaut werden. Wo auf dem Markt eine hohe Konzentration vorhanden ist, ist es daher von grundlegender Bedeutung, die physischen Schranken, die den Wettbewerb behindern, abzubauen, um negative Auswirkungen auf alle Verbraucher einschließlich der Privatpersonen zu vermeiden. Wobei zu bedenken ist, dass die Entwicklung erneuerbarer Energien Ad-hoc-Investitionen in die bereits vorhandenen Energiesysteme und –netze erfordern könnte.

2.3

Die Gründe für die bescheidenen Ergebnisse, die bisher mit Projekten im Bereich TEN Verkehr erzielt worden sind, wurden von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung von 2003 (3) wie folgt festgestellt und zusammengefasst:

mangelnder politischer Wille der Entscheidungsinstanzen der Mitgliedstaaten;

unzureichende Finanzmittel für das transeuropäische Netz;

Zersplitterung der für die Projekte zuständigen Einrichtungen.

2.4

Der Bericht der hochrangigen Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Karel Van Miert (ehemaliges für Wettbewerb zuständiges Kommissionsmitglied) vom Juni 2003 enthält eine Bestätigung der Bewusstwerdung dieser besorgniserregenden Lage, aber auch interessante Anregungen zur Überwindung dieses Engpasses. Darin wurde nicht nur der finanzielle Aspekt des Problems, sondern auch die organisatorischen und koordinatorischen Notwendigkeiten im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung berücksichtigt.

2.5

Auf der Grundlage des Van-Miert-Berichts legte die Europäische Kommission im Oktober 2003 einen Vorschlag zur Überarbeitung der Ausrichtungen der Transeuropäischen Verkehrsnetze mit einer aktualisierten Liste der inzwischen auf 30 angewachsenen prioritären Projekte einschließlich der 14 schon in Essen ausgewiesenen Projekte vor. Dieser Vorschlag wurde dann vom Parlament und Rat erörtert und am 29. April 2004 angenommen. Somit sind die neuen Ausrichtungen, Prioritäten und Merkmale der Projekte, auch hinsichtlich der zu erwartenden Kosten, mittlerweile gebilligt.

3.   Der Kommissionsvorschlag

3.1

Der nun vorliegende Verordnungsvorschlag ist erforderlich geworden, um die Kommission mit einem Rechtsinstrument auszustatten, das ihr eine Anwendung der — im Lichte der obigen Ausführungen überarbeiteten — allgemeinen Regeln für die Gewährung von Finanzhilfen ermöglicht und eine sichere und zuverlässige Finanzausstattung für den gesamten Planungszeitraum (2007–2013) vorsieht.

3.2

Es hatte sich nämlich gezeigt, dass die Wirkung der EU-Kofinanzierung sowohl quantitativ (durch einen höheren Prozentsatz als bisher) als auch qualitativ (durch den Einsatz neuer Finanzinstrumente) optimiert werden muss, um so Investitionen privater Geldgeber zu begünstigen, und zwar unter dem Blickwinkel eines immer stärkeren Ausbaus öffentlich-privater Partnerschaften (PPP).

3.3

Grundvoraussetzungen für die Gewährung von EU-Beihilfen sind, dass es sich um Projekte von gemeinsamem Interesse handelt, dass dadurch grenzüberschreitende Verbindungen geschaffen werden und dass diese Projekte zur Marktintegration in einem erweiterten Europa beitragen. Bei Verkehrsprojekten wird dabei ausdrücklich auf die Umweltwirkung geachtet, und durch Hochgeschwindigkeitsstrecken müssen herkömmliche Strecken für den Güterverkehr freigemacht werden, um einen Ausgleich zwischen den Verkehrsträgern zu erreichen. Aufgrund dieser Erwägungen sollen etwa 80 % der Finanzmittel auf andere Verkehrsträger als den Straßenverkehr entfallen. Prioritäre Aspekte im Energiebereich sind die Durchgängigkeit des Netzes, die Optimierung seiner Kapazität, die Integration des Binnenmarktes, die Einbindung der neuen Mitgliedstaaten in den Binnenmarkt und die Anbindung erneuerbarer Energiequellen.

3.4

Bei der Verfolgung dieser Ziele müssen folgende klare und objektive Kriterien der Mittelgewährung und der Kofinanzierung gelten: einerseits die Konditionalität, d.h. gezielte Fördermittel nach Kriterien der Auswahl und Konzentration, um Anbindungen mit dem höchsten gemeinschaftlichen „Mehrwert“ Vorrang zu geben; andererseits die Verhältnismäßigkeit der Förderung, die bei grenzüberschreitenden Anbindungen bis zu 30 % (in Ausnahmefällen 50 %) betragen darf. Im Gegenzug müssen die Mitgliedstaaten geeignete Garantien auf der Grundlage eines Finanzierungsplans und der festen Verpflichtung zur Durchführung des Vorhabens innerhalb der vorgesehenen Fristen bieten.

3.5

Für TEN sowohl im Verkehrs- als auch im Energiebereich kann die Unterstützung von Studien bis zu 50 % der förderungswürdigen Kosten betragen, während die Höchstrate der Förderung für Bauphasen im Verkehrsbereich für bestimmte Abschnitte der vorrangigen Vorhaben 30 % beträgt (50 % in außergewöhnlichen Fällen für grenzüberschreitende Abschnitte); bei anderen Vorhaben im gemeinsamen Interesse beträgt diese Höchstrate 15 %. Im Energiebereich beträgt der Höchstanteil der Kofinanzierung wie schon nach der derzeitigen Verordnung weiterhin 10 % (in Ausnahmefällen bei besonderen finanziellen Schwierigkeiten und bei Verbindungen mit benachbarten Ländern 20 %). Der niedrigere Kofinanzierungssatz im Energiebereich gegenüber dem Verkehrsbereich ist ebenso wie der große Unterschied zwischen den beiden Haushalten dadurch gerechtfertigt, dass im Energiebereich auch andere Gemeinschaftsinstrumente (Strukturfonds, EIB-Anleihen) eingesetzt werden können und auch ein starker Wettbewerb zwischen den Akteuren dieses eindeutig vom Markt bestimmten Sektors besteht. In der Tat können Anträge für das Verkehrsnetz nur von den Mitgliedstaaten gestellt werden, Anträge für das Energienetz jedoch auch von privaten Betreibern.

3.6

Für den Zeitraum 2000–2006 belaufen sich die verfügbaren Mittel nach der derzeitigen Verordnung auf gut 4,6 Mrd. €, davon 4,2 Mrd. für den Verkehrsbereich; hinzu kommen ab 2004 225 Mio. € infolge der Erweiterung. In der Praxis entspricht dies einer Verfügbarkeit von etwa 600 Mio. € jährlich in diesem Zeitraum.

3.7

Dem Verordnungsvorschlag zufolge soll die Mittelausstattung für TEN Verkehr im Zeitraum 2007–2013 auf 20,35 Mrd. € angehoben werden, d.h. auf 2,9 Mrd. jährlich (gegenüber 600 Mio. jährlich im vorhergehenden Siebenjahreszeitraum), während die Mittelausstattung für TEN Energie 340 Mio. € vorsieht, so dass sich die Gemeinschaftsmittel für TEN insgesamt auf 20,69 Mrd. € belaufen sollen.

3.8

Die Neuerung besteht — abgesehen von der Erhöhung der Gemeinschaftsmittel — darin, dass auch Risiken im Anschluss an die Bauphase durch Gemeinschaftsfinanzierungen gedeckt werden können, wenn besondere Vorkommnisse zu einer Verringerung der vorgesehenen Einnahmen führen sollten. Diese Garantie soll die Beteiligung des Privatsektors an der Finanzierung der Vorhaben erleichtern; sie beschränkt sich jedenfalls auf die Anlaufphase und sieht einen wesentlichen Beitrag auch der beteiligten Mitgliedstaaten vor.

3.9

Weitere Neuerungen betreffen die Projektverwaltung. Die Kommission schlägt vor, den Mitgliedstaaten die Hauptrolle bei der technischen Kontrolle und beim Beleg der Ausgaben einzuräumen. Außerdem behält sich die Kommission vor, einige Aufgaben der Programmverwaltung an eine noch zu schaffende „Durchführungsagentur für die transeuropäischen Verkehrsnetze“ abzutreten, ohne jedoch auf ihre eigenen Planungsbefugnisse zu verzichten.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Der EWSA befürwortet den Kommissionsvorschlag, denn er entspricht — wenn auch nicht uneingeschränkt — den in früheren Stellungnahmen wiederholt vorgetragenen Bemerkungen und Forderungen. (4)

4.2

Durch den Vorschlag wird nämlich die gewünschte Erhöhung des Gemeinschaftsbeitrags institutionalisiert, und im Hinblick auf eine öffentlich-private Partnerschaft werden sowohl den Mitgliedstaaten als auch den privaten Investoren größere Sicherheiten geboten. Der EWSA stellt diesbezüglich fest, dass die vorgesehene — im Vergleich zum bisherigen Betrag sicherlich deutliche — Mittelaufstockung an dem oben erwähnten zusätzlichen Bedarf gemessen werden muss. Es sei nur daran erinnert, dass die 30 vorrangigen Vorhaben im Verkehrsbereich einen Mittelbedarf in Höhe von 225 Mrd. € haben, wovon 140 Mrd. auf den Zeitraum 2007–2014 entfallen.

4.3

Der EWSA schließt sich der Definition der oben beschriebenen allgemeinen Grundsätze für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen an und befürwortet die Festlegung der Durchführungsbestimmungen zu diesen Grundsätzen im Komitologieverfahren zur Vereinfachung des Prozesses.

4.4

Der EWSA begrüßt auch, dass Mittel nicht nur für Vorstudien und Bauphasen, sondern auch — wenn auch nur in Ausnahmefällen — für die betriebliche Anlaufphase des Vorhabens vorgesehen sind. Nicht zu unterschätzen ist nämlich erstens die heikle Lage im Verkehrsbereich mit all ihren sattsam bekannten Auswirkungen (Staus, Luftverschmutzung, Sicherheit usw.), zu denen der EWSA schon mehrmals Stellung bezogen hat, und zweitens die Gefahr im Zusammenhang mit Energieversorgungsproblemen und mit der erforderlichen Interoperabilität der Energienetze.

5.   Besondere Bemerkungen und Schlussfolgerungen

5.1

Nach Ansicht des EWSA muss den Mitgliedstaaten gegenüber eine sehr strenge Politik verfolgt werden, damit keine Verzögerungen bei der Fertigstellung der von der EU festgelegten Infrastrukturarbeiten auftreten und die eingegangenen Verpflichtungen trotz etwaiger widriger Umstände im politischen oder wirtschaftlichen Bereich der Mitgliedstaaten eingehalten werden. Notfalls müssen, wenn Aufforderungen zur Klärung nichts fruchten, auch Sanktionen oder gar die Rückforderung der von der Kommmission gewährten Mittel vorgesehen werden; sie kann diese dann für andere Infrastrukturarbeiten verwenden, bei denen der Zeitplan bis dahin eingehalten wurde.

5.2

Der Ausschuss befürchtet allerdings, dass die verfügbaren Mittel trotz der vorgesehenen Erhöhungen nicht immer ausreichend sein werden, um private Investitionen anzuziehen und die eingegangenen Verpflichtungen unumkehrbar zu machen. Diesbezüglich hält der EWSA seine Anregung in einer früheren Stellungnahme (5) immer noch für aktuell, einen „europäischen Verkehrsinfrastrukturfonds“ einzurichten, der durch eine bescheidene Abgabe auf den Kraftstoffverbrauch im Europa der 25 finanziert würde, ohne dass diese Abgabe eine Erhöhung der Verbrauchssteuern verursacht. Sollte sich dies nicht durchsetzen lassen, könnte dieser Vorschlag so aufgegriffen werden, dass diese Abgabe nur in den Mitgliedstaaten eingeführt wird, die an Projekten für transeuropäische Verkehrsnetze beteiligt sind.

5.3

Der Verordnungsvorschlag, um den es hier geht, betrifft den Zeitraum 2007–2013; bis 2007 bleibt die derzeitige Verordnung in Kraft, welche die o.g. Mittelausstattung vorsieht. Dadurch besteht die Gefahr weiterer Verzögerungen und Meinungsänderungen bis zum Inkrafttreten der neuen Bestimmungen. Besser wäre ein möglichst starkes Vorziehen des Inkrafttretens der neuen Verordnung, um einen sofortigen Beginn der Arbeiten zu ermöglichen. Es ist nämlich zu betonen, dass angesichts der für die Festlegung der Arbeiten im Straßenverkehrsbereich erforderlichen technischen Fristen das Verkehrsaufkommen sicherlich noch weiter zunehmen wird, bis neue Infrastrukturen — auch für andere Verkehrsträger — verfügbar werden. Dadurch wird eine harmonische und ausgewogene Entwicklung stark erschwert.

5.4

Der EWSA befürwortet den Kommissionsvorschlag, statt des Mitentscheidungs- das Komitologieverfahren anzuwenden, um die Durchführungsmodalitäten zu den Grundsätzen für die Gewährung von Zuschüssen festzulegen. Diese Option geht in Richtung der stets geforderten Verschlankung und Vereinfachung der Verfahren. Der EWSA fragt sich hingegen, ob auch die etwaige Einsetzung einer „Durchführungsagentur für die transeuropäischen Verkehrsnetze“ dieser Notwendigkeit gerecht wird oder eher Überschneidungen zwischen den betroffenen Institutionen auslöst. Eine vorherige Klärung der Aufgaben, die dieser Agentur anvertraut werden sollen, durch die Kommission würde dazu beitragen, diese Bedenken zu zerstreuen.

5.5

Der EWSA unterstützt uneingeschränkt die von der Kommission vorgeschlagenen Ausrichtungen, bekräftigt jedoch, dass die verfügbaren Mittel erhöht werden sollten. Die Schaffung der geplanten Infrastrukturen wird zur nachhaltigen Entwicklung beitragen, da 80 % der Vorhaben anderen Verkehrsträgern als der Straße gelten, was zu einer Verringerung von Abgasen und Staus führt. Nicht zu vergessen ist auch die positive Auswirkung der Vorhaben zu mittelfristigen Arbeitsmöglichkeiten und — was nicht weniger wichtig ist — die langfristige Verbesserung der Lebensqualität der europäischen Bürger, insbesondere in Gebieten mit starkem Durchgangsverkehr.

5.6

Zusammenfassend kann der EWSA nur noch einmal seine feste Überzeugung bekräftigen, dass ein transeuropäisches Energie- und Verkehrsnetz, das bei der Schaffung der Voraussetzungen zur Gewährleistung des freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehrs eine ausschlaggebende Rolle spielt, eine strategische Notwendigkeit ist — ein unbedingtes und unumgängliches Ziel für die in der Strategie von Lissabon vorgesehene Schaffung einer integrierten und wettbewerbsfähigen Europäischen Union, die den Grundsätzen einer umweltverträglichen Entwicklung entspricht.

Brüssel, den 10. März 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Primärenergienachfrage pro BIP-Einheit zu Markt-Wechselkursen.

(2)  „EU Energy and Transport Outlook 2000 – 2004“.

(3)  Mitteilung vom 23.4.2003„Ausbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes: Neue Formen der Finanzierung, Interoperable elektronische Mautsysteme“.

(4)  Sondierungsstellungnahme zum Thema „Überarbeitung der Liste der TEN-Projekte bis 2004“ (ABl. C 10 vom 14.1.2004) und Stellungnahme zum Thema „Grundregeln für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Netze“(ABl. C 125 vom 27.5.2002).

(5)  Sondierungsstellungnahme zum Thema „Überarbeitung der Liste der TEN-Projekte bis 2004“, (ABl. C 10 vom 14.1.2004) . Der EWSA hatte in seiner Stellungnahme für den gesamten Straßengüter- und Straßenpersonenverkehr im Europa der 25 eine Abgabe von 1 ¢/l verbrauchtem Kraftstoff vorgeschlagen. Beim derzeitigen Verbrauch (ca. 300 Mio. t) würden somit pro Jahr ca. 3 Mrd. € in diesen Fonds fließen.


ANHANG

zur Stellungnahme des europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Auf folgenden abgelehnten Änderungsantrag entfiel mindestens Formula der abgegebenen Stimmen:

Ziffer 5.2

Wie folgt ändern:

„5.2.

Der Ausschuss befürchtet allerdings, dass die verfügbaren Mittel trotz der vorgesehenen Erhöhungen nicht immer ausreichend sein werden, um private Investitionen anzuziehen und die eingegangenen Verpflichtungen unumkehrbar zu machen. Diesbezüglich hält der EWSA seine Anregung in einer früheren Stellungnahme immer noch für aktuell, einen ‚europäischen Verkehrsinfrastrukturfonds‘ einzurichten, der durch eine bescheidene Abgabe auf den Kraftstoffverbrauch im Europa der 25 finanziert würde, ohne dass diese Abgabe eine Erhöhung der Verbrauchssteuern verursacht. Sollte sich dies nicht durchsetzen lassen, könnte dieser Vorschlag so aufgegriffen werden, dass diese Abgabe nur in den Mitgliedstaaten eingeführt wird, die an Projekten für transeuropäische Verkehrsnetze beteiligt sind.

Begründung

Wie der Berichterstatter vollkommen zu Recht schreibt, liegen Steuerfragen im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. Der Ausschuss kann und darf daher keine Steueränderungen vorschlagen.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen 43

Nein-Stimmen 65

Stimmenthaltungen 9