Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz (2002-2006)

Die Strategie zielt darauf ab, die Anwendung des geltenden Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu erleichtern und neue Impulse für den fraglichen Zeitraum zu geben. Ausgehend von der derzeitigen Sachlage nennt die Kommission drei Voraussetzungen, die zur Gewährleistung einer sicheren und gesunden Arbeitsumgebung erfüllt werden müssen: die Festigung der Präventionskultur, eine bessere Anwendung des geltenden Rechts und ein globales Konzept des „Wohlbefindens bei der Arbeit". Damit diese Bedingungen realisiert werden können, sieht die Gemeinschaftsstrategie drei große Richtungen vor: die Anpassung des Rechtsrahmens, die Förderung „innovativer Vorgehensweisen" (Ermittlung von bewährten Verfahren, sozialer Dialog, die soziale Verantwortung der Unternehmen) und schließlich die Förderung der Integration von Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz in die anderen Gemeinschaftspolitiken.

RECHTSAKT

Mitteilung der Kommission vom 11. März 2002 - Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz (2002-2006) [KOM (2002) 118 - nicht im Amtsblatt veröffentlicht]

ZUSAMMENFASSUNG

1. Der Europäische Rat von Lissabon hat unterstrichen, dass sich Europa im Übergang zu einer wissensbasierten Wirtschaft befindet, die durch tief greifende, die Zusammensetzung der Erwerbsbevölkerung, die Beschäftigungsformen und die Aufgaben des Arbeitsschutzes betreffende Veränderungen gekennzeichnet ist. Die Diagnose dieser verschiedenen Entwicklungen ermöglicht eine genauere Analyse der Probleme, für die die Strategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz Lösungen vorschlagen soll.

DEN WANDEL DER ARBEITSWELT BEGLEITEN

Entwicklung der Erwerbsbevölkerung: größerer Anteil der Frauen und älteren Arbeitnehmer

2. Die Entwicklung der Erwerbsbevölkerung erfordert ein globales Konzept für die Arbeitsqualität, in dem die besondere Situation der verschiedenen Altersgruppen und die Geschlechterperspektive berücksichtigt werden.

3. So geht die ständig wachsende Beteiligung der Frauen an der Arbeitswelt mit bestimmten spezifischen Anforderungen einher: Frauen sind nicht von den gleichen Berufskrankheiten betroffen wie Männer und erleiden auch andere Arbeitsunfälle. Diese Geschlechterspezifizität muss bei den Rechtsvorschriften stärker berücksichtigt werden. Zu diesem Zweck müssen besondere Anstrengungen auf dem Gebiet der ergonomischen Gestaltung der Arbeitsplätze und der Berücksichtigung physiologischer und psychologischer Unterschiede bei der Arbeitsorganisation unternommen werden.

4. Auch werden ältere (über 50-jährige) Arbeitnehmer im Allgemeinen Opfer besonders schwerer Unfälle, mit einer höheren Mortalität, da sie im Allgemeinen bei den manuellen Hochrisikoberufen in der Industrie überrepräsentiert sind.

Diversifizierung der Beschäftigungsformen

5. Die Zunahme der befristeten Arbeitsverträge und der atypischen Arbeitszeiten (Schichtarbeit oder Nachtarbeit) gehören zu den Faktoren, die das Risiko der Arbeitnehmer vergrößern. Dabei handelt es sich oft um unzureichend ausgebildete Arbeitnehmer, die auf Grund ihrer unsicheren Beschäftigungsverhältnisse schlecht motiviert sind und unter durch den Arbeitsrhythmus bedingten psychosomatischen Beschwerden leiden. Schließlich werfen neue Beschäftigungsformen wie Telearbeit neue Probleme auf, die stärker berücksichtigt werden müssen.

Wandel der Gefahren

6. Die Veränderungen der Arbeitsorganisation (stärkere Ergebnisorientierung und größere Flexibilität) wirken sich tief greifend auf die Gesundheitsprobleme am Arbeitsplatz und, allgemeiner gesprochen, auf das Wohlbefinden bei der Arbeit aus. So ist zu beobachten, dass Krankheiten wie Stress und Depressionen sowie Gewalt, Mobbing und Einschüchterungen am Arbeitsplatz stark zunehmen und im Jahr 1999 bereits für 18% der arbeitsbedingten Gesundheitsprobleme verantwortlich waren. Die auf diese neuen sozialen Risiken ausgerichteten Präventionsstrategien sollten auch die Auswirkungen von Abhängigkeiten auf das Unfallgeschehen berücksichtigen, insbesondere die Abhängigkeit von Alkohol und Arzneimitteln.

DREI UNUMGÄNGLICHE ANFORDERUNGEN AN EINE QUALITATIV hOCH STEHENDE ARBEITSUMGEBUNG

Globales Konzept des Wohlbefindens bei der Arbeit

7. Ziel der Gemeinschaftspolitik für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz muss die Förderung eines echten körperlichen, seelischen und sozialen „Wohlbefindens bei der Arbeit" sein, das sich nicht nur dadurch manifestiert, dass keine Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten auftreten. Um das zu erreichen, müssen mehrere einander ergänzende Teilziele verfolgt werden:

Echte Präventionskultur

8. Voraussetzungen für eine bessere Kenntnis der Risiken sind:

Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sollte treibende Kraft bei diesen Sensibilisierungs- und Antizipierungsaktionen sein.

Bessere Anwendung des geltenden Rechts

9. Die wirksame Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist für die Verbesserung der Qualität der Arbeitsumgebung unumgänglich. Aus diesem Grund wird die Kommission in Abstimmung mit den Sozialpartnern Leitfäden für die Anwendung der Richtlinien ausarbeiten und dabei die verschiedenen Wirtschaftszweige und unterschiedlichen Unternehmen berücksichtigen. Außerdem wird sie in enger Zusammenarbeit mit den einzelstaatlichen Behörden Maßnahmen zur Förderung einer korrekten und gleichwertigen Anwendung der Gemeinschaftsrichtlinien in die Wege leiten. Auch die Ausarbeitung gemeinsamer Arbeitsaufsichtsziele und gemeinsamer Methoden zur Bewertung der nationalen Arbeitsaufsichtssysteme muss gefördert werden. Außerdem müssen die von den Arbeitsaufsichtsbehörden durchgeführten Kontrollen zu einheitlichen Sanktionen führen, die gleichzeitig abschreckend und verhältnismäßig zu sein haben und auch tatsächlich angewandt werden müssen.

KOMBINATION VON JURISTISCHEN INSTRUMENTEN UND PARTNERSCHAFTEN DURCH EINEN GLOBALEN ANSATZ

10. Die Förderung einer guten Arbeitsumgebung unter Berücksichtigung der drei genannten Dimensionen erfordert einen globalen Ansatz, der sich auf alle verfügbaren Instrumente stützt.

Anpassung des juristischen und institutionellen Rahmens:

Förderung innovativer Vorgehensweisen:

- die Konvergenz der Politiken der Mitgliedstaaten fortschrittsorientiert zu fördern, durch Festlegung nationaler Ziele für die Verringerung der Zahl von Unfällen, Berufskrankheiten und der durch diese Unfälle und Berufskrankheiten verursachten Ausfalltage;

- die Aufdeckung neu auftretender Phänomene wie stressbedingte Beschwerden und Krankheiten und Muskel-Skelett-Erkrankungen zu erleichtern;

- das Wissen um die wirtschaftlichen und sozialen Kosten, die durch Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten verursacht werden, weiterzuentwickeln.

Der soziale Dialog und die Arbeit der Sozialpartner auf berufsübergreifender und sektorieller Ebene sind besonders geeignete Instrumente, da sie die Beschäftigung mit den speziellen Risiken und Problemen der einzelnen Branchen und Berufe ermöglichen. Sie führen oft zur Ausarbeitung von bewährten Verfahren und Verhaltenskodizes oder sogar Rahmenvereinbarungen.

Zahlreiche Unternehmen machen die Gewährleistung einer sicheren und gesunden Arbeitsumgebung zu einem wichtigen Kriterium bei der Auswahl ihrer Subunternehmer und bei der Vermarktung ihrer Produkte. Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz werden immer häufiger bei freiwilligen Zertifizierungs- und Label-Initiativen berücksichtigt. Eine gesunde Arbeitsumgebung ist Teil eines globaleren Konzeptes des Qualitätsmanagements, was wiederum der Leistung und der Wettbewerbsfähigkeit zugute kommt. Die Beziehungen zwischen Gesundheit am Arbeitsplatz und Wettbewerbsfähigkeit sind komplex und gehen weit über die Frage der durch die Einhaltung der Vorschriften entstehenden Kosten hinaus. So schlägt sich eine fehlende Arbeitsschutzpolitik in einem Verlust von Produktionskapazitäten und höheren Ausgaben für Entschädigungen nieder.

Die Festsetzung von Versicherungsbeiträgen in Abhängigkeit vom Unfallgeschehen stellt einen konkreten wirtschaftlichen Anreiz dar. Diese Praxis sollte systematischere Anwendung finden.

Integration von Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz in die anderen Gemeinschaftspolitiken

11. Die Förderung des Wohlbefindens bei der Arbeit kann sich nicht nur auf die Arbeitsschutzpolitik als einziges Mittel stützen. Es gibt enge Verbindungen zu anderen Gemeinschaftspolitiken wie zur Europäischen Beschäftigungsstrategie, zur Gesundheitspolitik, zur Vermarktung von Arbeitsmitteln und chemischen Stoffen aber auch zu anderen Politiken, die Schutzziele verfolgen und auf Präventionsmaßnahmen beruhen (Verkehrs-, Fischerei-, Umweltpolitik).

INTERNATIONALE DIMENSION VON SICHERHEIT UND GESUNDHEITSSCHUTZ AM ARBEITSPLATZ

Vorbereitung der Erweiterung

12. Um die Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstandes wirklich sicherzustellen, sind folgende Maßnahmen erforderlich:

Ausbau der internationalen Zusammenarbeit

13. Die Maßnahmen der Kommission müssen unbedingt mit der Tätigkeit der internationalen Organisationen (Weltgesundheitsorganisation und Internationale Arbeitsorganisation) abgestimmt werden, insbesondere beim Kampf gegen die Kinderarbeit und im Bereich der Auswirkungen der Abhängigkeit von Medikamenten und Alkohol auf Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz.

Im Rahmen der Arbeiten des Rates konnten mit Hilfe der genannten Koordinierung auf der Ebene der Allgemeinen Konferenzen der Internationalen Arbeitsorganisation Übereinkommen und Empfehlungen über den Arbeitsschutz in Bergwerken bzw. den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft, ein Protokoll und eine Empfehlung betreffend die Aufzeichnung und Meldung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten mit einer überarbeiteten Liste der Berufskrankheiten und außerdem eine Resolution über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz angenommen werden.

Die Zusammenarbeit mit Drittländern, insbesondere mit den Ländern das Mittelmeerraums und mit den ASEAN-Ländern (Vereinigung Südostasiatischer Nationen), den NAFTA-Ländern (Nordamerikanisches Freihandelsabkommen) und den Mercosur-Ländern (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay), ist entscheidend, wenn die Einhaltung von Mindeststandards auf dem Gebiet Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz gewährleistet werden soll.

Schließlich sollten die mit den USA aufgenommenen transatlantischen Beziehungen zur Zusammenarbeit und zum Erfahrungsaustausch im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz vertieft werden.

HINTERGRUND

14. Diese Strategie schließt an eine Mitteilung der Kommission aus dem Jahre 1995 über ein Gemeinschaftsprogramm im Bereich Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (1996-2000) an.

Seinerzeit lag der Schwerpunkt auf folgenden wichtigsten Themen:

Schlüsselzahlen des Rechtsakts

Letzte Änderung: 08.03.2004