Lebensversicherung: freier Dienstleistungsverkehr (bis November 2012)

Die Europäische Union fasst die besonderen Bestimmungen für den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr im Bereich der Lebensversicherungen im Hinblick auf die Vereinfachung der geltenden Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet neu.

RECHTSAKT

Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (Neufassung) [Vgl. ändernde Rechtsakte].

ZUSAMMENFASSUNG

Geltungsbereich

Die vorliegende Richtlinie betrifft die Aufnahme und Ausübung der selbständigen Tätigkeit der Direktversicherung durch Versicherungsunternehmen, die in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind oder planen, sich dort niederzulassen. Sie bezieht sich besonders auf Lebensversicherungen und Spargeschäfte auf Vertragsbasis.

Bedingungen für eine Zulassung

Die Aufnahme von selbständigen Tätigkeiten der Direktversicherung ist der vorherigen Zulassung unterworfen. Nach Zulassung durch die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedsstaats ist sie in der gesamten Europäischen Union (EU) gültig und erlaubt es dem Versicherungsunternehmen, dort Tätigkeiten entweder im Rahmen der Niederlassungsfreiheit oder der Dienstleistungsfreiheit auszuüben.

Für die Beantragung und den Erhalt einer Zulassung muss das Versicherungsunternehmen den folgenden Kriterien entsprechen: Annahme der zweckmäßigen Rechtsform, Besitz eines Mindestgarantiefonds, Lieferung der durch Aufsichtsbehörden geforderten Informationen. Jede Weigerung einer Zulassung muss der betreffenden Gesellschaft mitgeteilt und begründet werden. Ist dies der Fall, muss die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedsstaats die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedsstaaten davon in Kenntnis setzen, die dann ihrerseits die entsprechenden Maßnahmen ergreifen müssen.

Die Agenturen oder Zweigniederlassungen in der Europäischen Union mit Muttergesellschaften, deren Gesellschaftssitz außerhalb der EU belegen ist, erhalten eine Zulassung, wenn sie insbesondere die folgenden Kriterien erfüllt haben: Befugnis nach nationalem Recht, Schaffung einer Agentur oder einer Zweigniederlassung im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedsstaats, Benennung eines Hauptbevollmächtigten, der von der zuständigen Behörde zugelassen werden muss.

Finanzaufsicht

Die Finanzaufsicht fällt in die Zuständigkeit der Behörden des Herkunftsmitgliedsstaats. Diese Behörden überprüfen alle Tätigkeiten des Versicherungsunternehmens und seine Solvabilität. Sie vergewissern sich auch der Bildung versicherungstechnischer Rückstellungen, der ordnungsgemäßen Verwaltung und Buchhaltung und der Anwendung angemessener interner Kontrollverfahren innerhalb des Versicherungsunternehmens.

Aufsichtliche Bewertung

Die Richtlinie sieht insbesondere vor, dass die zuständigen Behörden eine angemessene Bewertung des Erwerbers und der finanziellen Solidität des angestrebten Erwerbs unter Berücksichtigung folgender Kriterien vornehmen:

Berufsgeheimnis

Die Richtlinie legt die Bedingungen für die Verwendung vertraulicher Informationen genau fest: So dürfen die zuständigen Behörden die Informationen nur im Rahmen ihrer Aufgaben verwenden und Personen, die in den zuständigen Behörden beschäftigt sind, unterliegen dem Berufsgeheimnis.

Versicherungstechnische Rückstellungen und Diversifizierung der Anlagen

Die Versicherungsunternehmen müssen versicherungstechnische Rückstellungen bilden, deren Summe mittels eines prospektiven versicherungsmathematischen Verfahrens ermittelt wird und deren Zinssatz von der zuständigen Behörde im Herkunftsmitgliedsstaat festgelegt wird. Die Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, der Öffentlichkeit ihre Bewertungsmethoden und –grundlagen für die versicherungstechnischen Rückstellungen zugänglich zu machen.

Die Richtlinie schreibt vor, dass die Versicherungsunternehmen ihre Anlagen diversifizieren: Diesbezüglich legt die Richtlinie die Schwellenwerte fest, die die Versicherungsunternehmen bei der Anlage der Vermögenswerte zur Deckung der versicherungstechnischen Rückstellungen zu beachten haben.

Solvabilitätsspannen und Garantiefonds

Jedes Versicherungsunternehmen muss über eine ausreichende Solvabilitätsspanne verfügen. Diese Spanne kann aus dem Vermögen – eingezahltes Stammkapital, Rücklagen und Gewinn- oder Verlustvortrag – oder anderen finanziellen Vermögenswerten des Versicherungsunternehmens bestehen.

Ein Drittel der Summe der Solvabilitätsspanne bildet den Garantiefonds. Dieser muss sich auf mindestens 3 Millionen Euro belaufen. Die Summe des Garantiefonds wird jedes Jahr überprüft.

Vertragsrechte und Versicherungsbedingungen

Das Gesetz des Mitgliedsstaats, in dem die Verpflichtung eingegangen wird, ist auf die unter die Richtlinie fallenden Verträge anzuwenden. Jedoch sollen gewisse Bestimmungen die Wahlfreiheit für ein anderes Vertragsrecht garantieren. Ein Versicherungsnehmer, der aus eigener Initiative eine individuelle Lebensversicherung abschließt, hat 14 bis 30 Tage Zeit, von diesem Vertrag zurückzutreten.

Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit

Jedes Versicherungsunternehmen, das eine Zweigniederlassung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats eröffnen oder die Tätigkeiten in einem oder mehreren Mitgliedsstaaten im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit ausüben möchte, teilt dies der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedsstaats mit und übermittelt ihr die notwendigen Informationen. Es obliegt dem betreffenden Mitgliedsstaat, die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung jeder rechtswidrigen Handlung eines Versicherungsunternehmens im Hoheitsgebiet zu ergreifen.

Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten und der Kommission

Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten arbeiten eng mit der Kommission zusammen. Dabei werden sie vom Versicherungsausschuss zwecks Vereinfachung der Überwachung der Versicherungsunternehmen unterstützt.

Diese Richtlinie wird mit Wirkung ab dem 1. November 2012 durch die Richtlinie betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit aufgehoben.

Bezug

Rechtsakt

Datum des Inkrafttretens

Termin für die Umsetzung in den Mitgliedstaaten

Amtsblatt

Richtlinie 2002/83/EG [

19.12.2002

Laut den Paragraphen:19.6.200417.11.200220.9.2003

ABl. L 345, 19.12.2002

Ändernde(r) Rechtsakt(e)

Datum des Inkrafttretens

Termin für die Umsetzung in den Mitgliedstaaten

Amtsblatt

Richtlinie 2004/66/EG

1.5.2004

1.5.2004

ABl. L 168, 1.5.2004

Richtlinie 2005/1/EG

13.4.2005

13.5.2005

ABl. L 79, 24.3.2005

Richtlinie 2005/68/EG

10.12.2005

10.12.2007

ABl. L 323, 9.12.2005

Richtlinie 2006/101/EG

1.1.2007

1.1.2007

ABl. L 363, 20.12.2006

Richtlinie 2007/44/EG

21.9.2007

20.3.2009

ABl. L 247, 21.9.2007

Richtlinie 2008/19/EG

20.3.2008

-

ABl. L 76, 19.3.2008

Die Änderungen und Berichtigungen der Richtlinie 2002/83/EG wurden in den Ursprungstext eingearbeitet. Diese konsolidierte Fassung hat ausschließlich dokumentarischen Charakter.

Letzte Änderung: 26.10.2011