25.5.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 139/1


BESCHLUSS DER EFTA-ÜBERWACHUNGSBEHÖRDE

Nr. 262/02/KOL

vom 18. Dezember 2002

über die 35. Änderung der verfahrens- und materiellrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen durch Einführung neuer Leitlinien im Zusammenhang mit der Methode für die Analyse staatlicher Beihilfen in Verbindung mit verlorenen Kosten

DIE EFTA-ÜBERWACHUNGSBEHÖRDE —

GESTÜTZT AUF das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (1), insbesondere auf Artikel 61 und 63,

GESTÜTZT AUF das Abkommen zwischen den EFTA-Staaten über die Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofes (2), insbesondere auf Artikel 24 und Artikel 1 von Protokoll 3,

IN DER ERWÄGUNG, dass die EFTA-Überwachungsbehörde nach Artikel 24 des Überwachungs- und Gerichtsabkommens die Bestimmungen des EWR-Abkommens betreffend staatliche Beihilfen durchzusetzen hat,

IN DER ERWÄGUNG, dass die EFTA-Überwachungsbehörde nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b) des Überwachungs- und Gerichtsabkommens in Angelegenheiten, die im EWR-Abkommen geregelt werden, und soweit das EWR-Abkommen oder das Überwachungs- und Gerichtsabkommen dies ausdrücklich vorsehen oder sie dies für notwendig erachtet, Mitteilungen zu erstatten und Leitlinien festzulegen hat,

UNTER HINWEIS AUF die verfahrens- und materiellrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen (3), die von der EFTA-Überwachungsbehörde am 19. Januar 1994 erlassen wurden (4),

IN DER ERWÄGUNG, dass die Europäische Kommission am 26. Juli 2001 eine Mitteilung verabschiedet hat, in der die Grundsätze dargelegt werden, anhand derer sie staatliche Beihilfen in Verbindung mit verlorenen Kosten im Elektrizitätssektor analysieren wird (5),

IN DER ERWÄGUNG, dass diese Mitteilung auch für den Europäischen Wirtschaftsraum von Bedeutung ist,

IN DER ERWÄGUNG, dass im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum eine einheitliche Anwendung der EWR-Vorschriften für staatliche Beihilfen zu gewährleisten ist,

IN DER ERWÄGUNG, dass die EFTA-Überwachungsbehörde nach Punkt II unter dem Titel „ALLGEMEINES“ am Ende des Anhangs XV zum EWR-Abkommen nach Anhörung der Europäischen Kommission Rechtsakte verabschiedet, die denjenigen der Europäischen Kommission entsprechen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen aufrechtzuerhalten,

NACH Anhörung der Europäischen Kommission,

UNTER HINWEIS DARAUF, dass die EFTA-Überwachungsbehörde die EFTA-Staaten in einer multilateralen Sitzung am 19. Oktober 2001 zu diesem Thema konsultiert hat —

BESCHLIESST:

1.

Der Leitfaden für staatliche Beihilfen wird durch Einfügung eines neuen Kapitels 21 „Methode für die Analyse staatlicher Beihilfen in Verbindung mit verlorenen Kosten“ ergänzt. Das neue Kapitel ist in Anhang I dieses Beschlusses zu finden.

2.

Die EFTA-Staaten werden durch ein Schreiben samt Kopie des Beschlusses einschließlich seines Anhangs I unterrichtet. Die EFTA-Staaten werden aufgefordert, innerhalb von 20 Arbeitstagen nach Notifizierung des Schreibens ihr schriftliches Einverständnis mit der vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahme (Berichterstattungspflicht nach Punkt 21.4.(5)(c)) gemäß Anhang I zu geben.

3.

Die Europäische Kommission wird in Übereinstimmung mit Buchstabe d) des Protokolls 27 des EWR-Abkommens durch eine Kopie dieses Beschlusses einschließlich seines Anhangs I unterrichtet.

4.

Der Beschluss wird einschließlich des Anhangs I im EWR-Abschnitt des Amtsblatts der Europäischen Union und in der EWR-Beilage zum Amtsblatt veröffentlicht, nachdem die EFTA-Staaten ihr schriftliches Einverständnis mit den zweckdienlichen Maßnahmen gegeben haben.

5.

Nur der englische Wortlaut dieses Beschlusses ist verbindlich.

Brüssel, den 18. Dezember 2002

Für die EFTA-Überwachungsbehörde

Einar M. BULL

Präsident

Hannes HAFSTEIN

Mitglied des Kollegiums


(1)  Nachstehend „EWR-Abkommen“.

(2)  Nachstehend „Überwachungs- und Gerichtsabkommen“.

(3)  Nachstehend „Leitfaden für staatliche Beihilfen“.

(4)  Ursprünglich veröffentlicht im ABl. L 231 vom 3.9.1994, EWR-Beilage Nr. 32.

(5)  Die Mitteilung ist auf der Website der Kommission abrufbar:

http://europa.eu.int/comm/competition/state_aid/legislation/stranded_costs/de.pdf


ANHANG

„21.   METHODE FÜR DIE ANALYSE STAATLICHER BEIHILFEN IN VERBINDUNG MIT VERLORENEN KOSTEN

21.1.   EINFÜHRUNG

(1)

Die Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (1) (nachstehend ‚die Richtlinie‘ oder ‚Richtlinie 96/92/EG‘) hat den Grundsatz der Öffnung des europäischen Elektrizitätssektors für den Wettbewerb aufgestellt.

(2)

Die oben genannte Richtlinie wurde durch Beschluss Nr. 168/1999 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (2) in das EWR-Abkommen aufgenommen.

(3)

Der schrittweise Übergang von einer weitgehend eingeschränkten Wettbewerbssituation zu einem echten Wettbewerb auf EWR-Ebene muss bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Spezifitäten der Elektrizitätsindustrie unter annehmbaren wirtschaftlichen Bedingungen erfolgen. Dieses Anliegen kommt bereits in dem Richtlinientext selbst umfassend zum Ausdruck.

(4)

Um einigen sehr speziellen Situationen zu begegnen, hat die Richtlinie jedoch in ihrem Artikel 24 zugelassen, dass die EFTA-Staaten die Durchführung einiger Bestimmungen der Richtlinie vorübergehend zurückstellen. Staatliche Beihilfemechanismen, die es den Stromversorgungsunternehmen ermöglichen sollen, sich unter günstigen Voraussetzungen an die Einführung des Wettbewerbs anzupassen, fallen nicht unter die in Artikel 24 vorgesehenen Ausnahmen.

(5)

Zweck dieser Leitlinien ist es, zu erläutern, wie die Überwachungsbehörde die Vorschriften des EWR-Abkommens unter Berücksichtigung der Richtlinie 96/92/EG auf solche staatlichen Beihilfen anzuwenden gedenkt. Diese Leitlinien beeinträchtigen nicht die Vorschriften für staatliche Beihilfen, die in anderen relevanten Gemeinschaftsrahmen, Leitlinien und Mitteilungen enthalten sind. Insbesondere wird die Überwachungsbehörde weiterhin Regional- und Umweltschutzbeihilfen nach den jeweiligen Leitlinien genehmigen. Ebenso werden die Beihilfen, die nicht nach Artikel 61 des EWR-Abkommens genehmigt werden können, gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens geprüft.

21.2.   ÜBERGANGSMASSNAHMEN UND STAATLICHE BEIHILFEN

(1)

Artikel 24 der Richtlinie 96/92/EG, gemäß der Anpassung durch Artikel 1 Buchstabe i) des Beschlusses Nr. 168/1999 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 26. November 1999, sieht vor, dass die Überwachungsbehörde Übergangsmaßnahmen genehmigen kann, mit denen die Anwendung der Richtlinie vorübergehend ausgesetzt wird (3):

‚EFTA-Staaten, in denen vor Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 168/1999 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 26. November 1999 auferlegte Verpflichtungen oder erteilte Betriebsgarantien aufgrund dieses Beschlusses möglicherweise nicht erfüllt werden, können eine Übergangsregelung gemäß Artikel 24 Absätze 1 und 2 beantragen. Die Anträge auf Anwendung einer Übergangsregelung müssen spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 168/1999 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 26. November 1999 bei der EFTA-Überwachungsbehörde eingereicht werden‘

.

(2)

Nach dem derzeitigen Stand der Debatte ist die Überwachungsbehörde der Ansicht, dass mit Entscheidungen der Überwachungsbehörde nach Artikel 24 der Richtlinie eine Übergangsregelung nur geschaffen werden kann, wenn sie zuvor festgestellt hat, dass die von den EFTA-Mitgliedstaaten im Rahmen von Artikel 24 mitgeteilten Maßnahmen mit den unter die Kapitel IV, V, VI und VII fallenden Bestimmungen unvereinbar sind. Nach Artikel 24 der Richtlinie kann die Überwachungsbehörde nur von den genannten Kapiteln der Richtlinie Ausnahmen zulassen.

(3)

Somit stellt eine von einem EFTA-Staat eingeführte und mit Hilfe eines Fonds verwaltete Abgabenregelung zwecks Ausgleichs der Kosten für Verpflichtungen und Garantien, die aufgrund der Bestimmungen des Beschlusses Nr. 168/1999 möglicherweise nicht erfüllt werden, keine für eine Entscheidung der Überwachungsbehörde zur Gewährung einer Übergangsregelung nach Artikel 24 der Richtlinie 96/92/EG geeignete Maßnahme dar. Eine solche Maßnahme erfordert nämlich keine Ausnahmeregelung zu den oben genannten Kapiteln der Richtlinie. Sie kann dagegen eine staatliche Beihilfe darstellen, die unter Artikel 61 des EWR-Abkommens und Protokoll 3 des Abkommens zwischen den EFTA-Staaten über die Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofes fällt.

(4)

Zweck dieser Leitlinien ist es, zu erläutern, wie die Überwachungsbehörde die Vorschriften des EWR-Abkommens über staatliche Beihilfen auf Beihilfemaßnahmen anzuwenden gedenkt, die dazu bestimmt sind, Kosten für Verpflichtungen oder Garantien auszugleichen, die aufgrund der Bestimmungen des Beschlusses Nr. 168/1999 möglicherweise nicht mehr erfüllt werden könnten. Insbesondere gelten die Leitlinien nicht für Maßnahmen, die nicht als staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 61 Absatz 1 des EWR-Abkommens eingestuft werden könnten.

21.3.   BESTIMMUNG DER IN FRAGE KOMMENDEN VERLORENEN KOSTEN

(1)

Die genannten Verpflichtungen oder Betriebsgarantien werden gewöhnlich als verlorene Kosten bezeichnet. Die genannten Verpflichtungen oder Betriebsgarantien können in der Praxis in unterschiedlicher Form auftreten: langfristige Kaufverträge, Investitionen mit einer impliziten oder expliziten Absatzgarantie, Investitionen, die über den normalen Geschäftsverlauf hinausgehen usw. Um zulässige verlorene Kosten, die die Überwachungsbehörde anerkennen kann, darzustellen, müssen die Verpflichtungen oder Garantien folgende Kriterien erfüllen:

(a)

Die ‚Verpflichtungen oder … Betriebsgarantien‘, durch die verlorene Kosten entstehen können, müssen vor dem Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 168/1999 am 27. November 1999 auferlegt bzw. erteilt worden sein.

(b)

Realität und Gültigkeit dieser Verpflichtungen oder Garantien richten sich nach den Rechts- und Vertragsbestimmungen, auf denen sie aufbauen, sowie nach dem legislativen Zusammenhang, zu dem sie zum Zeitpunkt ihres Zugeständnisses gehören.

(c)

Die genannten Verpflichtungen oder Betriebsgarantien müssen aufgrund der Bestimmungen der Richtlinie 96/92/EG möglicherweise nicht erfüllt werden können. Um als verlorene Kosten zu gelten, müssen Verpflichtungen oder Garantien deshalb aufgrund der Auswirkungen der Richtlinie unwirtschaftlich werden und die Wettbewerbsfähigkeit des betreffenden Unternehmens spürbar beeinträchtigen. Dies muss das betreffende Unternehmen insbesondere veranlassen, Verbuchungen (z. B. Rückstellungen) vorzunehmen, aus denen die voraussichtliche Wirkung dieser Garantien oder Verpflichtungen hervorgehen soll.

Wenn die betreffenden Verpflichtungen oder Garantien dazu führen, dass bei Fehlen einer Beihilfe oder von Übergangsmaßnahmen die Lebensfähigkeit der genannten Unternehmen gefährdet werden könnte, wird bei den genannten Verpflichtungen oder Garantien umso mehr davon ausgegangen, dass sie die Voraussetzungen des vorgenannten Absatzes erfüllen.

Die Bewertung der Wirkung der Verpflichtungen oder Garantien auf die Wettbewerbsfähigkeit oder die Lebensfähigkeit der betreffenden Unternehmen erfolgt auf der konsolidierten Ebene. Damit die Verpflichtungen oder Garantien verlorene Kosten darstellen können, muss sich ein Kausalzusammenhang zwischen dem Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 168/1999 und der Schwierigkeit der betreffenden Unternehmen, die Verpflichtungen oder Garantien zu erfüllen, herstellen lassen. Um diesen Kausalzusammenhang herzustellen, wird die Überwachungsbehörde insbesondere das Sinken der Elektrizitätspreise der betreffenden Unternehmen oder das Verlieren von Marktanteilen berücksichtigen. Verpflichtungen oder Garantien, die unabhängig vom Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 168/1999 nicht hätten erfüllt werden können, stellen keine verlorenen Kosten dar.

(d)

Die Verpflichtungen oder Garantien müssen unwiderruflich sein. Vorausgesetzt ein Unternehmen hat die Möglichkeit, derartige Verpflichtungen oder Garantien durch Zahlung zu widerrufen oder zu ändern, ist dies bei der Berechnung der zulässigen verlorenen Kosten zu berücksichtigen.

(e)

Verpflichtungen oder Garantien, die ein und demselben Konzern angehörende Unternehmen verbinden, können grundsätzlich nicht als verlorene Kosten gelten.

(f)

Verlorene Kosten sind Wirtschaftskosten, die den tatsächlich investierten, gezahlten oder aufgrund der Verpflichtungen oder Garantien, von denen sie herrühren, zu zahlenden Beträgen entsprechen. Pauschalbewertungen sind grundsätzlich nicht annehmbar, es sei denn, es wird der Nachweis erbracht, dass sie der wirtschaftlichen Realität entsprechen.

(g)

Die verlorenen Kosten müssen von Einnahmen, Gewinnen oder Wertschöpfungen in Verbindung mit den Verpflichtungen oder Garantien, durch die sie entstanden sind, befreit sein.

(h)

Die verlorenen Kosten müssen unter Abzug aller für die betreffenden Vermögenswerte gezahlten bzw. zu zahlenden Beihilfen bewertet werden. Insbesondere, wenn eine Verpflichtung oder Betriebsgarantie einer Investition entspricht, für die eine staatliche Beihilfe zur Verfügung gestellt wurde, muss der Wert dieser Beihilfe von der Höhe der sich aus der Verpflichtung oder der Garantie ergebenden etwaigen verlorenen Kosten abgezogen werden.

(i)

Sofern die verlorenen Kosten aufgrund von Verpflichtungen oder Garantien entstehen, die wegen des Beschlusses Nr. 168/1999 schwer zu erfüllen sind, wird bei der Berechnung der zulässigen verlorenen Kosten die tatsächliche zeitliche Entwicklung der Wirtschafts- und Wettbewerbsbedingungen der nationalen Elektrizitätsmärkte und des gemeinsamen Elektrizitätsmarktes berücksichtigt. Vor allem, wenn die Verpflichtungen oder Garantien wegen des voraussichtlichen Sinkens der Elektrizitätspreise verlorene Kosten darstellen können, muss sich die Berechnung der verlorenen Kosten insbesondere auf die verzeichnete Entwicklung der Elektrizitätspreise stützen.

(j)

Die vor der Umsetzung des Beschlusses Nr. 168/1999 in nationales Recht abgeschriebenen Kosten können nicht als verlorene Kosten angesehen werden. Mit dem ausdrücklichen Zweck, die voraussichtlichen Auswirkungen des Beschlusses zu berücksichtigen, vorgesehene Rückstellungen oder in die Bilanz der betreffenden Unternehmen aufgenommene Wertminderungen von Aktiva können dagegen verlorene Kosten darstellen.

(k)

Die zulässigen verlorenen Kosten überschreiten nicht den Mindestbetrag dessen, was die betreffenden Unternehmen benötigen, um ihre durch den Beschluss Nr. 168/1999 gefährdeten eingegangenen Verpflichtungen oder Garantien zu erfüllen (4). Die verlorenen Kosten werden infolgedessen unter Berücksichtigung der aus der Sicht der betreffenden Unternehmen wirtschaftlichsten Lösung (ohne Beihilfe) berechnet. Dies kann insbesondere in den Fällen, in denen es den Grundsätzen der genannten Verpflichtungen oder Garantien nicht widerspricht, durch die Kündigung der Verpflichtungen oder Garantien erfolgen, durch die verlorene Kosten entstehen, oder durch die Abtretung eines Teils oder aller Vermögenswerte, durch die verlorene Kosten entstehen.

(l)

Die Kosten, die bestimmten Unternehmen über den in Artikel 26 der Richtlinie genannten Zeitraum (26. November 2006) hinaus entstehen dürften, können grundsätzlich keine zulässigen verlorenen Kosten im Sinne dieser Methode darstellen (5). Sofern dies notwendig erscheint, kann die Überwachungsbehörde die genannten Verpflichtungen oder Garantien jedoch gegebenenfalls rechtzeitig im Zusammenhang mit der nächsten Stufe der Öffnung des gemeinsamen Elektrizitätsmarktes als verlorene Kosten berücksichtigen.

(m)

Bei den EFTA-Staaten, die ihre Märkte schneller als in Beschluss Nr. 168/1999 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vorgesehen öffnen, kann die Überwachungsbehörde zugestehen, dass Kosten als zulässige verlorene Kosten im Sinne dieser Methode berücksichtigt werden, die bestimmten Unternehmen über den in Artikel 26 der Richtlinie genannten Zeitraum hinaus entstehen, soweit diese Kosten aufgrund von Verpflichtungen oder Garantien entstehen, die die in den Punkten (a) bis (l) von Abschnitt 21.3 genannten Kriterien erfüllen und sich auf die Zeit bis höchstens 31. Dezember 2010 beschränken.

21.4.   VERLORENE KOSTEN UND STAATLICHE BEIHILFEN

(1)

Nach Artikel 61 Absatz 1 des EWR-Abkommens sind staatliche Beihilfen grundsätzlich untersagt. Gemäß Artikel 61 Absätze 2 und 3 sind jedoch Ausnahmebestimmungen von dieser allgemeinen Regel möglich. Nach Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens gelten im Übrigen für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, die Vorschriften des EWR-Abkommens, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. In jedem Fall darf die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Vertragsparteien zuwiderläuft.

(2)

Mit den staatlichen Beihilfen, die den in diesen Leitlinien genannten verlorenen Kosten entsprechen, soll der Übergang der Elektrizitätsunternehmen zu einem wettbewerbsorientierten Elektrizitätsmarkt erleichtert werden. Die Überwachungsbehörde kann die genannten Beihilfen insofern positiv beurteilen, als die Wettbewerbsverfälschung durch den Beitrag der Beihilfen zur Verwirklichung eines gemeinsamen Ziels, das die Marktkräfte nicht erreichen können, ausgeglichen wird. Die aufgrund der zur Erleichterung des Übergangs der Elektrizitätsunternehmen eines mehr oder weniger geschlossenen Marktes auf einen teilweise liberalisierten Markt gewährten Beihilfen entstehende Wettbewerbsverfälschung kann dem gemeinsamen Interesse nicht zuwiderlaufen, wenn sie zeitlich und in ihren Auswirkungen beschränkt ist, da die Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes im allgemeinen Interesse des EWR-Marktes liegt und die Schaffung des Binnenmarktes vervollständigt. Außerdem vertritt die Überwachungsbehörde die Auffassung, dass die Elektrizitätsunternehmen aufgrund der für die verlorenen Investitionen gezahlten Beihilfen die Risiken in Verbindung mit ihren bestehenden Verpflichtungen oder Investitionen verringern können und dass die Beihilfen den Unternehmen damit einen Anreiz bieten, ihre Investitionen langfristig aufrechtzuerhalten. Bei fehlendem Ausgleich der verlorenen Investitionen bestünde größere Gefahr, dass die betreffenden Unternehmen die gesamten Kosten ihrer nicht wirtschaftlichen Verpflichtungen oder Garantien auf die mit ihnen verbundenen Kunden abwälzen.

(3)

Im Übrigen sind Beihilfen zum Ausgleich der verlorenen Kosten im Elektrizitätssektor gegenüber den anderen liberalisierten Sektoren insoweit begründet, als die Liberalisierung des Elektrizitätsmarkts weder mit einem raschen technologischen Wandel noch mit einem Zuwachs der Nachfrage einhergegangen ist, und auch insoweit, als es angesichts des Umweltschutzes, der Versorgungssicherheit und des ordnungsgemäßen Funktionierens der Wirtschaft in den EWR-Staaten kaum denkbar ist, dass solange mit staatlichen Interventionen zugunsten der Unternehmen des Elektrizitätssektors gewartet wird, bis sich diese in Schwierigkeiten befinden.

(4)

In diesem Zusammenhang können die als Ausgleich für verlorene Kosten bestimmten Beihilfen grundsätzlich die Ausnahmebestimmung des Artikels 61 Absatz 3 Buchstabe c) des EWR-Abkommens für sich in Anspruch nehmen, wenn sie die Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige fördern, ohne die Handelsbedingungen in einer Weise zu verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

(5)

Unbeschadet der besonderen Bestimmungen der Leitlinien der Überwachungsbehörde für die Anwendung der EWR-Vorschriften für staatliche Beihilfen, einschließlich der Leitlinien für staatliche Umweltschutzbeihilfen (6), kann die Überwachungsbehörde grundsätzlich die als Ausgleich für die zulässigen verlorenen Kosten bestimmten Beihilfen als mit Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c) des EWR-Abkommens vereinbar betrachten, wenn die Beihilfen folgende Kriterien erfüllen:

(a)

Die Beihilfe muss dazu dienen, klar abgegrenzte und isolierte in Betracht kommende verlorene Kosten auszugleichen. Die Beihilfe dar keinesfalls die in Frage kommenden verlorenen Kosten übersteigen.

(b)

Beim Zahlungsmechanismus der Beihilfe muss die tatsächliche künftige Entwicklung des Wettbewerbs berücksichtigt werden können. Diese Entwicklung kann insbesondere anhand quantifizierbarer Faktoren gemessen werden (Preise, Marktanteile, sonstige vom EFTA-Staat angegebene beweiskräftige Faktoren). Da sich die Entwicklung der Wettbewerbsbedingungen unmittelbar auf die Höhe der in Frage kommenden verlorenen Kosten auswirkt, hängt die Höhe der Beihilfe zwangsläufig von der Entwicklung eines echten Wettbewerbs ab, und bei der Berechnung der nach und nach gezahlten Beihilfen muss die Entwicklung der beweiskräftigen Faktoren berücksichtigt werden, um den erreichten Wettbewerbsgrad zu bewerten.

(c)

Der EFTA-Staat muss sich verpflichten, der Überwachungsbehörde einen Jahresbericht zu übermitteln, in dem insbesondere die wettbewerbliche Entwicklung seines Elektrizitätsmarktes angegeben und vor allem auf die festgestellten Schwankungen der quantifizierbaren beweiskräftigen Faktoren hingewiesen wird. In dem Jahresbericht werden die im Bezugsjahr berücksichtigten verlorenen Kosten und die gezahlten Beihilfebeträge im Einzelnen aufgeführt.

(d)

Die Degressivität der zum Ausgleich für verlorene Kosten bestimmten Beihilfen stellt für die Überwachungsbehörde bei ihrer Beurteilung ein positives Element dar. Aufgrund dieser Degressivität kann die Vorbereitung des betreffenden Unternehmens auf einen liberalisierten Elektrizitätsmarkt nämlich beschleunigt werden.

(e)

Der Beihilfehöchstbetrag, der einem Unternehmen als Ausgleich der verlorenen Kosten gezahlt werden kann, ist im Voraus anzugeben. Bei diesem Betrag ist der mögliche Produktivitätszuwachs des Unternehmens zu berücksichtigen.

Ebenso müssen die genauen Berechnungs- und Finanzierungsmodalitäten für die als Ausgleich für die verlorenen Kosten bestimmten Beihilfen sowie die Höchstdauer, während der diese Beihilfen gezahlt werden können, im Voraus klar festgelegt werden. In der Notifizierung dieser Beihilfen wird insbesondere angegeben, inwieweit bei der Berechnung der verlorenen Kosten den Änderungen der unter Buchstabe b) genannten Faktoren Rechnung getragen wird.

(f)

Der EFTA-Staat verpflichtet sich im Voraus, den Unternehmen, die Beihilfen für verlorene Kosten erhalten, keine Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen zu gewähren, damit eine Beihilfekumulierung vermieden wird. Die Überwachungsbehörde vertritt die Auffassung, dass Ausgleichszahlungen für verlorene Kosten bei Investitionen in Vermögenswerte ohne langfristige Rentabilitätsaussichten nicht dazu beitragen, den Übergang des Elektrizitätssektors zu einem liberalisierten Markt zu fördern, und folglich nicht in den Genuss der in Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c) des EWR-Abkommens vorgesehenen Ausnahmeregelung gelangen können.

(6)

Die Überwachungsbehörde bringt dagegen äußerste Vorbehalte gegenüber den Beihilfen zum Ausdruck, mit denen verlorene Kosten ausgeglichen werden sollen, die nicht die oben genannten Kriterien erfüllen und/oder zu Wettbewerbsverfälschungen führen können, die dem gemeinsamen Interesse aus folgenden Gründen zuwiderlaufen:

(a)

Die Beihilfe steht nicht im Zusammenhang mit zulässigen verlorenen Kosten gemäß der oben genannten Definition oder mit eindeutig bestimmten und individualisierten verlorenen Kosten oder aber übersteigt die Höhe der in Betracht kommenden verlorenen Kosten.

(b)

Mit der Beihilfe sollen die vor Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 168/1999 erzielten Einnahmen ganz oder teilweise erhalten werden, ohne die in Betracht kommenden verlorenen Kosten, die aufgrund der Einführung des Wettbewerbs entstehen könnten, strikt zu berücksichtigen.

(c)

Der Beihilfebetrag lässt sich nicht so anpassen, dass die Unterschiede zwischen den ursprünglich für die Schätzung der verlorenen Kosten und ihre tatsächliche zeitliche Entwicklung zugrunde gelegten wirtschaftlichen Hypothesen und den Markthypothesen einwandfrei berücksichtigt werden können.

21.5.   FINANZIERUNGSMODALITÄTEN DER ZUM AUSGLEICH VON VERLORENEN KOSTEN BESTIMMTEN BEIHILFEN

(1)

Die EFTA-Staaten können für die zum Ausgleich der verlorenen Kosten bestimmten Beihilfen die ihnen am geeignetsten erscheinenden Finanzierungsmodalitäten wählen. Zur Genehmigung einer solchen Beihilfe prüft die Überwachungsbehörde jedoch, dass der Finanzierungsmechanismus der Beihilfe keine Wirkungen zur Folge hat, die den Zielen der Richtlinie 96/92/EG oder den Interessen der Vertragsparteien zuwiderlaufen. Bei den Interessen der Vertragsparteien werden insbesondere der Verbraucherschutz, der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen und der Wettbewerb berücksichtigt.

(2)

Die Finanzierungsmechanismen dürfen nicht dazu führen, dass fremde Unternehmen oder neue Wirtschaftsteilnehmer am Eintritt in bestimmte nationale oder regionale Märkte gehindert werden. Insbesondere dürfen die für den Ausgleich der verlorenen Kosten bestimmten Beihilfen nicht mit Abgaben auf die Durchlieferung von Elektrizität zwischen den EWR-Staaten oder Abgaben im Zusammenhang mit der Entfernung zwischen Erzeuger und Verbraucher finanziert werden.

(3)

Die Überwachungsbehörde wird außerdem darauf achten, dass die Mechanismen der Finanzierung der zum Ausgleich der verlorenen Kosten bestimmten Beihilfen zur Gleichbehandlung von zugelassenen und nicht zugelassenen Verbrauchern führen. Hierzu wird in dem unter Buchstabe c) genannten Jahresbericht bei den Finanzierungsquellen zum Ausgleich der verlorenen Kosten zwischen zugelassenen und nicht zugelassenen Verbrauchern unterschieden. Wenn nicht zugelassene Verbraucher unmittelbar über den Abnahmetarif für Elektrizität an der Finanzierung der verlorenen Kosten beteiligt werden, ist hierauf ausdrücklich hinzuweisen. Der den beiden Verbrauchergruppen (zugelassene und nicht zugelassene) auferlegte Beitrag darf den Teil der auszugleichenden verlorenen Kosten nicht überschreiten, der dem Marktanteil der genannten Verbraucher entspricht.

(4)

Sofern private Unternehmen Mittel beschaffen, um zum Ausgleich der verlorenen Kosten bestimmte Beihilfemechanismen zu finanzieren, muss die Verwaltung dieser Mittel klar von den gewöhnlichen Mitteln der genannten Unternehmen getrennt werden. Durch die genannten Anlagen dürfen die sie verwaltenden Unternehmen keine Vorteile erhalten.

21.6.   SONSTIGE BEURTEILUNGSFAKTOREN

(1)

Bei ihrer Prüfung der für den Ausgleich der verlorenen Kosten bestimmten staatlichen Beihilfen berücksichtigt die Überwachungsbehörde insbesondere die Dimension des betreffenden Systems, den Verbundgrad des Systems und die Struktur der Elektrizitätsindustrie. Eine Beihilfe für ein kleines, wenig mit den übrigen Netzen im EWR verbundenes Netz, wird voraussichtlich zu weniger umfangreichen Wettbewerbsverzerrungen führen.

(2)

Die vorliegende Methode für verlorene Kosten gilt unbeschadet der Anwendung der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung in den unter Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe a) des EWR-Abkommens fallenden Gebieten (7). Soweit die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf verlorene Kosten rechtlich oder tatsächlich verhindert, dass Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, die ihnen übertragenen besonderen Aufgaben erfüllen, können nach Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens Ausnahmebestimmungen von den genannten Regeln vorgesehen werden, sofern die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das dem Interesse der Vertragsparteien zuwiderläuft.

(3)

Die sich aus der vorliegenden Methode ergebenden Vorschriften für staatliche Beihilfen, die zum Ausgleich der durch den Beschluss Nr. 168/1999 entstehenden verlorenen Kosten bestimmt sind, gelten unabhängig von dem öffentlichen oder privaten Eigentum der betreffenden Unternehmen.“


(1)  ABl. L 27 vom 30.1.1997, S. 20.

(2)  ABl. L 61 vom 1.3.2001, S. 23, und EWR-Beilage Nr. 11 vom 1.3.2001, S. 221.

(3)  Artikel 3 des Beschlusses Nr. 168/1999 besagt: ‚Dieser Beschluss tritt am 27. November 1999 in Kraft, sofern dem Gemeinsamen EWR-Ausschuss alle Mitteilungen nach Artikel 103 Absatz 1 des Abkommens vorliegen.‘

(4)  Bei einem langfristigen Kauf- oder Verkaufsvertrag werden die verlorene Kosten somit unter Vergleich der Bedingungen berechnet, zu denen das Unternehmen das betreffende Gut auf einem liberalisierten Markt normalerweise bei sonst gleichen Voraussetzungen hätte verkaufen oder kaufen können.

(5)  Hierbei versteht sich, dass wegen der Liberalisierung des Elektrizitätsbinnenmarktes nicht erstattungsfähige oder wirtschaftlich nicht lebensfähige Investitionen verlorene Kosten im Sinne dieser Methode darstellen können, einschließlich dann, wenn ihre Lebensdauer grundsätzlich über das Jahr 2006 hinausgeht. Ferner können Verpflichtungen oder Garantien, die über den 26. November 2006 hinaus unbedingt erfüllt werden müssen, wenn nicht große Risiken für den Umweltschutz, die Sicherheit von Personen, den sozialen Schutz von Arbeitnehmern und die Sicherheit des Elektrizitätsnetzes in Kauf genommen werden sollen, zulässige verlorene Kosten im Sinne dieser Methode darstellen, sofern dies ordnungsgemäß gerechtfertigt wird.

(6)  ABl. L 237 vom 6.9.2001, S. 16.

(7)  ABl. L 111 vom 29.4.1999 und EWR-Beilage Nr. 18. Siehe in diesem Zusammenhang Kapitel 25 des Leitfadens für staatliche Beihilfen.