11.4.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 88/13


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates mit Gesundheits- und Hygienevorschriften für Tiere in Aquakultur bzw. ihre Erzeugnisse und zur Verhütung und Bekämpfung bestimmter Wassertierkrankheiten“ und dem „Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Änderung der Entscheidung 90/424/EWG über bestimmte Ausgaben im Veterinärbereich“

(KOM(2005) 362 endg. — 2005/0153 + 0154 CNS)

(2006/C 88/04)

Der Rat beschloss am 15. September 2005, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 37 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnten Vorlagen zu ersuchen.

Die mit der Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 25. Januar 2006 an. Berichterstatter war Herr FAKAS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 424. Plenartagung am 14./15. Februar 2006 (Sitzung vom 14. Februar) mit 145 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerung

1.1

Nach Ansicht des EWSA gehen die Vorschläge in die richtige Richtung, und er befürwortet daher die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung bestimmter Wassertierkrankheiten.

2.   Begründung

2.1

Die Aquakultur ist vor allem für die ländlichen Gebiete und Küstengebiete der Gemeinschaft ein wichtiger Wirtschaftszweig. Im Jahr 2004 produzierte die gemeinschaftliche Aquakulturwirtschaft Fische, Weichtiere und Krebstiere im Werte von über 2,5 Mrd. EUR. Finanzielle Verluste infolge von Krankheiten (hohe Mortalität, verringertes Wachstum und Qualitätsverluste) werden jedoch auf 20 % des Produktionswertes geschätzt. Mit diesem Vorschlag sollen moderne, gezielte Vorschriften eingeführt werden, um diese Kosten zu verringern. Schon eine Kostensenkung um 20 % würde eine Wertsteigerung von 100 Mio. EUR jährlich bedeuten.

2.2

Die jetzigen Vorschriften wurden vor zwanzig Jahren erarbeitet, als die EU aus nur 12 Mitgliedstaaten bestand. Ihr Hauptzweck bestand darin, die damals wichtigsten Aquakultursektoren der Gemeinschaft, namentlich die Salmoniden- (Forellen und Lachs) und Austernzucht, zu schützen. Diese Regelungen müssen aktualisiert werden, um dem mit der erweiterten EU einhergehenden größeren Spektrum an Aquakulturpraktiken und Arten und den tiefgreifenden Veränderungen in diesem Sektor, den in 15 Jahren der Anwendung der geltenden Vorschriften gemachten Erfahrungen sowie wissenschaftlichen Fortschritten auf diesem Gebiet Rechnung zu tragen. Eine Aktualisierung ist außerdem angezeigt, um das EU-Recht mit internationalen Übereinkommen und Normen (WTO/SPS- und OIE-Normen) in Einklang zu bringen.

3.   Hintergrund

3.1

Mit dem Vorschlag werden die geltenden primärrechtlichen Vorschriften (Richtlinien 91/67/EWG, 93/53/EWG und 95/70/EG des Rates) aufgehoben und durch eine einzige neue Richtlinie ersetzt. Ziel des Richtlinienvorschlags ist es, die Tiergesundheitsvorschriften für den Handel mit Tieren in Aquakultur, einschließlich der Vorschriften für die Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten, zu aktualisieren, neu zu fassen und zu kodifizieren, um die Wettbewerbsfähigkeit der gemeinschaftlichen Aquakulturerzeuger zu verbessern.

3.2

Der Vorschlag enthält allgemeine Vorschriften für Aquakulturanlagen und Verarbeitungsbetriebe, beispielsweise Zulassungsbedingungen, sowie Bestimmungen über den Betrieb solcher Anlagen.

3.3

Er umfasst ferner Tiergesundheitsvorschriften für das Inverkehrbringen von Tieren und Erzeugnissen aus der Aquakultur sowie für die Einfuhr von Tieren aus der Aquakultur aus Drittländern.

3.4

Der Vorschlag enthält des Weiteren Vorschriften für die Meldung und Bekämpfung bestimmter Wassertierkrankheiten sowie für die Seuchenfreiheitserklärung von Zonen.

3.5

Zudem beinhaltet der Vorschlag Vorschriften für die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und für Laboratorien sowie Vorschriften und Leitlinien, die für spezielle Fälle gelten.

3.6

Die Rechtsgrundlage des Vorschlags ist Artikel 37 des Vertrags. Er basiert zudem auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Gesamthaushalt dürften den Einschätzungen zufolge begrenzt sein.

3.7

Die finanziellen Auswirkungen werden im Wesentlichen zwei Bereiche betreffen:

a)

Entschädigung im Rahmen der Seuchenbekämpfung und

b)

Durchführung primärrechtlicher sowie Festlegung und Umsetzung sekundärrechtlicher Vorschriften.

3.8

Mit dem zweiten Vorschlag für eine Entscheidung des Rates sollen die notwendigen Änderungen der in der Entscheidung des Rates 90/424/EWG festgelegten Verfahren vorgenommen werden, nach denen die Finanzhilfen der Gemeinschaft für Veterinärmaßnahmen bei Tieren der Aquakultur gewährt werden. Damit soll dem Vorschlag für eine neue Richtlinie mit Gesundheitsvorschriften für Tiere der Aquakultur und dem Vorschlag für den Europäischen Fischereifonds Rechnung getragen werden.

3.9

Mit dem zweiten Vorschlag soll den Mitgliedstaaten zudem erlaubt werden, die im Rahmen der operationellen Programme gemäß Titel III des Europäischen Fischereifonds bereitgestellten Mittel für die Bekämpfung und Tilgung bestimmter Krankheiten von Tieren der Aquakultur zu verwenden.

3.10

Die Verfahren für die Gewährung dieser Finanzhilfen müssen mit den geltenden Verfahren für die Gewährung von Finanzhilfen für die Bekämpfung und Tilgung von Landtierkrankheiten in Einklang stehen.

3.11

Für den zweiten Vorschlag gilt ebenfalls der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Rechtsgrundlage ist ebenfalls Artikel 37 des Vertrags.

3.12

Im zweiten Vorschlag wird vorgeschlagen, Finanzhilfen für die Tilgung von Wassertierkrankheiten in Zukunft über den Europäischen Fischereifonds (KOM(2004) 497 endg., Artikel 32) zu gewähren. Die Auswirkungen des Vorschlags auf den Europäischen Fischereifonds lassen sich daher nur schwer abschätzen, da sie von der Größe der betroffenen Zuchtanlagen, dem Wert der dort gehaltenen Tiere usw. abhängen.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Die derzeit geltenden einschlägigen Gemeinschaftsrechtsvorschriften erstrecken sich lediglich auf die Lachs-, Forellen- und Austernzucht. Seit der Verabschiedung der Rechtsvorschriften hat sich der Aquakultursektor enorm weiterentwickelt (Zucht von Krebstieren, Miesmuscheln, Venusmuscheln usw.). Der EWSA hält deshalb eine Änderung der Rechtsvorschriften für angebracht und notwendig, um auch die sonstigen in Aquakultur gezüchteten Wassertiere zu erfassen.

4.2

Der EWSA begrüßt die Vorschläge, da sie einen wichtigen Beitrag zur Verhütung und Bekämpfung von Wassertierkrankheiten leisten.

4.3

Um die Entwicklung des Aquakultursektors in die richtige Richtung zu gewährleisten und seine Produktivität zu erhöhen, müssen nach Ansicht des EWSA auf Gemeinschaftsebene Vorschriften für die Gesundheit der Wassertiere erlassen werden. Diese Vorschriften sind außerdem erforderlich, um die Vollendung des Binnenmarktes voranzutreiben und die Verbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern. Sie sollten flexibel sein und die Entwicklungen sowie die Vielfalt des Sektors berücksichtigen.

4.4

Neben den Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene hält der EWSA es für notwendig, das Bewusstsein und die Bereitschaft der zuständigen Träger in den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Verhütung, Bekämpfung und Tilgung von Wassertierkrankheiten zu schärfen bzw. zu erhöhen.

4.5

Die derzeit in der EU geltende Zulassungsregelung ist sehr streng, ihre Anforderungen sind höher als die der Konkurrenten der EU, was den Fortbestand des Sektors gefährden kann. Nach Ansicht des EWSA werden mit dem vorgesehenen Betriebsregister, das Angaben zum Produktionssystem des jeweiligen Unternehmens enthält, der Verantwortlichkeit des Erzeugers und der bereits bestehenden Zulassung die entsprechenden Anforderungen bereits erfüllt.

4.6

Da auf Gemeinschaftsebene sichergestellt werden muss, dass sich Wassertierkrankheiten nicht ausbreiten, müssen für das Inverkehrbringen von Erzeugnissen der Aquakultur harmonisierte Tiergesundheitsvorschriften festgelegt werden. In diesem Zusammenhang ist eine Liste der betreffenden Krankheiten und empfänglichen Arten zu erstellen.

4.7

Um den etwaigen Ausbruch einer Wassertierkrankheit möglichst früh erkennen zu können, müssen die mit Wassertieren empfänglicher Arten in Berührung kommenden Personen verpflichtet werden, der zuständigen Behörde jeden Verdachtsfall zu melden.

4.8

Die Mitgliedstaaten müssen planmäßige, außerplanmäßige und Notfallbesichtigungen von Aquakulturanlagen durchführen, um sicherzustellen, dass die Aquakulturerzeuger die allgemeinen Vorschriften zur Bekämpfung von Wassertierkrankheiten kennen und anwenden.

4.9

Da sich der Wissensstand über bislang unbekannte Wassertierkrankheiten fortlaufend entwickelt, sollten nach Ansicht des EWSA alle Mitgliedstaaten und die Kommission über Fälle neu auftretender Krankheiten bzw. über Verdachtsfälle sowie über mögliche Bekämpfungsmaßnahmen unterrichtet werden.

4.10

Um die Gesundheit des gemeinschaftlichen Wassertierbestands zu schützen, muss sichergestellt werden, dass lebende Tiere aus Aquakultur, die sich in der Gemeinschaft in Transit befinden, den in der Gemeinschaft geltenden Tiergesundheitsvorschriften genügen. Zudem ist zu gewährleisten, dass aus Drittländern eingeführte lebende Tiere aus Aquakultur und ihre Erzeugnisse frei von Seuchen sind.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Der EWSA teilt den Ansatz der Kommission, von speziellen Vorschriften für das Inverkehrbringen von Zierarten und anderen Arten von Wassertieren, die unter kontrollierten Bedingungen (in Aquarien oder Teichen) gehalten werden, abzusehen. Wenn Wassertiere jedoch außerhalb geschlossener Systeme oder in Aquarien gehalten werden oder mit natürlichen Gewässern der Gemeinschaft in Kontakt kommen, so sollten nach Auffassung des EWSA die allgemeinen Gesundheits- und Hygienevorschriften der vorliegenden Richtlinie Anwendung finden. Dies gilt besonders für Karpfenpopulationen (Cyprinidae), da beliebte Zierfische wie Kois für bestimmte Krankheiten empfänglich sind.

5.2

Die Mitgliedstaaten müssen Vorschriften über Sanktionen bei Verstößen gegen die Bestimmungen der vorgeschlagenen Richtlinie festlegen. Diese Sanktionen sollten nach Auffassung des EWSA wirksam sein.

5.3

Artikel 5 Absatz 2 legt fest, dass, bevor ein Mitgliedstaat die Nichterteilung einer Zulassung im Sinne von Artikel 4 beschließt, zu prüfen ist, ob Risikominderungsmaßnahmen möglich sind, die in Bezug auf die betreffende Tätigkeit auch eine Standortverlagerung umfassen können. Der EWSA ist sich allerdings darüber im Klaren, dass die Maßnahme der Standortverlagerung im Falle der Infizierung mit Krankheitserregern, die von wild lebenden Wassertieren stammen, oftmals nicht praktikabel ist. Nach Auffassung des EWSA tragen aber vorschriftsmäßige Bewirtschaftungspraktiken in geschlossenen und kontrollierten Zuchtanlagen, die Einhaltung einer guten Hygienepraxis, die Tiergesundheitsüberwachung sowie all die anderen in der Richtlinie des Rates vorgeschlagenen Maßnahmen dazu bei, das Risiko entsprechender Krankheiten zu vermindern.

Brüssel, den 14. Februar 2006

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND