Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
ANTHONY COLLINS
vom 13. Juni 2024(1)
Verbundene Rechtssachen C‑146/23 und C‑374/23
XL
gegen
Sąd Rejonowy w Białymstoku
(Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Rejonowy w Białymstoku [Rayongericht Białystok, Polen])
und
SR,
RB
gegen
Republik Litauen
(Vorabentscheidungsersuchen des Vilniaus apygardos administracinis teismas [Regionalverwaltungsgericht Vilnius, Litauen])
(Vorabentscheidungsersuchen – Rechtsstaatlichkeit – Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist – Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit – Bezüge von Richtern)
Einleitung
1. Seit dem Bestehen von auf der Gewaltenteilung beruhenden staatlichen Systemen waren die Bezüge von Richtern notwendigerweise ein wichtiges Anliegen. Wie Alexander Hamilton vorausschauend in The Federalist beobachtete, „[kann] NEBEN der Dauerhaftigkeit des Amtes nichts mehr zur Unabhängigkeit der Richter beitragen, als feste Bezüge für die Deckung ihres Unterhalts. … Es liegt in der menschlichen Natur, dass MACHT ÜBER DEN UNTERHALT EINES MENSCHENS GLEICHBEDEUTEND MIT MACHT ÜBER SEINEN WILLEN IST. Und in jedem System, in dem die Staatsgewalt der Judikative von der gelegentlichen Zuweisung finanzieller Mittel durch die exekutive Gewalt abhängig bleibt, können wir niemals hoffen, dass eine vollständige Trennung der Ersteren von der Letzteren in der Praxis verwirklicht wird“(2).
2. Diese Vorabentscheidungsersuchen bieten dem Gerichtshof die Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu den Bezügen von Richtern nach Art. 19 Abs. 1 EUV(3) im Kontext der Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit und eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes Revue passieren zu lassen und zu erweitern(4).
3. In seinen Urteilen vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses(5), und vom 7. Februar 2019, Escribano Vindel(6), entschied der Gerichtshof, dass eine der Bedeutung der ausgeübten Funktionen entsprechende Vergütung eine wesentliche Garantie für die richterliche Unabhängigkeit darstellt. Um dieses Erfordernis zu erfüllen, muss ein Gericht(7) seine Funktionen in Autonomie ausüben, ohne mit irgendeiner Stelle hierarchisch verbunden oder ihr untergeordnet zu sein und ohne von irgendeiner Stelle Anordnungen oder Anweisungen zu erhalten, so dass es auf diese Weise vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteils seiner Mitglieder gefährden und deren Entscheidungen beeinflussen könnten(8). Der Gerichtshof stellte dieses Erfordernis auf eine Stufe mit der Nichtabsetzbarkeit der Angehörigen der Gerichtsbarkeit und verband so die Sicherheit von Richtern in ihrem Amt unmittelbar mit ihrer materiellen Sicherheit(9).
4. Wie andere Inhaber öffentlicher Ämter oder öffentliche Bedienstete sind aber auch Richter nicht vor Kürzungen ihrer Bezüge gefeit(10). In den Urteilen in den Rechtssachen Portugiesische Richter und Escribano Vindel stellte der Gerichtshof fest, dass der in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV verankerte Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit Maßnahmen zur Kürzung der Bezüge von Richtern unter gewissen Umständen nicht entgegensteht. Um ihre als übermäßig betrachteten Haushaltsdefizite abzubauen, kürzten die Republik Portugal und das Königreich Spanien(11) die Gehälter aller Inhaber öffentlicher Ämter und im öffentlichen Sektor beschäftigten Personen, darunter auch diejenigen der innerhalb der Staatsgewalten der Legislative, der Exekutive und der Judikative beschäftigten Personen(12). Diese Maßnahmen zielten weder auf Richter ab, noch individualisierten sie diese im Sinne einer Sonderbehandlung. Zudem waren sie vorübergehender und begrenzter Natur(13).
5. Die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen ergehen im Zusammenhang mit der Umsetzung allgemein anwendbarer Maßnahmen zur Regelung der Bezüge von Richtern in Polen und Litauen; sie betreffen keine Kürzung der Bezüge einzelner Richter, wie es etwa infolge eines Disziplinarverfahrens der Fall sein könnte. Den Maßnahmen kommt zudem ein weiterer Anwendungsbereich zu als denjenigen, die der Gerichtshof in seinen Urteilen in den Rechtssachen Portugiesische Richter und Escribano Vindel beurteilte. Die vorlegenden Gerichte ersuchen den Gerichtshof um eine Bewertung der Rolle der Legislative und der Exekutive im Prozess der Festlegung der Bezüge von Richtern und bei deren etwaiger Kürzung. Ferner möchten sie wissen, ob sich aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV relevante Kriterien ableiten ließen, nach denen sich dieser Prozess richte.
Rechtlicher Rahmen – Nationales Recht
Polnisches Recht
6. In Art. 178 der Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej (Verfassung der Republik Polen) heißt es:
„1. Bei der Ausübung ihres Amtes sind Richter unabhängig und nur der Verfassung und den Gesetzen unterworfen.
2. Den Richtern werden Arbeitsbedingungen und eine Vergütung gewährleistet, die der Würde ihres Amtes und dem Umfang ihrer Pflichten entsprechen.
…“
7. Art. 91 der Ustawa – Prawo o ustroju sądów powszechnych (Gesetz über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit) vom 27. Juli 2001(14) bestimmt:
„…
§ 1c. Grundlage für die Ermittlung des Grundgehalts eines Richters im betreffenden Jahr ist das Durchschnittsgehalt des zweiten Quartals des Vorjahres, das im Amtsblatt der Republik Polen (Monitor Polski) vom Präsidenten des Statistischen Hauptamtes (Główny Urząd Statystyczny) bekannt gegeben wird …, vorbehaltlich des § 1d.
§ 1d. Ist das in § 1c genannte Durchschnittsgehalt niedriger als das für das zweite Quartal des vorangegangenen Jahres bekannt gegebene Durchschnittsgehalt, so wird die Grundlage für die Ermittlung des Grundgehalts des Richters in der bisherigen Höhe zugrunde gelegt.
§ 2. Das Grundgehalt der Richter bestimmt sich nach Stufen, deren Höhe durch die Anwendung von Multiplikatoren auf die Grundlage für die Ermittlung des Grundgehalts nach § 1c ermittelt wird. Die Grundgehaltsgruppen für einzelne Richterstellen und die Multiplikatoren für die Ermittlung der Höhe des Grundgehalts für Richter in einzelnen Gruppen sind im Anhang dieses Gesetzes aufgeführt.
…
§ 7. Darüber hinaus richten sich die Bezüge der Richter nach dem Dienstalter und erhöhen sich ab dem sechsten Dienstjahr um eine Zulage in Höhe von 5 % des Grundgehalts, die jährlich um 1 % steigt, bis sie 20 % des Grundgehalts erreicht hat.
8. Am 17. Dezember 2021 erließ der polnische Gesetzgeber die Ustawa o szczególnych rozwiązaniach służących realizacji ustawy budżetowej na rok 2022 (Gesetz vom 17. Dezember 2021 über Sonderregelungen zur Umsetzung des Haushaltsgesetzes für das Jahr 2022)(15). Dieses Gesetz trat am 1. Januar 2022 in Kraft. In seinem Art. 8 heißt es:
„1. Grundlage für die Ermittlung des Grundgehalts eines Richters gemäß Art. 91 § 1c des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit vom 27. Juli 2001 (Dz. U. 2020, Position 2072 und Dz. U. 2021, Positionen 1080 und 1236) für das Jahr 2022 ist das vom Präsidenten des Statistischen Hauptamtes (Główny Urząd Statystyczny) bekannt gegebene Durchschnittsgehalt des zweiten Quartals des Jahres 2020.
2. Die Grundlage gemäß § 1 wird um den Betrag von 26 PLN erhöht.
3. Wenn in gesonderten Bestimmungen auf die Grundlage für die Ermittlung des Grundgehalts eines Richters gemäß Art. 91 § 1c des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit vom 27. Juli 2001 verwiesen wird, ist darunter für das Jahr 2022 das vom Präsidenten des Statistischen Hauptamtes (Główny Urząd Statystyczny) bekannt gegebene Durchschnittsgehalt des zweiten Quartals des Jahres 2020, zuzüglich 26 PLN, zu verstehen.
4. Wenn in gesonderten Bestimmungen auf die Bezüge von Richtern verwiesen wird, entspricht diese für das Jahr 2022 der gemäß den §§ 1 und 2 berechneten Bezüge.“
9. Am 1. Dezember 2022 erließ der polnische Gesetzgeber die Ustawa o szczególnych rozwiązaniach służących realizacji ustawy budżetowej na rok 2023 (Gesetz vom 1. Dezember 2022 über Sonderregelungen zur Umsetzung des Haushaltsgesetzes für das Jahr 2023)(16). Dieses Gesetz trat am 1. Januar 2023 in Kraft. In seinem Art. 8 heißt es:
„1. Grundlage für die Ermittlung des Grundgehalts eines Richters gemäß Art. 91 § 1c des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit von 27. Juli 2001 (Dz. U. 2020, Position 2072, in der geänderten Fassung) für das Jahr 2023 ist der Betrag von 5 444,42 PLN.
2. Wenn in gesonderten Bestimmungen auf die Grundlage für die Ermittlung des Grundgehalts eines Richters gemäß Art. 91 § 1c des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit vom 27. Juli 2001 verwiesen wird, ist darunter für das Jahr 2023 der Betrag von 5 444,42 PLN zu verstehen.“
Litauisches Recht
10. Art. 3 des Lietuvos Respublikos teisėjų darbo apmokėjimo įstatymas (Gesetz der Republik Litauen über die Bezüge der Richter, im Folgenden: LRJ) in der vom 1. Januar 2022 bis zum 30. Juni 2023(17) geltenden Fassung bestimmt, dass der Basissatz für das Gehalt (die Bezüge) staatlicher Politiker, Richter, staatlicher Bediensteter, Beamter und Angestellter der vom Staat und den Gemeinden der Republik Litauen finanzierten Organe, der vom Lietuvos Respublikos Seimas (Parlament der Republik Litauen, im Folgenden: Parlament) festgelegt wird, für die Berechnung der Bezüge der Richter herangezogen wird. Der Basissatz für das kommende Haushaltsjahr ist anhand der auf das Vorjahr bezogenen durchschnittlichen jährlichen Inflationsrate (die auf der Grundlage des nationalen Verbraucherpreisindexes berechnet wird), der Höhe des monatlichen Mindestlohns und der Auswirkungen weiterer, für die Höhe und Entwicklung des Durchschnittsgehalts im öffentlichen Sektor relevanter Faktoren nach einem nationalen Tarifvertrag festzulegen. Der Lietuvos Respublikos Seimas (Parlament der Republik Litauen) genehmigt den im nationalen Tarifvertrag vereinbarten Basissatz. Wird bis zum 1. Juni des laufenden Jahres kein nationaler Tarifvertrag geschlossen oder wird er nicht abgeändert, wird der Basissatz für das kommende Haushaltsjahr vom Seimas auf Vorschlag der Lietuvos Respublikos Vyriausybė (Regierung der Republik Litauen) festgelegt, nachdem die in diesem Artikel vorgesehenen Umstände geprüft und berücksichtigt wurden. Sofern keine außergewöhnlichen Umstände festgestellt und im Einklang mit dem im Lietuvos Respublikos fiskalinės sutarties įgyvendinimo konstitucinis įstatymas Nr XII-1289 (Verfassungsgesetz der Republik Litauen über die Umsetzung des Fiskalpakts) vom 6. November 2014 (TAR, 2014, Nr. 17028) vorgesehenen Verfahren erklärt werden, darf der neu zu genehmigende Basissatz nicht niedriger ausfallen als der bestehende Basissatz.
11. Nach Art. 4 Abs. 2 LRJ setzten sich die Bezüge von Richtern(18) aus folgenden Bestandteilen(19) zusammen: (i) einem Gehalt, (ii) einer Zulage für das im Dienst des litauischen Staates erworbene Dienstalter, (iii) einer Leistung für Arbeit und Bereitschaftsdienste an Ruhe- und Feiertagen und für Vertretungen sowie (iv) einer Prämie für eine erhöhte Arbeitsbelastung. Nach Kapitel II des Anhangs des LRJ wird das Gehalt der Richter(20) durch die Multiplikation des im Anhang des LRJ festgelegten Gehaltskoeffizienten mit dem Basissatz berechnet. Der Basissatz betrug im Jahr 2022 181 Euro und im Jahr 2023 186 Euro. Der Gehaltskoeffizient für das Gehalt eines Richters am Regionalgericht betrug 17,2.(21)
12. Art. 3 des Lietuvos Respublikos pareiginės algos (atlyginimo) bazinio dydžio nustatymo ir asignavimų darbo užmokesčiui perskaičiavimo įstatymas Nr. XIV-2011 (Gesetz Nr. XIV-2011 der Republik Litauen über die Festlegung des Basissatzes für das Gehalt [die Dienstbezüge] und die Anpassung der Gehaltskoeffizienten) vom 25. Mai 2023 (TAR, 2023, Nr. 11589) bestimmt:
„Basissatz des Gehalts (der Bezüge)
1. Für die Berechnung des Gehalts (der Bezüge) der in Art. 2 dieses Gesetzes genannten Bediensteten entspricht der Basissatz für das Gehalt (die Bezüge) dem von der Valstybės duomenų agentūra (Staatliche Datenagentur, Litauen) veröffentlichten durchschnittlichen Monatsgehalt im Land (einschließlich Einzelunternehmen) für das Jahr 2022 und wird mit 1 785,4 Euro festgelegt.
2. Für die Zwecke der Anwendung des in § 1 dieses Artikels vorgesehenen Basissatzes für das Gehalt (die Bezüge) darf das neu berechnete Gehalt nicht niedriger ausfallen als das Gehalt (die Bezüge) vor dieser Neuberechnung.“
13. Das neue System der Bezüge der Richter an Gerichten der allgemeinen Gerichtsbarkeit und an Fachgerichten der Republik Litauen trat am 1. Juli 2023 in Kraft. Durch die Verordnung Nr. 1R-85 des Lietuvos Respublikos teisingumo ministras (Justizminister der Republik Litauen) vom 2. April 2004 und durch Beschluss der Lietuvos advokatų taryba (Litauische Anwaltskammer) vom 26. März 2004 wurden die empfohlenen Höchstsätze für die Gebühren für von einem Rechtsanwalt in Zivilsachen erbrachte Tätigkeiten genehmigt.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rechtssache C‑146/23
14. Herr XL wurde am 4. Dezember als Richter am Sąd Rejonowy w Suwałkachden (Rayongericht Suwałki, Polen) ernannt. Am 3. April 2007 wurde er an den Sąd Rejonowy w Białymstoku (Rayongericht Białystok, Polen) versetzt, wo er derzeit tätig ist. Seit 5. August 2021 ist Herr XL in die Gehaltsstufe „fünf“ eingestuft. Seine monatlichen Bezüge werden durch Multiplikation seines Grundgehalts in Höhe von 5 050,48 Zloty (PLN) im Jahr 2022 und 5 444,42 im Januar 2023 mit einem Koeffizienten von 2,5 berechnet; hinzu kommt eine Dienstalterszulage von 20 % des Grundgehalts.(22) Herr XL erhob gegen seinen Arbeitgeber, den Sąd Rejonowy w Białymstoku (Rayongericht Białystok), Klage auf Zahlung von 10 000 PLN für die von ihm zwischen 1. Juli 2022 und 31. Januar 2023 geleistete Arbeit, zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen auf diese Summe. Dies entspreche der Differenz zwischen dem Gehalt, das Herr XL vom 1. Juli 2022 bis zum 31. Januar 2023 erhalten habe, und dem ihm nach Art. 91 des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit zustehenden Gehalt. Herrn XL zufolge beträgt diese Differenz 1 362,12 PLN pro Monat für die Monate Juli bis November 2022, 1 053,90 PLN für den Monat Dezember 2022(23) sowie 2 135,50 PLN für den Monat Januar 2023.
15. Er stützt sich darauf, dass die Gesetze über Sonderregelungen zur Umsetzung der Haushaltsgesetze für die Jahre 2021, 2022 und 2023 nicht mit dem Gesetz über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Verfassung der Republik Polen sowie dem Unionsrecht vereinbar seien, da durch die darin vorgesehene Kürzung seiner Bezüge der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit untergraben werde sowie Bedingungen geschaffen würden, unter denen die Legislative und die Exekutive den Inhalt von Gerichtsentscheidungen beeinflussen könnten. Der Arbeitgeber von Herrn XL trägt vor, dass Herr XL gesetzmäßig bezahlt worden sei und er die Bezüge von Richtern nicht auf eigene Initiative bestimmen könne.
16. Beide Parteien beziehen sich auf die Begründungen der Gesetzesentwürfe über Sonderregelungen zur Umsetzung der Haushaltsgesetze für die Jahre 2021, 2022 und 2023 durch die Regierung, ziehen daraus aber Schlussfolgerungen, die einander diametral entgegenstehen. Herr XL hebt das „Einfrieren“ der richterlichen Gehälter hervor, während die Bezüge der Leitungskräfte bestimmter öffentlicher Einrichtungen im Vergleich dazu (um zwischen 40 % und 60 %) angehoben worden seien. Der Arbeitgeber von Herrn X verweist darauf, dass ihm keine Mittel über diejenigen hinaus zur Verfügung stünden, die in seinem Budget vorgesehen seien.
17. Dem vorlegenden Gericht zufolge legt Art. 91 des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit den Mechanismus für die Berechnung des Grundgehalts eines Richters für ein bestimmtes Jahr unter Bezugnahme auf das Durchschnittsgehalt des zweiten Quartals des Vorjahres fest. Dieser am 22. April 2009 eingeführte Mechanismus solle gewährleisten, dass das System der Bezüge der Richter dem in Art. 178 Abs. 2 der Verfassung der Republik Polen verankerten Standard entspreche. Mit der Änderung von 2009 sei darauf abgezielt worden, sicherzustellen, dass die Berechnung von Richtergehältern auf objektivere Weise erfolge und es sei damit der Einfluss anderer Behörden auf die Festlegung der Höhe der richterlichen Grundgehälter verringert worden. Vor dieser Änderung habe das System der Berechnung von Richtergehältern u. a. auf einem im Jahreshaushaltsplan festgelegten Grundbetrag beruht.
18. Das vorlegende Gericht führt aus, dass der „Mechanismus zur Bestimmung der Grundlage der Richtergehälter … auf Initiative der Exekutive dreimal geändert [wurde] und zwar durch die Gesetze über Sonderregelungen zur Umsetzung der Haushaltsgesetze für die Jahre 2021, 2022 und 2023(24).“ Im Jahr 2021 seien die Gehälter der Richter „eingefroren“ und ihre Grundgehälter unter Bezugnahme auf das Durchschnittsgehalt im zweiten Quartal 2019 statt anhand des Durchschnittsgehalts im zweiten Quartal 2020 berechnet worden. Im Jahr 2022 seien die Grundgehälter der Richter unter Bezugnahme auf das Durchschnittsgehalt im zweiten Quartal 2020 berechnet worden. Dies habe im Vergleich zum Durchschnittsgehalt im zweiten Quartal 2021 zu einer Erhöhung geführt. Im Jahr 2023 seien die Richtergehälter auf der Grundlage eines festen Grundbetrags(25) anstatt auf der Grundlage des Durchschnittsgehalts im zweiten Quartal 2022 berechnet worden.
19. Die Änderungen des staatlichen Jahreshaushaltsplans 2021 seien durch die wirtschaftliche Lage in Polen infolge des Ausbruchs von COVID-19 bedingt gewesen. In den Regelungen zum staatlichen Jahreshaushaltsplan 2022 seien keine besonderen Umstände angegeben worden, während in denjenigen zum staatlichen Jahreshaushaltsplan 2023 auf die erheblichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und des russischen Einmarsches in die Ukraine verwiesen worden sei.
20. Im Dezember 2022 hätten die Erste Präsidentin des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen)(26), der Präsident des Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen)(27) und die Krajowa Rada Sądownictwa (Landesjustizrat, Polen, im Folgenden: KRS)(28) jeweils Anträge beim Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgerichtshof, Polen) eingereicht, um die Unvereinbarkeit der Haushaltsbestimmungen zu den Richtergehältern für 2023 mit der Verfassung geltend zu machen. Das vorlegende Gericht teilt die von den Antragstellern in diesen Verfahren geäußerten Zweifel. Seiner Ansicht nach untergräbt das „Einfrieren“ des Systems zur Berechnung der Bezüge von Richtern unter Bezugnahme auf einen objektiven Parameter, nämlich auf das Durchschnittsgehalt des zweiten Quartals des Vorjahres, die Unabhängigkeit der Gerichte. Es berge die Gefahr einer dauerhaften, wiederholten und konsequenten Kürzung der Bezüge von Richtern, um die Justiz der Exekutive und der Legislative unterzuordnen. Diese Gefahr sei angesichts der rezenten Rechtsstaatlichkeitskrise in Polen besonders offensichtlich. Darüber hinaus sei das „Einfrieren“ angesichts der stabilen Finanzlage des polnischen Staates völlig unverständlich. Ferner ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass sich die Änderung der Regelungen zur Bestimmung der Bezüge von Richtern zu Ungunsten der Letzteren – insbesondere angesichts des Anstiegs der Lebenshaltungskosten – negativ auf Initiativen zur Verbesserung der Funktionsweise der Gerichte auswirken könne(29). Es bestehe die erhebliche Gefahr, dass Richter eine große Zahl von Klagen erheben würden, um die Höhe der von ihnen in den Jahren 2021, 2022 und 2023 erhaltenen Gehälter anzufechten.
21. Der Sąd Rejonowy w Białymstoku (Rayongericht Białystok) hat daher beschlossen das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind Art. 2 des Vertrags über die Europäische Union, in dem die Werte festgelegt sind, auf die sich die Europäische Union bezüglich der Achtung der Rechtsstaatlichkeit gründet, sowie Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 des Vertrags über die Europäische Union in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bezüglich der Gewährleistung eines wirksamen Rechtsschutzes durch die Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Rechts auf Zugang zu einem unabhängigen und unparteiischen Gericht dahin auszulegen, dass der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit nationalen Vorschriften entgegensteht, die zwecks Begrenzung der Haushaltsausgaben bewirken, dass von dem Mechanismus zur Festsetzung der richterlichen Bezüge auf der Grundlage objektiver Kriterien, die von willkürlicher Beeinflussung durch die Exekutive und die Legislative unabhängig sind, abgewichen wird und die zur Folge haben, dass die Höhe der Richterbesoldung dauerhaft herabgesetzt wird, was gegen die Verfassungsgarantien verstößt, die gewährleisten, dass die Richter eine der Würde ihres Amtes und dem Umfang ihrer Pflichten angemessene Vergütung erhalten und dass die Rechtsprechung von unabhängigen Gerichten und unabhängigen Richtern ausgeübt wird?
Rechtssache C‑347/23
22. Die Kläger, SR und RB, sind Richter am Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius, Litauen). Sie erhoben eine Schadensersatzklage wegen Untätigkeit gegen die Republik Litauen(30). SR begehrt Schadensersatz in Höhe von 74 286,09 Euro, während RB 95 620,17 Euro fordert(31). Aus der Vorlageentscheidung geht nicht hervor, wie die Kläger zu diesen Beträgen gelangt sind.
23. SR und RB tragen vor, dass die Höhe ihrer Bezüge vom politischen Willen der Exekutive und der Legislative abhänge. Dies sei mit dem in Art. 109 der Lietuvos Respublikos Konstitucija (Verfassung der Republik Litauen) verankerten Grundsatz der Unabhängigkeit der Richter sowie mit den internationalen Verpflichtungen der Republik Litauen unvereinbar.
24. Die Republik Litauen beantragt, die Klage von SR und RB abzuweisen. Sie weist u. a. darauf hin, dass die Höhe des Basissatzes der Bezüge der Angestellten im öffentlichen Dienst jedes Jahr unter Berücksichtigung der finanziellen Mittel und Verpflichtungen des Staates festgelegt werde. Von 2018 bis 2023 sei der Basissatz unter Berücksichtigung der aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Lage, der Verpflichtungen des Staates und der voraussichtlich zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel stetig gestiegen. Der Basissatz habe ferner „unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen auf den privaten Sektor und das nationale Durchschnittsgehalt“. Außerdem falle die Regelung der Bezüge von Richtern in den ausschließlichen verfassungsmäßigen Ermessensspielraum des Staates und seiner Organe.
25. Dem Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) zufolge betrugen die monatlichen Bruttobezüge von Richtern am Regionalgericht 2 440,85 Euro im Jahr 2008 und 2 362 Euro im Jahr 2021(32). Zwar seien die Bezüge von Richtern im Zeitraum der 13 Jahre zwischen 2008 und 2021 dem Anschein nach um etwa 8 % gestiegen, real seien sie jedoch allein aufgrund der Auswirkungen der steuerlichen Änderungen nominell um 3,2 % gesunken. Seit Ende 2021 näherten sich die Bezüge von Richtern der Höhe des nationalen Durchschnittsgehalts an. Im ersten Quartal des Jahres 2022 hätten das nationale Durchschnittsmonatsgehalt 1 729,90 Euro und das Durchschnittsmonatsgehalt eines Richters 3 113,20 Euro betragen(33).
26. Der Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) merkt an, dass der empfohlene Stundensatz der Gebühr für von einem Rechtsanwalt erbrachte Tätigkeiten 179,90 Euro(34) betrage, während die Bruttobezüge eines Richters am Regionalgericht pro Stunde(35) etwa 20 Euro ausmachten. Die Republik Litauen diskriminiere Richter gegenüber Rechtsanwälten im Hinblick auf deren jeweiliges Einkommen, indem sie u. a. die Höchstsätze für Rechtsanwaltsgebühren bestätige, und verstoße damit gegen die Art. 29 und 48 der Verfassung der Republik Litauen, die in Bezug auf Menschenrechte Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung vorsähen(36), sowie gegen Art. 2 EUV. Die litauische Regierung erkenne implizit an, dass der Basissatz für die Bezüge von Richtern nicht vom politischen Willen der Legislative oder der Exekutive abhängen solle, sondern von volkswirtschaftlichen Faktoren.(37) In diesem Zusammenhang habe die litauische Regierung eine Reform der Bezüge im öffentlichen Dienst eingeleitet, um zu gewährleisten, dass die Bezüge staatlicher Bediensteter auf solchen wirtschaftlichen Indikatoren beruhten.
27. Vor diesem Hintergrund hat der Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Sind die in Art. 2 EUV verankerten Werte der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Wahrung der Menschenrechte und der Gerechtigkeit sowie die Bestimmungen von Art 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV dahin auszulegen, dass danach der legislativen und der exekutiven Gewalt der Mitgliedstaaten ein unbeschränkter und ausschließlicher Ermessensspielraum zukommt, die Bezüge von Richtern durch nationale Rechtsvorschriften in einer Höhe festzulegen, die allein vom Willen der legislativen und exekutiven Gewalt abhängt?
2. Sind die Bestimmungen von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und von Art. 47 der Charta, die u. a. die Unabhängigkeit der Gerichte betreffen, dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten danach gestattet ist, durch nationale Rechtsvorschriften Regelungen einzuführen, die die Bezüge von Richtern unterhalb der vom Staat festgelegten Bezüge oder Gebühren der Angehörigen anderer Rechtsberufe festlegen?
Verfahren vor dem Gerichtshof
28. In der Rechtssache XL (C‑146/23) haben die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht.
29. In seinem Urteil vom 8. November 2023, K 1/23, hat das Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgerichtshof) u. a. festgestellt, dass die Art. 8 und 9 der Ustawa z dnia 1 grudnia 2022 r. o szczególnych rozwiązaniach służących realizacji ustawy budżetowej na rok 2023 (Gesetz über Sonderregelungen zur Umsetzung des Haushaltsgesetzes für das Jahr 2023) mit Art. 178 Abs. 2 der Verfassung der Republik Polen „unvereinbar“ seien.
30. Mit Beschluss vom 16. November 2023 hat der Präsident des Gerichtshofs den Sąd Rejonowy w Białymstoku (Rayongericht Białystok) zum einen darum ersucht, mitzuteilen, ob er den Teil seines Vorabentscheidungsersuchens aufrechterhalten möchte, der sich auf den Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2023 und dem 31. Januar 2023 bezieht, und zum anderen darum, auf die möglichen Auswirkungen des Urteils des Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgerichtshof) auf die Rechtmäßigkeit des Art. 8 Abs. 1 und 2 der Ustawa o szczególnych rozwiązaniach służących realizacji ustawy budżetowej na rok 2022 (Gesetz über Sonderregelungen zur Umsetzung des Haushaltsgesetzes für das Jahr 2022) einzugehen.
31. In seinem Antwortschreiben vom 30. November 2023 hat der Sąd Rejonowy w Białymstoku (Rayongericht Białystok) bestätigt, dass das Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgerichtshof) die Art. 8 und 9 der Ustawa z dnia 1 grudnia 2022 r. o szczególnych rozwiązaniach służących realizacji ustawy budżetowej na rok 2023(38) (Gesetz über Sonderregelungen zur Umsetzung des Haushaltsgesetzes für das Jahr 2023) für „unvereinbar“ mit u. a. Art. 178 Abs. 2 der Verfassung der Republik Polen erklärt habe und dass diese Bestimmungen folglich nicht mehr in Kraft stünden(39).
32. Der Sąd Rejonowy w Białymstoku (Rayongericht Białystok) hat auch den Wunsch geäußert, sein Vorabentscheidungsersuchen in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, d. h. einschließlich des Teils, der sich auf den Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2023 und dem 31. Januar beziehe. Nach Angaben des Sąd Rejonowy w Białymstoku (Rayongericht Białystok) beschränkt sich das Urteil des Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgerichtshof) auf die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Art. 8 und 9 der Ustawa z dnia 1 grudnia 2022 r. o szczególnych rozwiązaniach służących realizacji ustawy budżetowej na rok 2023 (Gesetz über Sonderregelungen zur Umsetzung des Haushaltsgesetzes für das Jahr 2023) im Hinblick auf Art. 178 Abs. 2 der Verfassung der Republik Polen und die Würde des Richteramtes in Verbindung mit dem Umfang der der Richterschaft obliegenden Aufgaben. In diesem Urteil seien der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und ihrer Freiheit von Eingriffen durch die Legislative und/oder die Exekutive nicht geprüft worden. Darüber hinaus habe sich das Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgerichtshof) auch nicht mit der Ustawa o szczególnych rozwiązaniach służących realizacji ustawy budżetowej na rok 2022 (Gesetz über Sonderregelungen zur Umsetzung des Haushaltsgesetzes für das Jahr 2022) befasst.
33. In der Rechtssache C‑374/23 haben die litauische und die polnische Regierung sowie die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht.
34. Mit Beschluss vom 23. Januar 2024 hat der Gerichtshof die Rechtssachen C‑146/23 und C‑374/23 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
35. In der Sitzung vom 12. März 2024 haben die litauische und die polnische Regierung sowie die Kommission mündliche Ausführungen gemacht und Fragen des Gerichtshofs beantwortet.
Würdigung
Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑374/23
36. Die Litauische Regierung(40) trägt vor, dass die Mitgliedstaaten ausschließlich zuständig seien, die Bezüge von Richtern und anderen Inhabern öffentlicher Ämter im Einklang mit dem nationalen Recht zu regeln. Das Unionsrecht spiele im Hinblick darauf folglich keine Rolle. Bei der Ausarbeitung ihrer Haushaltsgesetze habe die Litauische Regierung u. a. die sozioökonomische Lage in Litauen, die Bedürfnisse und Mittel des Staates sowie seine finanziellen Verpflichtungen zu berücksichtigen. Mit den vom Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) vorgelegten Fragen werde der Gerichtshof darum ersucht, über die Grenzen des der litauischen Legislative und Exekutive zustehenden Ermessensspielraums zu entscheiden, wie er in der Verfassung der Republik Litauen festgelegt sei und vom Lietuvos Respublikos Konstitucinis Teismas (Verfassungsgericht der Republik Litauen) ausgelegt werde. Hierfür sei der Gerichtshof nicht zuständig.
37. Nach ständiger Rechtsprechung fällt zwar die Organisation der Justiz in den Mitgliedstaaten in deren Zuständigkeit, bei der Ausübung dieser Zuständigkeit ist jedoch das Unionsrecht und insbesondere Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV einzuhalten(41). Nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Gerichte, die möglicherweise über die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts entscheiden(42), den Anforderungen an einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gerecht werden(43). Diese Bestimmung steht nationalen Vorschriften über die Organisation der Justiz entgegen, die den Schutz des Wertes der Rechtsstaatlichkeit vermindern(44). Die Mitgliedstaaten sind also dazu verpflichtet, die Organisation der Justiz so zu gestalten, dass sie den Anforderungen des Unionsrechts entspricht. Dazu gehört insbesondere, dass die Unabhängigkeit der Gerichte, die über Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung oder Auslegung des Unionsrechts zu entscheiden haben, sichergestellt wird, um den Rechtsunterworfenen den nach diesem erforderlichen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten(45).
38. Aus dieser Rechtsprechung und insbesondere aus den Urteilen in den Rechtssachen Portugiesische Richter und Escribano Vindel ergibt sich, dass der Gerichtshof für die Auslegung des Unionsrechts in Fällen zuständig ist, die die Organisation des Justizsystems eines Mitgliedstaats, einschließlich der Bezüge von Richtern, betreffen.
Zur Zulässigkeit der in der Rechtssache C‑374/23 vorgelegten Fragen
39. Die litauische Regierung macht geltend, das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑374/23 sei unzulässig, da die vom Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) vorgelegten Fragen nicht im Zusammenhang mit dem Sachverhalt und dem Streitgegenstand vor diesem Gericht stünden. Eine Beantwortung der Vorlagefragen durch den Gerichtshof sei für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits daher nicht erforderlich.
40. In Art. 267 AEUV heißt es, dass die zur Vorabentscheidung vorgelegte(n) Frage(n) „erforderlich“ sein muss (bzw. müssen), um dem vorlegenden Gericht den „Erlass seines Urteils“ in der bei ihm anhängigen Rechtssache zu ermöglichen. Dementsprechend hat der Gerichtshof wiederholt darauf hingewiesen, dass sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Aufbau des Art. 267 AEUV folgt, dass die nationalen Gerichte nur dann ein Vorabentscheidungsersuchen stellen können, wenn bei ihnen tatsächlich ein Rechtsstreit anhängig ist, in dem sie eine Entscheidung erlassen müssen, bei der das Urteil des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren berücksichtigt werden kann(46).
41. Das Ausgangsverfahren in der Rechtssache C‑374/23 betrifft eine von zwei Richtern, SR und RB, erhobene Schadensersatzklage gegen die Republik Litauen, in deren Rahmen geltend gemacht wird, dass die Befugnisse der Legislative und der Exekutive zur Festlegung ihrer Bezüge mit der Unabhängigkeit der Gerichte unvereinbar sind. Somit besteht ein Bindeglied zwischen dem vor dem Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) anhängigen Rechtsstreit und der von diesem Gericht erbetenen Auslegung des Unionsrechts. Nach meiner Auffassung ist die Auslegung durch den Gerichtshof daher „erforderlich“, um dem vorlegenden Gericht die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu ermöglichen(47).
Zur Bedeutung von Art. 2 EUV und Art. 47 der Charta in den verbundenen Rechtssachen C‑146/23 und C‑374/23
42. Da die Regelung der Bezüge von Richtern in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle, führen diese der litauischen Regierung zufolge bei der Festlegung dieser Bezüge nicht das Unionsrecht durch. Daraus folge, dass die Charta gemäß ihrem Art. 51 Abs. 1 auf die Ausgangsverfahren nicht anwendbar sei.
43. Nach Art. 51 Abs. 1 der Charta gelten deren Bestimmungen für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Unionsrechts. Aus den Vorlageentscheidungen in den Rechtssachen C‑146/23 und C‑374/23 geht weder hervor, dass Herr XL oder SR und RB sich auf ein Recht beriefen, das ihnen aufgrund einer Bestimmung des Unionsrechts zustünde, noch, dass sie Beteiligte von Verfahren wären, die eine Durchführung des Unionsrechts darstellen würden. Diesen Entscheidungen ist auch nicht zu entnehmen, dass sie eine Frage der Auslegung oder Anwendung einer Vorschrift des Unionsrechts aufwerfen. Nichts in den Vorabentscheidungsersuchen deutet darauf hin, dass sich jemand auf das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf beriefe. Unter diesen Umständen kann Art. 47 der Charta meines Erachtens im Rahmen der Ausgangsverfahren nicht geltend gemacht werden(48).
44. Art. 19 EUV konkretisiert den Wert der in Art. 2 EUV proklamierten Rechtsstaatlichkeit. Gemäß Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV haben die Mitgliedstaaten ein System von Rechtsbehelfen und Verfahren zu schaffen, das das Recht des Einzelnen auf wirksamen gerichtlichen Schutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet. Der wirksame gerichtliche Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt(49) und auch in Art. 47 der Charta verankert ist(50). Unter diesen Umständen lege ich dem Gerichtshof nahe, dass es nicht erforderlich ist, Art. 2 EUV getrennt von Art. 19 EUV auszulegen(51).
Zur Beantwortung der Vorlagefragen
45. Mit ihren Vorlagefragen ersuchen der Sąd Rejonowy w Białymstoku (Rayongericht Białystok) und der Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) im Hinblick auf zwei Punkte um eine Auslegung von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV. Erstens wird danach gefragt, ob diese Bestimmung es der Legislative und/oder der Exekutive erlaubt, Rechtsvorschriften zur Festlegung oder Kürzung der Bezüge von Richtern zu erlassen. Zweitens wird die Frage gestellt, welche Kriterien die Mitgliedstaaten beim Erlass solcher Rechtsvorschriften zu beachten haben.
46. Nach ständiger Rechtsprechung gibt das Unionsrecht den Mitgliedstaaten kein konkretes verfassungsrechtliches Modell vor, das die Beziehungen und das Zusammenwirken zwischen den verschiedenen Staatsgewalten, namentlich in Bezug auf die Festlegung und Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten, regeln würde. Bei der Wahl ihrer verfassungsrechtlichen Modelle müssen die Mitgliedstaaten jedoch insbesondere Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV beachten, indem die richterliche Unabhängigkeit nicht ausgehöhlt oder die richterliche Tätigkeit nicht beeinträchtigt wird(52). Angesichts der unterschiedlichen politischen und verfassungsrechtlichen Strukturen und Traditionen der Mitgliedstaaten können die Rollen, die den an der Festlegung der Höhe und der Bestandteile der Bezüge von Richtern beteiligten Akteure zugewiesen sind, stark voneinander abweichen(53). In einer Demokratie schließen es der Grundsatz der Gewaltenteilung und die Notwendigkeit der Abschirmung der Justiz von unzulässigen äußeren Einflussnahmen, u. a. von der Legislative und/oder der Exekutive nicht aus, dass die Letzteren zahlreiche Aspekte der gerichtlichen Architektur eines Staates, einschließlich der Bezüge von Richtern, festlegen.
47. Zur Gewährleistung von Transparenz, Objektivität und Rechtssicherheit(54) müssen die Mitgliedstaaten einen rechtlichen Rahmen einschließlich der an diesem Prozess beteiligten Akteure und der ihnen zugewiesenen Rollen festlegen, damit die Bezüge von Richtern festgesetzt werden können.(55) Dieser Rahmen muss darauf abzielen, die richterliche Unabhängigkeit dadurch zu schützen, dass die Höhe der Bezüge von Richtern der Bedeutung ihrer Funktionen entspricht. Nationale Rechtsvorschriften über die Bezüge von Richtern müssen auf relevanten, objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhen, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Demzufolge dürfen die Bezüge von Richtern nicht auf Ermessensbasis oder unter Bezugnahme auf individuelle Umstände festgesetzt oder gekürzt werden. Eine nationale Rechtsvorschrift zur Kürzung der Bezüge von Richtern hat die Gründe hierfür klar darzulegen. Daraus folgende Kürzungen der Bezüge von Richtern müssen vorübergehend sein. Ihr Ausmaß und ihre Dauer muss auf die Ernsthaftigkeit und das Fortbestehen der Umstände, die ihren Erlass rechtfertigten, zugeschnitten sein und sich diesen entsprechend entwickeln. Keinesfalls dürfen solche Kürzungen der Bezüge auf eine Benachteiligung der Richterschaft abzielen(56) Bei der Beurteilung, ob auf die Richterschaft abgezielt wird, müssen solche Kürzungen die Entwicklung der Bezüge von Richtern sowie der Bezüge vergleichbarer Inhaber öffentlicher Ämter berücksichtigen, insbesondere allfällige kürzlich erfolgte Erhöhungen(57). Zur Gewährleistung der Einhaltung dieser Grundsätze und der Sicherstellung ihrer Kontinuität müssen Regelungen über die Bezüge von Richtern bzw. jegliche Kürzungen derselben einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein(58).
48. Die Vorabentscheidungsersuchen beziehen sich auf die Höhe der Grundgehälter von Richtern in Polen und Litauen(59). Im Licht der Definition des Begriffs „Entgelt“ in Art. 157 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV sind alle gegenwärtigen und künftigen Vergütungen, die Richtern aufgrund ihrer Dienstverhältnisse unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen gewährt werden, bei der Beurteilung zu berücksichtigen, ob ihre Bezüge der Bedeutung ihrer Funktionen entsprechen(60). Beispiele für zu berücksichtigende Bezüge in bar oder in Sachleistungen sind Zuschläge oder Zulagen für die Ausübung bestimmter Funktionen, zusätzlicher Aufgaben oder Verantwortlichkeiten(61) und solche für das Dienstalter oder die Arbeitserfahrung, außerdem beitragsunabhängige oder subventionierte betriebliche Altersrenten(62), Gesundheitsvorsorge, die über diejenige hinausgeht, die Arbeitnehmern nach einem nationalen Sozialsystem im Allgemeinen gewährt wird, die Zurverfügungstellung einer Wohnung sowie die Privatnutzung eines Fahrzeugs oder Telefons(63). Einschränkungen oder Hindernisse für Richter in Bezug auf andere wirtschaftliche Tätigkeiten(64) sind ebenfalls in die Beurteilung der Angemessenheit ihrer Vergütung einzubeziehen(65).
49. In Anbetracht der fehlenden Harmonisierung, der unterschiedlichen sozioökonomischen Bedingungen innerhalb der Europäischen Union sowie der unterschiedlichen Haushaltszwänge, mit denen sich einzelne Mitgliedstaaten konfrontiert sehen, sind diese normalerweise am besten in der Lage, die Bezüge von Richtern in ihrem Zuständigkeitsbereich festzulegen. Vorbehaltlich der übergeordneten Verpflichtungen nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV kommt den Mitgliedstaaten daher ein weiter Ermessensspielraum bei der Festlegung der Höhe der Bezüge von Richtern zu. Dieser Ermessensspielraum ist nicht unbegrenzt. Objektive Elemente, wie das nationale Durchschnitts- oder Mindestgehalt – multipliziert mit einem Koeffizienten – oder die Gehälter anderer Inhaber öffentlicher Ämter und öffentlicher Bediensteter mit entsprechender Verantwortung stellen Beispiele für akzeptable Maßstäbe dar, auf die sich die Mitgliedstaaten in Verbindung mit anderen sozioökonomischen Parametern, wie den Lebenshaltungskosten (dem Verbraucherpreisindex für einen Mitgliedstaat), der Inflationsrate, usw., stützen können, um die Bezüge von Richtern zu berechnen(66). Da die Höhe der Löhne, einschließlich der Höhe der Mindestlöhne, in der Europäischen Union nicht harmonisiert ist(67) und diese angesichts der Unterschiede zwischen den in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten vorherrschenden sozioökonomischen Bedingungen stark variiert(68), ist ein bloßer Vergleich der Bezüge anhand reiner Geldbeträge unzureichend. Die Bezüge von Richtern sind daher im konkreten nationalen sozioökonomischen Kontext des jeweiligen Mitgliedstaats zu beurteilen(69).
50. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Bezüge von Richtern ist zu prüfen, ob ihre Höhe in einem bestimmten nationalen sozioökonomischen Kontext ausreicht, um Personen mit hoher moralischer Integrität, unterschiedlichem Hintergrund und der erforderlichen Berufsqualifikation und ‑erfahrung anzuwerben, zu halten und zu motivieren(70). Unangemessene Bezüge können die Arbeitsmoral beeinträchtigen, die Produktivität verringern und letztlich Neueinstellungen erschweren, indem qualifizierte mögliche Bewerber davon abgehalten werden, den Beruf zu ergreifen. Auch die Weiterbeschäftigung von Richtern kann gefährdet werden, da eine niedrige Bezahlung den Einzelnen dazu veranlassen kann, den Berufsstand zu verlassen oder vor dem Ende seiner Amtszeit oder dem Erreichen der verbindlichen Altersgrenze hierfür in den Ruhestand zu treten, wodurch das allgemeine Niveau richterlicher Erfahrung(71) sinkt.
51. Liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Bezüge von Richtern in unrechtmäßiger oder unverhältnismäßiger Weise besteuert würden(72), stellt der Grundsatz eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes kein Hindernis für allfällige Steuern oder andere Abgaben – wie Sozialversicherungsbeiträge – dar, die ein Mitgliedstaat in rechtmäßiger Weise, nach Maßgabe objektiver, nicht diskriminierender Kriterien auf diese Bezüge erhebt. Die Belastung mit solchen allgemeinen Abgaben ist im Rahmen der Beurteilung der Vereinbarkeit eines Systems richterlicher Bezüge mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV daher nicht zu berücksichtigen.
52. Ein Vergleich der Bezüge von Richtern mit der Höhe der Gebührensätze von Rechtsanwälten, wenn diese den Staat beraten oder von diesem beauftragt werden, ist ebenfalls ausgeschlossen, selbst wenn die Größenordnung dieser Gebührensätze gesetzlich festgelegt ist. Auch wenn die Höhe der Bezüge von Richtern nicht getrennt von Gehältern in der Privatwirtschaft(73) in vergleichbaren Bereichen betrachtet werden darf, stellt die richterliche Tätigkeit ihrer Natur nach einen öffentlichen Dienst und keine geschäftliche Unternehmung dar(74). Sie ist mit der bewussten Karriereentscheidung verbunden, im öffentlichen Bereich zu arbeiten und dafür u. a. Amtssicherheit und eine beständige finanzielle Vergütung zu erhalten(75). Während dies zu niedrigeren Bezügen führen kann, als Rechtsanwälte in der Privatwirtschaft in gewissen Fällen verlangen können, sind Richter keinen geschäftlichen Risiken ausgesetzt(76), haben keine Gemeinkosten zu tragen(77), unterliegen nicht der Mehrwertsteuer und werden grundsätzlich unabhängig vom Ausgang eines Verfahrens, ihren Arbeitsleistungen oder ihrer Produktivität bezahlt(78). Schließlich möchte ich hinzufügen, dass, während die Bezahlung von Richtern in regelmäßigen, vorhersehbaren Abständen erfolgt, die Zeitspanne, innerhalb der Mandanten ihre Anwaltsgebühren bezahlen, sowohl lang als auch äußerst unvorhersehbar sein kann(79).
53. Eine Beurteilung der Angemessenheit der Bezüge von Richtern hat daher sowohl eine gesamtheitliche Perspektive, in deren Rahmen alle relevanten sozioökonomischen Faktoren berücksichtigt werden, als auch eine dynamische oder temporale Perspektive in Bezug auf die Entwicklung dieser Bezüge im Laufe der Zeit. Auch wenn die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichtet sein dürften, die Bezüge von Richtern automatisch an die Inflation und/oder gestiegene Lebenshaltungskosten anzupassen, oder die Höhe der Bezüge in bestimmten Zeitabständen zu überprüfen, kann ein anhaltendes Unterbleiben solcher Anpassungen zu einer Minderung des Werts dieser Bezüge führen. Eine erhebliche Absenkung der Höhe der Bezüge von Richtern im Laufe der Zeit wirkt sich nachteilig auf die richterliche Unabhängigkeit und die Würde des Richteramtes aus. Sofern keine plötzliche, starke Wertminderung im Hinblick auf die Bezüge von Richtern eintritt, sollte eine Prüfung ihrer Entwicklung unter Bezugnahme auf einen repräsentativen Zeitraum von zumindest zehn Jahren erfolgen.
54. Was die vorliegenden verbundenen Rechtssachen angeht, ist im polnischen und im litauischen Recht jeweils ein Rahmen für die Festlegung der Bezüge von Richtern vorgesehen(80). Im Verfahren vor dem Gerichtshof weist nichts darauf hin, dass die polnische oder die litauische Legislative und/oder Exekutive die Rolle oder die Befugnisse irgendeines anderen legitimen Akteurs an sich gerissen hätten(81). Diese Vorabentscheidungsersuchen zeigen auch, dass die Regelungen über die Bezüge von Richtern sowie jede Kürzung derselben in diesen Mitgliedstaaten einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen.
55. Die Rechtssache C‑146/23 geht auf die Gesetze über Sonderregelungen zur Umsetzung des Haushaltsgesetzes für die Jahre 2021, 2022 und 2023(82) zurück, mit denen Änderungen von Art. 91 des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie Kürzungen der Bezüge von Richtern vorgenommen wurden. Es wird nicht geltend gemacht, dass der polnischen Legislative und/oder Exekutive nach polnischem Recht nicht die Befugnis zugekommen wäre, Art. 91 des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch die Gesetze über Sonderregelungen zur Umsetzung des Haushaltsgesetzes für die Jahre 2021, 2022 und 2023 zu ändern. Das volle Ausmaß der Auswirkungen des Urteils des Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgerichtshofs) vom 8. November 2023, K 1/23(83), auf diese Haushaltsgesetze bleibt bis zu einem gewissen Grad unklar. In der Sitzung hat die polnische Regierung auf Fragen des Gerichtshofs hin bestätigt, dass die den Richtern infolge dieses Urteils geschuldeten Bezüge gezahlt worden seien. In der Rechtssache C‑374/23 erhoben SR und RB eine Schadensersatzklage wegen Untätigkeit gegen die Republik Litauen, da keine anderen rechtlichen Verfahren gegen die Exekutive und die Legislative eingeleitet werden können, um diese dazu zu verpflichten, Richtern Bezüge auszuzahlen, die der Würde ihrer Funktionen entsprechen. Aus dem Urteil in der Rechtssache Savickas(84) folgt eindeutig, dass eine Kürzung der Bezüge von Richtern vor den litauischen Gerichten bekämpft werden kann und Rechtsbehelfe finanziellen Charakters zur Verfügung stehen, um rechtswidrig nicht ausgezahlte Bezüge einzufordern.
56. Das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑146/23 erachtet die Änderungen von Art. 91 des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit in den Jahren 2022 und 2023 für unvereinbar mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV. Im Gegensatz zu den im Urteil in der Rechtssache Portugiesische Richter in Rede stehenden Maßnahmen(85) seien die polnischen Änderungen nicht allgemeinen Charakters sondern sie zielten konkret auf Richter ab und führten eine dauerhafte Abweichung von dem in Art. 91 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorgesehenen Verfahrens ein.
57. Es ist unstreitig, dass die Bezüge von Richtern(86) in Polen in den Jahren 2022 und 2023 niedriger waren, als wenn sie nach Art. 91 des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit berechnet worden wären. Zudem fiel diese Kürzung mit einem erheblichen Anstieg der Lebenshaltungskosten in diesem Mitgliedstaat zusammen. Es kann jedoch festgestellt werden, dass die Bezüge von Richtern im genannten Zeitraum nicht niedriger waren als in den vorangegangenen Jahren; vielmehr sind sie offenbar 2022 um 4,37 % gegenüber 2021 und 2023 um 7,8% gegenüber 2022 gestiegen. Die polnische Regierung hat vorgetragen, dass die Bezüge von Richtern mit den in Rede stehenden Änderungen nicht „eingefroren“ worden seien, sondern damit lediglich ihre Erhöhung verlangsamt worden sei. Während Herr XL auf eine lange Liste öffentlicher Bediensteter Bezug genommen habe, die im Jahr 2022 höhere Gehaltserhöhungen als Richter erhalten hätten, hat die polnische Regierung in der Sitzung darauf hingewiesen, dass gewöhnliche öffentliche Bedienstete in diesem Mitgliedstaat bedeutend weniger verdienten und anders als Richter nicht erst kürzlich eine Gehaltserhöhung erhalten hätten.
58. Was den angeblich dauerhaften Charakter der Änderungen in Polen angeht, steht Art. 91 des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit weiterhin in Kraft, auch wenn er in drei aufeinanderfolgenden Jahren offenbar jeweils geändert wurde(87). In der Sitzung hat die polnische Regierung bestätigt, dass sich jede der durch die Gesetze über Sonderregelungen zur Umsetzung des Haushaltsgesetzes für die Jahre 2021, 2022 und 2023 vorgenommenen Änderungen dieser Bestimmung auf ein einziges Haushaltsjahr bezogen habe und jeweils nur für ein Jahr gültig gewesen sei. Darüber hinaus findet sich in der dem Gerichtshof vorliegenden Verfahrensakte kein Hinweis darauf, dass im Jahr 2024 ähnliche Änderungen in Bezug auf Art. 91 des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorgeschlagen würden(88). Die Auswirkungen der Änderungen von Art. 91 des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit auf die Bezüge von Richtern sind also sowohl zeitlich als auch in ihrem Ausmaß begrenzt.
59. Zwar mag es auf den ersten Blick den Anschein haben, dass mit den in Rede stehenden Änderungen auf die Bezüge von Richtern und Staatsanwälten in Polen abgezielt wurde oder diese dadurch individualisiert wurden, da andere Inhaber öffentlicher Ämter und öffentliche Bedienstete keinen entsprechenden Maßnahmen unterlagen. Die polnische Regierung hat jedoch in ihren schriftlichen Erklärungen sowie in der Sitzung darauf hingewiesen, dass Richter und Staatsanwälte zuvor eine Vorzugsbehandlung in der Vergütungspolitik für Inhaber öffentlicher Ämter und öffentliche Bedienstete erfahren hätten. Weiter seien Richter und Staatsanwälte von einem Einfrieren der Gehälter im öffentlichen Dienst von 2013 bis 2018 ausgenommen gewesen. Diese Angaben deuten darauf hin, dass zwischen 2013 und 2023 vermutlich nicht im negativen Sinne auf die Bezüge von Richtern abgezielt wurde und diese im Vergleich zu denjenigen anderer Inhaber öffentlicher Ämter oder öffentlichen Bediensteten auch nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wurden(89). Ferner scheint in diesem Zeitraum keine erhebliche Absenkung ihrer Bezüge stattgefunden zu haben(90).
60. Die polnische Regierung hat die Änderungen für die Jahre 2022 und 2023 unter Verweis auf die COVID-19-Pandemie und den russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 gerechtfertigt. Hierbei handelt es sich meines Erachtens um relevante, objektive, überprüfbare und außergewöhnliche Umstände, die allen Mitgliedstaaten, einschließlich der Republik Polen, unzweifelhaft bedeutende Haushaltszwänge auferlegten und geeignet waren, eine Kürzung der Bezüge von Inhabern öffentlicher Ämter und öffentlichen Bediensteten, einschließlich der Bezüge von Richtern, zu rechtfertigen. Das Vorliegen einer nationalen Haushaltskrise oder die Eröffnung eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit nach Art. 126 Abs. 2 AEUV und Protokoll (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit sind keine Voraussetzungen dafür, dass eine Kürzung der Bezüge von Richtern mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV vereinbar ist(91). Kürzungen der Bezüge von Richtern sowie andere budgetäre Einschränkungen können im Rahmen von Bemühungen zur Vermeidung des Entstehens eines übermäßigen Defizit in einem Mitgliedstaat gerechtfertigt sein(92). Im Hinblick auf die Frage der Verhältnismäßigkeit der als Reaktion auf diese Umstände erlassenen Maßnahmen geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑146/23 hervor, dass die Bezüge von Herrn XL in den Jahren 2022 und 2023 deutlich über das Doppelte des Durchschnittsgehalts in Polen hinausgingen(93).
61. Während es letztlich Sache des vorlegenden Gerichts ist, darüber zu entscheiden, deuten die in den Nrn. 56 bis 60 der vorliegenden Schlussanträge genannten Gesichtspunkte darauf hin, dass die Bezüge von Richtern in Polen in den Jahren 2022 und 2023 ihrer Unabhängigkeit sowie der Bedeutung ihrer Funktionen entsprachen.
62. In der Rechtssache C‑374/23 stellte der Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) fest, dass die Bezüge von Richtern in den 13 Jahren zwischen 2008 und 2021 allein aufgrund steuerlicher Änderungen nominell um 3,2 % gesunken seien. Das vorlegende Gericht hat keine näheren Angaben zur Steuerreform von 2019 in Litauen gemacht. In jedem Fall ist, wie in Nr. 51 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt wird, die Besteuerung der Bezüge von Richtern im Allgemeinen ohne Bedeutung für eine Beurteilung derselben anhand von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV.
63. Die litauische Regierung und die Kommission tragen vor, dass der Basissatz für die Berechnung der Bezüge von Richtern und anderen Inhabern öffentlicher Ämter sowie öffentlichen Bediensteten gemäß Art. 3 LRJ auf eindeutigen und objektiven Parametern beruhe, die an die in der Republik Litauen vorherrschenden sozioökonomischen Bedingungen anknüpften(94). Er werde grundsätzlich jedes Jahr angepasst und dürfe nicht unter dem Vorjahreswert liegen. In der Rechtssache C‑374/23 deutet nichts darauf hin, dass auf die Bezüge von Richtern in Litauen abgezielt worden wäre oder diese im Vergleich mit denjenigen anderer Inhaber öffentlicher Ämter oder öffentlicher Bediensteter unverhältnismäßig beeinträchtigt worden wären. Insbesondere aus Art. 3 LRJ geht klar hervor, dass ihre Bezüge gemeinsam mit denjenigen anderer Inhaber öffentlicher Ämter und öffentlicher Bediensteter festgelegt werden. Dies gilt auch für die Reform der Bezüge im öffentlichen Dienst, die am 25. Mai 2023 angenommen wurde(95). Durch den Umstand, dass die Bezüge von Richtern und anderen Inhabern öffentlicher Ämter und öffentlichen Bediensteten durch die Reform (wesentlich) erhöht wurden, wird die Rechtmäßigkeit der zuvor an Richter ausbezahlten Beträge nicht in Frage gestellt.
64. Dem Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) zufolge ist die relative Höhe der Bezüge von Richtern in Litauen im Laufe der Zeit abgesenkt worden und nähere sich seit Ende 2021 der Höhe des nationalen Durchschnittsgehalts an. Die litauische Regierung hat in der Sitzung geltend gemacht, dass die vom vorlegenden Gericht vorgelegten Zahlen nicht einwandfrei seien, da sich darin die Rückstände nicht widerspiegelten, die Richtern zwischen 2016 und 2019 infolge eines Urteils des Lietuvos Respublikos Konstituticinis Teismas (Verfassungsgericht der Republik Litauen), worin eine Kürzung der Bezüge von Richtern für verfassungswidrig erklärt worden sei, ausbezahlt worden seien(96).
65. Während die Beurteilung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Angemessenheit der Bezüge von Richtern letztlich Sache des Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) ist, weisen Schaubild 3.36 des CEPEJ-Berichts 2020(97) bzw. Schaubild 3.46 des CEPEJ-Berichts 2022(98) darauf hin, dass das durchschnittliche Bruttogehalt der Richter am Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberstes Gericht, Litauen) das 2,2-fache (2018) bzw. 2,1-fache (2020) des nationalen Durchschnittsbruttogehalts betrug(99). Ein Vergleich mit den Daten aus anderen Mitgliedstaaten zeigt, dass die Bezüge litauischer Richter(100) zu Beginn ihrer Karriere am Obersten Gericht ihres Landes im Jahr 2018 im Mittelfeld lagen und nach einer relativen Betrachtungsweise höher waren als diejenigen vergleichbarer österreichischer (1,5), belgischer (1,6), finnischer (1,5), französischer (1,3), kroatischer (1,7), niederländischer (1,3), deutscher (0,9), ungarischer (1,8), italienischer (1,9), luxemburgischer (1,4), lettischer (1,9), slowenischer (1,6), schwedischer (1,8) und spanischer (2,1) Richter(101).
Ergebnis
66. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Sąd Rejonowy w Białymstoku (Rayongericht Białystok, Polen) und dem Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius, Litauen) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:
Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV
ist dahin auszulegen, dass
er dem Erlass von Rechtsvorschriften zur Kürzung der Bezüge von Richtern durch die Legislative und/oder die Exekutive der Mitgliedstaaten, einschließlich im Wege von nach nationalem Recht ausverhandelten Tarifverträgen, nicht entgegensteht;
die Mitgliedstaaten einen rechtlichen Rahmen festlegen müssen, damit die Bezüge von Richtern festgesetzt werden können und mit dem die richterliche Unabhängigkeit dadurch geschützt werden soll, dass die Höhe der Bezüge von Richtern der Bedeutung ihrer Funktionen entspricht. Rechtsvorschriften über die Bezüge von Richtern müssen auf relevanten, objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhen, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
eine Beurteilung der Angemessenheit der Bezüge von Richtern alle relevanten sozioökonomischen Faktoren in Bezug auf die Entwicklung dieser Bezüge im Laufe der Zeit berücksichtigen muss.
jede nationale Rechtsvorschrift zur Kürzung der Bezüge von Richtern die Gründe hierfür klar darzulegen hat. Daraus folgende Kürzungen der Bezüge von Richtern müssen vorübergehend sein. Ihr Ausmaß und ihre Dauer müssen auf die Ernsthaftigkeit und das Fortbestehen der Umstände, die ihren Erlass rechtfertigten, zugeschnitten sein und sich diesen entsprechend entwickeln. Keinesfalls dürfen solche Kürzungen der Bezüge auf eine Benachteiligung der Richterschaft abzielen.
Regelungen über die Bezüge von Richtern bzw. jegliche Kürzungen derselben einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein müssen.
1 Originalsprache: Englisch.
2 Nr. 79, erster Absatz. The Federalist, gemeinhin als Federalist Papers bezeichnet, ist eine Reihe von 85 Essays, die zwischen Oktober 1787 und Mai 1788 von Alexander Hamilton, John Jay und James Madison geschrieben wurden. Die Essays wurden anonym unter dem Pseudonym „Publius“ in verschiedenen damaligen Zeitungen des Bundesstaats New York (Vereinigte Staaten von Amerika) veröffentlicht. Die Fassung, der dieses Zitat entnommen wurde, findet sich in einem Rechercheleitfaden (Research Guide) der Kongressbibliothek (Library of Congress, Vereinigte Staaten von Amerika): https://guides.loc.gov/federalist-papers/introduction. Hamilton trat für den folgenden Ansatz ein: „Die Beamtengehälter innerhalb der Gerichtsbarkeit mögen von Zeit zu Zeit angepasst werden, wenn es die Umstände erfordern, jedoch niemals dergestalt, dass die Vergütung, mit der ein bestimmter Richter sein Amt antritt, verringert würde. Dieser zweite Absatz von The Federalist, Nr. 79, wurde in die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika übernommen, in deren Art. III, Section 1 es heißt, dass sowohl die Richter der obersten als auch jene der unterinstanzlichen Gerichte „für ihre Dienste eine Vergütung [erhalten], die während ihrer Amtszeit nicht verringert werden darf“. In den Verfassungen einzelner Mitgliedstaaten spiegelt sich ein ähnlicher Ansatz wider: vgl. Art. 133.12 der Verfassung der Republik Zypern sowie Art. 35.5 der irischen Verfassung in der Fassung der 29. Änderung des Verfassungsgesetzes von 2011.
3 In seiner Auslegung im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta). Die miteinander verbundenen Erfordernisse der richterlichen Unabhängigkeit und eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes sind nur zwei der Faktoren, die legitimer Weise einen Einfluss auf die Bezüge von Richtern haben können. Die Bezüge der Inhaber öffentlicher Ämter und der öffentlichen Bediensteten, einschließlich der Richter, fallen in den Anwendungsbereich von Art. 21 der Charta sowie in denjenigen der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000 L 303, S. 16). Vgl. Urteil vom 7. Februar 2019, Escribano Vindel (C‑49/18, EU:C:2019:106, Rn. 38 bis 60, im Folgenden: Urteil in der Rechtssache Escribano Vindel).
4 Das Erfordernis der Unabhängigkeit der Gerichte, das dem Auftrag des Richters inhärent ist, gehört zum Wesensgehalt des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes, der wiederum Teil des in Art. 47 der Charta verbürgten Grundrechts auf ein faires Verfahren ist. Urteil vom 20. April 2021, Repubblika (C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 48 bis 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).
5 (C‑64/16, EU:C:2018:117, im Folgenden: Urteil in der Rechtssache Portugiesische Richter).
6 Vgl. Rn. 66.
7 Und als unmittelbare Folge daraus seine Richter.
8 Vgl. Urteil in der Rechtssache Portugiesische Richter (Rn. 44).
9 Vgl. Urteil in der Rechtssache Portugiesische Richter (Rn. 45) und Urteil in der Rechtssache Escribano Vindel (Rn. 66). Der Grundsatz der Unabsetzbarkeit erfordert insbesondere, dass die Richter im Amt bleiben dürfen, bis sie das obligatorische Ruhestandsalter erreicht haben oder ihre Amtszeit, sofern diese befristet ist, abgelaufen ist. Dieser Grundsatz beansprucht zwar keine absolute Geltung, doch müssen Ausnahmen von ihm – vorbehaltlich der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – durch legitime und zwingende Gründe gerechtfertigt sein. So ist allgemein anerkannt, dass Richter abberufen werden können, wenn sie wegen Dienstunfähigkeit oder einer schweren Verfehlung nicht mehr zur Ausübung ihres Amtes geeignet sind, wobei angemessene Verfahren einzuhalten sind. Vgl. Urteil vom 5. November 2019, Kommission/Polen (Unabhängigkeit der ordentlichen Gerichte) (C‑192/18, EU:C:2019:924, Rn. 113). Vgl. auch Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż. (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 115 und 116), in dem eine Auseinandersetzung damit stattfindet, wie sich gewisse Entscheidungen, die Konsequenzen für das Leben und die Laufbahn einzelner Richter haben, auf die richterliche Unabhängigkeit auswirken.
10 In seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2017:935, Nr. 78), merkte Generalanwalt Saugmandsgaard Øe an, dass „die Höhe der Bezüge der Richter zwar der Bedeutung der von ihnen übernommenen öffentlichen Aufgaben angemessen zu sein [hat], … dieser Betrag [jedoch] nicht von den wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten und insbesondere vom durchschnittlichen Lebensstandard in dem Staat, in dem die Betroffenen ihre Berufstätigkeit ausüben, losgelöst sein [darf]. Außerdem setzt eine angemessene Stabilität ihres Einkommens meines Erachtens zwar voraus, dass dieses sich im Lauf der Zeit nicht so verändert, dass die Unabhängigkeit ihres Urteils gefährdet würde, aber nicht, dass es unveränderlich bleibt.“
11 Der portugiesische Gesetzgeber erließ die im Urteil in der Rechtssache Portugiesische Richter in Rede stehenden Maßnahmen im Rahmen eines Finanzhilfeprogramms der EU. Die im Urteil in der Rechtssache Escribano Vindel gegenständlichen Maßnahmen erließen der spanische Gesetzgeber und die spanische Verwaltung.
12 Im Fall Portugals befanden sich unter den betroffenen Inhabern öffentlicher Ämter und öffentlichen Bediensteten der Präsident der Republik; der Präsident der Assembleia da República (Parlament der Republik); der Premierminister; die Abgeordneten der Asembleia da República; die Regierungsmitglieder; die Richter des Tribunal Constitucional (Verfassungsgericht) und des Tribunal de Contas (Rechnungshof); der Procurador-Geral da República (Generalanwalt der Republik); die Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit und die Angehörigen der Staatsanwaltschaft sowie die Richter der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit und der Bezirksgerichte.
13 Vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR), 15. Oktober 2013, Savickas u. a./Litauen, CE:ECHR:2000:0622JUD003249296, §§ 90 bis 94 (im Folgenden: Urteil in der Rechtssache Savickas). Dieser Gerichtshof wies die Beschwerde von amtierenden bzw. ehemaligen Richtern oder ihren Erben, wonach diesen entgegen Art. 1 des Protokolls Nr. 1 zur am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) ihr Eigentum entzogen worden sei, als offensichtlich unbegründet im Sinne von Art. 35 Abs. 3 EMRK und daher gemäß Art. 35 Abs. 4 EMRK als unzulässig zurück. Die Beschwerde betraf eine Kürzung der Gehälter der Beschwerdeführer um etwa 30 %. Die Kürzung war durch die „besonders schwierige wirtschaftliche und finanzielle Lage in Litauen“ im Jahr 1999 und die „Notwendigkeit der Finanzierung von Bildung, Gesundheitsversorgung, Sozialleistungen sowie weiteren Bedürfnissen der Gesellschaft“ gerechtfertigt. Der EGMR entschied, dass die nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung von Maßnahmen der Sozial- und Wirtschaftspolitik über einen weiten Ermessensspielraum verfügen.
14 Dz. U. 2001 Nr. 98, Position 1070. Konsolidierte Fassung vom 14. Dezember 2022, Dz. U. 2023, Position 217.
15 Dz. U. 2021, Position 2445.
16 Dz. U. 2022, Position 2666.
17 Art. 3 des 2008 m. lapkričio 6 d. Lietuvos Respublikos teisėjų atlyginimų įstatymas Nr. X-1771 (Gesetz der Republik Litauen Nr. X-1771 über die Bezüge der Richter) vom 6. November 2008 (Žin., 2008, Nr. 131-5022), in der durch 2021 m. lapkričio 25 d. Lietuvos Respublikos teisėjų atlyginimų įstatymo Nr. X-1771 pakeitimo įstatymas Nr. XIV-708 (Gesetz der Republik Litauen Nr. XIV-708 zur Änderung des Gesetzes der Republik Litauen Nr. X-1771 über die Bezüge der Richter) vom 25. November 2021 geänderten Fassung (TAR, 2021, Nr. 25134).
18 An „Gerichten der allgemeinen Gerichtsbarkeit und an Fachgerichten“.
19 Nach der am 1. Januar 2022 bis zum 30. Juni 2023 geltenden Fassung.
20 An „Gerichten der allgemeinen Gerichtsbarkeit und an regionalen Fachgerichten“.
21 Der Gehaltskoeffizient wurde durch das Lietuvos Respublikos teisėjų atlyginimų įstatymo priedėlio pakeitimo įstatymas Nr. XI-235 (Gesetz Nr. XI-235 der Republik Litauen zur Änderung des Anhangs des Gesetzes der Republik Litauen über die Bezüge der Richter) vom 28. April 2009 (Žin., 2009, Nr 49-1940) festgelegt (das am 1. Oktober 2013 in Kraft trat). Den schriftlichen Erklärungen der Kommission zufolge wurde das in Kapitel II des Anhangs vorgesehene System der Gehaltskoeffizienten für Richter an Gerichten der allgemeinen Gerichtsbarkeit und an Fachgerichten durch das Lietuvos Respublikos teisėjų darbo apmokėjimo įstatymo Nr. X-1771 pakeitimo įstatymas Nr. XIV-2015 (Gesetz Nr. XIV-2015 der Republik Litauen zur Änderung des Gesetzes Nr. X-1771 der Republik Litauen über die Bezüge der Richter) vom 25. Mai 2023 (TAR, 2023, Nr. 11594) geändert und vorgesehen, dass das offizielle Gehalt eines Richters an einem Regionalgericht „3,6“ (in Basissätzen) betrage.
22 Von Juli bis November 2022 wurden Herrn XL 15 151,44 PLN pro Monat gezahlt; 15 033,51 PLN für Dezember 2022 sowie 16 333,26 PLN für Januar 2023.
23 Nach Berücksichtigung einer krankheitsbedingten Abwesenheit.
24 Vgl. Rn. 5.6 des Vorabentscheidungsersuchens in der Rechtssache C‑146/23.
25 Dieser wurde in den Sonderregelungen zur Umsetzung des Jahreshaushaltsgesetzes für das Jahr 2023 festgelegt.
26 Die Erste Präsidentin des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) machte u. a. geltend, dass das Gesetz über Sonderregelungen zur Umsetzung des Haushaltsgesetzes für das Jahr 2023 die Garantie verletze, dass Richtern eine der Würde ihres Amtes und dem Umfang ihrer Aufgaben angemessene Vergütung zukommen müsse. Diese Bestimmungen verletzten u. a. die richterliche Unabhängigkeit, den Grundsatz der erworbenen Rechte sowie das Vertrauen in den Staat und das geschriebene Recht. Sie betonte, dass die Methoden zur Berechnung der Bezüge von Richtern von den anwendbaren Rechtsgrundsätzen „abweichen“. Diese Bezüge unterlägen einer jährlichen und in gewissem Maße unvorhersehbaren Festsetzung durch den Gesetzgeber. So sei sichergestellt, dass das gewählte Modell zur Gestaltung der Bezüge von Richtern nicht mehr automatisch sei und auch nicht länger auf objektiven Kriterien beruhe.
27 Der Präsident des Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht) machte geltend, dass die fraglichen Bestimmungen eine „Ad-hoc-Regelung“ sowie eine Abweichung von den festen gesetzlichen Grundsätzen für die Ausgestaltung der Höhe der Richtergehälter darstellten. Die Verfassung der Republik Polen beziehe sich auf die Arbeitsbedingungen und die Vergütung einer einzigen Gruppe von Staatsbediensten: die der Richter. Diese Bezugnahme habe die Einführung eines von dem System für andere Bedienstete getrennten Systems zur Gestaltung der Richtergehälter erfordert. Dieses gesonderte System solle der Notwendigkeit des Schutzes der Unabhängigkeit der Gerichte, der Würde des Amtes sowie der Last der Verantwortung der Richter Rechnung tragen. Die reale Herabsetzung der Richtergehälter werde in den Jahren 2021 bis 2023 ca. 23,6 % betragen, was weit vom Anstieg des durchschnittlichen Bruttogehalts im staatlichen Sektor von 6,74% in den Jahren 2020 bis 2021 abweiche.
28 Die KRS machte geltend, dass Art. 178 Abs. 2 der Verfassung der Republik Polen, der die Zulässigkeit von Eingriffen des Gesetzgebers in die Festlegung der Bezüge von Richtern einschränke, eine wichtige Rolle bei der Gewährleistung von deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit spiele. Die Bezüge von Richtern sollten auf der Grundlage objektiver und messbarer Voraussetzungen berechnet werden und einer automatischen Indexierung unterliegen.
29 Im Licht des Anstiegs der Zahl der verhandelten Fälle, des wachsenden Rückstaus und der faktischen Verlängerung der Verfahrensdauer.
30 Den Klägern zufolge steht einem Gericht oder einem Richter kein rechtlicher Mechanismus zur Verfügung, mit dem die Exekutive und die Legislative dazu verpflichtet werden könnte, zu gewährleisten, dass die Bezüge von Richtern der Würde und Verantwortung des Richteramtes sowie den damit verbundenen strengen Beschränkungen, u. a. in Bezug auf die Ausübung sonstiger Tätigkeiten, entsprechen.
31 In den schriftlichen Erklärungen der Kommission heißt es, dass sich die Ansprüche auf den Zeitraum zwischen März 2020 und März 2023 bezögen.
32 Diese Beträge beruhen auf Angaben des vorlegenden Gerichts. Demnach handele es sich um Bruttobeträge ohne Dienstalterszulage. Im Betrag für 2021 sei die Steuerreform von 2019 berücksichtigt worden (Koeffizient 17,2 multipliziert mit dem Basissatz von 177 Euro geteilt durch 1,289 gemäß der Steuerreform).
33 Das vorlegende Gericht hebt zudem hervor, dass Richter besonders strengen Anforderungen unterlägen. Sie seien u. a. dazu verpflichtet, unabhängig von der Arbeitsbelastung für die gleichen Bezüge zu arbeiten, da ihre Arbeitszeit nicht geregelt sei. Darüber hinaus sehe Art. 113 der Verfassung der Republik Litauen vor, dass „ein Richter … weder durch Wahl noch durch Ernennung ein anderes Amt innehaben darf und auch nicht in einem Wirtschafts‑, Handels- oder sonstigen privaten Betrieb oder Unternehmen tätig sein darf. Er darf auch keine anderen Bezüge als die eines Richters oder solche für Lehr- oder schöpferische Tätigkeiten erhalten. Ein Richter darf sich nicht an den Tätigkeiten politischer Parteien oder anderer politischer Organisationen beteiligen.“
34 Berechnet auf Grundlage des im vorvergangenen Quartals erzielten durchschnittlichen Monatsgehalts laut Veröffentlichung des Valstybės duomenų agentūra (Staatliche Datenagentur, Litauen) (zuvor Lietuvos statistikos departamentas [Litauisches Amt für Statistik]) und unter Anwendung des Koeffizienten 0,1.
35 Ohne Dienstalterszulage.
36 Diese Bestimmungen verpflichten die Republik Litauen dazu, für Richter eine vergleichbare Bezügeregelung für ähnliche Tätigkeiten zu schaffen.
37 Durch die Entschließung Nr. XIV-72 des Parlaments der Republik Litauen vom 11. Dezember 2020 wurde dieses Programm gebilligt.
38 Dz. U. 2022, Position 2666.
39 In der Sitzung hat die polnische Regierung auf eine Frage des Gerichtshofs hin bestätigt, dass das Urteil des Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgerichtshof) am Tag seiner Veröffentlichung wirksam geworden sei.
40 In den schriftlichen Erklärungen der polnischen Regierung ist eine Reihe von Einwänden gegen die Zuständigkeit des Gerichtshofs, über die in der Rechtssache C‑146/23 vorgelegten Fragen zu entscheiden, sowie gegen deren Zulässigkeit erhoben worden. In der Sitzung hat sie diese Einwände zurückgenommen.
41 Urteile vom 26. März 2020, Miasto Łowicz und Prokurator Generalny (C‑558/18 und C‑563/18, EU:C:2020:234, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 9. Januar 2024, G. u. a. (Ernennung von Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Polen) (C‑181/21 und C‑269/21, EU:C:2024:1, Rn. 57). Vgl. auch Beschluss vom 2. Juli 2020, S.A.D. Maler und Anstreicher (C‑256/19, EU:C:2020:523, Rn. 35 bis 40).
42 Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV betrifft die „vom Unionsrecht erfassten Bereiche“, ohne dass es insoweit darauf ankäme, ob die Mitgliedstaaten Unionsrecht im Sinne von Art. 51 der Charta durchführen.
43 Urteil vom 2. März 2021, A. B. u. a. (Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Rechtsbehelf) (C‑824/18, EU:C:2021:153, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 Urteil vom 20. April 2021, Repubblika (C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 63 bis 65).
45 Vgl. entsprechend Urteil vom 18. Mai 2021, Asociația „Forumul Judecătorilor din România“ u. a. (C‑83/19, C‑127/19, C‑195/19, C‑291/19, C‑355/19 und C‑397/19, EU:C:2021:393, Rn. 230). Die nach dem Unionsrecht erforderlichen Garantien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit setzen voraus, dass es Regeln insbesondere für die Zusammensetzung der Einrichtung, die Ernennung, die Amtsdauer und die Gründe für Enthaltung, Ablehnung und Abberufung ihrer Mitglieder gibt, die es ermöglichen, bei den Rechtsunterworfenen jeden berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit dieser Einrichtung für äußere Faktoren und an ihrer Neutralität in Bezug auf die widerstreitenden Interessen auszuräumen. Vgl. Urteil vom 20. April 2021, Repubblika (C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung). In der Sitzung hat die Kommission die Notwendigkeit der Gewährleistung angemessener Bezüge für Richter betont, um den Eindruck zu vermeiden, dass diese für unzulässige äußere Einflussnahmen empfänglich seien.
46 Urteil vom 26. März 2020, Miasto Łowicz und Prokurator Generalny (C‑558/18 und C‑563/18, EU:C:2020:234, Rn. 45 und 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
47 Es bestehen offensichtliche Parallelen zwischen dem Ausgangsverfahren in der Rechtssache C‑374/23 und den Fällen, die zu den Urteilen in den Rechtssachen Portugiesische Richter und Escribano Vindel führten, welche von einer Gewerkschaft im Namen portugiesischer Richter bzw. von einem spanischen Richter erhobene Klagen betrafen, die sich gegen Maßnahmen zur Kürzung der Bezüge portugiesischer bzw. spanischer Richter richteten. Vgl. dagegen Beschluss vom 8. November 2023, Habonov (C‑333/23, EU:C:2023:858, im Folgenden: Beschluss in der Rechtssache Habonov). Im Beschluss in der Rechtssache Habonov wies der Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Gießen (Deutschland) über Bezüge von Richtern im Land Hessen anhand von Art. 19 EUV und Art. 47 der Charta als unzulässig zurück. Da dieses Ersuchen im Rahmen eines dringlichen Asylverfahrens zwischen einem russischen Staatsangehörigen und der Bundesrepublik Deutschland erging, entschied der Gerichtshof, dass eine Antwort nicht erforderlich war, um dem vorlegenden Gericht den Erlass seines Urteils zu ermöglichen und grenzte dieses Ersuchen so von denjenigen ab, die zu den Urteilen in den Rechtssachen Portugiesische Richter und Escribano Vindel führten.
48 Da Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV alle Mitgliedstaaten verpflichtet, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen ein wirksamer Rechtsschutz insbesondere im Sinne von Art. 47 der Charta gewährleistet ist, ist bei jeder Auslegung der ersteren Bestimmung auch die letztere gebührend zu berücksichtigen. Urteil vom 22. Februar 2022, RS (Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts) (C‑430/21, EU:C:2022:99, Rn. 34 bis 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
49 Er ist in den Art. 6 und 13 EMRK verankert.
50 Urteil vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen (Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern) (C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 69).
51 Urteil vom 13. Juli 2023, YP u. a. (Aufhebung der Immunität und Suspendierung eines Richters) (C‑615/20 und C‑671/20, EU:C:2023:562, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).
52 Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Februar 2022, RS (Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts) (C‑430/21, EU:C:2022:99, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).
53 Die Bezüge von Richtern können nach nationalem Recht beispielsweise durch gerichtliche oder unabhängige Einrichtungen oder durch Tarifverträge festgelegt werden.
54 Der Grundsatz der Rechtssicherheit gilt nicht absolut. Regelungen über die Bezüge von Richtern dürfen bei objektivem Vorliegen legitimer Gründe unter der Voraussetzung geändert werden, dass die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit und der Verhältnismäßigkeit eingehalten werden.
55 In Nr. 53 der am 17. November 2010 anlässlich der 1098. Sitzung der Ministerbeauftragten angenommenen Empfehlung CM/Rec(2010)12 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten über Richter: Unabhängigkeit, Effizienz und Verantwortung (im Folgenden: Empfehlung des Ministerkommitees des Europarats) heißt es: „Die Grundregeln des Systems der Bezüge für Berufsrichter sollten durch Gesetz festgelegt sein“ (abrufbar unter: https://www.icj.org/wp-content/uploads/2014/06/CMRec201012E.pdf). Vgl. auch Nr. 11 der Grundprinzipien der Unabhängigkeit der Justiz, die am 6. September 1985 vom Siebten Kongress der Vereinten Nationen für Verbrechensverhütung und die Behandlung Straffälliger, der von 26. August bis 6. September in Mailand stattfand, angenommen wurde und besagt, dass „[d]ie Amtszeit von Richtern, ihre Unabhängigkeit, ihre Sicherheit, ihre angemessene Vergütung, ihre Dienstbedingungen, ihre Ruhegehälter sowie ihr Ruhestandsalter in angemessener Weise durch Gesetz festzulegen sind“ (abrufbar unter https://www.ohchr.org/en/instruments-mechanisms/instruments/basic-principles-independence-judiciary).
56 Im Urteil in der Rechtssache Savickas (§ 93) erachtete es der EGMR für „entscheidend, dass die Kürzung der Gehälter im öffentlichen Sektor die Richterschaft [in Litauen] nicht individualisierte“, sondern Teil eines Sparprogrammes gewesen sei, das die Gehälter im gesamten öffentlichen Sektor betroffen habe. Der EGMR verwies zudem auf die Schlussfolgerung des Lietuvos Respublikos Konstitucinis Teismas (Verfassungsgericht der Republik Litauen), wonach „es … ungerecht [wäre], wenn Richtern eine Ausnahme zuteilwürde und sie von Sparmaßnahmen ausgenommen würden“. Der EGMR fügte jedoch den Vorbehalt hinzu, dass möglicherweise selbst diese Überlegung nicht entscheidend wäre, würde eine Kürzung die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen.
57 Im Urteil in der Rechtssache Savickas (§§ 3, 4 und 93) setzte der EGMR eine Kürzung der Bezüge von Richtern im Jahr 1999 in den Kontext einer Erhöhung dieser Bezüge im Jahr 1997 und kam zu dem Ergebnis, dass deren Höhe im Großen und Ganzen nicht beeinträchtigt gewesen sei.
58 Vgl. entsprechend Urteil in der Rechtssache Savickas sowie EGMR, 22. Juni 2023, Kubát u. a./Tschechische Republik, CE:ECHR:2023:0622JUD006172119 (im Folgenden: Urteil in der Rechtssache Kubát). Diese Fälle betrafen u. a. die Bezüge von Richtern sowie das Eigentumsrecht nach Art. 1 des Protokolls Nr. 1 zur EMRK.
59 Und nicht auf sonstige Zuschläge oder Zulagen, die Richtern in dem einen oder dem anderen Mitgliedstaat zustehen.
60 Urteil vom 22. Februar 2024, Randstad Empleo u. a. (C‑649/22, EU:C:2024:156, Rn. 44).
61 In Bezug auf die gerichtliche Ebene oder eine an einem Gericht ausgeübte Tätigkeit als Verantwortungsträger, wie etwa als Präsident eines solchen.
62 In der Rechtssache C‑146/23 hat die polnische Regierung darauf hingewiesen, dass für Richter und Staatsanwälte eine spezielle Rentenregelung bestehe, die besonders vorteilhaft sei, da diese Personen im Hinblick darauf von der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen befreit seien.
63 Vgl. z. B. Art. 91 des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie Art. 4 Abs. 2 LRJ. Während das Gesamtpaket finanzieller oder sonstiger Vergütungen, die Richtern gewährt werden, bei der Beurteilung der Angemessenheit ihrer Bezüge berücksichtigt werden sollte, rät die Venedig-Kommission bei der Gewährung „nicht-finanzieller Zuwendungen“ an Richter auf der Grundlage eines sozialen Bedarfs, wie etwa einer Wohnung, zur Vorsicht, da es „einen Ermessensspielraum bei ihrer Gewährung“ gebe. „Sie stellen daher eine potenzielle Gefahr für die richterliche Unabhängigkeit dar.“ Bericht über die Unabhängigkeit des Justizsystems, Teil I: Die Unabhängigkeit der Richter, angenommen anlässlich der 82. Plenarsitzung der Venedig-Kommission (Venedig, 12. bis 13. März 2010), CDL-AD(2010)004, https://www.venice.coe.int/webforms/documents/default.aspx?pdf=CDL-AD(2010)004-e&lang=DE.
64 In Ländern, in denen es Richtern möglicherweise verboten ist, eine Tätigkeit als Rechtsanwalt aufzunehmen oder wiederaufzunehmen.
65 Nach nationalem Recht kann die Ausübung des Richteramtes mit der Ausübung anderer Tätigkeiten oder Funktionen unvereinbar sein. Bestimmte Ausschließlichkeitsanforderungen können zur Vermeidung von Interessenkonflikten oder zur Gewährleistung der beruflichen Hingabe für das Richteramt objektiv erforderlich sein. Andere Einschränkungen oder Hindernisse, wie etwa ein Verbot, Gesellschaftsanteile zu halten oder Lizenzgebühren, Dividenden oder Vergütungen für Lehrtätigkeiten zu erhalten, dürften nicht immer im Interesse der richterlichen Unabhängigkeit gerechtfertigt sein und können unter bestimmten Umständen eine Verletzung des durch Art. 17 der Charta geschützten Eigentumsrechts darstellen.
66 Möglich ist auch, dass die Mitgliedstaaten Richtern ein festes Jahresgehalt auszahlen, ohne die Kriterien, auf denen dieses beruht, im Einzelnen anzugeben. Unter solchen Umständen können die Bezüge, die anderen Inhabern öffentlicher Ämter oder öffentlichen Bediensteten mit entsprechender Verantwortung ausgezahlt werden, einen Maßstab für die Beurteilung der Angemessenheit der Bezüge von Richtern darstellen.
67 Vgl. Art. 153 Abs. 5 AEUV und Urteil vom 7. Juli 2022, Coca-Cola European Partners Deutschland (C‑257/21 und C‑258/21, EU:C:2022:529, Rn. 47). Vgl. auch Richtlinie (EU) 2022/2041 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union (ABl. 2022, L 275 S. 33).
68 Im Januar 2024 variierte die Höhe des Mindestlohns in den Mitgliedstaaten zwischen 477 Euro pro Monat in Bulgarien und 2 571 Euro pro Monat in Luxemburg (vgl. https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Minimum_wage_statistics).
69 Objektive wirtschaftliche Faktoren wie das Bruttoinlandsprodukt eines Mitgliedstaats, die Inflationsrate, sein Haushaltsdefizit oder ‑überschuss, seine Staatsverschuldung, die Gesamtkosten der Justizverwaltung etc. können ebenfalls relevant sein. Die litauische Regierung hat darauf hingewiesen, dass sie bei der Ausarbeitung eines Entwurfs für den Staatshaushalt „die in der Verfassung verankerten Staatsfunktionen, die gegenwärtige wirtschaftliche Lage, die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Gesellschaft und des Staates, die verfügbaren und geplanten finanziellen Mittel, die staatlichen Verpflichtungen sowie andere gewichtige Faktoren zu berücksichtigen [hat]“.
70 In Nr. 54 der Empfehlung des Ministerkommittees des Europarats heißt es: „Die Bezüge von Richtern sollten ihrem Berufsstand sowie ihrer Verantwortung entsprechen und ausreichend sein, um sie von Verlockungen abzuschirmen, mit denen auf die Beeinflussung ihrer Entscheidungen abgezielt wird. Es sollten Garantien für die Aufrechterhaltung einer angemessenen Vergütung in Fällen der Krankheit, des Mutter- oder Vaterschaftsurlaubs sowie im Hinblick auf die Gewährung einer Altersrente bestehen, die in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe der Bezüge während der Berufstätigkeit stehen sollte. Zum Schutz gegen eine Kürzung der Bezüge, die konkret auf Richter abzielt, sollten besondere Rechtsvorschriften erlassen werden“ (abrufbar unter: https://www.icj.org/wp-content/uploads/2014/06/CMRec201012E.pdf). Vgl. auch Art. 6 der Europäischen Charta über das Richterstatut, Straßburg, 8. bis 10. Juli 1998 (abrufbar unter: https://rm.coe.int/16807473ef).
71 Deren Bedeutung mit der Beobachtung auf den Punkt gebracht wird, dass „das Rechtsleben bisher nicht durch Logik geprägt war – sondern durch Erfahrung“, in Holmes, O. W., The Common Law, 1. Aufl., Little, Brown & Co., Boston (Massachusetts) 1881.
72 Im Hinblick darauf hat der Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) keine Angaben zur Steuerreform von 2019 gemacht. Siehe Nr. 25 der vorliegenden Schlussanträge.
73 Eine im Vergleich zur Privatwirtschaft unzureichende Vergütung von Richtern kann die Würde des Richteramtes beeinträchtigen und zum Nachteil eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes und der richterlichen Unabhängigkeit die Neueinstellung, Motivation und Weiterbeschäftigung von Richtern erschweren. Dem Bewertungsbericht der im September 2002 vom Ministerkommittee des Europarats eingesetzten Europäischen Kommission für die Wirksamkeit der Justiz (im Folgenden: CEPEJ) zu Europäischen Justizsystemen aus dem Jahr 2020 (im Folgenden: CEPEJ-Bericht 2020), S. 67 (abrufbar unter https://rm.coe.int/rapport-evaluation-partie-1-francais/16809fc058) sowie dem Bewertungsbericht der CEPEJ zu europäischen Justizsystemen aus dem Jahr 2022 (im Folgenden: CEPEJ-Bericht 2022), S. 79 (abrufbar unter: https://rm.coe.int/cepej-report-2020-22-e-web/1680a86279) zufolge, „[erfordert] die Frage der Bezüge von Richtern … einen gesamtheitlichen Ansatz, in dessen Rahmen über den rein wirtschaftlichen Aspekt hinaus die Auswirkungen berücksichtigt werden, die diese auf die Effizienz der Justiz sowie auf ihre Unabhängigkeit im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Korruption inner- und außerhalb des Justizsystems haben kann. Die Justizpolitik sollte auch den Gehältern in anderen Rechtsberufen Rechnung tragen, um den Richterberuf für hochqualifizierte Juristen attraktiv zu machen.“
74 Sie ist auch mit einer Ausübung staatlicher Gewalt verbunden, die nicht mit der Arbeit in anderen Rechtsberufen tätiger Personen verglichen werden kann. In Ermangelung vergleichbarer Situationen kann jegliche Art von Diskriminierung ausgeschlossen werden.
75 Auch die Wertschätzung, die dem Richteramt entgegengebracht wird, hat einen gewissen, nicht in Geld messbaren Wert.
76 Ein von Rechtsanwälten in Rechnung gestellter Betrag muss nicht dem Betrag entsprechen, den ihre Mandanten tatsächlich bezahlen. Rechtsanwälte stehen im Wettbewerb mit anderen Rechtsanwälten und – in bestimmten Ländern – mit anderen Dienstleistern wie Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern.
77 Wie für Büroräume, eine Berufshaftpflichtversicherung oder juristische Mitarbeiter.
78 Vgl. Nr. 55 der Empfehlung des Ministerkommittees des Europarats, in der es heißt: „Systeme, in denen die Grundbezüge von Richtern von ihrer Leistung abhängig gemacht werden, sollten vermieden werden, da dies zu Problemen im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Richter führen könnte.“ Vgl. entsprechend Gutachten 1/17 (CETA EU-Kanada) vom 30. April 2019 (EU:C:2019:341, Rn. 98).
79 In gewissen Fällen ist gesetzlich festgelegt, dass Rechtsanwaltsgebühren und/oder ihre Erstattung der „Kostenfestsetzung“ unterliegen. Diese Gebühren können von einem bestimmten Ausgang eines Rechtsstreits oder dem Obsiegen in einem solchen abhängen. Möglicherweise können Rechtsanwälte daher nicht die gesamte Zeit in Rechnung stellen, die sie für einen Fall aufgewendet haben – oder in manchen Fällen gar nichts davon.
80 In der Sitzung hat die litauische Regierung bestätigt, dass der „Basissatz“, auf den sich Art. 3 LRJ bezieht, im Rahmen von Tarifvertragsverhandlungen ausverhandelt wird. Der Landesjustizrat in Litauen, der sich ausschließlich aus Richtern aller Instanzen zusammensetzt, vertritt die litauische Justiz in diesen Verhandlungen.
81 Vorbehaltlich der Überprüfung durch die vorlegenden Gerichte.
82 Vorliegend sind die Änderungen in Bezug auf die Jahre 2022 und 2023 von Bedeutung
83 Das Verfahren in dieser Rechtssache betraf das Gesetz über Sonderregelungen zur Umsetzung des Haushaltsgesetzes für das Jahr 2023.
84 §§ 1 bis 20.
85 Vgl. Rn. 49 des genannten Urteils.
86 Die polnische Regierung und die Kommission weisen darauf hin, dass die Gesetze über Sonderregelungen zur Umsetzung des Haushaltsgesetzes für die Jahre 2022 und 2023 Bestimmungen über die Bezüge der Richter an den ordentlichen Gerichten, am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen), am Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgerichtshof) sowie über diejenigen der Staatsanwälte enthalten hätten.
87 Siehe Nrn. 15 und 16 der vorliegenden Schlussanträge.
88 Die Änderungen für das Jahr 2023 wurden für verfassungswidrig erklärt.
89 Vgl. entsprechend Urteil in der Rechtssache Portugiesische Richter (Rn. 48).
90 Daraus folgt, dass die Bezüge von Richtern im Zuge der rezenten Rechtsstaatlichkeitskrise in Polen nicht abgesenkt wurden.
91 Es scheint, dass das Haushaltsdefizit in Polen im relevanten Zeitraum unter den 60 % „für das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Schuldenstand und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen“ lag, auf die in Art. 126 Abs. 2 AEUV und Art. 1 Protokoll (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit verwiesen wird. Eine Überschreitung des Verhältnisses von 60% stellt einen „schwerwiegenden Fehler“ dar.
92 Art. 126 Abs. 1 AEUV verpflichtet die Mitgliedstaaten „übermäßige öffentliche Defizite [zu vermeiden].“
93 Die Kommission hat angemerkt, dass die Bezüge von Herrn XL beinahe dreimal so hoch seien, wenn man die in Art. 91 des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit genannten Prämien und Zulagen hinzurechne. Die polnische Regierung hat vorgetragen, dass die durchschnittlichen Bezüge von Richtern zwischen 2018 und 2022 mehr als 300 % des nationalen Durchschnittsgehalts betragen hätten. Der EGMR stellte fest, dass das durchschnittliche „Bruttojahresgehalt“ von Richtern für alle Mitgliedstaaten des Europarats in den Jahren 2012 bzw. 2014 das 2,3-fache bzw. 2,4-fache des nationalen Durchschnittsgehalts betragen habe. Vgl. Urteil in der Rechtssache Kubát, § 33.
94 Der einschlägige Koeffizient wird ebenfalls gesetzlich festgelegt.
95 Siehe Nrn. 10 und 12 der vorliegenden Schlussanträge. Vgl. auch Rn. 39 der schriftlichen Erklärungen der Kommission.
96 Den schriftlichen Erklärungen der Kommission zufolge sind die Bezüge von Richtern seit 2017 jährlich leicht angestiegen.
97 S. 67.
98 S. 80.
99 Zu Beginn ihrer Karriere und das 3,3-fache (2018) bzw. 2,9-fache „in der höchsten Instanz“.
100 Im Verhältnis zum nationalen Durchschnittsbruttogehalt.
101 Im Jahr 2020 waren die Bezüge litauischer Richter zu Beginn ihrer Karriere am Obersten Gericht ihres Landes nach einer relativen Betrachtungsweise höher als diejenigen vergleichbarer österreichischer (1,6), belgischer (1,6), finnischer (1,6), französischer (1,3), kroatischer (1,9), niederländischer (1,3), deutscher (0,9), ungarischer (1,7), italienischer (1,8), luxemburgischer (1,5), polnischer (1,9), slowenischer (1,5) und schwedischer (1,9) Richter. Die Forderungen von SR und RB beziehen sich auf den Zeitraum zwischen 2020 und 2023. Vgl. auch Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, EU-Justizbarometer 2023, COM(2023) 309 final, Schaubild 34: Verhältnis der Jahresgehälter von Richtern und Staatsanwälten zu den durchschnittlichen Bruttojahresgehältern im Land im Jahr 2021. CEPEJ stellte der Kommission die quantitativen Daten zur Verfügung, die den Zeitraum zwischen 2012 und 2021 abdecken. Die Kommission trägt vor, Schaubild 34 lasse zwar darauf schließen, dass das Einstiegsgehalt litauischer Richter im Verhältnis zum durchschnittlichen Bruttojahresgehalt zu den niedrigsten in der Union gehöre, es aber nach einer relativen Betrachtungsweise dennoch höher sei als dasjenige, das in Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Ungarn, Luxemburg, den Niederlanden, Polen und Slowenien ausbezahlt werde.