BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

16. März 2023 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 99 der Verfahrensordnung – Öffentliche Aufträge – Richtlinie 2009/81/EG – Art. 55 Abs. 4 – Art. 57 Abs. 2 – Rechtsschutzinteresse – Zugang zu den Nachprüfungsverfahren – Bieter, der durch eine bestandskräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers vom Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde – Nationale Regelung, die einem solchen Bieter den Zugang zu einem Rechtsbehelf verwehrt – Fehlendes Rechtsschutzinteresse“

In der Rechtssache C‑493/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 28. Juni 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juli 2022, in dem Verfahren

Armaprocure SRL

gegen

Ministerul Apărării Naţionale,

BlueSpace Technology SRL

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan sowie der Richter N. Jääskinen und M. Gavalec (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 55 Abs. 4, Art. 56 Abs. 3, Art. 57 Abs. 2, Art. 60 Abs. 1 Buchst. b und Art. 61 der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau‑, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (ABl. 2009, L 216, S. 76).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Armaprocure SRL einerseits sowie dem Ministerul Apărării Naţionale (Ministerium für Nationale Verteidigung, Rumänien) und der BlueSpace Technology SRL andererseits über die Entscheidung dieses Ministeriums, das Angebot von Armaprocure abzulehnen und einen öffentlichen Auftrag zur Beschaffung von Schießständen an das von BlueSpace Technology mit der nationalen Gesellschaft Romarm SA gebildete Konsortium (im Folgenden: Konsortium) zu vergeben.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2009/81

3

Im 72. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/81 heißt es:

„Die Einhaltung der Transparenz- und Wettbewerbsanforderungen sollte durch ein wirksames Nachprüfungsverfahren nach dem Vorbild des Verfahrens gewährleistet werden, das die Richtlinien 89/665/EWG [des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33), geändert durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 (ABl. 2007, L 335, S. 31) (im Folgenden: Richtlinie 89/665),] und 92/13/EWG [des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. 1992, L 76, S. 14), geändert durch die Richtlinie 2007/66,] für unter die Richtlinien 2004/17/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1)] und 2004/18/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114)] fallende Aufträge vorsehen. Insbesondere sollten die Möglichkeit einer Anfechtung des Vergabeverfahrens vor Vertragsunterzeichnung und die für die Wirksamkeit der Nachprüfung erforderlichen Garantien, wie beispielsweise eine Stillhaltefrist, vorgesehen werden. Es sollte auch die Möglichkeit bestehen, rechtswidrige Direktvergaben oder Vertragsschlüsse, die gegen diese Richtlinie verstoßen, anzufechten.“

4

Art. 55 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren“) der Richtlinie 2009/81 bestimmt in seinen Abs. 2 und 4:

„(2)   Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Entscheidungen von Auftraggebern wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der Artikel 56 bis 62 auf Verstöße gegen das [Unionsrecht] im Bereich des Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.“

5

Art. 56 („Anforderungen an die Nachprüfungsverfahren“) Abs. 3 dieser Richtlinie sieht vor:

„Wird eine von dem Auftraggeber unabhängige Stelle in erster Instanz mit der Nachprüfung einer Zuschlagsentscheidung befasst, so sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass der Auftraggeber den Vertragsschluss nicht vornehmen kann, bevor die Nachprüfungsstelle eine Entscheidung über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen oder eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen hat. Diese Aussetzung endet frühestens mit Ablauf der Stillhaltefrist nach Artikel 57 Absatz 2 und Artikel 60 Absätze 4 und 5.“

6

Art. 57 („Stillhaltefrist“) Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie lautet:

„Bieter gelten als betroffen, wenn sie noch nicht endgültig ausgeschlossen wurden. Ein Ausschluss ist endgültig, wenn er den betroffenen Bietern mitgeteilt wurde und entweder von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle als rechtmäßig anerkannt wurde oder keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann.“

7

Art. 60 („Unwirksamkeit“) Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/81 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten tragen in folgenden Fällen dafür Sorge, dass ein Vertrag durch eine von dem Auftraggeber unabhängige Nachprüfungsstelle für unwirksam erklärt wird oder dass sich seine Unwirksamkeit aus der Entscheidung einer solchen Stelle ergibt,

b)

bei einem Verstoß gegen Artikel 55 Absatz 6, Artikel 56 Absatz 3 oder Artikel 57 Absatz 2, falls dieser Verstoß dazu führt, dass der Bieter, der eine Nachprüfung beantragt, nicht mehr die Möglichkeit hat, vor Abschluss des Vertrags Rechtsschutz zu erlangen, und dieser Verstoß verbunden ist mit einem anderen Verstoß gegen die Titel I oder II, falls der letztgenannte Verstoß die Aussichten des Bieters, der eine Nachprüfung beantragt, auf die Erteilung des Zuschlags beeinträchtigt hat“.

8

Art. 61 („Verstöße gegen diesen Titel und alternative Sanktionen“) der Richtlinie lautet:

„(1)   Bei Verstößen gegen Artikel 55 Absatz 6, Artikel 56 Absatz 3 oder Artikel 57 Absatz 2, die nicht von Artikel 60 Absatz 1 Buchstabe b erfasst sind, sehen die Mitgliedstaaten die Unwirksamkeit gemäß Artikel 60 Absätze 1 bis 3 oder alternative Sanktionen vor. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die vom Auftraggeber unabhängige Nachprüfungsstelle nach Bewertung aller einschlägigen Aspekte entscheidet, ob der Vertrag als unwirksam erachtet oder alternative Sanktionen verhängt werden sollten.

…“

Richtlinie 89/665

9

Art. 1 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren“) Abs. 3 der Richtlinie 89/665 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.“

10

Art. 2a („Stillhaltefrist“) dieser Richtlinie sieht in Abs. 2 Unterabs. 2 Folgendes vor:

„Bieter gelten als betroffen, wenn sie noch nicht endgültig ausgeschlossen wurden. Ein Ausschluss ist endgültig, wenn er den betroffenen Bietern mitgeteilt wurde und entweder von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle als rechtmäßig anerkannt wurde oder keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann.“

Rumänisches Recht

Dringlichkeitsverordnung Nr. 114/2011

11

Art. 137 der Ordonanța de urgență a Guvernului nr. 114/2011 privind atribuirea anumitor contracte de achiziții publice în domeniile apărării și securității (Dringlichkeitsverordnung der Regierung Nr. 114/2011 über die Vergabe bestimmter öffentlicher Aufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit) vom 21. Dezember 2011 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 932 vom 29. Dezember 2011, im Folgenden: Dringlichkeitsverordnung Nr. 114/2011) sieht in ihren Abs. 1 und 2 Folgendes vor:

„(1)   Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, den am Vergabeverfahren beteiligten Wirtschaftsteilnehmern die Entscheidungen über das Ergebnis der Auswahl, über den Ausgang des Verfahrens zur Vergabe des öffentlichen Auftrags oder den Abschluss der Rahmenvereinbarung oder gegebenenfalls über die Aufhebung des Vergabeverfahrens und die eventuelle Einleitung eines neuen Verfahrens so schnell wie möglich, spätestens jedoch drei Arbeitstage nach Erlass der betreffenden Entscheidungen, schriftlich mitzuteilen.

(2)   Für die Zwecke von Abs. 1 gilt jeder Bewerber/Bieter, der vom öffentlichen Auftraggeber noch nicht über die Entscheidungen unterrichtet wurde, die seine Bewerbung/sein Angebot unmittelbar betreffen, oder jeder Bewerber/Bieter, dessen Bewerbung/Angebot vom öffentlichen Auftraggeber noch nicht endgültig abgelehnt wurde, als am Vergabeverfahren beteiligter Wirtschaftsteilnehmer. Eine Ablehnung gilt als endgültig, wenn sie dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer mitgeteilt wurde und entweder vom zuständigen [Consiliul Național de Soluționare a Contestațiilor (Nationaler Rat für Beschwerdeentscheidungen, Rumänien)] für rechtmäßig befunden wurde oder nicht mit einem Rechtsbehelf angefochten wurde oder nicht mehr angefochten werden kann.“

12

Art. 138 Abs. 2 Buchst. c der Dringlichkeitsverordnung sieht vor:

„Im Rahmen der in Art. 137 Abs. 3 genannten Mitteilung hat der öffentliche Auftraggeber die Bieter/Bewerber, deren Angebot abgelehnt wurde oder deren Angebot nicht den Zuschlag erhalten hat, über die Gründe für seine Entscheidung zu unterrichten und dabei Folgendes anzugeben:

c)

jedem Bieter, der ein annehmbares und ordnungsgemäßes, also zulässiges, Angebot eingereicht hat, aber nicht zum Zuschlagsempfänger erklärt wurde, die Merkmale und relativen Vorteile des/der erfolgreichen Angebote(s) im Vergleich zu seinem/ihren Angebot(en), den Namen des Bieters, an den der öffentliche Auftrag vergeben wird, bzw. der Bieter, mit denen eine Rahmenvereinbarung geschlossen wird“.

Gesetz Nr. 101/2016

13

Die Legea nr. 101/2016 privind remediile și căile de atac în materie de atribuire a contractelor de achiziție publică, a contractelor sectoriale și a contractelor de concesiune de lucrări și concesiune de servicii, precum și pentru organizarea și funcționarea Consiliului Național de Soluționare a Contestațiilor (Gesetz Nr. 101/2016 über Rechtsbehelfe und Anfechtungsverfahren auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge, sektorspezifischer Aufträge und von Bau- und Dienstleistungskonzessionen sowie über die Organisation und die Funktionsweise des Nationalen Rates für Beschwerdeentscheidungen) vom 19. Mai 2016 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 393 vom 23. Mai 2016) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 101/2016) bestimmt in Art. 3:

„(1)   Man versteht unter:

f)

jeder, der sich für verletzt hält: jeden Wirtschaftsteilnehmer, der alle folgenden Voraussetzungen erfüllt:

i)

Er hat oder hatte ein Interesse an einem Vergabeverfahren und

ii)

er hat einen Schaden erlitten, er erleidet einen Schaden oder er läuft Gefahr, einen Schaden zu erleiden, der durch eine rechtswirksame Handlung des öffentlichen Auftraggebers entstanden ist, oder dadurch, dass über einen Antrag auf Durchführung eines Vergabeverfahrens nicht innerhalb der gesetzlichen Frist entschieden wurde.

(3)   Für die Zwecke von Abs. 1 Buchst. f Ziff. i ist davon auszugehen, dass eine Person ein Interesse an einem Vergabeverfahren hat oder hatte, wenn sie noch nicht endgültig von diesem Verfahren ausgeschlossen worden ist. Ein Ausschluss ist endgültig, wenn er dem betreffenden Bewerber/Bieter mitgeteilt wurde und entweder vom Nationalen Rat für Beschwerdeentscheidungen oder von einem Gericht als rechtmäßig angesehen wurde oder nicht mehr angefochten werden kann.“

14

Art. 58 des Gesetzes sieht vor:

„(1)   Jeder Interessierte kann bei Gericht beantragen, dass der Vertrag bzw. Zusatzvertrag, der unter Verstoß gegen die für seinen gültigen Abschluss in Rechtsvorschriften über öffentliche Aufträge, über sektorspezifische Aufträge oder über Bau- und Dienstleistungskonzessionen festgelegten Bedingungen geschlossen wurde, für absolut nichtig erklärt wird und die Wiedereinsetzung der Parteien in den vorherigen Stand erklärt wird.

(2)   Das Gericht stellt die absolute Gesamt-/Teilnichtigkeit des Vertrags oder der Zusatzvereinbarung fest und versetzt die Parteien gemäß Art. 1254 Abs. 3 der [Legea nr. 287/2009 privind Codul civil (Gesetz Nr. 287/2009 über das Zivilgesetzbuch)], wieder veröffentlicht, in der geänderten Fassung, in folgenden Fällen in den vorherigen Stand:

c)

der Vertrag oder die Zusatzvereinbarung zum Vertrag wurde zu weniger günstigen Bedingungen geschlossen, als in den technischen und/oder finanziellen Vorschlägen, die das erfolgreiche Angebot darstellten, enthalten waren;

d)

die in der Bekanntmachung vorgesehenen Eignungs- und Auswahlkriterien und/oder Bewertungsfaktoren, auf deren Grundlage das Angebot erfolgreich war, wurden nicht eingehalten, was dazu führte, dass das Ergebnis des Verfahrens geändert wurde, indem die Wettbewerbsvorteile zunichtegemacht oder geschmälert wurden;

e)

der Vertrag wurde vor Eingang der Entscheidung des [Nationalen Rats für Beschwerdeentscheidungen] oder des Gerichts, das über die Anfechtung entscheidet, oder unter Missachtung dieser Entscheidung geschlossen;

(6)   Bei einem Verstoß gegen die Bestimmungen über die gesetzliche Wartefrist für den Vertragsabschluss stellt das Gericht nach Prüfung aller relevanten Aspekte die vollständige oder teilweise absolute Nichtigkeit des Vertrags oder seiner Zusatzvereinbarung fest und versetzt die Parteien in den vorherigen Stand oder ordnet, wenn dies ausreicht, alternative Sanktionen wie die in Abs. 3 vorgesehenen an.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

15

Am 12. Dezember 2019 leitete das Verteidigungsministerium auf der Grundlage der Dringlichkeitsverordnung Nr. 114/2011, mit der die Richtlinie 2009/81 umgesetzt wird, ein Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags mit zwei Losen ein:

Los Nr. 1 – Schießstand Typ 2, geschätzter Wert: 14405042 rumänische Lei (RON) ohne Mehrwertsteuer (etwa 2920000 Euro);

Los Nr. 2 – Schießstand Typ 3, geschätzter Wert: 29500000 RON ohne Mehrwertsteuer (etwa 5980000 Euro).

16

Der geschätzte Gesamtwert des Auftrags betrug 43905042 RON (ca. 8900000 Euro), wobei die Vergabe allein nach dem Kriterium des „niedrigsten Preises“ erfolgte.

17

Mit einem Schreiben vom 9. März 2020 teilte der öffentliche Auftraggeber Armaprocure einerseits mit, dass ihr Angebot für beide Lose abgelehnt wurde, da es für Los 1 als nicht ordnungsgemäß und für Los 2 als nicht ordnungsgemäß und unannehmbar erklärt worden war. Andererseits teilte der öffentliche Auftraggeber dem Konsortium mit, dass dieses den Zuschlag erhalten hatte.

18

Am 19. März 2020 wandte sich Armaprocure ein erstes Mal an den Nationalen Rat für Beschwerdeentscheidungen, um die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Ablehnung ihres Angebots, die Zulassung der anderen Angebote und die Vergabe des Auftrags an das Konsortium anzufechten.

19

Mit einer Entscheidung vom 10. April 2020 gab der Nationale Rat für Beschwerdeentscheidungen den Forderungen von Armaprocure teilweise statt, insbesondere indem er die Vergabestelle anwies, das Angebot von Armaprocure für Los Nr. 1 sowie die Angebote des Konsortiums und der anderen Bieter, nämlich Electro Optic Components SRL und Stimpex SA, für beide Lose neu zu bewerten. Der genannte Rat wies hingegen die Anfechtung von Armaprocure zurück, soweit sie sich gegen die Entscheidung richtete, ihr Angebot für Los Nr. 2 abzulehnen.

20

Nachdem die Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien), die vom Ministerium für Nationale Verteidigung sowie von Electro Optic Components und dem Konsortium angerufen wurde, die Entscheidung des Nationalen Rates für Beschwerdeentscheidungen mit Urteil vom 30. Juni 2020 teilweise abgeändert hatte, nahm die Vergabestelle eine neue Bewertung der Angebote vor. Mit Schreiben vom 10. November 2020 teilte sie Armaprocure mit, dass ihr Angebot für Los Nr. 1 als nicht konform zurückgewiesen worden sei und dass das Angebot des Konsortiums für dieses Los den Zuschlag erhalten habe. Das Angebot von Armaprocure für das Los Nr. 2 wurde endgültig abgelehnt.

21

Mit Schriftsatz, der am 25. November 2020 in das Register eingetragen wurde, wandte sich Armaprocure ein zweites Mal an den Nationalen Rat für Beschwerdeentscheidungen, um das Ergebnis dieser Neubewertung der Angebote anzufechten.

22

Mit Entscheidung vom 24. Mai 2021 erklärte der genannte Rat den vom öffentlichen Auftraggeber erstellten Bericht über das Verfahren nur hinsichtlich der finanziellen Bewertung der Angebote des Konsortiums und von Electro Optic Components (im Folgenden: Entscheidung vom 24. Mai 2021) für nichtig.

23

Nachdem der öffentliche Auftraggeber diese Angebote erneut bewertet hatte, teilte er Electro Optic Components am 14. Juni 2021 mit, dass ihr Angebot für unzulässig erklärt worden sei. Gemäß Art. 137 Abs. 2 und Art. 138 Abs. 2 Buchst. c der Dringlichkeitsverordnung Nr. 114/2011 wurde das Ergebnis der Neubewertung Armaprocure nicht mitgeteilt, da das von ihr eingereichte Angebot zuvor abgelehnt worden war und der Nationale Rat für Beschwerdeentscheidungen diese Ablehnung als rechtmäßig erachtet hatte.

24

Am 8. Juni 2021 erhob Armaprocure gegen die Entscheidung vom 24. Mai 2021 Klage. Nachdem diese Klage von der Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) mit Urteil vom 27. Oktober 2021 als unbegründet abgewiesen worden war, legte Armaprocure gegen dieses Urteil einen Rechtsbehelf ein, der vom Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) am 25. Mai 2022 zurückgewiesen wurde.

25

Auf ihre Anfrage wurde Armaprocure mit Schreiben vom 11. November 2021 vom öffentlichen Auftraggeber darüber informiert, dass die Angebote des Konsortiums und von Electro Optic Components am 14. Juni 2021 gemäß der Entscheidung vom 24. Mai 2021 erneut bewertet worden seien.

26

Ende November 2021 wurde zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Konsortium der Vertrag über die Lieferung der Waren „Schießstand Typ 2“ und „Schießstand Typ 3“ unterzeichnet. Die Bekanntmachung über die Vergabe des Auftrags an das Konsortium wurde am 31. Dezember 2021 auf der Online-Plattform „Elektronisches Vergabesystem“ veröffentlicht.

27

Mit einer dritten, am 10. Januar 2022 eingereichten Beschwerde beantragte Armaprocure beim Nationalen Rat für Beschwerdeentscheidungen in Bezug auf Los Nr. 1 u. a. die Nichtigerklärung aller in Durchführung der Entscheidung vom 24. Mai 2021 erlassenen Handlungen des öffentlichen Auftraggebers, die Wiedereinsetzung der Parteien in den vorherigen Stand, die Nichtigerklärung des Vergabeverfahrens und die Aussetzung der Durchführung des Auftrags für dieses Los.

28

Mit einer Entscheidung vom 28. Januar 2022 wies der Nationale Rat für Beschwerdeentscheidungen die Ansprüche von Armaprocure zurück, die daraufhin das Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest, Rumänien) anrief.

29

Mit Urteil vom 29. März 2022 wies dieses die Klage von Armaprocure ab und stellte fest, dass deren Angebot für Los Nr. 2 durch die Entscheidung des Nationalen Rates für Beschwerdeentscheidungen vom 10. April 2020 abgelehnt worden sei; dies sei vor der Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) nicht angefochten worden. Das Tribunalul București (Regionlagericht Bukarest) betonte auch, dass die von Armaprocure gestellten Anträge mit der Entscheidung vom 24. Mai 2021 zurückgewiesen worden seien; diese Anträge seien zum einen auf die Nichtigerklärung des Verfahrens und der Entscheidung, mit der ihr Angebot für Los Nr. 1 für nicht ordnungsgemäß erklärt worden sei, und zum anderen auf die Anweisung an den öffentlichen Auftraggeber, dieses Angebot neu zu bewerten, gerichtet gewesen.

30

Das Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest) wies zweitens darauf hin, dass die von Armaprocure gegen die Entscheidung vom 24. Mai 2021 erhobene Klage durch ein Urteil der Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) vom 27. Oktober 2021 abgewiesen worden sei. Daher hatte Armaprocure nach Auffassung des Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest) kein Interesse mehr daran, Rügen in Bezug auf das ausgewählte Angebot und die Handlungen des Vergabeverfahrens für Los Nr. 1 zu erheben, da die Nichtkonformität des von ihr eingereichten Angebots endgültig festgestellt worden und rechtskräftig sei.

31

Armaprocure legte gegen das Urteil des Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest) vom 29. März 2022 ein Rechtsmittel bei der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest), dem vorlegenden Gericht, ein. Armaprocure machte insbesondere geltend, dass der öffentliche Auftraggeber gegen die Richtlinie 2009/81 verstoßen habe, da er den Vertrag über die Lieferung der in den Losen Nr. 1 und 2 genannten Produkte mit einem Bieter unterzeichnet habe, der ein unzulässiges und nicht ordnungsgemäß Angebot eingereicht habe. Armaprocure machte ferner geltend, sie habe beim Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest) eine auf Art. 58 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 101/2016 gestützte Klage auf Nichtigerklärung des zu diesem Vertrag führenden öffentlichen Auftrags erhoben. Daher reiche es für die Anfechtung des Vertrags aus, wenn sie nachweisen könne, dass sie „Interessierte“ im Sinne dieser Bestimmung sei, ohne nachweisen zu müssen, dass sie eine „verletzte“ Person im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. f des Gesetzes sei. Daher sei es nicht erforderlich, dass sie die Eigenschaft eines Bieters oder Bewerbers habe.

32

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Richtlinie 2009/81 ein Nachprüfungsrecht nur zugunsten des interessierten Bieters oder Bewerbers vorsieht, wobei sich das Interesse des Bieters oder Bewerbers an dem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge aus seiner Teilnahme an einem solchen Verfahren ergebe. Im vorliegenden Fall war Armaprocure jedoch zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrags durch den erfolgreichen Bieter Ende November 2021 endgültig von dem Vergabeverfahren, das zu diesem Vertrag führte, ausgeschlossen worden. In Anlehnung an das Urteil vom 21. Dezember 2016, Bietergemeinschaft Technische Gebäudebetreuung und Caverion Österreich (C‑355/15, EU:C:2016:988), das sich auf die Richtlinie 89/665 bezog, fragt dieses Gericht, ob die Richtlinie 2009/81 dem entgegensteht, dass ein Bieter, der durch eine bestandskräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen wurde, einen Rechtsbehelf gegen den mit dem Auftragnehmer geschlossenen Vertrag einlegen kann.

33

Vor diesem Hintergrund hat die Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Können Art. 55 Abs. 4, Art. 56 Abs. 3, Art. 57 Abs. 2, Art. 60 Abs. 1 Buchst. b und Art. 61 der Richtlinie 2009/81 dahin ausgelegt werden, dass sie dem entgegenstehen, dass ein Bieter, der von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags durch eine bestandskräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers ausgeschlossen wurde, Zugang zu einem Rechtsbehelf gegen die Vergabe des Auftrags an den zum Zuschlagsempfänger erklärten Bieter hat?

Zum Antrag auf Durchführung des beschleunigten Verfahrens

34

Das vorlegende Gericht hat beim Gerichtshof beantragt, die vorliegende Vorlage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs dem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen.

35

Angesichts der Entscheidung des Gerichtshofs, nach Art. 99 der Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, erübrigt sich jedoch eine Entscheidung über diesen Antrag (Beschluss vom 10. Januar 2023, Ambisig, C‑469/22, EU:C:2023:25, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zur Vorlagefrage

36

Nach Art. 99 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder die Beantwortung einer solchen Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden.

37

Diese Bestimmung ist im Rahmen der vorliegenden Vorlage zur Vorabentscheidung anzuwenden.

38

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 55 Abs. 4 und Art. 57 Abs. 2 der Richtlinie 2009/81 dahin auszulegen sind, dass sie dem entgegenstehen, dass ein Bieter, der durch eine bestandskräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen wurde, Zugang zu einem Rechtsbehelf gegen den mit dem erfolgreichen Bieter geschlossenen Vertrag hat.

39

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, dass der Nationale Rat für Beschwerdeentscheidungen mit seinen Entscheidungen vom 10. April 2020 und 24. Mai 2021, in denen er sich zu den ersten beiden Beschwerden von Armaprocure äußerte, die Beschwerden gegen die Entscheidung über die Ablehnung des Angebots dieses Unternehmens in Bezug auf die Lose Nr. 1 und 2 jeweils zurückgewiesen hat, wobei darauf hinzuweisen ist, dass nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts diese Entscheidungen vor der Unterzeichnung des mit dem erfolgreichen Bieter geschlossenen Vertrags bestandskräftig geworden sind. Nach einer dritten Beschwerde reichte Armaprocure beim vorlegenden Gericht Klage ein, um die Nichtigerklärung des Vergabeverfahrens für den fraglichen Auftrag und folglich dessen Vergabe an sie zu erreichen.

40

Zunächst ist festzustellen, dass sich aus dem 72. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/81 ergibt, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass dieser Richtlinie ein wirksames Nachprüfungsverfahren nach dem Vorbild des nach der Richtlinie 89/665 vorgesehenen Verfahrens einführen wollte.

41

In diesem Zusammenhang ist zunächst daran zu erinnern, dass nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665, dessen Wortlaut wortgleich in Art. 55 Abs. 4 der Richtlinie 2009/81 übernommen wurde, die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht. Daraus ergibt sich, dass diese Vorschriften die Mitgliedstaaten nicht verpflichten, die Nachprüfungsverfahren jedem zur Verfügung zu stellen, der einen bestimmten öffentlichen Auftrag erhalten will, sondern dass sie danach zusätzlich verlangen können, dass der betreffenden Person durch den behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2003, Hackermüller, C‑249/01, EU:C:2003:359, Rn. 18, und Beschluss vom 17. Mai 2022, Estaleiros Navais de Peniche, C‑787/21, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:414, Rn. 22).

42

Im Rahmen der Auslegung von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 hat der Gerichtshof festgestellt, dass im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags die Bieter, deren Ausschluss beantragt wird, ein gleichwertiges berechtigtes Interesse am Ausschluss des Angebots der anderen Bieter haben, um den Auftrag zu erhalten, und zwar unabhängig von der Zahl der Teilnehmer am Verfahren zur Vergabe des betreffenden öffentlichen Auftrags ebenso wie der Zahl der Teilnehmer, die Klagen erhoben haben, und der Unterschiedlichkeit der von ihnen geltend gemachten Gründe. Der Ausschluss eines Bieters kann nämlich dazu führen, dass der andere Bieter den Auftrag nach demselben Verfahren unmittelbar erhält. Zum anderen könnte im Fall eines Ausschlusses einer der beiden Bieter und der Einleitung eines neuen Vergabeverfahrens jeder von ihnen daran teilnehmen und auf diese Weise mittelbar den Auftrag erhalten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Juli 2013, Fastweb, C‑100/12, EU:C:2013:448, Rn. 33, vom 5. April 2016, PFE, C‑689/13, EU:C:2016:199, Rn. 24, 27 und 29, vom 24. März 2021, NAMA u. a., C‑771/19, EU:C:2021:232, Rn. 31, sowie Beschluss vom 17. Mai 2022, Estaleiros Navais de Peniche, C‑787/21, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:414, Rn. 23).

43

Zweitens ist der in der vorstehenden Randnummer genannte Rechtsprechungsgrundsatz nur dann anwendbar, wenn der Ausschluss des Bieters nicht, insbesondere nachdem er durch eine rechtskräftige Entscheidung bestätigt wurde, endgültig geworden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Dezember 2016, Bietergemeinschaft Technische Gebäudebetreuung und Caverion Österreich, C‑355/15, EU:C:2016:988, Rn. 36, vom 11. Mai 2017, Archus und Gama, C‑131/16, EU:C:2017:358, Rn. 57 und 58, vom 24. März 2021, NAMA u. a., C‑771/19, EU:C:2021:232, Rn. 42, sowie Beschluss vom 17. Mai 2022, Estaleiros Navais de Peniche, C‑787/21, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:414, Rn. 24).

44

Nach Art. 57 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2009/81, der den gleichen Wortlaut wie Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie 89/665 hat, ist ein Ausschluss endgültig, wenn er den betroffenen Bietern mitgeteilt wurde und entweder von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle als rechtmäßig anerkannt wurde oder keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann. Daraus folgt, dass es für die Befugnis der Bieter, gegen die Zuschlagsentscheidung vorzugehen, darauf ankommt, dass die Ausschlussentscheidung noch nicht endgültig ist (Urteil vom 21. Dezember 2021, Randstad Italia, C‑497/20, EU:C:2021:1037, Rn. 74, und Beschluss vom 17. Mai 2022, Estaleiros Navais de Peniche, C‑787/21, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:414, Rn. 25).

45

Das Interesse eines von einem Vergabeverfahren ausgeschlossenen Bieters, gegen die Entscheidung über die Vergabe dieses Auftrags vorzugehen, ist somit untrennbar mit dem Fortbestand eines Interesses verbunden, gegen die Entscheidung vorzugehen, mit der er von diesem Verfahren ausgeschlossen wurde. Folglich kann ein abgelehnter Bieter in Ermangelung eines Interesses, gegen die Entscheidung vorzugehen, mit der sein Angebot ausgeschlossen wird, nicht geltend machen, dass sein Interesse, gegen die Entscheidung über die Auftragsvergabe vorzugehen, fortbesteht. Ein solches Rechtsschutzinteresse kann nicht daraus hergeleitet werden, dass der betreffende Bieter gegebenenfalls den Zuschlag erhalten könnte, wenn der öffentliche Auftraggeber nach einer Aufhebung dieser Entscheidung beschließen würde, ein neues Vergabeverfahren einzuleiten (Beschluss vom 17. Mai 2022, Estaleiros Navais de Peniche, C‑787/21, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:414, Rn. 26 und 27).

46

Das Interesse eines in einem Vergabeverfahren ausgeschlossenen Bieters, gegen die Entscheidung über die Vergabe dieses Auftrags vorzugehen, fehlt somit offensichtlich dann, wenn sein Ausschluss auf einer Entscheidung beruht, die endgültig geworden ist, sei es, weil sie nun nicht mehr Gegenstand einer Klage sein kann, da sie nicht innerhalb der in den nationalen Verfahrensvorschriften vorgesehenen Fristen angefochten worden ist, sei es, weil die auf nationaler Ebene verfügbaren Rechtsbehelfe erschöpft sind.

47

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 55 Abs. 4 und Art. 57 Abs. 2 der Richtlinie 2009/81 dahin auszulegen sind, dass sie dem entgegenstehen, dass ein Bieter, der durch eine bestandskräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen wurde, Zugang zu einem Rechtsbehelf gegen den mit dem erfolgreichen Bieter geschlossenen Vertrag hat.

Kosten

48

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 55 Abs. 4 und Art. 57 Abs. 2 der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau‑, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG

 

sind dahin auszulegen, dass

 

sie dem entgegenstehen, dass ein Bieter, der durch eine bestandskräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde, Zugang zu einem Rechtsbehelf gegen den mit dem erfolgreichen Bieter geschlossenen Vertrag hat.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Rumänisch.