URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

3. Juni 2021 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion – Gemeinsamer Zolltarif – Kombinierte Nomenklatur – Zolltarifliche Einreihung – Zolltarifliche Unterpositionen 17029095, 29124900 und 38249092 – Wässrige Lösung“

In der Rechtssache C‑822/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Alba Iulia (Berufungsgericht Alba Iulia, Rumänien) mit Entscheidung vom 9. Oktober 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 5. November 2019, in dem Verfahren

Direcția Generală Regională a Finanțelor Publice Brașov,

Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală a Vămilor – Direcţia Regională Vamală Braşov – Biroul Vamal de Interior Sibiu

gegen

Flavourstream SRL

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Piçarra (Berichterstatter), des Richters D. Šváby und der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane, O.‑C. Ichim und L. Liţu als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und M. Salyková als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Unterpositionen 17029095 und 29124900 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1101/2014 der Kommission vom 16. Oktober 2014 (ABl. 2014, L 312, S. 1) (im Folgenden: KN).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Braşov (Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Brașov, Rumänien) und der Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală a Vămilor – Direcţia Regională Vamală Braşov – Biroul Vamal de Interior Sibiu (Staatliche Steuerverwaltungsagentur – Generaldirektion für Zölle – Regionaldirektion für Zölle Brașov ‑ Zollamt Sibiu, Rumänien) auf der einen und der Flavourstream SRL auf der anderen Seite über die zolltarifliche Einreihung einer aus Kanada eingeführten unter der Bezeichnung „AURIC GMO FREE“ vermarkteten wässrigen Lösung, die durch thermische Zersetzung von Dextrose gewonnen und in der Lebensmittelindustrie zur Aromatisierung von Lebensmitteln verwendet wird.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

3

Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) wurde mit dem am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossenen Internationalen Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren im Rahmen der Weltzollorganisation (WZO) eingeführt und mit dem dazugehörigen Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. 1987, L 198, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft genehmigt.

4

Die Erläuterungen zum HS werden im Rahmen der WZO gemäß den Bestimmungen des Internationalen Übereinkommens über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren ausgearbeitet.

5

In den allgemeinen Anmerkungen der Erläuterungen zum HS betreffend dessen Kapitel 29 („Organische chemische Erzeugnisse“) heißt es:

„Eine isolierte chemisch einheitliche Verbindung ist ein Stoff, der aus einer einzigen Molekülart (insbesondere mit kovalenten oder ionischen Bindungen) besteht, deren Aufbau durch ein konstantes Verhältnis seiner Elemente untereinander definiert ist und die durch eine einzige Strukturformel dargestellt werden kann. In einem Kristallgitter entspricht die Moleküleinheit der sich wiederholenden Elementarzelle.

Solche isolierten chemisch einheitlichen Verbindungen, denen während oder nach der Herstellung (einschließlich Reinigung) absichtlich andere Stoffe hinzugefügt wurden, sind von diesem Kapitel ausgenommen. …

Isolierte chemisch einheitliche Verbindungen dürfen Verunreinigungen enthalten (Anmerkung 1 a). …

Der Begriff ‚Verunreinigungen‘ bezieht sich ausschließlich auf Stoffe, deren Vorhandensein neben der bestimmten chemischen Verbindung sich ausschließlich und unmittelbar aus dem Herstellungsprozess (einschließlich der Reinigung) ergibt. Diese Stoffe können als Folge der mit der Herstellung verbundenen Faktoren auftreten; es handelt sich im Wesentlichen um folgende:

a)

nicht umgewandelte Ausgangsstoffe.

b)

in den Ausgangsstoffen enthaltene Verunreinigungen.

c)

im Herstellungsprozess (einschließlich der Reinigung) verwendete Reaktionskomponenten.

d)

Nebenerzeugnisse.

Es ist jedoch zu beachten, dass [die genannten] Stoffe nicht immer als durch die Anmerkung 1 a) zu diesem Kapitel zugelassene ‚Verunreinigungen‘ betrachtet werden dürfen. Werden solche Stoffe absichtlich in dem Erzeugnis belassen, um es für bestimmte Verwendungszwecke geeigneter zu machen als für den allgemeinen Gebrauch, sind sie nicht mehr als erlaubte Verunreinigungen zu betrachten. …“

6

In Anmerkung 1 a) der Erläuterungen zum HS betreffend dessen Kapitel 29 heißt es, dass zu dem Kapitel nur „isolierte chemisch einheitliche organische Verbindungen [gehören], auch wenn sie Verunreinigungen enthalten“.

7

In Anmerkung 1 b) der Erläuterungen zum HS betreffend dessen Kapitel 38 („Verschiedene Erzeugnisse der chemischen Industrie“) heißt es, dass „Mischungen von chemischen Erzeugnissen und Lebensmitteln oder anderen Stoffen mit Nährwert, von der zum Zubereiten von Lebensmitteln für die menschliche Ernährung verwendeten Art (im Allgemeinen Position 2106)“ nicht zu Kapitel 38 gehören.

8

In den allgemeinen Anmerkungen der Erläuterungen zum HS betreffend dessen Kapitel 38 heißt es:

„Im Sinne der Anmerkung 1 b) zu diesem Kapitel erstreckt sich die Bezeichnung ‚Lebensmittel oder andere Stoffe mit Nährwert‘ hauptsächlich auf genießbare Erzeugnisse der Abschnitte I bis IV.

Die bloße Anwesenheit von ‚Lebensmitteln oder anderen Stoffen mit Nährwert‘ in einer Mischung reicht nicht aus, diese Mischung unter Anwendung von Anmerkung 1 b) vom Kapitel 38 auszuschließen. Stoffe, deren Nährwert in Bezug auf ihre Funktion als chemisches Erzeugnis, z. B. als Lebensmittelzusatzstoff oder Verarbeitungshilfsmittel, nur nebensächlich ist, gelten nicht als ‚Lebensmittel oder Stoffe mit Nährwert‘ im Sinne dieser Anmerkung. Mischungen, die durch die Anmerkung 1 b) aus Kapitel 38 ausgeschlossen sind, gehören zu der Art von Erzeugnissen, die bei der Zubereitung von Lebensmitteln verwendet werden und deren Wert auf ihren ernährungsphysiologischen Eigenschaften beruht.“

Unionsrecht

KN

9

Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2658/87 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom 31. Januar 2000 (ABl. 2000, L 28, S. 16) geänderten Fassung lautet: „Von der [Europäischen] Kommission wird eine [Kombinierte Nomenklatur] eingeführt, die den Erfordernissen des Gemeinsamen Zolltarifs, der Statistik des Außenhandels der [Union] sowie anderer [Unionspolitiken] auf dem Gebiet der Wareneinfuhr oder ‑ausfuhr genügt.“

10

Die zolltarifliche Einreihung der in die Union eingeführten Waren richtet sich nach der mit der Verordnung Nr. 2658/87 eingeführten Kombinierten Nomenklatur. Sie übernimmt die Positionen und sechsstelligen Unterpositionen des HS, nur die siebte und die achte Stelle bilden eigene Unterteilungen.

11

Nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2658/87 in der durch die Verordnung Nr. 254/2000 geänderten Fassung veröffentlicht die Kommission jährlich in Form einer Verordnung die vollständige Fassung der KN zusammen mit den Zollsätzen, wie sie sich aus den vom Rat der Europäischen Union oder von der Kommission beschlossenen Maßnahmen ergeben. Diese Verordnung wird spätestens bis zum 31. Oktober im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und gilt ab dem 1. Januar des darauffolgenden Jahres.

12

Teil II („Zolltarif“) der KN enthält u. a. einen Abschnitt IV („Waren der Lebensmittelindustrie; Getränke, alkoholhaltige Flüssigkeiten und Essig; Tabak und verarbeitete Tabakersatzstoffe“).

13

Dieser Abschnitt IV enthält ein Kapitel 17 („Zucker und Zuckerwaren“), in dessen zusätzlicher Anmerkung Nr. 8 es heißt: „In der Nomenklatur werden Mischungen aus Zucker und geringen Mengen anderer Stoffe in Kapitel 17 eingereiht, es sei denn, sie haben den Charakter einer anderweitig eingereihten Zubereitung“.

14

Kapitel 17 enthält die Position 1702, die folgende Gliederung aufweist:

„1702

Andere Zucker, einschließlich chemisch reine Lactose, Maltose, Glucose und Fructose, fest; Zuckersirupe, ohne Zusatz von Aroma- oder Farbstoffen; Invertzuckercreme, auch mit natürlichem Honig vermischt; Zucker und Melassen, karamellisiert

1702 90

– andere, einschließlich Invertzucker und anderer Zucker und Zuckersirupe mit einem Gehalt an Fructose, bezogen auf die Trockenmasse, von 50 GHT:

– – Zucker und Melassen, karamellisiert:

1702 90 71

– – – mit einem Gehalt an Saccharose, bezogen auf die Trockenmasse, von 50 GHT oder mehr

1702 90 75

‐ ‐ ‐ ‐ als Pulver, auch agglomeriert

1702 90 79

‐ ‐ ‐ ‐ andere

1702 90 95

‐ ‐ andere“.

15

Abschnitt VI des zweiten Teiles der KN enthält ein Kapitel 29 („Organische chemische Erzeugnisse“).

16

Anmerkung 1 Buchst. a und d zu Kapitel 29 lautet:

„Zu Kapitel 29 gehören, soweit nichts anderes bestimmt ist, nur:

a)

isolierte chemisch einheitliche organische Verbindungen, auch wenn sie Verunreinigungen enthalten;

d)

wässrige Lösungen der unter [dem] vorstehenden Buchstaben a) … genannten Erzeugnisse“.

17

Kapitel 29 der KN enthält die Position 2912, die wie folgt gegliedert ist:

„2912

Aldehyde, auch mit anderen Sauerstoff-Funktionen; cyclische Polymere der Aldehyde; Paraformaldehyd:

 

Aldehydalkohole, Aldehydether, Aldehydphenole und Aldehyde mit anderen Sauerstoff-Funktionen:

2912 49 00

‐ ‐ andere

…“.

18

Abschnitt VI des zweiten Teiles der KN enthält zudem Kapitel 38 („Verschiedene Erzeugnisse der chemischen Industrie“).

19

In Anmerkung 1 Buchst. a und b zu Kapitel 38 heißt es:

„Zu Kapitel 38 gehören nicht:

a)

isolierte chemisch einheitliche Elemente oder Verbindungen, ausgenommen die nachstehend [in den Ziffern 1 bis 5] aufgeführten:

…;

b)

Mischungen von chemischen Erzeugnissen und Lebensmitteln oder anderen Stoffen mit Nährwert, von der zum Zubereiten von Lebensmitteln für die menschliche Ernährung verwendeten Art (im Allgemeinen Position 2106)“.

20

Kapitel 38 der KN enthält die wie folgt gegliederte Position 3824:

„3824

Zubereitete Bindemittel für Gießereiformen oder ‑kerne; chemische Erzeugnisse und Zubereitungen der chemischen Industrie oder verwandter Industrien (einschließlich Mischungen von Naturprodukten), anderweit weder genannt noch inbegriffen:

3824 90

– andere:

 

– – andere:

– – – andere:

 

– – – – chemische Erzeugnisse oder Zubereitungen, überwiegend aus organischen Verbindungen bestehend, anderweit weder genannt noch inbegriffen:

3824 90 92

– – – – – – in flüssiger Form bei 20 °C

…“.

Verordnung (EG) Nr. 1333/2008

21

Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelzusatzstoffe (ABl. 2008, L 354, S. 16), der die Unionsliste der für die Verwendung in Lebensmitteln zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe und ihrer Verwendungsbedingungen enthält, gibt in Teil B Nr. 1 („Farbstoffe“) „Zuckerkulör“ (E 150a) an und stellt in der Fußnote 1 zu diesem Zusatzstoff klar: „Als Zuckerkulör werden mehr oder weniger braune Produkte bezeichnet, die als Farbstoffe verwendet werden. Es ist nicht zu verwechseln mit dem süßen und angenehm duftenden Karamell, das sich bildet, wenn Zucker allein erhitzt wird, und das Lebensmitteln (Süßwaren, Gebäck, alkoholische Getränke) zur Geschmacksgebung zugesetzt wird.“

Verordnung (EG) Nr. 1334/2008

22

Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i und ii der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften zur Verwendung in und auf Lebensmitteln sowie zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 des Rates, der Verordnungen (EG) Nr. 2232/96 und (EG) Nr. 110/2008 und der Richtlinie 2000/13/EG (ABl. 2008, L 354, S. 34) lautet:

„Für die Zwecke dieser Verordnung gelten ferner folgende Begriffsbestimmungen:

a)

‚Aroma‘: Erzeugnis,

i)

das als solches nicht zum Verzehr bestimmt ist und Lebensmitteln zugesetzt wird, um ihnen einen besonderen Geruch und/oder Geschmack zu verleihen oder diese zu verändern;

ii)

das aus den folgenden Kategorien hergestellt wurde oder besteht: Aromastoffe, Aromaextrakte, thermisch gewonnene Reaktionsaromen, Raucharomen, Aromavorstufen, sonstige Aromen oder deren Mischungen“.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

23

Flavourstream führte aus Kanada in die Europäische Union eine Partie Waren ein, die aus drei Containern mit 3300 kg einer wässrigen Lösung bestand, die durch thermische Zersetzung von in der Lebensmittelindustrie verwendeter Dextrose gewonnen und unter der Bezeichnung „AURIC GMO FREE“ vermarktet wird. Am 5. Juni 2015 meldete diese Gesellschaft beim Zollamt Sibiu diese Waren zu ihrer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr unter der zolltariflichen Unterposition 17029095 der KN an, die „andere“ Zucker der zolltariflichen Position 1702 der KN umfasst, die in keine anderen Unterpositionen eingereiht sind und für die ein Zollsatz von 0,4 Euro pro 100 kg gilt.

24

Die für dieses Erzeugnis geschuldeten Zölle wurden auf der Grundlage der genannten zolltariflichen Unterposition berechnet.

25

Nach einer Kontrolle kamen die Zollbehörden auf der Grundlage von Laboranalysen, die durch Analysezertifikate des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisses bestätigt wurden, zu dem Ergebnis, dass es zur zolltariflichen Unterposition 29124900 der KN gehöre, die „andere“ Aldehydalkohole, Aldehydether, Aldehydphenole und Aldehyde mit anderen Sauerstoff-Funktionen erfasst, die in keine anderen Unterpositionen eingereiht sind. Daher erließen sie am 22. April 2016 einen Berichtigungsbescheid, mit dem sie die von Flavourstream verlangten Zölle und Mehrwertsteuer zuzüglich Verzugszinsen und Strafzuschläge auf insgesamt 102079 rumänische Lei (RON) (etwa 23500 Euro) neu berechneten (im Folgenden: Bescheid vom 22. April 2016).

26

Mit Bescheid vom 30. August 2016 wies die Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Brașov den von Flavourstream gegen den Bescheid vom 22. April 2016 eingelegten Einspruch zurück.

27

Flavourstream erhob beim Tribunalul Sibiu (Landgericht Sibiu, Rumänien) Klage gegen die Bescheide vom 22. April und 30. August 2016. Das Landgericht erklärte diese Bescheide für nichtig und erließ dieser Gesellschaft die Zahlung des im Bescheid vom 22. April 2016 festgesetzten Betrags, wobei es befand, dass die Gesellschaft das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis zutreffend unter der zolltariflichen Unterposition 17029095 der KN angemeldet habe und dessen Einreihung in der zolltariflichen Unterposition 29124900 der KN durch die zuständigen Behörden daher unzutreffend sei.

28

Das mit einem Rechtsmittel gegen das Urteil des Tribunalul Sibiu (Landgericht Sibiu) befasste vorlegende Gericht führt zum einen aus, dass nach Ansicht von Flavourstream Hydroxyacetaldehyd eine wesentliche Komponente dafür sei, dass ein Lebensmittel ein Aroma und die Konsistenz eines angerösteten Lebensmittels sowie eine braune Farbe erhalte. Das Lebensmittel, für das dieses Erzeugnis benutzt werde, sehe nach dem Backen so aus, als ob es vor seiner Zubereitung mit Zucker behandelt worden sei. Das genannte Erzeugnis, in dem der Zucker bereits zerfallen sei, verkürze lediglich die Verarbeitungszeit von Lebensmitteln. Die Verwendung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisses in der lebensmittelverarbeitenden Industrie als minderwertiger Zucker führe dazu, dass es in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1334/2008 falle.

29

Zum anderen führt das vorlegende Gericht aus, dass nach Ansicht der zuständigen Zollbehörden das Enderzeugnis, d. h. Hydroxyacetaldehyd, nicht in die Unterposition 17029095 der KN, zu der der Rohstoff des Erzeugnisses, d. h. Glucose, gehöre, eingereiht werden könne, da es sich infolge der zwei irreversiblen Verarbeitungsstufen, denen der Rohstoff unterzogen worden sei, von diesem Rohstoff vollkommen unterscheide. Ebenso wenig könne das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis, weil es keinen Zucker enthalte, in diese zolltarifliche Unterposition eingereiht werden, zu der Erzeugnisse mit einem Gehalt an Fructose, bezogen auf die Trockenmasse, von 50 GHT gehörten. Daher sei dieses Erzeugnis nach Auffassung der genannten Behörden in die Unterposition 29124900 der KN einzureihen.

30

Unter diesen Umständen hat die Curtea de Apel Alba Iulia (Berufungsgericht Alba Iulia, Rumänien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1821 der Kommission vom 6. Oktober 2016 (ABl. 2016, L 294, S. 1) dahin auszulegen, dass die im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehende Ware „AURIC GMO FREE“ in die zolltarifliche Unterposition 17029095 oder in die Unterposition 29124900 dieser Nomenklatur einzureihen ist?

Zur Vorlagefrage

31

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die KN dahin auszulegen ist, dass eine wässrige Lösung, die durch thermische Zersetzung von Dextrose gewonnen wird und u. a. aus wasserlöslichen Aldehyden und Ketonen besteht, in die Unterposition 17029095 der KN einzureihen ist, die u. a. Invertzucker und andere Zucker und Zuckersirupe mit einem Gehalt an Fructose, bezogen auf die Trockenmasse, von 50 GHT, die in keine anderen Unterpositionen der Position 1702 der KN einzureihen sind, erfasst, oder in die Unterposition 29124900 der KN einzureihen ist, die „andere“ Aldehydalkohole, Aldehydether, Aldehydphenole und Aldehyde mit anderen Sauerstoff-Funktionen erfasst.

32

Da die Durchführungsverordnung 2016/1821, auf die sich die Vorlagefrage bezieht, erst am 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist, während die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Einfuhr im Jahr 2015 stattfand, ist die in zeitlicher Hinsicht auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbare Fassung der Kombinierten Nomenklatur diejenige, die sich aus der am 16. Oktober 2014 verabschiedeten und am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Durchführungsverordnung Nr. 1101/2014 ergibt, die im Wesentlichen der Fassung entspricht, die sich aus der Verordnung ergibt, die das vorlegende Gericht angeführt hat.

33

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es in einem Vorabentscheidungsverfahren auf dem Gebiet der zolltariflichen Einreihung Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht die Kriterien aufzuzeigen, anhand deren es die betreffenden Waren ordnungsgemäß in die KN einreihen kann, nicht aber, diese Einreihung selbst vorzunehmen, zumal der Gerichtshof nicht immer über alle hierfür erforderlichen Angaben verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2020, DHL Logistics [Slowakei], C‑810/18, EU:C:2020:336, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Nach den Allgemeinen Vorschriften sind für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur der Wortlaut der Positionen und Anmerkungen zu deren Abschnitten oder Kapiteln maßgebend. Das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der KN-Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind. Der Verwendungszweck des Erzeugnisses kann ein objektives Einreihungskriterium sein, sofern er dem Erzeugnis innewohnt, was sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften des Erzeugnisses beurteilen lassen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Mai 2019, Onlineshop, C‑268/18, EU:C:2019:353, Rn. 27 bis 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Anhand dieser Rechtsprechung sind die fraglichen Unterpositionen der KN auszulegen.

36

Was als Erstes die Unterposition 170290 der KN anbelangt, die „andere [Zucker], einschließlich Invertzucker und andere[n] Zucker und Zuckersirupe mit einem Gehalt an Fructose, bezogen auf die Trockenmasse, von 50 GHT“ betrifft, die in keine der anderen Unterpositionen der Position 1702 der KN eingereiht sind, so hängt die Einreihung eines Erzeugnisses in diese Unterposition von der sich aus ihrem Wortlaut ergebenden Voraussetzung ab, dass dieses Erzeugnis einen Gehalt an Fructose von 50 GHT, bezogen auf die Trockenmasse, aufweist.

37

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis ein wässriges Gemisch chemischer Erzeugnisse ist, das u. a. wasserlösliche Aldehyde und Ketone enthält, die durch enzymatische Oxidation oder thermische Reaktionen von Monosacchariden – die natürliche Süßungsmittel sind – gewonnen werden. Dieses Erzeugnis wird in der Lebensmittelindustrie als färbender Zusatzstoff oder Raucharoma verwendet. Ferner ergibt sich aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte, dass das genannte Erzeugnis weniger als 1 % Glucose und Saccharose aufweist, was einen Zuckergehalt, bezogen auf die Trockenmasse, von weniger als 1,6 % darstellt.

38

Folglich erfüllt das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis aufgrund dessen, dass es nicht einen Gehalt an Fructose, bezogen auf die Trockenmasse, von 50 GHT aufweist, nicht die erforderliche Voraussetzung, um in die Unterposition 170290 der KN und folglich in deren Unterposition 17029095 eingereiht zu werden.

39

Diese Folgerung kann durch das Argument, wonach das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis in der lebensmittelverarbeitenden Industrie als „minderwertiger Zucker“ verwendet werde und das Lebensmittel, für das es benutzt werde, nach dem Backen so aussehe, als ob es vor seiner Zubereitung mit Zucker behandelt worden sei, nicht entkräftet werden.

40

Denn selbst wenn das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis in der lebensmittelverarbeitenden Industrie als „minderwertiger Zucker“ angesehen wird, reicht dieser Umstand für sich allein nicht aus, um zu folgern, dass das Erzeugnis in die Unterposition 17029095 der KN einzureihen sei, da es nicht einen Gehalt an Fructose, bezogen auf die Trockenmasse, von 50 GHT aufweist, was eine Voraussetzung für die Einreihung in diese Unterposition ist.

41

Des Weiteren gibt die Tatsache, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis als Aroma oder andere Lebensmittelzutat mit Aromaeigenschaften gegebenenfalls von der Verordnung Nr. 1334/2008 erfasst wird, keinen Aufschluss über die Frage, ob es in die Unterposition 17029095 der KN einzureihen ist, da die in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i und ii dieser Verordnung vorgesehenen Begriffsbestimmungen für Aromen und andere Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften keinen Zuckergehalt vorsehen.

42

Hinzuzufügen ist, dass die Verordnung Nr. 1333/2008 in Teil B Nr. 1 („Farbstoffe“) „Zuckerkulör“ (E 150a) als einen Lebensmittelzusatzstoff aufführt, der „mehr oder weniger braune Produkte bezeichnet, die als Farbstoffe verwendet werden“, und dabei klarstellt, dass „[er] nicht zu verwechseln [ist] mit dem süßen und angenehm duftenden Karamell, das sich bildet, wenn Zucker allein erhitzt wird, und das Lebensmitteln (Süßwaren, Gebäck, alkoholische Getränke) zur Geschmacksgebung zugesetzt wird“. Die Tatsache, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis nach den Angaben in der Vorlageentscheidung dieser Definition entspricht, ist aber vielmehr ein Indiz dafür, dass dieses Erzeugnis nicht in das Kapitel 17 der KN fällt und daher nicht unter „Zucker und Melassen, karamellisiert“ eingereiht werden kann, die u. a. von deren Unterposition 170290 erfasst werden.

43

Folglich ist die Unterposition 17029095 der KN, die „andere“ Zucker als die Zucker, die in die anderen Unterpositionen der Unterposition 170290 der KN einzureihen sind, erfasst, dahin auszulegen, dass ein Erzeugnis, das nicht einen Gehalt an Fructose, bezogen auf die Trockenmasse, von 50 GHT aufweist, nicht in diese Unterposition einzureihen ist.

44

Was als Zweites die Auslegung der Unterposition 29124900 der KN, die zu deren Kapitel 29 („Organische chemische Erzeugnisse“) gehört, anbelangt, stellt Anmerkung 1 Buchst. a und d zu diesem Kapitel klar, dass, soweit nichts anderes bestimmt ist, zu Kapitel 29 nur „isolierte chemisch einheitliche organische Verbindungen [gehören], auch wenn sie Verunreinigungen enthalten“, sowie deren wässrige Lösungen.

45

Den Allgemeinen Anmerkungen der Erläuterungen zum HS betreffend dessen Kapitel 29 lässt sich entnehmen, dass „[eine] isolierte chemisch einheitliche Verbindung … ein Stoff [ist], der aus einer einzigen Molekülart (insbesondere mit kovalenten oder ionischen Bindungen) besteht, deren Aufbau durch ein konstantes Verhältnis seiner Elemente untereinander definiert ist und die durch eine einzige Strukturformel dargestellt werden kann“. In diesen Erläuterungen wird ferner darauf hingewiesen, dass eine solche Verbindung grundsätzlich Verunreinigungen enthalten darf. In den Erläuterungen heißt es, dass zum einen „[der] Begriff ‚Verunreinigungen‘ … sich ausschließlich auf Stoffe [bezieht], deren Vorhandensein neben der bestimmten chemischen Verbindung sich ausschließlich und unmittelbar aus dem Herstellungsprozess (einschließlich der Reinigung) ergibt“, und dass zum anderen „[diese] Stoffe … als Folge der mit der Herstellung verbundenen Faktoren auftreten [können]“, zu denen „nicht umgewandelte Ausgangsstoffe“, „in den Ausgangsstoffen enthaltene Verunreinigungen“, „im Herstellungsprozess (einschließlich der Reinigung) verwendete Reaktionskomponenten“ und Nebenerzeugnisse gehören.

46

Was im Einzelnen die Position 2912 der KN anbelangt, ist festzustellen, dass sie „Aldehyde, auch mit anderen Sauerstoff-Funktionen“, „cyclische Polymere der Aldehyde“ und „Paraformaldehyd“ erfasst. Zu den von dieser Position erfassten Erzeugnissen gehören u. a. „andere“ Aldehydalkohole, Aldehydether, Aldehydphenole und Aldehyde mit anderen Sauerstoff-Funktionen, die von der Unterposition 29124900 der KN erfasst sind.

47

Im vorliegenden Fall geht aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte zunächst hervor, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis neben Hydroxyacetaldehyd, das 73,6 % der Trockenmasse des Erzeugnisses bildet, andere Aldehyde, Levoglucosan, Acetol sowie Essig- und Ameisensäure enthält, die 26,3 % der Trockenmasse des Erzeugnisses bilden.

48

Soweit das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis außer Wasser noch andere Stoffe als Hydroxyacetaldehyd enthält, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat, ist es keine wässrige Lösung eines Stoffes, der aus einer einzigen Molekülart besteht, deren Aufbau im Sinne der in Rn. 45 des vorliegenden Urteils angeführten Erläuterungen zum HS betreffend dessen Kapitel 29 durch ein konstantes Verhältnis seiner Elemente untereinander definiert ist und die durch eine einzige Strukturformel dargestellt werden kann. Diese anderen Stoffe, die in den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnis in nicht unerheblichen Mengen vorhanden sind, können keine „Verunreinigungen“ im Sinne dieser Erläuterungen darstellen. Wie die Kommission auf eine Frage des Gerichtshofs hin vorgetragen hat, ergibt sich aus dem in der dem Gerichtshof vorliegenden Akte genannten Patent nämlich, dass diese zahlreichen anderen Stoffe absichtlich in diesem Erzeugnis belassen worden sind, damit es sich als Agens zur bräunlichen Färbung für spezielle Verwendungszwecke zur Färbung und Aromatisierung von Lebensmitteln eignet.

49

Zwar ist nach Anmerkung 1 zu Kapitel 29 der KN das Vorhandensein von Verunreinigungen in den unter dieses Kapitel fallenden Erzeugnissen zulässig, doch müssen diese Verunreinigungen zwangsläufig Rückstände sein, damit sie sich nicht auf die „Isoliertheit“ der fraglichen organischen Verbindung auswirken. Enthält ein Erzeugnis dagegen Verunreinigungen aus dem Herstellungsprozess, die es für bestimmte Verwendungszwecke, die sich von seinem allgemeinen Gebrauch unterscheiden, geeignet machen, kann ein solches Erzeugnis nicht als „isoliert“ im Sinne von Anmerkung 1 Buchst. a zu Kapitel 29 der KN angesehen werden, da solche Verunreinigungen für seine Verwendung bestimmend sind (Urteil vom 20. Juni 2013, Agroferm, C‑568/11, EU:C:2013:407, Rn. 32 und 35).

50

Daher ist die Unterposition 29124900 der KN dahin auszulegen, dass ein Erzeugnis, in dem andere Stoffe als Hydroxyacetaldehyd in nicht unerheblichen Mengen vorhanden sind, von denen einige offenbar absichtlich in diesem Erzeugnis belassen worden sind, damit es sich für einen speziellen Verwendungszweck eignet, nicht in diese Unterposition als wässrige Lösung einer isolierten chemisch einheitlichen Verbindung einzureihen ist.

51

Als Drittes ist insoweit, als die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen vorgetragen hat, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis in die Unterposition 38249092 des Kapitels 38 der KN eingereiht werden könne, zum einen festzustellen, dass zu Kapitel 38 („Verschiedene Erzeugnisse der chemischen Industrie“) nach Anmerkung 1 a) zu diesem Kapitel nicht die isolierten chemisch einheitlichen Elemente oder Verbindungen gehören, ausgenommen die in Buchst. a Ziff. 1 bis 5 aufgeführten, die im vorliegenden Fall irrelevant sind. Folglich kann gemäß dieser Anmerkung das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis unter Kapitel 38 der KN fallen, da es keine isolierte chemisch einheitliche Verbindung ist.

52

Zum anderen geht aus Anmerkung 1 b) des Kapitels 38 der KN hervor, dass „Mischungen von chemischen Erzeugnissen und Lebensmitteln oder anderen Stoffen mit Nährwert, von der zum Zubereiten von Lebensmitteln für die menschliche Ernährung verwendeten Art“ nicht zu diesem Kapitel gehören.

53

In den Erläuterungen zum HS betreffend dessen Kapitel 38 heißt es, dass sich die Bezeichnung „Lebensmittel oder andere Stoffe mit Nährwert“ hauptsächlich auf genießbare Erzeugnisse der Abschnitte I bis IV des HS erstreckt. Aus diesen Erläuterungen ergibt sich auch, dass „[die] bloße Anwesenheit von ‚Lebensmitteln oder anderen Stoffen mit Nährwert‘ in einer Mischung … nicht [ausreicht], diese Mischung unter Anwendung von Anmerkung 1 b) vom Kapitel 38 auszuschließen“, und dass „Stoffe, deren Nährwert in Bezug auf ihre Funktion als chemisches Erzeugnis, z. B. als Lebensmittelzusatzstoff oder Verarbeitungshilfsmittel, nur nebensächlich ist, … nicht als ‚Lebensmittel oder Stoffe mit Nährwert‘ im Sinne dieser Anmerkung [gelten]“. In diesen Erläuterungen wird ferner klargestellt, dass „Mischungen, die durch die Anmerkung 1 b) aus Kapitel 38 ausgeschlossen sind, … zu der Art von Erzeugnissen [gehören], die bei der Zubereitung von Lebensmitteln verwendet werden und deren Wert auf ihren ernährungsphysiologischen Eigenschaften beruht.“

54

Zu Kapitel 38 der KN gehören u. a. deren Position 3824, die „Zubereitete Bindemittel für Gießereiformen oder ‑kerne; chemische Erzeugnisse und Zubereitungen der chemischen Industrie oder verwandter Industrien (einschließlich Mischungen von Naturprodukten), anderweit weder genannt noch inbegriffen“ erfasst, und insbesondere auch deren Unterposition 38249092, die „chemische Erzeugnisse oder Zubereitungen, überwiegend aus organischen Verbindungen bestehend, anderweit weder genannt noch inbegriffen“„in flüssiger Form bei 20 °C“ erfasst und in der Position 3824 eine Auffangkategorie darstellt.

55

Wie sich aus den Rn. 37 bis 39 des vorliegenden Urteils ergibt, wird im vorliegenden Fall das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis in der Lebensmittelindustrie als ein färbender Zusatzstoff oder Raucharoma verwendet; in der Verordnung Nr. 1333/2008 wird dies in Teil B Nr. 1 unter der Bezeichnung „Zuckerkulör“ (E 150a) erfasst. Eine solche Verwendung kann darauf hinweisen, dass die Hauptfunktion dieses Erzeugnisses der Einsatz als Lebensmittelzusatzstoff ist, selbst wenn es zusätzlich einen Nährwert hat. Vorbehaltlich dieser dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfung kann das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis in die Unterposition 38249092 der KN eingereiht werden.

56

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die KN dahin auszulegen ist, dass eine wässrige Lösung, die durch thermische Zersetzung von Dextrose gewonnen wird und u. a. aus wasserlöslichen Aldehyden und Ketonen besteht, weder in die Unterposition 17029095 der KN einzureihen ist, die u. a. Invertzucker und andere Zucker und Zuckersirupe mit einem Gehalt an Fructose, bezogen auf die Trockenmasse, von 50 GHT, die in keine anderen Unterpositionen der Position 1702 der KN einzureihen sind, erfasst, noch in die Unterposition 29124900 der KN einzureihen ist, die „andere“ Aldehydalkohole, Aldehydether, Aldehydphenole und Aldehyde mit anderen Sauerstoff-Funktionen erfasst, sondern in die Unterposition 38249092 der KN einzureihen ist, die „chemische Erzeugnisse oder Zubereitungen, überwiegend aus organischen Verbindungen bestehend, anderweit weder genannt noch inbegriffen“„in flüssiger Form bei 20 °C“ erfasst, sofern der etwaige Nährwert dieser Lösung gegenüber ihrer Funktion als chemisches Erzeugnis und Lebensmittelzusatzstoff zweitrangig ist.

Kosten

57

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1101/2014 der Kommission vom 16. Oktober 2014 ist dahin auszulegen, dass eine wässrige Lösung, die durch thermische Zersetzung von Dextrose gewonnen wird und u. a. aus wasserlöslichen Aldehyden und Ketonen besteht, weder in die Unterposition 17029095 dieser Nomenklatur einzureihen ist, die u. a. Invertzucker und andere Zucker und Zuckersirupe mit einem Gehalt an Fructose, bezogen auf die Trockenmasse, von 50 GHT, die in keine anderen Unterpositionen der Position 1702 dieser Nomenklatur einzureihen sind, erfasst, noch in die Unterposition 29124900 dieser Nomenklatur einzureihen ist, die „andere“ Aldehydalkohole, Aldehydether, Aldehydphenole und Aldehyde mit anderen Sauerstoff-Funktionen erfasst, sondern in die Unterposition 38249092 dieser Nomenklatur einzureihen ist, die „chemische Erzeugnisse oder Zubereitungen, überwiegend aus organischen Verbindungen bestehend, anderweit weder genannt noch inbegriffen“„in flüssiger Form bei 20 °C“ erfasst, sofern der etwaige Nährwert dieser Lösung gegenüber ihrer Funktion als chemisches Erzeugnis und Lebensmittelzusatzstoff zweitrangig ist.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Rumänisch.