URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

16. September 2020 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Struktur und Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren – Richtlinie 2011/64/EU – Art. 2 Abs. 2 – Art. 5 Abs. 1 – Wendung ‚Erzeugnisse, die ausschließlich oder teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen‘ – Begriff ‚Rauchtabak‘ – Wasserpfeifentabak“

In der Rechtssache C‑674/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht von Litauen) mit Entscheidung vom 4. September 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 10. September 2019, in dem Verfahren

„Skonis ir kvapas“ UAB

gegen

Muitinės departamentas prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos,

Beteiligte:

Vilniaus teritorinė muitinė,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie der Richter J. Malenovský und N. Wahl (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der litauischen Regierung, vertreten durch V. Kazlauskaitė-Švenčionienė und R. Butvydytė als Bevollmächtigte,

der spanischen Regierung, vertreten durch M. J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

der portugiesischen Regierung, vertreten durch P. Barros da Costa, A. Homem, L. Inez Fernandes und N. Vitorino als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Jokubauskaitė und C. Perrin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (ABl. 2011, L 176, S. 24) sowie einiger Bestimmungen der Kombinierten Nomenklatur (im Folgenden: KN) in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 (ABl. 2011, L 282, S. 1), die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 927/2012 der Kommission vom 9. Oktober 2012 (ABl. 2012, L 304, S. 1), die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1001/2013 der Kommission vom 4. Oktober 2013 (ABl. 2013, L 290, S. 1) und die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1101/2014 der Kommission vom 16. Oktober 2014 (ABl. 2014, L 312, S. 1) geänderten Fassung.

2

Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Skonis ir kvapas“ UAB und der Muitinės departamentas prie Finansų ministerijos (Zollabteilung des Finanzministeriums, Litauen) wegen deren Entscheidung, zum einen von Skonis ir kvapas 1308750,28 Euro an Verbrauchsteuer und 274837,74 Euro an Einfuhrumsatzsteuer auf Wasserpfeifentabak, der in den Jahren 2012 bis 2015 eingeführt und in Verkehr gebracht wurde, nachzuerheben und zum anderen gegen sie eine Geldbuße in Höhe von 158359 Euro zu verhängen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Der zweite Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/64 lautet:

„Die Steuervorschriften der [Europäischen] Union für Tabakwaren sollten das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und gleichzeitig ein hohes Gesundheitsschutzniveau gemäß Artikel 168 [AEUV] gewährleisten, und zwar unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Tabakwaren schwere gesundheitliche Schäden verursachen können und dass die Union dem Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakkonsums beigetreten ist. Rechnung getragen werden sollte der jeweiligen Situation bei den einzelnen Tabakwaren.“

4

Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie bestimmt:

„(1)   Für die Zwecke dieser Richtlinie umfasst der Begriff ‚Tabakwaren‘:

a)

Zigaretten;

b)

Zigarren und Zigarillos;

c)

Rauchtabak:

i)

Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten,

ii)

anderen Rauchtabak.

(2)   Zigaretten und Rauchtabak gleichgestellt sind Erzeugnisse, die ausschließlich oder teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen, aber den übrigen Kriterien des Artikels 3 oder des Artikels 5 Absatz 1 entsprechen.

Abweichend von Unterabsatz 1 gelten Erzeugnisse, die keinen Tabak enthalten, nicht als Tabakwaren, falls sie ausschließlich medizinischen Zwecken dienen.“

5

Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64 lautet:

„(1)   Für die Zwecke dieser Richtlinie umfasst der Begriff ‚Rauchtabak‘:

a)

geschnittenen oder anders zerkleinerten, gesponnenen oder in Platten gepressten Tabak, der sich ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignet;

b)

zum Einzelverkauf aufgemachte und zum Rauchen geeignete Tabakabfälle, die nicht unter Artikel 3 und Artikel 4 Absatz 1 fallen. Für die Zwecke dieses Artikels gelten als Tabakabfälle Überreste von Tabakblättern und bei der Verarbeitung von Tabak oder bei der Herstellung von Tabakwaren anfallende Nebenerzeugnisse.“

Litauisches Recht

6

Art. 3 Abs. 27 des Lietuvos Respublikos akcizų įstatymas (litauisches Verbrauchsteuergesetz) vom 30. Oktober 2001 (Žin., 2001, Nr. 98‑3482) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Verbrauchsteuergesetz) bestimmt:

„Der Begriff ‚Rauchtabak‘ umfasst folgende Erzeugnisse:

1.

gerissenen, geschnittenen oder anders zerkleinerten, gesponnenen oder in Platten (Würfel) gepressten Tabak, der sich ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignet;

2.

zum Einzelverkauf aufgemachte Tabakabfälle (Überreste von Tabakblättern und bei der Verarbeitung von Tabak oder bei der Herstellung von Tabakwaren anfallende Nebenerzeugnisse), die nicht als [Zigarre, Zigarillo oder Zigarette eingestuft werden], wenn sie zum Rauchen geeignet sind.“

7

Art. 3 Abs. 35 des Verbrauchsteuergesetzes lautet:

„Erzeugnisse, die teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen, aber den übrigen Kriterien [für die Einstufung als Zigarre oder Zigarillo] entsprechen, sind Zigarren und Zigarillos gleichgestellt.“

8

In Art. 3 Abs. 36 des Verbrauchsteuergesetzes heißt es:

„Erzeugnisse, die ganz oder teilweise aus Tabakersatzstoffen bestehen, aber die übrigen in [Art. 3 Abs. 27 des Verbrauchsteuergesetzes] vorgesehenen Kriterien erfüllen, sind … Rauchtabak gleichgestellt. Diese Bestimmungen finden keine Anwendung auf Erzeugnisse für medizinische Zwecke, die keinen Tabak enthalten.“

9

Art. 31 Abs. 2 des Verbrauchsteuergesetzes sieht vor:

„Rauchtabak unterliegt einer Verbrauchsteuer in Höhe von 54,16 Euro pro Kilogramm des Erzeugnisses.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10

Skonis ir kvapas ist eine in Litauen ansässige Gesellschaft, die u. a. im Einzelhandel mit verschiedenen Tabakerzeugnissen tätig ist.

11

Zu diesem Zweck führte sie in den Jahren 2012 bis 2015 Wasserpfeifentabak, der aus mehreren Stoffen, nämlich Tabak (24 %), Zuckersirup (47 %), Glycerin (27 %), Aromastoffe (2 %) sowie Kaliumsorbat (weniger als 1 Gramm pro Kilogramm) bestand, in Packungen zu 50 oder 250 Gramm nach Litauen ein.

12

In den Anmeldungen der Klägerin des Ausgangsverfahrens wurde dieser Wasserpfeifentabak nach der damals geltenden KN als „Wasserpfeifentabak“ in den Code 2403110000 sowie als „Rauchtabak, verbrauchsteuerpflichtig gemäß dem in Art. 31 Abs. 2 des Verbrauchsteuergesetzes festgelegten Satz“ in den zusätzlichen nationalen Code X203 eingereiht.

13

Das Vilniaus teritorinė muitinė (Regionales Zollamt Vilnius, Litauen) (im Folgenden: regionales Zollamt) prüfte die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens vorgelegten elektronischen Einfuhranmeldungen und stellte fest, dass das angemeldete Nettogewicht des Wasserpfeifentabaks nicht den Angaben in den Rechnungen und Verpackungsunterlagen entsprach. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hatte nämlich nicht das Gesamtnettogewicht des Wasserpfeifentabaks angemeldet, sondern nur das Gewicht des darin enthaltenen Tabaks, d. h. das Gewicht eines der Bestandteile des Wasserpfeifentabaks.

14

Das regionale Zollamt war der Auffassung, dass nach den nationalen Rechtsvorschriften der gesamte im Ausgangsverfahren in Rede stehende Wasserpfeifentabak und nicht nur der darin enthaltene Tabak als verbrauchsteuerpflichtiger Rauchtabak anzusehen sei. Deshalb nahm es im Steuerprüfungsbericht eine Nacherhebung der von der Klägerin des Ausgangsverfahrens geschuldeten Verbrauchsteuern in Höhe von 1308750,28 Euro sowie von Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 274837,74 Euro vor. Außerdem setzte es Verzugszinsen in Höhe von 512513 Euro für die Verbrauchsteuern und von 43532 Euro für die Umsatzsteuer sowie eine Geldbuße in Höhe von 158359 Euro fest.

15

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens legte gegen diesen Steuerprüfungsbericht Beschwerde bei der Zollabteilung des Finanzministeriums ein, die den Bericht mit Entscheidung vom 14. November 2017 bestätigte und den Antrag der Klägerin des Ausgangsverfahrens, ihr einen Nachlass auf die Verzugszinsen sowie die Geldbuße zu gewähren, zurückwies.

16

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens legte gegen diese Entscheidung bei der Mokestinių ginčų komisija prie Lietuvos Respublikos vyriausybės (Kommission für Steuerstreitigkeiten bei der Regierung der Republik Litauen) einen Rechtsbehelf ein. Diese bestätigte den im Steuerbericht festgesetzten Betrag der Verbrauchsteuern und der Umsatzsteuer, gewährte der Klägerin des Ausgangsverfahrens aber einen Nachlass auf die Verzugszinsen.

17

Diese Entscheidung sowie die Entscheidungen des regionalen Zollamts und der Zollabteilung des Finanzministeriums waren Gegenstand einer Klage beim Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionales Verwaltungsgericht Vilnius, Litauen), das sie mit Urteil vom 7. Juni 2018 bestätigte. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens legte gegen dieses Urteil beim vorlegenden Gericht, dem Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht von Litauen), Berufung ein.

18

Das vorlegende Gericht führt aus, erstens müsse geklärt werden, ob Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2011/64 dahin auszulegen sei, dass Wasserpfeifentabak wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, der zu 24 % aus Tabak bestehe und andere Stoffe wie Zuckersirup, Glycerin, Aromastoffe und ein Konservierungsmittel enthalte, als „teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen[d]“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sei.

19

Zweitens sei, sofern der Tabak, der in einem zum Rauchen bestimmten Gemisch wie Wasserpfeifentabak enthalten sei, die in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64 aufgeführten Kriterien erfülle, darüber zu befinden, ob das Gemisch als Ganzes und unabhängig von den übrigen Stoffen, aus denen es bestehe, als Rauchtabak anzusehen sei.

20

Falls dies verneint werde, sei drittens die Frage zu beantworten, ob zur Einstufung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Wasserpfeifentabaks als Rauchtabak für die Verbrauchsteuererhebung zu prüfen sei, ob dieses Erzeugnis, das durch Mischen von Feinschnitttabak mit anderen flüssigen und normalerweise feinen Stoffen hergestellt werde, die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/64 aufgestellte Voraussetzung erfülle.

21

Viertens sei, falls die zweite Frage verneint werde sowie die erste und die dritte Frage bejaht würden, zu klären, ob die Bestimmungen der KN zur Position 2403 dahin auszulegen seien, dass Bestandteile von Wasserpfeifentabak wie Zuckersirup, Aromastoffe und Glycerin nicht als „Tabakersatzstoffe“ gälten.

22

Unter diesen Umständen hat das Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht von Litauen) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2011/64 dahin auszulegen, dass Wasserpfeifentabak wie der im vorliegenden Fall streitige (bestehend aus bis zu 24 % Tabak, Zuckersirup, Glycerin, Aromastoffen und einem Konservierungsmittel) als „teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen[d]“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist?

2.

Ist Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64, auch soweit er in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie zu lesen ist, dahin auszulegen, dass in Fällen, in denen der Tabak, der in einer zum Rauchen bestimmten Mischung – hier Wasserpfeifentabak (das im vorliegenden Fall streitige Erzeugnis) – enthalten ist, die in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64 aufgeführten Kriterien erfüllt, die Mischung als Ganzes unabhängig von den übrigen darin enthaltenen Stoffen als Rauchtabak anzusehen ist?

3.

Für den Fall, dass die zweite Frage verneint wird: Sind/ist Art. 2 Abs. 2 und/oder Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64 dahin auszulegen, dass ein Erzeugnis wie das im Ausgangsverfahren streitige, das durch Mischen von Feinschnitttabak mit anderen flüssigen und normalerweise feinen Stoffen (Zuckersirup, Glycerin, Aromastoffe und ein Konservierungsmittel) hergestellt wird, für die Zwecke der Anwendung dieser Richtlinie als „Rauchtabak“ gilt?

4.

Für den Fall, dass die zweite Frage verneint wird sowie die erste und die dritte Frage bejaht werden: Sind die Bestimmungen der KN zur Position 2403 dahin auszulegen, dass Bestandteile von Wasserpfeifentabak wie (1) Zuckersirup, (2) Aromastoffe und (3) Glycerin nicht als „Tabakersatzstoffe“ gelten?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Frage

23

Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 2 und 5 der Richtlinie 2011/64 dahin auszulegen sind, dass Wasserpfeifentabak, der zu 24 % aus Tabak besteht und andere Stoffe wie Zuckersirup, Glycerin, Aromastoffe und ein Konservierungsmittel enthält, als „teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen[d]“ und als „Rauchtabak“ im Sinne dieser Bestimmungen einzustufen und deshalb als Ganzes und unabhängig von den anderen Stoffen, die er außer Tabak enthält, als der Verbrauchsteuer auf Tabak unterliegender Rauchtabak anzusehen ist.

24

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass Wasserpfeifentabak in den Bestimmungen der Richtlinie 2011/64 nicht ausdrücklich genannt ist.

25

In Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64 wird jedoch der Begriff „Tabakwaren“ für die Zwecke ihrer Anwendung definiert; dabei werden die Tabakwaren, die Gegenstand der mit der Richtlinie angestrebten Harmonisierung sind, in drei Kategorien eingeteilt, und zwar erstens Zigaretten, zweitens Zigarren und Zigarillos und drittens Rauchtabak. Die von den einzelnen Kategorien erfassten Erzeugnisse werden in den Art. 3 bis 5 der Richtlinie anhand ihrer jeweiligen Merkmale definiert.

26

Außerdem sind nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie Erzeugnisse, die ausschließlich oder teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen, aber den übrigen Kriterien des Art. 3 oder des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie entsprechen, Zigaretten und Rauchtabak gleichgestellt. Überdies wird in der letztgenannten Bestimmung der Begriff „Rauchtabak“ definiert.

27

Was erstens die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2011/64 und der Wendung „teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen[d]“ im Sinne dieser Bestimmung anbelangt, sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, um eine einheitliche Anwendung der Richtlinie 2011/64 zu gewährleisten, deren Begriffe, gestützt auf den Wortlaut der fraglichen Bestimmungen sowie die Systematik der Richtlinie und die mit ihr verfolgten Ziele, autonom auszulegen (Urteil vom 11. April 2019, Skonis ir kvapas, C‑638/17, EU:C:2019:316, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Im Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2011/64 hat der Unionsgesetzgeber die Art der von dieser Bestimmung erfassten anderen Stoffe als Tabak nicht näher bestimmt, so dass mit der Wendung „teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen[d]“ weder irgendein mit Tabak mischbarer Stoff ausgeschlossen noch verlangt wird, dass der Tabak mit bestimmten Stoffen gemischt wird.

29

Zur Systematik von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2011/64 ist hervorzuheben, dass mit Unterabs. 1 dieser Bestimmung eine allgemeine Regel aufgestellt werden soll, wonach Erzeugnisse, die zwar ausschließlich oder teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen, aber den übrigen in Art. 3 und Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie aufgeführten Kriterien von Zigaretten und Rauchtabak entsprechen, diesen gleichgestellt sind. Gemäß Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/64 sind davon nur Erzeugnisse ausgenommen, die zum einen keinen Tabak enthalten und zum anderen ausschließlich medizinischen Zwecken dienen (vgl. entsprechend Urteil vom 30. März 2006, Smits-Koolhoven, C‑495/04, EU:C:2006:218, Rn. 18).

30

Folglich kann ein Erzeugnis in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen und der Verbrauchsteuer auf Tabak unterliegen, auch wenn es nicht ausschließlich aus Tabak besteht.

31

Zu den Zielen der Richtlinie 2011/64 geht aus ihrem Art. 1 hervor, dass sie zur Festlegung allgemeiner Grundsätze für die Harmonisierung der Struktur und der Sätze der Verbrauchsteuern dient, denen die Tabakwaren in den Mitgliedstaaten unterliegen. Die Richtlinie 2011/64 gehört somit zu den Steuervorschriften der Union für Tabakwaren, die nach ihrem zweiten Erwägungsgrund das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und gleichzeitig ein hohes Gesundheitsschutzniveau gewährleisten sollen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. Oktober 2014, Yesmoke Tobacco, C‑428/13, EU:C:2014:2263, Rn. 23, 35 und 36, sowie vom 6. April 2017, Eko-Tabak, C‑638/15, EU:C:2017:277, Rn. 17).

32

Um zum einen das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und neutrale Wettbewerbsbedingungen im Tabaksektor und zum anderen ein hohes Schutzniveau der Gesundheit des Menschen zu gewährleisten, sind alle Tabakerzeugnisse, die sich zum Rauchen eignen, Zigaretten und Rauchtabak gleichzustellen. Solche Erzeugnisse stehen nämlich im Wettbewerb mit Zigaretten und Rauchtabak und sollten von der Politik zum Schutz der Gesundheit im Bereich der Bekämpfung des Tabakkonsums erfasst werden.

33

Zudem gilt Wasserpfeifentabak gemäß Art. 2 Nr. 13 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. 2014, L 127, S. 1) als Rauchtabakerzeugnis.

34

Hinzu kommt, dass nach den dem Gerichtshof vorliegenden Akten die Erhitzung und die Verbrennung aller Stoffe, aus denen Wasserpfeifentabak wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende besteht, Rauch zum Einatmen erzeugen; daher gilt diese Einstufung für ihn.

35

Folglich ist die Wendung „teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen[d]“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2011/64 dahin auszulegen, dass Wasserpfeifentabak wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, der aus Tabak, Zuckersirup, Glycerin, Aromastoffen und einem Konservierungsmittel besteht, darunter fällt.

36

Zweitens ist zur Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/64 hervorzuheben, dass nach dem Wortlaut dieser Bestimmung für die Einstufung als „Rauchtabak“ zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Zum einen muss der Tabak geschnitten oder anders zerkleinert, gesponnen oder in Platten gepresst sein, und zum anderen muss er sich ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignen.

37

In Bezug auf die erste Voraussetzung scheint sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten zu ergeben, dass es sich bei dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Wasserpfeifentabak um geschnittenen oder anders zerkleinerten, gesponnenen oder in Platten gepressten Tabak handelt; dies zu prüfen ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts.

38

Zur zweiten Voraussetzung ist festzustellen, dass sich Wasserpfeifentabak wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignet.

39

Hierzu hat der Gerichtshof bereits ausgeführt, dass ein leicht durchführbarer Vorgang, der die Eignung einer unfertigen Tabakware zum Rauchen herbeiführen soll, keine industrielle Bearbeitung darstellt; dieser Begriff bezeichnet vielmehr die üblicherweise in großem Maßstab anhand eines standardisierten Verfahrens stattfindende Umwandlung von Rohstoffen in materielle Güter (Urteil vom 6. April 2017, Eko-Tabak, C‑638/15, EU:C:2017:277, Rn. 30 bis 32).

40

Wasserpfeifentabak ist ein Erzeugnis, das zum Rauchen keiner Umwandlung von Rohstoffen in materielle Güter anhand eines standardisierten Verfahrens bedarf.

41

Somit vermag Wasserpfeifentabak wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende die beiden in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/64 aufgestellten kumulativen Voraussetzungen für die Einstufung als „Rauchtabak“ zu erfüllen.

42

Zur Frage, ob Wasserpfeifentabak wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Ganzes und unabhängig davon, aus welchen anderen Stoffen als Tabak er besteht, als Rauchtabak anzusehen ist, ist hervorzuheben, dass die Richtlinie 2011/64, wie die Europäische Kommission und die portugiesische Regierung zu Recht geltend gemacht haben, Erzeugnisse, die teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen, in vollem Umfang Rauchtabak gleichstellt, ohne dass sie zwischen den verschiedenen Stoffen unterscheidet oder vorsieht, dass nur der in diesen Erzeugnissen enthaltene Tabak zu versteuern ist.

43

Somit ergibt sich aus den Art. 7 bis 12 der Richtlinie, dass der Betrag der Verbrauchsteuer auf Zigaretten unter Einbeziehung der anderen Stoffe und Elemente als Tabak, aus denen die Zigaretten bestehen, zu ermitteln ist.

44

Desgleichen hat der Unionsgesetzgeber für andere Tabakwaren als Zigaretten im Sinne der Art. 13 und 14 der Richtlinie 2011/64 nicht vorgesehen, das Gewicht der anderen Stoffe als Tabak von der Verbrauchsteuer auf diese Erzeugnisse auszuschließen.

45

Schließlich werden alle Stoffe, aus denen Wasserpfeifentabak besteht, als Bestandteile eines einzigen Erzeugnisses erhitzt und geraucht. Daher ist ein solches Erzeugnis für die Zwecke der Richtlinie 2011/64 als Ganzes als Rauchtabak anzusehen und unterliegt als solcher der Verbrauchsteuer auf Tabak.

46

Folglich ist Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64 dahin auszulegen, dass ein zum Rauchen bestimmtes Gemisch wie Wasserpfeifentabak, wenn der darin enthaltene Tabak die in dieser Bestimmung aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, als Ganzes und unabhängig davon, aus welchen anderen Stoffen als Tabak es besteht, als Rauchtabak anzusehen ist.

47

Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass die Art. 2 und 5 der Richtlinie 2011/64 dahin auszulegen sind, dass Wasserpfeifentabak, der zu 24 % aus Tabak besteht und andere Stoffe wie Zuckersirup, Glycerin, Aromastoffe und ein Konservierungsmittel enthält, als „teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen[d]“ und als „Rauchtabak“ im Sinne dieser Bestimmungen einzustufen und deshalb als Ganzes und unabhängig davon, aus welchen anderen Stoffen als Tabak er besteht, als der Verbrauchsteuer auf Tabak unterliegender Rauchtabak anzusehen ist.

Zur dritten und zur vierten Frage

48

In Anbetracht der Antwort auf die erste und die zweite Frage sind die dritte und die vierte Frage nicht zu beantworten.

Kosten

49

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Art. 2 und 5 der Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren sind dahin auszulegen, dass Wasserpfeifentabak, der zu 24 % aus Tabak besteht und andere Stoffe wie Zuckersirup, Glycerin, Aromastoffe und ein Konservierungsmittel enthält, als „teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen[d]“ und als „Rauchtabak“ im Sinne dieser Bestimmungen einzustufen und deshalb als Ganzes und unabhängig davon, aus welchen anderen Stoffen als Tabak er besteht, als der Verbrauchsteuer auf Tabak unterliegender Rauchtabak anzusehen ist.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Litauisch.