SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 10. Juni 2021 ( 1 )

Verbundene Rechtssachen C‑177/19 P, C‑178/19 P und C‑179/19 P

Bundesrepublik Deutschland

gegen

Ville de Paris,

Ville de Bruxelles,

Ayuntamiento de Madrid,

Europäische Kommission (C‑177/19 P)

und

Ungarn

gegen

Ville de Paris,

Ville de Bruxelles,

Ayuntamiento de Madrid,

Europäische Kommission (C‑178/19 P)

sowie

Europäische Kommission

gegen

Ville de Paris,

Ville de Bruxelles,

Ayuntamiento de Madrid (C‑179/19 P)

„Rechtsmittel – Umwelt – Verordnung (EU) 2016/646 – Schadstoffemissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 6) – Befugnisse einer kommunalen Umweltschutzbehörde zur Beschränkung des Verkehrs bestimmter Fahrzeuge – Klagebefugnis kommunaler Gebietskörperschaften – Unmittelbare Betroffenheit – Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht – Durchführungsbefugnisse der Kommission – Festsetzung verbindlicher Grenzwerte (NTE‑Werte) für Stickstoffoxidemissionen bei den Prüfungen im praktischen Fahrbetrieb (RDE) – Anwendung von Übereinstimmungsfaktoren CF pollutant – Teilweise Nichtigerklärung – Zeitliche Abstufung der Wirkungen einer Nichtigerklärung“

I. Einleitung

1.

Im Jahr 2016 führte die Europäische Kommission als Reaktion auf einen bekannten Skandal im Zusammenhang mit dem tatsächlichen Ausmaß der Emissionen gewisser dieselbetriebener Fahrzeuge ein Prüfverfahren zur Messung der Emissionen im praktischen Fahrbetrieb (real driving emissions – „RDE“) ein, um das bisherige Laborverfahren – den Neuen Europäischen Fahrzyklus („NEFZ“) – zu ergänzen. Letzteres war bis zu diesem Zeitpunkt als einziges Prüfverfahren für die „Typgenehmigung“ leichter Personenkraftwagen (Pkw) und Nutzfahrzeuge verwendet worden. Darüber hinaus setzte die Kommission auch die Grenzwerte für Emissionen von Stickstoffoxiden („NOx“) bei diesen RDE‑Prüfungen fest.

2.

Mit seinem Urteil vom 13. Dezember 2018 gab das Gericht den Klagen der Ville de Paris (im Folgenden: Stadt Paris), der Ville de Bruxelles (im Folgenden: Stadt Brüssel) und des Ayuntamiento de Madrid (im Folgenden: Stadt Madrid) (im Folgenden gemeinsam: Rechtsmittelgegnerinnen) zum Teil statt und erklärte die Verordnung der Kommission, mit der bestimmte Werte für NOx-Emissionen bei RDE‑Prüfungen festgesetzt worden waren ( 2 ), teilweise für nichtig. Das Gericht entschied im Wesentlichen, dass die Kommission, indem sie diese Werte zu hoch festgesetzt habe, de facto die vom Unionsgesetzgeber festgelegte Euro-6-Norm geändert habe, wozu sie nicht befugt gewesen sei ( 3 ).

3.

Mit ihren Rechtsmitteln beantragen die Bundesrepublik Deutschland, Ungarn und die Kommission (im Folgenden gemeinsam: Rechtsmittelführer), das Urteil des Gerichts aufzuheben. Diese Rechtsmittel werfen mehrere Fragen auf, von denen zwei wichtiger sein mögen als die anderen. Die erste ist verfahrensrechtlicher Natur. Sie betrifft das Konzept der „unmittelbaren Betroffenheit“ in Bezug auf eine Gebietskörperschaft eines Mitgliedstaats, die einen Rechtsakt der Union anfechten möchte. Die zweite ist materiell-rechtlicher Natur. Wie groß ist der Handlungsspielraum der Kommission, wenn sie befugt ist, nicht wesentliche Bestimmungen einer Grundregelung durch den Erlass von Durchführungsvorschriften zu ändern?

II. Rechtlicher und tatsächlicher Rahmen

4.

Bevor ein neues Fahrzeugmodell in der Europäischen Union auf den Markt gebracht werden kann, muss der Hersteller es dem Verfahren der Typgenehmigung unterziehen. Im Rahmen dieses Verfahrens soll bescheinigt werden, dass ein Prototyp des Fahrzeugs alle Sicherheits‑, Umwelt- und Produktionsanforderungen der Union erfüllt (wie sie in der grundlegenden Gesetzgebung und den einschlägigen Rechtsakten festgelegt sind) ( 4 ).

5.

Was das vorliegende Verfahren angeht, so war das wichtigste zum maßgeblichen Zeitpunkt geltende Gesetzeswerk die Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) ( 5 ).

6.

Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten gestatten die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten nur, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen.

Die Mitgliedstaaten dürfen die Zulassung, den Verkauf, die Inbetriebnahme oder die Teilnahme am Straßenverkehr von Fahrzeugen, Bauteilen oder selbstständigen technischen Einheiten nicht unter Verweis auf die von dieser Richtlinie erfassten Aspekte des Baus oder der Wirkungsweise untersagen, beschränken oder behindern, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen.“

7.

Anhang IV („Aufstellung der für die EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge anzuwendenden Vorschriften“) der Richtlinie 2007/46 enthielt u. a. eine Aufstellung der einschlägigen Rechtsakte.

8.

Im Hinblick auf die Schadstoffemissionen bei leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) war der einschlägige Rechtsakt die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge ( 6 ). Diese Verordnung legt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 „gemeinsame technische Vorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen … und Ersatzteilen wie emissionsmindernde Einrichtungen für den Austausch hinsichtlich ihrer Schadstoffemissionen fest“.

9.

Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 715/2007 bestimmt, dass die besonderen Verfahren, Prüfungen und Anforderungen für die Typgenehmigung, die eine Hinzufügung neuer nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung bewirken, nach dem Regelungsverfahren mit Kontrolle festgelegt werden müssen ( 7 ).

10.

Art. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 sieht u. a. vor, dass ab dem 1. September 2009 für Pkw und Kraftwagen zur Personenbeförderung die Grenzwerte der Euro-5-Norm für die Typgenehmigung anzuwenden sind und dass ab dem 1. Januar 2011 neue Fahrzeuge, die diese Norm nicht einhalten, nicht mehr zugelassen, zum Verkauf angeboten oder in Betrieb genommen werden dürfen. Weiter wird festgelegt, dass ab dem 1. September 2014 die Grenzwerte der Euro-6-Norm für die Typgenehmigung gelten und dass ab dem 1. September 2015 neue Fahrzeuge, die diese Norm nicht einhalten, nicht mehr zugelassen, zum Verkauf angeboten oder in Betrieb genommen werden dürfen. In den Tabellen 1 und 2 des Anhangs I der Verordnung Nr. 715/2007 werden die Grenzwerte für NOx-Emissionen für Kategorien von Diesel-Pkw oder Dieselfahrzeugen zur Personenbeförderung auf 180 mg/km für die Euro-5-Norm und auf 80 mg/km für die Euro-6-Norm festgelegt.

11.

Gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 715/2007 hat die Kommission die Verfahren, Prüfungen und Anforderungen nach Art. 5 Abs. 3 dieser Verordnung sowie die für die Emissionsmessung verwendeten Fahrzyklen zu beobachten. Erweist sich bei der Überprüfung, dass diese nicht mehr geeignet sind oder der Betriebspraxis nicht mehr hinreichend entsprechen, so müssen sie – laut dieser Bestimmung – so angepasst werden, dass sie den in der Betriebspraxis tatsächlich entstehenden Emissionen entsprechen. Die erforderlichen Maßnahmen zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung durch deren Ergänzung sind nach dem Regelungsverfahren mit Kontrolle zu erlassen.

12.

Die Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 wurde zur Durchführung der Art. 4 und 5 der Verordnung Nr. 715/2007 erlassen ( 8 ). Im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 692/2008 heißt es, dass für Neufahrzeuge für den Leichtverkehr die Einhaltung neuer Emissionsgrenzwerte vorgeschrieben sei und die betreffenden technischen Anforderungen in zwei Stufen in Kraft träten, Euro 5 ab dem 1. September 2009 und Euro 6 ab dem 1. September 2014. Diese Verordnung legt somit die erforderlichen Anforderungen für die Typgenehmigung von Fahrzeugen der Euro‑5- und der Euro‑6-Spezifikation fest.

13.

Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 692/2008 wird die EG-Typgenehmigung eines Fahrzeugs hinsichtlich u. a. der Emissionen von Schadstoffen erteilt, wenn der Hersteller nachweist, dass die betreffenden Fahrzeuge den in verschiedenen Anhängen dieser Verordnung genannten Prüfverfahren entsprechen. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung bestimmt im Wesentlichen, dass die Fahrzeuge je nach ihren Merkmalen den verschiedenen Arten von Prüfungen gemäß Anhang I Abbildung I.2.4 unterzogen werden, die ihrerseits in verschiedenen Anhängen beschrieben sind. Art. 3 Abs. 5 der Verordnung schreibt vor, dass „[d]er Hersteller … technische Maßnahmen [ergreift], um zu gewährleisten, dass die Auspuff- und Verdunstungsemissionen der Fahrzeuge während ihrer gesamten normalen Lebensdauer und bei normaler Nutzung entsprechend den Vorschriften dieser Verordnung wirksam begrenzt werden“.

14.

Im September 2015 kam der sogenannte „Dieselgate“-Skandal ins Rollen, als die United States Environmental Protection Agency (US-Umweltschutzbehörde) der Volkswagen AG formell Verstöße gegen US-amerikanische Emissionsnormen zur Last legte. In der Folge gab der Automobilhersteller zu, dass tatsächlich weltweit in zahlreiche Fahrzeuge mit Dieselmotor eine „Abschalteinrichtung“ eingebaut worden war ( 9 ). Diese Abschalteinrichtung konnte erkennen, wann ein Fahrzeug auf dem Prüfstand getestet wurde, und sodann das Emissionskontrollsystem aktivieren, so dass die NOx-Emissionsnormen eingehalten wurden ( 10 ). Außerhalb der Laborumgebung schaltete diese Einrichtung das Emissionskontrollsystem jedoch ab, wodurch der Ausstoß bei diesem Fahrzeug deutlich über dem gesetzlich vorgegebenen NOx-Grenzwert der USA lag. Später stellte sich heraus, dass auch andere Fahrzeuge desselben Herstellers und mehrerer anderer Hersteller die in den EU-Vorschriften festgelegten NOx-Grenzwerte nicht einhielten ( 11 ).

15.

Als Reaktion auf diese Vorgänge wurde auf Unionsebene u. a. die Verordnung (EU) 2016/427 der Kommission vom 10. März 2016 zur Änderung der Verordnung Nr. 692/2008 hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 6) ( 12 ) erlassen. Mit dieser Verordnung wurde das RDE‑Prüfverfahren eingeführt. Dieses neue Prüfverfahren soll das Ausmaß der tatsächlichen Schadstoffemissionen im praktischen Fahrbetrieb besser erfassen als der bisher verwendete NEFZ-Test. Mit Letzterem wurden die Abgasemissionen von Autos nur während des Typgenehmigungsverfahrens unter standardisierten Laborbedingungen gemessen.

16.

Kurz darauf erließ die Kommission die Verordnung 2016/646 – die streitige Verordnung –, bei der es sich um einen der Rechtsakte des in der Richtlinie 2007/46 festgelegten Typgenehmigungsverfahrens handelt. Die streitige Verordnung ergänzt die Anforderungen an die RDE‑Prüfungen, indem sie verbindliche Grenzwerte („not-to-exceed values“, im Folgenden: NTE‑Werte) für NOx-Emissionen festlegt. Diese Werte ergeben sich aus der Anwendung von Übereinstimmungsfaktoren CF pollutant auf die für die Euro‑6-Norm festgesetzten Grenzwerte für Schadstoffemissionen nach der Verordnung Nr. 715/2007 ( 13 ).

17.

Mit der streitigen Verordnung wird die Verordnung Nr. 692/2008 in mehrfacher Hinsicht geändert. Insbesondere erhält gemäß Art. 1 Nr. 2 der streitigen Verordnung Art. 3 Abs. 10 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 692/2008 folgende Fassung: „Bis zu drei Jahre nach den in Artikel 10 Absatz 4 und vier Jahre nach den in Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung … Nr. 715/2007 genannten Daten gelten folgende Bestimmungen.“

18.

Außerdem wird mit Art. 1 Nr. 6 und Anhang II der streitigen Verordnung Anhang IIIA der Verordnung Nr. 692/2008 u. a. dadurch geändert, dass die Nrn. 2.1.1 bis 2.1.3 in den letztgenannten Anhang eingefügt werden. Nr. 2.1.1 sieht einen endgültigen Übereinstimmungsfaktor für die NOx-Masse von „1 + margin“ mit margin = 0,5 vor. Die „Toleranz [margin]“ wird definiert als „ein Parameter, welcher die durch die PEMS [portable Emissionssysteme]-Ausrüstung hinzugekommenen zusätzlichen Messunsicherheiten berücksichtigt, die jährlich überprüft werden und nach einer Verbesserung der Qualität des PEMS-Verfahrens oder technischem Fortschritt zu revidieren sind“. Nach Nr. 2.1.2 kann abweichend von den Bestimmungen von Nr. 2.1.1 auf Antrag des Herstellers bis zu fünf Jahre und vier Monate nach den in Art. 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung Nr. 715/2007 angegebenen Daten ein vorläufiger CF pollutant von 2,1 für die NOx-Masse angewandt werden.

III. Angefochtenes Urteil

19.

Mit ihren Klagen nach Art. 263 AEUV beantragten die Rechtsmittelführer beim Gericht, die streitige Verordnung für nichtig zu erklären. Die Stadt Paris beantragte außerdem, die Kommission zur Zahlung eines symbolischen Euro als Wiedergutmachung für den ihr durch den Erlass dieser Verordnung entstandenen Schaden zu verurteilen.

20.

Am 13. Dezember 2018 erließ das Gericht das angefochtene Urteil, mit dem es den Klagen teilweise stattgab.

21.

Das Gericht stellte fest, dass die streitige Verordnung ein Rechtsakt sei, der die Rechtsmittelgegnerinnen unmittelbar betreffe und keine Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV nach sich ziehe.

22.

Im Rahmen seiner Begründetheitsprüfung der Klagen beschloss das Gericht, sich zunächst mit den Klagegründen zu befassen, mit denen eine fehlende Zuständigkeit der Kommission für den Erlass der streitigen Verordnung geltend gemacht wurde. Insoweit stellte das Gericht fest, dass der in Anhang I der Verordnung Nr. 715/2007 festgesetzte Grenzwert für NOx-Emissionen von Euro-6-Fahrzeugen ein wesentliches Element dieser Verordnung sei. Daher habe dieser Grenzwert von der Kommission nicht im Wege eines Rechtsakts geändert werden dürfen, der nach dem Ausschuss-Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen worden sei. Indem die Kommission in der streitigen Verordnung die bei Tests im tatsächlichen Fahrbetrieb einzuhaltenden verbindlichen Grenzwerte für NOx-Emissionen festgesetzt und Übereinstimmungsfaktoren CF pollutant bestimmt habe, habe sie de facto den Grenzwert für diese Emissionen für die Euro-6-Norm geändert.

23.

Das Gericht schloss daraus, dass die Kommission mit dem Erlass der streitigen Verordnung die ihr mit Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 715/2007 übertragenen Befugnisse überschritten und folglich gegen Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung verstoßen habe. Aus Gründen der Prozessökonomie sah das Gericht von einer Prüfung des übrigen Vorbringens der Rechtsmittelgegnerinnen ab.

24.

Auf dieser Grundlage erklärte das Gericht Nr. 2 des Anhangs II der streitigen Verordnung für nichtig, da sich das Vorbringen der Rechtsmittelgegnerinnen nur auf diesen Teil beziehe, der von dem übrigen Rechtsakt abgetrennt werden könne. Um die berechtigten wirtschaftlichen Interessen sowohl der Automobilindustrie als auch der Verbraucher, die auf die bestehende Regelung vertrauten, nicht zu beeinträchtigen und um einen rechtsfreien Raum zu vermeiden, wandte das Gericht Art. 264 AEUV an. Es beschloss daher, die Wirkungen der für nichtig erklärten Bestimmung für die Vergangenheit und auch für einen zur Änderung der einschlägigen Rechtsvorschriften erforderlichen künftigen Zeitraum von höchstens zwölf Monaten aufrechtzuerhalten.

25.

Schließlich wies das Gericht die Schadensersatzklage der Stadt Paris mit der Begründung ab, es sei kein Schaden nachgewiesen worden.

IV. Verfahren vor dem Gerichtshof

26.

Mit ihrem am 22. Februar 2019 beim Gerichtshof eingelegten Rechtsmittel beantragt die Bundesrepublik Deutschland,

das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klagen abzuweisen und den Rechtsmittelgegnerinnen die Kosten aufzuerlegen;

hilfsweise, das angefochtene Urteil in Nr. 3 des Tenors dahin gehend abzuändern, dass die Wirkung der für nichtig erklärten Regelung für eine längere Höchstfrist als zwölf Monate aufrechterhalten wird.

27.

Mit seinem am 22. Februar 2019 beim Gerichtshof eingelegten Rechtsmittel beantragt Ungarn,

das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klagen abzuweisen und den Rechtsmittelgegnerinnen die Kosten aufzuerlegen;

hilfsweise, den Urteilstenor insoweit aufzuheben, als damit die Wirkungen der für nichtig erklärten Regelung nur für höchstens zwölf Monate aufrechterhalten werden, und anzuordnen, dass die Wirkungen dieser Regelung bis zum Erlass der sie ersetzenden neuen Regelung aufrechterhalten bleiben.

28.

Mit ihrem am 23. Februar 2019 beim Gerichtshof eingelegten Rechtsmittel beantragt die Kommission,

das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klagen abzuweisen und den Rechtsmittelgegnerinnen die Kosten aufzuerlegen;

hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung vorzubehalten.

29.

Die Rechtsmittelgegnerinnen beantragen, die Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführern die Kosten aufzuerlegen. Sie beantragen hilfsweise, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen, damit dieses die im ersten Rechtszug übergangenen Nichtigkeitsgründe prüfen könne.

30.

Im Verfahren in der Rechtssache C‑177/19 P sind Rumänien, die Slowakische Republik und die European Automobile Manufacturers’ Association (Europäischer Automobilherstellerverband, im Folgenden: ACEA) als Streithelfer der Bundesrepublik Deutschland zugelassen worden. Im Verfahren in der Rechtssache C‑178/19 P ist die ACEA als Streithelfer Ungarns zugelassen worden. Im Verfahren in der Rechtssache C‑179/19 P, ist die ACEA als Streithelfer der Kommission zugelassen worden.

31.

Die Parteien und die Streithelfer haben an sie gerichtete schriftliche Fragen des Gerichtshofs beantwortet.

32.

Mit Beschluss des Präsidenten der Fünften Kammer vom 28. Januar 2021 sind die drei Rechtsaachen zu gemeinsamen Schlussanträgen und zu gemeinsamem Endurteil verbunden worden.

V. Würdigung

33.

In diesen Schlussanträgen werde ich die von den drei Rechtsmittelführern angeführten Rechtsmittelgründe im Einzelnen wie folgt behandeln.

34.

Zunächst werde ich das Vorbringen zur Klagebefugnis der Rechtsmittelgegnerinnen prüfen (A): Sind sie unmittelbar von der streitigen Verordnung betroffen (zweiter Teil des ersten Rechtsmittelgrundes Ungarns sowie erster und zweiter Rechtsmittelgrund Deutschlands) (1), und bringt die streitige Verordnung Durchführungsmaßnahmen gegenüber den Rechtsmittelführern mit sich (erster Teil des ersten Rechtsmittelgrundes Ungarns) (2)?

35.

Dann werde ich mich dem Vorbringen zu der vom Gericht vorgenommenen Begründetheitsprüfung zuwenden (B) und den einzigen Rechtsmittelgrund der Kommission sowie den dritten Rechtsmittelgrund Deutschlands, die sich beide auf die angebliche Unzuständigkeit der Kommission beziehen, gemeinsam prüfen. Abschließend werde ich auf die Rechtsmittelgründe eingehen, die sich gegen die Konsequenzen wenden, die das Gericht aus seinen materiellen Feststellungen gezogen hat (C): den Umfang der Nichtigerklärung (vierter Rechtsmittelgrund Deutschlands) (1) und die zeitlichen Wirkungen der Nichtigerklärung (fünfter Rechtsmittelgrund Deutschlands und zweiter Rechtsmittelgrund Ungarns) (2).

A. Zulässigkeit der Klagen: Klagebefugnis der Rechtsmittelgegnerinnen

1.   Sind die Rechtsmittelgegnerinnen unmittelbar betroffen?

a)   Vorbringen der Parteien

36.

Mit dem zweiten Teil seines ersten Rechtsmittelgrundes macht Ungarn geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die Rechtsmittelgegnerinnen von der streitigen Verordnung unmittelbar betroffen seien. Die streitige Verordnung betreffe unmittelbar nur die Fahrzeughersteller und die nationalen Behörden, die mit der Kontrolle der Einhaltung der streitigen Verordnung betraut seien. Insbesondere habe das Gericht Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46 insoweit falsch ausgelegt, als diese Bestimmung die Ausübung der Befugnisse nationaler Behörden im Bereich der Verkehrs- oder Umweltregelungen weder betreffe noch beeinträchtige. Diese Bestimmung habe einen engeren Anwendungsbereich. Mit ihr solle sichergestellt werden, dass Neufahrzeuge den in ihr vorgesehenen technischen Spezifikationen entsprächen.

37.

Ähnlich argumentiert Deutschland in seinem ersten Rechtsmittelgrund. Sofern die Rechtsmittelgegnerinnen bei der Ausübung ihrer Regelungsbefugnisse im Bereich der Verkehrskontrolle möglicherweise Beschränkungen unterlägen, ergäben sich diese nicht aus der streitigen Verordnung, sondern aus anderen Instrumenten und Vorschriften des Unionsrechts. Vor allem sei die Vereinbarkeit der von örtlichen Behörden vorgenommenen Einrichtung verkehrsberuhigter Gebiete mit dem Unionsrecht anhand der Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa ( 14 ) zu prüfen. Anwendungsbereich und Wirkung der streitigen Verordnung seien auf die Festlegung von Normen für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen beschränkt.

38.

Auch der zweite Rechtsmittelgrund Deutschlands betrifft die Beurteilung des Gerichts, ob die Rechtsmittelgegnerinnen von der angefochtenen Verordnung unmittelbar betroffen waren. Mit diesem Rechtsmittelgrund macht Deutschland jedoch geltend, das Gericht habe sein Urteil in diesem Punkt unzureichend begründet. Im Wesentlichen wirft die deutsche Regierung – insoweit von der slowakischen Regierung und der ACEA unterstützt – dem Gericht vor, dass es seine Analyse der möglichen Auswirkungen der streitigen Verordnung auf die Rechtsmittelgegnerinnen auf die Richtlinie 2007/46, nicht aber auf diese Verordnung gestützt habe.

b)   Würdigung

39.

Nach ständiger Rechtsprechung „erfordert die in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannte Voraussetzung, wonach eine natürliche oder juristische Person von der klagegegenständlichen Entscheidung unmittelbar betroffen sein muss, dass zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung des Einzelnen auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt“ ( 15 ).

40.

Vor diesem Hintergrund werde ich das Vorbringen der Rechtsmittelführer prüfen. Meines Erachtens ist die Begründung des angefochtenen Urteils zur unmittelbaren Betroffenheit der Rechtsmittelgegnerinnen im Sinne von Art. 263 AEUV hinreichend klar, um vollständig nachvollziehbar zu sein (1), aber in der Tat fehlerhaft, was die Auslegung des Geltungsbereichs von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46 angeht (2). Davon abgesehen gibt es andere Gründe dafür, dass die Rechtsmittelgegnerinnen unmittelbar im Sinne von Art. 263 AEUV betroffen sind (3).

1) Ausreichende Begründung

41.

Nach ständiger Rechtsprechung „müssen aus der Begründung eines Urteils die Überlegungen des Gerichts klar und eindeutig hervorgehen, so dass die Betroffenen die Gründe für die Entscheidung des Gerichts erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollfunktion ausüben kann“ ( 16 ).

42.

Meines Erachtens ist die Argumentation, aufgrund deren das Gericht feststellte, dass die streitige Verordnung die Rechtsmittelgegnerinnen unmittelbar betreffe, verständlich dargelegt. Soweit Deutschland einen Begründungsmangel des angefochtenen Urteils rügt, ist dieses Vorbringen daher zurückzuweisen.

43.

Ein wesentlicher Teil des angefochtenen Urteils (Rn. 41 bis 84) ist der Prüfung der Frage gewidmet, ob sich die streitige Verordnung unmittelbar auf die Lage der Rechtsmittelgegnerinnen auswirkt. Zwar konzentriert sich die Argumentation des Gerichts in diesen Passagen weitgehend auf die Bedeutung von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46 und auf die damit verbundenen Konsequenzen. Jedoch sind die mutmaßlichen Wirkungen der streitigen Verordnung auch eine Folge von deren Wechselwirkung mit dieser Bestimmung der Richtlinie 2007/46. Das Gericht stellte im Wesentlichen fest, dass die streitige Verordnung, wie die Rechtsmittelgegnerinnen vorgetragen hatten, de facto den Grenzwert der NOx-Emissionen für als Euro 6 zuzulassende Fahrzeuge anhebe, während es den Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46 verwehrt sei, den „Verkehr“ von Euro-6-Fahrzeugen aus Umweltschutzgründen einzuschränken.

44.

Die Begründung ist somit ausreichend: Das Gericht hat gebührend dargelegt, weshalb die streitige Verordnung seiner Ansicht nach die Rechtsstellung der Rechtsmittelgegnerinnen geändert hat und warum sie dies getan hat, ohne dass es dazu des Erlasses weiterer Rechtsakte bedurfte.

45.

Die eigentliche Frage ist aber, ob diese Begründung stichhaltig ist. Mit anderen Worten, die entscheidende Frage geht dahin, ob diese Argumentation begründet ist: Hat das Gericht Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46 richtig ausgelegt und angewandt?

46.

In diesem Punkt kann ich mich der Argumentation des Gerichts nicht anschließen.

2) Beschränkt Art. 4 Abs. 3 die Befugnis der Städte, den Verkehr von Fahrzeugen (der Euro-6-Norm) einzuschränken?

47.

Das Gericht hat seine Schlussfolgerung zur unmittelbaren Betroffenheit der Rechtsmittelgegnerinnen, kurz gesagt, auf ein einziges Element gestützt: Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46. Nach Ansicht des Gerichts hindert diese Bestimmung die Behörden der Mitgliedstaaten daran, den Verkehr von Euro-6-Fahrzeugen aus Umweltschutzgründen zu verbieten (oder einzuschränken).

48.

Dieser Auslegung von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46 kann ich nicht zustimmen. Meines Erachtens regelt diese Bestimmung nur die technischen, produktbezogenen Normen, die für die Typgenehmigung zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens des Fahrzeugs festzulegen sind. Sie soll und kann die Mitgliedstaaten oder deren kommunale Gebietskörperschaften wie die Rechtsmittelgegnerinnen nicht daran hindern, Maßnahmen zu ergreifen, die die spätere Verwendung von Fahrzeugen und deren Teilnahme am Verkehr in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet, insbesondere aus Gründen des Umweltschutzes, regeln.

49.

Zwar scheint der Wortlaut von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46 die Auslegung dieser Bestimmung durch das Gericht – prima facie – zu stützen. Denn deren Unterabs. 2 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten u. a. die „Teilnahme am Straßenverkehr von Fahrzeugen“ nicht verbieten dürfen, wenn diese den Anforderungen der Richtlinie entspricht ( 17 ). Wenn also ein Fahrzeug die Euro-6-Norm erfüllt, kann der Verkehr damit weder von den Mitgliedstaaten noch von territorialen Untergliederungen eines bestimmten Mitgliedstaats, wie etwa Regionen oder Städten, verboten werden. Würde ein Teil eines Mitgliedstaats Fahrzeugen, die die Euro-6-Norm erfüllen, die Zufahrt in bestimmte Gebiete dieses Staates, wie etwa seine größten Städte oder bestimmte Stadtteile, verbieten, könnte dies technisch gesehen auf eine Beschränkung oder Behinderung der „Teilnahme am Straßenverkehr“ in diesem Mitgliedstaat hinauslaufen.

50.

Liest man diese Bestimmung jedoch als Ganzes, im Regelungszusammenhang der Richtlinie, unter Berücksichtigung des vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziels und mit Blick auf ihre Entstehungsgeschichte, scheint sie eine andere Bedeutung zu haben und in ihrem Geltungsbereich begrenzter zu sein, als das Gericht annimmt.

51.

Erstens erschließt sich der begrenzte Geltungsbereich dieser Bestimmung, wenn die Bezugnahme auf den Fahrzeugverkehr in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2007/46 nicht isoliert, sondern zusammen mit dem übrigen Teil der Vorschrift gelesen wird. Nach diesem gesamten Unterabsatz dürfen die Mitgliedstaaten „die Zulassung, den Verkauf, die Inbetriebnahme oder die Teilnahme am Straßenverkehr von Fahrzeugen, Bauteilen oder selbstständigen technischen Einheiten nicht unter Verweis auf die von dieser Richtlinie erfassten Aspekte des Baus oder der Wirkungsweise untersagen, beschränken oder behindern, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen“ ( 18 ). Die Gründe, die einem diesbezüglichen Eingreifen der Mitgliedstaaten entgegenstehen können, sind also nur solche, die mit dem Bau und der Wirkungsweise der Fahrzeuge (und nicht vorrangig mit Umwelt- oder Gesundheitsbelangen) zusammenhängen, und zwar im Hinblick auf deren erstmaliges Inverkehrbringen – ihre Zulassung, ihren Verkauf, ihre Inbetriebnahme oder ihre Einführung in den Verkehr (und nicht auf ihre spätere Verwendung und deren Regelung).

52.

Zweitens besteht ein struktureller Zusammenhang zwischen den beiden Unterabsätzen von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46. Obwohl nur der zweite Unterabsatz auf den „Verkehr“ verweist, gibt es zwischen beiden eine eindeutige Parallele. Ihre Formulierung scheint in der Tat komplementär zu sein: Unterabs. 1 schreibt eine positive Verpflichtung vor (die Mitgliedstaaten „gestatten“), Unterabs. 2 eine negative Verpflichtung (die Mitgliedstaaten „dürfen nicht“) ( 19 ). Beide Verpflichtungen haben jedoch dieselbe Zielsetzung, da sie sicherstellen sollen, dass die Mitgliedstaaten das unionsweite Verfahren für die Typgenehmigung von Fahrzeugen umsetzen. Diese beiden Unterabsätze lassen sich daher mit einer Fotografie und ihrem Negativ vergleichen: Sie zeigen dasselbe Motiv, aber mit Farbumkehr. Es wäre folglich sonderbar, wenn in einem solchen Zusammenhang der zweite Unterabsatz plötzlich einen viel weiter gehenden Geltungsbereich erhalten sollte als der erste – genau das wäre aber die Konsequenz der Auslegung der fraglichen Bestimmung durch das Gericht.

53.

Drittens scheint eine systematische und teleologische Analyse dieser Vorschrift den Standpunkt des Gerichts nicht zu stützen. In der Tat sind die Zielsetzung und der sachliche Geltungsbereich der Richtlinie ganz konkret. Mit der Richtlinie 2007/46 soll, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 1, 2 und 22 ergibt, der Binnenmarkt gefördert werden, indem ein auf dem Grundsatz vollständiger Harmonisierung beruhendes gemeinschaftliches Genehmigungsverfahren für die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger eingeführt wird. Zu diesem Zweck errichtet die Richtlinie – gemäß Art. 1 – einen harmonisierten Rahmen mit den Verwaltungsvorschriften und allgemeinen technischen Anforderungen für die Genehmigung aller in ihren Geltungsbereich fallenden Neufahrzeuge und der zur Verwendung in diesen Fahrzeugen bestimmten Systeme, Bauteile und selbstständigen technischen Einheiten, wodurch ihre Zulassung, ihr Verkauf und ihre Inbetriebnahme in der (heutigen) Europäischen Union erleichtert werden sollen.

54.

Obwohl die vom Unionsgesetzgeber aufgestellten technischen Anforderungen u. a. einen hohen Umweltschutz gewährleisten sollen ( 20 ), ist dieser Rechtsakt ganz eindeutig nicht dazu bestimmt, Bereiche zu regeln, die nicht in seinem Art. 1 festgelegt sind.

55.

Das Gericht hat dies anerkannt und ausgeführt, dass „das wesentliche Ziel dieser Richtlinie das Inverkehrbringen neuer Kraftfahrzeuge ist, d. h. der freie Verkehr bestimmter Waren zwischen den Mitgliedstaaten, dass sie nicht allgemein darauf abzielt, den Rahmen für die von den Behörden der Mitgliedstaaten erlassenen Straßenverkehrsregelungen, die diese Fahrzeuge erfassen, zu bilden, und dass sie nicht unter die Verkehrs- oder Umweltpolitik der Union fällt“ ( 21 ).

56.

In der folgenden Randnummer des Urteils fügt das Gericht aber hinzu, dies bedeute nicht, „dass nicht jede Bestimmung über die Teilnahme neuer Kraftfahrzeuge am Straßenverkehr ihren Platz in der Richtlinie 2007/46 hätte. Es kommt häufig vor, dass eine Richtlinie oder eine andere Richtlinie, die auf der ersteren beruht, Bestimmungen enthält, die nicht unter das angestrebte Hauptziel fallen, sondern die praktische Wirksamkeit der Bestimmungen gewährleisten soll, die im Hinblick auf die Erreichung dieses Ziels erlassen wurden“. Nachdem das Gericht diesen Punkt mit einem (vielleicht nicht ganz zutreffenden) Beispiel von Richtlinien über öffentliche Aufträge veranschaulicht hat, weist es darauf hin, dass der Auslegung der Vorzug zu geben sei, „die die praktische Wirksamkeit der Vorschrift zu wahren geeignet ist“, und stellt fest, dass die „Nennung der Teilnahme am Straßenverkehr … keine praktische Wirksamkeit [hätte], wenn, wie die Kommission vorbringt, sie dieselbe Tragweite oder Bedeutung hätte wie die ‚Zulassung, der Verkauf und die Inbetriebnahme‘ der Fahrzeuge“ ( 22 ).

57.

Ich gebe zu, dass die Richtlinie grundsätzlich Bestimmungen enthalten könnte, die darauf abzielen, ihre Wirksamkeit zu gewährleisten, und dass sie zu diesem Zweck Fragen regeln könnte, die nicht zu ihrem Kernbereich gehören. Ich gebe auch zu, dass die Auslegung der betreffenden unionsrechtlichen Bestimmung möglichst nicht dazu führen sollte, dass diese Bestimmung teilweise wirkungslos oder überflüssig wird.

58.

Die Art und Weise, wie das Gericht diese Grundsätze im vorliegenden Fall angewandt hat, ist jedoch schwer nachzuvollziehen. Würde man den Ausdruck „oder die Teilnahme am Straßenverkehr“ in Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46 so verstehen wie das Gericht, hätte dies ipso facto zur Folge, dass Geltungsbereich und Wirkung dieser Richtlinie erheblich ausgeweitet würden, und zwar weit über den Gegenstand und die Zielsetzung hinaus, wie sie im Titel, in den Erwägungsgründen und in den wichtigsten Bestimmungen der Richtlinie angeführt sind. Ein einziges Wort in einer einzigen Bestimmung würde die Richtlinie 2007/46 plötzlich in einen ganz anderen Rechtsakt verwandeln, der in gewissem Maße die spätere Benutzung von Fahrzeugen regelte und sich, wenn auch nur mittelbar, mit einer Verkehrsregelung beschäftigte.

59.

Darüber hinaus hätte eine solche Lesart von Art. 4 Abs. 3 auch ganz erhebliche Auswirkungen auf die Umweltpolitik, insbesondere auf die Befugnis der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung. Wie die Rechtsmittelführer hervorheben, ist diese Materie in einem speziellen Rechtsinstrument der Union geregelt: in der Richtlinie 2008/50 über Luftqualität und saubere Luft für Europa ( 23 ). Nach Art. 13 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Grenzwerte für verschiedene Schadstoffe, u. a. für Stickstoffdioxid, nicht überschritten werden. Art. 23 bestimmt: „Überschreiten in bestimmten Gebieten oder Ballungsräumen die Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert oder Zielwert …, sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass für diese Gebiete oder Ballungsräume Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden … Grenzwerte oder Zielwerte einzuhalten.“ Nach demselben Artikel können diese Pläne selbst Pläne für kurzfristige Maßnahmen enthalten. Insoweit sieht Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2008/50 vor, dass die Pläne für kurzfristige Maßnahmen u. a. „Maßnahmen in Bezug auf den Kraftfahrzeugverkehr“ umfassen können.

60.

Sollte Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46 aber im Sinne einer Beschränkung der Befugnis der Mitgliedstaaten zur Regelung des Fahrzeugverkehrs auszulegen sein, wäre die Wechselbeziehung zwischen den beiden Rechtsakten – gelinde gesagt – ziemlich unklar. Es wäre merkwürdig, wenn der Unionsgesetzgeber, der beide Rechtsakte zur gleichen Zeit entworfen hatte, nicht einige Bestimmungen zur Klärung des Verhältnisses zwischen ihnen eingeführt hätte, sofern sie sich tatsächlich alle beide auf die Regelung des Verkehrs und der Benutzung von Fahrzeugen aus Gründen des Umweltschutzes und der öffentlichen Gesundheit hätten beziehen sollen.

61.

In Anbetracht dessen habe ich den Eindruck, dass das Gericht trotz seiner gegenteiligen Aussage ( 24 ) keine systematische und teleologische Analyse der Bestimmung vorgenommen hat. Es hat diese Bestimmung nicht im Licht der anderen Bestimmungen, der Erwägungsgründe oder des Titels der Richtlinie ausgelegt, in denen keine Rede von der Regelung des Verkehrs ist. Das Gericht hat auch nicht gebührend berücksichtigt, dass i) Art. 10 Abs. 5 der Verordnung Nr. 715/2007, die zum selben Regelwerk gehört, ii) Art. 6 Abs. 4 der Verordnung 2018/858, die die Richtlinie 2007/46 aufgehoben und ersetzt hat, und iii) andere ähnliche Rechtsakte, die im selben Regelungszusammenhang und zu einem ähnlichen Zweck erlassen wurden, keinen Hinweis auf den Fahrzeugverkehr enthalten ( 25 ).

62.

Viertens hat das Gericht die Entstehungsgeschichte unberücksichtigt gelassen. Auch wenn die entsprechende Auslegungsmethode keineswegs zwingend ist, hätte sie doch wertvolle Erkenntnisse liefern können, insbesondere angesichts des Vorbringens der Kommission, wonach Unterabs. 2 der fraglichen Bestimmung (der den Ausdruck „oder die Teilnahme am Straßenverkehr“ enthält) tatsächlich im Gesetzgebungsverfahren spät hinzugefügt worden sei und nicht den Geltungsbereich der Bestimmung habe erweitern sollen ( 26 ). Die Kommission hat erklärt, Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2007/46 sei nur als Umgehungsverbot gedacht gewesen: Fahrzeuge, für die eine gesetzliche Betriebserlaubnis erteilt worden sei, dürften nicht mittels anderer Maßnahmen, die verschleierte Beschränkungen darstellen, vom Verkehr ausgeschlossen werden ( 27 ).

63.

Was den Materialien zu entnehmen ist, scheint die These der Kommission zu Entstehung und Zielsetzung der Vorschrift zu stützen. Der Richtlinienvorschlag der Kommission ( 28 ) – der tatsächlich keinen Unterabs. 2 von Art. 4 Abs. 3 enthielt ( 29 ) – bestätigt, dass der vorgeschlagene Rechtsakt in erster Linie dazu dienen sollte, die in diesem Bereich geltenden Rechtsvorschriften zu konsolidieren und zu aktualisieren und sie gleichzeitig auf andere Fahrzeugtypen auszuweiten ( 30 ). Mit dem neuen Rechtsakt sollte also nicht über den Regelungsgegenstand der früheren Rechtsakte hinausgegangen werden. Das erscheint insofern bedeutsam, als die Richtlinie 70/156/EWG, zu der die Richtlinie 2007/46 eine Neufassung darstellt, nur die technischen Merkmale eines Fahrzeugtyps betraf und – wie der Gerichtshof klargestellt hat – „keine andere Erwägung in Bezug auf die von den Führern von Kraftfahrzeugen einzuhaltenden Straßenverkehrsvorschriften“ enthielt ( 31 ).

64.

Nachfolgende Dokumente desselben Organs ( 32 ) oder anderer Unionsorgane ( 33 ) belegen ebenfalls, dass die Bestimmung in einem recht späten Stadium des Verfahrens geändert wurde und dass die Änderung das begrenzte Ziel einer Klarstellung verfolgte. Soweit ich erkennen kann, findet sich in den Materialien keine Spur davon, dass eine etwaige Erweiterung des sachlichen Geltungsbereichs der Richtlinie erörtert worden wäre ( 34 ).

65.

Wenn Unterabs. 2, wie dargelegt, der Ergänzung und Klarstellung von Unterabs. 1 dient, vermag ich auch nicht zu erkennen, warum die von der Kommission, von Deutschland und von Ungarn angeführte alternative Auslegung der betreffenden Bestimmung diese wirkungslos machen würde, wie das Gericht festgestellt hat ( 35 ).

66.

Fünftens erscheinen mir auch die anderen Argumente, auf die das Gericht seine Auslegung der fraglichen Bestimmung im angefochtenen Urteil gestützt hat, nicht überzeugender. Das Gericht hat ausgeführt, dass „es einer Situation, die sich aus einer Vollharmonisierung wie der nach dieser Richtlinie ergibt, innewohnt, dass die [mitgliedstaatlichen] Behörden, von besonderen Fällen abgesehen, sich einer Verwendung, für die eine Ware, die den in der Harmonisierungsmaßnahme festgelegten Anforderungen entspricht, gewöhnlich bestimmt ist, nicht widersetzen können, ohne die praktische Wirksamkeit dieser Maßnahme zu beeinträchtigen“ ( 36 ).

67.

Die Aussage ist abstrakt betrachtet sicherlich richtig. Aber auch hier kann ich nicht nachvollziehen, welche Konsequenzen sich daraus nach Ansicht des Gerichts für den vorliegenden Fall ergeben sollen. Bedeutet sie, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich keine Vorschriften erlassen dürfen, die die Verwendung eines Euro-6-Fahrzeugs (als Fahrzeug zur Personen- und/oder Güterbeförderung) aus Gründen des Umweltschutzes einschränken? Das kann unmöglich richtig sein, wie das Gericht selbst anerkennt, wenn es feststellt, dass die Mitgliedstaaten weiterhin „autofreie Tage“ veranstalten können ( 37 ). Wie kann dann aber ein und dieselbe Harmonisierungsmaßnahme ein und dieselbe Verhaltensweise erlauben und verbieten? Die Argumentation des Gerichts scheint einen inneren Widerspruch zu enthalten.

68.

Dieser Widerspruch scheint darauf zu beruhen, dass unionsrechtliche Vorschriften über eine positive Integration (Harmonisierung) und solche über eine negative Integration (Freizügigkeitsregeln) hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit und Wirkungen mit einander verwechselt werden. In der Tat hatte der Gerichtshof früher schon mit einer ähnlichen Frage zu tun, die er anhand von Art. 34 AEUV prüfte. Dabei lehnte der Gerichtshof – verständlicherweise – einen zu restriktiven Ansatz ab. Im Urteil Mickelsson und Roos hat der Gerichtshof (in Bezug auf Wassermotorräder) entschieden, dass nur nationale Rechtsvorschriften, die „die Benutzer [dieser Fahrzeuge] daran … hindern, von diesen den ihnen eigenen und wesensimmanenten Gebrauch zu machen, oder deren Nutzung stark … behindern“, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen darstellten und daher gebührend zu rechtfertigen seien ( 38 ). Desgleichen stellte der Gerichtshof im Urteil Kommission/Italien (Motorradanhänger) fest, dass ein italienisches Gesetz, das für Motorräder das Ziehen von Anhängern untersagte, eine Maßnahme gleicher Wirkung sei, da es den Zugang dieser Erzeugnisse zum italienischen Markt behindere ( 39 ).

69.

In beiden Fällen wurden die nationalen Maßnahmen anhand der Vorschriften über die Freizügigkeit geprüft und nur dann als Maßnahmen gleicher Wirkung eingestuft, wenn sie den Zugang zum nationalen Markt für das betreffende Erzeugnis unmöglich machten oder erschwerten, weil das Erzeugnis nicht verwendet werden konnte oder weil seine Verwendung stark eingeschränkt war. Zwar kam in diesen Fällen kein Harmonisierungsinstrument zum Einsatz. In dieser Hinsicht ist die Situation in den vorliegenden Rechtssachen jedoch keine andere: Die von den Rechtsmittelgegnerinnen angeführten Harmonisierungsinstrumente harmonisieren lediglich die Vorschriften über die Typgenehmigung für Fahrzeuge zum Zwecke ihres erstmaligen Inverkehrbringens. Sie betreffen nicht die spätere Benutzung von Fahrzeugen (geschweige denn deren örtlichen Verkehr) und die Nutzungsregelung aus Gründen des Umweltschutzes oder der öffentlichen Gesundheit.

70.

Vor diesem Hintergrund halte ich es für ziemlich offensichtlich, dass eine Bestimmung wie Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46 die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, zu beschließen, dass im öffentlichen Interesse (etwa wegen der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit, der Straßenverkehrssicherheit oder des Umweltschutzes) alle Fahrzeuge oder nur bestimmte Arten von Fahrzeugen (d. h., umweltfreundlichere oder kleinere Fahrzeuge oder solche, die Anwohnern oder Behörden gehören, usw.) generell oder zu bestimmten Zeiten (am Sonntag, an einem autofreien Tag, wenn ein Markt oder eine kulturelle oder sportliche Veranstaltung stattfindet usw.) in bestimmten Gebieten (Stadtzentrum, Nationalparks, abseits der Straße, Militärgebiete, Baugebiete usw.) verkehren dürfen. Insbesondere scheint nichts in dieser Bestimmung die Befugnis der Rechtsmittelgegnerinnen zur Einrichtung von Umweltzonen – einem von den Unionsorganen durchweg positiv bewerteten Vorgang ( 40 ) – einzuschränken. Ebenso können die Mitgliedstaaten – aus denselben Gründen – bestimmte Arten der Fahrzeugnutzung einschränken (überhöhte Geschwindigkeit, unerlaubtes Parken, Fahren mit Kindern ohne hierfür geeignete Ausrüstung usw.) ( 41 ).

71.

Daher verstößt eine örtliche Regelung, die Beschränkungen für den Verkehr von Fahrzeugen in bestimmten Gebieten einführt, nicht gegen die unionsrechtlichen Vorschriften über die Typgenehmigung, und zwar auch dann nicht, wenn in dieser Regelung eventuell auf strengere Emissionswerte als die für die Euro-6-Norm verwendeten abgestellt wird. Wenn überhaupt, könnte ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht gemäß Art. 34 AEUV anhand der in den Urteilen Mickelsson und Roos oder Kommission/Italien beschriebenen Kriterien geprüft werden. Aber auch wenn eine bestimmte nationale Maßnahme, welche die spätere Benutzung betrifft, letztlich als Maßnahme mit gleicher Wirkung nach Art. 34 AEUV eingestuft werden mag ( 42 ), bedeutet dies – abermals – keineswegs, dass genau diese Problematik oder dieser Bereich unionsrechtlich positiv harmonisiert worden wäre.

72.

Im Ergebnis bin ich der Ansicht, dass das Gericht zu Unrecht angenommen hat, die Rechtsmittelgegnerinnen seien von der streitigen Verordnung in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46 unmittelbar betroffen.

73.

Das angefochtene Urteil ist jedoch nicht aufzuheben, da die streitige Verordnung meines Erachtens die Rechtsmittelgegnerinnen aus anderen Gründen unmittelbar im Sinne von Art. 263 AEUV betrifft.

3) Auswirkungen der streitigen Verordnung auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelgegnerinnen

74.

Damit ein Unionsrechtsakt einen Kläger unmittelbar betrifft, muss er dessen Rechtsstellung berühren. Das bedeutet im Wesentlichen, dass der betreffende Unionsrechtsakt eine Änderung an bestehenden Rechten oder Pflichten des Klägers, seien sie privater oder öffentlicher Art, bewirken muss ( 43 ).

75.

Was kommunale Gebietskörperschaften anbelangt, so sind diese nach der Rechtsprechung von einem Unionsrechtsakt unmittelbar betroffen, wenn sie mit Befugnissen ausgestattet sind, die im Rahmen der nationalen Verfassungsordnung des betreffenden Mitgliedstaats autonom ausgeübt werden, und der Unionsrechtsakt diese Körperschaften daran hindert, diese Befugnisse in der von ihnen gewünschten Weise auszuüben ( 44 ).

76.

Hindert die streitige Verordnung vor diesem Hintergrund die Rechtsmittelgegnerinnen daran, ihre (verfassungsrechtlichen) Befugnisse im Bereich des Umweltschutzes und der Verkehrsregelung in der von ihnen gewünschten Weise auszuüben?

77.

Ich räume ein, dass die Antwort auf diese Frage im vorliegenden Fall nicht einfach zu beantworten ist.

78.

Es steht außer Zweifel, dass die streitige Verordnung, soweit sie das Inverkehrbringen von Fahrzeugen zulässt, die mutmaßlich bestimmte Euro-6-Normen nicht erfüllen (die man als „falsche Euro-6-Fahrzeuge“ bezeichnen könnte), den Rechtsmittelgegnerinnen die Erfüllung ihrer rechtlichen Verpflichtungen zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung erschweren kann. Wie die Rechtsmittelgegnerinnen vorgetragen und dargetan haben, differenzierten die örtlichen Verkehrsvorschriften typischerweise zwischen Fahrzeugen auf der Grundlage ihrer jeweiligen „Euro“-Kategorie ( 45 ).

79.

Wie aber im vorstehenden Abschnitt dieser Schlussanträge dargelegt, kann nichts in der streitigen Verordnung (oder in den zu ihrer Durchführung erlassenen Vorschriften) so verstanden werden, als sei es den Rechtsmittelgegnerinnen rechtlich verwehrt, bei der Regelung des örtlichen Verkehrs zwischen umweltschädlichen und umweltfreundlichen Fahrzeugen unabhängig von deren Euro-Kategorie zu differenzieren. Soweit die nationalen Maßnahmen dann auf andere Parameter als die Euro-Kategorie abstellen müssten, könnte es zwar schwieriger sein, derartige Maßnahmen anzuwenden, zu überwachen und durchzusetzen. Das ist aber nach der strengen Lesart von Art. 263 AEUV unerheblich. Es bedeutet, dass die Rechtsmittelgegnerinnen nicht in ihrer Rechtsstellung betroffen werden, sondern nur in ihrer faktischen Lage, was nicht ausreicht, um sie zu unmittelbar Betroffenen im Sinne von Art. 263 AEUV zu machen ( 46 ).

80.

Gleichwohl kann es nach meinem Dafürhalten mit der Prüfung der unmittelbaren Betroffenheit an dieser Stelle nicht sein Bewenden haben. Nach den in der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Kriterien für die unmittelbare Auswirkung auf kommunale oder regionale Gebietskörperschaften wie die Rechtsmittelgegnerinnen ist zu prüfen, ob der beanstandete Unionsrechtsakt diese Körperschaften daran hindert, ihre autonomen Befugnisse in der von ihnen gewünschten Weise auszuüben ( 47 ).

81.

Es gibt aus meiner Sicht verschiedene Möglichkeiten, an diese Formulierung heranzugehen. Einerseits könnte eine besonders strenge Auslegung in Betracht gezogen werden, der zufolge eine „unmittelbare Betroffenheit“ nur vorliegt, wenn der beanstandete Unionsrechtsakt ihnen die Ausübung ihrer Befugnisse unmöglich macht. In diesem Fall könnten kommunale Gebietskörperschaften nur solche Unionsrechtsakte anfechten, die von ihnen verlangen, entweder vollständig auf die Ausübung ihrer Befugnisse zu verzichten oder diese in einer ganz bestimmten Weise auszuüben, so dass für sie überhaupt keine Wahlmöglichkeiten blieben. Andererseits ist auch eine großzügige Auslegung möglich, der zufolge es für die Klagebefugnis dieser Körperschaften ausreichen würde, wenn deren Möglichkeit, ihre autonomen Befugnisse auszuüben, lediglich beeinflusst würde. In diesem Fall könnten kommunale Gebietskörperschaften einen Unionsrechtsakt anfechten, der sich irgendwie auf den ihnen nach nationalem Recht zustehenden Handlungsspielraum auswirkt.

82.

Ich denke, dass die sinnvollste Lesart von Art. 263 AEUV in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen liegt.

83.

Zwar scheint der Wortlaut des von den Unionsgerichten entwickelten Kriteriums eine recht großzügige Auslegung zuzulassen, nämlich dahin, dass die Gebietskörperschaften daran gehindert werden, ihre Befugnisse in der von ihnen gewünschten Weise auszuüben. Das Kriterium bezieht sich nicht auf die absolute Unmöglichkeit oder den Verlust jeglichen Handlungsspielraums. Nach seinem Wortlaut scheint jede Einschränkung bei der Ausübung ihrer rechtlichen Befugnisse gemeint zu sein.

84.

Jedoch wäre eine so „lockere“ Auslegung des Kriteriums tatsächlich kaum mit der generellen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 263 AEUV zu vereinbaren. Diese Rechtsprechung verlangt u. a., dass ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem angefochtenen Unionsrechtsakt und der Änderung der Rechtsstellung des Klägers festgestellt werden kann ( 48 ). Darüber hinaus haben die Unionsgerichte auch klargestellt, der Umstand allein, dass eine kommunale Gebietskörperschaft irgendeine Zuständigkeit – als für Wirtschafts‑, Sozial- oder Umweltfragen in ihrem Gebiet zuständige Stelle – für den durch eine Unionsmaßnahme mit allgemeiner Geltung geregelten Bereich habe, für sich genommen noch nicht ausreiche, um sie als „betroffen“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV anzusehen ( 49 ).

85.

Daher kann meiner Meinung nach die Unmöglichkeit, ihre Befugnisse „in der gewünschten Weise“ auszuüben, in der Praxis nicht darauf reduziert werden, dass es nicht möglich ist, diese Befugnisse überhaupt auszuüben, es sei denn, die bestehende Rechtsprechung würde vollständig ignoriert. Außerdem würde in einem solchen Fall die Rechtsprechung zur Klagebefugnis nach Art. 263 AEUV (erneut) sehr schlecht mit vielen anderen Bereichen des Unionsrechts harmonieren, die sich weiterhin genau in die entgegengesetzte Richtung bewegen ( 50 ).

86.

Die vom Gerichtshof vorgenommene Prüfung ist demnach aus meiner Sicht so zu verstehen, dass kommunale oder regionale Gebietskörperschaften klagebefugt sind, wenn ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem angefochtenen Unionsrechtsakt und der Ausübung spezifischer autonomer rechtlicher Befugnisse einer solchen Körperschaft festgestellt werden kann. Dieser Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn es sich bei dem Unionsrechtsakt um den entscheidenden Faktor handelt, der die kommunalen oder regionalen Behörden entweder daran hindert, überhaupt von ihren Befugnissen Gebrauch zu machen, oder sie zu einem bestimmten Handeln zwingt und so in die Art und Weise, wie sie von diesen Befugnissen rechtmäßig Gebrauch machen könnten, erheblich eingreift.

87.

Wenn dem so ist, erfüllen die Rechtsmittelgegnerinnen dieses Kriterium?

88.

Obwohl es zugegebenermaßen keine einfache Entscheidung ist, tendiere ich angesichts aller aus den Akten ersichtlichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände letztlich dazu, diese Frage zu bejahen. Die streitige Verordnung wirkt sich nämlich auf die Art und Weise aus, wie die Rechtsmittelgegnerinnen ihre spezifischen Befugnisse im Bereich des Umweltschutzes und des Schutzes der öffentlichen Gesundheit rechtmäßig ausüben können, wenn sie gemäß ihrer gesetzlichen Verpflichtung die Luftverschmutzung bekämpfen und angemessene Normen für die Luftqualität gewährleisten.

89.

Dass die Rechtsmittelgegnerinnen verfassungsrechtlich über spezifische Befugnisse im Bereich des Umweltschutzes und der Verkehrsregelung verfügen, hat schon das Gericht festgestellt und scheinen die Rechtsmittelführer nicht zu bestreiten. Insoweit möchte ich hinzufügen, dass für die Rechtsmittelgegnerinnen in ihrer Rechtsordnung sogar entsprechende rechtliche Verpflichtungen bestehen. Dies sind wichtige Umstände, da sie die Rechtsmittelgegnerinnen von anderen nationalen Behörden in der Union unterscheiden, die von der streitigen Verordnung möglicherweise nur mittelbar insoweit betroffen sind, als diese anderen nationalen Behörden mit der Aufgabe betraut sind, für das allgemeine Wohl ihrer Bürger zu sorgen. Erst recht unterscheiden diese Umstände die Rechtsmittelgegnerinnen von allen in der Union lebenden natürlichen Personen, die sich – allein deshalb, weil sie verschmutzte Luft atmen – von der streitigen Verordnung betroffen fühlen mögen.

90.

Es kommt somit entscheidend darauf an, ob die Rechtsmittelgegnerinnen durch die streitige Verordnung in der Ausübung dieser Befugnisse zur Erfüllung ihrer rechtlichen Verpflichtungen erheblich beeinträchtigt sind.

91.

Erstens sind sich die Parteien darin einig, dass kommunale Gebietskörperschaften wie die Rechtsmittelgegnerinnen nach nationalem Recht befugt sind, eine Vielzahl von Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung und zur Gewährleistung bestimmter Normen für die Luftqualität zu erlassen, um die Gesundheit und Sicherheit der Bürger zu schützen. Es kann sein, dass diese Maßnahmen getroffen werden müssen – was in diesem Zusammenhang entscheidend ist –, damit unionsrechtliche Verpflichtungen eingehalten werden, wie sie sich aus der Richtlinie 2008/50 ergeben. Wie oben in Nr. 59 erwähnt, sind die Mitgliedstaaten nach dieser Richtlinie verpflichtet, Europäische Luftqualitätsstandards einzuhalten und zu diesem Zweck für bestimmte Gebiete und Ballungsräume, in denen Schadstoffe die Grenzwerte übersteigen, Luftqualitätspläne (nebst Plänen für kurzfristige Maßnahmen) zu erstellen.

92.

Zweitens ist es ebenfalls unstreitig, dass europäische Großstädte wie die Rechtsmittelgegnerinnen unter Schadstoffbelastungen leiden, die weitgehend auf Emissionen von Kraftfahrzeugen zurückzuführen sind. Das gilt vor allem für NOx-Emissionen in Großstädten, die hauptsächlich durch den lokalen Straßenverkehr verursacht werden und häufig deutlich über den einschlägigen gesetzlichen Grenzwerten liegen ( 51 ).

93.

Drittens haben nach dem „Dieselgate“-Skandal durchgeführte Tests ergeben, dass fast alle dieselbetriebenen Pkw und leichten Nutzfahrzeuge der Euro-5-Norm und der Euro-6-Norm die geltenden NOx-Grenzwerte deutlich überschritten ( 52 ). Die Einführung dieser Normen hat daher bislang zu keiner wesentlichen Verbesserung der Situation bei NOx-Emissionen geführt ( 53 ).

94.

Viertens ist auch kaum bestreitbar, dass, wenn die Unionsorgane nicht bestrebt sind, sicherzustellen – wie die Rechtsmittelgegnerinnen geltend machen –, dass die in „ihren eigenen“ Rechtsvorschriften festgelegten Grenzwerte für Schadstoffemissionen von Fahrzeugen eingehalten werden, die Verantwortung für den Erlass von Maßnahmen zur Gewährleistung der Luftqualität zwangsläufig auf die Behörden der Mitgliedstaaten verlagert wird. Das gilt insbesondere für nationale Behörden, die für die Regelung des Verkehrs zuständig sind, speziell für solche, die in den am stärksten verschmutzten Gebieten tätig sind. Diese Behörden werden offensichtlich früher als später handeln müssen, wenn man den normalen Betriebszyklus von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen berücksichtigt. Auch die Kommission fordert – und dies entbehrt nicht einer gewissen Ironie – die nationalen Behörden zu raschem und energischem Handeln auf, nachdem sie es kürzlich für vorrangig erklärt hat, Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten einzuleiten, die die Luftqualitätspläne nicht einhalten ( 54 ).

95.

Zu diesem Zweck haben nationale Behörden wie die Rechtsmittelgegnerinnen daher – auch im Rahmen der Luftqualitätspläne – bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, die höchstwahrscheinlich weniger streng oder vielleicht sogar unnötig gewesen wären, wenn die Union die Zulassung und den Verkauf von Fahrzeugen untersagt hätte, die ihre eigenen Emissionsnormen nicht erfüllen. Die Bandbreite der Maßnahmen, die von den Rechtsmittelgegnerinnen zu treffen sind, und die Art und Weise, wie diese Maßnahmen umgesetzt werden müssen, wird somit als unmittelbare Folge der streitigen Verordnung zwangsläufig eingeschränkt. Der Handlungsspielraum bei der Erfüllung ihrer rechtlichen Verpflichtungen aus dem Unionsrecht wie auch dem nationalen Recht wird erheblich eingeengt, wodurch sie gezwungen sind, den dafür erforderlichen Aufgaben auf andere Weise nachzukommen.

96.

Natürlich behalten Städte oder andere Gebietskörperschaften, wie oben vorgeschlagen ( 55 ), technisch gesehen weiterhin ihre nach nationalem Recht bestehenden Befugnisse, den lokalen Verkehr aus Gründen des Umweltschutzes oder der öffentlichen Gesundheit in der von ihnen gewünschten Weise zu regeln, unabhängig davon, ob eine „echte“ oder „falsche“ Euro-6-Norm vorliegt. Sollten diese Behörden es wünschen, können sie Euro-6-Fahrzeuge verbieten oder sogar ihre eigene Euro-7- oder Euro-8-Norm einführen. Sie können weiterhin beschließen, dass nur bestimmte Autos in die Innenstadt einfahren dürfen oder dass der Autoverkehr nur zu bestimmten Zeiten oder an bestimmten Tagen erlaubt ist, oder ihn sogar ganz untersagen.

97.

Allerdings wird es für sie deutlich schwieriger, ihre gesetzlichen Befugnisse und Pflichten wahrzunehmen. Eine vernünftige Regelung des lokalen Verkehrs aus Gründen des Umweltschutzes und der öffentlichen Gesundheit muss auf etwas breiteren, standardisierten Kriterien beruhen. Niemand wird wohl ernsthaft vorschlagen, dass jede Großstadt oder Region in Europa jetzt damit beginnen sollte, eine eigene Liste der für die Innenstädte zugelassenen Fahrzeuge mit Emissionsmessstationen an den Stadttoren zu erstellen. Der Umstand, dass (zu diesem Zweck) auf keine feststehenden Kategorien und Vorgaben der Union zurückgegriffen werden kann, bedeutet aber, dass die Städte ihre eigenen Kriterien aufstellen müssen, die zwangsläufig zu weiteren Auseinandersetzungen über soziale oder finanzielle Kosten für Anwohner oder bestimmte Gruppen von Anwohnern führen, so dass die Städte schließlich in Rechtsstreitigkeiten wegen Diskriminierung und/oder willkürlicher Beschränkung des Zugangs oder der Freizügigkeit verwickelt werden können ( 56 ).

98.

Die undankbare Aufgabe des Umgangs mit all diesen (zugegebenermaßen schwierigen) Entscheidungen – und die damit möglicherweise verbundene Haftung – wird einfach an die (Mitgliedstaaten und ihre) lokalen Behörden weitergegeben. Diese Behörden können so am Ende gezwungen sein, drakonische und unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung des Unionsrechts sicherzustellen, und zwar allein deshalb, weil die Kommission entschieden hat, andere Verstöße gegen das Unionsrecht zu tolerieren.

99.

In einer solchen Situation zu suggerieren, dass die Stellung der kommunalen Gebietskörperschaften durch die streitige Verordnung nur faktisch, nicht aber rechtlich berührt werde, ist äußerst formalistisch ( 57 ), wenn nicht geradezu zynisch. In Wirklichkeit hat ein mutmaßliches Versäumnis der Kommission, die Einhaltung der Grenzwerte für NOx-Emissionen sicherzustellen, zwangsläufig unmittelbare und erhebliche Auswirkungen auf die Art und Weise, in der Körperschaften wie die Rechtsmittelgegnerinnen ihre autonomen rechtlichen Befugnisse im Bereich des Umweltschutzes und der Verkehrsregelung auszuüben haben ( 58 ).

100.

Was den letzteren Bereich angeht, so sind die Auswirkungen auf die Stellung der Rechtsmittelgegnerinnen rechtlicher, nicht nur faktischer Natur. Ich räume gerne ein, dass in Konstellationen wie der vorliegenden eine Abgrenzung zwischen der rechtlichen und der faktischen Ebene alles andere als einfach ist. Natürlich sind die Rechtsmittelgegnerinnen, wie jeder andere auch, faktisch betroffen: Sie müssen die unionsrechtlichen Vorschriften als Tatsache und Ausgangspunkt für weiteres Vorgehen akzeptieren. Es gibt daneben aber auch eine Komponente der rechtlichen Betroffenheit. Die streitige Verordnung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Art und Weise, wie die Rechtsmittelgegnerinnen ihre gesetzlichen Rechte und Pflichten wahrnehmen werden.

101.

Eine einfaches Gedankenexperiment mag helfen, dies zu verdeutlichen. Angenommen, es wäre von einer nur faktischen, nicht aber rechtlichen Betroffenheit der Rechtsmittelgegnerinnen auszugehen. Wer aber könnte dann überhaupt von einer solchen Regelung rechtlich betroffen sein? Die ungarische Regierung meinte, nur Fahrzeughersteller sowie die mit der Prüfung der Einhaltung der streitigen Verordnung betrauten nationalen Behörden könnten rechtlich betroffen sein ( 59 ). Wie viel mehr ist aber ein Fahrzeughersteller von einer Regelung rechtlich betroffen, die er einhalten muss, wenn er seine noch nicht gefertigten Produkte vermarkten möchte ( 60 )? Ein Hersteller hat keinerlei Rechtsanspruch darauf, dass eine bestimmte Regelung erlassen wird, die bestimmte Normen oder Werte enthält. Seine Rechtsstellung (im Sinne bestehender Rechte und Pflichten) kann also per definitionem nicht durch eine neue Regelung, mit der künftige Vorschriften eingeführt werden, beeinträchtigt werden, da er insoweit überhaupt keinen (zukünftigen) Rechtsanspruch hat. Das träfe erst recht auf die nationalen Behörden zu, die damit betraut sind, die Einhaltung der im Unionsrecht vorgesehenen Emissionswerte zu überprüfen. Worin bestünden die verbürgten gesetzlichen Rechte oder Pflichten einer mit der Typgenehmigung für Fahrzeuge befassten zentralen nationalen Stelle (unabhängig von dem Mitgliedstaat, dessen Organ sie wahrscheinlich nur ist)? Für diese beiden Arten von Akteuren sind neue Werte, die sie in Zukunft einhalten müssen (der eine, indem er Fahrzeuge nach diesen Vorgaben herstellt, wenn er sie genehmigt haben möchte, der andere, indem er die Einhaltung dieser Vorgaben prüft), lediglich faktische Ausgangspunkte, haben aber eigentlich keine unmittelbaren und sofortigen Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung.

102.

Ich behaupte nicht, dass ich eine solche restriktive Sichtweise vertrete. Die vorstehende Argumentation soll lediglich verdeutlichen, dass bei einer extensiven Vorstellung von einer rein faktischen Betroffenheit ohne jegliche rechtliche Betroffenheit niemand je von einer unionsrechtlichen Maßnahme in seinen Rechten betroffen wäre.

103.

Schließlich gibt es drei weiterreichende, systematische Gründe, die für eine ausgewogene Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV sprechen, wenn es sich bei den Klägern um Gebietskörperschaften eines Mitgliedstaats handelt. Da sie sich weitgehend mit den Argumenten überschneiden, die ich bereits in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Région de Bruxelles-Capitale zu diesem Punkt dargelegt habe ( 61 ), kann ich mich kurzfassen.

104.

Erstens wäre eine allzu restriktive Anwendung von Art. 263 AEUV auf kommunale Gebietskörperschaften wohl kaum mit einigen grundlegenden Verfassungsprinzipien vereinbar, insbesondere mit denjenigen, die in Art. 4 Abs. 2 und 3 EUV verankert sind.

105.

Zum einen wäre ein Lösungsansatz, der – im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle auf Unionsebene – die verfassungsmäßige Bedeutung regionaler und kommunaler Gebietskörperschaften auf nationaler Ebene als irrelevant ansieht, nicht mit Art. 4 Abs. 2 EUV vereinbar, der die Union verpflichtet, u. a. die nationale Identität der Mitgliedstaaten zu achten, „die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt“.

106.

Zum anderen erweist sich ein für unterstaatliche Körperschaften leichterer Zugang zur Unionsgerichtsbarkeit als das logische (und fast unvermeidliche) Gegenstück zu den zahlreichen und weitreichenden Verpflichtungen, die das Unionsrecht diesen Körperschaften auferlegt. Dabei handelt es sich nicht nur um die allgemeine Verpflichtung, alle Maßnahmen zu ergreifen, die zur Umsetzung des Unionsrechts und zur Gewährleistung seiner Anwendung erforderlich sind, und sich aller Maßnahmen zu enthalten, die das Unionsrecht unwirksam machen könnten, sondern auch um die sehr konkreten und spezifischen Pflichten in den einzelnen Politikbereichen, wie sie auch der vorliegende Fall deutlich macht. Der in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerte Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit muss selbstredend wechselseitig gelten ( 62 ).

107.

Zweitens könnte es, wenn man Körperschaften wie den Rechtsmittelgegnerinnen die Möglichkeit abspräche, Unionsrechtsakte anzufechten, die die Ausübung bestimmter ihnen verfassungsrechtlich zustehender Befugnisse erheblich beeinträchtigen, zu etwas führen, was ich im Hinblick auf Anreize und Kontrolle nur als einen „verfassungsrechtlich ungesunden Zustand“ bezeichnen kann. In der Tat kommt es nicht selten vor, dass delegierte Rechtsakte oder Durchführungsregelungen der Union das Ergebnis einer (gesetzlich vorgesehenen) Vereinbarung zwischen einem Unionsorgan und den betreffenden Wirtschaftszweigen oder Interessenvertretern sind. In diesen Fällen kann eine restriktive Handhabung des Konzepts der „unmittelbaren Betroffenheit“ bedeuten, dass die einzige Kategorie von Klägern, die (vielleicht) vor den Unionsgerichten klagebefugt sein wird, genau aus den Mitgliedern dieser Wirtschaftszweige besteht. Es dürfte jedoch kaum der beste Anreiz für die Verhandlungen mit den jeweiligen Interessenvertretern und für ein ausgewogenes legislatives Ergebnis sein, wenn der Umstand, dass die Gesetzgebung den Wünschen des jeweiligen Wirtschaftszweigs entspricht, dazu führt, dass jegliche Anfechtung dieses legislativen Ergebnisses effektiv verhindert wird.

108.

Drittens bin ich in institutioneller Hinsicht nach wie vor irritiert von einer justiziellen Struktur und einer diese Struktur ständig verfestigenden Rechtsprechung, die durch die Beschränkung des unmittelbaren Zugangs zu den Unionsgerichten Fälle, in denen es um die Gültigkeit von Unionsrechtsakten geht, den nationalen Gerichten zuweist, so dass diese Fälle schließlich viele Jahre später über das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof landen ( 63 ). Diese komplexe und zeitaufwändige Kombination von Verfahren ist schlicht unsinnig angesichts der jüngsten Reform der Struktur der Unionsgerichtsbarkeit, mit der das Gericht die erforderlichen Mittel erhalten hat, um seine verfassungsmäßige Rolle als erstinstanzliches Unionsgericht wahrzunehmen, das im Rahmen seiner Zuständigkeit eine umfassende gerichtliche Kontrolle ausüben kann, indem es sowohl das einschlägige Recht als auch den Sachverhalt prüft ( 64 ).

109.

Dies alles gilt erst recht in Fällen, die komplexe, technische Bereiche betreffen, für deren Beurteilung sich die Aufgabenverteilung im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens in der Praxis als suboptimal erweisen könnte. Zum einen ist es unwahrscheinlich, dass ein nationales Gericht – mitunter sogar ein solches erster Instanz –, das mit einem etwas anders gelagerten Sachverhalt befasst ist, vorab eine detaillierte, sachliche und technische Analyse der Fragen vornimmt, die für die vom Gerichtshof vorzunehmende Auslegung des Unionsrechts relevant sind ( 65 ). Zum anderen ist es nicht Sache des Gerichtshofs, in Vorabentscheidungsverfahren Tatsachen zu beurteilen. Es besteht somit die Gefahr, dass komplexere technische Fragestellungen, die das Ergebnis der Auslegung des Unionsrechts oder der Prüfung von dessen Gültigkeit zwangsläufig prägen, in keiner der beiden Verfahrensarten geprüft werden ( 66 ).

110.

Ich schlage dem Gerichtshof deshalb vor, trotz des vom Gericht insoweit begangenen Rechtsfehlers den zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes Ungarns sowie den ersten und den zweiten Rechtsmittelgrund Deutschlands zurückzuweisen. Die Rechtsmittelgegnerinnen sind unmittelbar betroffen.

2.   Zieht die streitige Verordnung Durchführungsmaßnahmen nach sich?

a)   Parteivorbringen

111.

Der erste Teil des ersten von Ungarn angeführten Rechtsmittelgrundes betrifft die Feststellung des Gerichts in Rn. 40 des angefochtenen Urteils, dass die streitige Verordnung keine Durchführungsmaßnahmen gegenüber den Rechtsmittelgegnerinnen impliziere. Ungarn ist im Wesentlichen der Ansicht, dass die streitige Verordnung für sich genommen keine Rechtswirkung entfalte und dass auf nationaler Ebene zahlreiche Rechtsakte erlassen werden müssten, bevor eine Rechtswirkung eintreten könne.

b)   Würdigung

112.

Dieser Rechtsmittelgrund ist meines Erachtens zurückzuweisen.

113.

Nach der Rechtsprechung ist die Frage, ob ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, anhand der Stellung der Person, die die Klage erhebt, und des Gegenstands dieser Klage zu beurteilen ( 67 ). Es spielt daher keine Rolle, ob der fragliche Rechtsakt Durchführungsmaßnahmen im Hinblick auf andere Personen erfordert ( 68 ) und ob vom Kläger nicht angefochtene andere Teile des beanstandeten Rechtsakts Durchführungsmaßnahmen implizieren ( 69 ). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob die konkreten Rechtswirkungen, die die Stellung des Klägers verändern, gegenüber dieser Person aufgrund des angefochtenen Unionsrechtsakts oder aufgrund eines anderen Rechtsakts eintreten, den die Union oder der betreffende Mitgliedstaat erlassen hat ( 70 ).

114.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der Stellung der Rechtsmittelgegnerinnen sowie des Verfahrensgegenstands hat das Gericht meines Erachtens keinen Fehler mit der Feststellung begangen, dass die streitige Verordnung im Hinblick auf die konkrete Situation der Rechtsmittelgegnerinnen keine Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 dritter Satzteil AEUV nach sich ziehe.

115.

Soweit behauptet wird, die streitige Verordnung lasse es zu, dass „falsche Euro-6“-Fahrzeuge eine Typgenehmigung erhielten, so dass diese Fahrzeuge in Verkehr gebracht werden könnten, wirkt sich dies unmittelbar und sofort auf die rechtliche Fähigkeit der Rechtsmittelgegnerinnen aus, ihre Befugnisse in der von ihnen gewünschten Weise auszuüben. Es bedarf keines weiteren Unionsrechtsakts oder nationalen Rechtsakts, um den Rechtsmittelgegnerinnen (bildlich gesprochen) die Hände zu binden. Es besteht, mit anderen Worten, ein Kausalzusammenhang zwischen den von den Rechtsmittelgegnerinnen angefochtenen unionsrechtlichen Vorschriften und der Änderung ihrer Rechtsstellung.

116.

Es wäre unsinnig und konstruiert, wenn verlangt würde, dass Einrichtungen unterhalb der staatlichen Ebene die erste Typgenehmigung für ein „falsches Euro-6-Fahrzeug“ abwarten müssten, um diese Genehmigung vor einem nationalen Gericht anzufechten und im Rahmen dieses Verfahrens die Ungültigkeit der umgesetzten unionsrechtlichen Vorschriften geltend zu machen. Derartige Durchführungsakte wären – offensichtlich – keine „gegenüber“ den Rechtsmittelgegnerinnen erlassenen Rechtsakte. Was also die von den Rechtsmittelgegnerinnen beanstandeten Rechtswirkungen (die stillschweigende oder heimliche Änderung der Euro-6-Normen) anbelangt, ist der angefochtene Unionsrechtsakt – mit den Worten von Generalanwalt Cruz Villalón – eindeutig „für sich voll funktionsfähig“ ( 71 ).

117.

Der erste Teil des ersten von Ungarn geltend gemachten Rechtsmittelgrundes ist folglich zurückzuweisen.

B. Begründetheitsprüfung: Unzuständigkeit der Kommission

a)   Vorbringen der Parteien

118.

Mit seinem dritten Rechtsmittelgrund macht Deutschland geltend, das Gericht sei unter Verletzung von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 715/2007 davon ausgegangen, dass die Kommission zum Erlass der streitigen Verordnung nicht befugt gewesen sei. Der Kommission stehe ein weiter Beurteilungsspielraum sowohl für die Qualifizierung einer Bestimmung als „nicht wesentlich“ als auch für die Frage der praktischen Auswirkungen einer Bestimmung zu. Unter zutreffender Berücksichtigung dieses Beurteilungsspielraums seien die Einführung von RDE‑Tests an sich, die Einführung eines Übereinstimmungsfaktors für diese Tests und die Einführung einer Übergangsregelung als nicht wesentliche Elemente im Sinne von Art. 5 Abs. 3 dieser Verordnung anzusehen.

119.

Der einzige Rechtsmittelgrund der Kommission betrifft ebenfalls die Feststellungen des Gerichts zu ihrer angeblichen Unzuständigkeit für den Erlass der streitigen Verordnung. Die Kommission bestreitet nicht, dass die Grenzwerte für NOx-Emissionen, wie das Gericht in Rn. 118 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, ein wesentliches Element der Verordnung Nr. 715/2007 darstellten. Allerdings sei dieses Element nicht geändert worden. Insoweit sei es bezeichnend, dass das Gericht (in den Rn. 128, 137 und 144 des angefochtenen Urteils) davon spreche, dass die Grenzwerte „praktisch“ bzw. „de facto“ geändert worden seien, während es (in Rn. 150 des Urteils) einräume, dass eine rechtliche Änderung dieser Grenzwerte nicht erfolgt sei.

120.

Die Verordnung Nr. 715/2007 enthalte keine konkreten Bestimmungen darüber, wie die Emissionen zu überprüfen seien. Das Gericht verwechsele daher die Methode zur Überprüfung des Grenzwerts mit dessen Änderung. Da die alten Labortests, der NEFZ, und die neuen RDE‑Prüfungen kumulativ anwendbar seien, ein Fahrzeug also beide erfüllen müsse, um eine Typgenehmigung zu erhalten, könne die streitige Verordnung nicht zu einer Verschlechterung der Prüfverfahren und damit zu einer faktischen Änderung dieses Grenzwerts führen.

121.

Das Gericht habe die Beweislast umgekehrt, indem es von der Kommission verlangt habe, die gewählten Verfahren zu rechtfertigen, und indem es den angefochtenen Rechtsakt für nichtig erklärt habe, weil die Argumente der Kommission nicht überzeugend gewesen seien. Es sei aber Sache des Klägers, die Rechtswidrigkeit eines Unionsrechtsakts zu beweisen, dessen Gültigkeit grundsätzlich vermutet werde.

122.

In diesem Kontext hebt die ACEA hervor, dass die von der Kommission eingeführten Koeffizienten notwendig seien, damit angesichts der technischen und statistischen Unsicherheiten bezüglich der neuen Tests verschiedene Datensätze miteinander verglichen werden könnten.

b)   Würdigung

123.

Erstens überzeugen mich die Argumente nicht, mit denen geltend gemacht wird, die Kommission habe einen Beurteilungsspielraum, um festzulegen, welche Elemente eines Rechtsakts wesentlich sind und welche nicht. Zunächst ist es Sache des Unionsgesetzgebers (hier des Rates und des Parlaments), die Bereiche zu bestimmen, in denen er der Kommission eine delegierte Befugnis oder Durchführungsbefugnisse übertragen möchte, und die Bereiche, in denen er dies nicht möchte ( 72 ). Sodann handelt es sich bei „wesentlichen“ und „nicht wesentlichen“ Elementen um Rechtsbegriffe, so dass es letztlich Sache des Gerichtshofs ist, diese auszulegen und ihre korrekte Anwendung in einem bestimmten Fall zu überprüfen ( 73 ).

124.

Zweitens ist meiner Ansicht nach auch in keiner Weise die Beweislast umgekehrt worden. Das Gericht hat lediglich in einem rechtlich und tatsächlich komplexen Fall die gewöhnlichen Grundsätze zur Beweislast bei Direktklagen angewandt. Soweit die Rechtsmittelgegnerinnen einen Anscheinsbeweis erbracht hatten, oblag es der Kommission, die von ihnen vorgelegten Informationen und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen substantiiert zu bestreiten und zu widerlegen ( 74 ). Da das Gericht die Gegenargumente der Kommission jedoch für nicht überzeugend hielt, kam es zu dem Ergebnis, dass die Kommission nicht befugt sei, i) NTE‑Werte für NOx-Emissionen festzulegen, die wegen des Faktors CF pollutant über den Grenzwerten für NOx-Emissionen gemäß Anhang I der Verordnung Nr. 715/2007 liegen, und jedenfalls ii) Faktoren von einer Größenordnung wie CF pollutant anzuwenden, ohne die in diesem Anhang I festgelegten Grenzwerte de facto zu ändern.

125.

Angesichts dieser Feststellungen geht es drittens bei den vorliegenden Rechtsmittelgründen hauptsächlich darum, ob das Gericht rechtsfehlerhaft entschieden hat, dass die Kommission mit der streitigen Verordnung ein wesentliches Element der Grundregelung de facto geändert habe.

126.

Auf der Grundlage des Vorbringens der Rechtsmittelführer vermag ich einen solchen Fehler nicht zu erkennen.

127.

Erstens stellt der in der Verordnung Nr. 715/2007 festgelegte Grenzwert für NOx-Emissionen nach allem, was ersichtlich ist, ein wesentliches Element dieses Rechtsakts dar ( 75 ). Wie das Gericht kann auch ich angesichts des Wortlauts, des Regelungszusammenhangs und vor allem der Zweckbestimmung dieser Unionsmaßnahme nicht erkennen, wie man insoweit zu einem anderen Ergebnis kommen könnte. Daher wäre die Kommission nicht befugt gewesen, sie im Wege von Durchführungsvorschriften wie der streitigen Verordnung zu ändern. Hierüber scheinen sich die Parteien einig zu sein.

128.

Zweitens lässt sich in der Tat sagen, dass Elemente wie die NTE‑Werte oder der Faktor CF pollutant – insbesondere wenn sie jeweils isoliert betrachtet werden – grundsätzlich keine wesentlichen Elemente der Verordnung sind. Es handelt sich um technische Elemente rein funktionaler und instrumenteller Art. Aus dem 26. Erwägungsgrund sowie aus Art. 5 Abs. 3 und Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 715/2007 geht ganz klar hervor, dass die Verfahren und Prüfungen für die Typgenehmigung nicht wesentliche Bestimmungen dieser Verordnung darstellen, so dass die Kommission sie nach dem Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen kann.

129.

Drittens folgt aus dem Vorstehenden jedoch nicht, dass die Kommission, wenn sie bestimmte Parameter (wie die NTE‑Werte und/oder den Faktor CF pollutant) für die RDE‑Prüfungen festlegt, niemals etwas beeinflussen könnte, das für sich genommen ein wesentliches Element (der Grenzwert für NOx-Emissionen) ist. Es liegt auf der Hand, dass der vom Unionsgesetzgeber festgelegte Grenzwert, wenn das gewählte Prüfverfahren und die dafür vorgesehenen spezifischen Werte zu großzügig und unwirksam sind, entweder nicht kontrolliert werden kann oder de facto überschritten wird, was zur Folge hat, dass dieser Wert in der Praxis häufig nicht eingehalten wird. Ich finde daher zumindest aus theoretischer Sicht keinen Fehler in der Argumentation des Gerichts, wonach die Festlegung zu hoher Parameter de facto zu einer mittelbaren oder schleichenden Änderung des Grenzwerts für NOx-Emissionen führen könnte.

130.

Ob die von der Kommission festgelegten spezifischen Parameter unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles de facto eine Änderung des Grenzwerts für NOx-Emissionen bewirkten oder nicht, erfordert meines Erachtens eine komplexe Tatsachenwürdigung. Diese Würdigung unterliegt als solche nicht der Kontrolle durch den Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels, es sei denn, die Rechtsmittelführer behaupten (und beweisen) eine Verfälschung des Sachverhalts oder der Beweismittel, auf die sich das Gericht im ersten Rechtszug gestützt hat ( 76 ). Nach ständiger Rechtsprechung muss sich eine Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf ( 77 ).

131.

Im vorliegenden Fall kann ich eine solche Verfälschung nicht erkennen.

132.

Keiner der Rechtsmittelführer oder Streithelfer hat ein überzeugendes Argument dafür vorgebracht, dass das Gericht fundamental den Sachverhalt verkannt oder die von den Parteien vorgelegten Beweise missverstanden hätte. Vielmehr hat das Gericht eine Feststellung getroffen, die nicht nur möglich ist, sondern offenbar auch durch verschiedene einschlägige offizielle Dokumente, auf die sich die Parteien bezogen haben, belegt wird. So heißt es in dem vom Europäischen Parlament herausgegebenen „Bericht über die Untersuchung der Emissionsmessungen in der Automobilindustrie“, dass der Übereinstimmungsfaktor, „wodurch in der Praxis die gegenwärtig geltenden Emissionsnormen geschwächt werden“, „aus technischer Sicht nicht zu rechtfertigen [ist] und … der offensichtlichen Notwendigkeit, neue Technologien zu entwickeln, nicht Rechnung [trägt]“ sowie „de facto als eine generelle Ausnahme von den geltenden Emissionsgrenzwerten für einen sehr langen Zeitraum betrachtet werden [könnte]“ ( 78 ). Ebenso enthält ein aktuelles Themenpapier des Europäischen Rechnungshofs die Meldung, dass nach Ansicht einiger Forscher die RDE‑Prüfungen durch die hierfür festgelegten NOx-Grenzwerte in ihrer Wirkung geschmälert würden, und den Hinweis auf die viel niedrigeren Grenzwerte in den Vereinigten Staaten ( 79 ).

133.

Allerdings ist meines Erachtens auf ein Argument einzugehen – da es die rechtliche Argumentation des Gerichts und nicht seine Würdigung der relevanten Tatsachen kritisiert –, mit dem geltend gemacht wird, das Gericht habe verkannt, dass beide Prüfungen kumulativ durchgeführt würden. Da eine Typgenehmigung für ein Fahrzeug nur erteilt werde, wenn es sowohl die alten Prüfungen (Labortests – NEFZ) als auch die neuen Prüfungen (praktischer Fahrbetrieb – RDE) bestehe, ändere die streitige Verordnung nichts an der früheren Situation. Folglich könne keine Rede davon sein, dass die Grundregelung de facto geändert werde.

134.

Das wirft die Frage auf: Was ist hier die relevante „frühere Situation“? Die Rechtsmittelführer dürften zutreffend argumentieren, dass die streitige Verordnung nicht zu einer Verschlechterung der vorherigen Situation führte und führen konnte, wenn diese vorherige Situation so verstanden wird, dass sie sich auf den tatsächlichen Stand der Dinge im Jahr 2016 bezieht. Wenn ich das Testsystem richtig verstehe, sollte diese Verordnung konsequenterweise die Überprüfung der Einhaltung der Euro-6-Norm tatsächlich verbessert haben.

135.

Der Umstand, dass sich die Situation in tatsächlicher Hinsicht nicht geändert (oder möglicherweise nur verbessert) hat, kann jedoch nicht die Schlussfolgerung des Gerichts zur unzulässigen Änderung der Situation in rechtlicher Hinsicht entkräften, die logischerweise der Ausgangspunkt für diese Beurteilung sein sollte.

136.

Zwar musste die Kommission in dieser Angelegenheit höchstwahrscheinlich tätig werden. Nach dem 15. Erwägungsgrund und gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 715/2007 ist die Kommission nämlich verpflichtet, die Verfahren, Prüfungen und Anforderungen nach Art. 5 Abs. 3 dieser Verordnung sowie die für die Emissionsmessung verwendeten Fahrzyklen zu beobachten. Erweist sich bei der Überprüfung, dass diese nicht mehr geeignet sind oder der Betriebspraxis nicht mehr hinreichend entsprechen, müssen sie gemäß diesen Bestimmungen so angepasst werden, dass sie den in der Betriebspraxis tatsächlich entstehenden Emissionen entsprechen.

137.

Das ändert jedoch nichts daran, dass die Kommission, wie das Gericht festgestellt hat, eine Regelung erlassen hat, die für einen bestimmten Zeitraum noch Abweichungen von dem in der Grundverordnung festgelegten Grenzwert für NOx-Emissionen zuließ.

138.

Mit anderen Worten: Der Zustand, zu dem man nach der Entdeckung eines Verstoßes normalerweise von Rechts wegen zurückkehren sollte, ist die erneute Beachtung des gesetzlichen Erfordernisses, das die ganze Zeit bestanden hat. Das Argument, die streitige Verordnung der Kommission habe „die Dinge nicht verschlimmert“, mag im Hinblick auf die damals bestehende und nach dem „Diesel-Skandal“ aufgedeckte faktische Situation durchaus zutreffend sein. Wenn nämlich mehrere Hersteller und damals auf dem Markt angebotene Fahrzeugtypen tatsächlich gegen die Vorschriften verstießen, einige davon sogar in erheblichem Maße, kann im Bemühen des Gesetzgebers, zumindest eine gewisse Einhaltung der Vorschriften unter den damals herrschenden realen Bedingungen schrittweise zu gewährleisten, nur ein Handeln im wohlverstandenen Interesse des Systems als solchen und seiner künftigen Funktion gesehen werden.

139.

Es ist jedoch eine Tatsache, dass die Kommission als Teil dieses Vorgangs, wie vom Gericht festgestellt, weitere Abweichungen von dem Zustand zugelassen hat, zu dem man von Rechts wegen unverzüglich hätte zurückkehren müssen: zur vollständigen Einhaltung der bereits geltenden Norm, wie sie zuvor vom Unionsgesetzgeber erlassen worden war und die ganze Zeit hätte beachtet und durchgesetzt werden müssen. Das ist in der Tat rechtlich gesehen die relevante „vorherige Situation“.

140.

Ich kann also nicht erkennen, was an der Feststellung des Gerichts falsch sein sollte, dass die Kommission mit dem Erlass der streitigen Verordnung die Rechtslage geändert habe, indem sie ausdrücklich Emissionen oberhalb der vom Unionsgesetzgeber beschlossenen Grenzwerte toleriert habe, wobei diese spezifischen Grenzwerte ein wesentliches Element sind, das die Kommission nicht im Wege reiner Durchführungsvorschriften ändern durfte.

141.

Daher sollte das angefochtene Urteil meines Erachtens auch in diesem Punkt bestätigt werden.

C. Folgen des Urteils des Gerichts

1.   Umfang der Nichtigerklärung

142.

Mit seinem vierten Rechtsmittelgrund macht Deutschland geltend, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass Nr. 2 des Anhangs II der streitigen Verordnung vom Rest des Rechtsakts abtrennbar sei. Nach der Begründung des angefochtenen Urteils hätte das Gericht auch Art. 1 Nr. 2 der streitigen Verordnung aufheben müssen, der Art. 3 Abs. 10 der Verordnung Nr. 692/2008 insoweit ändere, als er – wie in Rn. 156 des angefochtenen Urteils ausgeführt – stillschweigend den Zeitpunkt festlege, von dem an die RDE‑Prüfungen nicht mehr nur zu Überwachungszwecken durchgeführt würden.

143.

Die Stadt Brüssel hält diesen Rechtsmittelgrund für unzulässig, da Deutschland kein Interesse an einer vollständigen Nichtigerklärung der streitigen Verordnung habe.

144.

Es ist in der Tat nicht direkt ersichtlich, welchem Zweck eine weiter gehende Nichtigerklärung dienen soll, wenn ein wesentlicher Bestandteil der Regelung bereits aufgehoben wurde. Jedoch könnte die deutsche Regierung vielleicht allgemein die Auffassung vertreten, dass eine überarbeitete Regelung vorteilhafter oder sinnvoller wäre als eine unausgewogene (altes System ohne CF pollutant oder mit einem von der Kommission festgelegten niedrigeren CF‑Wert). Wenn dem so ist, könnte sie ein Interesse daran haben, dass die Verordnung insgesamt für nichtig erklärt wird. Deshalb ist der Unzulässigkeitseinwand zurückzuweisen.

145.

Jedenfalls halte ich dieses Vorbringen aber in der Sache für nicht stichhaltig.

146.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die teilweise Nichtigerklärung eines Unionsrechtsakts möglich, wenn sich die Teile, deren Nichtigerklärung beantragt wird, vom Rest des Rechtsakts trennen lassen. Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass dieses Erfordernis der Abtrennbarkeit nicht erfüllt ist, wenn die teilweise Nichtigerklärung eines Rechtsakts zur Folge hätte, dass der Wesensgehalt dieses Aktes verändert würde ( 80 ).

147.

Im vorliegenden Fall ist das vom Gericht in der streitigen Verordnung identifizierte problematische Element (der CF‑Faktor) sehr spezifisch. Dieser Koeffizient wird so lange gelten, bis der Unionsgesetzgeber ihn durch einen anderen, der der Realität besser Rechnung trägt, aufhebt oder beschließt, ihn einfach abzuschaffen.

148.

Die deutsche Regierung hat nicht dargelegt, warum die Aufhebung oder Ersetzung dieses Koeffizienten zwangsläufig das ordnungsgemäße Funktionieren des rechtlichen Rahmens beeinträchtigen würde, den die streitige Verordnung abändert oder umsetzt. Das Gericht hat nämlich einen fundamentalen Fehler nicht in der Ausgestaltung der Tests, sondern nur in den zu diesem Zweck festgelegten NTE‑Werten (wegen des CF‑Faktors) festgestellt.

149.

Ebenso wenig hat die deutsche Regierung erklärt, was sich genau geändert hätte, wenn das Gericht auch Art. 1 Nr. 2 der streitigen Verordnung für nichtig erklärt hätte.

150.

Daher sollte nach meiner Meinung dieser Rechtsmittelgrund ebenfalls zurückgewiesen werden.

2.   Zeitliche Wirkungen der Nichtigerklärung

151.

Mit seinem zweiten Rechtsmittelgrund macht Ungarn geltend, das Gericht habe die zeitlichen Wirkungen seiner Nichtigerklärung zu Unrecht auf einen angemessenen Zeitraum von höchstens zwölf Monaten beschränkt. Diese Frist sei zu kurz, weil es dem Unionsgesetzgeber in der Praxis unmöglich sei, in diesem Zeitrahmen eine neue Regelung zu erlassen.

152.

Deutschland äußert sich im Rahmen seines fünften Rechtsmittelgrundes ganz ähnlich. Die deutsche Regierung verweist auf die Schätzungen der deutschen Automobilindustrie zur Zahl der Autos, die von deutschen und anderen Herstellern in Europa nicht mehr verkauft werden könnten, und bemerkt, die durch das Urteil des Gerichts möglicherweise entstehende Regelungslücke könne wegen der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit gegebenenfalls zu einem vollständigen Stopp der Produktion, Zulassung und Registrierung von Neuwagen führen.

153.

Diese Rechtsmittelgründe überzeugen mich nicht.

154.

Die Rechtsmittelführer stellen dem Gerichtshof, einfach ausgedrückt, die folgende Frage: Ist die Frist von zwölf Monaten lang genug, damit die Unionsorgane neue Maßnahmen ergreifen können, mit denen durch die Behebung des festgestellten Missstands die Einhaltung der in der Grundregelung festgelegten Normen gewährleistet wird?

155.

Um diese Frage zu beantworten, müsste der Gerichtshof meines Erachtens aufgrund des Vorbringens der Rechtsmittelführer eine neue Sachprüfung vornehmen. Die Rechtsmittelführer rügen nämlich keinen Fehler in den Methoden und Kriterien, die das Gericht bei dieser Beurteilung angewandt hat (wie z. B. die Anwendung falscher Normen oder die Missachtung bestimmter relevanter Umstände usw.). Die Rechtsmittelführer machen lediglich geltend, dass sich das Gericht in seiner Gesamtbeurteilung geirrt habe. Deshalb bezweifle ich, dass diese Rechtsmittelgründe überhaupt zulässig sind.

156.

Jedenfalls wird von den Rechtsmittelführern kein konkreter tatsächlicher oder rechtlicher Aspekt angeführt, der die Auffassung stützen würde, dass eine Frist von zwölf Monaten nicht ausreicht, damit die Kommission im Rahmen ihrer Durchführungsbefugnisse tätig werden kann, um die im Zusammenhang mit der streitigen Verordnung festgestellten Probleme zu beheben.

157.

Folglich sind die vorliegenden Rechtsmittelgründe nach meinem Dafürhalten unzulässig, auf jeden Fall aber unbegründet.

VI. Kosten

158.

Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

159.

Da die Rechtsmittelgegnerinnen einen Kostenantrag gestellt haben, sind diese Kosten den Rechtsmittelführern aufzuerlegen.

160.

Nach Art. 140 Abs. 1 und 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs haben alle Streithelfer jeweils ihre eigenen Kosten zu tragen.

VII. Ergebnis

161.

Ich schlage dem Gerichtshof vor,

die Rechtsmittel zurückzuweisen;

der Bundesrepublik Deutschland, Ungarn und der Europäischen Kommission die Kosten aufzuerlegen, die der Ville de Paris, der Ville de Bruxelles und dem Ayuntamiento de Madrid in den Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof entstanden sind;

zu beschließen, dass alle Streithelfer jeweils ihre eigenen Kosten tragen.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Verordnung (EU) 2016/646 der Kommission vom 20. April 2016 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 6) (ABl. 2016, L 109, S. 1, im Folgenden: streitige Verordnung).

( 3 ) Urteil Ville de Paris, Ville de Bruxelles und Ayuntamiento de Madrid/Kommission (T‑339/16, T‑352/16 und T‑391/16, EU:T:2018:927) (im Folgenden: angefochtenes Urteil).

( 4 ) Wegen einer Darstellung des Regelungsrahmens der Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen in der Union vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache CLCV u. a. (Abschalteinrichtung in Dieselmotoren) (C‑693/18, EU:C:2020:323).

( 5 ) ABl. 2007, L 263, S. 1. Diese Richtlinie wurde inzwischen durch die Verordnung (EU) 2018/858 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 715/2007 und (EG) Nr. 595/2009 und zur Aufhebung der Richtlinie 2007/46/EG (ABl. 2018, L 151, S. 1) aufgehoben.

( 6 ) ABl. 2007, L 171, S. 1. Diese Verordnung ist zwar noch in Kraft, wurde später aber geändert. Der hier wiedergegebene Text galt zur entscheidungserheblichen Zeit.

( 7 ) Das Regelungsverfahren mit Kontrolle ist in Art. 5a des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (ABl. 1999, L 184, S. 23) in der durch den Beschluss 2006/512/EG des Rates vom 17. Juli 2006 (ABl. 2006, L 200, S. 11) geänderten Fassung geregelt. Laut Erwägungsgrund 7a dieses Beschlusses sollte auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle „bei Maßnahmen von allgemeiner Tragweite zur Änderung von nicht wesentlichen Bestimmungen eines nach dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags erlassenen Rechtsakts zurückgegriffen werden, einschließlich durch Streichung einiger dieser Bestimmungen oder Hinzufügung neuer nicht wesentlicher Bestimmungen. … Die wesentlichen Elemente eines Rechtsakts dürfen nur durch den Gesetzgeber auf der Grundlage des Vertrags geändert werden.“

( 8 ) Verordnung zur Durchführung und Änderung der Verordnung Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. 2008, L 199, S. 1). Diese Verordnung ist zwar noch in Kraft, wurde aber später geändert. Der hier wiedergegebene Text galt zur entscheidungserheblichen Zeit.

( 9 ) Vgl. u. a. Europäischer Rechnungshof, Die Reaktion der EU auf den „Diesel-Skandal“, Themenpapier, Februar 2019, S. 13. Zur weiteren Illustration vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs (Deutschland) vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19, DE:BGH:2020:250520UVIZR252.19.0, insbesondere Rn. 16 bis 19).

( 10 ) Zum Begriff „Abschalteinrichtung“ vgl. Urteil vom 17. Dezember 2020, X (Abschalteinrichtung in Dieselmotoren) (C‑693/18, EU:C:2020:1040), wobei derzeit mehrere weitere Rechtssachen im Zusammenhang mit ähnlichen Fragen anhängig sind, wie z. B. die Rechtssachen C‑128/20, GSMB Invest (ABl. 2020, C 271, S. 21), C‑134/20, Volkswagen (ABl. 2020, C 271, S. 21) oder C‑145/20, Porsche Inter Auto und Volkswagen (ABl. 2020, C 279, S. 20).

( 11 ) Siehe oben, Fn. 9, Europäischer Rechnungshof, S. 19/20. Vgl. auch Europäische Kommission, Joint Research Centre, Urban NO2 Atlas, 2019, Abschnitt 1.

( 12 ) ABl. 2016, L 82, S. 1.

( 13 ) Vgl. Rn. 1 des angefochtenen Urteils.

( 14 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 (ABl. 2008, L 152, S. 1).

( 15 ) Vgl. u. a. das unlängst ergangene Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci (C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 16 ) Vgl. unter vielen das Urteil vom 4. April 2017, Europäischer Bürgerbeauftragter/Staelen (C‑337/15 P, EU:C:2017:256, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 17 ) Hervorhebung nur hier.

( 18 ) Hervorhebung nur hier.

( 19 ) Dies trifft weitgehend für die meisten Sprachfassungen der Richtlinie zu, darunter die spanische, die tschechische, die deutsche, die englische, die italienische, die portugiesische, die slowakische und die finnische Sprachfassung.

( 20 ) Vgl. insbesondere Erwägungsgründe 3 und 4 der Richtlinie 2007/46.

( 21 ) Rn. 64 des angefochtenen Urteils.

( 22 ) Rn. 66 des angefochtenen Urteils.

( 23 ) Siehe oben, Fn. 14.

( 24 ) Vgl. insbesondere Rn. 67 bis 69 des angefochtenen Urteils.

( 25 ) Vgl. Rn. 47 des angefochtenen Urteils, das u. a. auf die Verordnung (EU) Nr. 167/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Februar 2013 über die Genehmigung und Marktüberwachung von land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen (ABl. 2013, L 60, S. 1) verweist.

( 26 ) Vgl. Rn. 42 des angefochtenen Urteils.

( 27 ) Die Hinzufügung der „Teilnahme am Straßenverkehr“ zu den Fällen, in denen ein Fahrzeug rechtsgültig in Verkehr gebracht werden kann (neben der Zulassung, dem Verkauf oder der Inbetriebnahme), könnte in der Tat vielleicht im Hinblick auf die Mitgliedstaaten gerechtfertigt sein, in denen ein Fahrzeug rechtmäßig in Verkehr gebracht werden kann, ohne dass es zuvor förmlich zugelassen oder verkauft werden muss – vgl. zu den unterschiedlichen Regelungsansätzen in den Mitgliedstaaten bei der Haftpflichtversicherung für die Benutzung von Kraftfahrzeugen auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Juliana (C‑80/17, EU:C:2018:290).

( 28 ) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Genehmigung für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten dieser Fahrzeuge (KOM[2003] 0418 endg.).

( 29 ) Diese Bestimmung enthielt nur den heutigen Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1, der wie folgt lautete: „Die Mitgliedstaaten gestatten die Zulassung, das Inverkehrbringen oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten nur dann, wenn sie die Anforderungen dieser Richtlinie erfüllen.“

( 30 ) Vgl. z. B. Begründung zum Richtlinienvorschlag der Kommission (siehe oben, Fn. 28), insbesondere S. 2 bis 5, 7 bis 9 und 18.

( 31 ) Urteil vom 13. Juli 2006, Voigt (C‑83/05, EU:C:2006:468, Rn. 17 bis 20). Vgl. Richtlinie des Rates vom 6. Februar 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (ABl. 1970, L 42, S. 1).

( 32 ) Vgl. u. a. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament vom 12.12.2006 (KOM[2006] 0809 endg.), der zufolge die meisten Artikel nur umformuliert worden waren, um ihren Geltungsbereich oder ihre Bedeutung zu präzisieren, und Änderungen, die den Geltungsbereich der Richtlinie erweitert hätten oder „die sich auf Bereiche bezogen, die bereits durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften abgedeckt sind, … abgelehnt [worden waren], um rechtliche Grauzonen zu vermeiden“.

( 33 ) Vgl. u. a. Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 11. Dezember 2006 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge („Rahmenrichtlinie“) (Dokument 9911/3/06, REV 3 ADD 1), S. 7: Die Änderung von Art. 4 Abs. 3 erfolge, um die „Grenzen für die Untersagung, Beschränkung oder Behinderung [seitens der Mitgliedstaaten] dar[zulegen]“.

( 34 ) Vgl. mit meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Federatie Nederlandse Vakbeweging (C‑815/18, EU:C:2020:319, Nrn. 60 und 61).

( 35 ) Rn. 66 des angefochtenen Urteils.

( 36 ) Rn. 69 des angefochtenen Urteils (Hervorhebung nur hier).

( 37 ) Rn. 52 des angefochtenen Urteils.

( 38 ) Urteil vom 4. Juni 2009 (C‑142/05, EU:C:2009:336, Rn. 28).

( 39 ) Urteil vom 10. Februar 2009 (C‑110/05, EU:C:2009:66, Rn. 54 bis 58). Ähnlich auch Urteil vom 20. März 2014, Kommission/Polen (C‑639/11, EU:C:2014:173, Rn. 52).

( 40 ) Vgl. u. a. Europäische Kommission, GD Umwelt, Feasibility Study: European City Pass For Low Emission Zones (Machbarkeitsstudie: Europäischer Städtepass für Umweltzonen), 30. Januar 2014, und Europäisches Parlament, Fachabteilung Bürgerrechte und konstitutionelle Angelegenheiten, Study – Air Quality and urban traffic in the EU: best practices and possible solutions (Studie – Luftqualität und Stadtverkehr in der EU: bewährte Verfahren und mögliche Lösungen), September 2018.

( 41 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 13. Juli 2006, Voigt (C‑83/05, EU:C:2006:468).

( 42 ) In dem Sinne, dass sie grundsätzlich unter Art. 34 AEUV fällt, während sie durchaus noch unter dem Aspekt des Umweltschutzes und/oder der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt werden kann, sofern sie verhältnismäßig ist – vgl. Urteile vom 4. Juni 2009, Mickelsson und Roos (C‑142/05, EU:C:2009:336, Rn. 31 bis 40), und vom 10. Februar 2009, Kommission/Italien (C‑110/05, EU:C:2009:66, Rn. 59 bis 69). Vgl. auch Urteil vom 21. Dezember 2011, Kommission/Österreich (C‑28/09, EU:C:2011:854, Rn. 125 und 140).

( 43 ) Vgl. wegen näherer Angaben und weiterer Nachweise meine Schlussanträge in der Rechtssache Région de Bruxelles-Capitale/Kommission (C‑352/19 P, EU:C:2020:588, Nr. 46).

( 44 ) Vgl. insbesondere Urteile vom 2. Mai 2006, Regione Siciliana/Kommission (C‑417/04 P, EU:C:2006:282, Rn. 23 bis 32), vom 30. April 1998, Vlaams Gewest/Kommission (T‑214/95, EU:T:1998:77, Rn. 29), und vom 23. Oktober 2002, Diputación Foral de Guipúzcoa/Kommission (T‑269/99, T‑271/99 und T‑272/99, EU:T:2002:258, Rn. 41).

( 45 ) Vgl. Rn. 82 des angefochtenen Urteils.

( 46 ) Vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 6. September 2011, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat (T‑18/10, EU:T:2011:419, Rn. 75).

( 47 ) Siehe oben, Nr. 75 dieser Schlussanträge.

( 48 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 1984, Commune de Differdange u. a./Kommission (222/83, EU:C:1984:266, Rn. 10 bis 12), und vom 27. April 1995, CCE Vittel/Kommission (T‑12/93, EU:T:1995:78, Rn. 58). Vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache A u. a. (C‑158/14, EU:C:2016:734, Nr. 78) und meine Schlussanträge in der Rechtssache Région de Bruxelles-Capitale/Kommission (C‑352/19 P, EU:C:2020:588, Nr. 48).

( 49 ) Vgl. Beschluss vom 19. September 2006, Benkö u. a./Kommission (T‑122/05, EU:T:2006:262, Rn. 64).

( 50 ) Ich verweise beispielsweise darauf, dass der Gerichtshof im Gegensatz dazu nachdrücklich auf den zunächst als die reine „Unmöglichkeit“ ausschließend verstandenen Grundsatz der Effektivität abgestellt hat, und zwar auch für den Zugang Einzelner zu den nationalen Gerichten, die sich vor diesen auf ihre durch das Unionsrecht begründeten Rechte berufen – Urteil vom 16. Dezember 1976, Rewe-Zentralfinanz und Rewe-Zentral (33/76, EU:C:1976:188, Rn. 5); später den Ausschluss ausgedehnt auf „unmöglich oder übermäßig erschwert“ – Urteil vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 83); dann erweitert durch das zusätzliche Kriterium eines wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelfs gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) – Urteil vom 12. Juli 2018, Banger (C‑89/17, EU:C:2018:570, Rn. 48); und zuletzt noch stärker erweitert aufgrund von Art. 19 Abs. 1 EUV, der inhaltlich mit Art. 47 der Charta übereinstimmt, aber auch Situationen erfasst, die streng genommen nicht einmal unter das Unionsrecht im klassischen Sinne fallen – Urteil vom 2. März 2021, A.B. u. a. (Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Rechtsbehelf) (C‑824/18, EU:C:2021:153, Rn. 143). Aber natürlich sind das in der Tat sehr unterschiedliche Fragen – die eine betrifft den effektiven Zugang zu nationalen Gerichten für den potenziellen Schutz einzelner unionsrechtlich begründeter Rechte, während die andere den Zugang zu den Unionsgerichten nach Art. 263 AEUV für den potenziellen Schutz einzelner unionsrechtlich begründeter Rechte zum Gegenstand hat.

( 51 ) Vgl. u. a. Europäische Kommission, Bericht – Erster Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität, COM(2018) 446 final/2, S. 2, und Mitteilung – Ein Europa, das schützt: Saubere Luft für alle, COM(2018) 330 final, Nr. 3.1.

( 52 ) Siehe oben, Fn. 11.

( 53 ) Vgl. u. a. Europäisches Parlament, Bericht über die Untersuchung der Emissionsmessungen in der Automobilindustrie (2016/2215[INI]) vom März 2017, S. 28.

( 54 ) Vgl. u. a. in Bezug auf NO2-Emissionsgrenzwerte Urteile vom 24. Oktober 2019, Kommission/Frankreich (Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid) (C‑636/18, EU:C:2019:900), und vom 3. Juni 2021, Kommission/Deutschland (Grenzwerte – NO2) (C‑635/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:437). Zu der damit verbundenen Problematik der PM10-Werte vgl. Urteile vom 22. Februar 2018, Kommission/Polen (C‑336/16, EU:C:2018:94), vom 30. April 2020, Kommission/Rumänien (C‑638/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:334), und vom 10. November 2020, Kommission/Italien (C‑644/18, EU:C:2020:895). Es ist keineswegs ein Zufall, dass die meisten Fälle in diesem Bereich die größten Ballungsräume in den jeweiligen Mitgliedstaaten betreffen.

( 55 ) Wie ich im vorhergehenden Abschnitt dieser Schlussanträge, insbesondere in Nr. 70, ausgeführt habe.

( 56 ) Zur weiteren Illustration, wie bestimmte Auswahl- oder Zugangskriterien bei begrenzten öffentlichen Gütern (sei es in der Wohnungspolitik oder bei der Zufahrt mit dem Auto zu Stadtzentren) möglicherweise erhebliche soziale Auswirkungen auf bestimmte Gruppen haben können, vgl. meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Cali Apartments und HX (C‑724/18 und C‑727/18, EU:C:2020:251, Nrn. 121 bis 136).

( 57 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Januar 1985, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission (11/82, EU:C:1985:18, Rn. 6 bis 10), und vom 13. März 2008, Kommission/Infront WM (C‑125/06 P, EU:C:2008:159).

( 58 ) Interessanterweise hat die deutsche Regierung unlängst in einem Vertragsverletzungsverfahren argumentiert, dass die Überschreitung der NO2-Werte in bestimmten Gebieten Deutschlands im Wesentlichen der Kommission anzulasten seien, da sie über Jahre hinweg untätig geblieben sei, um die Einhaltung der Verordnung Nr. 715/2007 in Bezug auf Emissionen im praktischen Fahrbetrieb sicherzustellen. Nach Ansicht der deutschen Regierung hat die Untätigkeit der Kommission die Einhaltung der mit der Richtlinie 2008/50 festgelegten Grenzwerte für NO2 erschwert oder gar unmöglich gemacht. Vgl. Urteil vom 3. Juni 2021, Kommission/Deutschland (Grenzwerte – NO2) (C‑635/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:437, Rn. 22, 68, 73, 125 und 126).

( 59 ) Siehe oben, Nr. 36 dieser Schlussanträge.

( 60 ) Dies überschneidet sich möglicherweise mit mangelndem Rechtsschutzinteresse – vgl. u. a. Urteil vom 4. Juni 2015, Andechser Molkerei Scheitz/Kommission (C‑682/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:356, Rn. 25), oder vom 23. November 2017, Bionorica und Diapharm/Kommission (C‑596/15 P und C‑597/15 P, EU:C:2017:886, Rn. 85). Im letztgenannten Urteil sprach der Gerichtshof (in Rn. 115) einer Klägerin, die bei Klageerhebung das fragliche Produkt nach der konkret beanstandeten Regelung noch nicht hergestellt hatte, ein Rechtsschutzinteresse ab und erklärte die Klage für unzulässig.

( 61 ) Schlussanträge in der Rechtssache Région de Bruxelles-Capitale/Kommission (C‑352/19 P, EU:C:2020:588, Nrn. 46 bis 63 und 129 bis 147). Zwar haben diese Argumente den Gerichtshof offensichtlich nicht überzeugt, was das Ergebnis seines Urteils vom 3. Dezember 2020, Région de Bruxelles-Capitale/Kommission (C‑352/19 P, EU:C:2020:978), betrifft. Der Gerichtshof hat in dem Urteil aber auch keines der Argumente auf irgendeine Weise direkt oder mittelbar widerlegt oder entkräftet.

( 62 ) Vgl. dazu im Einzelnen meine Schlussanträge in der Rechtssache Région de Bruxelles-Capitale/Kommission (C‑352/19 P, EU:C:2020:588, Nr. 80).

( 63 ) Wie die im Zusammenhang mit dem „Dieselgate“-Skandal anhängigen Rechtssachen zeigen (siehe oben, Fn. 10), wird diese Angelegenheit die (Unions‑) Gerichte in der einen oder anderen Weise wohl noch jahrelang beschäftigen.

( 64 ) Vgl. die Argumentation in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Région de Bruxelles-Capitale/Kommission (C‑352/19 P, EU:C:2020:588, Nrn. 137 bis 147). Vgl. zuletzt auch meine Schlussanträge in der Rechtssache FBF (C‑911/19, EU:C:2020:294, Nr. 148).

( 65 ) Vgl. beispielsweise Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a. (C‑616/17, EU:C:2019:800). In jener Rechtssache hatte der Umstand, dass ein gewisser Herr Blaise und andere Privatpersonen Läden im Departement Ariège (Frankreich) betreten und Kanister mit glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmitteln sowie Glasvitrinen beschädigt hatten, zur Folge, dass gegen diese Personen ein Strafverfahren wegen Beschädigung oder Zerstörung eines einem Dritten gehörenden Gegenstands eingeleitet wurde. Auf dieser Grundlage und im Anschluss an ein Vorabentscheidungsersuchen des die Sache in erster Instanz verhandelnden) Tribunal correctionnel de Foix (Strafgericht Foix, Frankreich), das die gegen die betreffenden Personen erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe zum Gegenstand hatte, beurteilte der Gerichtshof mehrere komplexere technische Fragestellungen zur Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. 2009, L 309, S. 1) im Zusammenhang mit der Zulassung von Glyphosat als Wirkstoff. Gleichzeitig konnte dieselbe Problematik (die Verlängerung der Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat) vom Gericht im Rahmen einer Direktklage der Region Brüssel-Hauptstadt nicht geprüft werden, weil Letztere nicht unmittelbar betroffen war – Urteil vom 3. Dezember 2020, Région de Bruxelles-Capitale/Kommission (C‑352/19 P, EU:C:2020:978).

( 66 ) Zur weiteren Veranschaulichung vgl. Urteil vom 25. Juli 2018, Confédération paysanne u. a. (C‑528/16, EU:C:2018:583), wobei mehrere in diesem Urteil formulierte technische Grundannahmen später in der internationalen Fachwelt in Frage gestellt wurden. Für eine (vielleicht neutralere) Zusammenfassung dieser Fragestellungen verweise ich auf die Erklärung der Gruppe leitender wissenschaftlicher Berater (der Europäischen Kommission), Eine wissenschaftliche Betrachtung der Regulierung von durch Genomeditierung entstandenen Produkten und deren Bedeutung für die GVO-Richtlinie vom 13. November 2018. Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2018 (DOI 10.2777/407732).

( 67 ) Vgl. insbesondere Urteil vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission (C‑274/12 P, EU:C:2013:852, Rn. 30 und 31).

( 68 ) Vgl. insbesondere Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci (C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 63 bis 65).

( 69 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission (C‑274/12 P, EU:C:2013:852, Rn. 31).

( 70 ) Vgl. insbesondere Urteile vom 13. März 2018, European Union Copper Task Force/Kommission (C‑384/16 P, EU:C:2018:176, Rn. 43 bis 45), und vom 18. Oktober 2018, Internacional de Productos Metálicos/Kommission (C‑145/17 P, EU:C:2018:839, Rn. 56 und 57).

( 71 ) Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache T & L Sugars und Sidul Açúcares/Kommission (C‑456/13 P, EU:C:2014:2283, Nr. 32).

( 72 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2014, Kommission/Parlament und Rat (C‑427/12, EU:C:2014:170, Rn. 40): „Der Unionsgesetzgeber verfügt über ein Ermessen, wenn er entscheidet, der Kommission eine delegierte Befugnis nach Art. 290 Abs. 1 AEUV oder eine Durchführungsbefugnis nach Art. 291 Abs. 2 AEUV zu übertragen.“ Vgl. auch Urteil vom 10. September 2015, Parlament/Rat (C‑363/14, EU:C:2015:579, Rn. 46).

( 73 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. September 2012, Parlament/Rat (C‑355/10, EU:C:2012:516, Rn. 67), und vom 10. September 2015, Parlament/Rat (C‑363/14, EU:C:2015:579, Rn. 47).

( 74 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 17. Dezember 2020, Kommission/Ungarn (Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen) (C‑808/18, EU:C:2020:1029, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 75 ) Wesentliche Aspekte einer Grundregelung sind diejenigen, deren Erlass politische Entscheidungen erfordert, die in die eigene Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers fallen. Vgl. Urteil vom 11. Mai 2017, Dyson/Kommission (C‑44/16 P, EU:C:2017:357, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 76 ) Vgl. kürzlich u. a. Urteil vom 28. Mai 2020, Asociación de fabricantes de morcilla de Burgos/Kommission (C‑309/19 P, EU:C:2020:401, Rn. 10 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 77 ) Vgl. unter vielen Urteil vom 10. März 2021, Ertico – ITS Europe/Kommission (C‑572/19 P, EU:C:2021:188, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 78 ) Erwähnt oben in Fn. 53, Rn. 6, 9 und 11 der Schlussfolgerungen.

( 79 ) Die Reaktion der EU auf den „Diesel-Skandal“, siehe oben in Fn. 9, S. 27.

( 80 ) Vgl. Urteil vom 18. März 2014, Kommission/Parlament und Rat (C‑427/12, EU:C:2014:170, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).