URTEIL DES GERICHTS (Sechste erweiterte Kammer)

14. September 2022 ( *1 )

„Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Intelligente Mobilgeräte – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des EWR-Abkommens festgestellt wird – Begriffe der mehrseitigen Plattform und des mehrseitigen Marktes (‚Ökosystem‘) – Betriebssystem (Google Android) – Vertriebsplattform für Anwendungen (Play Store) – Such- und Browseranwendungen (Google Search und Chrome) – Vereinbarungen mit Geräteherstellern und Mobilfunknetzbetreibern – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Begriffe des Gesamtplans und von im Rahmen derselben Zuwiderhandlung umgesetzten Verhaltensweisen (Produktbündel, Ausschließlichkeitszahlungen und Anti-Fragmentierungsverpflichtungen) – Verdrängungswirkungen – Verteidigungsrechte – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung“

In der Rechtssache T‑604/18,

Google LLC mit Sitz in Mountain View, Kalifornien (Vereinigte Staaten),

Alphabet, Inc. mit Sitz in Mountain View,

vertreten durch N. Levy, J. Schindler, A. Lamadrid de Pablo, J. Killick, A. Komninos, G. Forwood, Avocats, P. Stuart, D. Gregory und H. Mostyn, Barristers, sowie M. Pickford, QC,

Klägerinnen,

unterstützt durch

Application Developers Alliance mit Sitz in Washington, D. C. (Vereinigte Staaten), vertreten durch A. Parr und S. Vaz, Solicitors, sowie R. Baena Zapatero, Avocat,

durch

Computer & Communications Industry Association mit Sitz in Washington, D. C., vertreten durch E. Batchelor und T. Selwyn Sharpe, Solicitors, und G. Vasconcelos Lopes, Avocate,

durch

Gigaset Communications GmbH mit Sitz in Bocholt (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt J.‑F. Bellis,

durch

HMD global Oy mit Sitz in Helsinki (Finnland), vertreten durch M. Glader und M. Johansson, Avocats,

und durch

Opera Norway AS, ehemals Opera Software AS, mit Sitz in Oslo (Norwegen), vertreten durch M. Glader und M. Johansson, Avocats,

Streithelferinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch N. Khan, A. Dawes, C. Urraca Caviedes und F. Castillo de la Torre als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

BDZV – Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e. V., vormals Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V., mit Sitz in Berlin (Deutschland), vertreten durch Professor T. Höppner und Rechtsanwalt P. Westerhoff,

durch

Bureau européen des unions de consommateurs (BEUC) mit Sitz in Brüssel (Belgien), vertreten durch A. Fratini, Avocate,

durch

FairSearch AISBL mit Sitz in Brüssel, vertreten durch T. Vinje, D. Paemen und K. Missenden, Avocats,

durch

Qwant mit Sitz in Paris (Frankreich), vertreten durch Professor T. Höppner und Rechtsanwalt P. Westerhoff,

durch

Seznam.cz, a.s. mit Sitz in Prag (Tschechische Republik), vertreten durch M. Felgr, T. Vinje, D. Paemen, J. Dobrý und P. Chytil, Avocats,

und durch

Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. mit Sitz in Berlin, vertreten durch Professor T. Höppner und Rechtsanwalt P. Westerhoff,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli sowie der Richter S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter), J. Schwarcz, C. Iliopoulos und R. Norkus,

Kanzler: C. Kristensen, Referatsleiterin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. September bis zum 1. Oktober 2021

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage beantragen die Google LLC (vormals Google Inc.) und die Alphabet, Inc., deren Tochtergesellschaft die Google LLC ist (im Folgenden zusammen: Google oder Klägerinnen), in erster Linie die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2018) 4761 final der Kommission vom 18. Juli 2018 in einem Verfahren nach Artikel 102 AEUV und Artikel 54 des EWR-Abkommens (Sache AT.40099 – Google Android) (im Folgenden: angefochtener Beschluss) und hilfsweise die Aufhebung oder Herabsetzung der in diesem Beschluss gegen sie verhängten Geldbuße.

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

2

Google ist ein Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologiebranche, das sich auf Online-Produkte und ‑Dienstleistungen spezialisiert hat und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) tätig ist.

A. Hintergrund der Rechtssache

3

Um dem Aufkommen und der Entwicklung des mobilen Internets sowie der Erwartung einer damit verbundenen Änderung des Nutzerverhaltens bei allgemeinen Online-Suchen Rechnung zu tragen, erwarb Google 2005 das Unternehmen, das ursprünglich das Betriebssystem für intelligente Mobilgeräte (im Folgenden: BS) Android entwickelt hatte. Im Juli 2018 wurden laut der Europäischen Kommission rund 80 % der in Europa und weltweit genutzten intelligenten Mobilgeräte mit Android betrieben.

4

Wenn Google eine neue Version von Android entwickelt, veröffentlicht sie den Quellcode online. Dies ermöglicht es Dritten, diesen Code herunterzuladen und zu verändern, um auf diese Weise „Android-Forks“ zu erstellen (eine Fork ist eine neue Software, die aus dem Quellcode einer bestehenden Software erstellt wird). Der unter einer freien Betriebslizenz („Android Open Source Project licence“, im Folgenden: AOSP-Lizenz) offengelegte Android-Quellcode enthält die Grundelemente eines BS, nicht aber die Android-Anwendungen und -Dienste, die geistiges Eigentum von Google sind. Die Originalgerätehersteller (im Folgenden: OEM), die Anwendungen und Dienste von Google beziehen möchten, müssen daher Verträge mit Google abschließen. Solche Verträge schließt Google auch mit den Mobilfunknetzbetreibern (im Folgenden: „MNO“), die proprietäre Anwendungen und Dienste von Google auf Geräten installieren wollen, die sie an Endnutzer verkaufen.

5

Einige dieser Verträge sind Gegenstand der vorliegenden Rechtssache.

B. Verfahren vor der Kommission

6

Am 25. März 2013 reichte die FairSearch AISBL, ein Verband von Unternehmen, die im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie tätig sind, bei der Kommission eine Beschwerde wegen bestimmter Geschäftspraktiken von Google im Bereich des mobilen Internets ein. Aufgrund dieser Beschwerde richtete die Kommission Auskunftsersuchen an Google, ihre Kunden, ihre Mitbewerber und andere in diesem Umfeld tätige Einrichtungen. Auch weitere Einrichtungen haben sich bei der Kommission über das Verhalten von Google im mobilen Internet beschwert.

7

Am 15. April 2015 leitete die Kommission ein Verfahren gegen Google in Bezug auf Android ein.

8

Am 20. April 2016 übermittelte die Kommission Google eine Mitteilung der Beschwerdepunkte. Eine nicht vertrauliche Fassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte wurde auch den 17 Beschwerdeführern und interessierten Dritten zugesandt.

9

Zwischen Oktober 2016 und Oktober 2017 erhielt die Kommission von elf Beschwerdeführern und interessierten Dritten Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte. Im Dezember 2016 legte Google die endgültige Fassung ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vor (im Folgenden: Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte). Zu diesem Zeitpunkt hatte Google keine Anhörung beantragt.

10

Zwischen August 2017 und Mai 2018 teilte die Kommission Google zur Stützung der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Schlussfolgerungen verschiedene tatsächliche Umstände mit. Diese Umstände wurden insbesondere durch ein erstes Sachverhaltsschreiben vom 31. August 2017 und ein zweites Sachverhaltsschreiben vom 11. April 2018 mitgeteilt. Google nahm zu diesen Schreiben am 23. Oktober 2017 bzw. am 7. Mai 2018 Stellung.

11

Darüber hinaus beantragte Google im September 2017, ihr alle relevanten Dokumente zu etwaigen Besprechungen der Kommission mit Dritten zu übermitteln. Die Kommission gab diesem Antrag im Februar 2018 statt.

12

Google erhielt 2016 im Anschluss an die Mitteilung der Beschwerdepunkte, 2017 im Anschluss an das erste Sachverhaltsschreiben und 2018 im Anschluss an das zweite Sachverhaltsschreiben Akteneinsicht.

13

Am 7. Mai 2018 beantragte Google die Durchführung einer Anhörung. Diesen Antrag lehnte die Kommission am 18. Mai 2018 ab.

14

Auf Antrag von Google übermittelte die Kommission ihr am 21. Juni 2018 zwei Schreiben von interessierten Dritten. Google äußerte sich am 27. Juni 2018 zu ihnen.

C. Angefochtener Beschluss

15

Am 18. Juli 2018 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss. Darin verhängte sie eine Geldbuße gegen die Google LLC und teilweise gegen die Alphabet, Inc. wegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln, weil sie den OEM und MNO wettbewerbswidrige vertragliche Beschränkungen auferlegt hätten, um die beherrschende Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste innerhalb des EWR zu schützen und zu festigen.

16

Im angefochtenen Beschluss wurden drei Gruppen vertraglicher Beschränkungen identifiziert:

die in die Vertriebsvereinbarungen für mobile Anwendungen (im Folgenden: VVMA) eingefügten Beschränkungen, mit denen Google die OEM verpflichtete, die allgemeinen Suchanwendungen (Google Search) und Browseranwendungen (Chrome) von Google vorzuinstallieren, bevor sie eine Betriebslizenz für ihre Vertriebsplattform für Anwendungen (Play Store) erhalten konnten;

die in die Anti-Fragmentierungsvereinbarungen (im Folgenden: AFV) eingefügten Beschränkungen, nach denen OEM, die Google-Anwendungen vorinstallieren wollten, keine Geräte mit von Google nicht genehmigten Android-Versionen verkaufen durften;

die in die Vereinbarungen über die Aufteilung von Einnahmen (im Folgenden: VAE) eingefügten Beschränkungen, nach denen Google den OEM und den MNO einen Prozentsatz ihrer Werbeeinnahmen gewährte, sofern sich diese Hersteller oder Betreiber verpflichteten, keinen konkurrierenden allgemeinen Suchdienst auf Geräten vorzuinstallieren, die zu einem gemeinsam festgelegten Sortiment gehören (im Folgenden: sortimentbezogene VAE).

17

Was die Dauer der vertraglichen Beschränkungen (im Folgenden zusammen: streitige Beschränkungen) betrifft, dauerten die VVMA-Beschränkungen für das Bündel aus Google Search und Play Store vom 1. Januar 2011 bis zum Datum des angefochtenen Beschlusses und für das Bündel aus Chrome, Google Search und Play Store vom 1. August 2012 bis zum Datum des angefochtenen Beschlusses, die mit den AFV verbundenen Beschränkungen vom 1. Januar 2011 bis zum Datum des angefochtenen Beschlusses und die mit den VAE verbundenen Beschränkungen vom 1. Januar 2011 bis zum 31. März 2014, an dem die letzte sortimentbezogene VAE auslief.

18

Nach Auffassung der Kommission zielten die streitigen Beschränkungen darauf ab, die marktbeherrschende Stellung von Google bei allgemeinen Suchdiensten und damit die Einnahmen, die Google durch Werbeanzeigen im Zusammenhang mit diesen Suchvorgängen erzielte, zu schützen und zu stärken. Das gemeinsame Ziel der streitigen Beschränkungen und die Wechselwirkungen zwischen ihnen veranlassten die Kommission, sie als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des EWR-Abkommens einzustufen.

19

Zur Ahndung dieser als missbräuchlich angesehenen Praktiken verhängte die Kommission gegen Google eine Geldbuße in Höhe von 4342865000 Euro. Bei der Ermittlung dieses Betrags berücksichtigte die Kommission den Wert der relevanten Umsätze innerhalb des EWR, die im Zusammenhang mit der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung standen und von Google im letzten Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung (2017) erzielt wurden, und wandte darauf einen Schwerefaktor (11 %) an. Anschließend multiplizierte die Kommission den ermittelten Betrag mit der Zahl der Jahre der Beteiligung an der Zuwiderhandlung (ungefähr 7,52) und fügte einen Zusatzbetrag (in Höhe von 11 % des Umsatzes von 2017) hinzu, um vergleichbare Unternehmen davon abzuhalten, gleichartige Verhaltensweisen an den Tag zu legen. Die Kommission war ferner der Auffassung, dass kein Anlass bestanden habe, mildernde oder erschwerende Umstände zu berücksichtigen oder die erhebliche Finanzkraft von Google besonders zu berücksichtigen, um die Höhe der Geldbuße nach unten oder oben zu verändern.

20

Die Kommission forderte Google außerdem auf, diese Praktiken innerhalb von 90 Tagen nach der Zustellung des angefochtenen Beschlusses einzustellen.

II. Verfahren und Anträge der Parteien

21

Mit Klageschrift, die am 9. Oktober 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Google die vorliegende Klage erhoben.

22

Auf Antrag der Kommission ist die Frist für die Einreichung der Klagebeantwortung mehrfach verlängert worden. Zuletzt wurde sie auf den 15. März 2019 festgesetzt; an diesem Tag ist die Klagebeantwortung eingereicht worden.

23

Auf Antrag von Google ist die Frist für die Einreichung der Erwiderung mehrfach verlängert worden. Zuletzt wurde sie auf den 1. Juli 2019 festgesetzt; an diesem Tag ist die Erwiderung eingereicht worden.

24

Auf Antrag der Kommission ist die Frist für die Einreichung der Gegenerwiderung mehrfach verlängert worden. Zuletzt wurde sie auf den 29. November 2019 festgesetzt; an diesem Tag ist die Gegenerwiderung eingereicht worden.

A. Streithilfeanträge

25

Innerhalb der in Art. 143 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehenen Frist sind elf Streithilfeanträge gestellt worden.

26

Mit Beschluss des Präsidenten der Dritten Kammer vom 23. September 2019 sind

die Application Developers Alliance (im Folgenden: ADA), die Computer & Communications Industry Association (im Folgenden: CCIA), die Gigaset Communications GmbH (im Folgenden: Gigaset), die HMD global Oy (im Folgenden: HMD) und die Opera Norway AS, vormals Opera Software AS (im Folgenden: Opera), als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge von Google sowie

das Bureau européen des unions de consommateurs (im Folgenden: BEUC), der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (im Folgenden: VDZ), der BDZV – Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e. V. (im Folgenden: BDZV), die Seznam.cz, a.s. (im Folgenden: Seznam), FairSearch und Qwant als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.

27

Um den Streithelfern die Möglichkeit zu geben, sich zu allen Schriftsätzen der Hauptparteien zu äußern, wurde der Beginn der Frist für die Einreichung der Streithilfeschriftsätze auf den Zeitpunkt der Einreichung der gemeinsamen, nicht vertraulichen Fassung der Gegenerwiderung festgesetzt.

28

Auf Antrag einiger Streithelfer ist die Frist für die Einreichung ihrer Schriftsätze mehrmals verlängert worden. Zuletzt wurde sie auf den 30. Juni 2020 festgesetzt; bis zu diesem Tag sind alle Schriftsätze eingereicht worden.

29

Am 12. Oktober 2020 haben die Hauptparteien ihre Stellungnahmen zu den Streithilfeschriftsätzen eingereicht.

B. Ablauf des Verfahrens, wichtigste Anträge auf vertrauliche Behandlung und Vorbereitung der Entscheidungsreife der Rechtssache

30

Auf Antrag der Hauptparteien ist die Frist für die Einreichung von Anträgen auf vertrauliche Behandlung der Klageschrift, der Klagebeantwortung, der Erwiderung und der Gegenerwiderung mehrfach verlängert worden. Hinsichtlich der Klageschrift und der Klagebeantwortung wurde sie zuletzt auf den 13. September 2019 festgesetzt; an diesem Tag haben die Hauptparteien eine gemeinsame, nicht vertrauliche Fassung ihrer Schriftsätze eingereicht. Hinsichtlich der Erwiderung und der Gegenerwiderung wurde sie zuletzt auf den 11. Dezember 2019 bzw. den 1. Mai 2020 festgesetzt; an diesen Tagen haben die Hauptparteien eine gemeinsame, nicht vertrauliche Fassung ihrer jeweiligen Schriftsätze eingereicht.

31

Einwände gegen die Anträge auf vertrauliche Behandlung dieser Schriftsätze sind lediglich von FairSearch am 20. März 2020 gegen die von Google geltend gemachte Vertraulichkeit von drei Anlagen zur Gegenerwiderung erhoben worden.

32

Am 7. April 2020 hat das Gericht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme nach Art. 89 der Verfahrensordnung Google um nähere Angaben zum Umfang der geltend gemachten Vertraulichkeit in Bezug auf die drei von FairSearch genannten Anlagen ersucht. Google hat darauf am 23. April 2020 geantwortet und neue Fassungen dieser Anlagen vorgelegt.

33

Am 6. Mai 2020 hat das Gericht FairSearch im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme gefragt, ob sie angesichts der von Google übermittelten neuen Fassungen der drei Anlagen zur Gegenerwiderung ihre Einwände gegen die Vertraulichkeit dieser Dokumente aufrechterhalte. FairSearch hat darauf am 1. Juni 2020 geantwortet, dass sie ihre Einwände nicht aufrechterhalte.

34

Auf Antrag der Hauptparteien ist die Frist für die Einreichung von Anträgen auf vertrauliche Behandlung ihrer Stellungnahmen zu den Streithilfeschriftsätzen mehrmals verlängert worden. Zuletzt wurde sie auf den 11. Dezember 2020 festgesetzt; an diesem Tag sind gemeinsame, nicht vertrauliche Fassungen der Stellungnahmen eingereicht worden.

35

Einwände gegen die Anträge auf vertrauliche Behandlung der Stellungnahmen der Hauptparteien zu den Streithilfeschriftsätzen sind lediglich vom BEUC am 8. Januar 2021 gegen die von Google geltend gemachte Vertraulichkeit einer Anlage zur Klageschrift und bestimmter Passagen ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz des BEUC erhoben worden.

36

Am 21. Januar 2021 hat das Gericht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme Google um nähere Angaben zum Umfang der geltend gemachten Vertraulichkeit in Bezug auf diese Anlage zur Klageschrift und diese Passagen ihrer Stellungnahme ersucht. Google hat darauf am 27. Januar 2021 geantwortet und neue Fassungen der vom BEUC genannten Anlage zur Klageschrift und ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz des BEUC vorgelegt.

37

Am 18. Februar 2021 hat das Gericht das BEUC im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme gefragt, ob es angesichts der von Google übermittelten neuen, nicht vertraulichen Fassungen dieser Anlage sowie ihrer Stellungnahme zu seinem Streithilfeschriftsatz seine Einwände aufrechterhalte. Das BEUC hat darauf am 5. März 2021 geantwortet, dass es seine Einwände nicht aufrechterhalte.

38

Die gemeinsamen Bemühungen aller Parteien während des gesamten Verfahrens haben es trotz der oftmals auf dem Spiel stehenden unterschiedlichen Interessen ermöglicht, die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der in der vorliegenden Rechtssache geltend gemachten Vertraulichkeit von Informationen, Daten und Dokumenten zu lösen und die Prüfung der Rechtssache auf der Grundlage einer gemeinsamen, nicht vertraulichen Fassung zu gestatten. Einige vertrauliche Angaben, die den Hauptparteien bekannt sind, sind im Folgenden durch die in der öffentlichen Fassung des angefochtenen Beschlusses auf der Website der Kommission angegebenen Spannen ersetzt worden.

39

Im Zuge der Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts nach Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung ist der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt worden, der daher die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

40

Das schriftliche Verfahren ist am 19. März 2021 mit der Übermittlung der letzten Stellungnahmen zu den Anträgen auf vertrauliche Behandlung abgeschlossen worden.

41

Am 6. April 2021 hat Google beantragt, in einer mündlichen Verhandlung angehört zu werden.

42

Auf Vorschlag der Sechsten Kammer hat das Gericht die Rechtssache gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung an die Sechste erweiterte Kammer verwiesen.

43

Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

44

Am 25. Juni 2021 hat das Gericht die Parteien im Rahmen verfahrensleitender Maßnahmen aufgefordert, eine erste Reihe von Fragen zu beantworten. Die Parteien haben diese die Begründetheit der Klage betreffenden Fragen beantwortet, und die Hauptparteien haben schriftliche Stellungnahmen zu diesen Antworten eingereicht.

45

Am 5. Juli 2021 hat das Gericht die Beteiligten aufgefordert, sich zu der geplanten Terminierung der einzelnen Verhandlungstage zu äußern. Diese Terminierung ist unter Berücksichtigung der hierzu eingereichten Stellungnahmen angepasst worden.

46

Den Beteiligten ist ein Anhörungsbericht übermittelt worden, zu dem Google am 7. September 2021 und die Kommission am 24. September 2021 Stellung genommen haben. Das Gericht hat diese Stellungnahmen zur Kenntnis genommen.

47

Die Hauptparteien und die Streithelferinnen haben in der Sitzung, die an fünf Tagen vom 27. September bis zum 1. Oktober 2021 stattfand, mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

C. Anträge der Parteien

48

Google, unterstützt durch die ADA, die CCIA, Gigaset, die HMD und Opera, beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

hilfsweise, die Geldbuße aufzuheben oder herabzusetzen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen;

dem BEUC, dem VDZ, dem BDZV, Seznam, FairSearch und Qwant die mit ihrer Streithilfe verbundenen Kosten aufzuerlegen.

49

Die ADA, die CCIA, Gigaset, die HMD und Opera beantragen ihrerseits, die mit ihrer Streithilfe verbundenen Kosten der Kommission aufzuerlegen.

50

Die Kommission, unterstützt durch den BEUC, den VDZ, den BDZV, Seznam, FairSearch und Qwant, beantragt,

die Klage abzuweisen;

Google die Kosten aufzuerlegen;

der ADA, der CCIA, Gigaset, der HMD und Opera die mit ihrer Streithilfe verbundenen Kosten aufzuerlegen.

51

Der BEUC, der VDZ, der BDZV, Seznam, FairSearch und Qwant beantragen ihrerseits, die mit ihrer Streithilfe verbundenen Kosten Google aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

52

Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf sechs Klagegründe:

Mit dem ersten Klagegrund wird eine fehlerhafte Beurteilung der Marktabgrenzung und des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung gerügt.

Mit dem zweiten Klagegrund wird eine fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der in den VVAM enthaltenen Vorinstallationsbedingungen gerügt.

Mit dem dritten Klagegrund wird eine fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der in den sortimentbezogenen VAE enthaltenen Bedingung einer exklusiven Vorinstallation gerügt.

Mit dem vierten Klagegrund wird eine fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der in den AFV für die Vergabe von Lizenzen für den Play Store und Google Search aufgestellten Bedingung der Einhaltung von Verpflichtungen zur Verhinderung von Fragmentierung (im Folgenden: VVF) gerügt.

Mit dem fünften Klagegrund wird eine Verletzung der Verteidigungsrechte gerügt.

Mit dem sechsten Klagegrund wird eine fehlerhafte Beurteilung der verschiedenen bei der Berechnung der Geldbuße berücksichtigten Faktoren gerügt.

A. Vorbemerkungen

53

Bevor das Vorbringen der Parteien geprüft wird, sind einige Bemerkungen zum kommerziellen Hintergrund der geahndeten Verhaltensweisen, zu den Modalitäten der gerichtlichen Kontrolle des angefochtenen Beschlusses und zur Beweisführung sowie zur Zulässigkeit der dem Gericht vorgelegten Beweise angebracht.

1.   Kommerzieller Hintergrund der geahndeten Verhaltensweisen

54

Das Online-Wörterbuch Merriam-Webster definiert das Verb „to google“ als die Handlung, die darin besteht, „die Suchmaschine von Google zu benutzen, um im weltweiten Internet Informationen über jemanden oder etwas zu erhalten“. Nur wenige Unternehmen können einen Bekanntheitsgrad für sich in Anspruch nehmen, der so hoch ist, dass ihr Name ein Verb hervorgebracht hat, und allein diese Tatsache zeugt von der Bedeutung, die Google im Alltag erlangt hat.

a)   Geschäftsmodell mit Schwerpunkt auf der Suche über Google Search

55

Google erzielt den Großteil ihrer Einnahmen durch ihr Hauptprodukt: die Suchmaschine Google Search. Auf intelligenten Mobilgeräten können die Nutzer mit der Anwendung Google Search oder über andere Einstiegspunkte wie das Such-Widget (Search Widget) oder eine Adressleiste, die sich im Browser befindet, auf die Suchmaschine Google Search zugreifen. Diese Suchmaschine bietet allgemeine Suchdienste („general search services“) und ermöglicht es den Nutzern, im gesamten Internet nach einer Antwort auf ihre Anfragen zu suchen (Erwägungsgründe 94 bis 101 und 106 des angefochtenen Beschlusses).

56

Das Geschäftsmodell von Google beruht auf dem Zusammenspiel zwischen Online-Produkten und -Dienstleistungen einerseits, die den Nutzern meist kostenlos angeboten werden, und Online-Werbediensten andererseits, mit denen Google den weitaus größten Teil ihrer Einnahmen erzielt. So werden das BS Android, der Play Store, die Anwendung Google Search, der Browser Chrome, der E‑Mail-Dienst Gmail, der Dienst zur Speicherung und Bearbeitung von Inhalten Google Drive, der Geolokalisierungsdienst Google Maps und der Streaming-Dienst YouTube kostenlos angeboten. Andere Dienste wie Google Play Music and Movie sind kostenpflichtig, und einige bieten eine kostenpflichtige Premium-Version an, wie YouTube und Google Drive (107. Erwägungsgrund und Fn. 65 des angefochtenen Beschlusses). Beispielsweise entfielen im Jahr 2016 88,7 % der Gesamteinnahmen von Google auf Online-Werbung, wobei 80 % dieser Einnahmen über Websites von Google, insbesondere die Startseite von Google Search, generiert wurden (Erwägungsgründe 105 bis 107 und Fn. 62 des angefochtenen Beschlusses).

57

Anders als z. B. das Geschäftsmodell des Unternehmens Apple, das auf vertikaler Integration und dem Verkauf hochwertiger intelligenter Mobilgeräte basiert, beruht das Geschäftsmodell von Google vor allem darauf, die Zahl der Nutzer ihrer Online-Suchdienste zu erhöhen, um ihre Online-Werbedienste verkaufen zu können (153. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

58

Google sammelt bei der Interaktion der Nutzer mit ihren Produkten und Diensten Daten über die Geschäftsaktivitäten der Nutzer und die Nutzung ihrer Geräte. Zu den erfassten Daten gehören unter anderem Kontaktinformationen (Name, Adresse, E‑Mail-Adresse, Telefonnummer), Daten zur Identifizierung des Kontos (Nutzername und Passwort), demografische Informationen (Geschlecht und Geburtsdatum), Details der verwendeten Kreditkarte oder des verwendeten Bankkontos, Informationen über den dem Nutzer bereitgestellten Inhalt (Werbung, besuchte Seiten usw.), Interaktionsdaten wie „Klicks“, den Standort sowie Daten über das verwendete Gerät und Betriebssystem. Mit diesen Daten kann Google ihre Fähigkeit verbessern, relevante Suchantworten und Werbeanzeigen zu präsentieren (Erwägungsgründe 109 bis 111 des angefochtenen Beschlusses).

b)   Beim Übergang zum mobilen Internet eingeführte Praktiken

59

Das Geschäftsmodell von Google war ursprünglich für Personalcomputer (PCs) entwickelt worden, für die der Browser der wichtigste Zugangspunkt zum Internet war. Mitte der 2000er Jahre war Google der Ansicht, dass die Entwicklung des mobilen Internets eine grundlegende Veränderung der Nutzergewohnheiten bedeuten würde, insbesondere angesichts der Möglichkeiten, die die Geolokalisierung bietet.

60

Diese vorhersehbare Expansion veranlasste Google, eine Strategie zu entwickeln, um die Auswirkungen dieser Veränderung zu antizipieren und dafür zu sorgen, dass Nutzer ihre Suchanfragen auf mobilen Geräten über Google Search durchführen (Erwägungsgründe 112 bis 117 des angefochtenen Beschlusses). Diese Strategie umfasste mehrere Aspekte.

61

Zum einen erwarb Google im Jahr 2005 den ursprünglichen Entwickler des BS Android, um die Entwicklung und Pflege dieses Betriebssystems in Eigenregie zu übernehmen (Erwägungsgründe 120 bis 123 des angefochtenen Beschlusses). Das BS Android wird OEM, MNO und Anwendungsentwicklern unter einer freien Betriebslizenz, der AOSP-Lizenz, ohne finanzielle Gegenleistung angeboten (124. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Das BS Android ist zudem in ein „Ökosystem“ eingebettet, das andere Elemente wie das Dienstleistungspaket Google Mobile (GMS bundle oder Google Mobile Services, im Folgenden zusammen: „GMS-Paket“) umfasst (vgl. 133. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses) und zu dem u. a. der Play Store, die Anwendung Google Search und der Browser Chrome gehören. Die ersten kommerziellen Versionen von Android-Geräten wurden in den Jahren 2008 und 2009 auf den Markt gebracht.

62

Zum anderen traf Google ab 2007 eine Vereinbarung mit Apple, wonach Google Search auf allen intelligenten Mobilgeräten, die Apple seit dem iPhone auf den Markt brachte, als Standarddienst für die allgemeine Suche festgelegt wurde. Diese Vereinbarung führte dazu, dass Google Search im Jahr 2010 mehr als die Hälfte des Internetverkehrs auf dem iPhone und fast ein Drittel des gesamten mobilen Internetverkehrs ausmachte (Erwägungsgründe 118 und 119 des angefochtenen Beschlusses).

63

Darüber hinaus tritt Google mit ihren eigenen Nexus- und Pixel-Produktreihen auch als Hersteller von Google-Android-Geräten auf (Erwägungsgründe 152 und 153 des angefochtenen Beschlusses).

c)   Mehrere Aspekte umfassende einheitliche Zuwiderhandlung

64

In der vorliegenden Rechtssache hat die Kommission bestimmte Aspekte der von Google verfolgten Strategie zur Anpassung ihres Geschäftsmodells an den Übergang zum mobilen Internet als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung angesehen.

65

Dies soll für die streitigen Beschränkungen gelten, die Google den OEM und MNO auferlegt habe, um sicherzustellen, dass der Datenverkehr auf Google-Android-Geräten zur Suchmaschine Google Search geleitet werde. Nach Auffassung der Kommission hatten diese Praktiken zur Folge, dass Mitbewerbern von Google, wie Qwant oder Seznam, die Möglichkeit genommen wurde, mit Google in einen Leistungswettbewerb zu treten, und dass den Verbrauchern in der Europäischen Union die Vorteile eines wirksamen Wettbewerbs vorenthalten wurden, z. B. die Möglichkeit, eine Suchmaschine zu nutzen, die dem Schutz der Privatsphäre Vorrang einräumt, an sprachliche Besonderheiten angepasst ist oder Inhalte mit Mehrwert, insbesondere im Bereich der Information, priorisiert.

66

Wie oben dargelegt, waren die streitigen Beschränkungen den Abschnitten 11 bis 13 des angefochtenen Beschlusses zufolge dreifacher Art:

die in die VVMA eingefügten Beschränkungen, durch die Google die OEM verpflichtete, Googles allgemeine Suchanwendungen (Google Search) und Browseranwendungen (Chrome) vorzuinstallieren, bevor sie eine Betriebslizenz für ihre Vertriebsplattform für Anwendungen (Play Store) erhalten konnten;

die in die AFV eingefügten Beschränkungen, nach denen OEM, die Anwendungen von Google vorinstallieren wollten, keine Geräte mit von Google nicht genehmigten Android-Versionen verkaufen durften;

die in die sortimentbezogenen VAE eingefügten Beschränkungen, nach denen Google den OEM und den MNO einen Prozentsatz ihrer Werbeeinnahmen gewährte, sofern sich diese Hersteller und Betreiber verpflichteten, auf Geräten, die zu einem gemeinsam festgelegten Sortiment gehörten, keinen konkurrierenden allgemeinen Suchdienst vorzuinstallieren.

67

Für die Kommission waren die streitigen Beschränkungen Teil einer umfassenden Strategie, mit der Google beabsichtigte, ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für allgemeine Online-Suchdienste zu einem Zeitpunkt zu festigen, zu dem die Bedeutung des mobilen Internets erheblich zunahm (vgl. Abschnitt 14 des angefochtenen Beschlusses).

68

Ziel dieser Strategie sei es gewesen, die Chancen von Google zu wahren, dass die Verbraucher für die allgemeine Suche im Internet ihre Suchmaschine nutzten, was ihr nicht nur entsprechende Werbeeinnahmen, sondern auch die Erlangung der zur Verbesserung ihrer Dienste benötigten Informationen garantiert hätte. Auch wenn die eingesetzten Mittel vielfältig gewesen seien und in Wechselwirkung gestanden hätten, sei das Ziel im Großen und Ganzen dasselbe geblieben:

Die VVMA hätten sicherstellen sollen, dass die vermarkteten Google-Android-Geräte mit der Anwendung Google Search und dem Browser Chrome, den beiden wichtigsten Einstiegspunkten für eine allgemeine Suche, ausgestattet seien; auf diese Weise habe die Vorinstallation dieser Anwendungen bewirkt, dass Google von der damit einhergehenden „Status-quo-Präferenz“ habe profitieren können, einem Vorteil, der erhebliche Auswirkungen auf den Wettbewerb gehabt habe, indem er insbesondere die den Verbrauchern eingeräumten Wahlmöglichkeiten verringert habe.

Die AFV hätten es Google ermöglichen sollen, das Entstehen von Lösungen zu verhindern, die das BS Android zum Nachteil von Google hätten ausnutzen können; so sei es Amazon nicht gelungen, Android für die Entwicklung eigener Lösungen in Form von Anwendungen und entsprechenden Diensten zu nutzen.

Die sortimentbezogenen VAE, die zwar nicht sämtliche Google-Android-Geräte erfasst hätten und nur für einen kurzen Zeitraum umgesetzt worden seien, hätten Google etwas verschaffen sollen, was in den anderen Vereinbarungen formal nicht ausdrücklich vorgesehen gewesen sei, nämlich Exklusivität; im Rahmen dieser Vereinbarungen über die Aufteilung von Einnahmen hätten sich nämlich wichtige OEM und MNO verpflichtet, nur die Suchmaschine Google Search vorzuinstallieren.

69

Ferner ist ein wichtiger Punkt der von der Kommission im angefochtenen Beschluss, insbesondere in den Erwägungsgründen 738 und 739 und in Abschnitt 14.2, entwickelten Argumentation hervorzuheben.

70

Die Kommission hat nämlich in den VVMA, den AFV und den sortimentbezogenen VAE drei Arten von streitigen Beschränkungen identifiziert und festgestellt, dass sie zu „vier verschiedenen Zuwiderhandlungen“ gegen Art. 102 AEUV führten.

71

Zugleich war die Kommission jedoch der Ansicht, dass diese Beschränkungen und die daraus resultierenden Zuwiderhandlungen ein identisches Ziel verfolgten, sich gegenseitig ergänzten und voneinander abhängig gewesen seien. Somit liege eine „einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung“ vor, für die eine einzige Geldbuße zu verhängen sei.

72

Eine solche Zuwiderhandlung umfasse somit mehrere Aspekte, von denen sich jeder einzelne im Lauf der Zeit nach jeweils eigenen Parametern entwickelt habe, die aber alle durch das gemeinsame Ziel miteinander verbunden seien, Google einen bestmöglichen Zugang zu den von Verbrauchern auf intelligenten Mobilgeräten durchgeführten allgemeinen Suchanfragen zu verschaffen. Außerdem entfalte die Kombination der verschiedenen Aspekte dieser Zuwiderhandlung einen nicht zu vernachlässigenden „kumulativen Effekt“. Insbesondere seien die Auswirkungen der streitigen Beschränkungen nicht mehr dieselben, sobald die durch die VVMA ermöglichte Präsenzgarantie, obwohl sie nicht exklusiv sei, durch die von den VAE gewährte Exklusivität verstärkt werde.

2.   Modalitäten der gerichtlichen Kontrolle

73

Es ist darauf hinzuweisen, dass das System der gerichtlichen Kontrolle von Entscheidungen der Kommission in Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV in einer in Art. 263 AEUV vorgesehenen Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe besteht, die gemäß Art. 261 AEUV auf Antrag der Kläger um die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht hinsichtlich der in diesem Bereich von der Kommission verhängten Zwangsmaßnahmen ergänzt werden kann (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

a)   Eingehende Kontrolle aller relevanten Elemente

74

Zu der in Art. 263 AEUV vorgesehenen Rechtmäßigkeitskontrolle ist darauf hinzuweisen, dass sie sich auf sämtliche Bestandteile der Entscheidungen der Kommission in Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV erstreckt, deren eingehende rechtliche und tatsächliche Kontrolle das Gericht sicherstellt, und zwar auf der Grundlage der vom Kläger geltend gemachten Klagegründe und unter Berücksichtigung aller von ihm vorgebrachten maßgeblichen Umstände (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75

Soweit mit dem angefochtenen Beschluss eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht mit einer Geldbuße und einem Zwangsgeld geahndet wird, muss der Unionsrichter insbesondere nicht nur die sachliche Richtigkeit der von der Kommission angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten, bei der Beurteilung des Vorliegens der die Zuwiderhandlung begründenden Tatsachen zu berücksichtigenden Daten darstellen und ob sie die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Auslegung dieser Daten zu stützen vermögen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76

Anders als z. B. bei einer vorausschauenden Analyse, die für die Prüfung eines geplanten Zusammenschlusses notwendig ist und eine Prognose der Ereignisse erfordert, die mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit in der Zukunft eintreten werden, sofern keine Entscheidung erlassen wird, die den geplanten Zusammenschluss untersagt oder die Bedingungen dafür festlegt, geht es nämlich für die Kommission, wenn sie den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ahndet, zumeist darum, vergangene Ereignisse zu prüfen, in Bezug auf die häufig zahlreiche Anhaltspunkte vorliegen, die es ermöglichen, ihre Ursachen zu verstehen und ihre Auswirkungen auf einen wirksamen Wettbewerb zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, EU:C:2005:87, Rn. 42).

77

In einer solchen Situation obliegt es der Kommission, nicht nur den Missbrauch, sondern auch dessen Dauer zu beweisen. Insbesondere hat die Kommission die von ihr festgestellte Zuwiderhandlung zu beweisen und Beweise beizubringen, die geeignet sind, das Vorliegen der die Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend zu belegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Oktober 2011, Romana Tabacchi/Kommission, T‑11/06, EU:T:2011:560, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 15. Juli 2015, Trafilerie Meridionali/Kommission, T‑422/10, EU:T:2015:512, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78

Insoweit bestehende Zweifel des Gerichts müssen dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Das Gericht kann daher nicht davon ausgehen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm daran noch Zweifel bestehen; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung oder Abänderung einer Entscheidung handelt, mit der eine Geldbuße verhängt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Oktober 2011, Romana Tabacchi/Kommission, T‑11/06, EU:T:2011:560, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 15. Juli 2015, Trafilerie Meridionali/Kommission, T‑422/10, EU:T:2015:512, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79

Insbesondere wenn die Kommission – gestützt auf die Annahme, dass der festgestellte Sachverhalt nur durch die Existenz eines wettbewerbswidrigen Verhaltens erklärt werden könne – eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln feststellt, erklärt das Gericht den in Rede stehenden Beschluss für nichtig, sofern das betroffene Unternehmen Argumente vorbringt, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen und damit eine andere plausible Erklärung dieses Sachverhalts ermöglichen, als sie die Kommission gegeben hat, um eine Zuwiderhandlung festzustellen. In einem solchen Fall ist nämlich nicht anzunehmen, dass die Kommission den Beweis für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht erbracht hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. März 1984, Compagnie royale asturienne des mines und Rheinzink/Kommission, 29/83 und 30/83, EU:C:1984:130, Rn. 16, und vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, C‑89/85, C‑104/85, C‑114/85, C‑116/85, C‑117/85 und C‑125/85 bis C‑129/85, EU:C:1993:120, Rn. 126 und 127).

80

Bestehen Zweifel am Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals der Zuwiderhandlung, ist nämlich der Grundsatz der Unschuldsvermutung zu beachten, der zu den in der Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten gehört und in Art. 48 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist. Angesichts der Art der betreffenden Zuwiderhandlungen sowie von Art und Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen ist der Grundsatz der Unschuldsvermutung insbesondere in Verfahren wegen Verstößen gegen die für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln anwendbar, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können. Somit ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die behauptete Zuwiderhandlung begangen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Oktober 2011, Romana Tabacchi/Kommission, T‑11/06, EU:T:2011:560, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 15. Juli 2015, Trafilerie Meridionali/Kommission, T‑422/10, EU:T:2015:512, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81

Auch wenn es erforderlich ist, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die behauptete Zuwiderhandlung begangen wurde, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nicht jeder der von der Kommission beigebrachten Beweise notwendigerweise diesem Kriterium in Bezug auf jedes Element der Zuwiderhandlung genügen muss. Es genügt, dass das Bündel der von ihr angeführten Indizien bei einer Gesamtbetrachtung dieses Erfordernis erfüllt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Januar 2017, Kommission/Keramag Keramische Werke u. a., C‑613/13 P, EU:C:2017:49, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

b)   Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hinsichtlich der Geldbuße

82

Die dem Unionsrichter in Art. 31 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) im Einklang mit Art. 261 AEUV eingeräumte Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ermächtigt den Richter über die bloße Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Sanktion hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 193 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83

Insbesondere hat der Unionsrichter, um den Erfordernissen einer unbeschränkten gerichtlichen Nachprüfung im Sinne von Art. 47 der Charta der Grundrechte hinsichtlich der Geldbuße zu genügen, bei der Ausübung der in den Art. 261 und 263 AEUV vorgesehenen Befugnisse jede Rechts- oder Sachrüge zu prüfen, mit der dargetan werden soll, dass die Höhe der Geldbuße Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung nicht angemessen ist (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 195 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84

Insoweit ist u. a. entschieden worden, dass die Schwere der Zuwiderhandlung individuell zu beurteilen ist und dass bei der Bemessung von Geldbußen die Dauer der Zuwiderhandlung sowie sämtliche Faktoren zu berücksichtigen sind, die für die Beurteilung ihrer Schwere eine Rolle spielen, wie insbesondere das Verhalten des betreffenden Unternehmens, seine Rolle bei der Einführung der missbräuchlichen Praktiken, der Gewinn, den es aus diesen Verhaltensweisen ziehen konnte, oder auch die Intensität der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 196 und 197 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

85

Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Gericht die Leitlinien der Kommission für die Berechnung von Geldbußen anwendet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2016, Trafilerie Meridionali/Kommission, C‑519/15 P, EU:C:2016:682, Rn. 52 bis 55).

86

Im Ergebnis kann der Unionsrichter den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, abändern, indem er die verhängte Geldbuße aufhebt, herabsetzt oder erhöht. Diese Befugnis ist unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände auszuüben. Folglich kann der Unionsrichter seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausüben, wenn ihm die Frage nach der Höhe der Geldbuße zur Beurteilung vorgelegt worden ist, und ihre Ausübung bewirkt, dass die Befugnis zur Verhängung von Sanktionen endgültig auf ihn übergeht (vgl. Beschluss vom 7. Juli 2016, Westfälische Drahtindustrie und Pampus Industriebeteiligungen/Kommission, C‑523/15 P, EU:C:2016:541, Rn. 32 bis 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

3.   Zur Beweisführung und zu den verschiedenen insoweit vorgebrachten Beanstandungen

87

Im Rahmen der vorliegenden Klage bestreiten sowohl die Kommission als auch Google die Relevanz oder sogar die Zulässigkeit bestimmter Argumente und entsprechender Beweise, die von ihnen oder den Streithelfern vorgebracht wurden.

88

Dies gilt beispielsweise für bestimmte Erklärungen, die von einer Führungskraft oder einem Angestellten von Google oder einer interessierten Partei abgegeben wurden, für bestimmte Erklärungen oder Berichte, die auf Antrag einer Partei von einem Dritten, der sich als Sachverständiger bezeichnet, vorgelegt wurden, und für Dokumente, die vorgelegt wurden, um das Vorliegen einer im angefochtenen Beschluss angeführten Tatsache nachzuweisen, die als allgemein bekannt eingestuft werden kann, vor dem Gericht aber bestritten wird, nämlich das Konzept der „Status-quo-Präferenz“ (status quo bias), das in der Psychologie entwickelt wurde, um ein nicht rationales Verhalten zu veranschaulichen, das die Abneigung gegen Veränderungen erklärt. Dasselbe gilt für Dokumente, die auf der Grundlage unternehmensspezifischer interner Daten erstellt wurden und die zur Unterstützung oder Widerlegung einer im angefochtenen Beschluss oder im Rahmen der vorliegenden Klage aufgestellten Behauptung vorgelegt wurden.

89

Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Beschlusses der Kommission in Verfahren nach Art. 101 oder 102 AEUV unter Berücksichtigung aller vom Kläger vorgebrachten Umstände – aus der Zeit vor oder nach dem angefochtenen Beschluss – erfolgt, unabhängig davon, ob sie vorab im Rahmen des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht wurden oder zum ersten Mal im Rahmen der Klage, mit der das Gericht befasst ist, vorgebracht wurden, soweit diese Umstände relevant sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90

Ebenso hat das Gericht im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu dem Zeitpunkt, zu dem es seine Entscheidung erlässt, zu bewerten, ob gegen die klagende Partei eine angemessene Geldbuße verhängt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2014, Esso u. a./Kommission,T‑540/08, EU:T:2014:630, Rn. 133 und die dort angeführte Rechtsprechung). In diesem Rahmen ist das Gericht befugt, sämtliche von ihm für maßgeblich erachteten tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen, mögen sie vor oder nach der getroffenen Entscheidung eingetreten sein (Beschluss vom 7. Juli 2016, Westfälische Drahtindustrie und Pampus Industriebeteiligungen/Kommission, C‑523/15 P, EU:C:2016:541, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus diesen Grundsätzen, dass die von den Klägerinnen erstmals vor dem Gericht vorgebrachten Argumente und entsprechenden Beweise, wenn sie für die Beurteilung des Gerichts relevant sind, nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden können, dass sie der Kommission nicht zuvor im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgetragen worden seien.

92

Zweitens ist zudem darauf hinzuweisen, dass im Unionsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt, aus dem zum einen folgt, dass die Zulässigkeit eines rechtmäßig erlangten Beweises vor dem Gericht nicht in Frage gestellt werden kann, und zum anderen, dass das alleinige Kriterium für die Beurteilung der Beweiskraft ordnungsgemäß vorgelegter Beweise ihre Glaubhaftigkeit ist (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93

In Anwendung dieses Grundsatzes gibt es in der vorliegenden Rechtssache für das Gericht keinen Grund zu der Annahme, dass die verschiedenen von den Parteien vorgelegten Beweise nicht ordnungsgemäß erlangt wurden oder dass sie nicht hinreichend glaubhaft sind, um bei seiner Beurteilung berücksichtigt zu werden.

94

Insoweit lässt sich zum Beweiswert der verschiedenen Beweise, gegen die Beanstandungen vorgebracht wurden, Folgendes feststellen.

95

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass den Erklärungen, die von einer Führungskraft oder einem Angestellten von Google oder von einer interessierten Partei abgegeben wurden, zwar nicht jede Beweiskraft abgesprochen werden kann, dass solche Erklärungen jedoch darauf abzielen, die Verantwortung des vom Verfahren betroffenen Unternehmens entweder abzuschwächen oder zu untermauern, um es je nach den eigenen Interessen der die Erklärung abgebenden Partei zu verteidigen oder zu beschuldigen. Daher mögen diese Erklärungen einen Beweiswert haben, der jedoch im Vergleich zu dem Wert verschiedener Dokumente, wie E‑Mails oder anderer interner Dokumente, die sich direkt auf den in Rede stehenden Zeitraum und Sachverhalt beziehen, zu relativieren ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T‑54/03, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:255, Rn. 379).

96

Ebenso ist bei Erklärungen oder Berichten, die auf Verlangen einer Partei von einem Dritten, der sich als Sachverständiger bezeichnet, zur Unterstützung ihrer Behauptungen vorgelegt werden, zu beachten, dass der Beweiswert solcher Dokumente unter mehreren Gesichtspunkten beurteilt werden muss. Zum einen muss der Verfasser darauf achten, seine Qualifikationen und Erfahrungen darzulegen und zu erläutern, inwiefern diese für die Erstellung eines Gutachtens zu der untersuchten Frage relevant sind. Zum anderen muss in dieser Stellungnahme dargelegt werden, aus welchen Gründen sie Beachtung verdient, sei es wegen der Zuverlässigkeit der verwendeten Methodik oder der Relevanz der Antwort auf diese Frage für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der insoweit eingereichten Stellungnahmen der Parteien hat das Gericht die Dokumente in der vorliegenden Rechtssache geprüft.

97

Schließlich sind Dokumente, die vorgelegt werden, um das Vorliegen einer im angefochtenen Beschluss angeführten Tatsache nachzuweisen, die als allgemein bekannt eingestuft werden kann, nach der Rechtsprechung als zulässig anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Februar 2020, Hickies/EUIPO [Form eines Schnürsenkels], T‑573/18, EU:T:2020:32, Rn. 18). Solche Dokumente beschränken sich nämlich im Wesentlichen darauf, zu belegen, dass über die Bedeutung des von einigen Unternehmen angeführten und von der Kommission im angefochtenen Beschluss aufgegriffenen Konzepts der „Status-quo-Präferenz“ ein allgemeiner Konsens besteht.

98

Drittens ist festzustellen, dass die Hauptparteien – obwohl Beweise und Beweisangebote nach Art. 85 der Verfahrensordnung grundsätzlich im Rahmen des ersten Schriftsatzwechsels vorzulegen sind – diese noch in der Erwiderung und der Gegenerwiderung, ausnahmsweise sogar noch bis zum Abschluss des mündlichen Verfahrens zur Unterstützung ihres Vorbringens vorlegen können, sofern die Verspätung ihrer Vorlage gerechtfertigt ist. Nach der Rechtsprechung sind jedoch der Gegenbeweis und die Erweiterung der Beweisangebote im Anschluss an ein Argument oder an einen Gegenbeweis der Gegenpartei in der Klagebeantwortung von dieser Präklusionsvorschrift nicht erfasst. Diese Vorschrift betrifft nämlich neue Beweismittel und ist im Zusammenhang mit Art. 92 Abs. 7 der Verfahrensordnung zu sehen, der ausdrücklich vorsieht, dass Gegenbeweis und Erweiterung des Beweisantritts vorbehalten bleiben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, EU:C:1998:608, Rn. 71 und 72, sowie vom 5. Dezember 2006, Westfalen Gassen Nederland/Kommission, T‑303/02, EU:T:2006:374, Rn. 189).

99

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Prüfung der verschiedenen Einwendungen der Parteien gegen die Relevanz oder die Zulässigkeit bestimmter Argumente und entsprechender Beweise, die von den Hauptparteien oder den Streithelfern vorgebracht wurden, dass alle diese Einwendungen mit der Begründung zurückgewiesen werden können, dass die Argumente und Beweise im Zusammenhang mit der Anwendung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens stehen, weil die betreffenden Parteien sie vorgebracht haben, um auf Argumente oder Gegenbeweise zu antworten, die dem Gericht kurz zuvor übermittelt worden waren.

100

Unter diesem Gesichtspunkt ist das Gericht der Auffassung, dass sowohl erstmals im Rahmen der Klage vorgebrachte Beweise als auch die Berufung auf Tatsachen oder die Vorlage von Beweisen, mit denen das Vorbringen einer anderen Partei im Lauf des Verfahrens, erforderlichenfalls unter Berücksichtigung interner Daten, widerlegt oder eine allgemein bekannte Tatsache belegt werden soll, nicht für unzulässig erklärt werden können und dass ihre Erheblichkeit später im Rahmen der Prüfung der verschiedenen gegen den angefochtenen Beschluss vorgebrachten Klagegründe beurteilt werden kann.

101

Im Licht dieser Erwägungen sind die verschiedenen von Google zur Stützung der Klage vorgebrachten Klagegründe sowie die Gesamtheit der von den Parteien vorgelegten Beweise zu prüfen.

B. Erster Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Abgrenzung des relevanten Marktes und des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung

102

Mit dem ersten Klagegrund, der in drei Teile gegliedert ist, wirft Google der Kommission vor, bei der Definition der relevanten Märkte und der anschließenden Beurteilung ihrer beherrschenden Stellung auf einigen dieser Märkte mehrere Fehler begangen zu haben.

1.   Hintergrund

103

Um den Begriff des Wettbewerbs zwischen „Ökosystemen“ zu betrachten, den Google im Rahmen dieses Klagegrundes anspricht, ist es zunächst erforderlich, zum einen darauf hinzuweisen, um was es bei der Abgrenzung des relevanten Marktes im Zusammenhang mit dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung hauptsächlich geht, und zum anderen die Besonderheiten der vorliegenden Rechtssache zu untersuchen.

a)   Begriffe „relevanter Markt“, „marktbeherrschende Stellung“ und „Wettbewerbsdruck“, insbesondere beim Vorhandensein eines „Ökosystems“

104

Im Rahmen der Anwendung von Art. 102 AEUV soll durch die Abgrenzung des relevanten Marktes ermittelt werden, für welchen Bereich zu beurteilen ist, ob das betreffende Unternehmen in der Lage ist, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (vgl. Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 127 und die dort angeführte Rechtsprechung).

105

Die Abgrenzung des relevanten Marktes ist daher grundsätzlich eine Vorbedingung für die Beurteilung der Frage, ob das betreffende Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung innehat. Dies setzt voraus, dass erstens die Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die Teil des relevanten Marktes sind (im Folgenden „Produktmarkt“), und zweitens die geografische Dimension dieses Marktes definiert werden (vgl. Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 127 und 128 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

106

Was den Produktmarkt betrifft, bedeutet der Begriff des relevanten Marktes, dass zwischen den zu ihm gehörenden Erzeugnissen oder Dienstleistungen ein wirksamer Wettbewerb herrschen kann, was einen hinreichenden Grad an Austauschbarkeit oder Ersetzbarkeit zwischen diesen Erzeugnissen und Dienstleistungen voraussetzt. Die Austauschbarkeit oder Ersetzbarkeit beurteilt sich nicht allein mit Blick auf die objektiven Eigenschaften der fraglichen Erzeugnisse und Dienstleistungen. Ferner müssen die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt in Betracht gezogen werden (vgl. Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung).

107

In seiner geografischen Dimension entspricht der relevante Markt dem Gebiet, in dem die Wettbewerbsbedingungen ähnlich sind und ein ausreichend homogenes Ganzes bilden, um global betrachtet zu werden und eine Einschätzung der wirtschaftlichen Macht des betroffenen Unternehmens zu ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 1978, United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, 27/76, EU:C:1978:22, Rn. 11, 44, 52 und 53).

108

In Anwendung dieser Grundsätze ist mit der beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV somit die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens gemeint, die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Kunden und schließlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (Urteil vom 14. Februar 1978, United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, 27/76, EU:C:1978:22, Rn. 65).

109

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmung des relevanten Marktes und der marktbeherrschenden Stellung, die das betreffende Unternehmen auf diesem Markt innehat, nicht nur dazu dient, die Realität und das Ausmaß des internen Wettbewerbsdrucks auf diesem Markt zu definieren, sondern auch dazu, zu überprüfen, dass es keinen externen Wettbewerbsdruck durch andere Erzeugnisse, Dienstleistungen oder Gebiete als diejenigen gibt, die zu dem untersuchten relevanten Markt gehören.

110

Allgemein muss die Kommission den Bereich ermitteln und definieren, in dem der Wettbewerb zwischen den Unternehmen stattfindet, um festzustellen, ob das betreffende Unternehmen in nennenswertem Umfang unabhängig von dem Druck handeln kann, den ein wirksamer Wettbewerb ausübt.

111

Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, sind die Austausch- und die Ersetzbarkeit von Produkten oder Dienstleistungen naturgemäß insofern dynamisch, als die Definition der Produkte oder Dienstleistungen, bei denen davon ausgegangen wird, dass ein auf dem Markt vorhandenes Produkt oder eine dort vorhandene Dienstleistung mit ihnen ausgetauscht oder durch sie ersetzt werden kann, durch das Auftreten neuer Produkte oder Dienstleistungen Veränderungen unterliegen kann, so dass eine Neudefinition der Parameter des relevanten Marktes gerechtfertigt ist (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 130).

112

Eine solche Beurteilung setzt jedoch voraus, dass es einen ausreichenden Grad an Austauschbarkeit zwischen den Produkten oder Dienstleistungen, die Teil des relevanten Marktes sind, und denjenigen gibt, die zur Deckung der Nachfrage auf diesem Markt vorgesehen sind. Dies wäre der Fall, wenn der Anbieter des Alternativangebots in der Lage ist, die Nachfrage kurzfristig mit einer Stärke zu befriedigen, die ausreicht, um ein ernst zu nehmendes Gegengewicht zu der Marktmacht zu bilden, die das betreffende Unternehmen auf dem relevanten Markt ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 132 und 133).

113

Unter bestimmten Umständen kann es daher zwar angebracht sein, den externen Druck zu untersuchen, der von einem alternativen Angebot ausgehen könnte, doch müssen auch die für bestimmte Situationen charakteristischen Besonderheiten berücksichtigt werden, insbesondere wenn mehrere Märkte miteinander verflochten sind.

114

Auch wenn die oben dargelegten Grundsätze weiterhin gültig bleiben, um einen klaren und transparenten Rahmen für die Analyse der Begriffe „relevanter Markt“ und „marktbeherrschende Stellung“ zu definieren, erfordert ihre Anwendung nämlich manchmal eine ausführlichere, über die bloße Unterteilung in Marktsegmente hinausgehende Prüfung, um den auf diesen Märkten herrschenden Wettbewerbsdruck und die wirtschaftliche Machtposition des betreffenden Unternehmens besser beurteilen zu können.

115

Dies gilt insbesondere für Märkte, die wie im vorliegenden Fall der digitalen Wirtschaft zuzurechnen sind, bei der traditionelle Parameter wie der Preis von Produkten oder Dienstleistungen oder der Marktanteil des betreffenden Unternehmens im Vergleich zu anderen Variablen wie Innovation, Zugang zu Daten, mehrseitige Aspekte, Nutzerverhalten oder Netzeffekte weniger wichtig sein können als auf klassischen Märkten.

116

So können in einem digitalen „Ökosystem“, das mehrere Kategorien von Anbietern, Kunden und Verbrauchern auf einer Plattform zusammenbringt und interagieren lässt, Produkte oder Dienstleistungen, die zu den relevanten, dieses Ökosystem bildenden Märkten gehören, ineinandergreifen oder aufgrund ihrer horizontalen oder vertikalen Komplementarität miteinander verbunden sein. Zusammengenommen können diese relevanten Märkte in Anbetracht des Systems, das ihre Komponenten zusammenbringt, und des möglichen Wettbewerbsdrucks, der innerhalb dieses Systems besteht oder von anderen Systemen ausgeht, auch eine globale Dimension haben.

117

Die Ermittlung der für die Beurteilung der wirtschaftlichen Machtstellung des betroffenen Unternehmens relevanten Wettbewerbsbedingungen kann somit eine Prüfung auf mehreren Ebenen oder in mehrere Richtungen erfordern, um die Realität und das Ausmaß der verschiedenen Aspekte des Wettbewerbsdrucks zu bestimmen, dem dieses Unternehmen ausgesetzt sein kann.

118

Abschließend kommt es im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes darauf an, unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien und der im angefochtenen Beschluss dargelegten Erwägungen zu prüfen, ob Google durch die Ausübung der ihr von der Kommission auf den relevanten Märkten zugeschriebenen Macht tatsächlich in der Lage war, in erheblichem Umfang unabhängig von den verschiedenen Faktoren zu handeln, die ihr Verhalten hätten einschränken können.

119

Wie Google im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen vorgetragen hat und im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes erneut geltend macht, hätte die Kommission nämlich ihr Vorbringen berücksichtigen müssen, dass sie aufgrund des vom Apple-Ökosystem ausgehenden Wettbewerbsdrucks nicht über die Macht verfügt habe, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf den mit dem Android-Ökosystem verbundenen relevanten Märkten zu verhindern.

b)   Unterschiedliche, aber miteinander verbundene Märkte

120

Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass die Kommission vier Arten von relevanten Märkten identifiziert hat (Erwägungsgründe 217 und 402 des angefochtenen Beschlusses): erstens den weltweiten Markt (ohne China) für lizenzierte BS im Sinne von Betriebssystemlizenzen für intelligente Mobilgeräte (siehe oben, Rn. 3, im Folgenden: Markt für lizenzierte BS), zweitens den weltweiten Markt (ohne China) für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen, drittens die verschiedenen nationalen Märkte für die Bereitstellung von allgemeinen Suchdiensten innerhalb des EWR und viertens den weltweiten Markt für nicht BS-spezifische Internetbrowser, die für die mobile Nutzung konzipiert sind (im Folgenden: mobile Internetbrowser).

121

Anschließend hat die Kommission festgestellt, dass Google auf den ersten drei Märkten eine beherrschende Stellung innegehabt habe (439. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), d. h., dass sie in erheblichem Umfang in der Lage gewesen sei, sich auf diesen Märkten unabhängig von ihren Mitbewerbern, ihren Kunden und den Verbrauchern zu verhalten.

122

Im Rahmen dieser Analyse hat die Kommission insbesondere den von Apple auf Google ausgeübten Wettbewerbsdruck berücksichtigt, den sie als „indirekten Wettbewerbsdruck“ einstufte, weil er auf der Ebene der Nutzer und Anwendungsentwickler ausgeübt worden sei (242. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), und den sie für „nicht ausreichend“ befand, um die beherrschende Stellung von Google auf den relevanten Märkten in Frage zu stellen (Erwägungsgründe 243, 322, 479 bis 559 und 652 bis 672 des angefochtenen Beschlusses). Dem angefochtenen Beschluss zufolge seien Apple und das iOS-Ökosystem nicht in der Lage gewesen, einen ausreichenden Wettbewerbsdruck auf Google und das Android-Ökosystem auszuüben.

123

Hierzu ist als Erstes festzustellen, dass Google in der Klageschrift aus Gründen der Zweckmäßigkeit und unbeschadet ihres insoweit vertretenen Standpunkts angibt, sich dafür entschieden zu haben, die im angefochtenen Beschluss getroffene Feststellung, dass sie die verschiedenen nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste beherrsche, nicht zu bestreiten.

124

Da Google hierzu – außer ihrer späteren beiläufigen Bemerkung zu den von der Kommission untersuchten Wettbewerbsbedingungen in Bezug auf den Markt für allgemeine Suchdienste in der Tschechischen Republik, wo der Marktanteil von Google unstreitig geringer ist als in den übrigen EWR-Ländern – nichts Weiteres vorbringt, besteht für das Gericht kein Anlass, die Feststellungen der Kommission in Bezug auf diese nationalen Märkte in den Erwägungsgründen 674 bis 727 des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen.

125

Für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache ist daher davon auszugehen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss ordnungsgemäß festgestellt hat, dass Google eine beherrschende Stellung auf den verschiedenen nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste innerhalb des EWR innehatte, weil sie in der Lage war, sich in erheblichem Umfang unabhängig von ihren Wettbewerbern, ihren Kunden und den Verbrauchern zu verhalten (vgl. Erwägungsgründe 674 und 675 des angefochtenen Beschlusses und die zur Stützung dieser Schlussfolgerung dargelegten Erwägungen).

126

Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass die relevanten Märkte im angefochtenen Beschluss zwar separat dargestellt wurden, aber gleichwohl nicht künstlich voneinander getrennt werden können, weil alle komplementäre Aspekte aufwiesen, die von der Kommission ordnungsgemäß erwähnt wurden.

127

Dies war auch bei dem Markt für lizenzierte BS und dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen der Fall. Die über eine solche Vertriebsplattform erhältlichen Anwendungen waren nämlich nur deshalb von Interesse, weil sie auf dem lizenzierten Android-BS liefen. Umgekehrt war ein lizenziertes BS, um seine Attraktivität zu erhöhen, von der Anzahl, der Vielfalt und der Qualität der Anwendungen abhängig, die auf diesem BS laufen konnten (Erwägungsgründe 84 bis 88 und 271 des angefochtenen Beschlusses).

128

Ebenso ließen sich die nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste nicht von den Märkten für lizenzierte BS, für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen und für nicht BS-spezifische mobile Internetbrowser trennen. Zusammen stellten die Produkte oder Dienstleistungen, die von diesen drei Arten relevanter Märkte erfasst wurden, nämlich ein Zugangstor zu den allgemeinen Suchdiensten dar (vgl. z. B. 1341. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

129

Vor diesem tatsächlichen Hintergrund unterschiedlicher, aber miteinander verbundener relevanter Märkte und der Umsetzung einer Gesamtstrategie, die nach Ansicht der Kommission im Wesentlichen darauf abzielte, die beherrschende Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste zu sichern, ist das Vorbringen zum ersten Klagegrund zu prüfen.

2.   Erster Teil: Beherrschende Stellung auf dem Markt der lizenzierten BS für intelligente Mobilgeräte

130

Bei der Abgrenzung des Marktes für lizenzierte BS ging die Kommission davon aus, dass Betriebssysteme für Computer, Betriebssysteme für mobile Geräte mit eingeschränkter Funktionalität und nicht lizenzierbare BS im Sinne von Betriebssystemen für intelligente Mobilgeräte, für die keine Lizenzen angeboten werden, einschließlich Apples iOS, von diesem Markt ausgeschlossen werden sollten. Dagegen hat die Kommission festgestellt, dass dieser Markt alle lizenzierten BS umfasse und nicht zwischen BS für Smartphones und solchen für Tablets zu unterscheiden sei (Erwägungsgründe 218 bis 267 des angefochtenen Beschlusses).

131

Ferner war die Kommission der Auffassung, dass Google mit ihren Google-Android-Geräten eine beherrschende Stellung auf dem Markt für lizenzierte BS innehabe. Um zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen, hat sich die Kommission auf den Marktanteil von Google und dessen Entwicklung im Laufe der Zeit, auf die Untersuchung der Marktzutritts- und Expansionsschranken, auf das Fehlen einer kompensierenden Nachfragemacht sowie einen unzureichenden Wettbewerbsdruck durch nicht lizenzierbare BS, insbesondere Apples iOS, gestützt (Erwägungsgründe 440 bis 589 des angefochtenen Beschlusses).

132

Im ersten Teil des ersten Klagegrundes macht Google geltend, dass die Kommission ihre Stellung auf diesem Markt falsch beurteilt habe, weil sie den von nicht lizenzierbaren BS, insbesondere Apples iOS, und den von der AOSP-Lizenz ausgehenden Wettbewerb nicht angemessen berücksichtigt habe.

a)   Zur Zulässigkeit des ersten Teils

133

Die Kommission macht geltend, dass der erste Teil, soweit er darauf abziele, die Abgrenzung des Marktes für lizenzierte BS in Frage zu stellen, für unzulässig zu erklären sei. Google bestreite nämlich nur die Feststellung ihrer beherrschenden Stellung auf diesem Markt.

134

In diesem Zusammenhang konzentriert Google ihre Argumente zwar auf ihre angeblich beherrschende Stellung auf dem Markt für lizenzierte BS und formuliert die Überschrift des ersten Teils in diesem Sinne, wirft der Kommission mit ihren Argumenten aber gleichwohl vor, diesen Markt im Hinblick auf die OEM und nicht auf die Nutzer oder Anwendungsentwickler abgegrenzt zu haben, bei denen sich der von Apple ausgeübte Wettbewerbsdruck bemerkbar mache.

135

Diese Argumentation ist im Licht der Erwägungen zu verstehen, die die Kommission veranlasst haben, nicht lizenzierbare BS vom relevanten Markt auszuschließen, und die insbesondere berücksichtigen, dass der von Apple ausgehende Wettbewerb indirekt und unzureichend gewesen sei und dass die Lösungen in dem von Google angeführten Urteil vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), nicht anwendbar seien (vgl. Abschnitt 7.3.5 zur Marktabgrenzung und Erwägungsgründe 241 bis 245 des angefochtenen Beschlusses). Darüber hinaus hat sich die Kommission bei der Abgrenzung des Marktes für lizenzierte BS selbst auf die Erwägungen bezogen, die sie zur Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung von Google auf diesem Markt angestellt hat und die auch den Wettbewerbsdruck berücksichtigen, der von Apple ausgeübt werden kann, insbesondere im Hinblick auf die Nutzer oder Anwendungsentwickler (vgl. Erwägungsgründe 243 und 267 des angefochtenen Beschlusses, die auf den Abschnitt 9.3.4 zur Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung verweisen).

136

Da Google sowohl den Erwägungen, die zur Abgrenzung des Marktes für lizenzierte BS herangezogen wurden, als auch den zur Beurteilung ihrer marktbeherrschenden Stellung auf diesem Markt herangezogenen Erwägungen entgegentritt, gibt es keinen Grund, die Zulässigkeit des ersten Teils auf den zweiten Aspekt der in Frage gestellten Erwägungen zu beschränken.

137

Daher ist das Vorbringen im ersten Teil des ersten Klagegrundes, mit dem Google die Abgrenzung des Marktes für lizenzierte BS beanstandet, für zulässig zu erklären.

b)   Zur Begründetheit des ersten Teils

138

Google stützt den ersten Teil des ersten Klagegrundes auf zwei Rügen, nämlich erstens eine fehlerhafte Beurteilung des Wettbewerbsdrucks durch nicht lizenzierbare BS, insbesondere Apples iOS, und zweitens eine fehlerhafte Beurteilung des Wettbewerbsdrucks durch die quelloffene Natur der AOSP-Lizenz.

1) Zum Wettbewerbsdruck durch nicht lizenzierbare BS

139

Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission zum einen die Auffassung vertreten, dass nicht lizenzierbare BS nicht zum Markt für lizenzierte BS gehörten (vgl. Erwägungsgründe 238 bis 267 des angefochtenen Beschlusses), und zum anderen, dass die beherrschende Stellung von Google auf dem Markt für lizenzierte BS nicht durch den Wettbewerbsdruck beeinträchtigt werde, den die nicht lizenzierbaren BS von Apple und BlackBerry auf diesem Markt ausübten (vgl. Erwägungsgründe 479 bis 589 des angefochtenen Beschlusses). Obwohl die Abgrenzung des relevanten Marktes und die Stellung von Google auf diesem Markt somit getrennt behandelt wurden, sind die in diesen beiden Abschnitten des angefochtenen Beschlusses aufgeworfenen Fragen eng miteinander verknüpft.

140

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Abgrenzung des Marktes für lizenzierte BS die von Google nicht bestrittene Tatsache berücksichtigt hat, dass die OEM keinen Zugang zu nicht lizenzierbaren BS haben, insbesondere nicht zu Apples iOS (239. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Daher konnte die Rolle, die nicht lizenzierbare BS spielen konnten, – wie dies im Übrigen auch Google geltend gemacht hat –, nur auf der Ebene der Nutzer und der Anwendungsentwickler untersucht werden (241. Erwägungsgrund Nr. 2 und 243. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission war jedoch der Ansicht, dass dieser indirekte Wettbewerb nicht ausgereicht habe, um der Marktmacht von Google entgegenzuwirken (243. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses mit Verweis auf dessen Abschnitt 9.3.4).

141

Um zu einer solchen Schlussfolgerung zu gelangen, hat die Kommission u. a. die Hypothese einer leichten, aber signifikanten und nicht vorübergehenden Qualitätsverschlechterung (Small but Significant and Non Transitory Decrease in Quality, im Folgenden: Qualitätsverschlechterung oder SSNDQ-Test) von Android in Betracht gezogen. Mit diesem Test hat sie die Reaktion von Nutzern und Anwendungsentwicklern auf eine Verschlechterung der Qualität von Android untersucht. Die Kommission hat mit anderen Worten geprüft, ob Google von der Entwicklung und Finanzierung von Android hätte absehen können, ohne dass dessen Nutzer und Anwendungsentwickler als Reaktion darauf ein alternatives Angebot bevorzugt hätten.

142

Mit dem ersten Teil wirft Google der Kommission vor, sie habe sowohl bei der Abgrenzung des Marktes für lizenzierte BS als auch bei der Beurteilung ihrer Macht auf diesem Markt den von Apple ausgeübten Wettbewerb in Bezug auf Nutzer und Anwendungsentwickler außer Acht gelassen. Erstens habe die Kommission zu Unrecht Beweise für den Wettbewerbsdruck durch Apple unberücksichtigt gelassen. Zweitens habe sie die im Urteil vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), entwickelten Grundsätze nicht berücksichtigt, die den Wettbewerb von vertikal integrierten Unternehmen in Betracht zögen. Drittens habe die Kommission mit dem SSNDQ-Test, der ein ungenaues Instrument bleibe, die Auswirkungen einer Verschlechterung der Qualität von Android unterschätzt, indem sie die Sensibilität der Nutzer für die Qualität des BS, die Bedeutung der Preispolitik von Apple, die Kosten eines Wechsels zu einem anderen BS, die Treue der Nutzer zu ihrem BS und das Verhalten der Anwendungsentwickler falsch eingeschätzt habe.

i) Zu den Beweisen für einen Wettbewerbsdruck durch Apple

– Vorbringen der Parteien

143

Ebenso wie ihre Streithelferinnen macht Google geltend, dass die Kommission zu Unrecht mehrere Beweise für den Wettbewerbsdruck durch Apple außer Acht gelassen habe. Dies gelte erstens für die hohen Investitionen von Google in die Entwicklung des BS Android, zweitens für die Regelmäßigkeit der bei diesem BS und bei Apples iOS eingeführten Innovationen sowie drittens für die in den Erwägungsgründen 250 bis 252 des angefochtenen Beschlusses genannten Dokumente, die den Wettbewerb von Apple veranschaulichen würden.

144

Die Kommission weist einleitend darauf hin, dass sie den Wettbewerbsdruck, der von den nicht lizenzierbaren BS von Apple und BlackBerry ausgehe, zu Recht als unzureichend angesehen habe. In dieser Hinsicht seien erstens die Investitionen, die Google in die Entwicklung von Android getätigt habe, durch ihr finanzielles Interesse motiviert gewesen, zweitens sei der von Google behauptete Innovationswettlauf nicht nachgewiesen, weil sich die Nutzer insbesondere nicht für ein BS, sondern eher für ein Gerät entschieden, und drittens seien die von Google angeführten Dokumente zu spärlich und nicht ausreichend, um einen hinreichenden Wettbewerbsdruck durch Apple zu belegen.

– Würdigung durch das Gericht

145

Um darzutun, dass die Beurteilung des von Apple auf dem Markt für lizenzierte BS ausgeübten Wettbewerbsdrucks und der beherrschenden Stellung von Google auf diesem Markt falsch sei, stützt sich Google auf eine Reihe von Beweisen, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

die Erklärungen einer ihrer Führungskräfte, wonach Google in Android investiert habe, um dem Wettbewerbsdruck durch Apple zu begegnen;

bestimmte der Klageschrift beigefügte Antworten auf Auskunftsverlangen der Kommission, die sich auf den Wettbewerb zwischen Apple und Google beziehen;

zwei interne Dokumente von Google, nämlich eine E‑Mail vom 16. Mai 2012 sowie eine interne Präsentation vom Oktober 2011, auf die im 252. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen wird und aus denen hervorgeht, dass Google von ihren Wettbewerbern, zu denen auch Apple gehöre, angegriffen werde und dass es das Ziel von Google sei, mit diesem vertikal integrierten Unternehmen zu konkurrieren.

146

Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Google nicht bestreitet, dass von Apple kein Wettbewerbsdruck in Bezug auf die OEM ausging, wie die Kommission festgestellt hat (vgl. Erwägungsgründe 239, 249 und 252 des angefochtenen Beschlusses). Google beschränkt sich darauf, sich auf ihren Wettbewerb um Nutzer und Anwendungsentwickler zu berufen, der von der Kommission untersucht wurde, die diesen Wettbewerbsdruck nicht nur als indirekt, sondern auch als unzureichend eingestuft hat (vgl. Erwägungsgründe 242, 243 nebst Verweis auf Abschnitt 9.3.4, 249 und 267 des angefochtenen Beschlusses).

147

Sodann ist festzustellen, dass aus den von Google angeführten Beweisen nicht hervorgeht, dass Apple einen Wettbewerbsdruck ausübt, der Google daran hindern könnte, sich in nennenswertem Umfang unabhängig von ihren Wettbewerbern, ihren Kunden und den Verbrauchern zu verhalten. Weder die Erklärungen einer Führungskraft von Google noch die Antworten verschiedener Unternehmen auf die Auskunftsersuchen der Kommission belegen nämlich, dass der indirekte Wettbewerb von Apple in Bezug auf Nutzer und Anwendungsentwickler stark genug war, um der Macht von Google auf dem Markt für lizenzierte BS entgegenzuwirken. Aus diesen Dokumenten geht lediglich hervor, dass Google und andere Unternehmen Apple als Mitbewerber wahrnehmen. Für die Frage, ob Google durch den Wettbewerb von Apple auf dem hier in Rede stehenden relevanten Markt in nennenswertem Umfang eingeschränkt wird, sind sie kaum aussagekräftig. Dasselbe gilt für die beiden internen Dokumente von Google, auf die sich die Kommission im 252. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses bezieht; sie belegen lediglich, dass zwischen Google und Apple ein Wettbewerbsverhältnis besteht, ermöglichen aber keine Beurteilung der Intensität dieses Verhältnisses und sind nicht geeignet, ihre Signifikanz im Vergleich zur Macht von Google auf dem Markt für lizenzierte BS zu belegen.

148

Insbesondere reicht die Behauptung von Google, dass die Höhe ihrer Investitionen in Android sowie die Parallelität der Innovationen von Android und iOS ein Beleg für die Intensität des Wettbewerbs mit Apple seien, nicht aus, um die von der Kommission im angefochtenen Beschluss dargelegten Erwägungen in Frage zu stellen.

149

Zum einen können die Investitionen von Google in die Entwicklung von Android nämlich nicht allein auf die Intensität des Wettbewerbs zwischen Apple und Google in Bezug auf die Nutzer intelligenter Mobilgeräte und die Entwickler von Anwendungen für diese Geräte zurückgeführt werden. Wie die Kommission zutreffend ausführt, sind diese Investitionen hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass Android ein wesentlicher Bestandteil der Strategie von Google war, sich der Herausforderung durch den Übergang zum mobilen Internet zu stellen, weil dieses BS die Einbindung der allgemeinen Suchdienste von Google in intelligente Mobilgeräte ermöglichte.

150

Zum anderen hat die Kommission bereits im angefochtenen Beschluss auf das Argument der Parallelität der Innovationen geantwortet, indem sie insbesondere festgestellt hat – ohne dass ihr in der vorliegenden Klage widersprochen wurde –, dass diese Parallelität nicht so regelmäßig war, wie Google behauptet, weil einige der erwähnten Aktualisierungen von Apples iOS vor 2011 nur Zwischenupdates zur Aufrechterhaltung des BS und keine echten Aktualisierungen gewesen seien, und dass die Verlangsamung der Android-Updates ab 2011 und damit die Angleichung an die iOS-Updates wahrscheinlich darauf zurückzuführen sei, dass Google ab diesem Zeitpunkt eine beträchtliche Marktmacht erlangt habe, die es ihr ermöglicht habe, aus den Android-Versionen länger Nutzen zu ziehen, ohne so viel wie in der Vergangenheit in ihre Aktualisierung investieren zu müssen (vgl. Erwägungsgründe 258 bis 262 des angefochtenen Beschlusses).

151

Daher kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, den behaupteten Innovationswettlauf zwischen Android und iOS im Zeitraum 2008-2011 relativiert zu haben, weil in diesem Zeitraum nur drei aufeinander folgende Versionen von iOS entwickelt wurden, während es bei Android sieben waren. Ebenso hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die abnehmende Häufigkeit der Android-Updates ab 2011 eher ein Indiz für die Marktmacht von Google war als ein Umstand, der den von Apple ausgeübten, jedenfalls nicht ausreichenden Wettbewerbsdruck widerspiegelte.

152

Daher lässt sich, sofern überhaupt ein gewisser Kausalzusammenhang zwischen einem iOS-Update und einem Android-Update geltend gemacht werden kann, aus den in diesem Zusammenhang angeführten Indizien nicht ableiten, dass dieser Zusammenhang derart signifikant gewesen wäre, dass er Apple in die Lage versetzt hätte, auf Google einen derartigen Wettbewerbsdruck auszuüben, dass sie sich nicht in nennenswertem Umfang unabhängig von ihren Mitbewerbern, ihren Kunden und den Verbrauchern hätte verhalten können.

153

Was schließlich die Kritik daran betrifft, dass die Kommission im 251. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses Dokumente aus der Zeit vor 2011 mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass Google zu diesem Zeitpunkt auf dem Markt für lizenzierte BS noch keine beherrschende Stellung gehabt habe, ist festzustellen, dass sich die Wettbewerbssituation vor und nach 2011 aufgrund der Entwicklung der Stellung von Google auf diesem Markt geändert hat. Das Ausmaß des von Apple ausgehenden Wettbewerbsdrucks kann somit nicht anhand von Daten aus einer Zeit analysiert werden, in der Google keine marktbeherrschende Stellung innehatte, so dass die Kommission zu Recht festgestellt hat, dass die in Rede stehenden Dokumente für ihre Beurteilung nicht relevant seien. Diese Beurteilung hätte sich im Übrigen auch nicht geändert, wenn diese Dokumente berücksichtigt worden wären, weil sie zwar einen von Apple ausgehenden Wettbewerbsdruck aufzeigen, aber nicht geeignet waren, eine Bewertung des Ausmaßes dieses Drucks zu ermöglichen und zu belegen, dass er in Anbetracht der Marktmacht von Google auf dem Markt für lizenzierte BS erheblich war.

154

Folglich sind alle Argumente von Google, die sich auf die Würdigung bestimmter Beweise für den von Apples iOS ausgeübten Wettbewerbsdruck auf dem Markt für lizenzierte BS beziehen, zurückzuweisen.

ii) Zur Berücksichtigung des Urteils vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), und zur Kohärenz mit der bisherigen Entscheidungspraxis

– Vorbringen der Parteien

155

Google macht geltend, die Kommission habe dadurch, dass sie den von Apple ausgeübten Wettbewerbsdruck nicht berücksichtigt habe, denselben Fehler begangen, den das Gericht im Urteil vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), beanstandet habe. In jener Rechtssache habe das Gericht entschieden, dass bei der Beurteilung der Stellung eines nicht integrierten Unternehmens auf einem nachgelagerten Markt der Wettbewerb durch integrierte Unternehmen auf demselben Markt berücksichtigt werden müsse. Google behauptet außerdem, dass die Kommission die Kohärenz ihrer Entscheidungspraxis beeinträchtigt habe.

156

Die Kommission weist darauf hin, dass sich der tatsächliche Kontext der vorliegenden Rechtssache von dem der Rechtssache unterscheide, in der das Urteil vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), ergangen sei, weil es u. a. keinen Wettbewerb zwischen Apple und Google in Bezug auf die OEM gebe. Darüber hinaus zeigten die Entscheidungen, auf die sich Google stütze, keine Widersprüche zur Praxis der Kommission auf.

– Würdigung durch das Gericht

157

Was als Erstes die Berücksichtigung des Urteils vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass mit diesem Urteil einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung stattgegeben wurde, die einen Zusammenschluss zwischen zwei Unternehmen, der Schneider Electric SA und der Legrand SA, für unvereinbar mit dem Binnenmarkt erklärt hatte. In diesem Urteil hat das Gericht die Entscheidung der Kommission insbesondere mit der Begründung für nichtig erklärt, dass die Kommission die Marktmacht integrierter Unternehmen nicht angemessen berücksichtigt und damit die Marktmacht der nicht integrierten Unternehmen, insbesondere des aus dem Zusammenschluss von Schneider und Legrand hervorgegangenen Unternehmens, überschätzt habe.

158

Im Einzelnen geht aus Rn. 282 des Urteils vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), hervor, dass die nicht integrierten Hersteller von Bauteilen für elektrische Verteilungsanlagen, wie Schneider und Legrand, auf zwei Ebenen dem Wettbewerb der integrierten Hersteller ausgesetzt waren. Diese Konkurrenz äußerte sich unmittelbar in der Teilnahme der integrierten Hersteller und ihrer Netzmontagebetriebe an Ausschreibungen, an denen auch die nicht integrierten Hersteller in punktueller Zusammenarbeit mit anderen Montagebetrieben teilnahmen. Sie äußerte sich auch mittelbar darin, dass die integrierten Hersteller ihre Bauteile an Montagebetriebe verkauften, die einen Zuschlag erhalten hatten, aber nicht zu ihren Netzen gehörten. In beiden Fällen waren die nicht integrierten Hersteller dem Wettbewerb der integrierten Hersteller ausgesetzt.

159

Der tatsächliche Kontext der vorliegenden Rechtssache unterscheidet sich aber von dem der Rechtssache, in der das Urteil vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), ergangen ist. Erstens war der nachgelagerte Markt nicht durch Ausschreibungsverfahren gekennzeichnet, an denen Apple und Google unmittelbar als Mitbieter hätten teilnehmen können. Der Wettbewerb auf dem nachgelagerten Nutzermarkt fand zwischen Apple und den anderen OEM statt, die ihre Mobilgeräte nicht ausschließlich aus den von Google verkauften Komponenten zusammenstellten. Das BS war nur eine Komponente unter mehreren. Selbst wenn sich die OEM durch die Integration von Android mit Google zusammengetan hätten und als integriertes Unternehmen gegen Apple angetreten wären, ließe sich der Wettbewerb um die Nutzer gleichwohl nicht allein auf das BS reduzieren.

160

Zweitens hat Apple, wie die Kommission im 245. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zutreffend festgestellt hat, den OEM iOS nicht angeboten. Auf dieser Ebene konnte es daher keinen Wettbewerb zwischen Apple und Google geben. Anders wäre es gewesen, wenn Apple nicht nur Geräte mit iOS verkauft, sondern auch Lizenzen für ihr BS angeboten hätte. Während es im Urteil vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), um integrierte und nicht integrierte Unternehmen ging, die miteinander konkurrierten, um ihre Bauteile den Montagebetrieben anzubieten, war dies in der vorliegenden Rechtssache nicht der Fall.

161

In Bezug auf die OEM waren iOS und Android daher nicht austauschbar, was es rechtfertigte, keinen Markt zu definieren, der alle BS umfasste. Google stand zwar im Wettbewerb mit Apple, soweit es um die Nutzer oder die Anwendungsentwickler ging, weil das BS einer der Parameter sein konnte, den diese vor dem Kauf eines Mobilgeräts oder der Entwicklung einer Anwendung für dieses BS berücksichtigten, doch dabei handelte es sich nur um einen von mehreren Parametern. Auf dieser Ebene war die Austauschbarkeit daher offenbar begrenzt, was es, wie die Kommission im 243. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, rechtfertigen konnte, iOS und Android nicht demselben Markt zuzurechnen.

162

Jedenfalls kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, im angefochtenen Beschluss den Wettbewerb von Apple um Nutzer und Anwendungsentwickler ausgeblendet zu haben, denn sie hat ihn bei ihrer Schlussfolgerung, dass er sowohl mittelbar als auch unzureichend sei, berücksichtigt.

163

Folglich hat die Kommission die im Urteil vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), entwickelten Lösungen im vorliegenden Fall zu Recht nicht angewandt.

164

Was als Zweites die Kohärenz des angefochtenen Beschlusses mit der früheren Entscheidungspraxis der Kommission betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass Entscheidungen in anderen Rechtssachen nur Hinweischarakter haben, sofern die Umstände dieser Rechtssachen nicht identisch sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. September 2013, Roca Sanitario/Kommission, T‑408/10, EU:T:2013:440, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

165

Jedenfalls muss die Kommission die Umstände des Einzelfalls individuell prüfen, ohne dabei durch frühere Entscheidungen gebunden zu sein, die andere Wirtschaftsteilnehmer, andere Produkt‑ oder Dienstleistungsmärkte und andere räumliche Märkte zu anderen Zeiten betrafen (Urteil vom 9. September 2009, Clearstream/Kommission, T‑301/04, EU:T:2009:317, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher kann der Kommission in Anbetracht der besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache nicht vorgeworfen werden, die Kohärenz ihrer Entscheidungspraxis beeinträchtigt zu haben.

166

Erstens geht aus dem Beschluss C(2012) 2405 final der Kommission vom 4. April 2012 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR‑Abkommen (Sache COMP/M.6439 – AGRANA/RWA/JV) hervor, dass in dieser Sache davon ausgegangen wurde, dass die integrierten Unternehmen einen Wettbewerbsdruck ausübten, weil sie in der Lage waren, einen Teil ihrer Produktion von Saftkonzentrat umzuleiten und an Dritte zu verkaufen. Im vorliegenden Fall bot Apple sein BS jedoch Dritten überhaupt nicht an. Soweit aus dem 115. Erwägungsgrund des vorgenannten Beschlusses hervorgeht, dass die Kommission das Vorhandensein eines mittelbaren Wettbewerbsdrucks durch die integrierten Unternehmen auf die Abfüller von Saftkonzentraten berücksichtigt hat, lässt sich zudem kein Unterschied zur vorliegenden Rechtssache feststellen. Die Kommission hat den von Apple ausgeübten mittelbaren Wettbewerbsdruck sehr wohl untersucht, ihn aber letztlich aufgrund seiner Unzulänglichkeit als für ihre Beurteilung nicht relevant angesehen.

167

Zweitens kommt der Ansatz, der im Beschluss C(2014) 8546 final der Kommission vom 12. November 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.7342 – Alcoa/Firth Rixson) und im Beschluss C(2005) 2676 final der Kommission vom 13. Juli 2005 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR‑Abkommen (Sache COMP/M.3653 – Siemens/VA Tech) verfolgt wurde, dem in der vorliegenden Rechtssache verfolgten Ansatz sehr nahe, so dass keine Inkohärenz festgestellt werden kann. In diesen Beschlüssen hat die Kommission nämlich das Ausmaß des Wettbewerbsdrucks untersucht, der auf dem relevanten Markt von vertikal integrierten Unternehmen ausgeübt werden kann.

168

Drittens hat die Kommission im Beschluss C(2012) 1068 final der Kommission vom 13. Februar 2012 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR‑Abkommen (Sache COMP/M.6381 – Google/Motorola Mobility) keineswegs festgestellt, dass lizenzierte und nicht lizenzierbare BS für Mobilgeräte demselben Markt angehören. Aus dem 30. Erwägungsgrund dieses Beschlusses geht hervor, dass die Kommission es vorzog, diese Frage offen zu lassen, weil der Zusammenschluss von Google und Motorola Mobility in dieser Hinsicht keine Bedenken aufwarf.

169

Viertens gilt dasselbe für den Beschluss K(2009) 10033 der Kommission vom 16. Dezember 2009 in einem Verfahren nach Artikel 102 AEUV und Artikel 54 EWR-Abkommen (Sache COMP/39.530 – Microsoft [Koppelung]). Auch wenn man im Licht des 17. Erwägungsgrundes dieses Beschlusses gewisse Zweifel an der Abgrenzung eines Marktes hegen kann, der sowohl lizenzierte als auch nicht lizenzierbare PC‑Betriebssysteme umfasst, ist jedenfalls festzustellen, dass diese Frage überhaupt nicht erörtert wurde. Aus dem 30. Erwägungsgrund dieses Beschlusses geht nämlich hervor, dass Microsoft keineswegs bestritten hat, eine beherrschende Stellung auf dem Markt für PC‑Betriebssysteme zu haben.

170

Fünftens führt die Prüfung des Beschlusses C(2013) 8873 der Kommission vom 4. Dezember 2013 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR‑Abkommen (Sache COMP/M.7047 – Microsoft/Nokia) zu denselben Erkenntnissen. Aus dem 102. Erwägungsgrund dieses Beschlusses geht nämlich hervor, dass sich die Kommission nicht zu der Frage geäußert hat, ob es einen Markt gibt, der lizenzierte und nicht lizenzierbare BS umfasst.

171

Daher kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, die Kohärenz ihrer Entscheidungspraxis beeinträchtigt zu haben, so dass die von Google insoweit vorgebrachten Argumente zurückzuweisen sind.

iii) Zum SSNDQ-Test

– Vorbringen der Parteien

172

Google ist der Ansicht, die Kommission widerspreche sich selbst, wenn sie die Hypothese einer Verschlechterung der Qualität von Android in Betracht ziehe, während sie gleichzeitig behaupte, dass Google jedes Interesse daran habe, eine möglichst weite Verbreitung von Android-Geräten zu gewährleisten. Google weist außerdem, ebenso wie ihre Streithelferinnen, darauf hin, dass der in diesem Zusammenhang verwendete Qualitätsverschlechterungstest ungenau sei und dass sie nicht wisse, wie dieser Test konkret durchgeführt worden sei.

173

Nach Auffassung der Kommission besteht erstens kein Widerspruch zwischen der Feststellung, dass die Geschäftsstrategie von Google darin bestanden habe, die Verbreitung von Android-Geräten zu steigern, und der Feststellung, dass Google in der Lage gewesen sei, von einer Verschlechterung der Qualität von Android zu profitieren. Diese Annahme impliziere nämlich nicht, dass es im Interesse von Google gelegen habe, die Qualität von Android zu verschlechtern. Zweitens macht die Kommission geltend, dass von ihr nicht verlangt werden könne, zur Durchführung des SSNDQ-Tests einen festen Standard für die Qualitätsminderung zu definieren, weil dies den Test in der Praxis unbrauchbar machen würde.

– Würdigung durch das Gericht

174

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss die Möglichkeit einer Verschlechterung der Qualität von Android in Betracht gezogen hat, um die Stellung von Google auf dem Markt für lizenzierte BS zu beurteilen. Die Kommission hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Nutzer und die Entwickler von Anwendungen für lizenzierte BS auf eine Verschlechterung der Qualität von Android nicht hinreichend empfindlich reagieren würden (483. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Sie hat auf diese Beurteilung auch verwiesen, um den Umfang des Marktes für lizenzierte BS zu definieren (vgl. Erwägungsgründe 243 und 267 des angefochtenen Beschlusses).

175

So war die Kommission aufgrund eines indirekten und unzureichenden Wettbewerbsdrucks in Bezug auf Nutzer und Anwendungsentwickler der Auffassung, dass nicht lizenzierbare BS nicht demselben Markt angehörten wie lizenzierte BS und dass Unternehmen, die Erstere einsetzen, insbesondere Apple, kein Gegengewicht zur Marktmacht von Google bildeten.

176

Zunächst kann sich die Kommission, um einen relevanten Markt abzugrenzen und auf ihm die Wettbewerbssituation eines betroffenen Unternehmens zu beurteilen, auf ein Bündel von Indizien stützen, ohne verpflichtet zu sein, einer starren Rangordnung für die verschiedenen Informationsquellen und Nachweisformen, die ihr zur Verfügung stehen, zu folgen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2017, Topps Europe/Kommission, T‑699/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:2, Rn. 80 bis 82).

177

Bei einem Produkt, für das der klassische hypothetische Monopolistentest – eine Prüfung der Reaktion des Marktes auf eine kleine, aber signifikante und nicht vorübergehende Preiserhöhung (Small but Significant and Non Transitory Increase in Price, SSNIP) – wenig geeignet ist, war der SSNDQ-Test, der die Verschlechterung der Qualität des in Rede stehenden Produkts in Betracht zieht, sehr wohl ein relevanter Anhaltspunkt für die Abgrenzung des relevanten Marktes. Der Wettbewerb zwischen Unternehmen kann sich nämlich nicht nur im Preis, sondern auch bei der Qualität und der Innovation niederschlagen.

178

Diese Hypothese konnte auch in den Abschnitten 9.3.4.1 bis 9.3.4.3 des angefochtenen Beschlusses herangezogen werden, um zu prüfen, ob Google, die auf dem Markt für lizenzierte BS eine beherrschende Stellung innehatte, einem Wettbewerbsdruck durch Apple, die außerhalb dieses Marktes stand, ausgesetzt war. Die im Stadium der Marktabgrenzung getroffene Feststellung einer geringen Austauschbarkeit der indirekten Nachfrage bei einer Verschlechterung der Qualität eines Produkts blieb auch im Stadium der Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung relevant, um den Wettbewerbsdruck durch ein Unternehmen zu bewerten, das ein anderes Produkt außerhalb des so abgegrenzten Markts vertreibt.

179

Zweitens impliziert die Formulierung dieser Hypothese entgegen dem Vorbringen von Google keineswegs, dass die Kommission festgestellt hätte, dass es im Interesse von Google gelegen hätte, die Qualität von Android zu verschlechtern. Vielmehr sollte mit der Prüfung einer Verschlechterung der Qualität von Android lediglich festgestellt werden, ob Google in Bezug auf Nutzer und Anwendungsentwickler einem Wettbewerbsdruck durch Apple ausgesetzt war, wie Google im Verwaltungsverfahren behauptet hatte.

180

Schließlich kann die Festlegung eines genauen quantitativen Standards für die Verschlechterung der Qualität des Zielprodukts keine Voraussetzung für die Anwendung des SSNDQ-Tests sein. Die Hypothese einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android erforderte – anders als im Fall des klassischen hypothetischen Monopolistentests, bei dem eine kleine, aber signifikante und nicht vorübergehende Preiserhöhung leichter quantifiziert werden kann – keine vorherige Festlegung eines präzisen Standards für die Verschlechterung. Es kommt allein auf die Annahme einer geringfügigen, wenn auch signifikanten und nicht vorübergehenden Verschlechterung an.

181

Folglich hat die Kommission zu Recht eine Verschlechterung der Qualität von Android mit Hilfe des SSNDQ-Tests in Betracht gezogen.

iv) Zur Treue der Nutzer zu ihrem BS

– Vorbringen der Parteien

182

Nach Auffassung von Google war die Nutzertreue kein relevanter Parameter. Zwar hätten 2015 mehr als vier von fünf Nutzern, die zuvor ein Android-Gerät erworben hätten, ein neues Android-Gerät gekauft, was aber nur auf die Bemühungen von Google zurückzuführen sei, die Qualität des BS zu erhalten. Die Treue sei daher auf die Qualität von Android zurückzuführen, was mehrere von der Kommission zu Unrecht zurückgewiesene Beweise veranschaulichten. Außerdem lehne die Kommission fälschlich die Verwendung des Klemperer-Wirtschaftsmodells ab, das zeige, dass Google dem Wettbewerb von Apple um Erstkäufer ausgesetzt sei und dass dieser Wettbewerb Auswirkungen auf das Verhalten aller Android-Nutzer habe.

183

Nach Ansicht der Kommission war die Nutzertreue ein relevanter Parameter, um die Hypothese auszuschließen, dass die Nutzer im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android in erheblichem Umfang zu einem anderen BS wechseln würden. Zugleich hat sie im vorliegenden Fall die Relevanz der mit dem Klemperer-Wirtschaftsmodell erzielten Ergebnisse verneint.

– Würdigung durch das Gericht

184

Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Treue der Nutzer zu Android nach Ansicht der Kommission nicht allein auf die Qualität des BS zurückzuführen war. Wie die Kommission auf der Grundlage der in den Erwägungsgründen 524 und 534 des angefochtenen Beschlusses zitierten Erklärungen der OEM festgestellt hat, ließ sich die hohe Nutzertreue gegenüber Android auch mit den Schwierigkeiten erklären, denen sich die Nutzer gegenübersahen, wenn sie die Übertragbarkeit ihrer persönlichen Daten sicherstellten wollten, oder auch mit der Notwendigkeit, Anwendungen erneut zu erwerben. Insbesondere gewöhnen sich die Nutzer, wie u. a. einer dieser OEM ausgeführt hat, an die Funktionsweise ihres intelligenten Mobilgeräts und wollen kein neues System erlernen (vgl. 534. Erwägungsgrund Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses). Die Treue der Nutzer lässt sich jedenfalls, wie die Kommission im 488. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, nicht allein auf die Qualität des BS zurückführen, weil viele Nutzer eine nicht aktualisierte Version von Android verwenden.

185

Zweitens stellt die der Klageschrift als Anlage beigefügte Erklärung einer Führungskraft von Google nicht die Bedeutung des Parameters in Frage, der aus der Treue der Nutzer zu ihrem BS abgeleitet wird. Diese Erklärung bezieht sich insbesondere auf die Bemühungen von Google, den Anforderungen der Nutzer und Entwickler von Android-Produkten gerecht zu werden, sowie auf die verschiedenen Techniken, die dieses Unternehmen einsetzt, um das Risiko einer Abwanderung von Nutzern zu Apple einzuschätzen. Die diesbezüglichen Äußerungen sind nur allgemein gehalten sowie in den meisten Fällen und im Wesentlichen nicht durch konkrete Beweise oder Zahlenangaben untermauert, die es ermöglichen würden, ihre Tragweite zu ermessen. Was insbesondere die von Google erwähnten Bemühungen angeht, auf die Anforderungen der Nutzer einzugehen, ist festzustellen, dass die Bemühungen um die Zufriedenheit der Nutzer nicht allein mit dem Risiko zu erklären sind, dass diese Nutzer zu einem anderen BS wechseln könnten, sondern dass sie allgemein die Strategie eines jeden Unternehmens widerspiegelt, das innovativ sein und auf die Bedürfnisse seiner Nutzer eingehen will. Die Sicherstellung der Zufriedenheit der Nutzer war auch eine Möglichkeit, deren Treue zu Android zu stärken.

186

Drittens zeigten die Beweise, auf die sich die Kommission im angefochtenen Beschluss gestützt hat, dass in der Tat eine Abwanderung zu einem anderen BS stattgefunden hat, deren Ausmaß aber begrenzt war. Zwar macht Google geltend, die Tatsache, dass im Jahr 2015 bei einem Neukauf 82 % der Nutzer von Android-Geräten diesem BS treu geblieben seien, lasse nicht mit Sicherheit darauf schließen, dass dieser Prozentsatz im Fall einer Verschlechterung der Qualität von Android weiterhin so hoch bleiben würde. Hingegen deutet diese Tatsache darauf hin, dass die starke Bindung der Nutzer an Android es zumindest auf den ersten Blick wenig wahrscheinlich macht, dass die Nutzer zu einem anderen BS wechseln würden. Ebenso hat die Kommission, ohne dass dies von Google bestritten worden wäre, im 537. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angegeben, dass im Zeitraum zwischen 2013 und 2015 nur 16 % der Nutzer von Apple-Mobilgeräten zuvor ein Android-Gerät verwendet hätten. Mit anderen Worten dürfte nur ein kleiner, nicht aber ein wesentlicher Teil der Nutzer bereit gewesen sein, zu Apple zu wechseln. Die im 543. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegebenen Erklärungen der OEM gingen in die gleiche Richtung. Zwar räumten diese OEM ein, dass Nutzer möglicherweise zu Apple wechseln könnten, allerdings nur unter außergewöhnlichen, durch erhebliche Veränderungen gekennzeichneten Umständen.

187

Darüber hinaus lag der Grund dafür, dass viele Nutzer Ende 2015 zu Apple wechselten, in der Einführung eines neuen intelligenten Mobilgeräts mit neuen Merkmalen, wie die Kommission im 538. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat. Dieser Wechsel war mit anderen Worten nicht auf einen Wettbewerb zwischen BS zurückzuführen. Diese Auffassung wird durch ein internes Dokument von Google bestätigt, auf das sie sich beruft. Aus diesem Dokument mit dem Titel „Switcher Insights“ (Erkenntnisse über Umsteiger) geht nämlich hervor, dass der Wechsel der Nutzer hauptsächlich durch die Einführung neuer Geräte und nicht durch Weiterentwicklungen der BS ausgelöst wurde.

188

Viertens konnte die Verwendung des Klemperer-Wirtschaftsmodells, auf das im 551. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen wird, die Treue der Nutzer zu ihrem BS nicht widerlegen. Diese Studie bezog sich nämlich auf Erstkäufer und kann nicht dahin interpretiert werden, dass die Nutzer, nachdem sie ihre Wahl getroffen hätten, ihrem BS keine Treue erweisen würden.

189

Daher war die Kommission berechtigt, sich bei der Beurteilung des Ausmaßes des von Apple ausgeübten Wettbewerbsdrucks auf die Treue der Nutzer zu ihrem BS zu stützen.

v) Zur Sensibilität der Nutzer gegenüber der Qualität des BS

– Vorbringen der Parteien

190

Ebenso wie ihre Streithelferinnen behauptet Google, dass die Nutzer auf jede noch so geringe Verschlechterung der Qualität von Android empfindlich reagieren würden. Für die Wahl der Verbraucher sei die Qualität der entscheidende Parameter, neben dem andere Parameter wie der Preis oder das Design des betreffenden Produkts keine gleichwertige oder gar vorrangige Rolle spielten. Dies werde durch die umfangreiche Medienberichterstattung über die Einführung neuer BS und durch mehrere Umfragen belegt.

191

Die Kommission stellt mit Unterstützung ihrer Streithelfer klar, dass sie keineswegs festgestellt habe, die Nutzer würden auf alle Schwankungen der Qualität mobiler BS eher gleichgültig reagieren, sondern dass sie es für wenig wahrscheinlich gehalten habe, dass die Nutzer eine geringe Verschlechterung der Qualität zum Anlass nehmen würden, ihre Kaufgewohnheiten zu ändern und zu einem anderen Produkt zu wechseln. Die Nutzer berücksichtigten eine Reihe von Faktoren und nicht nur das BS. Die verschiedenen von Google angeführten Beweise könnten die gegenteilige These nicht stützen.

– Würdigung durch das Gericht

192

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission entgegen der Behauptung von Google keineswegs davon ausgegangen ist, dass die Nutzer dem BS intelligenter Mobilgeräte keine Bedeutung beimäßen.

193

So hat die Kommission in Fortführung ihrer Entscheidungspraxis darauf hingewiesen, dass das BS ein wichtiger Parameter für die Wahl eines intelligenten Mobilgeräts sei. Sie hat jedoch auch betont, dass dies nicht der einzige Parameter sei, den die Nutzer berücksichtigten (vgl. 483. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Insbesondere mit Rücksicht darauf hat die Kommission in diesem Erwägungsgrund festgestellt, dass es im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android „wenig wahrscheinlich“ sei, dass ein Nutzer seine Kaufgewohnheiten ändere und von einem Gerät mit einem lizenzierten BS zu einem Gerät mit einem nicht lizenzierbaren BS wechsele.

194

Über diese bloße Feststellung hinaus stellt Google zwei der Gründe in Frage, auf die sich die Beurteilung der Kommission stützt. Erstens bestreitet Google zwar nicht, dass die Entscheidung eines Nutzers von einer Reihe von Parametern abhängt, weist aber darauf hin, dass die Feststellung, dass es mehrere Parameter gebe, nicht ausreiche, um auszuschließen, dass eine Verschlechterung der Qualität des BS die Nutzer dazu veranlasse, zu Geräten mit einem anderen BS zu wechseln. So belegten die Ergebnisse mehrerer Umfragen, dass die Qualität des BS ein maßgeblicher Parameter für die Wahl der Nutzer sei. Zweitens weist Google darauf hin, dass der Umstand, dass die Nutzer auf Verzögerungen der Verfügbarkeit von Android-Updates nicht sogleich mit einem Wechsel zu einem anderen Gerät reagierten, im Gegensatz zu den Erwägungsgründen 488 bis 490 des angefochtenen Beschlusses keineswegs die Behauptung rechtfertige, dass die Nutzer auf eine Verschlechterung der Qualität von Android nicht reagieren würden. Die Bereitstellung von Android-Updates brauche eine gewisse Zeit.

195

Zum einen ist jedoch festzustellen, dass die von Google angeführten Umfragen nicht geeignet sind, ihr Vorbringen mit Erfolg zu stützen. Die erste Umfrage, das von Google erstellte und im 540. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erwähnte Dokument mit dem Titel „Switcher Insights“, hat gezeigt, dass Wechsel zu anderen Geräten zeitgleich mit der Markteinführung neuer Geräte und nicht mit Weiterentwicklungen der BS einhergingen. Daraus ergibt sich, dass die Nutzer einer Reihe von Parametern des Geräts und nicht nur dem BS allein Bedeutung beimessen. Diese Interpretation liegt umso näher, als die Umfrage je nach OEM unterschiedliche Wechselquoten ergeben hat.

196

Die zweite Umfrage, die im 494. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erwähnte Kantar-Studie, hat ergeben, dass 24 % der Nutzer von Android-Geräten der unteren Preisklasse jedes Jahr zu einem anderen BS wechselten, gegenüber 14 % der Nutzer von Geräten der oberen Preisklasse. Es trifft zwar zu, dass dieser Umfrage zufolge einige Nutzer von Google-Android-Geräten im Vereinigten Königreich zu Geräten mit einem anderen mobilen BS gewechselt waren. Dieser Wechsel war jedoch nicht in erster Linie auf die Qualität des BS zurückzuführen, sondern auf andere Merkmale wie Marke oder Modell, Kosten, Benutzerfreundlichkeit, Netz oder Netzbetreiber. Dies gilt umso mehr, als dieser Studie zufolge nur ein sehr geringer Teil der Nutzer angab, wegen der Qualität und der Marke des BS zu einem Gerät von Apple gewechselt zu sein, was Google nicht bestreitet. Mit anderen Worten mag die Qualität des BS beim Kauf eines neuen Geräts zwar ein wichtiger Parameter gewesen sein; sie war jedoch nicht der ausschlaggebende Parameter.

197

Die dritte Umfrage, die im 492. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erwähnte Yandex-Studie, hat ergeben, dass die meisten Nutzer von Android-Geräten diesem Betriebssystem im Wesentlichen wegen seiner Qualität treu blieben. Diese Umfrage kann die Behauptungen von Google aber nicht stützen. Zwar hatten 44 % der Nutzer angegeben, Android treu geblieben zu sein, weil ihnen das BS und nicht das Gerät oder dessen Preis wichtig gewesen sei, aber die Bedeutung dieser Angabe wurde durch das in Rede stehende Dokument relativiert. Es selbst enthielt den Hinweis, wonach nicht auszuschließen sei, dass bei diesen Nutzern auch andere Faktoren eine Rolle gespielt hätten, z. B. die Markentreue oder die mit einem Wechsel zu einer anderen Plattform verbundenen Kosten. Desgleichen hieß es in den Schlussfolgerungen der Umfrage, dass eine geringfügige Verschlechterung der Qualität von Android für die Wahl eines Geräts auf der Ebene des Einzelhandels nicht ausschlaggebend sei.

198

Zum anderen hat die Kommission in den Erwägungsgründen 488 bis 490 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass viele Nutzer von lizenzierten BS Geräte mit älteren Android-Versionen verwendeten. Diese Feststellung wird von Google nicht bestritten. So besaßen im Mai 2017 nur 7,1 % der Nutzer ein Gerät, das mit der neuesten Version von Android betrieben wurde, obwohl diese Version schon seit Oktober 2016 verfügbar war. Ebenso geht aus den Erwägungsgründen 489 und 490 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Verkaufszahlen von Google-Android-Geräten nicht mit den Aktualisierungen dieses BS korrelierten. Daraus folgt, dass die Nutzer auf Qualitätsschwankungen von Android nur wenig empfindlich reagierten, zumal sie sich offenbar mit älteren Versionen dieses BS zufriedengaben.

199

Daher kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie es angesichts der zahlreichen für die Wahl eines Nutzers maßgebenden Faktoren für wenig wahrscheinlich hielt, dass eine Verschlechterung der Qualität von Android zu einem Wechsel der Nutzer von einem Gerät mit lizenziertem BS zu einem Gerät mit nicht lizenzierbarem BS führen würde.

vi) Zu den Kosten eines Wechsels zu einem anderen BS

– Vorbringen der Parteien

200

Nach Ansicht von Google stellt die Notwendigkeit, Anwendungen erneut zu kaufen, damit sie unter iOS funktionieren, kein Hindernis für den Wechsel der Nutzer zu diesem BS dar. Kostenpflichtige Anwendungen machten nur einen sehr kleinen Teil der heruntergeladenen Anwendungen aus, und einige von ihnen ermöglichten es, die abgeschlossenen Abonnements zu übertragen. Zudem sei Apple bemüht, Nutzern den Wechsel des BS zu erleichtern, indem sie Tools für die Migration von Anwendungen von Android auf iOS anbiete.

201

Nach Auffassung der Kommission gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die die Nutzer davon abhalten, zu einem anderen BS zu wechseln, wie die Treue der Nutzer zu ihrem BS, die Merkmale des Geräts und die Notwendigkeit, neue Anwendungen zu kaufen.

– Würdigung durch das Gericht

202

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Google nicht alle Hindernisse für einen Wechsel bestreitet, die die Kommission im 523. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat. Google konzentriert sich allein auf die von der Kommission angeführte Notwendigkeit, neue Anwendungen herunterzuladen und zu kaufen, während die Kommission ihre Feststellung, dass der Wechsel zu iOS kostspielig sei, auch damit untermauert, dass sich die Nutzer mit einer neuen Benutzeroberfläche vertraut machen und eine große Menge an Daten übertragen müssten.

203

Die von Google vorgebrachten Argumente können jedoch nicht sämtliche Beurteilungen in den Erwägungsgründen 522 bis 532 des angefochtenen Beschlusses in Frage stellen. Zum einen ist festzustellen, dass den Nutzern, die zu einem anderen BS wechseln möchten, auch dann, wenn sie im Vergleich zu den Kosten eines mobilen Geräts nur wenig für Anwendungen ausgeben sollten, gleichwohl zusätzliche Kosten entstehen. Das bestreitet Google nicht. Diese zusätzlichen Kosten lassen sich, so gering sie auch sein mögen, nicht vermeiden und stellen in der Tat ein Hindernis für den Wechsel der Nutzer zu einem anderen BS dar.

204

Zum anderen kann die im 525. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erwähnte Tatsache, dass Apple versucht hat, einen solchen Wechsel zu erleichtern, nicht dahingehend interpretiert werden, dass der Wechsel problemlos möglich gewesen wäre. Wie die Kommission darlegt, hat die Einführung einer Anwendung durch Apple, die den Übergang von Android zu iOS erleichtern sollte, im Gegenteil gezeigt, dass ein solcher Wechsel Anlass zur Besorgnis gab. Die Kommission stellt zu Recht fest, ohne dass Google dem widersprochen hätte, dass ein Wechsel die Nutzer zwingt, sich mit einer neuen Benutzeroberfläche vertraut zu machen, was diesen Wechsel zwangsläufig komplexer und unsicherer macht.

205

Daher hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie feststellte, dass der Wechsel zu einem anderen mobilen BS zu zusätzlichen Kosten führen könne, was ein weiteres Hindernis für den Wechsel der Nutzer zu Apple darstelle.

vii) Zu den Auswirkungen der Preispolitik von Apple

– Vorbringen der Parteien

206

Nach Ansicht von Google und ihren Streithelferinnen stellte die Preispolitik von Apple für die Nutzer kein Hindernis dar, das einem Wechsel entgegenstand, unabhängig davon, ob diese Nutzer Geräte der oberen oder der unteren Preisklasse verwendeten.

207

Dem halten die Kommission und ihre Streithelfer entgegen, dass die Preispolitik von Apple nicht außer Acht gelassen werden dürfe und ein erhebliches Hindernis für einen Wechsel der Nutzer dargestellt habe, und zwar sowohl bei Geräten der oberen als auch der unteren Preisklasse.

– Würdigung durch das Gericht

208

Im vorliegenden Fall sind die von Google vorgebrachten Argumente dieselben, die von der Kommission in den Erwägungsgründen 512 bis 521 des angefochtenen Beschlusses zurückgewiesen wurden. Für Nutzer von Geräten der unteren Preisklasse stellte die Preispolitik von Apple ein offensichtliches Hindernis dar. Die Kommission hat im 513. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt, dass mindestens 50 % der mit Android betriebenen Geräte zu einem niedrigeren Preis als Geräte von Apple verkauft wurden. Zudem hat die Kommission in den Erwägungsgründen 503 und 504 des angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen, dass Geräte von Apple im Zeitraum 2009-2014 im Durchschnitt fast doppelt so viel kosteten wie Android-Geräte. Daher war jeder Wechsel zu Apple-Geräten für die Nutzer von Geräten der unteren Preisklasse mit höheren Ausgaben verbunden.

209

Das auf den Preis des Modells iPhone SE gestützte Argument kann insoweit keinen Erfolg haben. Erstens war das iPhone SE mit einem Preis von rund 400 US-Dollar (ca. 290 Euro im Jahr 2014) zwar das preisgünstigste von Apple verkaufte Gerät, was aber nichts daran änderte, dass dieser Preis immer noch über dem durchschnittlichen Verkaufspreis von Android-Geräten lag, wie aus dem Schaubild im 503. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht. Zweitens entsprach der von Google angegebene niedrigere Preis für dieses iPhone auf einer Online-Verkaufsplattform keineswegs dem von Apple verlangten Preis. Es handelte sich nämlich um den Preis, den ein dritter Wiederverkäufer zu einem bestimmten Zeitpunkt verlangte; er kann daher nicht verallgemeinert werden. Drittens wurde das Modell iPhone SE, wie aus dem 518. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ersichtlich ist, erst ab März 2016, d. h. am Ende des Zeitraums der Zuwiderhandlung, zum Verkauf angeboten, was Google nicht bestreitet.

210

Daher war die Feststellung der Kommission, dass die Preispolitik von Apple ein Hindernis für den Wechsel von Nutzern von Android-Geräten der unteren Preisklasse gewesen sei, nicht fehlerhaft.

211

Eine solche Schlussfolgerung ist jedoch nicht zwingend, soweit es um Nutzer von Geräten der oberen Preisklasse geht, d. h. von Geräten, die in der gleichen Preisklasse wie Apple-Geräte verkauft wurden.

212

Im 513. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission darauf hingewiesen, dass ein Wechsel der Nutzer hochwertiger Geräte angesichts ihrer Kaufgewohnheiten, der mit einem solchen Wechsel verbundenen zusätzlichen Kosten und der Treue der Nutzer zu ihrem BS wenig wahrscheinlich sei. Außerdem hat sie im 515. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses klargestellt, dass die finanziellen Auswirkungen auf Google selbst bei Berücksichtigung eines solchen Wechsels begrenzt wären. Google habe nämlich aufgrund ihrer mit Apple geschlossenen Vereinbarung weiterhin einen großen Teil ihrer Einnahmen erhalten, weil iOS ihre Suchmaschine Google Search genutzt habe. In diesem Zusammenhang behauptet Google im Gegenteil, dass sie einen großen Teil ihrer Einnahmen aus der Nutzung von Google-Android-Geräten erziele, die sich in einer ähnlichen Preisklasse wie die Geräte von Apple befänden. Selbst wenn also nur ein kleiner Teil dieser Nutzer wechselte, wäre dies für Google schädlich.

213

Die Preispolitik von Apple stellt sich zwar als ein Hindernis für den Wechsel von Nutzern von Geräten der unteren Preisklasse dar, nicht aber für Nutzer von Geräten der oberen Preisklasse. Die Kommission scheint dies implizit anzuerkennen, weil sie im 513. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses verschiedene Gründe für die Behauptung anführt, dass die Nutzer solcher Geräte nicht zu Apple-Geräten wechseln würden. Die Argumente der Kommission stützen sich somit nicht auf die Preispolitik von Apple, die, für sich genommen, im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android kein Hindernis für den Wechsel von Nutzern hochwertiger Geräte darstellt.

214

Die Feststellung im 515. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die finanziellen Auswirkungen eines solchen Wechsels in Bezug auf Geräte der oberen Preisklasse begrenzt wären, weil die Nutzer Suchvorgänge auf iOS-Geräten weiterhin mit Google Search durchführten und Google die daraus erzielten Einnahmen behalte, hat keinen wirklichen Einfluss auf die Frage, ob die Preispolitik von Apple ein Gegengewicht zur Stellung von Google auf dem Markt für lizenzierte BS bilden konnte. Wie die Kommission nämlich im 540. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses unter Nennung eines Beispiels einräumt, konnte die Preispolitik von Apple für die Nutzer hochwertiger Geräte des Android-Ökosystems kein Hindernis für einen Wechsel zum iOS-Ökosystem sein.

215

Die Kommission hat daher zu Recht festgestellt, dass die Preispolitik von Apple für die große Mehrheit der Nutzer von Android-Geräten ein Hindernis für einen Wechsel darstellte. Für Nutzer von Geräten der oberen Preisklasse traf dies allerdings nicht zu. Dieser Fehler bleibt jedoch insofern folgenlos, als der Wechsel bei den letztgenannten Nutzern von anderen Faktoren abhängt, wie aus dem 513. Erwägungsgrund oder auch aus dem 540. Erwägungsgrund Nrn. 2 und 3 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht. Dies gilt insbesondere für die Treue der Nutzer zu ihrem BS, einschließlich, wie aus der von der Kommission im 534. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegebenen Erklärung eines der OEM hervorgeht, der Gewöhnung der Nutzer an die Handhabung ihres BS (siehe oben, Rn. 184 bis 189).

viii) Zum Verhalten der Anwendungsentwickler

– Vorbringen der Parteien

216

Google hebt die Bedeutung der Unterstützung durch die Anwendungsentwickler hervor. Sie macht geltend, sie müsse ein hohes Niveau der Qualität von Android aufrechterhalten, um für die Anwendungsentwickler eine größtmögliche Zahl von Nutzern zu gewährleisten. Jede Verschlechterung von Android würde dazu führen, dass die Anwendungsentwickler zu anderen Plattformen, insbesondere der von Apple, wechselten oder ihre Investitionen in Android reduzierten. Ein Rückgang der Investitionen der Anwendungsentwickler würde eine Negativspirale in Gang setzen, die die Nutzer zu einem Wechsel veranlassen würde.

217

Die Kommission ist der Ansicht, das Ausbleiben eines Wechsels der Nutzer im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android bedeute zugleich, dass auch die Anwendungsentwickler von einem entsprechenden Wechsel absehen würden. Das Schaubild im 610. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses verdeutliche zudem, dass die Anwendungsentwickler seit 2010 weitgehend von iOS zu Android gewechselt seien.

– Würdigung durch das Gericht

218

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission zutreffend dargelegt hat, aus welchen Gründen ein Anwendungsentwickler im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität des BS weiterhin für Android tätig bleiben würde. Da Android die bei den Nutzern am weitesten verbreitete Plattform war, hatten die Anwendungsentwickler nämlich großes Interesse daran, die Mehrheit der Nutzer anzusprechen (vgl. 553. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

219

Da es unwahrscheinlich war, dass Nutzer im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android zu einem anderen mobilen BS wechseln würden, gilt dies auch für die Anwendungsentwickler, die vernünftigerweise nicht den Großteil ihrer Kunden im Stich lassen konnten.

220

Auch die Tatsache, dass die Anwendungsentwickler für mehrere BS tätig waren, untermauert entgegen der Behauptung von Google die Feststellung, dass eine Verschlechterung der Qualität von Android nicht dazu geführt hätte, die Entwicklung einer Anwendung für Android einzustellen.

221

Daher hat die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen, als sie davon ausging, dass sich die Anwendungsentwickler im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android nicht von diesem BS abwenden würden.

222

Folglich hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die relativ geringe Intensität des von Apple ausgehenden Wettbewerbs es gerechtfertigt habe, den relevanten Markt nicht auf alle mobilen BS zu erstrecken und jeden von nicht lizenzierbaren BS ausgeübten Wettbewerbsdruck von der beträchtlichen Marktmacht von Google bei lizenzierten BS abzuwenden. Unabhängig davon, ob es sich um die Treue der Nutzer zu ihrem BS, die Auswirkungen der Preispolitik von Apple, insbesondere für Nutzer von Geräten der unteren Preisklasse, oder die mit dem Wechsel zu einem anderen BS verbundenen Kosten handelt, hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Auswirkungen des Wettbewerbsdrucks von Apple auf die Marktmacht von Google aufgrund dieser zahlreichen Hindernisse in ihrer Gesamtheit zu relativieren waren.

2) Zum Wettbewerbsdruck durch die AOSP-Lizenz

i) Vorbringen der Parteien

223

Google ist der Ansicht, aufgrund der AOSP-Lizenz, die die Entwicklung perfekter Android-Ersatzprodukte ermögliche, Wettbewerbsdruck ausgesetzt zu sein. Daher würde jede geringfügige Verschlechterung der Qualität von Android dazu führen, dass die OEM frei verfügbare, nicht verschlechterte Versionen von Android bevorzugten. Die Kommission lasse die in ihrem Beschluss C(2010) 142 endgültig vom 21. Januar 2010 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR‑Abkommen (Sache COMP/M.5529, Oracle/Sun Microsystems) (im Folgenden: Beschluss Sun Microsystems) gewählte Lösung außer Acht; dort habe sie festgestellt, dass der offene Quellcode einer Software zu Wettbewerbsdruck führe. Außerdem habe die Stabilität der Marktanteile von Google seit 2011, die auf ihre Bemühungen um die Qualität von Android zurückzuführen sei, keinen Einfluss auf die Reaktion der OEM im Falle einer geringfügigen Qualitätsverschlechterung. Google bestreitet auch, dass die Verweise im angefochtenen Beschluss auf die Wortmarke Android, deren Inhaberin sie ist, auf ihre proprietären Anwendungsprogrammierschnittstellen (im Folgenden: proprietäre API), auf ihre Kontrolle über Android durch Kompatibilitätstests oder auf den Umstand, dass die überwiegende Mehrheit der OEM AFV und VVMA mit ihr abgeschlossen hat, relevant sind.

224

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Sie weist insbesondere darauf hin, dass Google den Zugang zum Android-Quellcode kontrolliere (Erwägungsgründe 128 bis 130 des angefochtenen Beschlusses). Darüber hinaus stützt sich die Kommission auf eine interne Präsentation einer Führungskraft von Google. Diese Präsentation verdeutliche die von Google verfolgte Politik, insbesondere die Notwendigkeit, die Kontrolle über Android durch die Entwicklung des Play Store und ihrer Google-Anwendungen zu behalten, was es letztlich unmöglich mache, eine überzeugende alternative Version von Android zu entwickeln. Außerdem sei der Beschluss Sun Microsystems nicht hilfreich, weil im vorliegenden Fall OEM, die die Marke Android verwenden, Zugang zum Play Store erhalten und Anwendungen von Google nutzen wollten, Vereinbarungen mit Google schließen müssten.

225

Der BDZV teilt die Auffassung der Kommission. Android sei das „geschlossenste aller quelloffenen Projekte“. Google stelle die Entwicklung des Quellcodes von Android selbst sicher, kontrolliere die AOSP-Lizenz sowie die Marke Android, überwache die Implementierung von Android durch Kompatibilitätstests, verfolge ein kommerzielles Interesse, das ihr Bedürfnis erkläre, die Kontrolle über Android zu behalten, und die quelloffene Natur von Android sei angesichts der fortschreitenden Einschränkung des Quellcodes fragwürdig.

ii) Würdigung durch das Gericht

226

Es ist festzustellen, dass Google den durch die AOSP-Lizenz verursachten Wettbewerbsdruck überbewertet. Zwar kann die im 568. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführte Begründung, dass die Marktanteile von Google seit 2011 kontinuierlich auf ein sehr hohes Niveau gestiegen seien, für sich genommen nicht ausreichen, um einen Wettbewerbsdruck durch die AOSP-Lizenz auszuschließen. Auch die Tatsache, dass sich keine nicht kompatible Android-Fork hat herausbilden können, schließt die Möglichkeit nicht aus, dass ein Unternehmen aus dem Quellcode eine überzeugende Alternative zu Android entwickelt. Gleichwohl konnte der von der AOSP-Lizenz ausgehende Wettbewerbsdruck in Verbindung mit den anderen Gründen, auf die sich die Kommission in den Erwägungsgründen 567 bis 583 des angefochtenen Beschlusses gestützt hat, stark relativiert werden.

227

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Zutrittsbarrieren für ein Unternehmen, das ein BS aus dem Android-Quellcode entwickeln will, trotz oder gerade wegen der Tatsache, dass Android kostenlos ist, hoch waren. Wie die Kommission im 569. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt hat, ohne dass Google dem widersprochen hätte, müsste jedes Unternehmen, das ein alternatives BS aus dem Android-Quellcode entwickeln wollte, erhebliche Kosten aufwenden, was wahrscheinlich zur Folge hätte, dass zunächst eine kostenpflichtige Version angeboten würde. Die Beispiele des BS von Amazon oder des Versuchs von Seznam, ein eigenes BS zu entwickeln, sind besonders überzeugend. Google kann mit anderen Worten nicht geltend machen, dass die OEM im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android in der Lage gewesen wären, schnell auf den Quellcode zurückzugreifen, um einer solchen Verschlechterung entgegenzuwirken.

228

Dies gilt erst recht in Anbetracht der AFV, die das Aufkommen von Alternativen zu Android hemmten, wie die Kommission insbesondere in den Erwägungsgründen 572, 575 und 576 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat. Viele OEM waren nämlich an solche Vereinbarungen gebunden, die es ihnen untersagten, Mobilgeräte zu verkaufen, die mit nicht von Google genehmigten Android-Versionen betrieben wurden. Für die Unterzeichner der AFV – tatsächlich etwa 100 OEM, darunter die 30 größten (siehe unten, Rn. 849) – hätte der Wechsel zu einer alternativen, von Google nicht genehmigten Version einen vollständigen Bruch mit Google bedeutet.

229

Zweitens hätte, selbst wenn es einigen OEM gelungen wäre, aus dem Android-Quellcode eine alternative Version von Android zu entwickeln, die Gefahr bestanden, dass eine solche Version anfangs kein ernsthafter Wettbewerber gewesen wäre. Um eine solche Version zu entwickeln, hätte ein Unternehmen in der Lage sein müssen, mehrere Anwendungen anzubieten und auch Zugang zu ausreichend funktionalen Anwendungsprogrammierschnittstellen zu gewähren, wie die Kommission im 576. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat. Außerdem stellt Google die von der Kommission in den Erwägungsgründen 576 und 577 des angefochtenen Beschlusses wiedergegebenen Erklärungen nicht in Frage, wonach die eigenen Anwendungen und die proprietären API von Google insbesondere aufgrund der Marktmacht dieses Unternehmens im Bereich der allgemeinen Suchdienste für die Hersteller kommerziell wichtig waren. Die Nachbildung dieser Anwendungen und der zugehörigen Programmierschnittstellen hätte somit Zeit und erhebliche Investitionen erfordert. Das Aufkommen einer überzeugenden Alternativversion war mit anderen Worten höchst ungewiss.

230

Google behauptet in diesem Zusammenhang, dass eine alternative Android-Version von ihren proprietären API hätte profitieren können. Doch selbst wenn eine solche Möglichkeit bestanden hätte, bliebe es bei der von Google unwidersprochenen Feststellung im 576. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass der Zugang zu den Anwendungen und proprietären API von Google vom Abschluss einer AFV abhängig war, die es diesem Unternehmen somit ermöglicht hätte, alternative Android-Versionen zu überwachen.

231

Drittens stellt der Beschluss Sun Microsystems die vorstehende Analyse nicht in Frage. Wie die Kommission geltend macht, unterscheiden sich die Umstände jener Sache nämlich von denen der vorliegenden Rechtssache. Zwar hat die Kommission im 749. Erwägungsgrund des Beschlusses Sun Microsystems bei der Prüfung der Marktmacht des fusionierten Unternehmens den Wettbewerbsdruck berücksichtigt, der von der Software ausging, die aus dem Quellcode der Software von Sun Microsystems, Inc. entwickelt worden war. Ebenso hat die Kommission im 252. Erwägungsgrund jenes Beschlusses, auf den sich Google beruft, anerkannt, dass der Inhaber einer Software mit offenem Quellcode dem Wettbewerbsdruck durch unabhängige Entwickler unterlag, die in der Lage waren, Verbesserungen oder Patches dieser Software anzubieten. Gleichwohl ist in der vorliegenden Rechtssache die Quelloffenheit von Android nicht mit derjenigen der Software vergleichbar, um die es im Beschluss Sun Microsystems ging. Wie sich aus dem 128. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, ist die Android-Version, deren Quellcode verfügbar ist, nicht notwendigerweise die neueste von Google angebotene Version von Android. Ebenso ist es in der Praxis schwierig, aus dem Quellcode entwickelte Android-Verbesserungen anzubieten, es sei denn, man geht eine noch engere Bindung mit Google ein, um insbesondere Zugang zu ihren Anwendungen und proprietären API zu erhalten. Aus dem Vorstehenden folgt, dass der offene Quellcode von Android keinen Wettbewerbsdruck erzeugt, der mit dem im Beschluss Sun Microsystems beschriebenen vergleichbar wäre.

232

Schließlich kann dem von Google in der Erwiderung vorgebrachten Argument nicht gefolgt werden, wonach die Kommission sich selbst widerspreche, indem sie einerseits feststelle, dass „eine Android-Variante Zugang zu den Android-Marken und den Anwendungen Play Store und Google Search haben müsse, um eine ernsthafte Bedrohung darzustellen“, während sie andererseits im Rahmen des Missbrauchs auf dem Weltmarkt (ohne China) für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen einerseits und auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste andererseits, der darin bestehen solle, dass die Lizenzierung des Play Store und von Google Search von der Annahme der VVF abhängig gemacht werde (im Folgenden: zweiter Missbrauch), davon ausgehe, dass „inkompatible Forks“ – die keinen derartigen Zugang hätten – „eine ernsthafte Wettbewerbsbedrohung darstellen“ (vgl. 1036. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses). Wie von der Kommission dargelegt, muss nämlich bei der Beurteilung des Wettbewerbsdrucks, der von der AOSP-Lizenz ausgehen kann, berücksichtigt werden, dass die OEM eine AFV und eine VVMA abschließen müssen, um ihre Geräte, die mit kompatiblen Forks betrieben werden, verkaufen und Googles proprietäre API implementieren zu können. Da diese OEM an die AFV gebunden sind, die in der Regel eine Laufzeit von fünf Jahren haben (Erwägungsgründe 168, 169 und 1078 des angefochtenen Beschlusses), können sie nicht frei auf den Android-Quellcode zurückgreifen, um Forks zu erstellen. Es wäre ihnen daher nicht möglich, schnell und jederzeit ein Gerät auf den Markt zu bringen, das mit einer solchen Fork betrieben wird.

233

Daher ist die Kommission zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass die quelloffene Natur der AOSP-Lizenz keinen ausreichenden Wettbewerbsdruck darstellt, um der beherrschenden Stellung von Google auf dem Markt für lizenzierte BS entgegenzuwirken.

234

Folglich ist der erste Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

3.   Zweiter Teil: Beherrschende Stellung auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen

235

Neben dem Markt für lizenzierte BS hat die Kommission auch den Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen in Betracht gezogen. Zur Abgrenzung dieses Marktes hat sie in den Erwägungsgründen 268 bis 322 des angefochtenen Beschlusses alle Vertriebsplattformen für Anwendungen für Google-Android-Geräte sowie die Vertriebsplattformen für Anwendungen für andere Android-Geräte einbezogen. Hingegen hat die Kommission erstens die Zugehörigkeit einer Reihe von Anwendungen, insbesondere solcher, die direkt aus dem Internet heruntergeladen werden können, zu demselben Markt, dem die Vertriebsplattformen für Anwendungen angehören, ausgeschlossen. Zweitens hat die Kommission die Vertriebsplattformen für andere lizenzierte sowie für nicht lizenzierbare BS ausgeschlossen.

236

Im Anschluss daran hat die Kommission festgestellt, dass Google mit dem Play Store eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für Android-Vertriebsplattformen innehatte. Wie aus den Erwägungsgründen 590 bis 673 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, hat sich die Kommission auf die Marktanteile von Google, auf die Anzahl und die Beliebtheit der zum Download bereitgestellten Anwendungen sowie auf die Verfügbarkeit von Updates, auf die Verpflichtung, den Play Store zu nutzen, um die Dienste von Google Play in Anspruch nehmen zu können, auf das Vorhandensein von Marktzutrittsschranken, auf das Fehlen einer ausgleichenden Nachfragemacht der OEM und auf den unzureichenden Wettbewerbsdruck durch Vertriebsplattformen für nicht lizenzierbare mobile BS gestützt.

237

Im zweiten Teil des ersten Klagegrundes konzentriert Google ihre Argumente auf die von der Kommission in Abschnitt 9.4.7 des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Prüfung der Intensität des Wettbewerbsdrucks durch die Vertriebsplattformen für nicht lizenzierbare mobile BS.

a)   Vorbringen der Parteien

238

Zunächst weist Google darauf hin, dass Android und der Play Store voneinander abhängig seien. Beide müssten gleichzeitig wettbewerbsfähig sein: Die Dominanz des einen könne von der des anderen nicht getrennt werden. Das habe die Kommission in den Erwägungsgründen 299, 305 und 594 des angefochtenen Beschlusses anerkannt. Die HMD, die ADA und die CCIA bestätigen diese Auffassung und weisen darauf hin, dass der angefochtene Beschluss von der Realität abweiche, weil er den Wettbewerb zwischen den „Systemen“ Android und Apple außer Acht lasse und den Wettbewerb nicht auf globaler Ebene beurteile.

239

Ferner habe die Kommission bei der Trennung des Play Store von Android den von Apple ausgeübten Wettbewerb nicht berücksichtigt. Dieser Wettbewerb sei jedoch der Grund für die Entwicklung des Play Store gewesen, um dessen Qualität auf einem hohen Niveau zu halten. Das Urteil vom 12. Dezember 2018, Servier u. a./Kommission (T‑691/14, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2018:922), bestätige, dass ein solches Innovationsmuster das Vorhandensein von Wettbewerb impliziere. Hätte Google, wie die Kommission behaupte, eine marktbeherrschende Stellung innegehabt, hätte sie von Innovationen abgesehen, und es wäre eine Verschlechterung der Qualität des Play Store zu beobachten gewesen. Auch die Behauptung im 660. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die Entwicklung des Play Store nicht auf ein Innovationsphänomen zurückzuführen sei, sondern auf die Umsetzung technologischer Trends oder auf eine Anpassung der einen Vertriebsplattform an die Merkmale der anderen, sei unbewiesen und falsch. Träfe sie zu, würde eine solche Feststellung das Bestehen eines Wettbewerbs zwischen Google und Apple untermauern.

240

Ebenso wie die ADA weist Google schließlich darauf hin, dass sie entgegen der Behauptung in den Erwägungsgründen 290 und 668 des angefochtenen Beschlusses nicht in der Lage sei, ihre den Anwendungsentwicklern in Rechnung gestellten Gebühren gewinnbringend zu erhöhen. Genauso wenig, wie sie die Qualität von Android verschlechtern könne, könne sie irgendeinen Nutzen aus einer Erhöhung der von den Anwendungsentwicklern zu zahlenden Gebühren ziehen, ohne den von Apple ausgehenden Wettbewerb zu verstärken. Der Beweis dafür sei, dass Google während der Zeit ihrer angeblichen Marktbeherrschung die Gebühren für Anwendungsentwickler um 15 % gesenkt habe, um sie an die von Apple beschlossene Gebührensenkung anzupassen.

241

Die Kommission und ihre Streithelfer halten die von Google vorgebrachten Argumente für nicht stichhaltig. Zum einen träfen die Argumente von Google nicht zu, weil sie insbesondere außer Acht ließen, dass die Nutzer Vertriebsplattformen für Anwendungen für andere BS nicht nutzen könnten, wie sich aus dem 299. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses ergebe, und weil der Play Store den Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen beherrsche.

242

Zum anderen gebe es keinen Beweis dafür, dass die Entwicklung des Play Store durch die Entwicklungen des App Store von Apple vorangetrieben worden sei. Jedenfalls belegten andere im angefochtenen Beschluss angeführte Beweise die beherrschende Stellung des Play Store auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen. Ebenso seien die im angefochtenen Beschluss angeführten Beweise, die hätten erläutern sollen, inwiefern Google die Preise für die Anwendungsentwickler hätte erhöhen können, ohne dass dies negative Auswirkungen gehabt hätte, nach wie vor gültig. Insbesondere angesichts des steigenden Anteils von Google-Android-Geräten an den weltweiten Verkäufen intelligenter Mobilgeräte, der sich von 48 % im Jahr 2011 auf 81 % im Jahr 2016 erhöht habe, würden die Entwickler nicht auf den Zugang zu einer so großen und weiter expandierenden Nutzerbasis verzichten wollen. Die Anwendungsentwickler würden im Fall einer Preiserhöhung nicht aufhören, Anwendungen über den Play Store zu vertreiben.

b)   Würdigung durch das Gericht

243

Erstens ist festzustellen, dass Google nur eine begrenzte Zahl von Gründen des angefochtenen Beschlusses bestreitet. Die Rügen beziehen sich nicht auf alle Gesichtspunkte, die die Kommission zu der Schlussfolgerung veranlasst haben, dass Google mit dem Play Store eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen innegehabt habe. Google konzentriert sich ausschließlich darauf, dass die Kommission den von Apple ausgehenden Wettbewerbsdruck nicht berücksichtigt habe.

244

In diesem Zusammenhang zielt Google auf die Erwägungsgründe 299 ff. des angefochtenen Beschlusses ab, die sich auf die Abgrenzung des Marktes und den Ausschluss eines aus Android und dem Play Store bestehenden Gesamtsystems beziehen. Laut Google soll die Kommission einen Beurteilungsfehler begangen haben, indem sie die Existenz eines solchen Systems, das mit dem von Apple, d. h. dem aus iOS und dem App Store bestehenden System, in Wettbewerb stehe, verneint habe.

245

Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 299 ff. des angefochtenen Beschlusses die Existenz eines aus Android und dem Play Store bestehenden Systems nicht etwa in Betracht gezogen hat, um die Hypothese eines von Apple ausgehenden Wettbewerbs abzulehnen, sondern um den Wettbewerb zu relativieren, der von Vertriebsplattformen für Anwendungen für andere lizenzierte BS und von anderen Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen ausgeht. Die Kommission hat sich mit anderen Worten in den Erwägungsgründen 299 ff. des angefochtenen Beschlusses nicht förmlich mit der Frage befasst, ob es einen Wettbewerb zwischen dem Android-System und dem Apple-System gibt.

246

Was zweitens die Prüfung des Wettbewerbsdrucks durch den App Store betrifft, stellt sich die Frage der Existenz eines aus Android und dem Play Store bestehenden Systems unter anderen Vorzeichen. Im Gegensatz zu Android verfügte iOS nur über eine einzige Vertriebsplattform für Anwendungen und ließ sich schon aus diesem Grund nicht davon trennen. In diesem Sinne standen sowohl der Play Store als auch der App Store über das jeweilige System, zu dem sie gehörten, nämlich Android bzw. iOS, im Wettbewerb miteinander.

247

Bei der Gegenüberstellung mit dem Apple-System und zur Beurteilung des vom App Store ausgeübten Wettbewerbsdrucks kann der Play Store ebenfalls nicht von Android getrennt werden. Dies gilt umso mehr, als Google den Zugang zum Play Store vom Abschluss einer AFV abhängig machte, was es rechtfertigt, den Play Store allein in Verbindung mit Android-Versionen zu betrachten, die den Kompatibilitätstest von Google bestanden.

248

Daraus folgt, dass bei der Beurteilung des Wettbewerbsdrucks, den der App Store in Bezug auf die Nutzer und die Anwendungsentwickler auf den Play Store ausübt, der Wettbewerbsdruck berücksichtigt werden muss, den iOS auf Android ausübt, was Google in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts ausdrücklich eingeräumt hat.

249

Der Wettbewerbsdruck des App Store auf den Play Store war in der Tat von dem Druck abhängig, den iOS auf Android ausübte. Abgesehen davon, dass das BS eine Voraussetzung für das Funktionieren eines Mobilgeräts ist, hängen das reibungslose Funktionieren und die Vielfalt der verfügbaren Anwendungen auch von der Qualität des BS ab.

250

Diese Tatsache, die zur Beurteilung des Wettbewerbs zwischen den Systemen führt, wird durch die Lektüre des angefochtenen Beschlusses bestätigt. Die Kommission hat im 656. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass der App Store keinen ausreichenden Wettbewerbsdruck auf den Play Store ausgeübt habe, und sich dabei insbesondere auf Abschnitt 9.3.4 bezogen, an dessen Ende sie festgestellt hat, dass iOS aus der Sicht der Nutzer keinen ausreichenden Wettbewerbsdruck auf Android ausübe.

251

Auch aus der Sicht der Anwendungsentwickler hat sich die Kommission in den Erwägungsgründen 552 bis 555 und 668 bis 670 des angefochtenen Beschlusses auf im Wesentlichen identische Gründe gestützt, um zu dem Schluss zu kommen, dass iOS einen unzureichenden Wettbewerbsdruck auf Android ausübe und vom App Store ein vergleichbar geringer Druck auf den Play Store ausgehe. Diese Überschneidung der Gründe geht erst recht aus den Erwägungsgründen 553 und 668 des angefochtenen Beschlusses hervor, die beide auf den 290. Erwägungsgrund verweisen, der die Feststellung betrifft, dass der App Store nicht demselben Markt angehöre wie der Play Store.

252

Somit hängt die Begründetheit des zweiten Teils des ersten Klagegrundes von der Begründetheit des ersten Teils ab, mit dem Google der Kommission vorwirft, den von iOS auf Android ausgeübten Wettbewerbsdruck in Bezug auf die Nutzer und die Anwendungsentwickler außer Acht gelassen zu haben. Es ist nämlich logisch ausgeschlossen, dass ein vom App Store auf den Play Store ausgeübter Wettbewerbsdruck in seiner Intensität von dem abweicht, der von iOS auf Android ausgeht. In beiden Fällen waren die Daten, die für die Beurteilung der Intensität des Wettbewerbsdrucks herangezogen wurden, dieselben.

253

Da das Vorbringen von Google zur Stützung des ersten Teils des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückgewiesen und damit die Begründung des angefochtenen Beschlusses, dass Apples iOS keinen ausreichenden Wettbewerb für Android dargestellt habe, bestätigt wurde, kann das Vorbringen, auf das Google den zweiten Teil des ersten Klagegrundes stützt, keinen Erfolg haben.

254

Der zweite Teil des ersten Klagegrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

4.   Dritter Teil: Widerspruch zwischen der beherrschenden Stellung bei Suchdiensten für Nutzer und der Missbrauchstheorie, die sich auf die den OEM erteilten Lizenzen für Suchanwendungen bezieht

a)   Vorbringen der Parteien

255

Zur Stützung dieses Teils des ersten Klagegrundes macht Google geltend, dass die Beurteilung ihrer beherrschenden Stellung auf den Märkten für allgemeine Suchdienste nicht der im angefochtenen Beschluss aufgestellten Missbrauchstheorie entspreche. So weise die Kommission im 674. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass Google bei den allgemeinen Suchdiensten für Nutzer eine beherrschende Stellung innehabe, während das in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses beanstandete Verhalten nur Lizenzen betreffe, die den OEM, nicht aber den Nutzern erteilt würden.

256

Der angefochtene Beschluss zeige nicht auf, dass Google eine beherrschende Stellung auf dem „Markt“ für den OEM erteilte Lizenzen für allgemeine Suchanwendungen habe, was in der Praxis auch nicht der Fall sei. Für die OEM bestehe keine Notwendigkeit, die Anwendung Google Search auf ihren Geräten zu installieren, weil dieser Suchdienst frei und problemlos über das Internet zugänglich sei. Ebenso könne ein Nutzer, der ein Gerät ohne die Anwendung Google Search kaufe, ohne Weiteres auf diesen Suchdienst zugreifen. Ein OEM könnte auch ein Icon erstellen und installieren, das in einem Browser zur Startseite von Google führe. Da eine marktbeherrschende Stellung von Google bei der Lizenzierung von Suchanwendungen an OEM nicht festgestellt worden sei, könne es nicht als missbräuchlich angesehen werden, die Lizenzierung der Anwendung Google Search davon abhängig zu machen, dass die OEM einer VVF zustimmten und gemäß einer VVMA Chrome vorinstallierten. Dasselbe gelte auch für die von Google gewährte Beteiligung an bestimmten ihrer Werbeeinnahmen als Gegenleistung für die exklusive Vorinstallation von Google Search durch die betreffenden OEM und MNO.

257

Die Kommission macht allgemein geltend, dass die Feststellungen zur beherrschenden Stellung von Google auf den Märkten für allgemeine Suchdienste mit den festgestellten Missbräuchen übereinstimmten. Unter dem Vorwand, dass es die Nutzer seien, die allgemeine Suchen durchführten, könne jedenfalls nicht geltend gemacht werden, dass das Verhalten von Google gegenüber den OEM keinen Missbrauch ihrer beherrschenden Stellung auf den Märkten für allgemeine Suchdienste darstellen könne. Die Kommission stütze sich nicht auf die Form des Missbrauchs, sondern auf die Ähnlichkeit des Sachverhalts, weil das Verhalten von Google zwar auf der Ebene der OEM stattfinde, aber ein von den Verbrauchern verwendetes Produkt betreffe.

b)   Würdigung durch das Gericht

258

Die Rüge eines Widerspruchs zwischen den von der Kommission in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses festgestellten Missbräuchen und der beherrschenden Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste kann keinen Erfolg haben.

259

Als Erstes ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die von der Kommission in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses genannten Missbräuche in Anbetracht der beherrschenden Stellung von Google sowohl auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste als auch auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen festgestellt wurden. Selbst wenn diese Missbräuche zu Unrecht auf die beherrschende Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste gestützt worden wären, bliebe daher festzustellen, dass sie auch auf die beherrschende Stellung von Google auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen gestützt wurden, die durch das Vorbringen von Google im zweiten Teil des ersten Klagegrundes nicht in Frage gestellt wird.

260

Als Zweites ist unabhängig von der Feststellung, dass sich die von der Kommission in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses genannten Missbräuche auch aus der beherrschenden Stellung von Google auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen ergaben, jedenfalls auch festzustellen, dass die in Rede stehenden Praktiken eng mit der beherrschenden Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste verbunden waren. Da Google Search ein Produkt ist, das die Nutzer von Google-Android-Geräten vorzufinden erwarteten, nutzte Google ihre Macht auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste, um den Unterzeichnern der VVMA diese Anwendung zur Verfügung zu stellen.

261

Somit manifestierten sich die von der Kommission in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses festgestellten Missbräuche zwar in den Beziehungen zwischen Google und den Unterzeichnern der VVMA, zielten aber entgegen dem Vorbringen von Google in Wirklichkeit sehr wohl auf die Nutzer und auf die nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste ab, auf denen Google eine beherrschende Stellung innehatte. Der Umstand, dass die in Rede stehenden Praktiken die Bereitstellung von Google Search für die Unterzeichner der VVMA betrafen, ändert nichts an dieser Feststellung. Google Search war ein wichtiges Portal für den Zugang zu den allgemeinen Suchdiensten von Google, wobei die Unterzeichner der VVMA in diesem Rahmen als Vermittler zwischen Google und ihren Nutzern auftraten.

262

Die beherrschende Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste war mit anderen Worten sowohl Ausgangspunkt als auch Ziel der in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses untersuchten Verhaltensweisen (vgl. insbesondere den 1341. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), die nach Ansicht der Kommission in Wirklichkeit darauf abzielten, die Macht von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste zu erhalten und auszubauen und das Auftreten von Mitbewerbern auf diesem Markt zu verhindern.

263

Folglich ist kein Widerspruch zwischen den von der Kommission in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses festgestellten Missbräuchen und der beherrschenden Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste erkennbar.

264

Diese Sichtweise ist auch geboten, soweit es um den behaupteten Widerspruch zwischen dem im 1192. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellten Missbrauch in Bezug auf die sortimentbezogenen VAE und der beherrschenden Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste geht.

265

Während die Kommission die in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses festgestellten Missbräuche als Bündelung von Produkten oder Verpflichtungen angesehen hat, betraf der im 1192. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellte Missbrauch die in den sortimentbezogenen VAE vereinbarte Aufteilung der Werbeeinnahmen, die Google durch ihre Tätigkeit auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste erzielte. Die sortimentbezogenen VAE hingen daher zwangsläufig von der Macht von Google auf diesen Märkten ab. Auch wenn die sortimentbezogenen VAE die Beziehungen zwischen Google und den Unterzeichnern dieser Vereinbarungen betrafen, die infolgedessen keine mit Google Search konkurrierende Anwendung mehr vorinstallierten durften, ist wiederum festzustellen, dass diese Unterzeichner es Google durch die Übernahme einer solchen Verpflichtung ermöglichten, ihre Position auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste für Nutzer zu stärken.

266

Folglich ist kein Widerspruch zwischen dem von der Kommission im 1192. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellten Missbrauch und der beherrschenden Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste erkennbar.

267

Daher ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes unbegründet, so dass der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen ist.

5.   Zur relativen Bedeutung des Wettbewerbs zwischen Ökosystemen für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache

268

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen ist. Insbesondere hat die Kommission in Bezug auf den ersten und den zweiten Teil dieses Klagegrundes zu Recht festgestellt, dass der von Apple auf Google ausgeübte indirekte Wettbewerbsdruck unzureichend blieb.

269

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass Google zur Stützung des ersten und des zweiten Teils des ersten Klagegrundes die Abgrenzung der Märkte für lizenzierte BS und für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen sowie ihre eigene spätere Stellung auf diesen Märkten zwar getrennt voneinander in Frage stellt, in ihrem Vorbringen aber auch auf die Notwendigkeit hinweist, die Realität des Wettbewerbs zwischen Ökosystemen zu berücksichtigen.

270

Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission nämlich anerkannt, dass sowohl das iOS als auch der App Store von Apple einen gewissen Druck auf Google ausüben konnten (Erwägungsgründe 242, 243 und 322 des angefochtenen Beschlusses). Das durch die Beziehung zwischen dem BS Android und dem Play Store gekennzeichnete „Ökosystem“ von Google habe somit im Wettbewerb mit dem „Ökosystem“ von Apple gestanden, das durch die Beziehung zwischen iOS und dem App Store gekennzeichnet sei.

271

Hierzu trägt Google – insbesondere im Hinblick auf die Feststellung der beherrschenden Stellung, die ihr die Kommission auf den weltweiten Märkten (ohne China) für lizenzierte BS und für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen zugeschrieben hat – vor, dass es ihr wegen des von Apple ausgeübten Wettbewerbsdrucks durch iOS und den App Store, für die keine Lizenzen erteilt würden, nicht möglich gewesen sei, sich in nennenswertem Umfang unabhängig von diesem Mitbewerber zu verhalten.

272

In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass Apple von vornherein nicht in der Lage ist, die beherrschende Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste zu beeinflussen. Wie sich nämlich insbesondere aus den Erwägungsgründen 118 bis 199 und 515 des angefochtenen Beschlusses ergibt, profitierte Apple während des Zeitraums der Zuwiderhandlung von einer Vereinbarung über die Aufteilung von Einnahmen, die an die Bedingung geknüpft war, Google Search in Apples mobilem Internetbrowser Safari als Standard festzulegen. Infolge dieser Vereinbarung bestand daher für Apple kein Anreiz, auf diesen Märkten tätig zu werden, um mit Google Search in Wettbewerb zu treten, weil die Nutzung dieser Suchmaschine durch die Nutzer von iOS-Geräten erhebliche Einnahmen für Apple generierte.

273

Diese Vereinbarung war zwar nicht Gegenstand des Verfahrens, konnte aber im angefochtenen Beschluss gleichwohl – wie es die Kommission getan hat – berücksichtigt werden, und zwar als tatsächlicher Umstand, der es ermöglichte, die Wirtschaftskraft von Google und ihre Fähigkeit, sich in nennenswertem Umfang unabhängig von ihren Wettbewerbern, ihren Kunden und den Verbrauchern zu verhalten, besser zu beurteilen.

C. Zweiter Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der in der VVMA enthaltenen Vorinstallationsbedingungen in Bezug auf die ersten Missbräuche

274

Mit dem zweiten Klagegrund, der sich in zwei Teile gliedert, macht Google geltend, dass die Kommission die Vorinstallationsbedingungen der VVMA, nach denen die Vorinstallation der Anwendung Google Search Voraussetzung für die Erteilung einer Lizenz für den Play Store und die Vorinstallation des Browsers Chrome Voraussetzung für die Erteilung einer Lizenz für den Play Store und die Anwendung Google-Search seien (im Folgenden: erste Missbräuche), zu Unrecht als missbräuchlich eingestuft habe.

1.   Hintergrund

275

Um auf das Vorbringen der Parteien einzugehen, ist es zunächst erforderlich, erstens die Voraussetzungen für die Schlussfolgerung darzulegen, dass die in Rede stehenden Verhaltensweisen einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen, zweitens die verschiedenen Gesichtspunkte anzuführen, die die Kommission im angefochtenen Beschluss herangezogen hat, um die durch diese Verhaltensweisen hervorgerufenen Verdrängungswirkungen festzustellen, und drittens den Zusammenhang zwischen diesen Verhaltensweisen aufzuzeigen.

a)   Begriffe „missbräuchliche Praxis“, „Verdrängungswirkung“ und „Kopplungsgeschäft“, insbesondere im Hinblick auf das Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289)

276

Es ist nicht per se rechtswidrig, wenn ein Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat und am Leistungswettbewerb teilnimmt. Nur unter bestimmten Umständen, wenn sein Verhalten z. B. eine Verdrängungswirkung erzeugt, die nicht unter einen solchen Wettbewerb fällt, stellt das Verhalten einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV dar.

277

Art. 102 AEUV soll nämlich keineswegs verhindern, dass ein Unternehmen auf einem Markt aus eigener Kraft eine beherrschende Stellung einnimmt. Ebenso wenig soll diese Vorschrift gewährleisten, dass sich Wettbewerber, die weniger effizient als das Unternehmen in beherrschender Stellung sind, weiterhin auf dem Markt halten (vgl. Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 133 und die dort angeführte Rechtsprechung).

278

Der Wettbewerb wird also nicht unbedingt durch jede Verdrängungswirkung verzerrt. Leistungswettbewerb kann definitionsgemäß dazu führen, dass Wettbewerber, die für die Verbraucher im Hinblick insbesondere auf Preise, Auswahl, Qualität oder Innovation weniger interessant sind, vom Markt verschwinden oder bedeutungslos werden (vgl. Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 134 und die dort angeführte Rechtsprechung).

279

Ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, trägt jedoch eine besondere Verantwortung dafür, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Binnenmarkt nicht beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 135 und die dort angeführte Rechtsprechung).

280

Deshalb verbietet Art. 102 AEUV einem Unternehmen in beherrschender Stellung insbesondere die Anwendung von Praktiken, die für seine als ebenso effizient geltenden Wettbewerber eine Verdrängungswirkung entfalten und damit seine Stellung stärken, indem andere Mittel als diejenigen eines Leistungswettbewerbs herangezogen werden. Unter diesem Blickwinkel kann daher weder jeder Preiswettbewerb noch jeder Wettbewerb über andere Parameter als zulässig angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 136 und die dort angeführte Rechtsprechung).

281

Verdrängungswirkungen kennzeichnen Situationen, in denen das beherrschende Unternehmen durch sein Verhalten vorhandenen oder potenziellen Mitbewerbern den tatsächlichen Zugang zu den Märkten oder ihren Bestandteilen erschwert oder unmöglich macht, so dass es in der Lage ist, verschiedene Wettbewerbsparameter wie Preise, Produktion, Innovation, Vielfalt oder Qualität von Waren oder Dienstleistungen zu seinen Gunsten und zum Nachteil der Verbraucher negativ zu beeinflussen.

282

Der Umstand, dass das Verhalten eines Unternehmens in beherrschender Stellung Verdrängungswirkungen auf anderen Märkten als dem beherrschten Markt hervorruft, steht der Anwendung von Art. 102 AEUV nicht entgegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 1996, Tetra Pak/Kommission, C‑333/94 P, EU:C:1996:436, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

283

Im vorliegenden Fall sind die Praktiken, um die es bei den ersten Missbräuchen geht, Kopplungsgeschäfte. Dabei handelt es sich um eine im Geschäftsleben gängige Praxis, die allgemein darauf abzielt, den Kunden bessere Produkte oder Angebote auf kostengünstigere Weise anzubieten. Ein Kopplungsgeschäft besteht darin, dass ein beherrschendes Unternehmen den Verkauf eines bestimmten Produkts (des Kopplungsprodukts) vom Erwerb eines anderen Produkts (des gekoppelten Produkts) abhängig macht. Sie kann Verdrängungswirkungen auf dem gekoppelten Markt, dem Kopplungsmarkt oder auf beiden Märkten gleichzeitig entfalten. Ein Unternehmen, das auf einem oder mehreren Produktmärkten (dem Markt für das Kopplungsprodukt) eine beherrschende Stellung einnimmt, kann nämlich durch diese Praxis die Verbraucher schädigen, indem es den Markt für die anderen Produkte, die Gegenstand der Kopplung sind (den Markt für das gekoppelte Produkt), und indirekt auch den Kopplungsmarkt abschottet.

284

Insoweit ist bereits entschieden worden, dass sich die Kommission zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit solcher Praktiken auf folgende Kriterien stützen kann (Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 869):

Erstens handelt es sich bei dem Kopplungsprodukt und dem daran gekoppelten Produkt um zwei gesonderte Produkte.

Zweitens verfügt das betreffende Unternehmen auf dem Markt für das Kopplungsprodukt über eine beherrschende Stellung.

Drittens gibt das genannte Unternehmen den Verbrauchern nicht die Möglichkeit, das Kopplungsprodukt ohne das daran gekoppelte Produkt zu beziehen.

Viertens wird durch die fragliche Praxis „der Wettbewerb eingeschränkt“.

Fünftens ist diese Praxis nicht objektiv gerechtfertigt.

285

Was insbesondere die vierte, oben in Rn. 284 genannte Voraussetzung der Einschränkung des Wettbewerbs betrifft, hat das Gericht in Rn. 867 des Urteils vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), auf die frühere Rechtsprechung hingewiesen, wonach „eine Verhaltensweise grundsätzlich nur dann als missbräuchlich angesehen [wird], wenn sie den Wettbewerb beschränken kann“.

286

Andererseits hat das Gericht in Rn. 868 des Urteils vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), festgestellt, dass die Kommission in der in jener Rechtssache angefochtenen Entscheidung „der Auffassung [war], dass sie sich angesichts der spezifischen Umstände des vorliegenden Falles nicht – wie sonst normalerweise in den Fällen missbräuchlicher Kopplungsgeschäfte – auf die Erwägung beschränken dürfe, dass der gekoppelte Verkauf eines bestimmten Produkts und eines beherrschenden Produkts per se eine Ausschlusswirkung auf dem Markt habe“, und dass sie „daher die konkreten Auswirkungen, die durch das fragliche Kopplungsgeschäft bereits auf dem [relevanten] Markt … entstanden waren, sowie die mutmaßliche weitere Entwicklung dieses Markts einer näheren Prüfung [unterzog]“ (vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 1035).

287

Um zu erläutern, warum die Kommission die konkreten Auswirkungen des Kopplungsgeschäfts auf dem in Rede stehenden Markt untersucht hatte, stellte das Gericht fest, dass die Kommission in der dort angefochtenen Entscheidung Folgendes ausgeführt hatte (Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 977):

„Es gibt … Umstände im Zusammenhang mit dem Kopplungsverkauf des [Windows Media Player], die eine genauere Prüfung der Auswirkungen dieser Praxis auf den Wettbewerb im vorliegenden Fall rechtfertigen. Während in den klassischen Fällen des Kopplungsverkaufs die Kommission und die [Unions]gerichte der Auffassung waren, dass die Bündelung eines gesonderten Produkts mit dem beherrschenden Produkt die Ausschlusswirkung für konkurrierende Verkäufer belegt, können sich im vorliegenden Fall die Nutzer – teilweise gratis – Medienabspielprogramme von Drittanbietern über das Internet besorgen und tun dies auch in gewissem Umfang. Es gibt somit durchaus gute Gründe, nicht ohne nähere Untersuchung davon auszugehen, dass der Kopplungsverkauf des [Windows Media Player] eine Handlung ist, die ihrem Wesen nach geeignet ist, den Wettbewerb einzuschränken.“

288

Infolgedessen befand das Gericht in Rn. 869 des Urteils vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2077:289), dass bei der Beurteilung des fraglichen Kopplungsgeschäfts die Voraussetzungen heranzuziehen sind, die in der dort angefochtenen Entscheidung genannt (und in den Rn. 842 und 843 des Urteils wiedergegeben) wurden, darunter die Voraussetzung, dass durch die fragliche Praxis „der Wettbewerb eingeschränkt“ wird.

289

Im vorliegenden Fall bezieht sich die Kommission im angefochtenen Beschluss auf das Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), um die Voraussetzungen darzulegen, die erforderlich sind, um die ersten Missbräuche festzustellen (Erwägungsgründe 741 und 742 des angefochtenen Beschlusses).

290

Insbesondere zu der oben in Rn. 284 genannten vierten Voraussetzung hat die Kommission – nachdem sie im angefochtenen Beschluss ausgeführt hatte, dass nach der Rechtsprechung vor dem Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), der Nachweis wettbewerbswidriger Wirkungen in den „klassischen Fällen“ des Kopplungsverkaufs nicht erforderlich gewesen sei – im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass die vierte Voraussetzung für die Feststellung eines Kopplungsgeschäfts grundsätzlich erfüllt sei, wenn die fragliche Praxis „geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken“ (vgl. 749. Erwägungsgrund und Fn. 813, die auf das Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, [T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 867], verweisen).

291

In dieser Hinsicht ist, wie später noch zu prüfen sein wird, in der vorliegenden Rechtssache festzustellen, dass die Kommission im Rahmen der Anwendung eines Kriteriums, das sie unter Bezugnahme auf Rn. 867 des Urteils vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), als „Eignung, den Wettbewerb zu beschränken“ formulierte, im angefochtenen Beschluss auch darauf bedacht war, die verschiedenen Faktoren, die es ihrer Ansicht nach ermöglichten, die behaupteten Verdrängungswirkungen festzustellen, im Einklang mit Rn. 868 des genannten Urteils konkret darzulegen.

292

Wie Google in der vorliegenden Rechtssache geltend macht, ist es nämlich für die Nutzer leicht, sich allgemeine Such- oder Browseranwendungen zu verschaffen, die mit denjenigen, die Gegenstand der Kopplung sind, im Wettbewerb stehen. Diese Tatsache wird von allen Beteiligten anerkannt, weil ihre Kontroverse nicht die Möglichkeit der Nutzer betrifft, solche Anwendungen ohne Weiteres herunterzuladen, sondern die Anreize, die sie dazu haben könnten (vgl. 917. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

293

Unter diesen Umständen geht aus dem angefochtenen Beschluss, wie in der mündlichen Verhandlung vom Gericht ausgeführt und von den Parteien bestätigt worden ist, in der Tat hervor, dass die Kommission versuchte, nicht nur eine „potenzielle“ oder „mögliche“, sondern in Bezug auf einige ihrer Aspekte auch eine „tatsächliche“ oder „konkrete“ Wettbewerbsbeschränkung festzustellen. Nach Auffassung der Kommission führten die fraglichen Praktiken ab dem Jahr 2011 bzw. von August 2012 bis Juli 2018 zu den im angefochtenen Beschluss dargestellten Verdrängungswirkungen, die sich als schädlich für den Leistungswettbewerb erwiesen.

294

So gelangte die Kommission beispielsweise zu dem Schluss, diese Praktiken hätten u. a. bewirkt, es für konkurrierende Suchdienste „schwerer zu machen“, Suchanfragen sowie Einnahmen und Daten zu erhalten, die sie zur Verbesserung ihrer Dienste benötigten (859. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), dass sie „die Marktzutrittsbarrieren erhöhten“, indem sie Google vor dem Wettbewerb der anderen Suchdienste schützten (861. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), und dass sie „die Anreize“ zu Innovationen derjenigen Wettbewerber „verringerten“, die spezialisierte Suchdienste in einer bestimmten Sprache vermarkteten oder sich an eine bestimmte Nutzergruppe richteten (vgl. Erwägungsgründe 862 und 1213 des angefochtenen Beschlusses, wobei Letzterer auf Seznam, DuckDuckGO, Qwant und Kikins „Touch-to-Search“ hinweist).

295

Im vorliegenden Fall hat die Kommission daher, ebenso wie in der Entscheidung, zu der das Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), ergangen ist (siehe oben, Rn. 286), zu Recht festgestellt, dass eine sorgfältige Prüfung der konkreten Auswirkungen – oder eine nähere Untersuchung, wie die in der Vergangenheit in diesem Zusammenhang verwendete Terminologie lautete – erforderlich ist, bevor der Schluss gezogen werden kann, dass die in Rede stehenden Kopplungsgeschäfte wettbewerbsschädlich waren. Eine solche Prüfung hat den Vorteil, dass zum einen das Risiko der Ahndung eines Verhaltens, das dem Leistungswettbewerb nicht wirklich schadet, verringert und zum anderen die Schwere des in Rede stehenden Verhaltens genauer geklärt wird, was die Bestimmung der angemessenen Höhe einer möglichen Sanktion erleichtert.

296

Da sich die fraglichen Praktiken über einen langen Zeitraum erstreckten und dem angefochtenen Beschluss zufolge konkrete und wahrnehmbare Auswirkungen auf die relevanten Märkte hatten, erweist sich der Nutzen einer weniger konturenscharfen Definition des Begriffs „Wettbewerbsbeschränkung“ unter der Bezeichnung der „Eignung, den Wettbewerb zu beschränken“ als nicht so bedeutsam, wie dies unter anderen Umständen der Fall sein könnte.

297

Für die Kommission geht es hierbei nicht darum, eine vorausschauende Analyse vorzunehmen, beruhend auf Wirkungen, die sich unter Berücksichtigung von Annahmen entfalten werden, die in der Praxis noch nicht überprüft werden können, wie dies unter anderen Umständen der Fall sein kann (vgl. z. B. Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 145).

298

Darüber hinaus kann die Kommission bei Verhaltensweisen, die sich über mehrere Jahre erstreckt haben, eine Wettbewerbsbeschränkung nachweisen, indem sie feststellt, dass diese Verhaltensweisen Wettbewerbsquellen, die sich andernfalls ausgewirkt oder entwickelt hätten, ausgeschaltet oder behindert haben. Es ist daher unstreitig, dass die in der Vergangenheit eingetreten tatsächlichen und konkreten Auswirkungen der in Rede stehenden Praktiken sowohl im Hinblick auf den bestehenden Wettbewerb, dem sich das beherrschende Unternehmen stellen musste, als auch im Hinblick auf den potenziellen Wettbewerb, der wegen der Ausschlusspraktiken nicht entstehen konnte, zu beurteilen sind.

299

Folglich hat der Unterschied zwischen „Wettbewerbsbeschränkung“ und „Eignung, den Wettbewerb zu beschränken“ keinen Einfluss auf die Beweisführung in Fällen, in denen die Kommission die Wettbewerbsbeschränkung, wie im vorliegenden Fall, unter Berücksichtigung der Auswirkungen festgestellt hat, die durch die Anwendung der fraglichen Praktiken über einen erheblichen Zeitraum herbeigeführt wurden, weil diese Auswirkungen beobachtet werden können und es der Kommission ermöglichen, die Art und das Ausmaß der von ihnen bewirkten wettbewerbswidrigen Verdrängung zu bestimmen, und dem Gericht, diese Beurteilungen zu überprüfen.

b)   Angefochtener Beschluss

300

Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission festgestellt, dass die ersten Missbräuche in zwei Kopplungsgeschäften bestanden hätten, die sich in den Vorinstallationsbedingungen der VVMA widerspiegelten, die die OEM und die MNO akzeptieren müssten, wenn ihnen daran gelegen sei, Geräte mit dem GMS-Paket vermarkten zu können; insoweit habe Google

mit dem ersten Kopplungsgeschäft, das die Anwendung Google Search mit dem Play Store verknüpft habe, vom 1. Januar 2011 bis zum Datum des angefochtenen Beschlusses ihre beherrschende Stellung auf dem weltweiten Markt (ohne China) für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen missbraucht (Erwägungsgründe 752 und 1009 des angefochtenen Beschlusses);

mit dem zweiten Kopplungsgeschäft, das den Browser Chrome mit der Anwendung Google-Search und dem Play Store verknüpft habe, vom 1. August 2012 bis zum Datum des angefochtenen Beschlusses ihre beherrschenden Stellungen auf den weltweiten Märkten (ohne China) für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen und auf den nationalen Märkten innerhalb des EWR für allgemeine Suchdienste missbraucht (Entscheidungsgründe 753 und 1010 des angefochtenen Beschlusses).

301

Die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Beurteilung der ersten drei im Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), genannten Voraussetzungen wird von Google als solche nicht in Frage gestellt. Die im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes vorgebrachten Argumente betreffen vielmehr die Ausführungen im angefochtenen Beschluss zum vierten und zum fünften Kriterium dieses Urteils, die sich auf die Beschränkung des Wettbewerbs und auf die von Google insoweit vorgebrachten objektiven Rechtfertigungen beziehen.

1) Zu den ersten drei im Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), genannten Voraussetzungen

302

In Bezug auf das Produktbündel aus Google Search und Play Store vertritt die Kommission erstens die Auffassung, dass es sich um separate Produkte handele (Erwägungsgründe 756 bis 762 des angefochtenen Beschlusses), zweitens, dass Google eine beherrschende Stellung auf dem weltweiten Markt (ohne China) für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen innehabe (763. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), und drittens, dass Google Search und der Play Store nicht getrennt voneinander erhältlich seien (Erwägungsgründe 764 bis 772 des angefochtenen Beschlusses).

303

In Bezug auf das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search stuft die Kommission Chrome als ein gegenüber dem Play Store und der Anwendung Google Search separates Produkt ein (Erwägungsgründe 879 bis 885 des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission weist ferner darauf hin, dass Google eine beherrschende Stellung auf dem weltweiten Markt (ohne China) für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen und auf den nationalen Märkten innerhalb des EWR für allgemeine Suchdienste innehabe (886. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Sie stellt zudem fest, dass der Play Store und die Anwendung Google Search nicht ohne Chrome erhältlich seien, und führt erneut die in Bezug auf das erste Bündel vorgebrachten Argumente an (Erwägungsgründe 887 bis 895 des angefochtenen Beschlusses).

2) Zur Voraussetzung der „Beschränkung des Wettbewerbs“

i) Das Bündel aus Google Search und Play Store

304

In Bezug auf die Voraussetzung der „Beschränkung des Wettbewerbs“ (Überschrift des Abschnitts 11.3.4 des angefochtenen Beschlusses) vertritt die Kommission die Auffassung, dass das Bündel aus Google Search und Play Store aus folgenden Gründen geeignet sei, den Wettbewerb zu beschränken (773. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses):

Zum einen verschaffe es Google einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, den die Anbieter konkurrierender allgemeiner Suchdienste nicht ausgleichen könnten.

Zum anderen versetze es Google in die Lage, ihre marktbeherrschende Stellung auf den einzelnen nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste aufrechtzuerhalten und zu verstärken, indem es die Marktzutrittsbarrieren erhöhe und von Innovationen abhalte, was tendenziell direkt oder indirekt zum Schaden der Verbraucher sei.

305

Als Erstes führt die Kommission zur Einstufung des Bündels aus Google Search und Play Store als erheblichen Wettbewerbsvorteil für Google, der sich nachteilig auf die Anbieter allgemeiner Suchdienste auswirke, folgende fünf Argumente an (775. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses):

Die Zahl der allgemeinen Suchanfragen, die mit intelligenten Mobilgeräten durchgeführt würden, habe im Zeitraum der Zuwiderhandlung deutlich zugenommen und übersteige seit 2015 die Zahl der allgemeinen Suchanfragen mit PCs (777. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Die Vorinstallation sei ein wichtiger Kanal für den Vertrieb von allgemeinen Suchdiensten auf intelligenten Mobilgeräten, weil sie die Nutzung des von der Anwendung bereitgestellten Dienstes dauerhaft erheblich steigern könne; der Nutzer greife nämlich eher zu einer vorinstallierten oder als Standard festgelegten Anwendung, als ein alternatives Produkt herunterzuladen („Status-quo-Präferenz“), und das Bündel aus Google Search und Play Store garantiere Google, dass die Verbreitung der Anwendung Google Search ebenso immens sei wie die Zahl der Google-Android-Geräte (Erwägungsgründe 778 bis 800 des angefochtenen Beschlusses).

Es sei nicht möglich, die Anwendung Google Search aus dem GMS-Paket zu deinstallieren (Erwägungsgründe 801 bis 803 des angefochtenen Beschlusses).

Die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste könnten den Wettbewerbsvorteil, den das Bündel aus Google Search und Play Store verschaffe, weder durch Downloads noch durch Vereinbarungen mit Suchmaschinenentwicklern oder Vorinstallationsvereinbarungen ausgleichen (Erwägungsgründe 804 bis 834 des angefochtenen Beschlusses).

Die Entwicklung der Marktanteile von Google bei den allgemeinen Suchanfragen bestätige diese Feststellungen (Erwägungsgründe 835 bis 851 des angefochtenen Beschlusses).

306

Als Zweites führt die Kommission zum Nachweis des Vorliegens und des schädigenden Charakters der Verdrängungswirkungen die folgenden Gesichtspunkte an. Um darzutun, dass das Bündel aus Google Search und Play Store dazu beitrage, „die beherrschende Stellung [von Google] auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste zu erhalten und zu verstärken, Marktzutrittsbarrieren zu erhöhen, von Innovationen abzuhalten und tendenziell … die Verbraucher zu schädigen“, führt die Kommission eine Reihe von Argumenten an:

Das Verhalten von Google „erschwere“ es ihren Mitbewerbern auf den Märkten für allgemeine Suchdienste, Suchanfragen sowie die damit verbundenen Einnahmen und Daten zur Verbesserung ihrer Dienste zu erlangen (Erwägungsgründe 859 und 860 des angefochtenen Beschlusses).

Das Verhalten von Google „erhöhe“ die Marktzutrittsbarrieren, indem es dieses Unternehmen vor dem Wettbewerb durch allgemeine Suchdienste schütze, die seine beherrschende Stellung auf den relevanten nationalen Märkten in Frage stellen könnten; die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste müssten nämlich Ressourcen aufwenden, um den Vorteil der Vorinstallation auszugleichen, die Google auch vor dem wirksamsten Wettbewerb in Form einer ausschließlichen Vorinstallation eines konkurrierenden Suchdienstes schütze (861. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Das Verhalten von Google „verringere“ die Investitions- und Innovationsanreize für konkurrierende allgemeine Suchdienste, indem es diesen Diensten erschwert werde, Suchanfragen sowie Einnahmen und Daten zu erhalten, die sie zur Verbesserung dieser Dienste benötigten (862. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Infolge dieser Eingriffe in den normalen Wettbewerbsprozess sei das Verhalten von Google „[auch] geeignet, direkt oder indirekt die Verbraucher zu schädigen“, denen möglicherweise weniger Wahlmöglichkeiten unter den verfügbaren allgemeinen Suchdiensten verblieben (863. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

307

In Erwiderung auf die Argumente, mit denen Google die Auswirkungen des Bündels aus Google Search und Play Store mit der Begründung herunterzuspielen versucht, dass zwischen 2013 und 2015 nur [10-20 %] bis [20-30 %] aller Suchanfragen bei Google Search auf Android-Geräte entfallen seien, macht die Kommission geltend, dass diese Zahlen zwei- bis fünfmal so hoch gewesen seien wie die der Suchanfragen bei allen konkurrierenden Diensten. Das Argument, dass diese Praxis mit einer Phase der Verbesserung des allgemeinen Suchdienstes zusammenfalle, reiche nicht aus, um das Fehlen von Auswirkungen auf den Wettbewerb zu belegen (Erwägungsgründe 864 bis 866 des angefochtenen Beschlusses). Darüber hinaus erklärt die Kommission, sie brauche nicht nachzuweisen, dass der Wettbewerb ohne das Bündel aus Google Search und Play Store intensiver gewesen wäre, sondern nur, dass dieses Bündel den Wettbewerb habe beschränken können, was sehr wohl der Fall gewesen sei (Erwägungsgründe 867 bis 876 des angefochtenen Beschlusses).

ii) Das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search

308

Ebenso hat die Kommission in Bezug auf die „Beschränkung des Wettbewerbs“ (Überschrift des Abschnitts 11.4.4 des angefochtenen Beschlusses) festgestellt, dass das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search aus den folgenden Gründen geeignet sei, den Wettbewerb zu beschränken (896. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses):

Zum einen verschaffe es Google einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, den andere nicht BS-spezifische mobile Internetbrowser nicht ausgleichen könnten.

Zum anderen versetze es Google in die Lage, Innovationen zu verhindern, und schade letztlich direkt oder indirekt den Verbrauchern.

309

Was als Erstes den erheblichen Wettbewerbsvorteil betrifft, den konkurrierende nicht BS-spezifische mobile Internetbrowser nicht ausgleichen könnten, argumentiert die Kommission wie folgt:

Die Vorinstallation sei ein wichtiger Kanal für den Vertrieb von Suchmaschinen für intelligente Mobilgeräte; dies ergebe sich insbesondere aus einem Vergleich zwischen den bei Google Android über den vorinstallierten Browser Chrome und den über andere, nicht vorinstallierte Browser erzielten Einnahmen, oder aus einem Vergleich zwischen den mit Suchanfragen über einen Browser auf dem BS iOS und dem BS Android erzielten Einnahmen (Erwägungsgründe 900 bis 912 des angefochtenen Beschlusses).

Google Chrome könne auf Geräten mit dem GMS-Paket nicht deinstalliert werden (Erwägungsgründe 913 bis 915 des angefochtenen Beschlusses).

Die konkurrierenden nicht BS-spezifischen mobilen Internetbrowser könnten den Vorteil, den das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search biete, weder durch Downloads noch durch Vorinstallationsvereinbarungen ausgleichen (Erwägungsgründe 916 bis 946 des angefochtenen Beschlusses).

Die Entwicklung der Marktanteile bestätige diese Feststellungen (Erwägungsgründe 947 bis 963 des angefochtenen Beschlusses).

310

Die Kommission stellt ferner fest, dass es konkurrierenden Unternehmen nicht möglich sei, den Vorteil, der durch die Bündelung von Chrome, Play Store und Google Search entstehe, durch Vorinstallationsvereinbarungen mit den OEM und den ORM auszugleichen (Erwägungsgründe 964 bis 982 des angefochtenen Beschlusses).

311

Als Zweites führt die Kommission zum Nachweis des Vorliegens und des schädigenden Charakters der Verdrängungswirkungen die folgenden Gesichtspunkte an. Um darzutun, dass das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search dazu beitrage, „die beherrschende Stellung [von Google] auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste zu erhalten und zu verstärken, von Innovationen abzuhalten und tendenziell direkt oder indirekt die Verbraucher zu schädigen“, führt die Kommission die folgenden Argumente an:

Das Verhalten von Google „behindere“ die Innovation bei Internetbrowsern, weil es die Entwicklung von innovativen nicht BS-spezifischen mobilen Internetbrowsern verhindere (970. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Infolge des Eingriffs von Google in den normalen Wettbewerbsprozess sei deren Verhalten „[auch] geeignet, direkt oder indirekt die Verbraucher zu schädigen“, denen möglicherweise weniger Wahlmöglichkeiten unter mobilen Internetbrowsern verblieben (971. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Das Verhalten von Google „trägt dazu bei“, ihre beherrschende Stellung auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste und ihre Werbeeinnahmen im Zusammenhang mit Suchanzeigen „zu erhalten und zu verstärken“; dieses Verhalten „hindert“ somit die anderen allgemeinen Suchdienste daran, Suchanfragen und die zur Verbesserung dieser Dienste erforderlichen Einnahmen und Daten zu erlangen (Erwägungsgründe 972 bis 977 des angefochtenen Beschlusses).

312

Diese Einschätzungen würden durch das Argument, dass das Verhalten von Google mit der Verbesserung von Chrome zusammenfalle, die es den Nutzern ermögliche, den als Standard festgelegten allgemeinen Suchdienst zu ändern, und durch das Argument, dass es den OEM weiterhin freigestanden habe, andere Browser zu installieren, nicht in Frage gestellt (978. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die verschiedenen Argumente, die Google für die Notwendigkeit anführe, diese Praxis in ihrem Kontext zu erfassen, seien nicht stichhaltig (Erwägungsgründe 983 bis 992 des angefochtenen Beschlusses).

3) Zur Voraussetzung des Fehlens objektiver Rechtfertigungen

313

Die Kommission hat auch die von Google angeführten objektiven Rechtfertigungsgründe zurückgewiesen. Zunächst habe Google nicht nachgewiesen, dass ihre Praktiken notwendig gewesen seien, um ihre Investitionen in Android und die zugehörigen Anwendungen, aus denen sie keine Einnahmen erziele, zu amortisieren. In Anbetracht der Einnahmen von Google hätte es andere Lösungen gegeben. Google habe auch nicht nachgewiesen, dass sie kein eigenes Interesse daran gehabt habe, Android zu dem Zweck zu entwickeln, den Risiken für ihr Geschäftsmodell zu begegnen, die sich aus dem Trend zum mobilen Internet ergäben. Ferner habe Google nicht dargetan, dass ihre Praktiken notwendig gewesen seien, um den Nutzern das behauptete Erlebnis zu bieten. Schließlich habe Google die Notwendigkeit, zu vermeiden, dass die OEM eine Gebühr für den Play Store entrichten müssten, in Anbetracht der durch den Wert des Play Store generierten Einnahmen nicht hinreichend nachgewiesen (Erwägungsgründe 993 bis 1008 des angefochtenen Beschlusses).

c)   Komplementarität der ersten Missbräuche

314

Auch wenn es in der Tat möglich ist, im Hinblick auf die jeweiligen Anwendungen zwischen zwei Produktbündeln zu unterscheiden, wie die Kommission es tut, muss jedoch ebenfalls berücksichtigt werden, dass diese Bündel in zwei Aspekten, zu denen die Parteien in der mündlichen Verhandlung befragt wurden, einander ähnlich sind und somit eine gewisse Komplementarität aufweisen.

315

Für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Praktiken, um die es bei den ersten Missbräuchen geht, ist nämlich auch die Feststellung wichtig, dass sich das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search mit dem Bündel aus Google Search und Play Store überschnitt, um der Entwicklung der VVMA Rechnung zu tragen, in der der Browser Chrome ursprünglich nicht zu den im GMS-Paket zusammengestellten Anwendungen gehörte (1010. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

316

Desgleichen ist darauf hinzuweisen, dass das Ziel der beiden von der Kommission ermittelten Bündel im einen wie im anderen Fall darin bestand, Google in die Lage zu versetzen, die Nutzer zu erreichen, damit diese für ihre allgemeinen Suchanfragen Google Search verwenden, sei es als allgemeine Suchanwendung oder als Suchmaschine des Browsers Chrome.

2.   Erster Teil: „Beschränkung des Wettbewerbs“

317

Zur Stützung des ersten Teils des zweiten Klagegrundes macht Google geltend, die Kommission habe im angefochtenen Beschluss nicht nachgewiesen, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA den Wettbewerb verdrängt hätten.

318

Angesichts der den Mitbewerbern und den Nutzern gebotenen Möglichkeiten hätten diese Bedingungen nur begrenzte Auswirkungen auf den Wettbewerb. Die VVMA verlange lediglich, dass die Geräte, auf denen die OEM das GMS-Paket vorinstallieren wollten, auf dem Startbildschirm Symbole für den Play Store, einen App-Ordner und Google Search anzeigten. Diese Werbeplatzierung hindere die OEM nicht daran, konkurrierende Dienste vorzuinstallieren, indem sie weitere Symbole mit gleicher oder größerer Sichtbarkeit auf dem Startbildschirm platzierten. Es stehe den OEM auch weiterhin frei, diese konkurrierenden Dienste als Standard festzulegen, was ihnen bessere Werbemöglichkeiten biete als die Einstellungen, die die VVMA für die Anwendungen von Google verlange. Außerdem hindere die VVMA die Nutzer nicht daran, konkurrierende Suchdienste oder Browser herunterzuladen, und die Nutzer könnten auch direkt über den Browser auf die Suchdienste zugreifen. Das Einzige, was den OEM im Rahmen der VVMA verwehrt sei, sei die ausschließliche Vorinstallation konkurrierender Suchdienste und Browser. Sie könnten aber weiterhin Android-Geräte ohne Anwendungen von Google verkaufen und auf diesen Geräten ausschließlich konkurrierende Suchdienste und Browser vorinstallieren.

319

Google stützt ihr Vorbringen auf fünf Rügen: Erstens werde im angefochtenen Beschluss nicht nachgewiesen, dass die Vorinstallationsbedingungen eine „Status-quo-Präferenz“ erzeugten, zweitens werde außer Acht gelassen, dass die VVMA es den OEM freistelle, Konkurrenzprodukte vorzuinstallieren und als Standard festzulegen, drittens werde ferner außer Acht gelassen, dass die Mitbewerber über andere wirksame Mittel verfügten, um die Nutzer zu erreichen, viertens werde nicht nachgewiesen, dass die auf den Suchdienst und den Browser von Google entfallenden Nutzungsanteile auf die beanstandeten Vorinstallationsbedingungen zurückzuführen seien, und fünftens werde nicht der gesamte wirtschaftliche und rechtliche Kontext angemessen berücksichtigt, was zu der Schlussfolgerung geführt hätte, dass die Vorinstallationsbedingungen den Mitbewerbern neue Möglichkeiten eröffneten, statt sie ihnen vorzuenthalten.

a)   Vorinstallation und „Status-quo-Präferenz“

320

Im Rahmen ihrer ersten Rüge beanstandet Google die Erwägungen, mit denen die Kommission ihre Behauptung untermauert, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA einen erheblichen Wettbewerbsvorteil mit sich brächten.

1) Angefochtener Beschluss

321

Unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren, die die Bedeutung der Vorinstallation oder ähnlicher Techniken für die Verbreitung von allgemeinen Suchdiensten und Browsern auf intelligenten Mobilgeräten belegen sollen, hat die Kommission festgestellt, dass die Vorinstallation eine „Status-quo-Präferenz“ (so der von einem Unternehmen der Branche zur Bezeichnung dieses Effekts verwendete Ausdruck) zur Folge habe, weil die Nutzer dazu neigten, das zu nutzen, was ihnen vorgeschlagen werde (vgl. insbesondere Erwägungsgründe 781 und 782 des angefochtenen Beschlusses), und somit die Nutzung des angebotenen Dienstes erheblich und dauerhaft steigern könne (vgl. Erwägungsgründe 779 und 900 des angefochtenen Beschlusses).

322

Im Anschluss an die Feststellung dieses Vorteils befand die Kommission, dass die Mitbewerber von Google ihn nicht hätten ausgleichen können, und zwar

weder durch Vorinstallationsvereinbarungen mit den OEM oder den MNO (Erwägungsgründe 823 bis 834 und 932 bis 946 des angefochtenen Beschlusses)

noch durch den Download konkurrierender Anwendungen (Erwägungsgründe 805 bis 816 und 917 bis 931 des angefochtenen Beschlusses)

oder durch Vereinbarungen mit den Entwicklern konkurrierender Browser (Erwägungsgründe 817 bis 822 des angefochtenen Beschlusses).

2) Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

323

Google macht geltend, die Vorinstallationsbedingungen der VVMA seien nicht exklusiv gewesen, hätten keine „Status-quo-Präferenz“ geschaffen und daher den Wettbewerb nicht verdrängt. Die gegenteilige Schlussfolgerung beruhe im Wesentlichen auf Beweisen, denen die Relevanz fehle, weil sie eher die zuvor in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angesprochene Standardeinstellung beträfen als die Vorinstallation, auf die schließlich im angefochtenen Beschluss abgestellt worden sei.

324

Insoweit beanstandet Google folgende Beweise:

erstens die Heranziehung ihrer Erklärungen und der Erklärungen Dritter (HP, Nokia, Amazon, Mozilla), der Yandex-Analyse und der Vereinbarung zwischen Microsoft und Verizon,

zweitens die FairSearch-Studie, von Microsoft zur Verfügung gestellte Daten, insbesondere im Licht der Daten von NetMarketShare, und den Vergleich ihrer über Android- und iOS-Geräte erzielten Einnahmen, und

drittens den Vergleich der durch Safari auf iOS generierten Einnahmen mit den durch Chrome generierten Einnahmen sowie die Opera-Umfrage.

325

Die Kommission macht geltend, das im angefochtenen Beschluss angeführte Bündel von Indizien betreffe nicht nur die Standardeinstellung oder die bevorzugte Platzierung. Außerdem ändere der Umstand, dass diese Techniken eine „Status-quo-Präferenz“ erzeugten, nichts daran, dass auch die Vorinstallation eine solche Präferenz erzeuge. Im vorliegenden Fall stütze sich Google auf eine enge Definition des Begriffs „standardmäßig“, die sich auf die Festlegung eines Dienstes als Standard in einer bestimmten Anwendung beschränke. Wie die übrigen Akteure der Branche verwende Google diesen Begriff aber auch im weiteren Sinne der Vorinstallation oder des „Preloading“ von Anwendungen durch die OEM und die MNO auf ihren Geräten und damit der werkseitigen Konfiguration eines Geräts. In ihrem Kontext betrachtet beträfen die beanstandeten Beweise sehr wohl die durch die Vorinstallation geschaffene „Status-quo-Präferenz“.

3) Würdigung durch das Gericht

i) Vorbemerkungen

326

Bevor auf die Begründetheit der Argumente von Google eingegangen wird, sind zwei Vorbemerkungen angebracht, die sich zum einen auf die fehlende praktische Relevanz der vorgeschlagenen Unterscheidung zwischen „Vorinstallation“ und „Standardeinstellung“ und zum anderen auf die quantitative Bedeutung der Vorinstallationsbedingungen beziehen.

– Fehlende praktische Relevanz der vorgeschlagenen Unterscheidung

327

Google wirft der Kommission im Wesentlichen vor, im angefochtenen Beschluss in Bezug auf die Vorinstallationsbedingungen der VVMA auf eine „Status-quo-Präferenz“ abzustellen und sich dabei auf Beweise zu stützen, die sich eher auf die Standardeinstellung bezögen.

328

Insbesondere beanstandet Google das Fehlen einer Unterscheidung oder Abwägung zwischen dem, was eine Vorinstallation bewirke, und dem, was eine Standardeinstellung bewirke.

329

Dieser Ansatz beruht auf der Prämisse, dass eine solche Unterscheidung oder Gewichtung leicht vorzunehmen wäre. Daher sei es möglich und angebracht gewesen, in den unzähligen Verweisen auf diese Begriffe in den verschiedenen Dokumenten, die im angefochtenen Beschluss erwähnt seien, zwischen den Auswirkungen der Vorinstallation und denen der Standardeinstellung zu unterscheiden.

330

Es stellt sich jedoch sehr rasch heraus, dass eine solche Differenzierung nicht einfach ist. So geht aus einigen im angefochtenen Beschluss angeführten Dokumenten hervor, dass Google selbst den Begriff „standardmäßig“ bisweilen nicht im engeren Sinne verwendet, um die Festlegung eines Dienstes als Standard in einer bestimmten Anwendung zu bezeichnen, sondern im weiteren Sinne zur Bezeichnung der Vorinstallation oder des „Preloading“ von Anwendungen im Stadium der Konfiguration der Geräte vor ihrer Vermarktung (vgl. 787. Erwägungsgrund Nrn. 2 und 3 des angefochtenen Beschlusses, der auf interne E‑Mails einer Führungskraft von Google verweist). Auch andere Akteure der Branche vermengen die Begriffe der Festlegung als Standard und der Vorinstallation, die auch mit einer dritten Technik in Verbindung gebracht werden, die die Nutzer zur Inanspruchnahme des betreffenden Dienstes veranlassen soll, nämlich der bevorzugten Platzierung (vgl. u. a. Erwägungsgründe 781 und 782 des angefochtenen Beschlusses, die sich auf Erklärungen von HP und Nokia beziehen).

331

Wie in der mündlichen Verhandlung erklärt wurde, steht zudem außer Streit, dass die Vorinstallation einer Anwendung schon als solche einen Vorteil gegenüber konkurrierenden Anwendungen mit sich bringt. Es ist sicher vorteilhafter, wenn eine Anwendung schon bei der ersten Nutzung des Geräts zur Verfügung steht und nicht erst installiert werden muss. Allgemein erkennt Google in diesem Zusammenhang an, dass die Vorinstallation einer Anwendung wie jede Form der Werbung die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Nutzer die hiervon begünstigte Anwendung ausprobieren. Die Vorinstallation hat daher für Google, wie auch für die übrigen Akteure der Branche, zumindest einen Werbewert. Google hat diesen Gesichtspunkt, der im angefochtenen Beschluss auf der Grundlage von Passagen aus der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte (780. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses) dargelegt wurde, in der mündlichen Verhandlung anerkannt.

332

Im vorliegenden Fall ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die durch die Vorinstallationsbedingungen der VVMA eingeräumten Werbemöglichkeiten nicht nur Bestimmungen über die Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome umfassten, sondern auch Bestimmungen über die bevorzugte Platzierung oder die Festlegung als Standard. Wie Google in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, gab es in den Vorinstallationsbedingungen tatsächlich eine Regelung, die sich auf die Platzierung bezog. Es handelte sich somit keineswegs nur um eine bloße Vorinstallation.

333

Vor diesem Hintergrund ist der im angefochtenen Beschluss gewählte Ansatz zu prüfen. Diesem Ansatz folgend hat die Kommission festgestellt, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA aufgrund der Wirkungen der Vorinstallation, der Festlegung als Standard oder der bevorzugten Platzierung oder auch einer Kombination dieser Techniken (Erwägungsgründe 779, 781 und 782 des angefochtenen Beschlusses) Google einen Wettbewerbsvorteil verschafft hätten (vgl. 785. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

334

Sofern dies zutrifft, können die von Google im Rahmen des ersten Teils beanstandeten Beweise daher sehr wohl als Beleg dafür herangezogen werden, dass eine allgemeine Tendenz zur Festschreibung der Situation besteht, unabhängig davon, ob diese Beweise streng genommen eine Festlegung als Standard, eine Vorinstallation oder auch nur eine bevorzugte Platzierung betreffen. Nach dem im angefochtenen Beschluss gewählten Ansatz gelten nämlich die für die Vorinstallation gezogenen Schlüsse entsprechend und erst recht auch im Fall der Festlegung als Standard. Auch wenn nur die Festlegung als Standard erwähnt wird, schließt das nicht aus, dass ein ähnlicher Effekt auch bei einer Vorinstallation auftreten kann, insbesondere wenn diese mit einer bevorzugten Platzierung oder einer Festlegung als Standard kombiniert wird.

335

Folglich ist es für die Feststellung, dass eine „Status-quo-Präferenz“ vorliegt, nicht von vornherein erforderlich, wie von Google erwünscht, präzise zwischen den Auswirkungen der Festlegung als Standard und denen der Vorinstallation zu unterscheiden, weil diese Auswirkungen, wie der angefochtene Beschluss nahelegt, in beiden Fällen ähnlich sind.

– Quantitative Bedeutung der Vorinstallationsbedingungen

336

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome, die im Fall von Google Search mit einer bevorzugten Platzierung und im Fall von Chrome mit der Festlegung der Anwendung Google Search als Standard verbunden ist, in quantitativer Hinsicht erhebliche Auswirkungen hat.

337

Aufgrund der Vorinstallationsbedingungen der VVMA waren nämlich die Anwendung Google Search und der Browser Chrome auf einer großen Zahl intelligenter Mobilgeräte vorinstalliert. Nach den Angaben im angefochtenen Beschluss waren

im Jahr 2016 von den 260 Millionen Smartphones, die in Europa verkauft wurden, 197 Millionen oder 76 % Google-Android-Geräte, wobei Google die im angefochtenen Beschluss aufgestellte Behauptung, dass die Anwendung Google Search und der Browser Chrome auf praktisch allen diesen Geräten vorinstalliert gewesen seien (783. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), nicht bestreitet;

ebenfalls im Jahr 2016 von den 1,65 Milliarden weltweit verkauften intelligenten Mobilgeräten 1,33 Milliarden oder 81 % Google-Android-Geräte, von denen 918 Millionen bzw. 56 %, d. h. nahezu alle außerhalb Chinas verkauften Google-Android-Geräte, die Anwendung Google Search und den Browser Chrome vorinstalliert hatten (Erwägungsgründe 784 und 901 des angefochtenen Beschlusses).

338

Im Vergleich dazu war Bing im Jahr 2016 auf nur 21 Millionen weltweit verkauften intelligenten Mobilgeräten als Standarddienst für die allgemeine Suche festgelegt, und Samsung hatte ihren Browser Samsung Internet, bei dem im Übrigen Google Search als Standard festgelegt war, auf nur 336 Millionen dieser Geräte vorinstalliert (Erwägungsgründe 784 und 901 des angefochtenen Beschlusses).

339

Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen von Google zu prüfen, das sich erstens auf bestimmte Erklärungen und Informationen bezieht, die im angefochtenen Beschluss wiedergegeben sind, zweitens auf bestimmte Vergleiche, die dort angestellt werden, und drittens speziell auf bestimmte Umstände, die Chrome betreffen.

ii) Zu bestimmten Erklärungen und Informationen, die im angefochtenen Beschluss wiedergegeben sind

340

Als Erstes macht Google geltend, die im angefochtenen Beschluss angeführten Beweise beträfen eher die Festlegung als Standard als die Vorinstallation (Beweise von Google selbst, HP, Nokia, Amazon und Mozilla) und unterschieden nicht zwischen Vorinstallation und Festlegung als Standard (Analyse von Yandex) oder zeigten, dass die Kommission die Vorteile der Festlegung als Standard mit denen der Vorinstallation verwechsle (Vorinstallationsvereinbarung zwischen Microsoft und Verizon). Ein als Standard festgelegter Dienst werde jedoch aktiviert, ohne dass der Nutzer eine Wahl treffen müsse, während eine vorinstallierte Anwendung, die nicht als Standard festgelegt sei, vom Nutzer ausgewählt werden müsse. Die in der VVMA vorgesehene nicht-exklusive Vorinstallation einer nicht als Standard festgelegten Anwendung könne daher nicht als mit der Festlegung als Standard vergleichbar angesehen werden.

– Von Google stammende Beweise

341

Zu den Argumenten, die sich auf die von Google stammenden Beweise beziehen, ist im Hinblick auf das erste Produktbündel auf Folgendes hinzuweisen.

342

Erstens hat eine Führungskraft von Google in einer internen E‑Mail vom 14. November 2008 angegeben, sie mache sich „Sorgen über [den allgemeinen Suchdienst von Google] wegen der Auswirkungen auf die Einnahmen, die sich ergäben, wenn kein ‚Preloading‘ [dieses Dienstes] erfolge (ausgehend von der Annahme, dass [dessen] deutlich hervorgehobene Präsenz zu mehr Suchanfragen führe, insbesondere bei der sprachgesteuerten Suche)“, und stelle sich folgende Frage (787. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses):

„Wie können wir dieses Problem lösen? Könnten wir zumindest das Preloading [dieses Dienstes] auf Android (oder allen Plattformen) als notwendige Bedingung für alle GMS-Verträge vorschreiben?“

343

Zweitens hat sich eine andere Führungskraft von Google in einer internen E‑Mail vom 1. November 2010 wie folgt geäußert (787. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses):

„Das Preloading bleibt für die Nutzer und damit auch für die OEM trotz der vollständigen Entbündelung [d. h. der Tatsache, dass die Anwendungen von Google nicht nur vorinstalliert sind, sondern auch im Play Store zum Herunterladen zur Verfügung stehen] wertvoll, weil die meisten Nutzer nur das verwenden, was zum Lieferumfang des Geräts gehört. Menschen ändern nur selten die Standardeinstellungen [im Sinne der Festlegung als Standard].“

344

Drittens hat sich dieselbe Führungskraft von Google in einer internen E‑Mail vom 26. April 2011 wie folgt geäußert (787. Erwägungsgrund Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses):

„Brauchen wir wirklich Ausschließlichkeitsbedingungen? Die derzeitigen [in den Vereinigten Staaten nicht anwendbaren] Bedingungen führen mehr oder weniger zum gleichen Ergebnis. OEM installieren Standard[einstellungen] gemäß VVMA + Anreiz für die Akteure durch Beteiligung an den Einnahmen bei Nicht-Duplizierung + Volumenziele [Suchvereinbarungen] = viele Hürden für einen Akteur, der die Standardvorgaben ändern will. Sie müssten mehr Geld von der alternativen Suchmaschine bekommen und [entweder] den OEM davon überzeugen, von uns eine Ausnahme von seiner VVMA zu erbitten (und von uns erhalten), um einen anderen Suchdienst mit Vorinstallation eines anderen GMS[‑Pakets] vorinstallieren zu dürfen, oder Geräte ganz ohne installiertes GMS[‑Paket] verkaufen [VVMA-Anforderungen]. In der Praxis werden Geräte ohne jegliches GMS[‑Paket] nur in Ausnahmefällen ausgeliefert, wie (früher) [von] America Móvil. Alle entwickelten Märkte haben Nutzer, die GMS erwarten und verlangen.“

345

Viertens führt Google in der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte unter Bezugnahme auf einen dieser Antwort beigefügten Bericht von Prof. Carl Shapiro von der University of California in Berkeley (Vereinigte Staaten) vom 5. November 2016 aus, dass „das Preloading [von Google Search und Google Chrome] und die Platzierung von [Google] Search auf dem Startbildschirm für Google unbestreitbar wertvoll sind“ (788. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

346

Außerdem wird im angefochtenen Beschluss in Bezug auf das aus Chrome, Play Store und Google Search bestehende Bündel eine interne E‑Mail von Google vom April 2012 erwähnt, in der eine Führungskraft von Google deren Interesse daran betont, „Chrome obligatorisch zu machen“, d. h., dass es auf den von den OEM vertriebenen Geräten verfügbar sein müsse (904. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

347

Die Kommission führt diese Dokumente als Beleg für ihre Behauptung an, dass die Vorinstallation für Google wichtig sei. Google macht in diesem Zusammenhang, ohne die Bedeutung der Vorinstallation einer Anwendung als solche zu bestreiten, geltend, diese Dokumente, insbesondere das zweite und das dritte, bei denen es sich um interne Dokumente aus dem Zeitraum der Zuwiderhandlung handele, beträfen eher die Festlegung als Standard als die Vorinstallation.

348

Hierzu ist festzustellen, dass die von Google verwendete Terminologie, wie die Kommission geltend macht, unpräzise bleibt. Es wird nämlich auf „Preloading“ oder „Standard“ Bezug genommen. Diese Begriffe können zwar a priori als Verweise auf die „Festlegung als Standard“ angesehen werden, aber im Hinblick auf den Inhalt der VVMA, die nur die Vorinstallation und die bevorzugte Platzierung vorsah, besteht kaum ein Zweifel daran, dass diese Begriffe nicht die Festlegung als Standard in dem von Google angenommenen engen Sinn bezeichnen.

349

In Anbetracht des vertraglichen Zusammenhangs, in den sich diese Dokumente einfügen, nämlich den der in den VVMA festgelegten Vorinstallationsbedingungen, ist folglich das Argument von Google, dass zwischen Vorinstallation und Festlegung als Standard unterschieden werden müsse, zurückzuweisen und festzustellen, dass Argumente, die im Zusammenhang mit einem dieser beiden Begriffe vorgebracht werden, auch im Zusammenhang mit dem anderen gelten können.

– Von Drittunternehmen stammende Beweise

350

Zu den Argumenten, die sich auf die von Drittunternehmen stammenden Beweise beziehen, ist in Bezug auf das Bündel aus Google Search und Play Store Folgendes festzustellen.

351

Erstens wird im angefochtenen Beschluss eine Erklärung von HP wiedergegeben (781. Erwägungsgrund). In ihrer Antwort auf ein an die OEM gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 hat HP nämlich als Antwort auf Frage 55 zur „kommerziellen Bedeutung der bevorzugten Platzierung und der Standardeinstellungen für die Vermarktung von mobilen Diensten und Anwendungen auf intelligenten Mobilgeräten“ ausgeführt:

„Die bevorzugte Platzierung und die Standardeinstellungen verschaffen den dort vorhandenen Anwendungen und Diensten den Vorteil, das Erste zu sein, was die Nutzer sehen, wenn sie mit ihrem Gerät zu interagieren beginnen. Aufgrund ihrer hohen Sichtbarkeit werden diese Anwendungen oder Dienste von den Nutzern mit höherer Wahrscheinlichkeit ausprobiert, und wenn sie diese erst einmal nutzen, bleiben sie in der Regel auch dabei. Dies ist ein einfacher Weg, um neue Nutzer zu gewinnen und sie fast automatisch an eine Anwendung oder einen Dienst zu binden.“

352

Zunächst einmal betrifft diese Erklärung zwar, wie Google feststellt, nicht die Vorinstallation im eigentlichen Sinne. Die Vorinstallation wurde nämlich in den Fragen 50 bis 54 des Abschnitts über die „Vorinstallation von mobilen Diensten und Anwendungen“ angesprochen (vgl. insbesondere Frage 54: „Beeinflusst die Vorinstallation einer bestimmten mobilen Anwendung die Art und Weise, in der die Nutzer konkurrierende mobile Dienste und Anwendungen nutzen?“). Mit Frage 55 beginnt dagegen der Abschnitt über „Bevorzugte Platzierung und Standardeinstellungen für mobile Dienste und Anwendungen“.

353

Gleichwohl zeigen die verschiedenen Screenshots eines Google Android-Geräts, die HP ihrer Antwort auf Frage 55 beigefügt hat, dass die bevorzugte Platzierung dazu führt, dass den Nutzern dieses Geräts die Dienste von Google an hervorgehobener Stelle angezeigt werden. Zudem ist festzustellen, dass HP neben diesen Screenshots zur Kennzeichnung der bevorzugt platzierten Anwendungen angibt, dass diese „vorinstalliert“ seien.

354

Darüber hinaus erweist sich auch, wie aus den Klarstellungen zu diesem Punkt hervorgeht, mit denen die verfahrensleitenden Maßnahmen beantwortet wurden, dass die Antwort von HP auf Frage 54 den Inhalt ihrer von der Kommission im angefochtenen Beschluss berücksichtigten Antwort auf Frage 55 nicht in Frage stellen kann.

355

Desgleichen zeigen die Antworten auf die prozessleitenden Maßnahmen, dass die Antwort auf Frage 55, die sich auf die kommerzielle Bedeutung der bevorzugten Platzierung und der Standardeinstellungen bezieht, durch acht der zwölf anderen Antworten der OEM, an die das Auskunftsersuchen gerichtet war, bestätigt wird.

356

Aus diesen Antworten geht hervor, dass unter den OEM ein gewisser Konsens darüber besteht, dass die bevorzugte Platzierung oder die Standardeinstellung oder eine Kombination dieser Techniken die Nutzung der davon begünstigten Anwendungen erleichtert. Vor diesem Hintergrund ist die im 781. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegebene Erklärung von HP zu würdigen.

357

Was schließlich den – dem Gericht von der Kommission mitgeteilten – Inhalt der anderen von den OEM, an die das Auskunftsersuchen gerichtet war, auf die zur Vorinstallation gestellte Frage 54 gegebenen Antworten betrifft, lässt sich daraus nicht derselbe Konsens wie der ableiten, der sich aus den Antworten zur bevorzugten Platzierung oder zur Standardeinstellung ergibt.

358

Von den neun OEM, die sich ausdrücklich dazu geäußert haben, geben fünf nämlich an, dass die Vorinstallation keinen Einfluss auf die Art und Weise habe, in der die Nutzer mobile Dienste und Anwendungen nutzten. Ein OEM verneint die gestellte Frage lediglich, während vier weitere auf die Möglichkeiten des Herunterladens verweisen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die letztgenannte Ansicht, wie Google geltend macht, auch von zwei weiteren OEM geteilt wird, nämlich von Gigaset und HMD. Die vier anderen OEM, die Antworten auf Frage 54 eingereicht haben, erkennen den möglichen Einfluss der Vorinstallation an, wobei zwei von ihnen darauf hinweisen, dass dieser Einfluss durch die Möglichkeiten, die das Herunterladen biete, ausgeglichen werden könne.

359

Entgegen dem Vorbringen von Google reicht dieser fehlende Konsens unter den OEM über die Rolle der Vorinstallation für das Verhalten der Nutzer jedoch nicht aus, um die von der Kommission im 781. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses getroffene Feststellung in Frage zu stellen. Mit der Feststellung, dass „der Grund, aus dem die Vorinstallation ebenso wie die Standardeinstellung oder die bevorzugte Platzierung die Nutzung eines von einer Anwendung bereitgestellten Dienstes dauerhaft erheblich steigern kann, darin liegt, dass die Nutzer, die auf ihren intelligenten Mobilgeräten vorinstallierte und deutlich angezeigte Anwendungen vorfinden, wahrscheinlich bei diesen Anwendungen bleiben werden“, berücksichtigt die Kommission die Erklärung von HP, aber auch die anderen im angefochtenen Beschluss angeführten Beweise.

360

Diese Beweise, die die vorstehende Feststellung, insbesondere in Bezug auf die Anwendung Google Search und folglich entsprechend in Bezug auf den Browser Chrome, untermauern, stammen sowohl von einigen OEM, darunter Nokia, als auch von anderen Akteuren einschließlich Google, bei denen es sich u. a. um Entwickler von Anwendungen oder BS (Amazon, Yandex), um einen MNO (Hutchison 3G) oder um Suchdienstanbieter (Yahoo, Qwant, Microsoft) handelt.

361

Ebenso muss die von der Kommission im 781. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses getroffene Feststellung in ihrem Kontext geprüft werden, d. h. sowohl im Hinblick darauf, dass es über die schlichte Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome hinaus eine Verbindung mit einer bevorzugten Platzierung oder der Festlegung einer Suchmaschine als Standard gab und dass sie eine sehr große Zahl von Google-Android-Geräten betraf (siehe oben, Rn. 337), als auch im Hinblick darauf, dass die Zahl heruntergeladener konkurrierender Anwendungen in der Praxis gering blieb (siehe unten, Rn. 549 und 550).

362

Darüber hinaus ist festzustellen, dass in der vorliegenden Rechtssache der Streitbeitritt des BEUC, der als repräsentativ für die Nutzer allgemeiner Suchdienste angesehen werden kann, eine Nuancierung der diesbezüglichen Stellungnahmen der ADA im Namen der Entwickler und der CCIA im Namen der Wirtschaftsteilnehmer der Branche ermöglicht. Die Erläuterungen des BEUC zu diesem Punkt sind nämlich geeignet, die Erwägung zu untermauern und zu bestätigen, dass die Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome auf nahezu allen im EWR vermarkteten Google-Android-Geräten aus der Sicht der Nutzer dazu beiträgt, die Situation in Bezug auf die Verwendung des damit verbundenen allgemeinen Suchdienstes Google Search festzuschreiben.

363

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die von Google vorgebrachten Einwände gegen die Erklärung von HP und die „Status-Quo-Präferenz“ – die mit der Vorinstallation ebenso verbunden sein kann wie mit der Standardeinstellung oder der bevorzugten Platzierung, mit der die Vorinstallation kombiniert werden kann – keine Zweifel aufkommen lassen, die Google zugutekommen könnten. Auch wenn solche Einwände, außerhalb ihres Kontexts betrachtet, auf den ersten Blick relevant erscheinen mögen, reicht dies nämlich nicht aus, um die oben genannte Schlussfolgerung in Frage zu stellen, wenn man den Kontext und die Angaben berücksichtigt, auf die insoweit im angefochtenen Beschluss Bezug genommen wird und deren Inhalt oben wiedergegeben ist.

364

Zweitens wird im angefochtenen Beschluss eine Erklärung von Nokia wiedergegeben (782. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). In ihrer Antwort auf ein an die Anwendungsentwickler gerichtetes Auskunftsersuchen vom 29. Juni 2015 hat Nokia auf Frage 17 – die sich auf die „Vorinstallation von Anwendungen“ bezog und mit der darum gebeten wurde, für drei beliebte Anwendungen die zusätzlichen durchschnittlichen Einnahmen pro Gerät zu schätzen, die, wenn diese Anwendung entweder auf dem Startbildschirm oder eine Wischbewegung von ihm entfernt vorinstalliert war, im Vergleich zu den durchschnittlichen Einnahmen ohne eine solche Vorinstallation zu erzielen waren – u. a. ausgeführt: „Wenn ein Produkt standardmäßig vorgeladen [preloaded] ist, neigen die Nutzer dazu, zum Nachteil von Konkurrenzprodukten bei diesem Produkt zu bleiben – selbst wenn es im Vergleich zu Konkurrenzprodukten minderwertig ist.“ Nokia hat insoweit klargestellt, dass ihre Antwort „die Auswirkungen vorinstallierter Anwendungen im Allgemeinen“ betreffe.

365

Die Klägerinnen verweisen auf eine andere Passage in der Antwort von Nokia auf diese Frage, in der dieses Unternehmen angegeben hat, dass „hinsichtlich der Auswirkungen vorinstallierter Anwendungen im Allgemeinen klar ist, dass der Standardeinstellung auf Mobilgeräten erhebliche Bedeutung zukommt“, und machen geltend, dass diese Antwort die Auswirkungen der Vorinstallation mit denen der Standardeinstellung verwechsle.

366

Liest man die vollständige Antwort von Nokia, stellt sich heraus, dass sie verschiedene Möglichkeiten in Betracht zieht, nämlich die der Standardeinstellung, wenn auf Apple Maps Bezug genommen wird, und die der Vorinstallation, wenn der Begriff „preloaded“ in Bezug auf Google Search oder YouTube verwendet wird. Diese Aussage ist daher im Kontext der verschiedenen technischen Lösungen für die genannten Anwendungen zu verstehen, die als Standard festgelegt, vorinstalliert oder bevorzugt platziert sein können.

367

Die Erklärung von Nokia wird durch eine Erklärung von Yandex (782. Erwägungsgrund und Fn. 834 des angefochtenen Beschlusses) bestätigt. In ihrer Antwort auf ein an die Anwendungsentwickler gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 gab Yandex nämlich zu Frage 35.1 an, dass „die Downloadraten von mobilen Anwendungen, die mit vorinstallierten mobilen Anwendungen konkurrieren, … tendenziell niedrig sind, wenn die vorinstallierten Dienste von vergleichbarer oder unerheblich schlechterer Qualität sind“.

368

Drittens wird im angefochtenen Beschluss eine weitere Erklärung von Nokia zitiert (789. Erwägungsgrund Nr. 1). In ihrer Antwort auf ein an die OEM gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 erklärte Nokia in Beantwortung der Frage 17.2 zur Bedeutung der Verfügbarkeit und Vorinstallation einzelner mobiler Dienste auf ihren Geräten für die Kaufentscheidung der Nutzer u. a., dass „[d]as ‚Preloading‘ von Anwendungen (im Gegensatz zu ihrer Bereitstellung zum Herunterladen) … für die Entwickler eine entscheidende Rolle spielt, weil der Umstand, dass diese Anwendungen auf dem Startbildschirm eines Smartphones oder in der Nähe des Startbildschirms gut sichtbar sind, zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Verbraucher die Anwendung ausprobieren“.

369

Die Klägerinnen verweisen auf andere Passagen dieser Antwort, in denen Nokia ferner angab, dass „die Nutzer … sich daran gewöhnt haben, in Vertriebsplattformen für Anwendungen zu suchen, um diejenigen Anwendungen herunterzuladen, die sie verwenden wollen“, dass „dies die Bedeutung des ‚Preloading‘ verringert hat“ und dass „die meisten Verbraucher … davon ausgehen, dass intelligente Mobilgeräte mit vollständigen Browser-Funktionen ausgestattet sind, und dass sie mit ihrem intelligenten Mobilgerät problemlos im Internet recherchieren können“. Sie machen geltend, diese Passagen widersprächen der Behauptung, dass die Vorinstallation einer allgemeinen Suchanwendung eine „Status-Quo-Präferenz“ erzeuge.

370

Auch wenn die von den Klägerinnen angeführten Passagen, die sich eher auf die Situation der Nutzer beziehen als die im angefochtenen Beschluss angeführte, die Anwendungsentwickler betreffende Passage, sehr wohl zu berücksichtigen sind, müssen gleichwohl auch weitere Passagen der Antwort von Nokia berücksichtigt werden. Nokia hat nämlich auch erklärt, dass „Google … selbst bereit ist, ihren Vertriebspartnern dafür, dass ihre eigenen Anwendungen an bevorzugter Stelle in die Geräte integriert werden, erhebliche Geldbeträge zu zahlen“, und darüber hinaus an anderen Stellen ihrer Antwort klargestellt, dass sie der Ansicht sei, dass die Vorinstallation die Wahl der Verbraucher und die Nutzung der Anwendungen beeinflussen könne.

371

Unter Berücksichtigung der gesamten Antwort von Nokia auf das Auskunftsersuchen der Kommission und der technischen Lösungen, auf die sich diese Antwort bezieht, lässt sich daher aus ihr nicht folgern, dass die Vorinstallation einer dedizierten Suchanwendung keine „Status-quo-Präferenz“ erzeuge.

372

Viertens werden im angefochtenen Beschluss zwei Erklärungen von Amazon wiedergegeben (789. Erwägungsgrund Nr. 2). In ihrer Antwort auf ein an die Anwendungsentwickler gerichtetes Auskunftsersuchen vom 29. Juni 2015 hat Amazon nämlich auf Frage 17 zur Bedeutung der Verfügbarkeit und der Vorinstallation einzelner mobiler Dienste auf den Geräten als Kaufkriterien für die Nutzer geantwortet, dass „eine vorinstallierte Anwendung auf einem Gerät zu haben deren Auffindbarkeit durch die Endnutzer verbessert“. Desgleichen hat Amazon in ihrer Antwort auf ein an die Entwickler von BS gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 auf Frage 35 zum Einfluss der Vorinstallation einer bestimmten mobilen Anwendung auf die Nutzung konkurrierender Anwendungen erklärt, dass „die bevorzugte Platzierung vorinstallierter Anwendungen … einen erheblichen Einfluss auf deren Nutzung hat“ und dass „[d]as Vorhandensein vorinstallierter mobiler Anwendungen … in vielen Fällen die Bereitschaft der Nutzer einschränkt, konkurrierende mobile Anwendungen auszuprobieren“.

373

Die Klägerinnen führen eine dritte Erklärung von Amazon in ihrer Antwort auf ein an die Anwendungsentwickler gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 an, in der Amazon auf Frage 35.1, in welchem Umfang die Nutzer mobile Anwendungen heruntergeladen hätten, die mit den auf ihren intelligenten Mobilgeräten vorinstallierten Anwendungen konkurrierten, antwortete, dass sie nur über Informationen zu Downloads vorinstallierter Anwendungen verfüge, die bevorzugt platziert oder als Standard festgelegt worden seien. Die von Amazon in diesem Zusammenhang angeführten Beispiele bezogen sich auf als Standard festgelegte Kartierungsdienste.

374

Auch hier stellt die Prüfung der verschiedenen von den Hauptparteien angeführten Erklärungen, wenn man sie in ihrem Kontext betrachtet, die Verwendung dieser Erklärungen im angefochtenen Beschluss nicht in Frage. Die von der Kommission wiedergegebenen Auszüge können als Argument dafür herangezogen werden, dass die Vorinstallation einer Anwendung – unabhängig davon, ob sie mit einer bevorzugten Platzierung einhergeht oder nicht – dazu beiträgt, die Situation festzuschreiben. Die von Google zitierten Auszüge stehen nicht im Widerspruch zu den vorstehenden Ausführungen.

375

Fünftens wird im angefochtenen Beschluss eine Erklärung von Hutchison 3G wiedergegeben (789. Erwägungsgrund Nr. 3). In ihrer Antwort auf ein an die MNO gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 gab Hutchison 3G nämlich zu Frage 51 an:

„Es ist sehr wirkungsvoll, eine Anwendung vorinstalliert [preloaded] zu haben, im Gegensatz zu einem Bootstrap oder sogar einer Marketing-Empfehlung, die Anwendung zu nutzen. Wie bei jedem Dienst ist die Wahrscheinlichkeit, ihn zu nutzen, größer, wenn er zur Hand ist.“

376

Die Klägerinnen kritisieren diese Erklärung, weil dieses Unternehmen im Übrigen eingeräumt habe, selbst keine Anwendungen zu entwickeln (Antwort auf das Auskunftsersuchen vom 13. August 2013).

377

Die Angabe, keine Anwendungen zu entwickeln, hinderte Hutchison 3G jedoch nicht, sich u. a. auf der Grundlage ihrer als MNO gewonnenen Erfahrungen mit dem Nutzerverhalten eine Meinung über die Nützlichkeit der Vorinstallation zu bilden. Die im angefochtenen Beschluss wiedergegebene Erklärung bleibt für die Beurteilung der Auswirkungen der Vorinstallation aus der Sicht des betroffenen Betreibers relevant.

378

Sechstens wird im angefochtenen Beschluss eine Erklärung von Yandex wiedergegeben (789. Erwägungsgrund Nr. 4). In ihrer Antwort auf ein an die Anwendungsentwickler gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 gab Yandex nämlich zu Frage 25.5 an:

„Der effizienteste Vertriebskanal ist die Vorinstallation durch die OEM. Die OEM installieren hauptsächlich die Dienste vor, die zusätzliche Einnahmen für sie generieren können. In unserem Portfolio generieren unser mobiler Suchdienst und die dazugehörigen Dienste die meisten Einnahmen. Unsere Gespräche mit den OEM betreffen daher vor allem die Vorinstallation von Yandex Search.“

379

Diese Erklärung wird von Google nicht bestritten. Sie kann von der Kommission angeführt werden, um ihr Vorbringen zu untermauern, dass die Vorinstallation einer Anwendung dazu führt, die Situation festzuschreiben.

380

In Bezug auf das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search wird im angefochtenen Beschluss u. a. eine Erklärung von Mozilla wiedergegeben (905. Erwägungsgrund Nr. 1). In ihrer Antwort auf ein an die Anwendungsentwickler gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 führte Mozilla nämlich zu der die bevorzugte Platzierung und die Standardeinstellungen auf intelligenten Mobilgeräten betreffenden Frage 39 aus, dass „die Standardeinstellung nach wie vor den stärksten Einfluss auf die Nutzung von Anwendungen hat“ und dass die bevorzugte Platzierung „[in der] Hierarchie der kommerziellen Bedeutung von Standard- und Vorinstallationsoptionen“ zwischen der Standardeinstellung und der Voreinstellung stehe, wobei die Standardeinstellung an oberster Stelle stehe (vgl. die Antwort auf das Auskunftsersuchen vom 22. März 2016).

381

Nach Auffassung der Klägerinnen legt diese Erklärung den Schwerpunkt auf die Standardeinstellung. Aus dieser Erklärung geht jedoch hervor, dass sie sich auch auf die Vorinstallation einer Anwendung bezieht, von der ebenfalls festgestellt wird, dass sie „die Hürden für die Verwendung durch einen Nutzer senkt“, wenn auch in geringerem Maß als im Fall der Standardeinstellung. Unter Berücksichtigung dieser Unterscheidung bleibt die Erklärung von Mozilla relevant.

382

Die anderen Erklärungen, die im angefochtenen Beschluss angeführt werden, um die Bedeutung der Vorinstallation als Vertriebsweg zu belegen, werden von Google nicht bestritten.

383

Zusammenfassend ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass die verschiedenen im angefochtenen Beschluss dargelegten Gesichtspunkte, wenn sie zusammen betrachtet werden, der Kommission die Feststellung ermöglichten, dass die Vorinstallation der Anwendungen Google Search und Chrome unter den in der VVMA festgelegten Bedingungen aus der Sicht der Marktteilnehmer geeignet sei, „die Situation festzuschreiben“ und die Nutzer davon abzuhalten, eine konkurrierende Anwendung einzusetzen.

384

Die Prüfung des Streithilfevorbringens zu diesem Punkt stützt diese Schlussfolgerung. So bestätigen das BEUC, FairSearch, Seznam und Qwant, die zur Unterstützung der Kommission beigetreten sind, dass die „Status-Quo-Präferenz“, die mit der Vorinstallation einhergeht, aus ihrer Sicht derjenigen gleichgesetzt werden kann, die durch die Standardeinstellung geschaffen wird. Die ADA, die CCIA, die HMD, Gigaset und Opera, die zur Unterstützung von Google beigetreten sind, bestreiten ihrerseits nicht per se die Existenz einer mit der Vorinstallation verbundenen „Status-Quo-Präferenz“, sondern stellen die Möglichkeiten in den Vordergrund, die das Herunterladen bietet, um dieser Situation abzuhelfen.

– Die Analyse von Yandex

385

Im angefochtenen Beschluss wird die Analyse von Yandex bezüglich des Marktanteils dieser Suchmaschine in Russland im Mai 2015 herangezogen, um darauf hinzuweisen, dass der Anteil von Yandex bei Android-Geräten, auf denen das „Such-Widget“ auf dem Startbildschirm vorinstalliert und diese Suchmaschine im vorinstallierten mobilen Internetbrowser als Standard festgelegt sei, „dreimal höher“ gewesen sei als ohne Vorinstallation (789. Erwägungsgrund Nr. 5, Schaubild 18, und 798. Erwägungsgrund Nr. 4 des angefochtenen Beschlusses).

386

Google kritisiert diese Einschätzung mit der Begründung, dass sie nicht zwischen Vorinstallation und Standardeinstellung unterscheide, weil die Suchmaschine von Yandex „im vorinstallierten mobilen Internetbrowser als Standard festgelegt“ sei und die Auswirkungen der Vorinstallation von dieser Standardeinstellung abhingen (vgl. Econometric Data Report). Zudem enthalte die Analyse mehrere methodologische Fehler.

387

Wie die Kommission geltend macht, ist eine solche Unterscheidung aber nicht erforderlich, um die Tragweite der im angefochtenen Beschluss dargelegten Einschätzung zu beurteilen. Sie beschränkt sich nämlich darauf, in Anbetracht der verschiedenen Szenarien, die in der Analyse von Yandex untersucht wurden, festzustellen, dass der Marktanteil dieser Suchmaschine im Fall der Vorinstallation und der Standardeinstellung (Säulen 4 und 5 des Schaubilds 18 des angefochtenen Beschlusses) „dreimal höher“ sei als der Marktanteil ohne Vorinstallation (Säule 1 dieses Schaubilds). Anhand der in diesem Schaubild dargestellten Daten lässt sich auch feststellen, dass der Marktanteil von Yandex höher ist, wenn ihre Suchmaschine in Form eines „Such-Widgets“ auf dem zweiten Bildschirm vorinstalliert ist (Säule 3 dieses Schaubilds), als ohne Vorinstallation.

388

Die Analyse von Yandex und ihre in Schaubild 18 des angefochtenen Beschlusses dargestellten Ergebnisse können daher herangezogen werden, um darzutun, dass die Vorinstallation einer Anwendung unabhängig davon, ob sie mit einer Standardeinstellung oder einer bevorzugten Platzierung verbunden ist oder nicht, zu besseren Ergebnissen führt.

389

Der Umstand, dass die Analyse von Yandex nur ein Unternehmen und nur einen Monat betrifft oder dass sie nach Ansicht von Google methodische Fehler enthält, steht ihrer Relevanz nicht entgegen, weil die Kommission sie nur heranzieht, um andere Beweise für die Bedeutung der Vorinstallation als Vertriebskanal und die damit einhergehende „Status-Quo-Präferenz“ zu bestätigen.

390

Außerdem ist in dieser Hinsicht festzustellen, dass die Erklärungen von Yahoo und Qwant, in denen es im Wesentlichen heißt, dass die Vorinstallation geeignet sei, die Ergebnisse der betreffenden Suchdienste zu verbessern (789. Erwägungsgrund Nrn. 6 und 7 des angefochtenen Beschlusses), von Google nicht bestritten werden.

– Vereinbarung zwischen Microsoft und Verizon

391

Der angefochtene Beschluss führt auch eine Vereinbarung zwischen Microsoft und Verizon aus dem Jahr 2008 an, der zufolge der allgemeine Suchdienst von Microsoft, Bing, in den Jahren 2010 und 2011 auf sechs Modellen von Google-Android-Geräten neben Google Search vorinstalliert wurde, wobei der aus dieser Vereinbarung resultierende Datenverkehr 15 bis 25 % des Gesamtvolumens der allgemeinen Suchanfragen bei Bing in den Vereinigten Staaten in diesem Zeitraum ausmachte. Der Marktanteil von Bing in den Vereinigten Staaten stieg in diesem Zeitraum von fast 0 auf etwa 1,5 % (Erwägungsgründe 789 Nr. 8 und 798 Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses).

392

Google macht geltend, diese Feststellungen verdeutlichten die Verwechslung der Vorteile der Standardeinstellung mit denen der Vorinstallation. Microsoft habe nämlich erläutert, durch diese Vereinbarung erreicht zu haben, dass „Bing als Standardsuchdienst festgelegt“ werde, weil die Mobilgeräte „mit Bing als Standard[einstellung] an allen Einstiegspunkten“ ausgeliefert würden. Zudem sei der erwähnte Anstieg weder „signifikant“ noch „dauerhaft“ und könne nicht auf die Vorinstallation, sondern nur auf die Standardeinstellung zurückgeführt werden.

393

Die Prüfung der Antwort von Microsoft auf Frage 10.1 des an die Anbieter von allgemeinen Suchdiensten gerichteten Auskunftsersuchens vom 20. November 2015 zeigt in der Tat, dass Bing bei einem der sechs darin erwähnten Geräte als Standard für alle Einstiegspunkte festgelegt war und auf den anderen fünf Geräten zusätzlich zur Festlegung von Bing als Standard die Anwendung Google Voice Search mit einem Icon auf dem Startbildschirm angezeigt wurde. Google macht daher zu Recht geltend, dass die von Microsoft aufgrund dieser Vereinbarung mit Verizon erzielten Ergebnisse auf die Standardeinstellung und nicht auf die Vorinstallation auf Google-Android-Geräten zurückzuführen sind.

394

Auch wenn diese Vereinbarung nicht als Beleg für die Bedeutung der Vorinstallation herangezogen werden kann, widerlegt sie nicht den Nutzen, den die Vorinstallation aus den von der Kommission im angefochtenen Beschluss unter Berücksichtigung der verschiedenen oben untersuchten Beweise angeführten Gründen bietet.

iii) Zu bestimmten im angefochtenen Beschluss angestellten Vergleichen

395

Als Zweites beanstandet Google bestimmte Vergleiche, die im angefochtenen Beschluss angestellt werden.

– FairSearch-Studie

396

Erstens wird im angefochtenen Beschluss unter Bezugnahme auf die 2017 von Professor Marco Iansiti von der Universität Harvard (Vereinigte Staaten) für FairSearch durchgeführte Studie (im Folgenden: FairSearch-Studie) festgestellt, dass die Nutzung jeder Anwendung des GMS-Pakets, einschließlich der Anwendung Google Search, auf Google-Android-Geräten, auf denen sie vorinstalliert ist, signifikant höher ist als auf iOS-Geräten, auf die die Nutzer diese Anwendungen herunterladen müssen. Diese Feststellung berücksichtigt die von Microsoft bereitgestellten Daten über die monatliche Nutzung dieser Anwendungen in Großbritannien im Februar 2016. So verwendeten 17 % der Nutzer eines iOS-Geräts die heruntergeladene Anwendung Google Search, während 76 % der Nutzer eines Android-Geräts die vorinstallierte Anwendung Google Search verwendeten (Erwägungsgründe 791 und 792, Tabelle 10 und Schaubild 19 sowie 799. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses).

397

Google macht geltend, die in der FairSearch-Studie angestellten Vergleiche widerlegten die behauptete „Status-Quo-Präferenz“, weil sie zeigten, dass die auf Google entfallenden Anteile an der Nutzung von Suchfunktionen unter Android, wo die VVMA gelte, und unter iOS, wo die VVMA nicht gelte, ähnlich hoch seien. Um diese Behauptung zu untermauern, nimmt Google de facto auf andere Daten als die der FairSearch-Studie Bezug. Sie weist insbesondere darauf hin, dass sich die FairSearch-Studie nur auf die Nutzung der Anwendung Google Search beziehe und nicht auf die Nutzung des gesamten Dienstes Google Search, der jedoch dem angefochtenen Beschluss zufolge der relevante Markt sei (323. Erwägungsgrund), oder auf die über den Browser durchgeführten Suchvorgänge. Berücksichtige man den Zugang über den Browser, unterschieden sich die „Reichweiten“ von Google Search unter Android und iOS nicht wesentlich voneinander (vgl. 515. Erwägungsgrund Nr. 3 und Fn. 857 des angefochtenen Beschlusses). In diesem Gesamtkontext würde ein Vergleich der Nutzung unter Android und iOS somit nicht eine „Status-Quo-Präferenz“ infolge der Vorinstallation untermauern, sondern vielmehr die Bedeutung des Internetzugangs über einen Browser unterstreichen.

398

Entgegen dem Vorbringen von Google bleibt jedoch die Feststellung, die die Kommission im angefochtenen Beschluss unter Berücksichtigung der Ergebnisse der FairSearch-Studie getroffen hat, für die Prüfung des ersten Bündels relevant. Diese Studie berücksichtigt nämlich nur Suchanfragen, die über die Anwendung Google Search erfolgen, und nicht solche, die über andere Sucheinstiegspunkte wie mobile Internetbrowser erfolgen (Erwägungsgrund 799 Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses) und die unter die Beurteilung des zweiten Bündels fallen.

399

Darüber hinaus ist, wie die Kommission geltend macht, die Nutzung von Google Search – und nicht der Anwendung Google Search – auf Android- und iOS-Geräten zwar ähnlich, was aber damit zu erklären ist, dass Apple zwar keine allgemeine Suchanwendung auf iOS-Geräten vorinstalliert, aber Google Search als Standarddienst für die allgemeine Suche in Safari festlegt (vgl. insbesondere 799. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses).

400

In Anbetracht der oben erwähnten Besonderheiten ist daher nicht davon auszugehen, dass die Prüfung der in der FairSearch-Studie vorgenommenen Vergleiche im Widerspruch zu dem steht, was aus ihnen im angefochtenen Beschluss hinsichtlich des Vorliegens einer „Status-quo-Präferenz“ hergeleitet wird.

– Von Microsoft bereitgestellte Daten und NetMarketShare-Daten

401

Zweitens nimmt der angefochtene Beschluss auf die von Microsoft als Antwort auf Frage 13 eines Auskunftsersuchens vom 10. April 2017 vorgelegten Daten Bezug, mit denen allgemeine Suchanfragen auf Google-Android-Geräten, auf denen Google Search vorinstalliert ist, und auf Windows Mobile-Geräten, auf denen Bing als Standard festgelegt ist, in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und im Vereinigten Königreich von 2014 bis 2017 verglichen werden. Diesen Daten zufolge entfielen auf Google Search [10-20] % bis [40-50] % der allgemeinen Suchanfragen auf Windows Mobile-Geräten und [90-100] % der allgemeinen Suchanfragen auf Google-Android-Geräten (vgl. 793. Erwägungsgrund und Tabelle 11 des angefochtenen Beschlusses).

402

Google macht geltend, dass die fehlende Unterscheidung zwischen den jeweiligen Auswirkungen der Standardeinstellung und der Vorinstallation die Relevanz dieser Daten beeinträchtige, weil Google Search auf Windows Mobile-Geräten, auf denen Bing „als Standarddienst für die allgemeine Suche festgelegt“ sei (vgl. Erwägungsgründe 793 und 840 des angefochtenen Beschlusses), nicht vorinstalliert sei und diese Standardeinstellung im Gegensatz zu den Standardeinstellungen für Suchdienste auf Android-Geräten in der Regel nicht geändert werden könne. Die Standardeinstellung könnte daher einen beträchtlichen Teil oder die Gesamtheit des im angefochtenen Beschluss angeführten Unterschieds ausmachen. Die geringe Zahl der Downloads konkurrierender allgemeiner Suchanwendungen sei vielmehr durch die Vorliebe der Nutzer für Google Search zu erklären (nach den von Google Ende 2016 vorgelegten Daten bevorzugen etwa 95 % der Nutzer im Vereinigten Königreich, in Frankreich und in Deutschland Google). Im Vergleich dazu zeigten die Daten von NetMarketShare, dass der Unterschied zwischen dem Anteil von Google an den Suchanfragen auf Android- und auf Windows Mobile-Geräten geringer sei und tatsächlich nur 1 % betrage (Data On Operating System Market Share: Mobile OS, Europe, 2015). Im angefochtenen Beschluss werde beklagt, dass Google die diesen Statistiken zugrunde liegenden quantitativen Daten nicht vorgelegt habe (799. Erwägungsgrund Nr. 3), obwohl die Kommission diese Daten auf Anfrage hätte erhalten können.

403

Doch selbst wenn ein Teil des Unterschieds zwischen den Anteilen der Suchanfragen auf Android- und Windows Mobile-Geräten eher „auf die Standardeinstellung im vorinstallierten Browser zurückzuführen“ sein sollte als auf die Vorinstallation, bleiben die von Microsoft vorgelegten Daten relevant. Diese Daten spiegeln nämlich lediglich die Unterschiede wider, die zwischen mit dem BS Android und dem gesamten GMS-Paket ausgestatteten Geräten und solchen bestehen, die mit dem BS Windows Mobile ausgestattet sind: Auf Ersteren ist die Suchanwendung Google Search vorinstalliert, auf Letzteren ist der Suchdienst Bing als Standard festgelegt.

404

Zu den NetMarketShare-Daten, die Google zur Verfügung gestellt und herangezogen hat, um zu zeigen, dass der Unterschied zwischen ihren Anteilen an Suchanfragen auf Android- und auf Windows Mobile-Geräten gering sei und nur 1 % betrage, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Daten sehr knapp gehalten sind. Sie werden in Form eines Schaubilds und einer Tabelle ohne Erläuterungen dargestellt. Wie die Kommission im 799. Erwägungsgrund Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses feststellt, lässt sich insbesondere die tatsächliche Bedeutung der in der Spalte „Windows Phone“ genannten Daten nur schwer beurteilen, weil Angaben dazu fehlen, welche Geräte berücksichtigt wurden, um die Anteile der auf Geräte mit dem BS Windows Mobile entfallenden Suchanfragen zu ermitteln. Wie die Kommission ebenfalls im 799. Erwägungsgrund Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses ausführt, stehen die Daten von NetMarketShare auch im Widerspruch zu anderen Daten, die Microsoft und Google im Lauf des Verwaltungsverfahrens vorgelegt haben und die die im angefochtenen Beschluss aufgestellte Behauptung stützen, dass der Anteil von Google an den allgemeinen Suchanfragen auf Android-Geräten, auf denen die Anwendung Google Search vorinstalliert ist, deutlich höher ist als auf Windows Mobile-Geräten, auf denen diese Anwendung nicht vorinstalliert ist.

– Vergleich der mit Android- und mit iOS-Geräten erzielten Einnahmen von Google

405

Drittens verweist der angefochtene Beschluss auf einen Vergleich der mit Android- und mit iOS-Geräten weltweit erzielten Einnahmen von Google (794. Erwägungsgrund und Tabelle 12) für die Jahre 2014 bis 2016, der anhand von Google bereitgestellter Daten vorgenommen wurde und aus dem hervorgeht, dass Google aus der Nutzung ihrer allgemeinen Suchanwendung Google Search auf Android-Geräten signifikant höhere Einnahmen erzielte als auf iOS-Geräten (+71 % im Jahr 2014, +134 % im Jahr 2015 und +193 % im Jahr 2016), während die Gesamteinnahmen aus Suchvorgängen auf Android- und iOS-Geräten auf annähernd gleichem Niveau lagen (+3 % im Jahr 2014, +22 % im Jahr 2015 und +28 % im Jahr 2016).

406

Google macht geltend, dass die fehlende Berücksichtigung von Suchanfragen, die über einen Browser gestellt würden, diesen Vergleich verfälsche. Wären diese Suchanfragen berücksichtigt worden, hätte sich aus Tabelle 12 des angefochtenen Beschlusses ergeben, dass die Gesamteinnahmen von Google aus Suchanfragen auf iOS-Geräten höher seien als aus Suchanfragen auf Android-Geräten, obwohl die Anwendung Google Search auf iPhones nicht vorinstalliert sei. Außerdem stelle Apple den Browser Safari auf Android nicht zur Verfügung. Der Anteil von Chrome auf iOS-Geräten sei daher zwangsläufig geringer.

407

Wie die Kommission jedoch feststellt, zeigen die von Google vorgelegten Daten, dass die mit der Anwendung Google Search erzielten Einnahmen bei GMS-Geräten, auf denen diese Anwendung vorinstalliert ist, höher sind als bei iOS-Geräten, auf denen keine allgemeine Suchanwendung vorinstalliert ist, auch nicht Google Search. Da sich dieser Teil des Beschlusses auf das erste Bündel bezieht, brauchen die Einnahmen aus der Umsetzung des zweiten Bündels nicht einbezogen zu werden. Im weiteren Sinne vergleichen diese Daten auch hier Situationen, in denen der in Rede stehende allgemeine Suchdienst, im vorliegenden Fall Google Search, entweder durch die Vorinstallation dieser Anwendung auf Google Android oder durch ihre Festlegung als Standard im Browser Safari begünstigt wird.

408

Die Kritik von Google an der im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Gegenüberstellung ihrer mit Android-Geräten und mit iOS-Geräten erzielten Einnahmen ist daher zurückzuweisen.

iv) Zu bestimmten Aspekten, die Chrome betreffen

409

Drittens macht Google geltend, dass die Aussage, Safari generiere auf iOS höhere Einnahmen als Chrome (907. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), ebenfalls die Vorinstallation mit der Standardeinstellung verwechsle und dass die Opera-Umfrage (vgl. 905. Erwägungsgrund Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses) keine wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen belegen könne.

– Vergleich der Einnahmen von Google durch Safari und durch Chrome

410

Erstens bezieht sich der angefochtene Beschluss auf einen Vergleich der weltweiten Einnahmen von Google aus Suchanfragen, die über den Browser Safari, der auf iOS-Geräten vorinstalliert ist, und über den Browser Chrome, der auf diesen Geräten nicht vorinstalliert ist, gestellt wurden. Dieser Vergleich, der anhand von Google zur Verfügung gestellter Daten vorgenommen wurde, zeigt, dass Google auf iOS-Geräten über Safari höhere Einnahmen erzielt als über Chrome (+2457 % im Jahr 2014, +1988 % im Jahr 2015 und +1883 % im Jahr 2016) (907. Erwägungsgrund und Tabelle 16 des angefochtenen Beschlusses). Im Jahr 2016 standen den 258 Millionen Vorinstallationen von Safari nur 40 Millionen Downloads von Chrome auf iOS-Geräten gegenüber (912. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses).

411

Google macht geltend, dass die Feststellung, Safari generiere auf iOS-Geräten höhere Umsätze als Chrome (907. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), Vorinstallation und Standardeinstellung miteinander vermenge. Apple lege ihren eigenen Browser Safari auf allen iOS-Geräten als Standardbrowser fest, was im angefochtenen Beschluss nicht berücksichtigt werde. Es sei unmöglich, die Auswirkungen der Vorinstallation anhand von Beweisen, die eine Kombination aus Vorinstallation, bevorzugter Platzierung und Standardeinstellung beträfen, korrekt abzugrenzen.

412

Ein solcher Einwand kann jedoch dem Vergleich zwischen den Einnahmen, die Google auf iOS-Geräten aus Suchanfragen über Safari und über Google Chrome erzielt, nicht die Relevanz nehmen. Dieser Vergleich wurde nämlich unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieser Browser auf iOS-Geräten vorgenommen: Safari ist der einzige, der vorinstalliert ist, während Chrome heruntergeladen werden muss. Außerdem laden die Nutzer Google Chrome nur auf einen geringen Prozentsatz von iOS-Geräten herunter (15 % im Jahr 2016) (912. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses).

413

Die Kritik von Google an dem im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Vergleich ihrer über Safari und über Chrome erzielten Einnahmen ist daher zurückzuweisen.

– Opera-Umfrage

414

Zweitens verweist der angefochtene Beschluss auf eine von Opera durchgeführte Umfrage (vgl. 905. Erwägungsgrund Nr. 3), aus der zum einen hervorgeht, dass im Jahr 2013 72 % von 1500 Befragten in Deutschland, Polen und dem Vereinigten Königreich den auf ihren intelligenten Mobilgeräten vorinstallierten Browser nutzten und dass 16 % dieser Personen Faktoren wie Qualität, Benutzerfreundlichkeit, Geschwindigkeit, Sicherheit oder andere Merkmale nicht berücksichtigten, sondern den Browser nur deshalb weiterverwendeten, weil er vorinstalliert war.

415

Google weist darauf hin, dass die in dieser Umfrage gestellte Frage lautete: „[W]elche Faktoren haben Sie bei der Auswahl des Browsers, den Sie am häufigsten/regelmäßig verwenden, berücksichtigt?“ Der angefochtene Beschluss stütze sich zur Untermauerung der darin aufgestellten Behauptungen auf die Nutzer, die die Antwort ausgewählt hätten, dass sie „einfach den mit [ihrem] Mobiltelefon gelieferten Browser nutzen“. Diese Antwortoption unterscheide nicht zwischen Nutzern, die einen Browser gewählt hätten, weil er vorinstalliert sei, und solchen, die ihn gewählt hätten, weil er als Standard festgelegt sei. In mehreren Antworten sei jedoch als Kommentar hinzugefügt worden, dass der „Standardbrowser des Telefons“ verwendet werde. Wie aus den Daten der von Opera vorgelegten Umfrage (Antwort auf das Auskunftsersuchen vom 15. Dezember 2015) hervorgehe, hätten zudem nur 70 von 500 Befragten (14 %) tatsächlich die im angefochtenen Beschluss genannte Option gewählt. In Wirklichkeit könne die Zahl sogar noch geringer sein: Von diesen 70 Nutzern hätten sich 18 offenbar auf iOS-Geräte und nicht auf Android-Geräte bezogen, weil sie angegeben hätten, Safari als Browser zu verwenden, der unter Android nicht verfügbar sei. Die übrigen 86 % der Befragten hätten Faktoren wie Geschwindigkeit, Benutzerfreundlichkeit, Sicherheit, Datenverbrauch und andere qualitätsbezogene Faktoren genannt. Es sei auch falsch, davon auszugehen, dass nur ein einziger Browser mit dem Telefon „mitgeliefert“ worden sei, weil die OEM in der Wirklichkeit üblicherweise zwei oder mehr Browser vorinstallierten.

416

Wie die Kommission geltend macht, ist jedoch, obwohl die Opera-Umfrage die Auswirkungen der Vorinstallation nicht von denen der Standardeinstellung trennt, zumindest ein Teil der Gründe, aus denen die Befragten den „mit dem Mobilgerät mitgelieferten“ Internetbrowser verwendeten, auf den Umstand zurückzuführen, dass die OEM diesen Browser vorinstallieren. In dieser Umfrage wurde der mobile Internetbrowser ermittelt, den die Nutzer „am häufigsten“ verwenden, um auf ihren Geräten im Internet zu suchen. Zieht man die drei EWR-Länder (Deutschland, Vereinigtes Königreich und Polen) heran, auf die sich die Stichprobe von 1500 Nutzern erstreckte, nannten zum einen 853 Nutzer (57 %) Chrome oder Safari – bei denen es sich um auf allen GMS- bzw. iOS-Geräten vorinstallierte Browser handelt – als den von ihnen am häufigsten verwendeten Browser, während zum anderen 232 Nutzer (15 %) antworteten, dass sie am häufigsten die als Standard eingestellten Browser verwendeten (Chrome auf GMS-Geräten und Safari auf iOS-Geräten).

417

Die Kritik von Google an den im angefochtenen Beschluss enthaltenen Verweisen auf die Ergebnisse der Opera-Umfrage ist daher zurückzuweisen.

418

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die verschiedenen Argumente, mit denen Google den Vorteil zu widerlegen sucht, der sich aus der Vorinstallation der Anwendungen Google Search und Chrome auf Google-Android-Geräten ergibt, nicht geeignet sind, die Schlussfolgerungen in Frage zu stellen, die die Kommission in diesem Zusammenhang aus den verschiedenen im angefochtenen Beschluss dargelegten Gesichtspunkten gezogen hat.

b)   Die Möglichkeit für die OEM, konkurrierende allgemeine Suchdienste vorzuinstallieren oder als Standard festzulegen

1) Angefochtener Beschluss

419

Im angefochtenen Beschluss wird festgestellt, dass der Wettbewerbsvorteil, der sich aus den Voreinstellungsbedingungen der VVMA ergebe, von den Anbietern konkurrierender allgemeiner Suchdienste aus folgenden Gründen nicht durch andere Voreinstellungsvereinbarungen ausgeglichen werden könne (833. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses):

Die OEM wollten in der Regel keine zusätzliche allgemeine Suchanwendung installieren; dies beruhe auf den relativ geringen Mehreinnahmen, die sich durch die zusätzliche Installation einer solchen Anwendung erzielen ließen, auf den Kosten für die Aushandlung solcher Vereinbarungen und auf der Gefahr, dass sich doppelt vorhandene Anwendungen negativ auf das Nutzererlebnis auswirken oder Speicherplatzprobleme verursachen könnten; dasselbe gelte entsprechend für die Browser (Erwägungsgründe 824 bis 829, 933 und 934 des angefochtenen Beschlusses).

Die VVMA hindere die OEM und die MNO daran, auf Google-Android-Geräten ausschließlich eine andere allgemeine Suchanwendung vorzuinstallieren (Erwägungsgründe 830 bis 832 des angefochtenen Beschlusses); außerdem dürfe ein mit Chrome konkurrierender Browser, selbst wenn er vorinstalliert werden könne, nicht als Standard festgelegt werden (935. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Die mit den OEM und den MNO geschlossenen VAE, die die ausschließliche Vorinstallation der Anwendung Google Search auf [50-60 %] bis [80-90 %] aller Google-Android-Geräte im EWR vorsähen, würden die Mitbewerber von Google auch daran hindern, auf diesen Geräten ihre eigene allgemeine Suchanwendung neben der von Google vorinstallieren zu lassen (833. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Die Zahl der Vorinstallationen konkurrierender Browser auf Google-Android-Geräten sei deutlich geringer als die Zahl der Vorinstallationen von Google Chrome (936. Erwägungsgrund und Tabelle 19 des angefochtenen Beschlusses).

420

So habe Bing, der Hauptkonkurrent von Google Search, von 2011 bis 2016 nicht auf Google-Android-Geräten vorinstalliert werden können, mit Ausnahme eines einzigen Gerätemodells, das 2011 in den Vereinigten Staaten auf den Markt gekommen sei (Erwägungsgründe 834 und 789 Nr. 8 des angefochtenen Beschlusses).

2) Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

421

Google macht geltend, dass die VVMA-Vorinstallationsbedingungen die OEM nicht daran hinderten, für konkurrierende Suchdienste und Browser auf allen ihren Android-Geräten die gleiche Vorinstallation vorzusehen wie für Google Search und Chrome. Es wäre sogar möglich gewesen, eine bessere Werbemöglichkeit als für die Produkte von Google zu gewährleisten, weil die OEM einen anderen Browser als Chrome als Standardbrowser hätten vorgeben und die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste in diesen vorinstallierten Browsern als Standarddienste festlegen können. Außerdem hätten die Nutzer Google Search trotz seiner standardmäßigen Voreinstellung in der URL-Leiste von Chrome immer noch durch die Einstellung des Suchdienstes eines Mitbewerbers austauschen können. Die in Rede stehenden Praktiken hätten den Wettbewerb daher nicht einschränken können.

422

So werde die Behauptung, dass die OEM und die MNO keine konkurrierenden Anwendungen auf Android-Geräten vorinstallieren wollten, durch ihr tatsächliches Verhalten widerlegt, und zwar unabhängig davon, ob es sich um allgemeine Suchdienste, Browser oder andere Arten von Anwendungen handele. Ebenso stünden die Erwägungen zu den VAE im Widerspruch zu der Behauptung, dass die OEM und die MNO kein Interesse daran hätten, neben den Anwendungen von Google weitere Such- und Browseranwendungen vorzuinstallieren (Erwägungsgründe 824 bis 829, 933 und 934 im Vergleich zu den Erwägungsgründen 1208 Nr. 1, 1213, 1214, 1219 und 1220 des angefochtenen Beschlusses). Darüber hinaus werde keiner der vier Gründe, die zur Stützung der Behauptung angeführt würden, dass die OEM neben den Anwendungen von Google keine konkurrierenden Anwendungen vorinstallieren wollten – nämlich Bedenken im Hinblick auf das „Nutzererlebnis“, Speicherplatzprobleme, Transaktionskosten und das Fehlen finanzieller Vorteile der Vorinstallation –, durch ausreichende Beweise untermauert.

423

Die Kommission macht geltend, dass die Wettbewerber den erheblichen Wettbewerbsvorteil, den sich Google durch die Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Google Chrome auf praktisch allen im EWR verkauften Google-Android-Geräten verschaffe, nicht durch Vorinstallationsvereinbarungen ausgleichen könnten.

3) Würdigung durch das Gericht

i) Vorbemerkungen

424

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Google im Rahmen dieser Rüge im Wesentlichen behauptet, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA die OEM nicht daran gehindert hätten, auf den im EWR verkauften Google-Android-Geräten konkurrierende allgemeine Suchdienste und Browser in der gleichen Weise vorzuinstallieren wie Google Search und Chrome.

425

Die Kommission bestreitet im angefochtenen Beschluss jedoch nicht, dass die VVMA den OEM die Vorinstallation von Anwendungen erlaubt, die mit Google Search und Chrome konkurrieren. Die Mitbewerber von Google konnten den OEM daher für die Vorinstallation ihrer eigenen Anwendungen grundsätzlich die gleichen Bedingungen anbieten, wie die VVMA sie vorsah. Eine gemeinsame Installation war nach der VVMA zulässig.

426

Im angefochtenen Beschluss heißt es vielmehr zum einen, dass die VVMA die OEM daran „hindere“, ausschließlich solche Anwendungen anstelle von Google Search und Chrome vorzuinstallieren (832. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), und zum anderen, dass die VAE von den OEM und den MNO die ausschließliche Vorinstallation der Anwendung Google Search auf dem von diesen Vereinbarungen erfassten Geräteanteil verlangten, d. h. im Lauf der Zeit auf [80-90 %] bis [50-60 %] der im EWR verkauften Google-Android-Geräte (833. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses); dies schließt sowohl sortimentbezogene als auch gerätebezogene VAE ein, wie die Kommission in ihrer Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen bestätigt hat.

427

Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Marktanteile von Google Search und Chrome sowie ihrer jeweiligen Entwicklung von 2011 bzw. 2012 bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses bleibt die Auseinandersetzung über die Möglichkeiten der Wettbewerber, den durch die Vorinstallationsbedingungen der VVMA gewährten Wettbewerbsvorteil auszugleichen, weitgehend theoretisch. In der Praxis waren die Anbieter konkurrierender Anwendungen nämlich nicht in der Lage, den Wettbewerbsvorteil, den sich Google durch die Vorinstallation von Google Search und Chrome auf praktisch allen im EWR verkauften Google-Android-Geräten verschafft hatte, durch Vorinstallationsvereinbarungen auszugleichen. Wie im angefochtenen Beschluss dargelegt, ist die Vorinstallation konkurrierender allgemeiner Suchanwendungen und Browser hinsichtlich ihrer Verbreitung nicht mit der Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Google Chrome vergleichbar (vgl. 940. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf Browser).

428

In diesem Zusammenhang muss zwischen den theoretischen Annahmen zum Wettbewerb und der praktischen Realität unterschieden werden, in der die Wettbewerbsalternativen, auf die Google verweist, aufgrund der „Status-quo-Präferenz“, die mit den Vorinstallationsbedingungen der VVMA und den kombinierten Auswirkungen dieser Bedingungen und der anderen vertraglichen Vereinbarungen von Google einschließlich der VAE einhergeht, wenig überzeugend oder faktisch aussichtslos erscheinen.

429

Vor diesem Hintergrund ist das Argument von Google zu prüfen, dass es den OEM ungeachtet der Vorinstallationsbedingungen der VVMA freigestanden habe, für konkurrierende allgemeine Suchdienste und Browser auf den im EWR verkauften Google-Android-Geräten dieselben Vorinstallationsbedingungen vorzusehen, wie sie für Google Search und Chrome gewährt würden. Dieses Vorbringen bezieht sich erstens auf die Vorinstallation konkurrierender Anwendungen, zweitens auf einen angeblichen Widerspruch zwischen den Erwägungen zu den VAE und der Behauptung, dass kein Interesse an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen bestehe, und drittens auf das Interesse der OEM an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen.

ii) Zur Vorinstallation konkurrierender Anwendungen

430

Als Erstes ist festzustellen, dass sich das Vorbringen von Google hierzu mehr auf die Situation bei Browsern als auf die Situation bei allgemeinen Suchdienstanwendungen konzentriert. Es bezieht sich zunächst auf die Anwendung Google Search und die konkurrierenden Anwendungen, dann auf den Browser Chrome und seine Mitbewerber und schließlich auf die anderen Anwendungen.

– Zur Anwendung Google Search und ihren Mitbewerbern

431

In Bezug auf allgemeine Suchanwendungen beanstandet Google lediglich den Verweis auf Bing, das von 2011 bis 2016 nur auf einem einzigen Modell eines Google Android-Geräts habe vorinstalliert werden können, das 2011 in den Vereinigten Staaten auf den Markt gebracht worden sei (vgl. Erwägungsgründe 834 und 789 Nr. 8 des angefochtenen Beschlusses).

432

Der Umstand, dass Bing auf im EWR verkauften Google-Android-Geräten nicht vorinstalliert werden konnte, soll laut Google nicht auf die Vorinstallationsbedingungen der VVMA zurückzuführen sein, sondern darauf, dass es für die meisten Länder des EWR keine lokalisierte Version von Bing gegeben habe.

433

Der Kommission ist jedoch beizupflichten, dass es den Mitbewerbern von Google nur in sehr seltenen Fällen gelang, ihre allgemeine Suchanwendung zusätzlich zur Anwendung Google Search auf Geräten vorinstallieren zu lassen. Jedenfalls betrafen diese Fälle nur einen geringen Teil der Geräte der betreffenden OEM, insbesondere im EWR.

434

Im angefochtenen Beschluss werden nämlich nur zwei Fälle der „Vorinstallation“ einer konkurrierenden allgemeinen Suchanwendung erwähnt, und zwar dann, wenn der jeweilige OEM keine VAE mit Google getroffen hatte oder diese nicht mehr bestand (1219. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses):

eine Vereinbarung über die Aufteilung von Einnahmen zwischen Microsoft und ZTE vom Februar 2017 für den Verkauf bestimmter Google-Android-Geräte weltweit, einschließlich des EWR, auf denen Bing im Browser von ZTE als Standard festgelegt war, sowie für den Verkauf bestimmter Mengen von Google-Android-Geräten, auf denen die allgemeine Suchanwendung Bing vorinstalliert war (1219. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses);

eine Vereinbarung über die Aufteilung von Einnahmen zwischen Yandex und zwei OEM für den Verkauf von Google-Android-Geräten weltweit, einschließlich einer kleinen Zahl von Geräten im EWR, auf denen das „Widget“ des allgemeinen Suchdienstes Yandex und Links zur Yandex-Homepage im Standardbrowser vorinstalliert waren (1219. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses).

435

Außerdem bietet der von Google in Bezug auf Bing angeführte Grund keine plausible Erklärung dafür, dass Microsoft die OEM nicht davon hatte überzeugen können, diese Anwendung auf Google-Android-Geräten vorzuinstallieren. Das Fehlen einer lokalisierten Version betraf nämlich nicht alle EWR-Länder, und selbst in den Ländern, in denen diese Anwendung eine Lokalisierung zuließ, wie im Vereinigten Königreich oder in Deutschland, installierten die OEM die Anwendung Bing nicht vor. Ebenso wurde die Anwendung Seznam von den OEM nicht auf ihren Geräten in der Tschechischen Republik vorinstalliert, obwohl die allgemeinen Suchalgorithmen dieser Anwendung auf die tschechische Sprache ausgelegt waren (vgl. Erwägungsgründe 682 und 814 Nr. 4 des angefochtenen Beschlusses).

436

Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Anbieter mit Google Search konkurrierender allgemeiner Suchdienste entgegen der Behauptung von Google nicht in der Lage waren, den Wettbewerbsvorteil auszugleichen, der sich aus den Vorinstallationsbedingungen der VVMA ergab.

– Zum Browser Chrome und seinen Mitbewerbern

437

In Bezug auf Browser führt Google verschiedene Aspekte an, um darzutun, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA die OEM nicht daran gehindert hätten, konkurrierenden Browsern die gleichen Vorinstallationsbedingungen wie für Google Search und Chrome zu gewähren:

Im angefochtenen Beschluss heiße es, dass zwischen 2013 und 2016 auf nahezu 60 % der Android-Geräte neben Chrome auch konkurrierende Browser vorinstalliert gewesen seien (936. Erwägungsgrund und Tabelle 19); die Zahl dieser Vorinstallationen konkurrierender Browser sei daher nicht „erheblich geringer als die Zahl der Vorinstallationen von Google Chrome auf Google-Android-Geräten“ gewesen;

Ein zweiter vorinstallierter Browser könne einen höheren Anteil an Sucheinnahmen generieren als die Anwendung Google Search oder der Browser Chrome, die im Rahmen der VVMA vorinstalliert würden, wie aus folgenden Beweisen hervorgehe: Samsung habe 2016 begonnen, auf ihren Geräten ihren eigenen Browser vorzuinstallieren und ihn besser als Chrome zu positionieren, wobei auf diesen eigenen Browser 38,4 % der Einnahmen von Google Search auf Samsung Galaxy S6-Geräten im EWR entfallen seien, was sowohl die Anwendung Google Search (38,1 %) als auch den Browser Chrome (23,3 %) übertroffen habe (949. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses); Huawei habe 2015 erklärt, dass der „Huawei-Browser auf allen Huawei-Smartphones auf dem EWR-Markt als Standardsystembrowser vorinstalliert [preloaded]“ sei (Huawei, 14. Dezember 2015), und HTC habe 2015 erklärt, dass ihr Browser, HTC Internet, auf ihren Geräten vorinstalliert sei und dass die Aufnahme von Chrome in das GMS-Paket durch Google im Jahr 2012 „keine signifikanten Auswirkungen“ entfaltet habe, weil HTC ihren eigenen Internetbrowser auf den meisten ihrer Geräte vorinstalliere (HTC, 13. November 2015).

438

Entgegen der Auffassung der Kommission können die Argumente von Google und die verschiedenen Gesichtspunkte, die sie untermauern, nicht von vornherein zurückgewiesen werden.

439

Das Vorbringen von Google lässt nämlich a priori erkennen, dass bei Browsern ein stärkerer Wettbewerb herrscht als bei allgemeinen Suchanwendungen, wie sich aus den im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen tatsächlichen Umständen ergibt (vgl. Tabelle 19, in der für die Jahre 2013 bis 2016 ein weltweiter Anteil paralleler Vorinstallationen von 40 % bis 60 % angegeben ist). Andere Browser als Chrome können auf Google-Android-Geräten vorinstalliert sein und sind es auch häufig.

440

Der Fall von Opera ist ein gutes Beispiel dafür. Nach eigenen Angaben verdankt Opera, die als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von Google beigetreten ist, einen hohen Anteil ihrer Nutzer den Vorinstallationsvereinbarungen, die sie mit OEM (Samsung, Huawei, OPPO und Tecno) für Google-Android-Geräte geschlossen hat. Die Kommission stellt in diesem Zusammenhang fest, dass diese Vereinbarungen weniger als 5 % der im EWR verkauften Google-Android-Geräte betroffen hätten (940. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), weil diese Geräte hauptsächlich in Afrika verkauft worden seien (Vereinbarungen von Opera mit Samsung und Tecno).

441

Dieses Beispiel zeigt, dass während des Zuwiderhandlungszeitraums Vereinbarungen über die parallele Vorinstallation von Browsern bestehen konnten, jedenfalls in größerem Umfang, als dies bei Vereinbarungen über die Vorinstallation einer allgemeinen Suchanwendung der Fall war. Es ist jedoch zu prüfen, ob die Auswirkungen solcher Vereinbarungen den aus der Vorinstallation resultierenden Vorteil ausgleichen können.

442

Die von Google gegen die Analyse vorgebrachten Argumente werden nämlich durch die verschiedenen Erklärungen der Kommission und der sie unterstützenden Streithelfer weitgehend entkräftet. So hat sich in der Praxis herausgestellt, dass die Wahlfreiheit, andere Browseranwendungen vorzuinstallieren, den OEM zwar sehr wohl Möglichkeiten einräumte, die sie faktisch aber nur nutzen konnten, um Browseranwendungen vorzuinstallieren, die Google Search als standardmäßig eingestellte Suchmaschine verwendeten.

443

Im Gegensatz zum Beispiel von Opera beschreibt Seznam in ihrem Streithilfeschriftsatz nämlich, mit welchen Schwierigkeiten es verbunden gewesen sei, die Vorinstallation ihrer Such- und Browseranwendungen zu erreichen. Seznam weist außerdem darauf hin, dass diese Schwierigkeiten sowohl zur Zeit der sortimentbezogenen VAE als auch später, als die gerätebezogenen VAE in Kraft getreten seien, bestanden hätten. Ebenso gelang es Qwant erst im September 2018, d. h. nach Erlass des angefochtenen Beschlusses, als Standardsuchmaschine für den Browser Brave in Frankreich und Deutschland festgelegt zu werden.

444

Erstens trifft es zwar zu, dass von 2013 bis 2016 auf fast 60 % der Android-Geräte neben Chrome auch konkurrierende Browser vorinstalliert waren (Tabelle 19 des angefochtenen Beschlusses).

445

Zum einen ist jedoch in Bezug auf die von Google angeführten Fälle von Samsung und Huawei festzustellen, dass die einzigen mobilen Internetbrowser, die auf einer erheblichen Anzahl von Google-Android-Geräten dieser OEM vorinstalliert waren, deren eigene Browser und nicht Browser von Drittanbietern waren (936. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

446

Hierzu weist die Kommission darauf hin, dass einige Anbieter, darunter Samsung und Huawei, Google Search als Standarddienst für die allgemeine Suche festgelegt hatten. So verweist der 798. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses auf „Vereinbarungen mit den OEM und MNO, die sicherstellen sollen, dass Google Search der einzige vorinstallierte allgemeine Suchdienst ist und in allen vorinstallierten mobilen Browsern von Drittanbietern als Standard eingestellt wird“. Auf Nachfrage hat die Kommission klargestellt, dass es sich hierbei um einen Verweis auf die VAE handelte. Die Kommission führt auch HTC an, die in ihrem Browser ebenfalls Google Search als Standarddienst für die allgemeine Suche festgelegt hatte, und weist darauf hin, dass HTC die Entwicklung ihres eigenen Browsers zum 30. November 2016 eingestellt habe.

447

Zum anderen ist in Bezug auf die Situation der Anbieter, die eine VAE abgeschlossen hatten, festzustellen, dass sich diese Anbieter, um in den Genuss der Aufteilung der Einnahmen zu gelangen, verpflichten mussten, Google Search auf den verschiedenen Einstiegspunkten ihrer Google-Android-Geräte, einschließlich ihres eigenen Browsers, als Standard festzulegen (822. Erwägungsgrund, Fn. 908 und Abschnitt 6.3.3 zu den sortimentbezogenen VAE) und keinen konkurrierenden allgemeinen Suchdienst vorzuinstallieren (Erwägungsgründe 192 und 198 des angefochtenen Beschlusses).

448

Dies ist umso bedeutsamer, als die Kommission im 822. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angibt, dass sich die VAE von 2011 bis 2016 auf [80-90 %] bis [50-60 %] der im EWR verkauften Google-Android-Geräte erstreckt hätten. Aus den Angaben in Fn. 908 zum 822. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die in diesem Zusammenhang berücksichtigten Informationen nicht nur diejenigen umfassen, die aus dem Anwendungsbereich der sortimentbezogenen VAE abgeleitet wurden, sondern auch diejenigen, die sich aus dem Anwendungsbereich der gerätebezogenen VAE ergaben, die die sortimentbezogenen VAE ablösten. Dies hat die Kommission in ihrer Antwort auf eine Frage im Rahmen prozessleitender Maßnahmen bestätigt.

449

So fielen von 2011 bis 2016 mehr als 50 % der im EWR verkauften Google-Android-Geräte unter mit Google geschlossene VAE, die alle, seien sie sortiment- oder gerätebezogen, die Festlegung von Google Search als Standardsuchmaschine in den vorinstallierten Browsern verlangten und die Installation eines konkurrierenden Suchdienstes untersagten.

450

Somit erweist sich – und dies gilt für Samsung, HTC, LG und Sony ebenso wie für die anderen Anbieter, die VAE abgeschlossen hatten –, dass immer dann, wenn neben Chrome, bei dem Google Search als Standard festgelegt ist, ein weiterer Browser vorinstalliert war, auch bei diesem Google Search als Standard festgelegt war.

451

Anhand dieser Feststellung lässt sich die Komplementarität der verschiedenen Praktiken von Google veranschaulichen, was zwangsläufig bedeutet, dass – wie auch im angefochtenen Beschluss dargelegt – die kombinierten Auswirkungen der VVMA und der VAE berücksichtigt werden müssen. Die mit der VAE verbundene vertragliche Verpflichtung, für die allgemeine Suche keine andere Lösung als Google Search zu installieren, hat zur Folge, dass die theoretische Möglichkeit der Vorinstallation eines mit den Anwendungen von Google konkurrierenden Dienstes, obwohl die VVMA sie grundsätzlich erlauben, von 2011 bis 2016 für mindestens die Hälfte der im EWR verkauften Google-Android-Geräte faktisch ausgeschlossen war. Mit anderen Worten garantierten die VAE Exklusivität auf den betroffenen Geräten, was bei der Bewertung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen der VVMA berücksichtigt werden muss.

452

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Berücksichtigung der kombinierten Auswirkungen der VVMA und der VAE als tatsächlicher Umstand in keiner Weise davon abhängt, ob die VAE missbräuchlich sind oder nicht, und zwar unabhängig davon, ob es sich um sortimentbezogene VAE handelt, die nach der von Google im Rahmen des dritten Klagegrundes beanstandeten Analyse der Kommission einen Missbrauch darstellen, oder um gerätebezogene VAE, die im angefochtenen Beschluss nicht als missbräuchlich angesehen werden.

453

Unter diesen Umständen stellt das von Google in Bezug auf einen OEM vorgebrachte Argument, dessen mobiler Internetbrowser habe im Jahr 2016 auf einer Kategorie seiner Geräte höhere Suchumsätze im EWR erzielt als die Anwendung Google Search oder Chrome, die vorstehende Analyse nicht in Frage.

454

Die Kommission ist diesem in der Klageschrift vorgebrachten Argument mit der Begründung entgegengetreten, dass sie eine solche Behauptung nicht überprüfen könne, und zwar weder in Bezug auf die genannte Kategorie der Geräte dieses OEM im Jahr 2016 noch allgemein in Bezug auf andere Jahre und andere Kategorien seiner Geräte. Als Antwort darauf hat Google die internen Daten vorgelegt, auf die sie die in der Klageschrift aufgestellten Behauptungen gestützt hatte. Diese Daten zeigen in der Tat, dass der eigene Browser dieses OEM im Jahr 2016 bei zwei Modellreihen höhere Einnahmen durch Suchanfragen generiert hatte als Google Search oder Chrome.

455

Diese Einnahmen waren auch höher als diejenigen, die Chrome 2017 auf drei Modellreihen (den beiden oben genannten und einer dritten) und 2018 auf vier Modellreihen (den drei oben genannten und einer vierten) dieses OEM generierte, aber geringer als die Einnahmen, die zu diesem Zeitpunkt durch die Anwendung Google Search auf diesen Geräten erzielt wurden.

456

Google macht geltend, dass dies ein Fall sei, in dem ein OEM durch die Vorinstallation seines eigenen Browsers auf seinen Google-Android-Geräten in der Lage gewesen sei, den Wettbewerbsvorteil, den sie durch die Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome erlangt habe, bis zu einem gewissen Grad auszugleichen.

457

Da der in Rede stehende OEM jedoch durch eine VAE gebunden und somit verpflichtet war, Google Search auf den verschiedenen Einstiegspunkten seiner Geräte, einschließlich seines eigenen Browsers, als Standard festzulegen, muss die Auswirkung eines solchen Ausgleichs auf den Wettbewerb relativiert werden. Dies hat Google in ihrer Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen bestätigt.

458

Darüber hinaus ist die Situation eines OEM, der auf seinen Geräten seinen eigenen Browser vorinstalliert, nicht mit der eines Mitbewerbers von Google auf den Märkten für allgemeine Suchdienste, der nicht über die Möglichkeit verfügt, eigene Geräte herzustellen, vergleichbar, weil dieser mit einem OEM verhandeln muss, um seine Anwendungen vorinstallieren lassen zu können.

459

Jedenfalls weist die Kommission zweitens darauf hin, dass ein konkurrierender Browser, selbst wenn er auf einem Google Android-Gerät vorinstalliert ist, nicht als Standardbrowser festgelegt werden kann (935. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

460

Zu dem Vorbringen von Google bezüglich der Aussage eines Vertreters von Huawei in einer E‑Mail an die Kommission im Dezember 2015, wonach ein anderer Browser als Chrome der „Standardbrowser des Systems“ sein könne, weist die Kommission darauf hin, dass dies nicht möglich gewesen sei.

461

Zum einen geht nämlich aus den VVMA hervor, dass die OEM verpflichtet waren, Chrome auf nahezu allen ihren im EWR verkauften Google-Android-Geräten vorzuinstallieren, und zum anderen aus den AFV und der Klausel 3.2.3.2 des Android Compatibility Definition Document (im Folgenden: CDD), dass „die Geräteentwickler keine besonderen Privilegien an die Verwendung von … Intent-Schemata durch Systemanwendungen knüpfen oder Anwendungen von Drittanbietern daran hindern [dürfen], sich mit diesen Schemata zu verbinden und deren Kontrolle zu übernehmen“. Daher konnte ein OEM, der Chrome vorinstalliert hatte, was die Unterzeichnung einer VVMA und einer AFV voraussetzte, einen konkurrierenden mobilen Internetbrowser nicht als Standard festlegen.

462

Die Erklärungen von Orange und einem weiteren Unternehmen (935. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses) bestätigen, dass ein mit Chrome konkurrierender Browser, selbst wenn er vorinstalliert ist, nicht „als Standardbrowser festgelegt“ werden kann. Diese beiden Anbieter verweisen insoweit auf die von der Kommission erwähnte und oben wiedergegebene Verpflichtung, einen mit Chrome konkurrierenden Browser nicht zu bevorzugen, wenn dieser ebenfalls auf dem Google Android-Gerät vorinstalliert ist.

463

In diesem Zusammenhang ist keiner der von Google angeführten Beweise geeignet, ihre Behauptung zu stützen, dass eine solche Standardeinstellung des konkurrierenden Browsers möglich sei, wenn Chrome vorhanden sei:

Die Erklärung, dass „der Browser von Huawei … auf allen Huawei-Smartphones auf dem EWR-Markt als Standardsystembrowser vorinstalliert [preloaded]“ sei, stellt sich heraus, wurde nicht im Namen von Huawei als Antwort auf ein Auskunftsersuchen abgegeben, sondern stellt lediglich eine „allgemeine Information“ im Rahmen einer „vorläufigen Antwort“ dar, die von einem Mitarbeiter von Huawei stammt, und ihr ist nicht zu entnehmen, was dieser Mitarbeiter mit „Standardsystembrowser“ meinte, insbesondere im Hinblick auf die Anforderung des oben genannten CDD, wonach die OEM keinen konkurrierenden Browser als Standard festlegen durften; jedenfalls installiert Huawei seit 2016 ihren eigenen mobilen Internetbrowser nicht mehr vor (vgl. Huawei ALE Android 6.0 Release Notes, 7. Juni 2016: „Für ein besseres Nutzererlebnis wird bei allen unseren für den ausländischen Markt ausgelegten Mobiltelefonen mit Android 5.0 und höher der Huawei-Browser entfernt und Google Chrome verwendet“).

Aus der Erklärung von Orange in einer E‑Mail vom 3. August 2012, wonach „Chrome mit den Browsern der Hersteller koexistieren kann und von Google nicht als Standardbrowser vorgeschrieben ist“, geht lediglich hervor, dass die VVMA die OEM nicht dazu verpflichten, Chrome als Standardbrowser festzulegen – was von der Kommission nicht bestritten wird –, nicht aber, dass die OEM ihren eigenen mobilen Internetbrowser als Standardbrowser festlegen können.

464

Außerdem ist die Frage, ob ein konkurrierender Browser als Standard festgelegt werden kann, irrelevant. Google bestreitet im Übrigen nicht, dass diese Frage in Anbetracht der kombinierten Wirkungen der VVMA und der AFV theoretischer Natur ist. Im vorliegenden Fall geht es darum, die verschiedenen praktischen Möglichkeiten zu untersuchen, die den konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten zur Verfügung stehen, um die Nutzer zu erreichen, wobei Google darauf achtet, dass die OEM in Bezug auf Browser, die mit Chrome konkurrieren, ihrer Verpflichtung aus den AFV nachkommen, Google Search mindestens die gleiche Behandlung zukommen zu lassen, die sie auch einem etwaigen anderen allgemeinen Suchdienst gewähren.

465

Drittens ändert die Tatsache, dass die OEM auf einigen ihrer Geräte ihre eigenen Browser vorinstallieren, nichts daran, dass die Zahl der Vorinstallationen jedes dieser Browser niedriger ist als die Zahl der Vorinstallationen von Google Chrome auf diesen Geräten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass einige der von Google angeführten Daten die Vorinstallation weltweit, einschließlich China, betreffen (vgl. z. B. Tabelle 19 des angefochtenen Beschlusses). Das Fehlen einer Vorinstallation von Google Chrome in China hat jedoch erhebliche Auswirkungen auf die den EWR betreffenden Daten. Die Vorinstallation von Google Chrome erfasste praktisch alle Google-Android-Geräte im EWR, während die gemeinsame Vorinstallation eines anderen Browsers im Vergleich dazu in Bezug auf die Verbreitung und die Wirksamkeit weniger bedeutend blieb. Die Ausführungen der Kommission zu diesem Punkt werden daher von Google nicht in Frage gestellt.

– Zu den anderen Anwendungen

466

Was die anderen, neben Google Search und Chrome im GMS-Paket enthaltenen Anwendungen und die mit ihnen konkurrierenden Anwendungen betrifft, ist der Kommission beizupflichten, dass die von Google dazu vorgebrachten Argumente irrelevant sind. Diese anderen Anwendungen und die mit ihnen konkurrierenden Anwendungen sind nämlich keine allgemeinen Suchanwendungen oder Browser und daher nicht Gegenstand der im angefochtenen Beschluss definierten Missbräuche einer beherrschenden Stellung.

iii) Zum angeblichen Widerspruch zwischen den die VAE betreffenden Erwägungen und der Behauptung, es bestehe kein Interesse an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen

467

Als Zweites macht Google geltend, die Ausführungen zu den VAE im angefochtenen Beschluss stünden im Widerspruch zu der Behauptung, dass die OEM kein Interesse daran hätten, neben den Anwendungen von Google weitere allgemeine Such- und Browseranwendungen vorzuinstallieren.

468

Insoweit ist zunächst der Inhalt der streitigen Ausführungen wiederzugeben.

469

Einerseits hat die Kommission, um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass die Vorinstallationsvereinbarungen mit den OEM hinsichtlich ihrer Reichweite und Wirksamkeit nicht mit den Vereinbarungen über die Vorinstallation der Anwendung Google Search auf GMS-Geräten verglichen werden könnten, neben anderen Faktoren festgestellt, dass es „wenig wahrscheinlich“ sei, dass die OEM neben der obligatorischen Anwendung Google Search eine oder mehrere andere allgemeine Suchanwendungen vorinstallieren würden. Diese Schlussfolgerung ergebe sich insbesondere daraus, dass die OEM die potenziellen Einnahmen aus dieser anderen allgemeinen Suchanwendung gegen die Kosten eines solchen Vorhabens und andere Kosten im Zusammenhang mit Faktoren wie dem Nutzererlebnis und der Kundenbetreuung abwägen müssten (Erwägungsgründe 823 und 824 des angefochtenen Beschlusses).

470

Zur Erläuterung dieser Schlussfolgerung hat die Kommission angegeben, folgende Gesichtspunkte berücksichtigt zu haben:

Erstens wäre der Anteil der potenziellen Einnahmen, die die OEM erzielen könnten, wenn sie zusätzlich zur Anwendung Google Search eine oder mehrere andere Anwendungen installierten, angesichts des Marktanteils von Google von über 90 % auf den meisten nationalen Märkten für Suchdienste im EWR und der Tatsache, dass Google nach wie vor auf allen anderen wichtigen Einstiegspunkten, insbesondere auf den Internetbrowsern, als Standard festgelegt sei, gering (825. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Zweitens entstünden den OEM durch den Abschluss solcher Vorinstallationsvereinbarungen Transaktionskosten, die für eine geringe Zahl von Geräten kaum gerechtfertigt sein dürften (826. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Drittens müssten die OEM auch berücksichtigen, dass es, da das GMS-Paket 12 bis 30 Anwendungen umfasse, zu mehrfach vorhandenen Anwendungen kommen könne, was sich möglicherweise negativ auf das Nutzererlebnis auswirke (Erwägungsgründe 827 bis 829 des angefochtenen Beschlusses).

471

Desgleichen hat die Kommission, um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass die Vorinstallationsvereinbarungen mit den OEM hinsichtlich ihrer Reichweite und Wirksamkeit nicht mit den Vereinbarungen über die Vorinstallation des Browsers Chrome auf GMS-Geräten verglichen werden könnten, neben anderen Faktoren festgestellt, dass sich die OEM aufgrund von Problemen mit dem Speicherplatz einiger Geräte dagegen „sträubten“, Anwendungen vorzuinstallieren, die bereits installierte Anwendungen duplizierten (Erwägungsgründe 932 und 933 des angefochtenen Beschlusses).

472

Andererseits verweist die Kommission in dem Teil des angefochtenen Beschlusses, der sich mit den VAE befasst, wiederholt auf das Interesse, das die OEM am Abschluss solcher Vereinbarungen hätten, und zwar aus folgenden Gründen:

„Ohne die Zahlungen aus der sortimentbezogenen Aufteilung der Einnahmen hätten die OEM … ein kommerzielles Interesse an der Vorinstallation konkurrierender allgemeiner Suchdienste auf zumindest einigen ihrer Google-Android-Geräte gehabt“ (1208. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses).

Die Vorinstallation konkurrierender allgemeiner Suchdienste hätte es den OEM ermöglicht, „differenzierte Produkte an[zu]bieten“ (1213. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Die „Vorinstallation konkurrierender allgemeiner Suchdienste neben Google Search hätte den Verkehr zu diesen Diensten erhöht“ (vgl. 1214. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses unter Verweis auf Yahoo!, Qwant, Microsoft, Yandex und Seznam).

Einige OEM hätten Vereinbarungen getroffen, um konkurrierende allgemeine Suchdienste auf Geräten vorzuinstallieren oder als Standarddienste festzulegen (1219. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Eine Vereinbarung zwischen Mozilla und einem konkurrierenden Suchdienst „zeigt, dass Mozilla der Ansicht ist, dass die OEM … ein kommerzielles Interesse daran haben, zumindest auf einigen ihrer Android-Geräte den Browser von Mozilla mit einem als Standard festgelegten konkurrierenden allgemeinen Suchdienst vorzuinstallieren“ (1220. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

473

Entgegen dem Vorbringen von Google können diese beiden Erwägungen nicht als widersprüchlich angesehen werden. Die Kommission hat nämlich zunächst geprüft, wie wahrscheinlich es ist oder welche Anreize dafür bestehen, dass die OEM mit Konkurrenten der im Rahmen der VVMA auf GMS-Geräten vorinstallierten Anwendung Google Search bzw. des Browsers Chrome Vorinstallationsvereinbarungen aushandeln. Die Kommission bestreitet jedoch nicht, dass diese OEM ein kommerzielles Interesse an der Aushandlung solcher Vereinbarungen haben können, das insbesondere in Bezug auf die VAE angeführt wird. Dieses kommerzielle Interesse muss jedoch gegen die anderen Faktoren abgewogen werden, die die Kommission in ihren Erwägungen zum ersten Bündel (geringer verbleibender Marktanteil für eine zweite allgemeine Suchanwendung, Transaktionskosten, Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Duplizierung im Hinblick auf Nutzererlebnis und Speicherkapazität) und zum zweiten Bündel (Speicherplatzprobleme) anführt.

474

Daraus folgt, dass die Rüge, die im angefochtenen Beschluss dargelegten Erwägungen der Kommission zu den VAE stünden im Widerspruch zu ihren Behauptungen, dass es wenig wahrscheinlich sei, dass die OEM mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchanwendungen vorinstallierten, und dass die OEM sich dagegen sträubten, mit Chrome konkurrierende Browseranwendungen vorzuinstallieren, zurückzuweisen ist.

iv) Zum Interesse der OEM an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen

475

Als Drittes macht Google geltend, im angefochtenen Beschluss würden für die Behauptung, dass es „wenig wahrscheinlich ist, dass die OEM neben der obligatorischen Anwendung Google Search eine zusätzliche allgemeine Suchanwendung vorinstallieren“ (824. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, im Folgenden: streitige Behauptung), vier Gründe angeführt, und zwar Bedenken im Hinblick auf das Nutzererlebnis, Speicherplatzprobleme, Transaktionskosten und fehlende finanzielle Vorteile durch die Vorinstallation. Da die OEM jedoch tatsächlich konkurrierende Anwendungen auf GMS-Geräten vorinstallierten, sei keiner dieser Gründe durch Beweise untermauert worden und die streitige Behauptung daher falsch.

476

Um dieses Vorbringen zu prüfen, muss es zunächst in seinen Kontext eingeordnet werden.

477

Zum einen beruht die streitige Behauptung nämlich auf dem ebenfalls im 824. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegten Gedanken, dass die Entscheidung über die Vorinstallation einer mit Google Search konkurrierenden allgemeinen Suchanwendung das Ergebnis einer Abwägung des OEM zwischen den Einnahmen, die sich aus dieser zusätzlichen Anwendung ergeben könnten, einerseits und den Kosten dieses Vorhabens und seinen Auswirkungen auf das Nutzererlebnis oder die technische Unterstützung andererseits sei. Die streitige Behauptung betrifft daher in erster Linie das Interesse der OEM an der Vorinstallation einer Anwendung, die im Wettbewerb mit Google Search oder inzident mit dem Browser Chrome steht, bei dem Google Search als Standard für den allgemeinen Suchdienst festgelegt ist, und nicht an der Vorinstallation einer der anderen im GMS-Paket enthaltenen Anwendungen, insbesondere nicht derjenigen, die keinen Bezug zur Bereitstellung eines allgemeinen Suchdienstes haben.

478

Für die Beurteilung, ob die streitige Behauptung stichhaltig ist, sind folglich Tatsachen in Bezug auf Anwendungen, die einen allgemeinen Suchdienst bereitstellen, relevant, nicht aber solche, die andere Arten von Anwendungen betreffen.

479

Zum anderen ist die streitige Behauptung nur die erste von fünf Erläuterungen, die die Kommission anführt, um entgegen dem Vorbringen von Google im Verwaltungsverfahren darzutun, dass „die Vorinstallationsvereinbarungen mit den OEM und den MNO in Bezug auf ihre Reichweite und Wirksamkeit nicht mit der Vorinstallation der Anwendung Google Search auf GMS-Geräten verglichen werden können“ (823. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

480

Google lässt die folgenden Erläuterungen unwidersprochen:

Die VVMA hindere die OEM daran, auf Google-Android-Geräten ausschließlich eine mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchanwendung vorzuinstallieren. Den Mitbewerbern von Google sei damit die Möglichkeit genommen worden, bessere Bedingungen als die von der VVMA festgelegten zu erhalten. In der Praxis sei ein OEM, der eine solche exklusive Vorinstallation einer konkurrierenden allgemeinen Suchanwendung akzeptiere, nämlich nicht in der Lage, den Play Store oder die anderen Anwendungen des GMS-Pakets anzubieten (Erwägungsgründe 830 und 831 des angefochtenen Beschlusses);

Die VVMA hindere auch die MNO daran, von den OEM zu verlangen, auf Google-Android-Geräten ausschließlich eine mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchanwendung vorzuinstallieren, weil fast alle OEM eine VVMA abgeschlossen und sich somit verpflichtet hätten, die Anwendung Google Search auf GMS-Geräten vorzuinstallieren (832. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Die mit bestimmten OEM und MNO geschlossenen VAE führten dazu, dass auf [80-90 %] bis [50-60 %] der von 2011 bis 2016 im EWR verkauften Google-Android-Geräte ausschließlich die Anwendung Google Search vorinstalliert werde, wodurch den Mitbewerbern von Google die Möglichkeit genommen werde, ihre allgemeine Suchanwendung neben Google Search vorinstallieren zu lassen (833. Erwägungsgrund und Abschnitt 13.4.2.1 des angefochtenen Beschlusses).

Bing, der Hauptkonkurrent von Google Search, habe von 2011 bis 2016 auf keinem einzigen Google Android-Gerät vorinstalliert werden können, mit Ausnahme eines einzigen Gerätemodells, das 2011 in den Vereinigten Staaten auf den Markt gekommen sei (Erwägungsgründe 834 und 789 Nr. 8 des angefochtenen Beschlusses).

481

Vor diesem tatsächlichen Hintergrund, der die Reichweite und Wirksamkeit der Vorinstallation der Anwendung Google Search auf GMS-Geräten im Hinblick auf die verschiedenen Vereinbarungen berücksichtigt, die Google im Rahmen ihrer allgemeinen Strategie zur Stärkung und Wahrung ihrer Anteile am Markt für mobiles Internet im EWR geschlossen hat, sind die von Google gegen die streitige Behauptung vorgebrachten Argumente zu prüfen. Google kritisiert im Wesentlichen die verschiedenen Gründe, die die Kommission angeführt hat (siehe oben, Rn. 475), um das Interesse der OEM an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen zu bewerten, nämlich potenzielle Einnahmen, Transaktionskosten, Nutzererlebnis und Speicherplatz.

– Zu den potenziellen Einnahmen

482

Im Rahmen ihrer Bewertung der Wahrscheinlichkeit, dass ein OEM neben Google Search eine zusätzliche allgemeine Suchanwendung auf GMS-Geräten vorinstalliert, hat die Kommission festgestellt, dass „der Anteil der potenziellen Einnahmen, die die OEM aus einer oder mehreren zusätzlichen allgemeinen Suchanwendungen erzielen würden, gering wäre, weil Google auf den meisten nationalen Märkten einen Marktanteil von 90 % hat und Google, wie im 796. Erwägungsgrund [des angefochtenen Beschlusses] erläutert, bei den anderen wichtigen Einstiegspunkten, insbesondere bei Internetbrowsern, nach wie vor als Standard festgelegt ist“ (825. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

483

Google beanstandet diese Erläuterung aus folgenden Gründen:

Dem angefochtenen Beschluss zufolge könnten ebenso leistungsfähige Wettbewerber einen Anteil von 22,5 % der Suchanfragen erhalten, wenn ihre allgemeinen Suchanwendungen neben Google vorinstalliert und bei den Einstiegspunkten von Internetbrowsern als Standard festgelegt wären (1226. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses); sie könnten daher die Einnahmen aus diesen Suchanfragen mit den OEM teilen (im Folgenden: erster Kritikpunkt).

Die Behauptung, dass „Google … bei den anderen wichtigen Einstiegspunkten, insbesondere bei Internetbrowsern, stets als Standard festgelegt ist“ (825. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), sei falsch, weil „die VVMA niemals verlangt habe, Google [Search] bei konkurrierenden Internetbrowsern als Standard festzulegen“. Der angefochtene Beschluss nehme hier Bezug auf Beweise, die sich auf die Standardeinstellungen auf anderen als Android-Geräten bezögen (vgl. 796. Erwägungsgrund Nr. 2, in dem Browser auf iOS-Geräten oder Notebooks erwähnt würden), was ohne Belang sei. Zudem werde an anderen Stellen des angefochtenen Beschlusses auf eine Version der VVMA Bezug genommen, die jedoch keine Standardeinstellung in Internetbrowsern verlangt habe und die jedenfalls aufgehoben worden sei (185. Erwägungsgrund) (im Folgenden: zweiter Kritikpunkt).

Die Erklärungen zweier Unternehmen, auf die in anderen Teilen des angefochtenen Beschlusses verwiesen werde und denen zufolge konkurrierende Browser nicht als Standardbrowser festgelegt werden könnten (935. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), seien nicht belegt. Keines dieser Unternehmen sei Partei einer VVMA gewesen, und eines von ihnen habe erklärt, dass „Chrome mit den Browsern der OEM koexistieren kann und von Google nicht als Standardbrowser vorgeschrieben ist“. Diese Behauptungen würden auch von denjenigen OEM widerlegt, die – wie Huawei – einen konkurrierenden Browser als Standard festgelegt hätten (im Folgenden: dritter Kritikpunkt).

Die Behauptung, dass die OEM kein Interesse an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen hätten, weil der Großteil der mit Suchvorgängen verbundenen Nutzung auf Google entfalle, impliziere, dass diese Anwendungen weniger attraktiv seien, was darauf hinauslaufe, weniger leistungsfähige Wettbewerber zu schützen (im Folgenden: vierter Kritikpunkt).

484

Diese Kritikpunkte sind jedoch nicht geeignet, die streitige Behauptung in Frage zu stellen.

485

Wie bereits ausgeführt, bestreitet Google nämlich nicht, dass die VVMA zur Folge hatte, dass keine mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchanwendung auf Google-Android-Geräten eine exklusive Vorinstallation erlangen konnte (Erwägungsgründe 830 bis 832 des angefochtenen Beschlusses). Nur eine gemeinsame Vorinstallation war auf diesen Geräten möglich.

486

Darüber hinaus ist festzustellen, dass sich Google allein aufgrund der VVMA eine Vorinstallation sicherte, die faktisch exklusiv blieb, sofern sich der OEM nicht entschied, daneben eine weitere allgemeine Suchanwendung zu installieren.

487

Anders als bei der Vorinstallation, die Google aufgrund der VVMA von vornherein erlangte, musste dieser OEM oder ein Mitbewerber von Google andere Parameter berücksichtigen, um eine andere allgemeine Suchanwendung vorzuinstallieren oder vorinstallieren zu lassen.

488

In diesem Zusammenhang war der Anteil der potenziellen Einnahmen, der mit der Vorinstallation einer oder mehrerer zusätzlicher allgemeiner Suchanwendungen erzielt werden konnte, im Hinblick auf Reichweite und Wirksamkeit nicht mit dem Anteil vergleichbar, der sich aus der VVMA ergab, und konnte nur begrenzt sein.

489

Dies ist, wie die Kommission in den Erwägungsgründen 825 und 830 des angefochtenen Beschlusses feststellt, in erster Linie darauf zurückzuführen, dass der allgemeine Suchdienst von Google mit starken und stabilen Marktanteilen von mehr als 90 % in den meisten EWR-Ländern Branchenführer ist, und zwar seit 2008 (vgl. Erwägungsgründe 683 und 684 des angefochtenen Beschlusses). Außerdem ist der hohe Bekanntheitsgrad der Marke Google zu berücksichtigen, der ihrem allgemeinen Suchdienst zugutekommt (Erwägungsgründe 712, 812 und 830 des angefochtenen Beschlusses). Keine dieser Behauptungen wird von Google beanstandet.

490

Google kritisiert vielmehr die am Ende des 825. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses aufgestellte Behauptung, dass Google selbst dann, wenn eine konkurrierende allgemeine Suchanwendung auf GMS-Geräten vorinstalliert wäre, „bei den anderen wichtigen Einstiegspunkten, insbesondere bei den Internetbrowsern, nach wie vor als Standard festgelegt wäre“. Mit ihrem zweiten Kritikpunkt macht Google nämlich geltend, dass diese Behauptung falsch sei, und zwar erstens, weil „die VVMA niemals verlangt habe, Google [Search] bei konkurrierenden Internetbrowsern als Standard festzulegen“, und zweitens, weil sich diese Behauptung auf Beweise stütze, die die Standardeinstellung auf anderen als Android-Geräten beträfen (vgl. 796. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses, der sich auf iOS-Geräte, PCs mit Chrome und PCs mit Safari, Opera oder Firefox bezieht).

491

Zu den ersten beiden Argumenten, die dem zweiten Kritikpunkt zugrunde liegen, ist zunächst festzustellen, dass im angefochtenen Beschluss nicht behauptet wird, die standardmäßige Voreinstellung des allgemeinen Suchdienstes Google Search bei den anderen wichtigen Einstiegspunkten sei auf die VVMA zurückzuführen. In ihrem Zusammenhang betrachtet legt die am Ende des 825. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses aufgestellte Behauptung vielmehr nahe, dass Google, wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung geltend macht, mehrere ihr zur Verfügung stehende Mittel eingesetzt hat, um die OEM dazu zu bringen, Google Search bei anderen Einstiegspunkten als demjenigen, der sich aus der Nutzung dieser vorinstallierten Anwendung ergibt, als allgemeinen Standardsuchdienst festzulegen.

492

Es trifft zwar zu, dass, wie Google vorträgt, einige der Beweise, die im angefochtenen Beschluss angeführt werden, um die Bedeutung der Nutzung von Google Search für allgemeine Suchvorgänge zu belegen, nicht GMS-Geräte betreffen, sondern iOS-Geräte, mit Chrome ausgestattete PCs oder mit den Internetbrowsern Safari, Opera oder Firefox ausgestattete PCs, die alle standardmäßig auf Google Search voreingestellt sind (vgl. 796. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses); ebenso steht aber auch bei GMS-Geräten fest, dass selbst im Fall der Vorinstallation einer konkurrierenden allgemeinen Suchanwendung Google Search bei anderen Einstiegspunkten, insbesondere bei den Browsern, als Standard festgelegt bleibt.

493

Wie sich aus den Erwägungsgründen 818 und 973 des angefochtenen Beschlusses ergibt, lässt Google es nämlich nicht zu, unter Chrome als Standard einen anderen allgemeinen Suchdienst als Google Search festzulegen. Diese Standardeinstellung darf von einem OEM nicht geändert werden.

494

Desgleichen geht aus den Antworten auf die prozessleitenden Maßnahmen hervor, dass bei den meisten Browsern, die neben Chrome vorinstalliert oder sogar heruntergeladen wurden, Google Search als allgemeiner Standardsuchdienst festgelegt war. Dies gilt für Samsung, Mozilla und den UC Browser sowie innerhalb des EWR für Opera. Diese Standardeinstellung war die Folge einer VAE oder einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Google und dem betreffenden Unternehmen und führte somit dazu, den finanziellen Anreiz für einen OEM, eine mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchanwendung vorzuinstallieren, zu relativieren.

495

Die verschiedenen Mittel, die Google im Rahmen ihrer Gesamtstrategie zur Stärkung und Wahrung ihrer Stellung auf den Märkten für die allgemeine Suche, insbesondere für die Suche über internetfähige Mobilgeräte, eingesetzt hat, haben es ihr somit ermöglicht, mit dem allgemeinen Suchdienst Google Search auf fast allen nationalen Märkten im EWR im Jahr 2016 einen Marktanteil zu erreichen, der dem Zwei- bis Fünffachen des kumulierten Marktanteils aller anderen allgemeinen Suchdienste entsprach (vgl. 796. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses).

496

In Anbetracht dieser tatsächlichen Feststellungen erweist sich die Behauptung am Ende des 825. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses, dass selbst dann, wenn eine konkurrierende allgemeine Suchanwendung auf GMS-Geräten vorinstalliert wäre, „Google bei den anderen wichtigen Einstiegspunkten, insbesondere bei den Browsern, nach wie vor als Standard festgelegt wäre“, nicht als falsch.

497

Was das dritte Argument des zweiten Kritikpunkts angeht, ist die Bedeutung der im angefochtenen Beschluss enthaltenen Verweise auf die von Google angeführten Voreinstellungsbedingungen der VVMA, die falsch ausgelegt worden und ohnehin aufgehoben seien, jedenfalls insoweit zu relativieren, als diese Verweise keinen Einfluss auf die vorstehenden Erwägungen haben. Unter diesen Umständen geht ihre Beanstandung durch Google ins Leere.

498

Es trifft zwar zu, dass die Kommission in anderen Teilen des angefochtenen Beschlusses als im 825. Erwägungsgrund darauf hingewiesen hat, dass bestimmte Fassungen der VVMA so formuliert gewesen seien, dass sie den Anschein erweckten, von den OEM zu verlangen, den allgemeinen Suchdienst Google Search bei allen Einstiegspunkten für Suchvorgänge auf GMS-Geräten als Standard festzulegen (vgl. 185. Erwägungsgrund, in dem auch ausgeführt wird, dass Google diese Verpflichtung ab Oktober 2014 aufgegeben habe).

499

Es ist jedoch festzustellen, dass aus den von Google im Verwaltungsverfahren angeführten Gründen nicht mehr bestritten wird, dass diese Vertragsbestimmungen die OEM nicht dazu verpflichteten, Google Search als Standard für alle Suchanfragen festzulegen, die über einen auf einem Google Android-Gerät vorinstallierten Browser gestellt werden. Nach den Angaben von Google, denen die Kommission nicht widersprochen hat, sollte die in Rede stehende Klausel der Lösung von Konflikten dienen, die hätten auftreten können, wenn eine allgemeine Suchanfrage, die von einer beliebigen Anwendung aus gestellt wird, von mehr als einer allgemeinen Suchanwendung verarbeitet wird.

500

Auch wenn die Kommission zu Recht darauf hinweist, dass aus den Akten hervorgeht, dass zu Beginn des Zuwiderhandlungszeitraums eine gewisse Unklarheit über die wirkliche Tragweite dieser Vertragsbestimmungen bestanden haben mag (vgl. – im Rahmen der Analyse der sortimentbezogenen VAE – zum einen die Erwägungsgründe 1228 bis 1238 und zum anderen den 1230. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), vermögen die Erläuterungen, die Google zu diesen Bestimmungen vorgebracht hat, zu überzeugen und den Grund für ihre Existenz zu erklären. In diesem Punkt muss der Zweifel dem beschuldigten Unternehmen zugutekommen.

501

Was den ersten Kritikpunkt anbelangt, stellt der – im Rahmen der Prüfung der Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE, die Gegenstand des dritten Klagegrundes ist, vorgebrachte – Hinweis, dass ein oder mehrere hypothetische Wettbewerber, die ebenso leistungsfähig wie Google seien, einen Anteil von 22,5 % der allgemeinen Suchanfragen hätten erzielen können, „wenn ihre allgemeinen Suchanwendungen neben den Anwendungen von Google vorinstalliert und auch bei den Einstiegspunkten von Internetbrowsern als Standard festgelegt wären“, die von Google kritisierten Erwägungen der Kommission nicht in Frage. Selbst wenn eine solche Hypothese herangezogen werden könnte, um „den Anteil an den potenziellen Einnahmen“ zu bewerten, „den die OEM mit der Vorinstallation einer oder mehrerer zusätzlicher allgemeiner Suchanwendungen erzielen könnten“, würde dies nichts daran ändern, dass die in Rede stehenden Einnahmen nur schwer mit denen zu vergleichen wären, die Google aufgrund der in den VVMA festgelegten Vorinstallationsbedingungen erzielt.

502

Darüber hinaus würde der OEM von dem Mitbewerber von Google im Regelfall eine Vergütung für die Zustimmung zur gemeinsamen Vorinstallation einer oder mehrerer anderer allgemeiner Suchanwendungen neben den gemäß der VVMA vorinstallierten Anwendungen verlangen. Schon aufgrund des bloßen Vorhandenseins der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome – und selbst wenn man mögliche Zahlungen zur Erlangung der Exklusivität im Rahmen von sortimentbezogenen VAE außer Acht ließe – wäre das, was ein Mitbewerber von Google in dieser Hinsicht anbieten könnte, angesichts der Einnahmen, die er infolge dieser gemeinsamen Vorinstallation erwarten könnte, nicht attraktiv.

503

Was den dritten Kritikpunkt betrifft, weist die Kommission zu Recht darauf hin, dass ein OEM, selbst wenn er auf GMS-Geräten auch einen mit Chrome konkurrierenden Browser vorinstallieren würde, diesen nicht als Standardbrowser festlegen könnte.

504

Wie aus den Antworten auf die prozessleitenden Maßnahmen hervorgeht, bestreitet Google nämlich nicht, dass gemäß den AFV und dem CDD, wenn mehr als ein Browser auf einem Android-Gerät vorinstalliert war, keiner dieser Browser als Standard festgelegt werden konnte.

505

Da der OEM im Fall von Google-Android-Geräten nach der VVMA verpflichtet war, Chrome vorzuinstallieren, um das GMS-Paket zu erhalten, wird im 935. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausgeführt, dass angesichts der kombinierten Wirkungen dieser Vereinbarung mit den vorgenannten Bestimmungen „ein konkurrierender Browser, selbst wenn er ebenfalls vorinstalliert wäre, nicht als Standardbrowser festgelegt werden könnte“.

506

Wie bereits oben in den Rn. 462 und 463 entschieden wurde, können die Erklärungen bestimmter Unternehmen entgegen dem Vorbringen von Google nicht mit Erfolg herangezogen werden, um die beanstandete Beurteilung in Frage zu stellen.

507

So wird in einer E‑Mail von Google vom 27. März 2013 an einen führenden OEM darauf hingewiesen, dass dieser den Nutzern in einem solchen Fall die Wahl zwischen dem von ihm vorinstallierten Browser und Google Chrome ermöglichen müsse.

508

Daher weist die Erklärung von Orange in einer E‑Mail vom 3. August 2012, dass „Chrome mit den Browsern der Hersteller koexistieren kann und von Google nicht als Standardbrowser vorgeschrieben ist“, lediglich darauf hin, dass die VVMA die OEM nicht dazu verpflichtete, Chrome als Standardbrowser festzulegen, und dass dieser Browser daher mit anderen Browsern koexistieren konnte (siehe oben, Rn. 463).

509

Die Erklärungen eines anderen Unternehmens aus dem Jahr 2013 (935. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses) sind ebenfalls vor dem Hintergrund zu sehen, dass die OEM und in der Folge die MNO einen konkurrierenden Browser, wie die Kommission geltend macht, nicht als Standard festlegen konnten. Die Kommission konnte diese Erklärungen sehr wohl für ihre im 935. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses getroffene Feststellung heranziehen, dass „ein konkurrierender Browser, selbst wenn er ebenfalls vorinstalliert wäre, nicht als Standardbrowser festgelegt werden könnte“ (siehe oben, Rn. 462).

510

Die Erklärung von Huawei aus dem Jahr 2015, die als vorläufige Antwort von einem ihrer Mitarbeiter abgegeben wurde und wonach der „Browser von Huawei … auf allen Huawei-Smartphones auf dem EWR-Markt als Standardsystembrowser vorinstalliert ist“, bleibt inhaltlich unklar (siehe oben, Rn. 463). Wie die Kommission geltend macht, lässt sich dieser Antwort nur schwer entnehmen, was ihr Verfasser unter einem „Standardsystembrowser“ verstand, wenn man die Vorgaben des CDD berücksichtigt, das es den OEM untersagte, einen konkurrierenden Browser als Standard festzulegen. Der Browser von Huawei konnte somit grundsätzlich nicht als Standardbrowser festgelegt werden, wenn er auf einem Gerät vorinstalliert war, auf dem auch Chrome vorinstalliert war, zumindest nicht in dem vom DDC definierten Sinne. Daher ist es wahrscheinlich, wie auch die Kommission geltend macht, dass sich der Ausdruck „Standardsystembrowser“ schlicht auf die Tatsache bezieht, dass der Browser von Huawei „preloaded“, d. h. auf den Google-Android-Geräten vorinstalliert, war.

511

Ebenso wenig kann dem Inhalt des Schreibens, das Opera der Kommission am 31. Mai 2017 auf eigene Initiative übermittelt hat und in dem es heißt, dass „einige Android-OEM sich bereit erklärt haben, Opera vorzuinstallieren, als Standardbrowser auf ihren Geräten festzulegen und auf dem Startbildschirm standardmäßig an bevorzugter Stelle anzuzeigen“, ein entscheidender Wert beigemessen werden. Dieses Schreiben steht nämlich im Widerspruch zu dem, was Opera zuvor in ihrer Antwort auf das Auskunftsersuchen vom 19. Oktober 2015 dargelegt hatte, in der es hieß, „dass die Verfügbarkeit des Browsers Chrome als Standard-Browseranwendung, die auf Android-Telefonen vorinstalliert und auf ihrem Startbildschirm verfügbar ist, die Fähigkeit von Opera einschränkt, in den Wettbewerb um die Standardposition auf allen Android-Geräten einzutreten“ (925. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses).

512

In diesem Zusammenhang weist Opera, um die Entwicklung ihres Standpunkts zu erläutern, in ihrer Streithilfeschrift darauf hin, dass sie zwar 2015 noch davon ausgegangen sei, dass „die VVMA von den OEM nicht nur die Vorinstallation von Chrome, sondern auch dessen Festlegung als Standardbrowser und seine bevorzugte Platzierung auf dem Startbildschirm von Android-Geräten verlangten“, aber 2017 erfahren habe, dass „ihre Auslegung offenbar nicht mit den Vorinstallationsbedingungen der VVMA übereinstimmte[;] die VVMA verlangten lediglich, Chrome in einem Ordner vorzuinstallieren“. Eine solche Erläuterung ist in der Tat nachvollziehbar, weil die Vorinstallationsbedingungen der VVMA nicht verlangten, im Fall einer gemeinsamen Vorinstallation einen Browser zum Nachteil eines anderen als Standard festzulegen (siehe oben, Rn. 491).

513

Wie die Kommission jedoch zu Recht feststellt, kam die Festlegung eines konkurrierenden Browsers als Standardbrowser im Fall seiner gemeinsamen Vorinstallation mit Chrome aufgrund der kombinierten Wirkungen der VVMA und des CDD nicht in Betracht. Ein vorinstallierter konkurrierender Browser konnte nur durch einen späteren Eingriff des Nutzers als Standard festgelegt werden. Außerdem beruft sich Opera in ihrer Streithilfeschrift nicht mehr auf die Vorinstallation ihres Browsers mit der Festlegung „als Standardbrowser“ und auf seine Platzierung auf dem Startbildschirm, sondern nur noch auf die Vorinstallation ihres Browsers mit einer Platzierung auf dem Startbildschirm.

514

Was den vierten Kritikpunkt betrifft, kann der Behauptung von Google, die beanstandete Beurteilung impliziere, dass konkurrierende Suchanwendungen für die Nutzer weniger attraktiv seien oder von weniger leistungsfähigen Wettbewerbern stammten, nicht gefolgt werden. Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 294), werden im angefochtenen Beschluss nämlich die Gründe dargelegt, aus denen eine solche Annahme im vorliegenden Fall angesichts des Nutzens, den die verschiedenen von den Mitbewerbern von Google angebotenen technischen Lösungen für die Nutzer oder die Innovation darstellten, nicht in Betracht kommt.

515

Im Ergebnis folgt aus dem Vorstehenden, dass die Beurteilung der Kommission, wonach die OEM durch die Vorinstallation eines oder mehrerer konkurrierender allgemeiner Suchdienste parallel zur Anwendung Google Search nur begrenzte Einnahmen hätten erzielen können, nicht zu beanstanden ist.

– Zu den Transaktionskosten

516

Als Zweites kritisiert Google die Behauptung, dass die Transaktionskosten die OEM davon abhalten würden, Vorinstallationsvereinbarungen mit anderen allgemeinen Suchdiensten auszuhandeln, weil „diese Kosten für eine geringe Zahl von Geräten kaum gerechtfertigt sein dürften“ (826. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Es gebe nämlich keine Beweise, die diese Transaktionskosten belegten oder quantifizierten oder dartun könnten, warum sie nur auf eine geringe Zahl von Geräten entfallen würden. Der einzige in diesem Zusammenhang angeführte Beweis, nämlich eine interne E‑Mail von Google aus dem Jahr 2012 über Gespräche mit einem OEM über die Aufteilung der durch den Play Store auf Fernseh- und Mobilgeräten erzielten Einnahmen (vgl. 1222. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses), sei unzureichend.

517

Nach Auffassung der Kommission enthält der angefochtene Beschluss „keine allgemeine Schlussfolgerung, dass Transaktionskosten Vorinstallationsvereinbarungen verhindern“, sondern lediglich die Feststellung, dass es aufgrund der Transaktionskosten unwahrscheinlich gewesen sei, dass die OEM eine große Zahl von Vereinbarungen über geringe Stückzahlen abschließen würden, seien es Vorinstallationsvereinbarungen oder Vereinbarungen über die Aufteilung der Einnahmen. Außerdem zeige diese interne E‑Mail aus dem Jahr 2012, dass Google die Existenz solcher Transaktionskosten in Bezug auf das eigene Unternehmen anerkenne.

518

Daraus ergibt sich, dass die Hauptparteien darin übereinstimmen, dass die Aussage zu den Transaktionskosten nicht dahingehend verstanden werden kann, dass sie Vorinstallationsvereinbarungen verhindere. Es geht vielmehr um die Frage, ob diese Kosten den Abschluss von Vorinstallationsvereinbarungen für eine geringe Zahl von Geräten unwahrscheinlich machen.

519

Der einzige Beweis, der im angefochtenen Beschluss zu diesem Punkt angeführt wird, nämlich die im 826. Erwägungsgrund erwähnte und im 1222. Erwägungsgrund Nr. 2 wiedergegebene interne E‑Mail von Google aus dem Jahr 2012, kann nicht als ausreichender Beleg dafür angesehen werden, dass der Aushandlung von Vorinstallationsvereinbarungen ein Hindernis entgegensteht.

520

Es handelt sich nämlich um ein einzelnes, in Bezug auf den Zeitraum der Zuwiderhandlung relativ altes und nicht unmittelbar relevantes Dokument, weil es sich auf eine laufende Verhandlung zwischen Google und einem OEM über die Aufteilung der Einnahmen aus dem Play Store auf Fernseh- und Mobilgeräten bezog. Die Hinweise darauf, dass diese Vereinbarung ein Volumen betroffen habe, das angesichts der eingesetzten Ressourcen und der von Google zu leistenden Zahlungen als „nicht signifikant“ bezeichnet worden sei, sind sowohl zu allgemein gehalten, weil sie keine Zahlenangaben enthalten, als auch zu eng mit der besonderen Situation von Google verknüpft, als dass sie allgemein auf die Situation ihrer Mitbewerber übertragen werden könnten.

521

Wie Google geltend macht, geht somit aus den Akten nicht hervor, dass die im angefochtenen Beschluss erwähnten Transaktionskosten die Aushandlung von Vorinstallationsvereinbarungen zwischen den OEM und den Anbietern mit Google Search konkurrierender allgemeiner Suchdienste behindert hätten. Aber selbst dann, wenn diese Kosten kein Hindernis für die Aushandlung solcher Vereinbarungen darstellten, handelte es sich gleichwohl um einen wirtschaftlichen Faktor, den die OEM bei der Beurteilung des Nutzens solcher Vereinbarungen berücksichtigen.

522

Vor diesem Hintergrund sind die verschiedenen im angefochtenen Beschluss genannten Gesichtspunkte und Bewertungen in Bezug auf die Transaktionskosten zu berücksichtigen.

– Zum Nutzererlebnis

523

Als Drittes kritisiert Google die Behauptung, dass „die Duplizierung zu vieler Anwendungen das Nutzererlebnis beeinträchtigen kann“, weil die Nutzer dann z. B. „wiederholt aufgefordert werden, die zu verwendende Anwendung auszuwählen oder als Standardanwendung festzulegen“ (Erwägungsgründe 827 und 828 des angefochtenen Beschlusses). Der angefochtene Beschluss belege nämlich nicht, dass die Wahl einer allgemeinen Suchanwendung oder eines Browsers das Nutzererlebnis derart beeinträchtige, dass die OEM nicht bereit wären, konkurrierende Dienste vorzuinstallieren. Der angefochtene Beschluss belege auch nicht, dass die Nutzer „wiederholt aufgefordert“ würden, zu wählen, welche allgemeine Suchanwendung oder welchen Browser sie verwenden oder als Standard festlegen wollten. Außerdem führe die Vorinstallation einer konkurrierenden allgemeinen Suchanwendung und eines konkurrierenden Browsers nicht zur Anhäufung „zu vieler Anwendungen“, sondern dupliziere lediglich Google Search und Chrome. Es handele sich nicht um „Bloatware“, wobei dieser Begriff Anwendungen bezeichne, die keinen oder nur geringen Nutzen böten.

524

Die Kommission weist ihrerseits darauf hin, dass die OEM gemäß der VVMA ein Bündel von 12 bis 30 Anwendungen und nicht nur die Anwendung Google Search und den Browser Chrome vorinstallieren müssten. In diesem Zusammenhang wirke sich die Duplizierung zu vieler Anwendungen von Google negativ auf das Nutzererlebnis aus. Diese Feststellung gelte für die verschiedenen im GMS-Paket enthaltenen Anwendungen und nicht speziell für die allgemeinen Such- und Browseranwendungen, die mit der Anwendung Google Search oder mit Chrome konkurrierten.

525

Daraus folgt, dass die Hauptparteien darin übereinstimmen, dass die Kritik an der Duplizierung von Anwendungen streng genommen nicht die Anwendungen Google Search und Chrome oder die konkurrierenden allgemeinen Suchanwendungen und Browser betrifft, sondern eher andere Anwendungen, die im GMS-Paket enthalten sind.

526

Die in diesem Zusammenhang in den Erwägungsgründen 827 und 828 des angefochtenen Beschlusses angeführten Beweise, nämlich eine interne E‑Mail von Google vom 10. Januar 2012, eine interne E‑Mail von Google vom 17. Januar 2014 über den Stand der Gespräche zwischen Google und einem OEM und eine E‑Mail von Google an diesen OEM vom 18. April 2014, bestätigen, dass dies tatsächlich der Fall ist.

527

Was darüber hinaus speziell den Nachteil betrifft, den es für einen Nutzer bedeuten könnte, wenn er wiederholt aufgefordert würde, auszuwählen, welche Anwendung er für die allgemeine Suche oder welchen Browser er verwenden oder als Standard festlegen möchte, ist festzustellen, dass Google unwidersprochen geltend macht, dass eine solche Aufforderung nur dann erfolge, wenn eine Anwendung eine allgemeine Suche oder eine Browser-Aktion auslösen wolle und in dieser Anwendung nicht festgelegt sei, welcher allgemeine Suchdienst oder Browser verwendet werden solle, und dass der Nutzer dann generell die Option „immer“ auswählen könne, um die von ihm bevorzugte Anwendung zu verwenden, was dazu führe, dass diese Aufforderung nicht mehr angezeigt werde. Google weist auch unwidersprochen darauf hin, dass die Nutzer die Anwendung Google Search und den Browser Chrome jedenfalls leicht deaktivieren könnten, so dass sie nicht mehr sichtbar wären und nicht mehr funktionierten.

528

Wie Google geltend macht, geht daher aus den Akten nicht hervor, dass die Installation von zwei oder mehr allgemeinen Suchanwendungen und Browsern das Nutzererlebnis beeinträchtigt.

– Zum Speicherplatz

529

Als Viertes kritisiert Google die Behauptung, dass „die Duplizierung zu vieler obligatorischer Anwendungen von Google Probleme mit dem Speicherplatz einiger Geräte verursachen kann“ (Erwägungsgründe 829 und 933 des angefochtenen Beschlusses), weil außer Zweifel stehe, dass die Vorinstallation mehrerer allgemeiner Suchanwendungen und Browser den Speicherplatz eines modernen Mobilgeräts nicht vollständig belegen könne. Die Speicherkapazität von Mobilgeräten habe sich nämlich exponentiell vergrößert. Beispielsweise würden das Samsung Galaxy S9 mit 64 GB internem Speicher ausgeliefert, das S9+ mit bis zu 256 GB Speicher, und das HTC Desire verfüge über einen internen Flash-Speicher von 512 MB, während eine konkurrierende allgemeine Suchanwendung wie Bing 2,9 MB im Jahr 2012 und 14 MB im Jahr 2016 belegt habe. Darüber hinaus hätten nach Angaben der International Data Corporation (IDC) im Jahr 2012 die meisten ausgelieferten Android-Smartphones über 4 GB Speicherkapazität oder mehr und im ersten Halbjahr 2017 74 % der Geräte über 16 GB Speicherkapazität oder mehr verfügt. Die im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Erklärungen könnten den objektiven Nachweis des verfügbaren Speicherplatzes nicht entkräften.

530

Nach Ansicht der Kommission wird im angefochtenen Beschluss nicht festgestellt, dass Probleme mit dem Speicherplatz der Geräte die OEM generell davon abhielten, neben der Anwendung Google Search oder dem Browser Chrome eine konkurrierende Anwendung vorzuinstallieren. Im angefochtenen Beschluss werde lediglich festgestellt, dass die OEM die Folgen der Duplizierung einer bestimmten vorinstallierten Anwendung von Google für das Nutzererlebnis bedenken müssten, weil sie aufgrund der VVMA ein Bündel von 12 bis 30 Anwendungen von Google hätten vorinstallieren müssen und die Duplizierung zu vieler Anwendungen von Google Probleme mit dem Speicherplatz bestimmter Geräte verursachen könne (Erwägungsgründe 827 bis 829 und 926 des angefochtenen Beschlusses).

531

Ebenso wie im Hinblick auf die zuvor genannte, das Nutzererlebnis betreffende Rüge stimmen die Hauptparteien darin überein, dass die Bedenken gegen die Duplizierung von Anwendungen streng genommen nicht Google Search und Chrome oder die konkurrierenden allgemeinen Suchanwendungen und Browser betreffen, sondern eher andere im GMS-Paket enthaltene Anwendungen.

532

Was die allgemeinen Suchanwendungen angeht, bereitet die Duplikation dieser Art von Anwendungen angesichts der technologischen Entwicklungen in Bezug auf den Speicher intelligenter Mobilgeräte und der von Google angegebenen Beispiele offenbar keine wirklichen Probleme. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich die in diesem Zusammenhang im 829. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführte Erklärung von Hutchison 3G auf die Duplikation von Anwendungen im Allgemeinen und nicht auf die von allgemeinen Suchanwendungen bezieht. Wie Google geltend macht, geht daher aus den Akten nicht hervor, dass die Installation von zwei oder mehr allgemeinen Suchanwendungen Speicherprobleme verursacht.

533

In Bezug auf Browser ist jedoch festzustellen, dass sich die im 934. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegebenen Erklärungen zweier OEM in einem Fall auf Anforderungen von MNO im August 2012 und im anderen Fall auf die Entscheidung beziehen, wegen der durch die VVMA vorgeschriebenen Vorinstallation von Chrome den eigenen Browser ab 2012 nicht mehr vorzuinstallieren. Daher kann davon ausgegangen werden, dass diese Erklärungen zu einer Zeit abgegeben wurden, als der verfügbare Speicherplatz intelligenter Mobilgeräte noch relativ begrenzt war, was später nicht mehr der Fall gewesen sein dürfte, wie Google anhand von Beispielen moderner Geräte aufzeigt.

534

Auch wenn nicht erwiesen ist, dass die Vorinstallation mehrerer allgemeiner Suchanwendungen Speicherplatzprobleme verursacht, hat sich somit gleichwohl herausgestellt, dass einige OEM zumindest in den ersten Jahren der Zuwiderhandlung wegen der Installation von Chrome auf die Installation konkurrierender Browser verzichtet hatten. Aus den Akten geht ferner hervor, dass einer der im 934. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannten OEM zumindest ab 2016 in der Lage war, auf seinen Google-Android-Geräten neben Chrome auch seinen eigenen Browser zu installieren. Die durch den Speicherplatz bedingte Einschränkung scheint somit rasch entfallen zu sein.

535

In Fortführung dieser Analyse und unter Berücksichtigung der ständigen Zunahme der Speicherkapazität mobiler Geräte ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die Anwendungen Google Search und Chrome Teil eines Bündels waren, was zu einer entsprechenden Vergrößerung des belegten Speicherplatzes führte.

536

Vor diesem Hintergrund sind die verschiedenen im angefochtenen Beschluss angeführten Gesichtspunkte und Bewertungen in Bezug auf den Speicherplatz zu berücksichtigen.

– Ergebnis

537

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission ungeachtet der Tatsache, dass einige der Rügen, die die Klägerinnen gegen bestimmte Teile der Begründung des angefochtenen Beschlusses vorgebracht haben, deren Tragweite abschwächen oder nuancieren können, durchaus davon ausgehen durfte, dass es den Anbietern konkurrierender allgemeiner Suchdienste zwar weiterhin freistand, den OEM und den MNO die gleiche Vorinstallation anzubieten, die sie der Anwendung Google Search und dem Browser Chrome auf den im EWR verkauften Google-Android-Geräten gewährten, dass es dazu aber während des überwiegenden Teils des Zeitraums der Zuwiderhandlung nicht gekommen war und das Unterbleiben solcher Vorinstallationen zumindest teilweise durch die kombinierten Auswirkungen der VVMA, der VAE und der AFV zu erklären ist.

538

Insoweit ist der Unterschied zwischen der Situation von Seznam, der es trotz ihrer Bemühungen nicht gelang, Vereinbarungen über die Vorinstallation auf Google-Android-Geräten zu schließen, und der Situation von Opera, die für diese Geräte solche Vereinbarungen erzielen konnte, insofern bemerkenswert, als dieser Unterschied darauf zurückzuführen ist, dass Seznam mit dem allgemeinen Suchdienst Google Search konkurrieren wollte, während Opera diesen Dienst nutzen wollte, indem sie ihn in ihrem Browser als Standard festlegte.

c)   Andere Mittel zur Erreichung der Nutzer als die Vorinstallation

1) Vorbringen der Parteien

539

Google macht geltend, dass es ihren Mitbewerbern nicht nur freigestanden habe, dafür zu sorgen, dass ihre allgemeinen Suchdienste von den OEM vorinstalliert, als Standard festgelegt und im Vergleich zu vorinstallierten Anwendungen von Google in gleicher Weise oder besser platziert würden, sondern dass sie im Fall allgemeiner Suchdienste auch über das Herunterladen und den Browser ungehinderten Zugang zu den Nutzern hätten. Dies stehe der Schlussfolgerung entgegen, dass die Vorinstallationsbedingungen geeignet seien, die Nutzer zu verdrängen. Das Verhalten der Nutzer zeige vielmehr, dass diese in großem Umfang Anwendungen herunterlüden, einschließlich solcher Anwendungen, die mit einer auf einem Gerät vorinstallierten Alternative konkurrierten. Dieses Downloadverhalten widerspreche der im angefochtenen Beschluss aufgestellten Behauptung, dass die Vorinstallation eine „Status-quo-Präferenz“ erzeuge, der die Nutzer davon abhalte, nach konkurrierenden Diensten zu suchen.

540

Was als Erstes das Herunterladen von Anwendungen durch die Nutzer betrifft, weist Google darauf hin, dass Downloads ein wirksames Mittel seien, um die Nutzer zu erreichen, und zwar auch dann, wenn konkurrierende Anwendungen vorinstalliert seien. Die für die Anwendung Google Search und für Seznam, Naver und Yandex vorgelegten Beweise bestätigten, dass die Nutzer konkurrierende allgemeine Suchdienste herunterlüden, wenn diese attraktiv seien. Auch die Browser erreichten hohe Downloadraten. Demgegenüber reichten die Beweise, auf die sich der angefochtene Beschluss stütze, nicht aus, um zu belegen, dass das Herunterladen keine Wirkung entfalte. Die wiedergegebenen Antworten auf die angeführten Auskunftsersuchen spiegelten den Grundtenor der eingegangenen Antworten nicht wider.

541

Daher ließen sich die im angefochtenen Beschluss festgestellten niedrigen Downloadraten konkurrierender allgemeiner Suchanwendungen (Erwägungsgründe 808 bis 810) weder auf eine allgemeine Abneigung der Nutzer gegen das Herunterladen von Anwendungen, für die ein konkurrierender Dienst vorinstalliert sei, noch auf eine mangelnde Wirksamkeit des Herunterladens zurückführen. Angesichts der hohen Downloadraten für andere Arten konkurrierender Anwendungen sei es plausibler, diese niedrigen Downloadraten als das Ergebnis von Faktoren anzusehen, die nichts mit der VVMA zu tun hätten, wie etwa der Vorliebe der Nutzer für Google Search, deren Qualität und Leistung oder des Umstands, dass die Nutzer ihre Suchvorgänge über den Browser durchführten.

542

Als Zweites weist Google darauf hin, dass die Nutzer auf die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste einfach und schnell über den Browser zugreifen könnten, ohne Anwendungen herunterladen zu müssen. Einige Browser, wie z. B. Chrome, schlügen bereits konkurrierende allgemeine Suchdienste vor, indem sie den Nutzern Listen in Form von Dropdown-Menüs mit verschiedenen allgemeinen Suchdiensten zur Verfügung stellten, von denen sie einen als Standarddienst auswählen könnten. Im angefochtenen Beschluss werde festgestellt, dass die meisten Suchanfragen bei Google Search über den Browser und nicht über die Anwendung Google Search erfolgten (1234. Erwägungsgrund Nr. 3 Buchst. b). Der hohe Anteil von Chrome an der Nutzung von Browsern und dessen Festlegung von Google Search als Standardsuchdienst (Erwägungsgründe 818 und 821 des angefochtenen Beschlusses) seien nicht relevant. Entscheidend sei vielmehr, dass die Nutzer über Chrome in gleicher Weise auf die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste zugreifen könnten wie mit jedem anderen mobilen Browser und davon auch Gebrauch machten. Die Nutzer hätten daher über den Browser ungehindert Zugang zu konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten, und ein großer Teil der Suchanfragen werde auf diese Weise durchgeführt.

543

Darüber hinaus beanstandet Google im Rahmen dieses Vorbringens, dass im angefochtenen Beschluss „Wettbewerbsvorteil“ mit „wettbewerbswidriger Verdrängung“ verwechselt werde. Letztere sei aus Ersterem abgeleitet worden. Damit ein Verhalten als missbräuchlich angesehen werden könne, müsse die Kommission jedoch nachweisen, dass die Verdrängungswirkung „den Wettbewerbern des Unternehmens in beherrschender Stellung den Zugang zum Markt erschwere oder unmöglich mache“. Ein Wettbewerbsnachteil sei nicht gleichbedeutend mit einer wettbewerbswidrigen Verdrängungspraxis. Im vorliegenden Fall zeige der angefochtene Beschluss – selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA Google einen „signifikanten Wettbewerbsvorteil“ verschafften, was nicht der Fall sei, – nicht auf, dass die Mitbewerber nicht in der Lage gewesen seien, diesen Vorteil auszugleichen, oder dass diese Bedingungen ihnen den Zugang zum Markt erschwert oder unmöglich gemacht hätten. Im angefochtenen Beschluss werde nicht versucht, den behaupteten Wettbewerbsvorteil rechtlich zu qualifizieren, und der Umfang der Markterfassung durch das Verhalten werde nicht untersucht, obwohl die weitaus meisten allgemeinen Suchanfragen im EWR – in den Jahren 2013 bis 2015 zwischen [80-90] % und [70-80] % – nicht von Google-Android-Geräten ausgegangen seien (796. Erwägungsgrund). Die VVMA beschränke sich auf GMS-Geräte, die nur einen Bruchteil derjenigen Geräte ausmachten, mit denen die Nutzer auf Browser und allgemeine Suchdienste zugriffen, weil die Nutzer insbesondere Apple-Mobilgeräte oder Windows-Desktops verwendeten. Außerdem stehe es den Entwicklern konkurrierender Browser und allgemeiner Suchdienste frei, Vorinstallationsvereinbarungen für GMS-Geräte auszuhandeln und sich auf diesen Geräten die gleiche oder eine bessere Werbung für ihre Dienste zu sichern. Der einfache Zugang zu den Mitbewerbern durch das Herunterladen und über den Browser bedeute, dass die Mitbewerber zusätzliche Möglichkeiten hätten, die Nutzer über diese Geräte zu erreichen. Für die Behauptung einer Marktverdrängung fehle daher jede Grundlage.

544

Die Kommission macht geltend, dass keine der Behauptungen von Google die Schlussfolgerung in Frage stelle, wonach die Mitbewerber nicht in der Lage seien, den erheblichen Wettbewerbsvorteil auszugleichen, den sich Google durch die Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Google Chrome auf praktisch allen im EWR verkauften Google-Android-Geräten verschaffe. Das Herunterladen konkurrierender allgemeiner Suchanwendungen und Browser oder die Festlegung eines konkurrierenden allgemeinen Suchdienstes als Standard in Browsern auf Google-Android-Geräten seien nämlich in Bezug auf Präsenz und Wirksamkeit nicht vergleichbar (vgl. Erwägungsgründe 805 bis 812 und 917 bis 931 des angefochtenen Beschlusses). Darüber hinaus berücksichtige der angefochtene Beschluss bei der Feststellung der Wettbewerbsbeschränkung nicht nur den erheblichen Wettbewerbsvorteil, der sich aus der Vorinstallation ergebe, sondern auch die Tatsache, dass dieser Vorteil von den Mitbewerbern nicht ausgeglichen werden könne (vgl. 896. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses). Obwohl es nicht erforderlich sei, den durch die Kopplungsgeschäfte erzielten erheblichen Wettbewerbsvorteil zu beziffern oder den Umfang der Markterfassung durch diese Geschäfte zu untersuchen, werde im angefochtenen Beschluss zudem u. a. angegeben, dass zwischen 2013 und 2015 [10-20] % bis [20-30] % der allgemeinen Suchanfragen bei Google Search im EWR und im Jahr 2016 [20-30] % dieser Suchanfragen auf Google-Android-Geräte entfallen seien (vgl. 796. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

2) Würdigung durch das Gericht

545

Abgesehen von den Vorinstallationsmöglichkeiten, die den konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten oder Browsern zur Verfügung stünden, macht Google auch geltend, dass ihre Mitbewerber die Tendenz zur Festschreibung der Situation, die sich aus den Vorinstallationsbedingungen der VVMA ergebe, dadurch ausgleichen könnten, dass sie sich auf das Verhalten der Nutzer verließen, die ihre Anwendungen herunterladen oder über den Browser auf ihren allgemeinen Suchdienst zugreifen könnten.

i) Zum Herunterladen konkurrierender Anwendungen

546

Zunächst ist festzustellen, dass die Hauptparteien nicht bestreiten, dass die Nutzer problemlos allgemeine Suchanwendungen oder Browser herunterladen können, die mit der Anwendung Google Search oder mit Chrome konkurrieren.

547

Die Hauptparteien streiten vielmehr über das tatsächliche Ausmaß solcher Downloads, was sich unmittelbar auf die Möglichkeit der Mitbewerber von Google auswirkt, die Vorinstallationsbedingungen der VVMA auszugleichen.

548

Die diese Frage betreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss beziehen sich daher sehr wohl auf den Nachweis der tatsächlichen und konkreten Auswirkungen des beanstandeten Verhaltens von Google im Zeitraum von 2011 oder 2012 bis 2018.

549

Was die allgemeinen Suchanwendungen betrifft, geht insoweit aus den von Google vorgelegten und im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Daten hervor, dass die Zahl der Downloads von Anwendungen, die mit der Anwendung Google Search konkurrierten, im Vergleich zu der Zahl der Geräte, auf denen diese Anwendung vorinstalliert war, gering blieb:

Aus dem Play Store haben die Nutzer zwischen 2011 und 2016 konkurrierende Suchanwendungen auf weniger als 5 % der weltweit verkauften GMS-Geräte heruntergeladen, eine Zahl, die für die im EWR verkauften GMS-Geräte sogar unter 1 % liegt, weil die meisten dieser Downloads in Südkorea erfolgten (Erwägungsgründe 808 und 809 des angefochtenen Beschlusses).

Zwischen 2011 und 2016 war die jährliche Zahl der aus dem Play Store heruntergeladenen konkurrierenden allgemeinen Suchanwendungen in jedem EWR-Land minimal, mit Ausnahme von Seznam in der Tschechischen Republik (810. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses);

In der Tschechischen Republik haben die Nutzer die Suchanwendung Seznam aus dem Play Store auf höchstens 23 % der pro Jahr in diesem Mitgliedstaat verkauften GMS-Geräte heruntergeladen.

550

Auch bei den Browsern geht aus den von Google vorgelegten und im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Daten hervor, dass die Zahl der Downloads mit Chrome konkurrierender Browser im Vergleich zur Zahl der Geräte, auf denen Chrome vorinstalliert war, gering blieb:

Im Jahr 2016 erreichte kein konkurrierender mobiler Internetbrowser eine mit der Zahl der Vorinstallationen des Browsers Google Chrome vergleichbare Zahl von Downloads (vgl. 919. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Im Jahr 2016 luden die Nutzer konkurrierende mobile Internetbrowser auf weniger als 50 % der weltweit verkauften GMS-Geräte herunter, und zwischen 2013 und 2016 luden die Nutzer konkurrierende mobile Internetbrowser auf nur etwa 30 % der weltweit verkauften GMS-Geräte herunter (vgl. 920. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Im Jahr 2016 luden die Nutzer die Browser UC, Opera und Firefox auf weniger als 1 %, 1,5 % bzw. 4 % der im EWR verkauften GMS-Geräte herunter, und zwischen 2013 und 2016 entsprach die Gesamtzahl der Downloads konkurrierender mobiler Internetbrowser aus dem Play Store auf GMS-Geräte im EWR weniger als 10 % der Zahl der GMS-Geräte, auf denen Google Chrome vorinstalliert war (vgl. Erwägungsgründe 921 und 922 des angefochtenen Beschlusses).

551

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die von Google angeführten Beweise in Bezug auf das Herunterladen der Anwendungen von Seznam, Naver und Yandex nicht ausreichen, um die vorstehenden Feststellungen in Frage zu stellen. Wie die Hauptparteien anerkennen, lassen sich diese drei Beispiele dadurch erklären, dass es sich um allgemeine Suchdienste handelt, denen ein Algorithmus zugrunde liegt, der die Besonderheiten der tschechischen, der koreanischen und der russischen Sprache berücksichtigt.

552

Die Kommission legt auch überzeugend dar, dass das Gegenbeispiel der Downloads der Anwendung Google Search auf Windows Mobile-Geräte, bei denen Bing als Standard festgelegt ist, keineswegs so beweiskräftig ist, wie Google behauptet, weil das Jahr 2016 nicht repräsentativ ist und die herangezogenen Daten nicht nur Smartphones, sondern auch andere Gerätetypen umfassen (Fn. 901 des angefochtenen Beschlusses). So belief sich die behauptete Zahl von 95 % der Downloads der Anwendung Google Search im Jahr 2016 in Wirklichkeit nur auf 27 %. Eine solche Zahl ist mit der Zahl von 23 % vergleichbar, die den Downloads der Anwendung Seznam auf die in der Tschechischen Republik verkauften Google Android-Smartphones entspricht, auf denen stets die Anwendung Google Search vorinstalliert war.

553

Ebenso stellt die Kommission aus den im 813. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegten Gründen zu Recht fest, dass die von Google herangezogenen Analogien zu den Download-Praktiken bei anderen Arten von Anwendungen wie etwa Messaging-Anwendungen, für Suchanwendungen und Browser nicht relevant sind.

554

Außerdem bleiben die verschiedenen Beweise, die im angefochtenen Beschluss dafür angeführt werden, dass das Herunterladen von mit Google Search und Chrome konkurrierenden Anwendungen den durch die Vorinstallation erzielten Vorteil nicht ausgleicht, entgegen dem Vorbringen von Google weiterhin relevant. Diese Beweise bestätigen, dass das Herunterladen in Bezug auf Präsenz und Wirksamkeit nicht mit der Vorinstallation vergleichbar ist.

555

Dies gilt für die von Opera vorgelegte Umfrage (Erwägungsgründe 812 und 923 des angefochtenen Beschlusses), die zwar nur Hinweise auf die Nutzung vorinstallierter Browser gibt und sich nur auf das Jahr 2013 bezieht, aber dennoch im angefochtenen Beschluss herangezogen werden kann, um die Feststellung zu stützen, dass „bestimmte Nutzer nach wie vor ungern Anwendungen herunterladen und lieber den vorinstallierten mobilen Internetbrowser verwenden“.

556

Auch in Bezug auf die verschiedenen Aussagen in den Antworten auf die Auskunftsersuchen stellt sich heraus, dass in Antworten, die im angefochtenen Beschluss nicht wiedergegeben sind, in der Tat von der theoretischen Möglichkeit die Rede ist, dass das Herunterladen die Vorinstallation kompensieren könne. Dies kann jedoch den verschiedenen im angefochtenen Beschluss angeführten Antworten, die die Annahme stützen, dass die Nutzer eine vorinstallierte Anwendung einer solchen vorziehen, die erst heruntergeladen werden muss, nicht ihre Relevanz nehmen.

557

Darüber hinaus lässt sich entgegen dem Vorbringen von Google nicht feststellen, dass der angefochtene Beschluss nicht mit der Rechtsprechung und der bisherigen Entscheidungspraxis im Einklang steht. Im angefochtenen Beschluss wird nämlich nicht bestritten, dass das Herunterladen grundsätzlich den Vorteil ausgleichen kann, der sich aus der Vorinstallation ergibt, was bereits in anderen von der Kommission geprüften Fällen in Betracht gezogen wurde. Im vorliegenden Fall stellt sich jedoch aus den im angefochtenen Beschluss dargelegten und oben geprüften Gründen heraus, dass eine allgemeine Suchanwendung oder ein Browser zwar einfach und kostenlos heruntergeladen werden kann, dies jedoch in der Praxis nicht oder nur bei einem unzureichenden Anteil der betroffenen Geräte geschieht.

558

Daher ist die von Google in Bezug auf das Herunterladen konkurrierender Anwendungen erhobene Rüge zurückzuweisen.

ii) Zum Zugang zu konkurrierenden Suchdiensten über den Browser

559

Das Vorbringen von Google stellt die Schlussfolgerung, dass die Mitbewerber den erheblichen Wettbewerbsvorteil, den sich Google durch die Vorinstallation der Anwendung Google Search auf praktisch allen im EWR verkauften Google-Android-Geräten verschafft, nicht durch Vereinbarungen mit den Entwicklern mobiler Internetbrowser ausgleichen können, nicht in Frage.

560

Insoweit ist es erforderlich, die von der Kommission beobachtete und im angefochtenen Beschluss dargelegte tatsächliche Situation mit den verschiedenen von Google behaupteten, in der Realität aber nicht verwirklichten Alternativlösungen zu vergleichen.

561

Wie die Kommission darlegt, ist die Festlegung eines konkurrierenden allgemeinen Suchdienstes als Standard in mobilen Internetbrowsern auf Google-Android-Geräten nämlich im Hinblick auf Präsenz und Wirksamkeit nicht mit der Vorinstallation der Anwendung Google Search vergleichbar (vgl. Erwägungsgründe 817 bis 822 des angefochtenen Beschlusses). Insbesondere muss berücksichtigt werden, dass Google es nicht erlaubt, in Chrome einen anderen Suchdienst als Google Search als Standard festzulegen, und dass Chrome bei nicht BS-spezifischen mobilen Internetbrowsern in Europa einen Nutzungsanteil von etwa 75 % und weltweit von 58 % hatte.

562

Die Kommission legt außerdem, ohne dass Google ihr in diesem Punkt widerspricht, verschiedene Beweise vor, darunter Präsentationen von Microsoft und Yandex, die belegen, dass die Nutzer in der Praxis auf andere allgemeine Suchdienste nicht über die Browser zugreifen und die Standardeinstellungen dieser Browser nur selten ändern. Diese Feststellungen sind entgegen dem Vorbringen von Google relevant und lassen erkennen, dass es trotz der in diesem Zusammenhang angebotenen Möglichkeit, eine andere allgemeine Suchmaschine festzulegen, in der Praxis bei der ursprünglich voreingestellten bleibt.

563

Unter diesen Umständen ist die von Google in Bezug auf den Zugang zu konkurrierenden Suchdiensten über den Browser erhobene Rüge zurückzuweisen.

iii) Zur Verwechslung von Wettbewerbsvorteil und wettbewerbswidriger Verdrängung

564

Zur behaupteten Verwechslung von Wettbewerbsvorteil und wettbewerbswidriger Verdrängung ist darauf hinzuweisen, dass diese Rüge auf einem falschen Verständnis des angefochtenen Beschlusses beruht, aus dem hervorgeht, dass mit ihm zum einen das Vorliegen eines mit den Vorinstallationsbedingungen der VVMA verbundenen Vorteils, der von den Mitbewerbern nicht ausgeglichen werden kann, und zum anderen die wettbewerbswidrigen Auswirkungen dieses Vorteils festgestellt werden.

565

Was die Frage betrifft, ob der Vorteil quantifiziert werden muss, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass nach Darstellung der Kommission zwischen 2013 und 2015 im EWR 11 % bis 24 % aller Suchanfragen bei Google Search auf Google-Android-Geräte entfielen. Im Jahr 2016 entfielen auf Google-Android-Geräte 29 % dieser Suchanfragen (796. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Desgleichen erfasste die VVMA im Jahr 2016 alle außerhalb Chinas verkauften Google-Android-Geräte, was 76 % der Gesamtzahl der in Europa verkauften intelligenten Mobilgeräte und 56 % der Gesamtzahl der weltweit (einschließlich China) verkauften intelligenten Mobilgeräte entspricht (Erwägungsgründe 783, 784 und 901 des angefochtenen Beschlusses). Unter diesen Umständen kann jedenfalls davon ausgegangen werden, wie es die Kommission im angefochtenen Beschluss tut, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA Google einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschafften.

566

Daher ist die von Google erhobene Rüge einer Verwechslung von Wettbewerbsvorteil und wettbewerbswidriger Verdrängung zurückzuweisen.

iv) Ergebnis

567

Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Kommission zu Recht davon ausgeht, dass es den Nutzern zwar weiterhin freistand, mit der Anwendung Google Search und mit Chrome konkurrierende Anwendungen herunterzuladen oder die Standardeinstellungen zu ändern, oder auch, dass die Entwickler mobiler Internetbrowser den OEM ihre Anwendungen hätten anbieten können, wovon aber wegen der Vorinstallationsbedingungen der VVMA während des überwiegenden Teils des Zeitraums der Zuwiderhandlung nur unzureichend Gebrauch gemacht wurde.

d)   Fehlender Nachweis eines Zusammenhangs zwischen den Nutzungsanteilen und der Vorinstallation

1) Vorbringen der Parteien

568

Google weist darauf hin, dass die auf sie entfallenden Anteile an der allgemeinen Suche und an der Nutzung von Browsern dem angefochtenen Beschluss zufolge „offenbar nicht“ durch die Präferenzen der Nutzer „zu erklären“ seien und einer Wettbewerbsbeschränkung „entsprechen“ (Erwägungsgründe 835, 837, 947 und 954). Im angefochtenen Beschluss werde jedoch nicht dargetan, dass die Anteile von Google auf die beanstandeten Vorinstallationsbedingungen zurückzuführen oder mit dem Leistungswettbewerb unvereinbar seien, was die Kommission aber hätte beweisen müssen. Darüber hinaus übergehe der angefochtene Beschluss zahlreiche Beweise dafür, dass der Erfolg des allgemeinen Suchdienstes und des Browsers von Google deren Qualität widerspiegele. Der Verweis auf die im Play Store abgegebenen Bewertungen für die Anwendung Google Search und ihre Konkurrenten reiche nicht aus, um diese Beweise außer Acht zu lassen.

569

Die Kommission macht geltend, keines der Argumente von Google stelle in Frage, dass der erhebliche Wettbewerbsvorteil, der sich aus der Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Google Chrome auf praktisch allen im EWR verkauften Google-Android-Geräten ergebe, und die Unfähigkeit der Mitbewerber, diesen Vorteil auszugleichen, mit der Entwicklung der Marktanteile von Google korrelierten. Der Erfolg der Anwendung Google Search und des Browsers Google Chrome spiegele nämlich nicht nur die behauptete „überlegene Qualität und Leistung der Dienste von Google“ wider. Auch der Umstand, dass die Nutzerbewertungen im Play Store auf unterschiedlich großen Stichproben beruhten, sei nicht entscheidend. Diese Stichproben seien groß genug, um repräsentativ zu sein.

2) Würdigung durch das Gericht

570

Als Erstes ist in Bezug auf die Vorinstallation und ihre Auswirkungen festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss ausgeführt hat, dass ihre Schlussfolgerungen, wonach Google durch die Vorinstallation einen Wettbewerbsvorteil erlangt habe, der von den Mitbewerbern nicht ausgeglichen werden könne und eine Beschränkung des Leistungswettbewerbs zum Nachteil der Verbraucher bewirke, durch die Entwicklung der Google zuzurechnenden Nutzungsanteile auf intelligenten Mobilgeräten bestätigt würden (vgl. Erwägungsgründe 835 bis 851 und 947 bis 963 des angefochtenen Beschlusses).

571

In diesem Zusammenhang sind die Hinweise der Kommission auf die Entwicklung dieser Nutzungsanteile als solche nicht zu beanstanden. Sie ermöglichen es der Kommission nämlich, ihre Beweisführung zu untermauern, wonach zum einen die Vorinstallation den von ihr umfassten allgemeinen Suchanwendungen und Browsern von Google einen Vorteil verschaffe und zum anderen die Mitbewerber diesen Vorteil nicht hätten ausgleichen können.

572

Was die Entwicklung des Anteils von Google an den allgemeinen Suchanfragen je nach Gerätetyp in Europa von 2009 bis März 2017 betrifft, ist die Kommission somit zu der Feststellung in der Lage, dass dieser Anteil von 2011 bis März 2017 auf intelligenten Mobilgeräten durchgehend zwischen 95 % und 98 % schwankte und im selben Zeitraum stets höher war als der auf PCs (88-95 %) oder auf Tablets (90-98 % von Juli 2012 bis März 2017) beobachtete Anteil (836. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

573

Hinsichtlich der Entwicklung des Nutzungsanteils von Chrome im Vergleich zu dem anderer nicht BS-spezifischer mobiler Browser in Europa von August 2012 bis März 2017 kann die Kommission ebenfalls feststellen, dass der Anteil von Chrome in diesem Zeitraum von 4,7 % auf 74,9 % gestiegen war. Hingegen ging der Anteil anderer Android-Browser (auch als „AOSP-basierte Browser“ bezeichnet) im selben Zeitraum von 74,5 % auf 8,2 % zurück (vgl. 949. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses; für eine Darstellung der weltweiten Ergebnisse vgl. 950. Erwägungsgrund, für eine Darstellung der Ergebnisse mit PC‑Browsern vgl. 951. Erwägungsgrund und für eine Darstellung der Ergebnisse für BS-spezifische Browser in Europa vgl. 952. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

574

Entgegen dem Vorbringen von Google ist die Kommission berechtigt, diese Entwicklungen zur Unterstützung ihrer Schadensthese heranzuziehen. Soweit der Ausgangspunkt dieser These auf die mit der Vorinstallation verbundene „Status-quo-Präferenz“ abstellt, die den freien Wettbewerb stört, von dessen Existenz Google ausgeht, weil sie der Ansicht ist, dass der Nutzer dieser Tendenz insbesondere durch das Herunterladen einer konkurrierenden Anwendung abhelfen könne – was der Nutzer aber gerade nicht tut –, verweist die Kommission zu Recht auf die Nutzungsanteile.

575

Was als Zweites den Faktor der Qualität und ihrer behaupteten Auswirkungen angeht, ist festzustellen, dass die Kommission in einem Fall wie dem vorliegenden nicht verpflichtet war, genau zu bestimmen, ob diese Nutzungsanteile nicht nur, wie sie meint, durch die Vorinstallation zu erklären sind, sondern auch oder gar vorrangig durch die von Google behauptete höhere Qualität. Google führt die Tatsache, dass die Nutzungsanteile der Anwendung Google Search nicht in Frage gestellt werden oder die Nutzungsanteile von Chrome stetig ansteigen, nämlich eher auf die überlegene Qualität ihrer Produkte als auf die Vorinstallation zurück. Im vorliegenden Fall ist die Vorinstallation jedoch unstreitig, so dass alle Google-Android-Geräte über die Anwendung Google Search und über Chrome verfügten, während Google den Einfluss der Qualität auf das Unterbleiben der Vorinstallation oder des Herunterladens einer konkurrierenden Anwendung lediglich behauptet, ohne dass die hierfür vorgelegten Beweise ausreichend oder besonders relevant sind.

576

Google beruft sich insoweit auf die Erklärung einer ihrer Führungskräfte, die sich zur qualitativen Überlegenheit der Anwendung Google Search im Vergleich zu ihren Konkurrenten äußert. In diesem Dokument werden in der Tat verschiedene Anhaltspunkte erwähnt, darunter eine Verbraucherumfrage aus dem Jahr 2016, aus der hervorgeht, dass Google Search die von den Verbrauchern im Vereinigten Königreich, in Deutschland und in Frankreich bevorzugte allgemeine Suchmaschine war, sowie verschiedene Artikel, aus denen hervorgeht, dass Google Search über bessere oder neuere Funktionen als Bing verfügte oder dass Bing nicht so treffsicher gewesen sei wie angekündigt. Die Erklärung der Führungskraft von Google und die ihr beigefügten Unterlagen reichen jedoch als solche nicht aus, um nachzuweisen, dass der Nutzungsanteil von Google Search und von Chrome eher damit zu erklären ist, dass Google über einen qualitativ überlegenen Dienst verfügte, als mit der Vorinstallierung dieser Anwendungen.

577

Zudem käme es selbst dann, wenn davon auszugehen wäre, dass Google Search und Chrome den von den Mitbewerbern angebotenen Diensten qualitativ überlegen sind, darauf nicht entscheidend an, weil nicht behauptet wird, dass die verschiedenen von den Mitbewerbern angebotenen Dienste technisch nicht in der Lage seien, den Bedürfnissen der Verbraucher gerecht zu werden.

578

Außerdem werden die Bedürfnisse der Verbraucher, wie aus den Akten hervorgeht, nicht unbedingt durch die qualitativ beste Lösung befriedigt, weil selbst dann, wenn Google behaupten könnte, dass ihre Dienste eine solche Lösung darstellten, auch andere Faktoren als die technische Qualität, wie etwa der Schutz der Privatsphäre oder die Berücksichtigung sprachlicher Besonderheiten der Suchanfragen, eine Rolle spielen.

579

Als Drittes ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, um das Argument von Google zu widerlegen, dass der Umfang und die Entwicklung ihrer Nutzungsanteile eher auf die Qualität ihrer Produkte in den Augen der Verbraucher als auf die Vorinstallation zurückzuführen seien, im angefochtenen Beschluss ausgeführt hat, dass ein solcher Qualitätsvorsprung aus den Bewertungen der miteinander konkurrierenden Dienste im Play Store nicht hervorzugehen scheine.

580

Für das erste Bündel betrug die durchschnittliche Bewertung im Play Store 4,4 für die Anwendung Google Search mit 5,8 Millionen Bewertungen, 4,3 für die Anwendung Bing mit 73000 Bewertungen, 4,2 für die Anwendung Yahoo mit 28000 Bewertungen, 4,3 für die Anwendung Seznam mit 39000 Bewertungen und 4,4 für die Anwendung Yandex mit 219000 Bewertungen (837. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

581

Für das zweite Bündel betrug die durchschnittliche Bewertung im Play Store 4,3 für Chrome mit 7,4 Millionen Bewertungen, 4,3 für Opera mit 2,2 Millionen Bewertungen, 4,4 für Firefox mit 2,8 Millionen Bewertungen, 4,5 für den UC Browser mit 13,9 Millionen Bewertungen und 4,4 für den UC Browser Mini mit 2,8 Millionen Bewertungen (954. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

582

Zwar beruhen die Bewertungen, wie Google vorträgt, nicht auf Stichproben derselben Größe und stellen nicht unbedingt ein repräsentatives Bewertungskriterium dar. Wie die Kommission geltend macht, geht aus den vergebenen Noten jedoch eindeutig hervor, dass die Qualität der verschiedenen konkurrierenden Dienste ähnlich bewertet wird. Dies kann daher bei der Schlussfolgerung berücksichtigt werden, dass die jeweilige Qualität der verschiedenen konkurrierenden Suchdienste und Browser kein entscheidendes Kriterium für ihre Nutzung ist, weil sie alle einen Dienst anbieten, der die an ihn gestellten Anforderungen erfüllen kann.

583

Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Kommission in Anbetracht der Tendenz zur Festschreibung der Situation, die mit den Vorinstallationsbedingungen der VVMA einhergeht, und mangels eines Nachweises der präzisen Auswirkungen der von Google behaupteten qualitativen Überlegenheit ihrer allgemeinen Suchanwendungen und Browser zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Nutzungsanteile von Google die mit der Vorinstallation verbundene „Status-quo-Präferenz“ bestätigen.

584

Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.

e)   Fehlende Berücksichtigung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts

1) Vorbringen der Parteien

585

Google macht geltend, dass im angefochtenen Beschluss nicht geprüft worden sei, ob die Vorinstallationsbedingungen der VVMA geeignet gewesen seien, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, der ohne sie bestanden hätte, und zwar im Hinblick auf den gesamten wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext. Eine vollständige Analyse dieses Kontexts würde belegen, dass diese Bedingungen den Wettbewerb weder verdrängt hätten noch dazu geeignet gewesen seien, weil sie neue Wettbewerbsmöglichkeiten für die Mitbewerber geschaffen hätten, statt sie ihnen zu nehmen. Das Ausmaß, in dem Google oder ihre Mitbewerber diese Möglichkeiten genutzt hätten, sei von der jeweiligen Qualität ihrer Dienste und ihrer Attraktivität für die Nutzer abhängig gewesen. Die Vorinstallationsbedingungen der VVMA seien nämlich Bestandteil des für die Android-Plattform entwickelten kostenlosen Lizenzmodells und könnten daher nicht isoliert betrachtet werden. Außerdem könne jeder das BS Android kostenlos einsetzen und nutzen.

586

Die Kommission macht geltend, dass nicht der angefochtene Beschluss, sondern Google es unterlassen habe, den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext der Kopplung der Anwendung Google Search mit dem Play Store und der Kopplung von Google Chrome mit dem Play Store und der Anwendung Google Search zu würdigen. Der angefochtene Beschluss berücksichtige nämlich die Art der Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Komponenten der Android-Plattform (Erwägungsgründe 874 und 875, 990 und 991 des angefochtenen Beschlusses). Dabei müssten insbesondere die folgenden Aspekte berücksichtigt werden, in die sich die Kopplung einfüge:

Innerhalb des EWR habe die Vorinstallation von Google Chrome praktisch alle Google-Android-Geräte erfasst (901. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Google lasse es nicht zu, auf GMS-Geräten eine andere allgemeine Suchanwendung als Google Search exklusiv vorzuinstallieren. Die Anwendung Google Search sei der wichtigste Einstiegspunkt für allgemeine Suchanfragen auf Google-Android-Geräten; auf sie seien im Jahr 2016 [40-50] % aller allgemeinen Suchanfragen auf Google-Android-Geräten entfallen (799. Erwägungsgrund Nr. 1 und 974. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Google lasse es nicht zu, im Browser Google Chrome, über den im Jahr 2016 [30-40] % aller allgemeinen Suchanfragen auf Google-Android-Geräten durchgeführt worden seien und der damit der zweitwichtigste Einstiegspunkt für diese Suchanfragen auf Google-Android-Geräten sei (Erwägungsgründe 818, 973 und 974 des angefochtenen Beschlusses), einen anderen allgemeinen Suchdienst als Google Search als Standard festzulegen (Erwägungsgründe 818 und 973 des angefochtenen Beschlusses).

Zwischen 2011 und 2016 habe Google mit den OEM und den MNO Vereinbarungen über die Aufteilung der Einnahmen abgeschlossen. Gemäß diesen Vereinbarungen, die zwischen [50-60] % und [80-90] % aller im EWR verkauften Google-Android-Geräte erfasst hätten, seien die OEM und die MNO verpflichtet gewesen, ausschließlich die Anwendung Google Search vorzuinstallieren und als allgemeinen Standardsuchdienst für alle vorinstallierten mobilen Internetbrowser festzulegen (vgl. Erwägungsgründe 822 und 833 des angefochtenen Beschlusses).

Gemäß den AFV hätten die OEM, die auch nur ein einziges Gerät mit Vorinstallation des Play Store und der Anwendung Google Search hätten verkaufen wollen, daneben keine mit einer Android-Fork betriebenen Geräte verkaufen dürfen.

Aufgrund einer seit 2007 bestehenden Vereinbarung über die Aufteilung der Einnahmen lege Apple auf iOS-Geräten im Browser Safari Google Search als allgemeinen Standardsuchdienst fest (vgl. Erwägungsgründe 119, 154 und 515 Nr. 1, 796. Erwägungsgrund Nr. 2 Buchst. a, 799. Erwägungsgrund Nr. 2, Erwägungsgründe 840 und 1293 des angefochtenen Beschlusses).

Nach den Vereinbarungen über die Aufteilung der Einnahmen seien alle bedeutenden Internetbrowser für PCs mit Ausnahme des Internet Explorers/Edge von Microsoft verpflichtet, Google Search als allgemeinen Standardsuchdienst festzulegen (vgl. 796. Erwägungsgrund Nr. 2 Buchst. c und 845. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

2) Würdigung durch das Gericht

587

Google wirft der Kommission im Wesentlichen vor, nicht alle Umstände analysiert zu haben, die für die Beurteilung der behaupteten Auswirkungen des streitigen Verhaltens relevant seien.

588

Nach Ansicht von Google hätte die Kommission zum einen den Grund, der Google zur Entwicklung der Android-Plattform veranlasst habe, nämlich das Bestreben, der Abschottung anderer BS (iOS oder Windows) durch deren Eigentümer entgegenzuwirken, und zum anderen die wettbewerbsfördernden Auswirkungen, die der Erfolg der offenen und kostenlosen Android-Plattform trotz der Geltung der in Rede stehenden Vorinstallationsbedingungen mit sich gebracht habe und die zu einem Anstieg der Nutzung von allgemeinen Suchdiensten und Browsern sowie zu einem Anstieg der Zahl von Anwendungen geführt hätten, eingehender berücksichtigen müssen. Ihrer Ansicht nach hätte die Kommission in diesem Zusammenhang die Situation durch einen Vergleich mit der Situation beurteilen müssen, die sich ergeben hätte, wenn Google wegen des Fehlens der streitigen Vorinstallationsbedingungen nicht in der Lage gewesen wäre, die offene und kostenlose Android-Plattform zu entwickeln und zu pflegen.

589

Dieses Vorbringen entspricht jedoch nicht dem Inhalt des angefochtenen Beschlusses.

590

Wie die Kommission geltend macht, bezieht sich das im angefochtenen Beschluss als missbräuchlich eingestufte Verhalten nämlich weder auf die Entwicklung und Pflege der Android-Plattform noch auf deren offenen und kostenlosen Charakter, für den sich Google entschieden haben will, um dem entgegenzuwirken, was sie als Abschottung anderer BS durch deren Eigentümer betrachtet. Zudem hat die Kommission vor dem Gericht eingeräumt, dass die Android-Plattform die Möglichkeiten für die Mitbewerber von Google erweitert hat.

591

Aus dem angefochtenen Beschluss geht ferner hervor, dass Google der Kommission gegenüber Argumente derselben Art vorgebracht hatte, wie sie nunmehr vor dem Gericht wiederholt werden, und dass die Kommission sie u. a. mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass nicht die gesamte VVMA beanstandet werde, sondern nur einer ihrer Aspekte, dessen Auswirkungen den Wettbewerb beschränkten (vgl. Erwägungsgründe 867 bis 876 für das erste und Erwägungsgründe 983 bis 992 für das zweite Bündel). Somit hat die Kommission die Argumente von Google bei ihrer Würdigung aller relevanten Umstände berücksichtigt, wie sich aus dem angefochtenen Beschluss ergibt.

592

Selbst wenn man die wettbewerbsfördernden Auswirkungen der Android-Plattform berücksichtigt, zu deren Modalitäten die VVMA gehört, hat die Kommission gleichwohl einen bestimmten Aspekt der VVMA, nämlich die streitigen Vorinstallationsbedingungen, als missbräuchlich angesehen.

593

So hat die Kommission – wie oben im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes erörtert (vgl. auch die oben in Rn. 585 genannten verschiedenen tatsächlichen Umstände) – festgestellt, dass die beiden Produktbündel Google einen Wettbewerbsvorteil verschafften, der auf die mit der Vorinstallation einhergehende „Status-quo-Präferenz“ zurückzuführen war, von den Mitbewerbern nicht ausgeglichen werden konnte und eine Beschränkung des Leistungswettbewerbs zum Nachteil der Verbraucher zur Folge hatte.

594

Es sind daher diese Vorinstallationsbedingungen der VVMA, die das beanstandete Verhalten ausmachen, und nicht generell das von Google zusammen mit den OEM, die diese Vereinbarung unterzeichneten, angestrebte offene und kostenlose Lizenzmodell.

595

Die verschiedenen Erklärungen von Opera sind daher, wie von der Kommission vorgeschlagen, vor diesem Hintergrund zu betrachten. Einige dieser Erklärungen verweisen, wie Google vorträgt, auf die wettbewerbsfördernden Auswirkungen der Entwicklung und Pflege der Android-Plattform. Andere verweisen, wie die Kommission ausführt, auf die mit der Vorinstallation verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen.

596

Aus dem Vorstehenden folgt, dass Google entgegen ihrem Vorbringen nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission bei der Beurteilung des beanstandeten Verhaltens nicht alle relevanten Umstände angemessen berücksichtigt hatte. Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.

3.   Zweiter Teil: objektive Rechtfertigungen

a)   Vorbringen der Parteien

597

Google macht geltend, die Vorinstallationsbedingungen der VVMA seien objektiv gerechtfertigt, weil sie es ihr ermöglichten, die Android-Plattform kostenlos anzubieten, indem sie sicherstellten, dass die Anwendungen Google Search und Chrome, die Einnahmen generiert hätten, nicht von der Vorinstallation und den damit verbundenen Werbemöglichkeiten ausgeschlossen würden. Diese legitimen und wettbewerbsfördernden Bedingungen hätten zur Vielfalt und zur weiten Verbreitung von Mobilgeräten beigetragen, die Marktzutrittsbarrieren gesenkt und den Mitbewerbern Chancen eröffnet. Der im angefochtenen Beschluss unterbreitete Vorschlag, den OEM eine Lizenzgebühr für den Play Store in Rechnung zu stellen, die für Geräte des unteren und des oberen Marktsegments unterschiedlich hoch sein solle, würde die wettbewerbsfördernden Vorteile des kostenlosen Angebots der Android-Plattform durch Google zunichtemachen. Google bestreitet auch, eine Vergütung aus mobilen Daten erhalten zu können. Zudem sei der durch die Vorinstallationsbedingungen der VVMA geschaffene nichtmonetäre Leistungsaustausch effizienter und erhöhe die Produktivität im Vergleich zu einer Regelung, bei der die OEM Zahlungen für die Komponenten der Android-Plattform zu leisten hätten.

598

Die Kommission hält die Bedingungen der Vorinstallation von Google Search und Chrome auf praktisch allen im EWR verkauften Google-Android-Geräten für nicht objektiv gerechtfertigt. Google monetarisiere ihre Investitionen nämlich bereits durch die Vermarktung der bei den Nutzern erhobenen Daten und durch die Einnahmen aus dem Play Store und anderen Anwendungen und Diensten einschließlich Google Search. Außerdem würde eine beträchtliche Zahl von Google Android-Nutzern auch ohne diese Vorgaben weiterhin Google Search verwenden. Google habe auch nicht nachgewiesen, dass die Vorinstallation notwendig sei, um sicherzustellen, dass Google nicht von der exklusiven Vorinstallation auf Google-Android-Geräten ausgeschlossen sei und dass sie von den OEM keine Gebühr für den Play Store verlangen müsse.

b)   Würdigung durch das Gericht

599

Ein Unternehmen in beherrschender Stellung kann im Fall der Feststellung wettbewerbswidriger Auswirkungen seines Verhaltens Handlungen, die möglicherweise unter das in Art. 102 AEUV niedergelegte Verbot fallen, rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

600

Dazu kann ein solches Unternehmen insbesondere entweder den Nachweis erbringen, dass sein Verhalten objektiv notwendig ist oder den Nachweis, dass die dadurch hervorgerufene Verdrängungswirkung durch Effizienzvorteile, die auch dem Verbraucher zugutekommen, ausgeglichen oder sogar übertroffen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

601

In Bezug auf die erste Alternative ist entschieden worden, dass die Kommission zwar die Beweislast für das Vorliegen der Umstände trägt, aus denen sich ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV ergibt, doch obliegt es dem betreffenden beherrschenden Unternehmen und nicht der Kommission, vor dem Ende des Verwaltungsverfahrens gegebenenfalls eine etwaige objektive Rechtfertigung geltend zu machen und dafür Argumente und Beweise vorzubringen. Dann hat die Kommission, wenn sie einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung feststellen will, darzutun, dass die von dem Unternehmen vorgebrachten Argumente und Beweise nicht stichhaltig sind und dass folglich die geltend gemachte Rechtfertigung nicht durchgreifen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 688 und 1144).

602

Was die zweite Alternative anbelangt, hat das Unternehmen in beherrschender Stellung nachzuweisen, dass die durch das betreffende Verhalten möglicherweise eintretenden Effizienzvorteile die mit ihm einhergehende Verdrängungswirkung ausgleichen, dass diese Effizienzvorteile durch das genannte Verhalten erzielt worden sind oder erzielt werden können und dass dieses Verhalten für das Erreichen der Effizienzvorteile notwendig ist und einen wirksamen Wettbewerb nicht dadurch ausschaltet, dass es alle oder die meisten bestehenden Quellen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbs zum Versiegen bringt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 42).

603

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss unter derselben Überschrift „Objektive Rechtfertigungen und Effizienzgewinne“ die verschiedenen Argumente geprüft hat, die Google im Verwaltungsverfahren hierzu vorgebracht hatte (Erwägungsgründe 993 bis 1008).

604

In ihren Schriftsätzen stützt sich Google zur Rechtfertigung ihres Verhaltens im Wesentlichen auf zwei Gruppen von Argumenten, die sich weitgehend mit denen decken, die sie im Verwaltungsverfahren vorgebracht hatte und die im angefochtenen Beschluss geprüft und zurückgewiesen wurden.

605

Als Erstes hatte Google vor der Kommission geltend gemacht, dass ihre Praktiken rechtmäßig seien, weil sie es ihr ermöglicht hätten, ihre Investitionen in Android und in diejenigen ihrer Anwendungen, die keine Einnahmen generierten, zu amortisieren (993. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses).

606

Dieses Argument wird in der vorliegenden Klage erneut angeführt, in der sich Google zum einen auf den Umfang ihrer Investitionen in die Entwicklung und Pflege der Android-Plattform, einschließlich des BS Android, des Play Store und des GMS-Pakets, beruft und zum anderen darauf, dass diese Plattform kostenlos sei. Somit seien die Vorinstallationsbedingungen der VVMA gerechtfertigt, weil sie es ihr ermöglichten, durch die mit den Anwendungen Google Search und Chrome erzielten Einnahmen eine angemessene Rendite auf ihre Investitionen zu erzielen, ohne jedoch die Mitbewerber oder Nutzer der Möglichkeit zu berauben, von der Vorinstallation oder von anderen Optionen Gebrauch zu machen.

607

Um dieses Vorbringen zurückzuweisen, hat die Kommission festgestellt, dass Google nicht nachgewiesen habe, dass die streitigen Bündel erforderlich gewesen seien, um ihre Investitionen in Android und in ihre Anwendungen, die keine Einnahmen generierten, zu amortisieren (vgl. Erwägungsgründe 995 bis 998 des angefochtenen Beschlusses).

608

In Anbetracht der Höhe der Investitionen, die Google in die Entwicklung und Pflege von Android getätigt hat – unabhängig davon, ob es sich dabei um den von der Kommission oder den von Google angegebenen Betrag handelt –, erweist sich jedenfalls, dass Google stets über beträchtliche Einnahmequellen verfügen konnte, um diese Investitionen zu finanzieren, die sie im Rahmen ihrer Strategie zur Wahrung ihres Anteils am Markt für allgemeine Suchdienste beim Übergang zum mobilen Internet tätigte.

609

Neben den Einnahmen aus dem Play Store (996. Erwägungsgrund und Fn. 1074 des angefochtenen Beschlusses), die mittlerweile allein ausreichten, um Google die Amortisierung ihrer Investitionen in die Entwicklung und Pflege der Android-Plattform im entsprechenden Jahr zu ermöglichen (vgl. hierzu die dem Gericht von Google vorgelegten Daten), verfügte Google über weitere Einnahmequellen.

610

Wie die Kommission im angefochtenen Beschluss feststellt, konnte Google nach wie vor von der Verwertung der Nutzerdaten profitieren, die von Google-Android-Geräten erhoben werden, wie z. B. Standortdaten oder Daten aus der Nutzung der Dienste von Google Play. Angesichts ihrer großen Marktanteile bei PCs konnte Google auch von den erheblichen Einnahmen aus der Werbung auf Suchergebnisseiten profitieren (Erwägungsgründe 997 und 998 des angefochtenen Beschlusses).

611

Die Einwände, die Google gegen diese Möglichkeiten vorbringt, bleiben allgemein und vage.

612

Folglich hat die Kommission in Anbetracht des Wertes der Nutzerdaten einerseits und der hohen Einnahmen aus der Suchwerbung auf PCs andererseits zu Recht festgestellt, dass Google nicht darauf angewiesen war, ihre gesamten Ausgaben für die Entwicklung und Pflege der Android-Plattform allein aus den mit dieser Plattform erzielten Einnahmen zu decken.

613

Außerdem hat Google, wie die Kommission im angefochtenen Beschluss ebenfalls feststellt, nicht nachgewiesen, dass sie kein Interesse daran gehabt hätte, Android zu entwickeln, um den Risiken entgegenzuwirken, die der Übergang zu intelligenten Mobilgeräten für ihr Geschäftsmodell der Suchmaschinenwerbung mit sich brachte (999. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Unter diesem Gesichtspunkt ist die Annahme berechtigt, dass Google die Ausgaben für die Entwicklung und Pflege der Android-Plattform selbst dann auf sich genommen hätte, wenn sie nicht hätte sicher sein können, dass diese Ausgaben durch die mit dieser Plattform erzielten Einnahmen ausgeglichen würden, wobei z. B. die mit dem Play Store erzielten Einnahmen zu berücksichtigen sind.

614

Daraus folgt, dass Google nicht nachgewiesen hat, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA insoweit objektiv gerechtfertigt waren, als sie es ihr ermöglichten, durch die Zusage der Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome auf Google-Android-Geräten die für die Entwicklung und Wartung der Android-Plattform getätigten Ausgaben wieder zu erwirtschaften.

615

Als Zweites macht Google geltend, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA es ihr ermöglicht hätten, den Play Store kostenlos anzubieten, weil dessen Wert für die OEM und die Nutzer dem Wert entspreche, den die Werbung für ihren allgemeinen Suchdienst, die diese OEM betrieben, für Google darstelle. Der Vorschlag der Kommission, für den Play Store eine Lizenzgebühr zu erheben, stelle dieses Modell und seine positiven Auswirkungen auf den Wettbewerb in Frage (vgl. 993. Erwägungsgrund Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses).

616

Auch insoweit ist Google jedoch ihrer Beweislast für das Vorliegen objektiver Rechtfertigungsgründe nicht nachgekommen.

617

Die von Google bevorzugte Lösung, kostenlose Lizenzen zu erteilen, schließt jedenfalls die Anwendung der anderen Lösungen nicht aus, die die Kommission in Betracht gezogen hat, um Google in die Lage zu versetzen, die durch die Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome auf Google-Android-Geräten erzielten Einnahmen zu ersetzen, wie z. B. die Zahlung einer Lizenzgebühr für den Play Store, die eine unterschiedliche Behandlung von Geräten des unteren und des oberen Marktsegments zulässt.

618

Aus dem Vorstehenden folgt, dass Google nicht nachweisen kann, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA insoweit objektiv gerechtfertigt sind, als sie ihr die kostenlose Lizenzierung des Play Store ermöglichen.

619

Der zweite Teil, der sich auf die objektiven Rechtfertigungsgründe für die Vorinstallation bezieht, ist daher ebenso zurückzuweisen wie der zweite Klagegrund insgesamt, mit dem eine fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Vorinstallationsbedingungen der VVMA gerügt wird.

D. Dritter Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der in den sortimentbezogenen VAE enthaltenen Bedingung der ausschließlichen Vorinstallation

620

Mit dem dritten Klagegrund macht Google geltend, dass die Kommission bestimmte in den sortimentbezogenen VAE enthaltene Bestimmungen zu Unrecht als missbräuchlich angesehen habe.

1.   Hintergrund

a)   Angefochtener Beschluss

621

Dem angefochtenen Beschluss zufolge gewährte Google bestimmten OEM und MNO Zahlungen unter der Bedingung, dass sie keinen konkurrierenden allgemeinen Suchdienst auf einer Reihe von Mobilgeräten innerhalb eines vordefinierten Sortiments vorinstallierten oder unmittelbar nach dem Kauf zur Verfügung stellten (Erwägungsgründe 198 und 1195 des angefochtenen Beschlusses).

622

Aus dem angefochtenen Beschluss geht ferner hervor, dass es sich bei den geahndeten sortimentbezogenen VAE um diejenigen handelt, die vom 1. Januar 2011, dem Zeitpunkt, ab dem die Kommission feststellte, dass Google auf jedem nationalen Markt für allgemeine Suchdienste im EWR eine beherrschende Stellung innehabe, bis zum 31. März 2014, dem Zeitpunkt, zu dem eine von der Kommission angeführte sortimentbezogene VAE mit einem OEM endete, in Kraft waren (1333. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

1) Zur Natur der sortimentbezogenen VAE

623

Die Kommission macht geltend, dass die sortimentbezogenen VAE Ausschließlichkeitszahlungen vorgesehen hätten. Sie weist darauf hin, dass nach diesen VAE der betreffende OEM oder MNO, wenn er einen konkurrierenden allgemeinen Suchdienst auf einem unter das vordefinierte und akzeptierte Sortiment fallenden Gerät vorinstalliere, auf jeglichen Anteil an den auf das gesamte Sortiment entfallenden Einnahmen verzichten müsse.

624

Ferner weist die Kommission darauf hin, dass die sortimentbezogenen VAE sowohl im Fall der betroffenen OEM als auch der betroffenen MNO ein beträchtliches Segment der verkauften Mobilgeräte abdeckten. Interne Google-Dokumente bestätigten, dass der Zweck der sortimentbezogenen VAE darin bestanden habe, sicherzustellen, dass Google alle Erfordernisse dieser OEM und MNO in Bezug auf allgemeine Suchdienste auf den in diesen Sortimenten enthaltenen Geräten abdecke. Aus ihnen gehe auch hervor, dass Google sich bewusst gewesen sei, dass diese Praxis wettbewerbsrechtliche Bedenken hervorrufen könne (Erwägungsgründe 1195 bis 1205 des angefochtenen Beschlusses).

2) Zur Eignung der sortimentbezogenen VAE, den Wettbewerb zu beschränken

625

In den Erwägungsgründen 1206 und 1207 des angefochtenen Beschlusses macht die Kommission geltend, die Vermutung, dass die Ausschließlichkeitszahlungen von Google missbräuchlich seien, werde im vorliegenden Fall durch die Analyse ihrer Eignung, den Wettbewerb zu beschränken, bestätigt, insbesondere unter Berücksichtigung des Umfangs der Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste durch die beanstandete Praxis.

626

Zunächst stellt die Kommission fest, dass die sortimentbezogenen VAE die Anreize für die betroffenen OEM und MNO verringert hätten, konkurrierende allgemeine Suchdienste vorzuinstallieren. Erstens hätten diese OEM und MNO ohne die sortimentbezogenen VAE ein kommerzielles Interesse daran gehabt, solche Dienste zumindest auf einem Teil ihrer Google-Android-Geräte vorzuinstallieren. Zweitens hätten die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste diesen OEM und MNO nicht das gleiche Einnahmenniveau bieten können, das Google anbiete. Drittens seien die sortimentbezogenen VAE einer der Gründe dafür gewesen, dass die OEM und die MNO gezögert hätten, konkurrierende allgemeine Suchdienste auf ihren Google-Android-Geräten zu installieren (Erwägungsgründe 1208 bis 1281 des angefochtenen Beschlusses).

627

Weiter führt die Kommission aus, dass die sortimentbezogenen VAE den Zugang der Mitbewerber von Google zu den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste erschwert hätten. Erstens hätten diese Zahlungen die OEM und die MNO davon abgehalten, konkurrierende allgemeine Suchdienste vorzuinstallieren. Zweitens hätten die sortimentbezogenen VAE einen erheblichen Teil der relevanten Märkte abgedeckt. Drittens seien die konkurrierenden Dienste nicht in der Lage gewesen, den Wettbewerbsvorteil, den sich Google durch die streitige Praxis verschafft habe, durch alternative Vertriebskanäle wie Downloads auszugleichen (Erwägungsgründe 1282 bis 1312 des angefochtenen Beschlusses).

628

Schließlich weist die Kommission darauf hin, dass die sortimentbezogenen VAE die Innovation gehemmt hätten, weil sie die Markteinführung von Google-Android-Geräten, auf denen andere allgemeine Suchdienste als Google Search vorinstalliert seien, verhindert hätten. Ohne eine solche Praxis hätten die Nutzer eine größere Auswahl gehabt. Diese Praxis habe auch zum einen die Anreize für Mitbewerber verringert, innovative Funktionen zu entwickeln, weil sie sie daran gehindert habe, zusätzliche Suchanfragen und die für die Verbesserung ihrer Dienste erforderlichen Einnahmen und Daten zu erzielen, und zum anderen den Innovationsanreiz für Google verringert, weil sie dem Leistungswettbewerb nicht mehr ausgesetzt gewesen sei. Außerdem habe Google – selbst wenn ihre Praxis mit einer Phase der Verbesserung ihres allgemeinen Suchdienstes zusammengefallen sein sollte – nicht nachgewiesen, dass diese Praxis die Anreize für die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste oder deren Fähigkeit, die eigenen Dienste zu verbessern, nicht beeinträchtigt habe. Somit habe Google ihre Dienste in größerem Ausmaß verbessern können (Erwägungsgründe 1313 bis 1322 des angefochtenen Beschlusses).

629

Wie insbesondere aus dem 1259. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, hat die Kommission im vorliegenden Fall außerdem geprüft, ob die in Rede stehende Praxis geeignet war, Verdrängungswirkungen gegenüber Unternehmen zu entfalten, die als ebenso leistungsfähig wie das beherrschende Unternehmen anzusehen sind. Auf eine entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission bestätigt, dass sie die Merkmale eines solchen hypothetischen Wettbewerbers bei ihrer Beurteilung tatsächlich berücksichtigt hat.

3) Zum Vorliegen objektiver Rechtfertigungen

630

Die Kommission weist die von Google vorgebrachten objektiven Rechtfertigungen zurück. So macht sie erstens geltend, dass die sortimentbezogenen VAE nicht notwendig gewesen seien, um die OEM oder die MNO in der Anfangsphase zu überzeugen, Google-Android-Geräte zu verkaufen, weil diese Geräte im Januar 2011 bereits mehr als 40 % der weltweiten Verkäufe von intelligenten Mobilgeräten ausgemacht hätten, und dass das Ziel der VAE nicht der Verkauf von Google-Android-Geräten gewesen sei, sondern „die ausschließliche Installation des allgemeinen Suchdienstes“ von Google auf diesen Geräten. Zweitens habe Google nicht nachgewiesen, dass die sortimentbezogenen VAE notwendig gewesen seien, um es ihr zu ermöglichen, die Investitionen in Android zu amortisieren. Auch ohne die sortimentbezogenen VAE wäre Google immer noch in der Lage gewesen, mit Android beträchtliche Einnahmen zu erzielen. Drittens habe Google nicht nachgewiesen, dass die sortimentbezogenen VAE notwendig gewesen seien, damit Google-Android-Geräte mit Apple hätten konkurrieren können (Erwägungsgründe 1323 bis 1332 des angefochtenen Beschlusses).

b)   Zum Unterschied zwischen sortimentbezogenen und gerätebezogenen VAE

631

Die im angefochtenen Beschluss genannte Aufteilung der Werbeeinnahmen ist an die Bedingung geknüpft, dass auf sämtlichen im Voraus festgelegten Geräten eines Sortiments exklusiv Google Search vorinstalliert wird. Die OEM und die MNO müssen mit anderen Worten für jedes der erfassten Geräte die in den sortimentbezogenen VAE festgelegten Bedingungen erfüllen, um einen Anteil an den Werbeeinnahmen von Google zu erhalten.

632

Wie die Kommission im 197. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses feststellt, hat Google die sortimentbezogenen VAE jedoch seit März 2013 schrittweise durch gerätebezogene VAE ersetzt. Bei einer gerätebezogenen VAE hängt der Anteil eines OEM oder MNO an den Einnahmen von Google von der Anzahl der verkauften Geräte ab, die die Verpflichtung erfüllen, keine konkurrierenden allgemeinen Suchdienste vorinstalliert zu haben. Die gerätebezogenen VAE ermöglichen es einem OEM oder MNO somit, für ein und denselben Gerätetyp sowohl Geräte anzubieten, die ausschließlich den allgemeinen Suchdienst von Google vorsehen, als auch andere, die daneben konkurrierende allgemeine Suchdienste bereitstellen.

633

Anders als in der Mitteilung der Beschwerdepunkte hat die Kommission daher im angefochtenen Beschluss die gerätebezogenen VAE, die mehr als fünf Jahre vor dem Erlass dieses Beschlusses schrittweise eingeführt wurden, für sich genommen nicht als missbräuchliche Praxis angesehen. Die gerätebezogenen VAE sind jedoch nach wie vor integraler Bestandteil des sachlichen Kontexts, in dem die Kommission die Verdrängungswirkungen der Praktiken untersucht hat, die sie Google im angefochtenen Beschluss vorwirft (siehe oben, Rn. 448 bis 452).

c)   Zu den im Rahmen der sortimentbezogenen VAE aufgeteilten Einnahmen

634

Im Rahmen der sortimentbezogenen VAE gewährt Google einen Teil ihrer Werbeeinnahmen als Gegenleistung für die exklusive Vorinstallation von Google Search auf einer Reihe von Mobilgeräten, die in einem vordefinierten Sortiment enthalten sind.

635

Im 1240. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses weist die Kommission darauf hin, dass diese VAE nicht die Einnahmen aus Suchanfragen erfassen, die auf Mobilgeräten über die Internet-Homepage von Google gestellt werden, was Google in Beantwortung einer vor der mündlichen Verhandlung gestellten Frage des Gerichts ausdrücklich bestätigt hat.

636

Mit anderen Worten erfassen die sortimentbezogenen VAE die Werbeeinnahmen aus Suchanfragen, die über Google Search, Chrome und die URL-Leiste anderer mobiler Internetbrowser ausgeführt werden, wenn die Suchmaschine von Google dort als Standard festgelegt ist. Eine Zusammenschau der Erwägungsgründe 1234 und 1240 des angefochtenen Beschlusses bestätigt diese Feststellung.

d)   Zum Nachweis der Missbräuchlichkeit einer Ausschließlichkeitszahlung

637

Dem angefochtenen Beschluss zufolge besteht der Zweck der sortimentbezogenen VAE darin, Google die Exklusivität bei der Vorinstallation von allgemeinen Suchanwendungen auf Mobilgeräten zu sichern. Diese Praxis führt zu einem Ergebnis, das im Wesentlichen mit dem der „Treuerabatte“ identisch ist, die im Mittelpunkt der Rechtssache standen, in der das Urteil vom6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), ergangen ist. Im vorliegenden Fall bezahlt Google die OEM und die MNO dafür, dass sie die exklusive Vorinstallation von Google Search gewährleisten.

638

In diesem Zusammenhang ist es erforderlich, auf die Grundsätze hinzuweisen, die für die Beurteilung der sogenannten „Ausschließlichkeitszahlungen“ im Hinblick auf Art. 102 AEUV gelten, bevor die Begründetheit der von Google zur Stützung des dritten Klagegrundes vorgebrachten Argumente geprüft wird.

639

Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass es in einer Situation, in der – wie im vorliegenden Fall – das Unternehmen, das von einem Verfahren nach Art. 102 AEUV betroffen ist, das zu seiner Verurteilung wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung führen kann, im Rahmen dieses Verfahrens geltend macht, dass sein Verhalten nicht geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken und insbesondere die beanstandeten Verdrängungswirkungen zu erzeugen, Sache der Kommission ist, zur Feststellung des Verschuldens dieses Unternehmens die verschiedenen Umstände zu analysieren, die es ermöglichen, die sich aus der beanstandeten Praxis ergebende Wettbewerbsbeschränkung nachzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 137 und 138).

640

In einer solchen Situation ist die Kommission nicht nur verpflichtet, das Ausmaß der beherrschenden Stellung des Unternehmens auf dem maßgeblichen Markt und den Umfang der Markterfassung durch die beanstandete Praxis sowie die Bedingungen und Modalitäten der in Rede stehenden Preispolitik, deren Dauer und die Höhe der Beträge zu prüfen, sondern sie ist außerdem verpflichtet, das Vorliegen einer eventuellen Strategie zur Verdrängung mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber zu prüfen. Desgleichen kann die Abwägung der für den Wettbewerb vorteilhaften und nachteiligen Auswirkungen der beanstandeten Praxis nur im Anschluss an eine Analyse der ihr innewohnenden Eignung zur Verdrängung mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber vorgenommen werden (Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 139 und 140).

641

Für die Beurteilung der einer Praxis innewohnenden Eignung zur Verdrängung mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber kann ein sogenannter „As-Efficient-Competitor-Test“ (im Folgenden: AEC‑Test) hilfreich sein.

642

Der AEC‑Test bezieht sich auf einen hypothetisch ebenso leistungsfähigen Wettbewerber, bei dem davon ausgegangen wird, dass er seinen Kunden dieselben Preise berechnet und dabei dieselben Kosten hat wie das marktbeherrschende Unternehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 40 bis 44). Um als „ebenso leistungsfähig“ wie das marktbeherrschende Unternehmen zu gelten, muss dieser hypothetische Wettbewerber für die Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens nicht nur im Hinblick auf den Preis, sondern auch im Hinblick auf Auswahl, Qualität oder Innovation ebenso interessant sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 22).

643

Der AEC‑Test, der in den Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel [102 AEUV] auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen (ABl. 2009, C 45, S. 7, im Folgenden: Erläuterungen zum Behinderungsmissbrauch) erwähnt wird, zielt darauf ab, zwischen Verhaltensweisen, die ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht anwenden darf, und solchen, die ihm erlaubt sind, zu unterscheiden. Der AEC‑Test stellt somit ein mögliches Raster für die Analyse der auf einen bestimmten Fall bezogenen und der beanstandeten Verdrängungswirkungen dar. Er ist jedoch nur einer von mehreren Faktoren, die herangezogen werden können, um anhand von qualitativen oder quantitativen Beweisen festzustellen, ob eine wettbewerbswidrige Verdrängung im Sinne von Art. 102 AEUV vorliegt.

644

Wird der AEC‑Test – wie im vorliegenden Fall – angewandt, muss er jedoch rigoros durchgeführt werden. Um im Hinblick darauf zu ermitteln, ob ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber Gefahr läuft, durch die beanstandete Praxis vom Markt verdrängt zu werden, muss die Kommission die wirtschaftlichen Daten in Bezug auf die Kosten und die Verkaufspreise untersuchen und insbesondere prüfen, ob das beherrschende Unternehmen Preise anbietet, die nicht kostendeckend sind. Diese Methode setzt jedoch voraus, dass ausreichend zuverlässige Daten verfügbar sind. Wenn dies der Fall ist, hat die Kommission die Kosteninformationen des marktbeherrschenden Unternehmens selbst zu verwenden. Um die erforderlichen Daten zu erhalten, verfügt sie über Untersuchungsbefugnisse. Darüber hinaus kann sie mangels zuverlässiger Daten bezüglich dieser Kosten beschließen, die Kosten von Mitbewerbern oder andere vergleichbare zuverlässige Daten heranzuziehen.

645

Im Fall von Ausschließlichkeitszahlungen besteht der Zweck des AEC‑Tests darin, zu beurteilen, ob ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber wie das marktbeherrschende Unternehmen in der Lage gewesen wäre, mit diesen Zahlungen mitzuhalten oder sie zu überbieten. Wie aus dem angefochtenen Beschluss hervorgeht, bestand der Zweck des von der Kommission durchgeführten AEC‑Tests im vorliegenden Fall darin, zu beurteilen, ob ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber wie Google ein strategisches oder wirtschaftliches Interesse daran haben konnte, den erzielbaren Anteil der von den sortimentbezogenen VAE erfassten allgemeinen Suchanfragen für sich zu gewinnen.

646

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Analyse, die die Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommen hat, um die Wettbewerbswidrigkeit der sortimentbezogenen VAE nachzuweisen, insbesondere von zwei Reihen von Erwägungen abhängt, nämlich erstens von der Prüfung der Markterfassung durch diese Praxis und zweitens von den Ergebnissen des von ihr durchgeführten AEC‑Tests.

647

Im Licht dieser einleitenden Erwägungen ist die Begründetheit der von Google zur Stützung des dritten Klagegrundes vorgebrachten Argumente zu beurteilen.

648

Der dritte Klagegrund gliedert sich in drei Teile. Mit dem ersten Teil rügt Google, die Kommission sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die sortimentbezogenen VAE eine Ausschließlichkeitsbedingung enthielten. Mit dem zweiten, in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Teil macht Google geltend, dass der angefochtene Beschluss auf einem Begründungsmangel beruhe, weil die Kommission nicht begründet habe, inwiefern eine Praxis, durch die der relevante Markt nur in begrenztem Umfang erfasst werde, den Wettbewerb beschränke. Mit dem dritten Teil macht Google geltend, dass die Kommission die Wettbewerbswidrigkeit der VAE in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht hinreichend nachgewiesen habe.

2.   Erster Teil: Natur der sortimentbezogenen VAE

a)   Vorbringen der Parteien

649

Google macht geltend, die Kommission hätte die sortimentbezogenen VAE nicht als Ausschließlichkeitsvereinbarungen einstufen dürfen. Eine Ausschließlichkeitssituation könne abstrakt gesehen nur dann vorliegen, wenn der gesamte Bedarf eines Kunden abgedeckt werde. Erstens seien die sortimentbezogenen VAE aber nicht dazu bestimmt gewesen, den Bedarf der OEM und der MNO an Suchdiensten für andere als Android-Mobilgeräte oder für Computer zu decken. Zweitens beträfen die sortimentbezogenen VAE nur einen der Einstiegspunkte zu allgemeinen Suchdiensten. Sie verpflichteten die OEM und die MNO eindeutig, Einstiegspunkte für konkurrierende allgemeine Suchdienste beizubehalten. Drittens seien einige der sortimentbezogenen VAE räumlich begrenzt.

650

Die Kommission weist darauf hin, dass die sortimentbezogenen VAE den „Höhepunkt“ der verschiedenen eng miteinander verflochtenen und im angefochtenen Beschluss geahndeten Praktiken darstellten. Die OEM hätten, um einen Anteil an den Einnahmen aus den Suchanfragen zu erhalten, die über den allgemeinen Suchdienst von Google auf Geräten mit von Google genehmigten Android-Versionen gestellt worden seien, zunächst eine AFV und eine VVMA und sodann eine sortimentbezogene VAE abschließen müssen, wobei Letztere die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen der AFV und der VVMA verstärkten. Darüber hinaus sei keiner der drei Gründe, aus denen Google bestreite, dass es sich bei den sortimentbezogenen VAE um Ausschließlichkeitsvereinbarungen handele, überzeugend, weil sie sich alle auf das Ausmaß der Markterfassung durch die VAE und nicht auf deren Ausschließlichkeitscharakter bezögen.

b)   Würdigung durch das Gericht

651

Erstens ergibt sich eine Ausschließlichkeitssituation, wie Google vorträgt, daraus, dass ein Unternehmen den gesamten Bedarf eines Kunden oder einen beträchtlichen Teil davon abschottet. Das Verhalten eines Unternehmens, das auf einem Markt eine beherrschende Stellung innehat und Abnehmer durch die Verpflichtung oder Zusage, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil davon ausschließlich von ihm zu beziehen, an sich bindet, kann nämlich einen Missbrauch seiner beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen, ohne dass es darauf ankäme, ob die Verpflichtung ohne Weiteres oder gegen eine Rabattgewährung eingegangen worden ist. Das Gleiche gilt, wenn ein solches Unternehmen, ohne die Abnehmer durch eine förmliche Verpflichtung zu binden, kraft Vereinbarung mit ihnen oder aber einseitig ein System von Treuerabatten anwendet, also Nachlässe, die daran gebunden sind, dass der Abnehmer, unabhängig im Übrigen vom Umfang seiner Käufe, seinen Gesamtbedarf oder einen wesentlichen Teil hiervon ausschließlich bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung deckt (Urteile vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, EU:C:1979:36, Rn. 89, und vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 137).

652

Um das Argument von Google zu beurteilen, dass die Kommission die sortimentbezogenen VAE zu Unrecht als Ausschließlichkeitsvereinbarungen eingestuft habe, muss daher geprüft werden, ob die Kunden von Google, die OEM und die MNO, nach diesen Vereinbarungen die Möglichkeit hatten, für ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil davon auch die Dienstleistungen oder Produkte von Mitbewerbern des marktbeherrschenden Unternehmens in Anspruch zu nehmen.

653

Im vorliegenden Fall und unbeschadet der Prüfung der Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste, die Gegenstand des dritten Teils des vorliegenden Klagegrundes ist, ist festzustellen, dass Google nicht bestreitet, dass die sortimentbezogenen VAE einen finanziellen Vorteil darstellten, der den OEM und den MNO unter der Bedingung gewährt wurde, dass sie keinen anderen allgemeinen Suchdienst als Google Search auf einer Reihe von Mobilgeräten vorinstallierten, die in einem vordefinierten Sortiment enthalten waren. Ebenso ist unstreitig, dass die sortimentbezogenen VAE für die betreffenden OEM und MNO, soweit sie mit einem allgemeinen Suchdienst ausgestattete intelligente Mobilgeräte vermarkten wollten, einen Anreiz darstellten, ihren Bedarf bei Google zu decken und deren Mitbewerber für einen erheblichen Teil dieser Geräte auszuschließen (vgl. Erwägungsgründe 1197 und 1199 des angefochtenen Beschlusses).

654

Zweitens macht Google geltend, dass die sortimentbezogenen VAE den Zugang zu konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten nicht ausgeschlossen hätten, weil diese trotz der exklusiven Vorinstallation von Google Search zugänglich geblieben seien. Dies gelte für das Herunterladen konkurrierender Anwendungen oder den direkten Zugang über andere mobile Internetbrowser als Chrome.

655

Insoweit ergibt sich aus der oben angeführten Rechtsprechung zu Ausschließlichkeitsvereinbarungen, dass der Begriff der Ausschließlichkeit danach zu beurteilen ist, ob die Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens die Möglichkeit haben, identische Leistungen der Mitbewerber dieses Unternehmens in Anspruch zu nehmen. Die Ausschließlichkeit ist also nicht anhand des Verhaltens der Nutzer, sondern anhand des Verhaltens der Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens zu beurteilen. Das Argument von Google, dass der Nutzer von sich aus auf mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchdienste zurückgreifen könne, indem er diese Anwendungen oder andere Browser als Chrome herunterlade, ist daher als ins Leere gehend zurückzuweisen.

656

Drittens macht Google geltend, dass der räumliche Geltungsbereich bestimmter sortimentbezogener VAE auf bestimmte Mitgliedstaaten beschränkt gewesen sei. Wie die Kommission jedoch zutreffend feststellt, bestreitet Google nicht, dass es sich bei den erfassten Märkten um alle einzeln betrachteten nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste handelt. Der Umstand, dass einige sortimentbezogene VAE nur für eine begrenzte Anzahl von Mitgliedstaaten gelten, kann eine Ausschließlichkeitswirkung auf den betreffenden nationalen Märkten nicht ausschließen.

657

Google kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Kommission mit der Einstufung der in Rede stehenden Zahlungen als Ausschließlichkeitszahlungen einen Beurteilungsfehler begangen habe.

3.   Zweiter Teil: Unzureichende Begründung

658

In der mündlichen Verhandlung hat Google geltend gemacht, dass der angefochtene Beschluss unzureichend begründet sei. Die Kommission habe nämlich in keiner Weise dargelegt, inwiefern eine Praxis, durch die der relevante Markt nach Auffassung von Google nur eingeschränkt erfasst werde, den Wettbewerb beschränken könne.

659

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und des Interesses zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu beurteilen ist (Urteil vom 27. Juni 2012, Microsoft/Kommission, T‑167/08, EU:T:2012:323, Rn. 99).

660

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Gründe, aus denen die Kommission die sortimentbezogenen VAE als missbräuchlich eingestuft hat, in den Erwägungsgründen 1188 bis 1336 des angefochtenen Beschlusses dargelegt werden, die der Prüfung der Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE gewidmet sind. Im Rahmen dieser Begründung hat sich die Kommission in den Erwägungsgründen 1286 bis 1304 mit der Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste durch die streitige Praxis befasst.

661

In Anbetracht dieser Erwägungen und des dagegen gerichteten Vorbringens von Google im dritten Teil des vorliegenden Klagegrundes ist das Gericht der Auffassung, dass Google in der Lage war, der Analyse der Kommission in diesem Punkt sachdienlich entgegenzutreten, und dass es selbst in der Lage ist, die Begründetheit dieses Vorbringens zu beurteilen.

662

Folglich ist die von Google erhobene Rüge eines Begründungsmangels als unbegründet zurückzuweisen.

4.   Dritter Teil: Feststellung einer Wettbewerbsbeschränkung

663

Google macht geltend – was die Kommission bestreitet –, dass die in den sortimentbezogenen VAE enthaltene Bedingung der exklusiven Vorinstallation im angefochtenen Beschluss nicht ordnungsgemäß im Licht aller relevanten Umstände geprüft worden sei, um ihre Verdrängungswirkungen festzustellen.

664

Erstens berücksichtige der angefochtene Beschluss nicht, dass durch die streitige Praxis nur ein geringer Anteil des Marktes erfasst worden sei und ihre Auswirkungen unbedeutend seien. Zweitens werde im angefochtenen Beschluss die Eignung der sortimentbezogenen VAE, hypothetisch ebenso leistungsfähige Wettbewerber zu verdrängen, insbesondere die Fähigkeit dieser Wettbewerber, die VAE auszugleichen, falsch beurteilt. Drittens lasse der angefochtene Beschluss die Bedingungen für die Gewährung der in Rede stehenden Zahlungen außer Acht, die den Nutzern einen ungehinderten Zugang zu den Mitbewerbern beließen. Viertens habe die Kommission keinen gültigen kontrafaktischen Test durchgeführt.

a)   Zur Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE und zu deren Auswirkungen

1) Angefochtener Beschluss

665

Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission festgestellt, dass die sortimentbezogenen VAE einen „signifikanten Teil“ der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste erfasst hätten (1286. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

666

Erstens weist die Kommission zur Untermauerung dieser Feststellung darauf hin, dass die sortimentbezogenen VAE mit den wichtigsten OEM, die Google-Android-Smartphones verkauften, und mit den wichtigsten auf dem europäischen Markt tätigen MNO abgeschlossen worden seien. Nach Angaben der Kommission sollen die betreffenden OEM in den Jahren 2011-2012 nahezu [80-90] % der Google-Android-Smartphones auf dem europäischen Markt verkauft haben. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Google-Android-Smartphones 56 % aller in den Jahren 2011-2012 verkauften Smartphones ausmachten, schließt die Kommission daraus, dass die sortimentbezogenen VAE [40-50] % aller in diesem Zeitraum in Europa verkauften Smartphones erfasst hätten. Die Kommission stellt insoweit klar, dass sie nicht alle von den MNO im Rahmen ihrer sortimentbezogenen VAE verkauften Smartphones einbezogen habe, weil diese für die beiden einbezogenen MNO nur einen sehr geringen Teil der genannten Verkäufe ausgemacht hätten (Erwägungsgründe 1287 bis 1289 und Fn. 1376 des angefochtenen Beschlusses).

667

Zweitens weist die Kommission darauf hin, dass der Anteil der Suchanfragen, die von allen Mobilgeräten über Google Search gestellt worden seien, im Zeitraum zwischen 2012 und 2014 deutlich gestiegen sei und 2014 fast [30-40] % der im EWR durchgeführten Google-Suchanfragen ausgemacht habe (1290. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

668

Drittens verweist die Kommission darauf, dass die sortimentbezogenen VAE ab 2013 durch die gerätebezogenen VAE ersetzt worden seien, die 2013 fast [50-60] % und 2014 fast [60-70] % der Google-Android-Geräte erfasst hätten. Ebenso weist die Kommission darauf hin, dass Google Search im Apple-Browser Safari und damit für sämtliche iPhones als Standard festgelegt gewesen sei. Google Search sei somit bei der großen Mehrheit der verbleibenden Mobilgeräte oder PCs vorinstalliert oder in einem Browser als Standard festgelegt gewesen (Erwägungsgründe 1291 bis 1293 und 1298 des angefochtenen Beschlusses).

669

Viertens habe sich der Anteil der von Google-Android-Geräten ausgehenden Suchanfragen 2013 auf [10-20] % und 2014 auf [10-20] % der gesamten Google-Suchanfragen im EWR belaufen (1294. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses; für 2011 und 2012 seien diese Daten nicht verfügbar).

670

Fünftens weist die Kommission in Erwiderung auf das Vorbringen von Google, dass die sortimentbezogenen VAE – selbst in Anbetracht bestimmter in der Mitteilung der Beschwerdepunkte berücksichtigter Daten, die die Möglichkeit konkurrierender allgemeiner Suchdienste betroffen hätten, mit der Höhe der den betreffenden OEM oder MNO gewährten Zahlungen mitzuhalten (vgl. Erwägungsgründe 1225 bis 1271 des angefochtenen Beschlusses) – nur minimale „Auswirkungen“ gehabt hätten, darauf hin, dass diese „Auswirkungen“ zwar Google als minimal hätten erscheinen können, für die Suchdienste jedoch erheblich gewesen seien, insbesondere weil die bei der Analyse herangezogenen Suchanfragen für sie zu einem entscheidenden Zeitpunkt in der Entwicklung der allgemeinen Suche, nämlich dem Übergang von der allgemeinen Suche auf dem PC zur allgemeinen Suche auf Mobilgeräten, eine „erhebliche Menge zusätzlicher Suchanfragen“ dargestellt hätten (Erwägungsgründe 1299 bis 1302 des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission macht ferner geltend, dass sich die weitgehende Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste durch die streitige Praxis daraus ergebe, dass die in Rede stehende Art der Suche es ermöglicht habe, wertvolle Standortdaten zu erheben, die als solche den allgemeinen Suchdienst und die daraus resultierenden Werbeeinnahmen hätten verbessern können (1298. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

2) Vorbringen der Parteien

671

Google weist darauf hin, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 1286, 1287 und 1295 des angefochtenen Beschlusses behaupte, dass die sortimentbezogenen VAE „einen erheblichen Teil der relevanten nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste“ erfasst hätten, weil die VAE für die „wichtigsten OEM“, die Google-Android-Geräte vertrieben, und für die „wichtigsten auf dem europäischen Markt tätigen MNO“ gegolten hätten. Diese Beurteilung lasse den Umfang der Markterfassung durch die beanstandete Praxis außer Acht. Eine ordnungsgemäße Analyse der Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE sei nämlich von dem Anteil der Suchanfragen abhängig, die auf Google-Android-Geräte entfielen, sowie von dem Anteil der Google-Android-Geräte, die den sortimentbezogenen VAE unterlägen.

672

Google gibt in Rn. 262 der Klageschrift bzw. – unter Berücksichtigung der dazu von der Kommission abgegebenen Stellungnahme – in Rn. 172 der Erwiderung an, dass die sortimentbezogenen VAE während des Zeitraums des behaupteten Missbrauchs durchschnittlich nur [0-5] % der nationalen „Märkte“ für die allgemeine Suche erfasst hätten. Diese „Märkte“ hätten nämlich dem 353. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zufolge „Suchanfragen über PCs und intelligente Mobilgeräte“ umfasst, und von den sortimentbezogenen VAE, die nur für bestimmte Smartphones gegolten hätten, sei nur ein unwesentlicher Teil der während des relevanten Zeitraums gestellten Suchanfragen betroffen gewesen. Zudem hätten zahlreiche OEM und MNO nie eine sortimentbezogene VAE unterzeichnet. Ein Erfassungsgrad von durchschnittlich [0-5] % im Zeitraum von 2011 bis 2014 lasse daher nicht den Schluss zu, dass die VAE den Zugang der Mitbewerber zu den relevanten Märkten „erschwert oder sogar unmöglich [gemacht]“ hätten. Ein solcher Erfassungsgrad liege zudem deutlich unter der Markterfassung durch Praktiken, die in früheren Sachen als missbräuchlich eingestuft worden seien (39 %, 40 % oder 85 %).

673

Der Kritik der Kommission, Google habe Zahlen für verkaufte und nicht für benutzte Geräte verwendet, hält Google entgegen, dass im angefochtenen Beschluss selbst die Zahl der verkauften Geräte als Maßstab für die Markterfassung herangezogen worden sei. Google fügt hinzu, selbst wenn man ihre Berechnungen dahingehend ändere, dass die in Gebrauch befindlichen Geräte einbezogen würden, und davon ausgehe, dass jedes verkaufte Gerät eine geschätzte Lebensdauer von etwa zwei Jahren habe, würde sich das nur minimal auf den Grad der Marktabdeckung auswirken.

674

Ergänzend weist Google darauf hin, dass die konkurrierenden Suchdienste nach Ansicht der Kommission, wie aus dem 1226. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgehe, höchstens [0-5] % der Suchanfragen auf Google-Android-Geräten, die der Aufteilung der Einnahmen unterlägen, hätten erzielen können, wenn ihre Anwendung neben der Anwendung Google Search vorinstalliert gewesen wäre. In Anbetracht der berücksichtigten Märkte und gemäß der eigenen Analyse der Kommission seien die Auswirkungen der sortimentbezogenen VAE auf die Anteile an den allgemeinen Suchanfragen im EWR daher in jedem Jahr der behaupteten Zuwiderhandlung äußerst gering gewesen.

675

Angesichts der geringen Markterfassung durch die beanstandeten sortimentbezogenen VAE und ihrer zu vernachlässigenden Auswirkungen sei den Gründen, die für die Feststellung angeführt worden seien, dass der Grad der Erfassung durch die Bedingung der exklusiven Vorinstallation „erheblich“ gewesen sei, nicht zu folgen.

676

Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, dass der von Google behauptete Grad der Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE die im angefochtenen Beschluss getroffene Feststellung des Ausmaßes dieser Erfassung aus den dort genannten Gründen nicht entkräfte.

677

Insbesondere könnten die jährlichen Verkäufe nicht mit der Zahl der den sortimentbezogenen VAE unterworfenen Geräte gleichgesetzt werden, ohne die in den Vorjahren getätigten Verkäufe noch in Betrieb befindlicher Geräte zu berücksichtigen. Außerdem stütze Google ihre Berechnung der Auswirkungen ohne nähere Erläuterung auf den erzielbaren Marktanteil von [0-5] % und nicht auf den Anteil von 22,5 %, den ein Mitbewerber erreichen könne, wenn sein Suchdienst in einem anderen vorinstallierten mobilen Internetbrowser als Chrome als Standard festgelegt wäre.

678

Der VDZ macht geltend, der Grad der Markterfassung sei nicht relevant, weil der Wettbewerb so weit wie möglich geschützt werden müsse, sobald der Markt beherrscht werde. In diesem Zusammenhang hätten die sortimentbezogenen VAE dazu beigetragen, die marktbeherrschende Stellung von Google zu stärken, indem sie die OEM daran gehindert hätten, den Nutzern ein Multihoming anzubieten.

3) Würdigung durch das Gericht

679

Macht das betroffene Unternehmen, wie im vorliegenden Fall, im Verwaltungsverfahren unter Vorlage von Beweisen geltend, dass eine von ihm eingeführte Ausschließlichkeitspraxis nicht geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken und insbesondere die ihm von der Kommission vorgeworfenen Verdrängungswirkungen zu erzeugen, ist die Kommission u. a. verpflichtet, den Umfang der Markterfassung durch die beanstandete Praxis zu untersuchen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 138 und 139).

680

Eine solche Untersuchung ermöglicht es, die auf die beanstandete Praxis zurückzuführenden Auswirkungen der Abschottung des relevanten Marktes zu ermitteln, um insbesondere festzustellen, welcher Teil dieses Marktes infolge der durch die streitigen Zahlungen gewährten Exklusivität dem Wettbewerb entzogen wird.

681

Aus dem 1286. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht jedoch unmissverständlich hervor, dass die Kommission der Auffassung war, dass die von Google mit bestimmten OEM und MNO geschlossenen sortimentbezogenen VAE einen erheblichen Teil der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste im EWR erfassten.

682

Desgleichen geht aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass diese unterschiedlichen Märkte sämtliche allgemeinen Suchanfragen umfassten, die von allen Gerätetypen aus durchgeführt wurden, einschließlich mobiler Geräte mit anderen BS als Android und PCs (vgl. z. B. 353. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

683

Wie Google insoweit geltend macht, ergibt sich auch aus den verschiedenen Beispielen aus der bisherigen Praxis der Kommission, dass diese eine Erfassung des relevanten Marktes zwischen 39 % und 85 % als erheblich angesehen hat.

684

Im vorliegenden Fall ist der von der Kommission als erheblich angesehene Umfang der Markterfassung durch die beanstandete Praxis als solcher jedoch wesentlich geringer als derjenige, den sie in ihrer früheren Praxis zugrunde gelegt hatte. Nach den von Google hierzu vorgelegten Daten soll er nämlich weniger als 5 % des von der Kommission definierten Marktes ausgemacht haben.

685

Obwohl die Kommission geltend macht, dass der von Google in der Klageschrift und anschließend in der Erwiderung angegebene Umfang der Markterfassung die Zahl der Geräte unterschätze, die im relevanten Zeitraum der Zuwiderhandlung Gegenstand der sortimentbezogenen VAE gewesen seien, lassen die Daten und Erläuterungen, die Google hierzu vorgelegt hat, deren Berechnung plausibel erscheinen.

686

Dies gilt umso mehr, als die Kommission – obwohl ihr dies nach der in Rn. 679 angeführten Rechtsprechung oblegen hätte – nicht angegeben hat, in welchen Umfang die verschiedenen Märkte, die sie selbst für ihre Analyse als relevant erachtete, nach ihrer eigenen Einschätzung von sortimentbezogenen VAE erfasst worden sein sollen.

687

Die Argumente, aus denen die Kommission im angefochtenen Beschluss den Schluss gezogen hat, dass durch die sortimentbezogenen VAE ein erheblicher Teil der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste im EWR erfasst worden sei, beziehen sich nämlich entweder nur auf ein Segment der verschiedenen relevanten Märkte, und zwar das Segment der von einem intelligenten Mobilgerät ausgehenden allgemeinen Suchanfragen, oder auf Umstände, die mit den Auswirkungen der streitigen Praxis auf diese Märkte nichts zu tun haben.

688

So stellt die Kommission erstens in den Erwägungsgründen 1287 bis 1289 des angefochtenen Beschlusses zum einen fest, dass die sortimentbezogenen VAE im Wesentlichen die wichtigsten OEM (die Kommission nennt drei) und MNO (die Kommission nennt vier) im EWR gebunden hätten, und zum anderen, dass die diese OEM bindenden sortimentbezogenen VAE [40-50] % aller 2011 und 2012 in Europa verkauften Smartphones betroffen hätten. Diese Feststellungen stützen jedoch nicht die Schlussfolgerung, dass die nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste in erheblichem Umfang durch die sortimentbezogenen VAE erfasst worden seien. Sie zeigen, dass nur ein Segment dieser Märkte betroffen war, nämlich das der mobilen Suche. Dieser Anteil ist umso mehr zu relativieren, als aus dem 1288. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, dass der Anteil der von OEM verkauften Google-Android-Smartphones, die von den sortimentbezogenen VAE erfasst wurden, im Zeitraum von 2011 bis 2014 allmählich von [70-80] % im Jahr 2011 auf [5-10] % im Jahr 2014 zurückging.

689

Zwar geht aus dem 1292. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass Google die sortimentbezogenen VAE ab 2013, dem Jahr, in dem der Anteil der von ihnen erfassten Google-Android-Smartphones stark zurückging, schrittweise durch gerätebezogene VAE ersetzte. Die Kommission stellt fest, dass diese gerätebezogenen VAE [50-60] % bzw. [60-70] % der 2013 und 2014 verkauften Google-Android-Smartphones erfasst hätten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Umfang der Markterfassung durch eine als wettbewerbswidrig eingestufte Ausschließlichkeitspraxis grundsätzlich nicht unter Berücksichtigung von Praktiken ermittelt werden darf, die ihrerseits als nicht wettbewerbswidrig angesehen werden. Für die Beurteilung des Umfangs der Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE ist es daher unerheblich, dass diese seit 2013 schrittweise durch gerätebezogene VAE ersetzt wurden.

690

Zweitens stellt die Kommission in den Erwägungsgründen 1290 und 1297 des angefochtenen Beschlusses fest, dass die auf allen Mobilgeräten über Google Search durchgeführten allgemeinen Suchanfragen im Zeitraum zwischen 2012 und 2014 stetig zugenommen und 2014 [30-40] % aller Google-Anfragen im EWR ausgemacht hätten. Mit dieser Feststellung lässt sich jedoch nicht der behauptete erhebliche Umfang der Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste durch die sortimentbezogenen VAE nachweisen, sondern lediglich die Bedeutung, die Google Search als Einstiegspunkt auf Mobilgeräten für Google hatte.

691

Drittens stützt die Kommission in den Erwägungsgründen 1293 und 1298 des angefochtenen Beschlusses den angeblich erheblichen Umfang der Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste durch die sortimentbezogenen VAE auf die Feststellung, dass Google Search in dem – in die von Apple verkauften Mobilgeräte integrierten – Browser Safari als Standard festgelegt sei. Wie Google jedoch geltend macht, gehört ihre Vereinbarung mit Apple nicht zu den im angefochtenen Beschluss genannten sortimentbezogenen VAE.

692

Viertens stellt die Kommission im 1294. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fest, dass der Anteil der von Google Android-Mobilgeräten ausgehenden Suchanfragen [10-20] % bzw. [10-20] % aller 2013 und 2014 durchgeführten Google-Suchanfragen betragen habe. Diese Feststellung untermauert jedoch nicht den behaupteten erheblichen Umfang der Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste, sondern belegt das Gegenteil. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass alle Google Android-Mobilgeräte in den Jahren 2013 und 2014 sortimentbezogenen VAE unterlegen hätten, was nicht der Fall war, und dass Google sämtliche Anteile an den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste gehalten hätte, was ebenfalls nicht der Fall war, auch wenn ihre Marktanteile dem nahe kamen, hätte die theoretische Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste durch die sortimentbezogenen VAE in den Jahren 2013 und 2014 nicht mehr als [10-20] % bzw. [10-20] % ausmachen können. Die Kommission hat das Ergebnis dieser rein theoretischen Berechnung in ihrer Antwort auf eine vor der mündlichen Verhandlung gestellte Frage des Gerichts ausdrücklich anerkannt.

693

Unter diesen Umständen kann der Umfang der Erfassung der relevanten Märkte durch die beanstandete Praxis nicht als erheblich eingestuft werden.

694

Zwar weist die Kommission in Erwiderung auf das Argument von Google, dass die sortimentbezogenen VAE – selbst in Anbetracht bestimmter in der Mitteilung der Beschwerdepunkte berücksichtigter Daten, die die Möglichkeit konkurrierender allgemeiner Suchdienste betroffen hätten, mit der Höhe der den betreffenden OEM oder MNO gewährten Zahlungen mitzuhalten (vgl. Erwägungsgründe 1225 bis 1271 des angefochtenen Beschlusses) – nur minimale „Auswirkungen“ gehabt hätten, darauf hin, dass diese „Auswirkungen“ zwar Google als minimal hätten erscheinen können, für diese Suchdienste jedoch erheblich gewesen seien, insbesondere weil die bei dieser Analyse herangezogenen Suchanfragen für sie zu einem entscheidenden Zeitpunkt in der Entwicklung der allgemeinen Suche, nämlich dem Übergang von der allgemeinen Suche auf dem PC zur allgemeinen Suche auf Mobilgeräten, eine „erhebliche Menge zusätzlicher Suchanfragen“ dargestellt hätten (Erwägungsgründe 1299 bis 1302 des angefochtenen Beschlusses). Ferner macht die Kommission in Erwiderung auf ein anderes Argument von Google geltend, dass sich der erhebliche Umfang der Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste durch die streitige Praxis auch daraus ergebe, dass die fragliche Art der Suche die Gewinnung wertvoller Standortdaten ermöglicht habe, die als solche den allgemeinen Suchdienst und die daraus resultierenden Werbeeinnahmen hätten verbessern können (1298. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

695

Auf der Grundlage der im angefochtenen Beschluss dargelegten und oben geprüften Erwägungen reichen diese Feststellungen jedoch nicht aus, um den Umfang der Erfassung der relevanten Märkte durch die beanstandete Praxis als erheblich einzustufen.

696

Anders wäre es gewesen, wenn sich die Kommission dafür entschieden hätte, geltend zu machen – was sie nicht getan hat –, trotz eines nicht erheblichen Umfangs der Erfassung der relevanten Märkte durch die beanstandete Praxis seien das von ihr erfasste Segment oder auch nur die hierdurch betroffenen OEM und MNO von so großer strategischer Bedeutung gewesen, dass die auf diese Praxis zurückzuführende Abschottungswirkung die mit Google konkurrierenden allgemeinen Suchdienste von den relevanten Märkten hätte ausschließen können. Dadurch wären diesen konkurrierenden Diensten dann ausreichende Möglichkeiten genommen worden, sich durch den Eintritt in diese Märkte oder durch die Expansion auf ihnen dem Leistungswettbewerb zu stellen, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem es sowohl für Google als auch für ihre Mitbewerber wie Microsoft wichtig war, sich den Herausforderungen des Übergangs von der allgemeinen Suche auf dem PC zur allgemeinen Suche auf Mobilgeräten zu stellen.

697

Eine solche Darlegung ist dem angefochtenen Beschluss aber nicht zu entnehmen, weil die Kommission sie dort lediglich angedeutet und unzureichend untermauert hat, und zwar in einem Abschnitt, der mit dem Hinweis beginnt, ihre Schlussfolgerung, dass durch die sortimentbezogenen VAE ein erheblicher Teil der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste erfasst worden sei, werde durch die von Google hierzu vorgebrachten Argumente nicht in Frage gestellt (vgl. 1295. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

698

Aus der gesamten Analyse der Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE folgt, dass deren Umfang im 1286. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fälschlich als „signifikant“ eingestuft worden ist. Dieser Fehler ist daher bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE als solcher zu berücksichtigen.

699

Darüber hinaus müssen die Argumente geprüft werden, mit denen Google geltend macht, dass die Kommission bei der Beurteilung der Bedingungen, unter denen ein mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber den durch die sortimentbezogenen VAE erzielten Wettbewerbsvorteil habe ausgleichen können, Fehler begangen habe.

b)   Zum Ausgleich der sortimentbezogenen VAE

1) Angefochtener Beschluss

700

Im angefochtenen Beschluss stellt die Kommission fest, dass ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst nicht in der Lage sei, den Verlust an Werbeeinnahmen auszugleichen, den die betroffenen OEM und MNO hinnehmen müssten, wenn neben Google Search eine konkurrierende Anwendung vorinstalliert würde. Als Erstes stützt sich die Kommission auf die folgenden Daten (Erwägungsgründe 1225 bis 1271 des angefochtenen Beschlusses).

701

Zunächst könne ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst nach Ansicht der Kommission nicht erwarten, mehr als höchstens [0-5] % der auf einem Mobilgerät durchgeführten Suchanfragen für sich zu gewinnen, wenn seine Anwendung neben Google Search vorinstalliert wäre. Dieser erzielbare Anteil würde nach Ansicht der Kommission auf 22,5 % steigen, wenn die OEM und die MNO zusätzlich zur Vorinstallation einer konkurrierenden Anwendung eine konkurrierende Suchmaschine in einem anderen mobilen Internetbrowser als Chrome als Standard festlegten.

702

Erstens weist die Kommission darauf hin, dass aufgrund der VVMA eine mit Google Search konkurrierende Anwendung nur als Ergänzung zu Google Search, nicht aber an deren Stelle vorinstalliert werden könne. Nach Angaben einiger OEM und einiger Mitarbeiter von Google herrsche auch Unklarheit über die in der VVMA vorgesehene Verpflichtung, die Suchmaschine von Google in anderen mobilen Internetbrowsern als Chrome als Standard festzulegen. Wenn die Suchmaschine von Google in allen mobilen Internetbrowsern als Standard eingestellt wäre, hätte ein konkurrierender Dienst allenfalls darauf hoffen können, dass seine mobile Anwendung neben Google Search vorinstalliert werde.

703

Zweitens gibt die Kommission detailliert an, wie sie den Anteil berechnet, der sich erzielen ließe, wenn eine konkurrierende Suchanwendung neben Google Search vorinstalliert wäre. Zum einen berücksichtigt sie den Prozentsatz (12 %) der über PCs bei allen konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten im Zeitraum von 2011 bis 2014 durchgeführten Suchanfragen und übernimmt diesen Prozentsatz als hypothetischen Anteil bei Suchanfragen über Mobilgeräte. Zum anderen setzt sie den Anteil der von Google erzielten Suchanfragen, die über Google Search durchgeführt wurden, mit [30-40] % an. Der erzielbare Anteil entspreche somit [0-5] % der über diese Anwendung gestellten Suchanfragen. Das ergebe sich daraus, dass bei dieser Hypothese jede Anwendung eines konkurrierenden Suchdienstes nach den VVMA neben Google Search vorinstalliert sein müsse. Nach Ansicht der Kommission ist dieser Prozentsatz für Google günstig.

704

Drittens gibt die Kommission detailliert an, wie sie den Anteil von 22,5 % berechnet, der sich erzielen ließe, wenn eine konkurrierende Suchmaschine darüber hinaus in einem anderen mobilen Internetbrowser als Chrome als Standard festgelegt würde. Dieser Prozentsatz ergibt sich aus der Summe des über eine mobile Anwendung erzielbaren Anteils der Suchanfragen ([0-5] %) und des Anteils der Suchanfragen, die Google über die URL-Leiste eines mobilen Internetbrowsers erhält ([10-20] %).

705

Sodann stellt die Kommission fest, dass die OEM und die MNO zwischen [0-20] % und [30-50] % der unter die sortimentbezogenen VAE fallenden Werbeeinnahmen von Google erhielten.

706

Schließlich hätten die sortimentbezogenen VAE nach Angaben der Kommission nur [70-80] % der von Google mit Suchanfragen erzielten Werbeeinnahmen erfasst. Die Kommission stellt nämlich fest, dass die sortimentbezogenen VAE die über die Homepage von Google generierten Einnahmen nicht betroffen hätten.

707

Als Zweites macht die Kommission im Licht dieser Daten geltend, dass ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst nicht in der Lage gewesen wäre, den Verlust der Einnahmen aus allen von den sortimentbezogenen VAE erfassten Geräten auszugleichen. Die Kommission zieht zwei verschiedene Szenarien in Betracht, die jeweils davon abhängen, ob die VVMA die Verpflichtung, die Suchmaschine von Google in anderen mobilen Internetbrowsern als Standard festzulegen, vorsehen oder nicht.

708

Für den Fall, dass eine solche Verpflichtung nicht besteht, führt die Kommission aus, dass ein konkurrierender Dienst, um mit einer Beteiligung von [30-40] % an den Einnahmen mitzuhalten, auf mehr als 100 % seiner Werbeeinnahmen verzichten müsste. Die Kommission fügt hinzu, dass ein konkurrierender Dienst auf mehr als [70-80] % seiner Werbeeinnahmen verzichten müsste, um mit einer Beteiligung an den Einnahmen von [10-20] % mitzuhalten. Dieser Prozentsatz sinke bei einer Beteiligung von [10-20] % an den Werbeeinnahmen von Google auf [50-60] % und bei einer Beteiligung von [10-20] % an diesen Einnahmen auf [30-40] %. Diese Unterschiede ließen sich dadurch erklären, dass Google fast [70-80] % ihrer Werbeeinnahmen aufteile, während ein konkurrierender Dienst je nach dem für ihn erzielbaren Anteil höchstens 22,5 % dieser Einnahmen aufteilen könne.

709

Zudem weist die Kommission darauf hin, dass diese Berechnung nur dann gelte, wenn die konkurrierenden Dienste im Fall einer Einnahmebeteiligung von [10-20] % auf mindestens [70-80] % der von den sortimentbezogenen VAE erfassten Mobilgeräte, im Falle einer Einnahmebeteiligung von [10-20] % auf mindestens [50-60] % dieser Mobilgeräte und im Falle einer Einnahmebeteiligung von [10-20] % auf mindestens [30-40] % dieser Mobilgeräte vorhanden seien. Bei einer Einnahmebeteiligung von [30-40] % sei ein Ausgleich in jedem Fall unmöglich.

710

Die Vorinstallation konkurrierender allgemeiner Suchdienste auf einer großen Zahl von Mobilgeräten erweise sich in der Praxis als schwierig, insbesondere bei solchen Diensten, die sich an eine kleinere Gruppe von Verbrauchern richteten, wie z. B. der Dienst von Seznam, der sich an tschechischsprachige Nutzer richte. Erschwerend komme hinzu, dass die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste nur darauf hoffen könnten, auf neuen Mobilgeräten vorinstalliert zu werden, nicht aber auf bereits im Umlauf befindlichen Geräten. Je mehr Google Android-Mobilgeräte im Umlauf seien, desto höher sei der Prozentsatz der Einnahmen, auf den die konkurrierenden Dienste verzichten müssten, um die sortimentbezogenen VAE auszugleichen.

711

Für den Fall hingegen, dass eine solche Verpflichtung besteht, Google Search in einem anderen vorinstallierten mobilen Internetbrowser als Chrome als Standard festzulegen, bleibt nach Ansicht der Kommission kein Raum für Zweifel. Um auch nur eine Beteiligung von [10-20] % an den Werbeeinnahmen von Google zu kompensieren, müsse ein konkurrierender Dienst mehr als 100 % seiner eigenen Einnahmen anbieten. Als weitere Hürde komme hinzu, dass die konkurrierende Anwendung wahrscheinlich nur auf einer begrenzten Anzahl der von den sortimentbezogenen VAE erfassten Mobilgeräte vorinstalliert werde.

2) Vorbringen der Parteien

712

Google macht geltend, dass es aufgrund der geringen Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE, des freien Zugangs der Nutzer zu den Mitbewerbern und der Möglichkeit für ebenso leistungsfähige Wettbewerber, mit den von ihr im Rahmen der sortimentbezogenen VAE geleisteten Zahlungen mitzuhalten, falsch sei, davon auszugehen, dass diese VAE geeignet gewesen seien, ebenso leistungsfähige Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. Auf der Grundlage der im angefochtenen Beschluss vorgenommenen eigenen Analyse der Kommission hätten nämlich ebenso leistungsfähige oder sogar weniger leistungsfähige Wettbewerber mit den aufgrund der sortimentbezogenen VAE geleisteten Zahlungen gleichziehen können.

713

Als Erstes behauptet Google, dass die überwiegende Mehrheit der sortimentbezogenen VAE zu Zahlungen von [10-20] % der Sucheinnahmen geführt hätten und dass Zahlungen von mehr als [20-30] % äußerst selten gewesen seien. Die im angefochtenen Beschluss, insbesondere im 1243. Erwägungsgrund, dargelegten Berechnungen zeigten jedoch, dass ebenso (oder sogar weniger) leistungsfähige Wettbewerber diejenigen sortimentbezogenen VAE ausgleichen könnten, die Zahlungen von bis zu [20-30] % anböten. Konkret heiße es im angefochtenen Beschluss: „[E]inem OEM oder MNO, der von Google einen Anteil von [20-30] % der sortimentbezogenen Einnahmen erhalten hat, hätte ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst einen Anteil an seinen eigenen Einnahmen von mehr als [70-80] % anbieten müssen“. So hätten die Mitbewerber dem angefochtenen Beschluss zufolge die sortimentbezogenen VAE ausgleichen und dabei eine Marge von etwa [30-40] % der auf die erfassten Geräte entfallenden Sucheinnahmen für sich behalten können. Diese Marge erhöhe sich im Fall einer von Google gezahlten Einnahmebeteiligung von [10-20] % auf [60-70] %.

714

Im 1246. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses werde hingegen erwähnt, dass den Mitbewerbern von den durch die erfassten Geräte erzielten Sucheinnahmen keine Marge verbleibe, wenn die von Google gezahlte Einnahmebeteiligung ein Niveau von [40-50] % erreiche, was aber nur zwei MNO betreffe. Kein anderer Partner habe aus der Beteiligung der Einnahmen Zahlungen dieser Größenordnung erhalten. Außerdem sei die Vereinbarung mit einem dieser beiden Partner-MNO getroffen worden, bevor Google ihre angeblich marktbeherrschende Stellung erlangt habe, und sie sei fast ein Jahr vor der behaupteten Zuwiderhandlung beendet worden, während sich die Vereinbarung mit dem zweiten Partner-MNO nur auf bestimmte EWR-Mitgliedstaaten erstreckt habe, wie sich aus den Erwägungsgründen 208 und 209 des angefochtenen Beschlusses ergebe. Da der Umfang der Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE insgesamt sehr gering gewesen sei, habe die Markterfassung durch diese beiden sortimentbezogenen VAE einen noch erheblich geringeren Umfang gehabt. Der angefochtene Beschluss könne daher keine wahrscheinlichen Verdrängungswirkungen dieser Vereinbarungen nachweisen.

715

Als Zweites macht Google geltend, dass die im angefochtenen Beschluss vorgenommene Analyse der Fähigkeit der Mitbewerber, mit den Zahlungen aufgrund der sortimentbezogenen VAE gleichzuziehen, mehrere Fehler enthalte, die die Schlussfolgerung der Kommission entkräfteten, dass ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst nicht in der Lage gewesen wäre, den Verlust der Zahlungen auszugleichen, die ein OEM oder ein MNO aufgrund der betreffenden VAE von Google erhalten hätte.

716

Die Marge, die ein konkurrierender Suchdienst selbst dann erzielen könne, wenn er mit den von Google gezahlten Einnahmeanteilen gleichzöge, sei von dem Anteil der Suchanfragen, den ein ebenso leistungsfähiger und attraktiver Mitbewerber erwarten könne, wenn seine Anwendung neben Google vorinstalliert werde, von dem Anteil der Geräte, auf denen ein OEM oder MNO eine konkurrierende Anwendung vorzuinstallieren bereit wäre, und von den Kosten eines ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers abhängig. In jedem dieser Punkte enthalte der angefochtene Beschluss Fehler, nach deren Berichtigung sich herausstellen würde, dass die Mitbewerber die sortimentbezogenen VAE von Google hätten überbieten können; dies gelte auch für VAE, die Einnahmeanteile von [40-50] % vorsähen.

717

Erstens hätte ein ebenso leistungsfähiger Mitbewerber weit mehr als 12 % der über die Anwendung Google Search vorgenommenen Suchanfragen erhalten können, wenn die konkurrierende Suchanwendung ebenfalls vorinstalliert gewesen wäre. Beispielsweise habe Seznam in der Tschechischen Republik während des Zeitraums des behaupteten Missbrauchs bis zu 26 % der jährlichen Anteile der allgemeinen Suchanfragen auf PCs erzielt. Ein ebenso attraktiver und damit ebenso leistungsfähiger Mitbewerber hätte also mindestens 26 % der allgemeinen Suchanfragen erhalten können.

718

Zweitens hätte ein ebenso leistungsfähiger Mitbewerber Suchanfragen über seine Homepage erhalten und über diesen Einstiegspunkt Einnahmen generieren können, die geteilt werden könnten. Google habe solche Einnahmen zwar nicht geteilt, hätte aber von einem mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber durch die Teilung dieser Einnahmen überboten werden können.

719

Drittens hätte ein ebenso leistungsfähiger Mitbewerber zusätzliche Suchanfragen über eine Festlegung als Standard in einem mobilen Internetbrowser erhalten können, was die VVMA nicht untersagt hätten. Die im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Erklärungen von drei OEM belegten nicht, dass die OEM die Bedingungen der VVMA falsch verstanden hätten. Jedenfalls sei diese Frage anhand des objektiven Wortlauts der VVMA zu beurteilen und nicht auf der Grundlage von Missverständnissen. Außerdem deuteten diese Erklärungen nicht darauf hin, dass die OEM keinen anderen Browser oder keinen anderen Suchdienst in der URL-Leiste anderer Browser als Standard hätten festlegen dürfen. Andere Dokumente belegten, dass es den OEM nach der VVMA freigestanden habe, in den Browsern konkurrierende Suchdienste als Standard festzulegen, und bestätigten, dass die OEM dies auch so verstanden hätten. Im angefochtenen Beschluss werde die behauptete Verdrängungswirkung der VAE von Google daher überbewertet.

720

Viertens erkläre der angefochtene Beschluss weder, warum ein ebenso leistungsfähiger Mitbewerber eine Vorinstallation nur auf einem begrenzten Teil der Geräte der OEM erhalten könne, noch, warum ein bestimmter OEM daran gehindert gewesen sein solle, Anwendungen auf einigen seiner Geräte doppelt vorzuinstallieren, auf anderen aber nicht, noch, warum konkurrierende Anwendungen während der Laufzeit der VAE nicht auf bereits verkauften Geräten hätten vorinstalliert werden können.

721

Fünftens überschätze der angefochtene Beschluss die Kosten von Google und unterschätze daher die Marge, die ein ebenso leistungsfähiger Mitbewerber selbst dann erzielen könne, wenn er mit den sortimentbezogenen VAE von Google gleichzöge.

722

Nach Ansicht von Google hätte ein ebenso leistungsfähiger Mitbewerber mindestens [30-40] % der Suchanfragen an sich ziehen können, wenn er neben Google vorinstalliert und als Standard festgelegt worden wäre. Er hätte in der Lage sein müssen, eine Vorinstallation auf einem ganzen Sortiment von Geräten zu erreichen, und wäre mit Kosten von nur [5-10] % konfrontiert gewesen. Folglich hätte er die sortimentbezogenen VAE von Google überbieten und gleichwohl eine Marge von [10-20] % bei VAE, die zu Zahlungen von [40-50] % führten, bis zu [70-80] % bei VAE, die zu Zahlungen von [10-20] % führten, erzielen können.

723

Die Kommission weist ihrerseits als Erstes darauf hin, dass die Analyse der Unfähigkeit ebenso leistungsfähiger Mitbewerber, die Zahlungen von Google auszugleichen, nur einer von mehreren Faktoren sei, um zu bestimmen, ob die sortimentbezogenen VAE geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken. Darüber hinaus sei die Anwendung des AEC‑Tests in einer Situation, in der die Struktur des Marktes das Auftreten eines ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers praktisch unmöglich mache, nicht relevant.

724

Die Kommission ist außerdem der Ansicht, dass es im vorliegenden Fall unrealistisch wäre, die beherrschende Stellung von Google bei der allgemeinen Suche außer Acht zu lassen, die die Hebelwirkung verstärke, die Google beim Abschluss sortimentbezogener VAE mit den OEM und den MNO zugutekomme. Auch die Beweggründe von Google für den Abschluss dieser VAE seien von Bedeutung, ebenso wie deren Ziel, sicherzustellen, dass auf den im vereinbarten Sortiment enthaltenen Geräten sämtliche Bedürfnisse der OEM und der MNO nach allgemeinen Suchdiensten durch Google abgedeckt würden.

725

Was als Zweites die Bewertung der sortimentbezogenen VAE betrifft, weist die Kommission insbesondere auf die mangelnde Einheitlichkeit der VAE sowie auf die Beschränkungen hin, die die VVMA den OEM auferlegten. Im angefochtenen Beschluss wird insoweit festgestellt, dass es auf einem Google-Android-Gerät eine Reihe von Einstiegspunkten für die Suche gebe, die aufgrund der VVMA bereits zum Vorteil von Google konfiguriert seien, nämlich infolge der Verpflichtung zur Vorinstallation der Anwendung Google Search auf dem Startbildschirm des Geräts und zur Vorinstallation des Browsers Google Chrome, bei dem Google Search als Standard für die allgemeine Suche festgelegt sei.

726

In diesem Zusammenhang zahle Google den OEM oder den MNO einen Prozentsatz zwischen [0-10] % und [30-40] % der Netto-Werbeeinnahmen von Google, die auf einem definierten Sortiment von Geräten durch die Google-Suche über die Anwendung Google Search, über die URL-Leiste von Chrome und über die URL-Leiste aller anderen mobilen Internetbrowser erzielt würden. Diese Zahlungen seien an die Bedingung geknüpft, dass die OEM oder die MNO die Exklusivität wahrten, d. h., dass sie auf keinem der Geräte des betreffenden Sortiments einen Dienst installieren dürften, der Google Search ähnlich sei.

727

Die Kommission weist auch darauf hin, dass für die OEM Ungewissheit darüber bestanden habe, ob die VVMA sie daran hinderten, in einem von ihnen möglicherweise zusätzlich zu Chrome vorinstallierten Browser einen anderen allgemeinen Suchdienst als Standard festzulegen. Einige OEM hätten ihre VVMA dahin verstanden, dass sie ihnen vorschreibe, den allgemeinen Suchdienst von Google für alle Einstiegspunkte auf den Geräten in ihrem Sortiment als Standarddienst festzulegen. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst mit den Zahlungen von Google hätte mithalten können, sei die Kommission jedoch von der für Google günstigen Annahme ausgegangen, dass die VVMA keine derartige Beschränkung vorgeschrieben hätten. Die hierzu von Google vorgebrachten Argumente gingen daher ins Leere.

728

Als Drittes macht die Kommission erstens geltend, dass die Kritik von Google an der Argumentation im angefochtenen Beschluss einen Zwischenschritt der Berechnung zum Ausgangspunkt nehme, ohne die anschließend dargelegte Analyse des begrenzten Umfangs der Installation, die ein Mitbewerber erwarten könne, zu berücksichtigen. Diese Feststellungen würden durch die Kritik in Bezug auf die mit zwei Android-OEM-Partnern geschlossenen sortimentbezogenen VAE nicht in Frage gestellt.

729

Was zweitens das Argument von Google anbelange, dass der Vergleichswert von 12 %, der auf dem Anteil beruhe, den alle Mitbewerber zusammen bei allgemeinen Suchanfragen auf PCs erzielt hätten, irrelevant sei, weil er nicht den Anteil widerspiegele, den ein Mitbewerber hätte erzielen können, weist die Kommission darauf hin, dass ihre Bewertung der Fähigkeit der Mitbewerber, mit den Zahlungen von Google gleichzuziehen, für Google günstig sei. Ebenso weist die Kommission auch alle weiteren von Google in dieser Hinsicht vorgebrachten Argumente zurück.

730

Was drittens das Argument von Google anbelange, dass die Mitbewerber die über ihre Homepage erzielten Einnahmen teilen könnten, sei es illusorisch, davon auszugehen, dass diese Mitbewerber bereit wären, Einnahmen zu teilen, die Google im Rahmen ihrer eigenen VAE nicht teile.

731

Viertens erläutere der angefochtene Beschluss sehr wohl, warum es unwahrscheinlich sei, dass konkurrierende allgemeine Suchdienste auf dem gesamten Gerätesortiment eines OEM installiert würden, welche Auswirkungen die Vorinstallation der Anwendung Google Search auf bereits verkauften Geräten habe, warum ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst die Zahlungen von Google trotz steigender Verkäufe neuer Geräte nicht ausgleichen könne und warum die OEM wahrscheinlich keine VAE mit mehreren konkurrierenden Diensten abschließen würden, um die Zahlungen von Google auszugleichen.

732

Fünftens gehe das die Kosten betreffende Vorbringen von Google ins Leere, sofern das Gericht den Argumenten folge, mit denen die Kommission die Richtigkeit ihrer Analyse untermauere, wonach ein Mitbewerber nicht in der Lage sei, mit den Bedingungen der sortimentbezogenen VAE von Google mitzuhalten. Jedenfalls sei dieses Vorbringen vor allem deshalb unbegründet, weil die von Google berechneten Kosten keinen Anteil an ihren Fixkosten, insbesondere den Kosten für Forschung und Entwicklung (F&E), enthielten.

3) Würdigung durch das Gericht

733

Google wirft der Kommission vor, davon ausgegangen zu sein, dass die konkurrierenden Unternehmen nicht in der Lage gewesen wären, den Verlust auszugleichen, der den OEM und den MNO entstanden wäre, falls sie sich dazu entschlossen hätten, neben Google Search eine konkurrierende allgemeine Suchanwendung vorzuinstallieren.

734

Um zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen, hat die Kommission u. a. einen AEC‑Test durchgeführt, dessen Ergebnisse von Google ebenso angezweifelt werden wie die angewandte Methodik und die zugrunde gelegten quantitativen Annahmen. Die von Google behaupteten Fehler sind daher im Licht der oben in den Rn. 639 bis 645 angeführten Rechtsprechungsgrundsätze zu prüfen.

i) Zu den einem hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber zuzurechnenden Kosten

735

Nach Ansicht von Google überschätzt die Kommission in den Erwägungsgründen 1265 und 1266 des angefochtenen Beschlusses die Kosten von Google und unterschätzt damit die Marge, die ein konkurrierender Suchdienst erzielen könnte, wenn seine Anwendung neben Google Search vorinstalliert wäre.

736

Die Kommission gehe nämlich zu Unrecht davon aus, dass die Kosten von Google [10-20] % ihrer Werbeeinnahmen entsprächen und dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber mindestens [10-20] % der Werbeeinnahmen einbehalten müsse, um mit Google zu konkurrieren. Google trägt vor, die ihr entstandenen und für die Zwecke des AEC‑Tests relevanten Kosten hätten eher in der Größenordnung von [0-10] % gelegen. Statt Vermutungen über die Kosten von Google anzustellen, hätte die Kommission leicht Zugang zu genauen Informationen erhalten können, indem sie Zugang zu den Finanzdaten von Google beantragt hätte.

737

Die Kommission macht geltend, dass sich die Frage der Kosten als irrelevant erweise. Die Behauptung von Google, dass ein ebenso leistungsfähiger Mitbewerber in der Lage gewesen wäre, statt [10-20] % nur [0-10] % der Kosten abzuziehen, reiche nicht aus, um das Ergebnis der im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Analyse zu ändern. Google erbringe keinen gegenteiligen Beweis und verschweige, dass ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst, wie im 1267. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegt, auch einen Teil seiner Fixkosten, insbesondere der Kosten für Forschung und Entwicklung, decken müsse.

738

Darüber hinaus hält die Kommission die Rüge, dass „relevante und verfügbare Informationen“ nicht berücksichtigt worden seien, für unbegründet. Google habe die ihrer Klageschrift beigefügten Daten im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt.

739

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber, wie die Kommission im 1259. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausführt, ein Mitbewerber ist, der die gleiche Fähigkeit zur Erzielung von Einnahmen aufweist und mit den gleichen Kosten konfrontiert ist wie das Unternehmen in beherrschender Stellung. Dieses Erfordernis wird auch in den Erläuterungen zum Behinderungsmissbrauch aufgestellt. Die Kommission weist nämlich im Wesentlichen darauf hin, dass sie nach Rn. 25 dieser Erläuterungen bei der Prüfung der Frage, ob ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber Gefahr laufe, durch Preisbildungspraktiken vom Markt verdrängt zu werden, u. a. Wirtschaftsdaten über die Kosten des marktbeherrschenden Unternehmens untersuche, sofern diese verfügbar seien.

740

Die zu berücksichtigenden Kosten wirken sich nämlich unmittelbar auf die Marge aus, die ein hypothetischer Mitbewerber, der mindestens ebenso leistungsfähig ist wie Google, voraussichtlich für sich behalten könnte, wenn er Ausschließlichkeitszahlungen leisten müsste, um im vorliegenden Fall die sortimentbezogenen VAE auszugleichen. Je niedriger die zu deckenden Kosten sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber eine hohe Marge erzielen und entsprechend hohe Einnahmen teilen kann.

741

Zusätzlich zu dieser Vorbemerkung ist erstens festzustellen, dass die Kommission im 1265. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausführt, Google habe in ihrer Antwort auf das zweite Sachverhaltsschreiben „anerkannt“, dass ihre sogenannten „Betriebskosten“ [10-20] % ausmachten und dass ein Mitbewerber, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig sei wie sie, im Wesentlichen Kosten in derselben Höhe hätte tragen müssen.

742

Es trifft zwar zu, dass Google in ihrer Antwort auf das zweite Sachverhaltsschreiben einräumt, dass das Dokument, auf das sich die Kommission stützt, nämlich eine mit einem OEM abgeschlossene sortimentbezogene VAE, eine Zeile zu „Betriebskosten“ enthält, in der diese Kosten mit [10-20] % angegeben werden. Google hat jedoch auch deutlich hervorgehoben, dass der von der Kommission angenommene Prozentsatz nicht den im Rahmen der Durchführung des AEC‑Tests relevanten Kosten – den Grenzkosten – entspreche.

743

Google hatte der Kommission nämlich mitgeteilt, dass dieser Prozentsatz nichts mit den Kosten zu tun habe, die ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber zu tragen hätte. Er entspreche lediglich der Verringerung des Prozentsatzes der mit dem Vertragspartner geteilten Einnahmen, die nur als Brutto- und nicht als Nettowert ausgedrückt werde. Dies hatte Google in ihrer Antwort auf das erste Sachverhaltsschreiben dargelegt.

744

Die Kommission kann daher nicht behaupten, dass Google der Berücksichtigung eines solchen Prozentsatzes als für die Durchführung des AEC‑Tests relevanter Kosten stillschweigend zugestimmt habe, denn damit würde sie die Antwort von Google auf das zweite Sachverhaltsschreiben verfälschen.

745

Zweitens hatte Google in ihrer Antwort auf das zweite Sachverhaltsschreiben darauf hingewiesen, dass es Aufgabe der Kommission sei, eine ordnungsgemäße Untersuchung durchzuführen, um die relevanten Kosten genau zu bestimmen. Konkret hatte Google der Kommission vorgeworfen, die im Rahmen des AEC‑Tests zu berücksichtigenden Kosten mit [10-20] % angesetzt und diesen Prozentsatz aus Dokumenten abgeleitet zu haben, die von einem Dritten vorgelegt worden seien, und nicht aus einer Antwort auf ein direkt an Google gerichtetes Auskunftsersuchen.

746

Wie insbesondere aus Rn. 25 der Erläuterungen zum Behinderungsmissbrauch hervorgeht, muss die Kommission jedoch, sofern verfügbar, wirtschaftliche Daten des marktbeherrschenden Unternehmens berücksichtigen, so dass sie im vorliegenden Fall keine angemessene Prüfung der Kosten vorgenommen hat.

747

Außerdem kann Google nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie diese Daten, wie die Kommission feststellt, im Verwaltungsverfahren nicht von sich aus übermittelt hat.

748

Die Beweislast dafür, dass eine Praxis missbräuchlich ist, liegt nämlich bei der Kommission, die dabei gegebenenfalls die vom betreffenden Unternehmen vorgebrachten Rechtfertigungsgründe zu berücksichtigen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 138 bis 140). Daher durfte sich die Kommission im vorliegenden Fall nicht allein auf die Daten in einem von einem Dritten vorgelegten Dokument stützen und davon absehen, sich diese Angaben, gegebenenfalls durch ein Auskunftsersuchen, von Google bestätigen zu lassen.

749

Drittens geht aus dem 1266. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Kommission die Relevanz der Grenzkosten für den im vorliegenden Fall angewendeten AEC‑Test anerkennt, indem sie feststellt, dass die von Google abgezogenen „Betriebskosten“ insofern, als sie einen Prozentsatz der mit den Suchanfragen verbundenen Einnahmen darstellten, im Wesentlichen diesen Kosten nahe kämen.

750

Insoweit stützt sich die Kommission jedoch auf bloße Vermutungen, ohne genauere Daten von Google heranzuziehen. Dieser Punkt ist umso wichtiger, als Google ihre im Rahmen des AEC‑Tests zu berücksichtigenden Grenzkosten vor dem Gericht auf [0-10] % beziffert. Wie Google zutreffend geltend macht, kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass ein hypothetisch ebenso leistungsfähiger Mitbewerber, der nur [0-10] % der Kosten decken muss, die sortimentbezogenen VAE problemloser hätte ausgleichen können als von der Kommission angenommen.

751

Unter diesen Umständen kann sich die Kommission nicht auf den Hinweis beschränken, dass das Vorbringen von Google ins Leere gehe, indem sie vor dem Gericht geltend macht, dass die Berücksichtigung eines geringeren Prozentsatzes das Ergebnis des AEC‑Tests unverändert lassen würde und Google nicht das Gegenteil behaupte.

752

Daraus folgt, dass der Verweis von Google auf einen wesentlich niedrigeren Prozentsatz als den, von dem die Kommission im angefochtenen Beschluss ausgegangen ist, in Verbindung mit der Tatsache, dass die Kommission keine weitergehende Untersuchung eingeleitet und hierfür im angefochtenen Beschluss keine ausführliche Begründung gegeben hat, Zweifel an der Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit des von der Kommission durchgeführten AEC‑Tests aufkommen lassen kann.

ii) Zu den Einnahmen, die ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber hätte teilen können

753

Nach Ansicht von Google blendet die Kommission zu Unrecht den Anteil der Suchanfragen aus, den ein konkurrierendes Unternehmen über die Internet-Homepage seiner Suchmaschine erzielen könnte. Auch wenn Google die durch Suchanfragen auf ihrer Internet-Homepage erzielten Werbeeinnahmen nicht teile, hätten sich mindestens ebenso leistungsfähige konkurrierende Unternehmen dafür entscheiden können, diese Einnahmen zu teilen und auf diese Weise mit Google in Wettbewerb zu treten. Im 1264. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses habe die Kommission diese Möglichkeit ausgeschlossen, ohne dies jedoch hinreichend zu begründen.

754

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass sich Google nur gegen einen der beiden Gründe wendet, aus denen die Kommission diese Möglichkeit in Abrede gestellt hat. Im 1264. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stellt die Kommission nämlich fest, dass die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste die durch Suchanfragen auf der Webseite ihrer Suchmaschinen generierten Werbeeinnahmen nicht teilen würden, weil Google sie erstens nicht teile und sie zweitens unabhängig von irgendwelchen mit den OEM und den MNO getroffenen Vereinbarungen über die Aufteilung von Einnahmen erzielt würden.

755

Das Argument von Google kann keinen Erfolg haben. Bei der Beurteilung, ob eine Praxis geeignet ist, einen hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber vom Markt auszuschließen, muss berücksichtigt werden, welche Einnahmen das marktbeherrschende Unternehmen teilt. Andernfalls würde diese Prüfung darauf hinauslaufen, die Auswirkungen des Verhaltens eines marktbeherrschenden Unternehmens auf einen Mitbewerber zu bewerten, der weniger leistungsfähig ist, weil er eine zusätzliche Einnahmequelle teilen müsste, um konkurrenzfähig zu sein.

756

Darüber hinaus reicht der zweite im 1264. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannte Grund aus, um die Berücksichtigung solcher Einkünfte bei der Durchführung des AEC‑Tests im vorliegenden Fall auszuschließen. Der Sinn einer Vereinbarung über die Aufteilung von Einnahmen besteht darin, die OEM und die MNO dazu anzuhalten, Suchanfragen zu privilegieren, die insbesondere über eine mobile Anwendung oder über einen anderen Einstiegspunkt erfolgen. Hingegen haben die OEM und die MNO unabhängig davon, welche Vereinbarungen sie möglicherweise getroffen haben, keine Möglichkeit, die Nutzer dazu zu bewegen, von sich aus die Homepage einer konkurrierenden Suchmaschine zu besuchen.

757

Daher ist dieses Argument als unbegründet zurückzuweisen.

iii) Zum Anteil der Suchanfragen, die ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber erzielen könnte

758

Google macht geltend, dass die Marge, die die konkurrierenden Unternehmen hätten verwenden können, um den sortimentbezogenen VAE entgegenzuwirken, nach oben korrigiert werden müsse. Dies beruhe darauf, dass der im 1234. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zugrunde gelegte erzielbare Anteil an Suchanfragen hätte höher sein müssen. Überdies hätten die VVMA die betroffenen OEM oder MNO nicht daran gehindert, in einem anderen vorinstallierten mobilen Internetbrowser als Chrome einen konkurrierenden Suchdienst als Standard festzulegen. Die Kommission weist ihrerseits darauf hin, dass die im angefochtenen Beschluss zugrunde gelegten Daten für Google günstig seien. Sie weist ferner darauf hin, dass die Tragweite der VVMA nicht eindeutig sei, was sich im Verhalten der OEM und der MNO widerspiegele.

759

Hierzu ist als Erstes festzustellen, dass die Tragweite der VVMA nicht von allen betroffenen OEM und MNO in gleicher Weise beurteilt wurde. Wie die Kommission in den Erwägungsgründen 1229 und 1230 des angefochtenen Beschlusses feststellt, legten einige, aber nicht alle OEM und MNO die VVMA dahin aus, dass sie es untersagten, in einem anderen mobilen Internetbrowser als Chrome einen konkurrierenden allgemeinen Suchdienst als Standard festzulegen.

760

Diese Feststellung bleibt nicht ohne Einfluss auf die Erwägungen der Kommission im angefochtenen Beschluss. Für den Fall eines erzielbaren Anteils der Suchanfragen, bei denen als Einstiegspunkt zu den konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten auch die standardmäßige Festlegung einer konkurrierenden Suchmaschine in einem Browser eines Drittanbieters in Betracht kommt, gelangt die Kommission nämlich im 1243. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses in einem Zwischenstadium ihrer Analyse im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass ein Mitbewerber, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig sei wie Google, fast alle sortimentbezogenen VAE ausgleichen könnte. Diese Feststellung wird jedoch von der Kommission selbst im 1244. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses in Frage gestellt, weil sie dort als zusätzlichen Parameter, der von Google im Rahmen der vorliegenden Klage ebenfalls bestritten wird, den begrenzten Umfang der Vorinstallation einbezieht, den ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst in der Praxis erreichen könne.

761

Wird hingegen nur ein einziger Einstiegspunkt berücksichtigt, und zwar die Vorinstallation einer konkurrierenden Anwendung neben Google Search, kommt die Kommission im Anschluss an dieses Zwischenstadium ihrer Analyse im 1253. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass es für einen Mitbewerber, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig sei wie Google, unmöglich sei, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen. In diesem Zusammenhang ist daher auf die Frage einzugehen, inwieweit bei der Anwendung des AEC‑Tests die unterschiedlichen Auslegungen der VVMA zu berücksichtigen sind.

762

Unklarheiten oder Zweifel, die sich – wie im vorliegenden Fall – auf den Umfang einer vertraglichen Verpflichtung beziehen, müssen im Rahmen einer der Ahndung dienenden Untersuchung, die zur Verhängung einer Geldbuße führen kann, dem betroffenen Unternehmen zugutekommen, um zu vermeiden, dass es die Last dieser Zweifel tragen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 71 und 72).

763

Daher durfte die Kommission bei der Durchführung des AEC‑Tests nur vom Fall eines erzielbaren Anteils ausgehen, der sowohl den Anteil umfasst, der sich aus der Vorinstallation einer konkurrierenden Anwendung neben Google Search ergibt, als auch den Anteil, der sich daraus ergibt, dass ein konkurrierender Suchdienst in einem anderen mobilen Internetbrowser als Chrome als Standard festgelegt ist.

764

Als Zweites wirft Google der Kommission vor, den von einem hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mittbewerber erzielbaren Anteil der Suchanfragen auf mobilen Geräten zu niedrig angesetzt zu haben. Nach Ansicht von Google wäre ein solcher Mitbewerber in der Lage, mehr als 12 % der von den Nutzern über Google Search getätigten Suchanfragen zu erzielen.

765

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der erzielbare Anteil von 12 % der Suchanfragen, wie aus dem 1234. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, dem von allen konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten zusammen erzielten Anteil der im EWR auf PCs durchgeführten allgemeinen Suchanfragen entspricht. Die Kommission hat nämlich den erzielten Anteil allgemeiner Suchanfragen auf PCs auf den erzielbaren Anteil allgemeiner Suchanfragen auf Mobilgeräten übertragen. Von diesem Anteil ausgehend hat die Kommission den maximalen Anteil allgemeiner Suchanfragen ermittelt, den ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst höchstens hätte erzielen können, wenn seine Anwendung neben Google Search vorinstalliert gewesen wäre.

766

Um ihre Behauptungen zu untermauern, weist Google erstens darauf hin, dass der von allen konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten zusammen erzielte Anteil auf PCs durchgeführter allgemeiner Suchanfragen sehr gering sei. Dies impliziert nach Auffassung von Google, dass es sich bei den konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten nicht um hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähige Mitbewerber handelt. Google weist zudem darauf hin, dass auf den nationalen Märkten, auf denen konkurrierende Dienste eine große Reichweite hätten, wie z. B. Seznam in der Tschechischen Republik, der erzielte Anteil höher sei. Zweitens habe die Kommission unerwähnt gelassen, dass Bing im maßgeblichen Zeitraum auf fast allen PCs als Standard festgelegt gewesen sei.

767

In diesem Zusammenhang kann zum einen das Argument, dass Bing auf fast allen PCs als Standard festgelegt gewesen sei, keinen Erfolg haben. Die Kommission weist nämlich darauf hin, dass Bing im maßgeblichen Zeitraum (2011 bis 2014) nicht auf allen PCs als Standard eingestellt gewesen sei, ohne dass Google dies bestritten hätte. Microsoft war in diesem Zeitraum verpflichtet, den Nutzern die Wahl zu überlassen.

768

Zum anderen macht Google geltend, dass sich die Kommission bei der Annahme eines erzielbaren Anteils von 12 % der Suchanfragen nicht auf den Anteil gestützt habe, den ein Mitbewerber, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig gewesen sei wie Google, hätte erzielen können. Vielmehr habe die Kommission den Anteil zugrunde gelegt, der tatsächlich von sämtlichen – möglicherweise auch weniger leistungsfähigen – allgemeinen Suchdiensten auf PCs erzielt worden sei. Dieser Fehler mache den gesamten AEC‑Test der Kommission unbrauchbar.

769

Die Definition des erzielbaren Anteils der Suchanfragen beruht, wie Google zu Recht geltend macht, auf einem Denkfehler und einem Fehlverständnis des AEC‑Tests.

770

Erstens lässt der Umstand, dass die Kommission als Ausgangspunkt ihrer Erwägungen den Anteil der von PCs ausgehenden allgemeinen Suchanfragen gewählt hat, den alle konkurrierenden allgemeinen Suchdienste zusammen tatsächlich erzielt haben, nicht mit hinreichender Sicherheit darauf schließen, dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber auf Mobilgeräten höchstens einen identischen Anteil hätte erzielen können. Die tatsächlich erzielten Anteile auf PCs konnten im vorliegenden Fall vernünftigerweise nicht als Grundlage für einen AEC‑Test herangezogen werden, mit dem der Anteil der allgemeinen Suchanfragen ermittelt werden sollte, den ein Mitbewerber, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig war wie Google, auf Mobilgeräten hätte erzielen können.

771

Zweitens war der auf bestimmten nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste, insbesondere dem der Tschechischen Republik, von einigen Wettbewerbern wie z. B. Seznam erzielte Anteil offenbar weit höher als der, den die Kommission im angefochtenen Beschluss zugrunde gelegt hat. Google hat nämlich, ohne dass die Kommission dem widersprochen hätte, darauf hingewiesen, dass Seznam während des Zeitraums der Zuwiderhandlung bis zu 26 % der allgemeinen Suchanfragen auf PCs erhalten habe.

772

Auch der Umstand, dass der erzielbare Anteil von 12 % der Suchanfragen den von Seznam in der Tschechischen Republik erzielten Anteil einschließt, lässt nicht den Schluss zu, dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber nicht in der Lage wäre, in gleicher Weise wie Seznam in der Tschechischen Republik einen höheren Anteil der Suchanfragen im EWR zu erzielen. Allein schon die Tatsache, dass Google auf bestimmten nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste einem stärkeren Wettbewerb ausgesetzt ist, lässt Zweifel an der Richtigkeit eines solchen Prozentsatzes aufkommen.

773

Drittens kann die Tatsache, dass nur Google die mit ihrer Marktmacht verbundenen Vorteile nutzen konnte, um die Treffsicherheit des von ihr angebotenen Dienstes zu verbessern, nicht mit Sicherheit ausschließen, dass ein – insbesondere im Hinblick auf die Qualität der Dienstleistungen und die Innovation – hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber einen Anteil von mehr als 12 % der Suchanfragen erzielen könnte.

774

Folglich hat die Kommission auch insoweit einen Fehler begangen, als sie von der Prämisse ausging, dass ein Mitbewerber, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig gewesen sei wie Google, auf mobilen Geräten nur 12 % der von den Nutzern über Google Search durchgeführten Suchanfragen hätte erzielen können.

iv) Zum Umfang der Vorinstallation einer Anwendung eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers

775

Google macht geltend, die Kommission habe im 1244. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nicht begründet, warum eine konkurrierende Suchanwendung nur auf einer begrenzten Zahl von Mobilgeräten vorinstalliert werden könne. Google hält den Verweis auf den Teil des angefochtenen Beschlusses, der sich auf die VVMA bezieht, für nicht ausreichend, zumal er im Widerspruch zum 1208. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stehe, in dem die Kommission darauf hinweise, dass die OEM und die MNO ohne die sortimentbezogenen VAE ein wirtschaftliches Interesse daran gehabt hätten, mehrere allgemeine Suchanwendungen vorzuinstallieren.

776

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 1244. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ihre Feststellung, dass ein Wettbewerber nicht damit rechnen könne, dass seine Anwendung von einem OEM oder einem MNO auf sämtlichen Mobilgeräten, die Gegenstand der sortimentbezogenen VAE seien, vorinstalliert werde, mit einem Verweis auf die Erwägungsgründe 824 bis 832 des angefochtenen Beschlusses begründet.

777

Die Erwägungsgründe 824 bis 832 des angefochtenen Beschlusses betreffen die Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit der VVMA. Die Kommission führt dort aus, die OEM und die MNO seien durch die VVMA zwar theoretisch nicht an der Vorinstallation konkurrierender allgemeiner Suchanwendungen gehindert worden, hätten aber in der Praxis gezögert, mehrere allgemeine Suchanwendungen vorzuinstallieren.

778

Der im 1244. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthaltene Verweis auf die die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der VVMA betreffenden Gründe, der die Fähigkeit eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers relativieren soll, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen, vermag jedoch nicht zu überzeugen, wie Google zutreffend ausführt. Der Kontext der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der VVMA unterscheidet sich nämlich von dem der Beurteilung der Frage, ob ein Mitbewerber, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig ist wie Google und als Gegenleistung für eine Aufteilung der Werbeeinnahmen die Vorinstallation seiner Anwendung erreichen möchte, in der Lage ist, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen.

779

Erstens weist die Kommission zum Nachweis der Unmöglichkeit, den von Google aufgrund der VVMA erlangten Wettbewerbsvorteil durch die Vorinstallation konkurrierender Anwendungen auszugleichen, in den Erwägungsgründen 825 bis 832 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass die OEM und die MNO in Anbetracht des Marktanteils von Google und deren Präsenz an allen Einstiegspunkten zu den allgemeinen Suchdiensten wahrscheinlich nur geringe zusätzliche Einnahmen erzielen würden. Darüber hinaus sähen sich die OEM und die MNO höheren Transaktionskosten sowie technischen Problemen im Zusammenhang mit der Speicherkapazität gegenüber, durch die sich das Nutzererlebnis verschlechtere.

780

Diese Gründe sind zwar für die Beurteilung der Situation eines derzeitigen Mitbewerbers von Google relevant, der seine Werbeeinnahmen nicht zu teilen beabsichtigt, stützen jedoch in keiner Weise die Behauptung, dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber, der seine Einnahmen zu teilen bereit sei, nicht in der Lage wäre, die Vorinstallation seiner Anwendung bei dem gesamten Sortiment der Mobilgeräte der betreffenden OEM und MNO zu erreichen.

781

Eine solche gemeinsame Vorinstallation könnte die Attraktivität der intelligenten Mobilgeräte erhöhen und somit den Interessen der OEM und der MNO entsprechen. Das Angebot mehrerer allgemeiner Suchanwendungen, d. h. der von Google und der eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers, könnte nämlich das Nutzererlebnis verbessern und die betreffenden Mobilgeräte umso attraktiver machen, wie die Kommission im Übrigen im 1213. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses einräumt.

782

Außerdem könnten, wie aus dem 1243. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, die Einnahmen aus den sortimentbezogenen VAE, die den OEM und MNO entgehen würden, wenn Google Search nicht mehr exklusiv vorinstalliert wäre, von einem mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber ausgeglichen werden, sofern dieser alle Mobilgeräte durch die Beteiligung an seinen Werbeeinnahmen abdeckt. Darüber hinaus stellt die Kommission im 1216. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf der Grundlage der Erklärungen von Google fest, dass die OEM und die MNO auch ohne die sortimentbezogenen VAE noch Einnahmen von Google erhalten könnten, was wiederum die Behauptung relativiert, dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber die Vorinstallation seiner Anwendung nur auf einer begrenzten Zahl von Mobilgeräten erreichen könnte.

783

Zweitens stellt die Kommission in den Erwägungsgründen 830 bis 832 des angefochtenen Beschlusses fest, dass die VVMA es den OEM und den MNO untersagten, ausschließlich eine konkurrierende allgemeine Suchanwendung vorzuinstallieren, oder den MNO, von den OEM die exklusive Vorinstallation einer solchen Anwendung zu verlangen.

784

Die im 1244. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses betrachtete Situation ist jedoch die einer Vorinstallation neben – und nicht anstelle von – Google Search. Die von der Kommission in den Erwägungsgründen 830 bis 832 des angefochtenen Beschlusses getroffene Feststellung führt insoweit nicht weiter, weil die Hypothese, die im Hinblick auf den Ausgleich der VAE in Betracht gezogen wird, von der Prämisse ausgeht, dass eine konkurrierende Anwendung neben Google Search vorinstalliert ist.

785

Drittens stützt sich die Kommission im 1247. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf zwei im 1219. Erwägungsgrund angeführte Beispiele, um zu veranschaulichen, dass die Mitbewerber, denen es in der Praxis gelungen sei, die Vorinstallation allgemeiner Suchdienste zu erreichen, nur eine begrenzte Zahl von Mobilgeräten hätten abdecken können oder jedenfalls nur eine Zahl, die nicht ausreiche, um die sortimentbezogenen VAE auszugleichen. Google hält dem entgegen, dass eines der von der Kommission angeführten Beispiele die entgegengesetzte These untermauern könne.

786

Die Beispiele, auf die sich die Kommission stützt, sind jedoch Beispiele von aktuellen Mitbewerbern. Außerdem gibt die Kommission im 1247. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nicht an, ob sie diese Wettbewerber als hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähige Mitbewerber wie Google ansieht, die bereit waren, ihre Werbeeinnahmen zu teilen.

787

Viertens ist festzustellen, dass die Behauptung, dass der Wettbewerbsvorteil, den Google durch die VVMA erlange, durch das Verhalten der OEM und der MNO, die sich für die Vorinstallation einer konkurrierenden Anwendung entschieden, nicht ausgeglichen werden könne, vor allem darauf beruht, dass diese OEM und MNO auch durch die sortimentbezogenen VAE an Google gebunden seien, wie sich aus dem 833. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt. Das im vorliegenden Fall untersuchte Szenario zielt jedoch auf einen hypothetischen Mitbewerber ab, der anbietet, die VAE von Google durch seine eigene Vereinbarung über die Aufteilung der Einnahmen zu ersetzen.

788

Folglich kann die Kommission die Fähigkeit eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen, nicht durch die bloße Behauptung relativieren, dass ein solcher Mitbewerber in dieser Situation die Vorinstallation seiner Anwendung nur auf einer begrenzten Zahl von Mobilgeräten eines OEM oder MNO erreichen könne.

v) Zur zeitlichen Anwendung des AEC‑Tests

789

Im Gegensatz zu dem von der Kommission im 1249. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses verfolgten Ansatz macht Google geltend, dass die Fähigkeit eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen, erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vereinbarungen zu prüfen sei. Jedenfalls habe die Kommission nicht untersucht, ob sich mit neueren Mobilgeräten höhere Einnahmen erzielen ließen als mit bereits im Umlauf befindlichen. Die Kommission lasse außerdem die Tatsache, dass die mit älteren Geräten erzielten Einnahmen im Lauf der Zeit zurückgingen, zu Unrecht nur deshalb außer Acht, weil Google im Verwaltungsverfahren keine entsprechenden Beweise vorgelegt habe. Die Kommission macht geltend, dass keiner der von Google vorgebrachten Gesichtspunkte geeignet sei, den angefochtenen Beschluss in Frage zu stellen.

790

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Ausschließlichkeitswirkung einer Vereinbarung über die Aufteilung von Einnahmen – in gleicher Weise, wie bei bestimmten Rabattsystemen, bei denen die Rabatte in Abhängigkeit von den im Referenzzeitraum verkauften Mengen gewährt werden, der Druck auf den Käufer, den Umsatz zu erzielen, der ihn zu diesem Rabatt berechtigt, am Ende des Referenzzeitraums wächst – in dem Maße zunimmt, in dem die Zahl der verkauften Waren, die die Dienstleistungen umfassen, aus denen diese Einnahmen stammen, steigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2015, Post Danmark, C‑23/14, EU:C:2015:651, Rn. 34).

791

Im vorliegenden Fall hat die Kommission jedoch im 1249. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Wettbewerbswidrigkeit der sortimentbezogenen VAE zu Recht nicht nur zum Zeitpunkt ihres Abschlusses, sondern auch während des Zeitraums beurteilt, in dem sie in Kraft waren. Entgegen der Behauptung von Google lässt sich nicht leugnen, dass es für einen hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber in der Praxis je schwieriger wird, mit den sortimentbezogenen VAE mitzuhalten, desto mehr Mobilgeräte, die diesen VAE unterliegen, im Umlauf sind. Dies gilt auch im vorliegenden Fall, weil die von Google geteilten Einnahmen von den Suchanfragen abhängen, die von den verkauften Mobilgeräten ausgehen.

792

Folglich kann die Kommission dadurch, dass sie die Fähigkeit eines Mitbewerbers, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen, nicht statisch, sondern dynamisch analysierte, keinen Rechtsfehler begangen haben.

793

Zum einen ist jedoch festzustellen, dass die Erwägungen im 1249. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses rein theoretisch bleiben. Die Kommission quantifiziert im vorliegenden Fall nicht die konkreten Auswirkungen der bereits verkauften Geräte auf die Fähigkeit eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers wie Google, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen.

794

Zum anderen schließt die Kommission – obwohl eine solche Angabe, wie Google zu Recht geltend macht, relevant sein könnte, um die Auswirkungen auf die Fähigkeit eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen, zu relativieren – im 1270. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Eignung neuerer Mobilgeräte, höhere Umsätze zu erzielen als ältere Mobilgeräte, allein mit der Begründung aus, dass Google in ihrer Antwort auf das zweite Sachverhaltsschreiben keine entsprechenden Nachweise erbracht habe.

795

Die Missbräuchlichkeit von Ausschließlichkeitszahlungen kann aber nicht auf die bloße Vermutung eines Missbrauchs gestützt werden, die vom Unternehmen in marktbeherrschender Stellung zu widerlegen wäre. Vielmehr geht aus der Rechtsprechung eindeutig hervor, dass die Kommission, wenn die wettbewerbsbeschränkende Natur einer Preisbildungspraxis bestritten wird, verpflichtet ist, alle relevanten Umstände zu würdigen, in die sich die in Rede stehende Praxis einfügt, um die ihr innewohnende Eignung zur Verdrängung mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber zu analysieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 139 und 140).

796

Da im vorliegenden Fall die Beweislast für die Verdrängungswirkung der sortimentbezogenen VAE auf einen hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber nicht bei Google, sondern bei der Kommission lag, konnte sich die Kommission im 1270. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nicht auf ein angebliches Versäumnis von Google stützen, um die Fähigkeit neuerer und älterer Mobilgeräte, dieselben Einnahmen aus allgemeinen Suchanfragen zu erzielen, ohne nähere Analyse als gegeben anzusehen.

797

Daher hat die Kommission nicht angemessen geprüft, ob ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber in der Lage gewesen wäre, die sortimentbezogenen VAE während des Zeitraums auszugleichen, in dem sie in Kraft waren.

vi) Ergebnis zur ordnungsgemäßen Durchführung des AEC‑Tests

798

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass der von der Kommission im angefochtenen Beschluss durchgeführte AEC‑Test mehrere Denkfehler aufweist. Diese betreffen zunächst eine der Prämissen des AEC‑Tests, nämlich den Anteil der allgemeinen Suchanfragen, die ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber hätte erzielen können, wenn seine Anwendung neben Google Search vorinstalliert wäre. Weiter ist festzustellen, dass die Kommission von einer gesonderten Ermittlung der Kosten, die einem hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber zugerechnet werden können, abgesehen und stattdessen einfach die in einem von einem Dritten übermittelten Dokument enthaltenen und im Verwaltungsverfahren von Google bestrittenen Daten extrapoliert hat. Darüber hinaus sind die im 1244. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegten Gründe in keiner Weise geeignet, die Behauptung stützen, dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber ohne die sortimentbezogenen VAE eine Vorinstallation seiner Anwendung wahrscheinlich nur auf einer begrenzten Anzahl von Mobilgeräten hätte erreichen können. Schließlich hat die Kommission die Tendenz bereits im Umlauf befindlicher Mobilgeräte, geringere Umsätze zu erzielen als neuere Mobilgeräte, nur lückenhaft gewürdigt.

799

Allein schon diese vierfache Feststellung ist geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses des von der Kommission durchgeführten AEC‑Tests und damit an der behaupteten Verdrängungswirkung der sortimentbezogenen VAE auf einen hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber zu wecken. Daher kann der AEC‑Test, so wie er von der Kommission durchgeführt wurde, die Feststellung eines sich aus den sortimentbezogenen VAE ergebenden Missbrauchs nicht stützen.

5.   Ergebnis zur Stichhaltigkeit der für die Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE angeführten Gründe

800

Aufgrund der verschiedenen Denkfehler der Kommission kann die Schlussfolgerung, dass die sortimentbezogenen VAE missbräuchlich gewesen seien, nicht als hinreichend belegt angesehen werden. Die genannten Fehler betreffen nämlich wesentliche Aspekte der wettbewerbsrechtlichen Analyse der sortimentbezogenen VAE, nämlich die Beurteilung ihrer Markterfassung und die Durchführung des AEC‑Tests.

801

Lässt man diese Argumentationsschritte der Kommission außer Betracht, kann die Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE nicht allein auf die zweifache Feststellung gestützt werden, dass die Innovation eingeschränkt werde oder dass die OEM und die MNO ohne die VAE ein Interesse daran gehabt hätten, mehrere allgemeine Suchanwendungen vorzuinstallieren. Selbst wenn Google diese beiden Aspekte der Argumentation der Kommission nicht bestreiten würde, wäre festzustellen, dass sie für sich genommen nicht ausreichen, um die Zweifel auszuräumen, die durch die von der Kommission bei der Analyse der Markterfassung und – im Rahmen des von ihr durchgeführten AEC‑Tests – bei der Analyse der Eignung der sortimentbezogenen VAE, einen hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber vom Markt zu verdrängen, begangenen Fehler hervorgerufen werden.

802

Folglich ist der angefochtene Beschluss, ohne dass die Argumente von Google in Bezug auf den Zugang der Nutzer zu konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten und auf die Notwendigkeit eines kontrafaktischen Tests geprüft werden müssten, für nichtig zu erklären, soweit die sortimentbezogenen VAE darin schon an sich als missbräuchlich eingestuft werden.

E. Vierter Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der an die Einhaltung der VVF geknüpften Bedingung für die Vergabe von Lizenzen für den Play Store und für Google Search

1.   Vorbemerkungen zur Tragweite des zweiten im angefochtenen Beschluss festgestellten Missbrauchs

803

Mit dem vierten Klagegrund, der sich in zwei Teile gliedert, bestreitet Google, dass ihre Praxis, die Erteilung von Lizenzen für den Play Store und für Google Search (im Rahmen einer VVMA) von der Anerkennung der in den AFV enthaltenen VVF abhängig zu machen, als Missbrauch ihrer beherrschenden Stellung auf den Märkten für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen und auf den Märkten für allgemeine Suchdienste eingestuft werden kann.

804

Die Kommission ist der Auffassung, die in Rede stehenden Praktiken seien missbräuchlich; zudem gehe ein Teil der von Google zur Stützung des vierten Klagegrundes vorgebrachten Argumente ins Leere. In diesem Zusammenhang macht sie ferner geltend, dass Google zahlreiche Beweise, auf die sich der angefochtene Beschluss stütze, nicht bestreite.

805

Wie aus den Akten hervorgeht, verlangte Google von den OEM, die die Möglichkeit nutzen wollten, intelligente Mobilgeräte zu vermarkten, auf denen der Play Store und Google Search vorinstalliert waren, den Abschluss einer AFV. Die Unterzeichnung einer VVMA war nämlich an den Abschluss einer AFV geknüpft.

806

Die VVF schreiben unstreitig die Einhaltung eines Mindestkompatibilitäts-Referenzstandards für die Implementierung des Android-Quellcodes vor. Dieser von Google im DDC festgelegte Standard, der im Internet veröffentlicht ist, verlangt unter anderem, dass intelligente Mobilgeräte die Installation von Anwendungen ermöglichen, ihre Bildschirmgröße korrekt an die Anwendungen übermitteln, grundlegende Sicherheitsfunktionen implementieren und einen vollständigen Satz von API für Android enthalten.

807

Die VVF gelten für sämtliche Geräte, die von einem OEM, der eine AFV abgeschlossen hat, vermarktet werden, sofern diese Geräte mit Android oder einer Android-Fork (d. h. einem auf der Grundlage des Android-Quellcodes entwickelten BS) betrieben werden. Zum Nachweis ihrer Kompatibilität mit den im DDC vorgesehenen Standards müssen die Geräte eine Reihe von Kompatibilitätstests (Compatibility Test Suite, im Folgenden: CTS) bestehen. Die CTS, zu der Google auf der Android-Website öffentlichen Zugang gewährt, besteht aus einer Reihe von Tests, mit denen nachgewiesen werden kann, dass ein intelligentes Mobilgerät, das mit einer Android-Fork betrieben wird, alle im DDC vorgesehenen technischen Kompatibilitätsanforderungen erfüllt. Die OEM sind selbst dafür verantwortlich, ihre mit einer Android-Fork betriebenen Geräte, einschließlich solcher, auf denen die Anwendungen von Google nicht vorinstalliert sind, dieser CTS zu unterziehen.

808

Android-Forks, die die CTS bestehen, werden im Folgenden als „kompatible Android-Forks“ bezeichnet. Android-Forks, die nicht getestet wurden oder diese Tests nicht bestanden haben, d. h. Varianten, die aus dem Android-Quellcode abgeleitet wurden und nicht nachgewiesen haben, dass sie die CTS bestehen können, werden im Folgenden als „nicht kompatible Android-Forks“ bezeichnet.

809

Dem angefochtenen Beschluss zufolge hat Google seit dem 1. Januar 2011 ihre beherrschende Stellung auf dem weltweiten Markt (ohne China) für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen einerseits und auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste andererseits missbraucht, indem sie die Lizenzierung des Play Store und von Google Search von der Annahme der VVF abhängig gemacht hat. Der zweite Missbrauch soll am 1. Januar 2011 begonnen haben, dem Tag, an dem Google eine beherrschende Stellung auf den genannten Märkten erlangt habe, und bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses angedauert haben (1187. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

810

Zunächst ist klarzustellen, dass die AFV, wie die Hauptparteien in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, im angefochtenen Beschluss nur insoweit als missbräuchlich angesehen werden, als sie die OEM verpflichten, die Kompatibilität aller von ihnen vertriebenen Geräte, deren BS Android oder eine Android-Fork ist, mit dem DDC zu gewährleisten, einschließlich der Geräte, auf denen die Anwendungen von Google nicht vorinstalliert sind. Die AFV werden mit anderen Worten nur insofern als missbräuchlich angesehen, als sie die Vermarktung intelligenter Mobilgeräte mit nicht kompatiblen Android-Forks als BS auch dann verbieten, wenn auf diesen Geräten keine Anwendungen von Google vorinstalliert sind.

811

Die Kommission hat zwar allgemein festgestellt, dass die Einhaltung der VVF als Voraussetzung der Lizenz für den Play Store und für Google Search geeignet sei, den Wettbewerb einzuschränken (1036. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses); diese Beurteilung ist jedoch in Verbindung mit der Feststellung zu sehen, dass im Fall intelligenter Mobilgeräte, auf denen das GMS-Paket vorinstalliert ist, Rechtfertigungen anzuerkennen sein mögen, dies jedoch keinesfalls für mit Android-Forks betriebene Geräte gelten kann, auf denen die Anwendungen von Google nicht installiert sind (1173. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

812

So wirft die Kommission unter Verweis auf das Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), und auf die Voraussetzungen, unter denen die Missbräuchlichkeit einer Bündelung von Produkten oder Verpflichtungen festgestellt werden kann, Google im Wesentlichen vor, eine wettbewerbswidrige Praxis angewandt zu haben, die darauf abziele, nicht kompatiblen Android-Forks den Absatzmarkt zu entziehen.

813

Daraus folgt, dass die von Google und den Streithelferinnen der Klägerinnen vorgebrachten Argumente, die die Rechtmäßigkeit der Anwendung der VVF auf Geräte, auf denen das GMS-Paket installiert ist, belegen sollen, jedenfalls nicht geeignet sind, einen Fehler der Kommission bei der Beurteilung des zweiten Missbrauchs nachzuweisen.

814

Im ersten Teil des vierten Klagegrundes widerspricht Google der Beurteilung der Kommission, wonach die in Rede stehende Praxis den Wettbewerb beschränkt habe. Im zweiten Teil dieses Klagegrundes macht Google geltend, dass ihr Verhalten jedenfalls objektiv gerechtfertigt sei.

2.   Erster Teil: Beschränkung des Wettbewerbs

a)   Angefochtener Beschluss

815

Unter Verweis auf das Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), führt die Kommission aus, zur Feststellung des zweiten Missbrauchs müsse erstens nachgewiesen werden, dass die VVF keinen Bezug zur Lizenz für den Play Store und Google Search aufwiesen, zweitens, dass Google auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen und auf den Märkten für allgemeine Suchdienste eine beherrschende Stellung einnehme, drittens, dass der Play Store und Google Search ohne die Annahme der VVF nicht erhältlich seien, und viertens, dass die VVF geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken (Erwägungsgründe 1011 ff. des angefochtenen Beschlusses).

816

Nach der Prüfung der ersten drei Kriterien entwickelt die Kommission sechs Argumentationsreihen, um zu belegen, dass die VVF geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken: Erstens stellten nicht kompatible Android-Forks eine ernsthafte Wettbewerbsbedrohung für Google dar, zweitens lege Google die VVF fest, kontrolliere somit ihren Inhalt und überwache effektiv ihre Einhaltung durch die OEM, drittens behinderten die VVF die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks, viertens stellten kompatible Android-Forks keine ernsthafte Wettbewerbsbedrohung für Google dar, fünftens werde die Eignung der VVF, den Wettbewerb zu beschränken, dadurch verstärkt, dass die proprietären API von Google für Entwickler nicht kompatibler Android-Forks nicht verfügbar seien, was den Anreiz für die Entwickler verringere, auf solchen BS lauffähige Anwendungen zu entwickeln, und sechstens erhalte und verstärke das Verhalten von Google ihre beherrschende Stellung auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste, halte von Innovationen ab und drohe unmittelbar oder mittelbar den Verbrauchern zu schaden (1036. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

b)   Vorbringen der Parteien

1) Vorbringen von Google

817

Zur Stützung des ersten Teils des vierten Klagegrundes macht Google geltend, dass die VVF die Wettbewerbsfähigkeit der Android-Varianten nicht einschränkten, sondern im Gegenteil erhöhten, indem sie einen Referenzstandard für die Mindestkompatibilität aufrechterhielten, der gewährleiste, dass die Anwendungen auf allen diesen Varianten einwandfrei funktionierten. Nicht kompatible Android-Forks, die diesen Standard nicht erfüllten, seien nutzlos und gefährdeten das gesamte „Android-Ökosystem“.

818

Erstens hält Google die Einhaltung der technischen Standards des CDD für unerlässlich, um zum einen den reibungslosen Betrieb intelligenter Mobilgeräte zu gewährleisten, deren BS Android oder eine Android-Fork sei, und um zum anderen die Kompatibilität dieser Geräte untereinander und mit den für Android entwickelten Anwendungen (im Folgenden: Interoperabilität) zu ermöglichen. Umgekehrt verringerten nachweisliche Inkompatibilitäten die Attraktivität des BS Android und seiner Forks für die Nutzer und die Anwendungsentwickler. Die VVF ermöglichten es den OEM somit, die große Flexibilität des quelloffenen Modells von Android zu nutzen, während sie gleichzeitig die Lebensfähigkeit und Qualität dieses BS und seiner Forks vor Fehlfunktionen aufgrund von Inkompatibilitäten schützten. Die VVF dienten dazu, die Konsequenzen aus den Erfahrungen der Vergangenheit und dem Niedergang anderer offener Ökosysteme wie Symbian und Unix zu ziehen. Da die VVF für den Schutz des „Android-Ökosystems“ unerlässlich seien, schränkten sie den Wettbewerb nicht ein.

819

Zweitens macht Google geltend, im angefochtenen Beschluss werde nicht angegeben, welche spezifischen Anforderungen der VVF den Wettbewerb beschränken sollten. Darin werde auch nicht präzisiert, welcher relevante Wettbewerbsparameter betroffen sein könnte. Die Parteien der AFV verpflichteten sich lediglich, sicherzustellen, dass ihre Android-Forks die Kompatibilitätsanforderungen des CDD erfüllten. Die VVF ließen den OEM daher die Freiheit, mit ihren Android-Forks bei allen denkbaren Wettbewerbsparametern zu konkurrieren, einschließlich Preis, Qualität und Innovation. Die OEM könnten Innovationen in den Quellcode von Android einbringen, neue Funktionen entwickeln und API hinzufügen. Die VVF hinderten die Anbieter von BS oder die OEM, die eine AFV abgeschlossen hätten, nicht daran, konkurrierende allgemeine Suchdienste anzubieten. Kompatible Android-Forks seien nämlich nicht weniger geeignet als nicht kompatible Forks, konkurrierende Suchdienste anzubieten.

820

Drittens macht Google geltend, die AFV hätten durch die Gewährleistung der Entwicklung und Wartung der Android-Plattform die Möglichkeiten für die Mitbewerber erweitert, indem sie ihnen die höheren Entwicklungskosten erspart hätten, die durch die im Fall einer fragmentierten Plattform erforderlichen zusätzlichen Tests entstanden wären, was folglich auch die Kosten für die Nutzer erhöht hätte. So sei es beispielsweise ein Vorteil und keine Einschränkung, zu verlangen, dass auf einem Gerät, das speziell für den Betrieb mit Android oder einer Android-Fork entwickelt worden sei, sämtliche Android-API installiert werden müssten. Jedes Gerät habe dann nämlich unmittelbaren Zugriff auf die breite Palette von Anwendungen, die für alle kompatiblen BS entwickelt worden seien. Die anderen technischen Anforderungen des CDD zielten auf das gleiche Ergebnis ab. Für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer entfalle somit die Notwendigkeit, ein eigenes „Ökosystem“ von Grund auf neu aufzubauen.

821

Viertens macht Google geltend, die Behauptung, dass die VVF den Wettbewerb einschränkten, beruhe auf vagen und unzutreffenden Argumenten, die zudem in keinem Zusammenhang mit den VVF stünden. In diesem Zusammenhang verweist Google insbesondere auf die behauptete Wettbewerbsbedrohung durch nicht kompatible Android-Forks, auf die Schwierigkeiten, denen sich einige nicht kompatible Android-Forks wie das BS Fire OS von Amazon und das BS Aliyun von Alibaba gegenübergesehen hätten, sowie auf die Behauptung, dass bestimmte Inkompatibilitäten erwünscht seien, was angeblich durch die Entscheidung von Google, die Kompatibilität von Android mit Java zu beenden, verdeutlicht werde. Das Scheitern der nicht kompatiblen Android-Forks sei auf ihre inhärente Schwäche und nicht auf die AFV zurückzuführen.

822

Fünftens sei die Behauptung, Google könnte „im Prinzip“ die Anforderungen des CDD ändern, um sie in Zukunft restriktiver zu gestalten, spekulativ und könne keine Zuwiderhandlung begründen. Google habe ihre begrenzte Kontrolle über die Plattform nie zur Beschränkung des Wettbewerbs eingesetzt, und es bestehe auch kein Grund für die Annahme, dass Google sich dazu veranlasst sehen könnte. Google weist darauf hin, dass die AFV auch die Möglichkeit vorsähen, Ausnahmen von den Kompatibilitätsanforderungen zu vereinbaren.

823

Sechstens und letztens macht Google geltend, entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss sei ihre Stellung auf dem Markt für allgemeine Suchdienste durch die VVF nicht gestärkt worden. Konkurrierende Dienste könnten nämlich nicht kompatible Android-Forks ebenso gut als Vertriebskanal nutzen wie kompatible Android-Forks. Die VVF hinderten die BS-Entwickler oder die OEM nicht daran, Geräte zu vermarkten, auf denen ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst vorinstalliert sei. Außerdem habe die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht erläutert, warum sie der Ansicht sei, dass nicht kompatible Android-Forks einen besseren Vertriebskanal für mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchdienste bieten würden. Nicht kompatible Android-Forks hätten geringere Marktchancen als kompatible Forks und seien daher als Vertriebskanäle weniger gut geeignet. Die Beispiele der Vorinstallation von Bing durch Amazon und Nokia auf nicht kompatiblen Android-Forks seien irrelevant.

824

Zur Stützung dieses Vorbringens führen die Streithelferinnen von Google u. a. Folgendes an:

Die ADA macht geltend, die Kommission hätte die AFV im Hinblick auf die Wechselwirkungen zwischen den BS und den Anwendungen prüfen müssen; in diesem Zusammenhang gehe von den nicht kompatiblen Forks aufgrund der Portierungskosten und der mit den Inkompatibilitäten verbundenen Nachteile kein ernsthafter Wettbewerbsdruck aus; ohne Googles proprietäre API könnten die Anwendungen nämlich nicht richtig funktionieren, und die Behebung dieser Fehlfunktionen würde vielfältige und hohe Kosten verursachen; diese Inkompatibilitäten würden daher einen Nachteil für die Entwickler und Unannehmlichkeiten für die Nutzer mit sich bringen; daher gebe es keine realistische Alternative zu den AFV.

Die CCIA macht geltend, die Kommission hätte ein realistisches kontrafaktisches Szenario heranziehen müssen; dies hätte ausgereicht, um zu zeigen, dass die AFV entgegen den Feststellungen im angefochtenen Beschluss die Wettbewerbsmöglichkeiten in Wirklichkeit erweitert hätten.

Gigaset und die HMD machen geltend, die AFV förderten den Wettbewerb, indem sie die Lebensfähigkeit von Android im Verhältnis zu anderen alternativen Modellen schützten. Dies habe den Anwendungsentwicklern, den OEM und den Verbrauchern Vorteile gebracht. Der Geltungsbereich des CDD sei unzweideutig. Die Auswirkungen von Fehlfunktionen, die durch nicht kompatible Forks entstünden, seien für alle Akteure von Nachteil.

Opera macht geltend, sie habe vom Android-Geschäftsmodell profitiert, weil es ihr eine zuverlässige Plattform biete, die ihr den Zugang zu vielen potenziellen Nutzern ermögliche; dieses Modell fördere den Wettbewerb mehr als jedes andere.

2) Vorbringen der Kommission

825

Die Kommission verweist im Wesentlichen auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses. Aus den internen Dokumenten von Google und ihrer Korrespondenz mit den OEM gehe nämlich hervor, dass Google mit den AFV habe verhindern wollen, dass OEM, die Geräte mit vorinstalliertem Play Store und der vorinstallierten Anwendung Google Search verkaufen wollten, auch Geräte mit nicht kompatiblen Android-Forks verkauften. Die AFV schränkten auch den Wettbewerb im Bereich der allgemeinen Suchdienste ein, indem sie die Partner und Mitbewerber von Google daran hinderten, nicht kompatible Android-Forks zu entwickeln, die sich der Kontrolle durch Google entzögen und auf denen die OEM konkurrierende allgemeine Suchdienste hätten vorinstallieren und als Standard festlegen können.

826

So ist die Kommission erstens der Ansicht, dass die AFV das Ziel verfolgten, die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks sowohl durch die BS-Entwickler als auch durch die OEM sowie den Verkauf mit solchen Forks betriebener Geräte zu verhindern. Ein solches Ziel reiche aus, um die Strategie von Google als Strategie zur Verdrängung nicht kompatibler Android-Forks einzustufen. Zweitens stellten nicht kompatible Android-Forks eine ernsthaftere Wettbewerbsbedrohung für Google dar als kompatible Android-Forks. Drittens würden die mit den AFV einhergehenden Verdrängungswirkungen nicht durch die Existenz anderer lizenzierter BS als Android abgeschwächt. Viertens hätten einige OEM den Wunsch gehabt, mit nicht kompatiblen Android-Forks betriebene Geräte zu verkaufen. In all diesen Fällen hätten die AFV die betroffenen OEM und Entwickler daran gehindert, eine solche Nachfrage zu befriedigen.

827

Die Streithelfer der Kommission machen insbesondere Folgendes geltend:

Der VDZ argumentiert, dass der von nicht kompatiblen Android-Forks ausgehende Wettbewerb die Vielfalt erhöhen, den Preis der Geräte senken und zudem die Innovation fördern könne; die VVF gingen daher über das notwendige Maß hinaus.

FairSearch macht geltend, dass die VVF entwickelt worden seien, um den von frei verfügbarer Software ausgehenden Wettbewerb zu verdrängen, und dass Google bei der Auslegung des Begriffs „Fragmentierung“ über einen Beurteilungsspielraum verfüge, der es ihr ermögliche, ihre Marktmacht zu festigen; daher seien die VVF weder gerechtfertigt noch verhältnismäßig.

Seznam weist darauf hin, dass sie auf den Play Store zurückgreifen müsse, weil es unmöglich sei, Entwickler davon zu überzeugen, für einen so kleinen Markt wie den der Tschechischen Republik eine eigene Vertriebsplattform für Anwendungen einzurichten; die VVF nähmen ihr jede kommerziell interessante Alternative und behinderten den Leistungswettbewerb auf den Märkten für allgemeine Suchdienste.

Qwant macht geltend, dass die von den OEM angebotenen nicht kompatiblen Android-Forks seit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses konkurrenzfähig geworden seien, wie das Beispiel von Fairphone zeige; durch die Verhinderung der Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks hätten die AFV den mit Google Search konkurrierenden Suchmaschinen die Vertriebsplattformen entzogen.

c)   Würdigung durch das Gericht

828

Wie bereits erwähnt, wirft die Kommission Google vor, die Erteilung von Lizenzen für den Play Store und Google Search von einer Reihe von Verpflichtungen abhängig zu machen, die die Freiheit der OEM, die diese Lizenzen erwerben wollten, gerade dadurch einschränkten, dass sie ihnen untersagten, irgendwelche anderen Geräte mit nicht kompatiblen Android-Forks zu vermarkten. Diese Beschränkung ergibt sich aus den AFV und ist, soweit sie für intelligente Mobilgeräte gilt, auf denen die Anwendungen von Google nicht vorinstalliert sind, die einzige Verpflichtung, die im angefochtenen Beschluss als missbräuchlich angesehen wird. Die Kommission bestreitet nämlich nicht, dass Google das Recht hat, Kompatibilitätsanforderungen an Geräte zu stellen, auf denen ihre Anwendungen installiert sind. Hingegen hält sie die Praxis von Google, die darauf abzielt, die Entwicklung und Marktpräsenz von Geräten zu verhindern, die mit einer nicht kompatiblen Android-Fork betrieben werden, für missbräuchlich. Daher ist zu prüfen, ob der Kommission der Nachweis gelungen ist, dass Google, wie im angefochtenen Beschluss festgestellt, eine Praxis angewandt hat, die darauf abzielt, nicht kompatible Android-Forks zu verdrängen, und ob diese Praxis als wettbewerbswidrig im Sinne von Art. 102 AEUV eingestuft werden kann.

829

Nach Art. 102 Abs. 2 Buchst. b AEUV bestehen missbräuchliche Verhaltensweisen, die eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung darstellen können, u. a. in der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher. Um zu beurteilen, ob das zweite im angefochtenen Beschluss als Missbrauch eingestufte Verhalten von Google eine solche missbräuchliche Praxis darstellt, ist zunächst zu prüfen, ob die Kommission deren Vorliegen nachgewiesen hat, und anschließend, ob sie belegt hat, dass die Praxis geeignet war, den Wettbewerb zu beschränken.

1) Zum Vorliegen der Praxis

830

Was das Vorliegen der betreffenden Praxis betrifft, wird das Verbot für die Vertragspartner der AFV, Geräte mit nicht kompatiblen Android-Forks zu vermarkten, von den Parteien nicht bestritten. Dieses Verbot geht zudem aus den Akten hervor.

831

Erstens wird das Vorliegen dieser Praxis durch die Antworten von Google auf die ihr gestellten schriftlichen Fragen des Gerichts bestätigt, in denen Google darauf hinweist, dass ihre Entscheidung, die AFV einzuführen, auf die Ursprünge von Android zurückgehe. Google macht geltend, sie habe sich dafür entschieden, nur mit Unternehmen geschäftlich zu verkehren, die sich bereit erklärten, Android nicht zu gefährden. Ihrer Meinung nach sei ein solches Ziel nur dadurch zu erreichen, dass alle möglichen Quellen für Inkompatibilitäten und insbesondere die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks eingeschränkt würden. Diese bedrohten aufgrund der Gefahr von Fehlfunktionen der Anwendungen den Ruf ihres Unternehmens und stellten aus der Sicht sowohl der Entwickler als auch der Verbraucher einen Nachteil dar. Daher ist festzustellen, dass Google einräumt, die AFV von Anfang an eingeführt zu haben, um die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks zu verhindern.

832

Zweitens bestreitet Google nicht die sieben im angefochtenen Beschluss angeführten Beispiele, aus denen hervorgeht, dass sie aktiv eingegriffen hat, um OEM, die sich anschickten, Geräte mit nicht kompatiblen Android-Forks zu vertreiben, an ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erinnern oder Druck auf Entwickler auszuüben, um sie davon abzuhalten, Anwendungen für nicht kompatible Android-Forks zu entwickeln (Erwägungsgründe 1051 bis 1059 des angefochtenen Beschlusses). Google hat zwar im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, dass ihre Interventionen auf die Behebung von Hardwaremängeln abgezielt hätten, dafür jedoch keine Beweise vorgelegt. Aus den damals von Google an die in Rede stehenden Unternehmen versandten E‑Mails geht im Gegenteil hervor, dass Google in dem Bestreben eingeschritten ist, die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks zu verhindern, und nicht wegen der Notwendigkeit, technische Probleme mit den Geräten selbst zu beheben.

833

Drittens zeigen die Stellungnahmen, die der Kommission von einem im Verwaltungsverfahren befragten Unternehmen übermittelt wurden, dass Google die Einhaltung der AFV durch die OEM selbst überwachte, indem sie sporadische Käufe bei MNO tätigte und die so erworbenen Geräte selbst mit der CTS überprüfte (1061. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

834

Daher ist das tatsächliche Vorliegen der Praxis, die von der Kommission als zweiter Missbrauch eingestuft und von Google eingeräumt wird, als erwiesen anzusehen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zudem, dass sie tatsächlich umgesetzt wurde, und zwar seit den Anfängen von Android.

835

Daher ist zu prüfen, ob diese Praxis, mit der die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks eingeschränkt werden sollte, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV darstellt. Zu diesem Zweck bedarf es der Prüfung der Gründe, aus denen die Kommission im angefochtenen Beschluss zu der Auffassung gelangt ist, dass diese Marktverdrängung den Wettbewerb einschränkte oder zumindest dazu geeignet war, sowie der Argumente, mit denen Google diese Beurteilungen in Frage stellt.

2) Zur Wettbewerbswidrigkeit der Praxis

836

Was die Wettbewerbswidrigkeit der betreffenden Praxis angeht, soll Google dem angefochtenen Beschluss zufolge wettbewerbswidrige Ziele verfolgt und ihr Verhalten tatsächlich wettbewerbsbeschränkende Wirkungen entfaltet haben. Diese Beurteilungen sind daher zu prüfen.

i) Zur Wettbewerbswidrigkeit der verfolgten Ziele

837

Aus internen Dokumenten, die im angefochtenen Beschluss erwähnt werden, geht hervor, dass die VVF u. a. in der Absicht konzipiert wurden, jegliche Entwicklung vom Android-Quellcode, der nicht von Google genehmigt wurde, zu verhindern, indem Entwicklern nicht kompatibler Android-Forks der Absatzmarkt entzogen wurde. Dieses Ziel wird zudem durch die von Google im Rahmen des ersten Teils des vierten Klagegrundes vorgebrachten Argumente bestätigt.

838

Zum einen ergibt sich nämlich aus internen, im angefochtenen Beschluss zitierten E‑Mails, dass die Strategie, die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks zu behindern, von Anfang an darauf ausgerichtet war, die Partner und Mitbewerber von Google an der Entwicklung eigenständiger Android-Versionen zu hindern. Wie aus internen E‑Mails und auf der Android-Website veröffentlichten Informationen hervorgeht, war Google von Anfang an bestrebt, den Zugang zum „Ökosystem“ den kompatiblen Android-Forks vorzubehalten und den beteiligten Unternehmen die Vermarktung von Geräten mit nicht kompatiblen Android-Forks zu untersagen (Erwägungsgründe 159 und 160 des angefochtenen Beschlusses).

839

Zum anderen stützen sich die Argumente, die Google im Rahmen des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes vorbringt, um die Wettbewerbswidrigkeit der in Rede stehenden Praxis zu bestreiten, auf die Behauptung, dass das „Android-Ökosystem“ vor der Fragmentierung geschützt werden müsse, die mit sogenannten „Open Source“-Lizenzmodellen einhergehe. Dieser Umstand schließe es aus, das Verhalten von Google als missbräuchlich anzusehen, weil die wettbewerbsfördernden Vorteile, die sich aus der Vermeidung einer Fragmentierung des „Android-Ökosystems“ ergäben, die wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Ausschlusses nicht kompatibler Android-Forks bei weitem überstiegen. Diese Gefahr der Fragmentierung ergebe sich bereits aus der bloßen Marktpräsenz nicht kompatibler Android-Forks, die aufgrund ihrer Inkompatibilität die Interoperabilität beeinträchtigen könnten, d. h. die Fähigkeit, alle für Android entwickelten Anwendungen auf sämtlichen Geräten laufen zu lassen, die als BS Android oder eine beliebige Android-Fork verwendeten. Mit diesem Vorbringen räumt Google ein, durch die Notwendigkeit, eine solche Bedrohung zu bekämpfen, dazu veranlasst worden zu sein, die Entwicklung nicht kompatibler Forks zu behindern.

840

Laut Google hätten insoweit Marktanreize allein nicht zum gewünschten Ergebnis führen können, weil die Entwickler und die OEM ohne die AFV kein ausreichendes Interesse daran gehabt hätten, die Gefahr der Inkompatibilität selbst zu beseitigen. Google macht somit geltend, dass das in den AFV enthaltene Verbot der Vermarktung nicht kompatibler Android-Forks notwendig gewesen sei. Die Frage, ob die von Google behauptete Gefahr der Fragmentierung dieses Verhalten objektiv rechtfertigen kann, wird im Rahmen des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes geprüft.

841

Somit ist festzustellen, dass aus den eigenen Erklärungen von Google, die durch die Akten bestätigt werden, hervorgeht, dass die im angefochtenen Beschluss als missbräuchlich eingestufte Praxis bewusst mit dem Ziel angewandt wurde, den Marktzugang nicht kompatibler Android-Forks zu beschränken.

ii) Zur Beschränkung des Wettbewerbs

842

Daher ist zu prüfen, ob Google zu Recht geltend macht, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht hinreichend nachgewiesen habe, dass die in Rede stehende Praxis geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken. Insoweit lassen sich die Gesichtspunkte, auf die sich die Kommission im angefochtenen Beschluss gestützt hat, um die von Google bestrittene Eignung des zweiten Missbrauchs zur Beschränkung des Wettbewerbs nachzuweisen, zu drei Hauptgründen zusammenfassen. Erstens seien nicht kompatible Android-Forks ernsthaftere Mitbewerber von Google als kompatible Android-Forks. Zweitens habe der zweite Missbrauch es Google ermöglicht, nicht kompatible Android-Forks tatsächlich zu verdrängen. Drittens schließlich schade diese Verdrängung dem Wettbewerb, weil sie die beherrschende Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste verstärke und ein Innovationshemmnis darstelle.

– Zur potenziellen Bedrohung durch nicht kompatible Forks

843

Nach Auffassung der Kommission stellen nicht kompatible Android-Forks für Google eine nicht nur ernsthafte, sondern sogar noch größere Wettbewerbsbedrohung dar als die Bedrohung, die von kompatiblen Android-Forks ausgeht oder von anderen BS wie Windows Mobile oder Linux ausgehen könnte. In dieser Hinsicht streiten die Parteien zum einen darüber, inwieweit für Android entwickelte Anwendungen auf nicht kompatiblen Android-Forks ordnungsgemäß funktionieren könnten, und zum anderen darüber, welche Kosten mit der Anpassung dieser Anwendungen an nicht kompatible Android-Forks verbunden sind, wobei die Kommission der Ansicht ist, dass die Kosten der Portierung einer für Android entwickelten Anwendung auf eine nicht kompatible Android-Fork geringer seien als die Kosten, die für die Portierung dieser Anwendung auf andere BS erforderlich wären.

844

Insoweit geht aus den Akten eindeutig hervor, dass nicht kompatible Android-Forks ebenso wie Android selbst und kompatible Android-Forks lizenzierte BS sind. Darüber hinaus ergibt sich aus der Prüfung des ersten Klagegrundes, dass die lizenzierten BS einen für die Beurteilung von Wettbewerbsbeziehungen relevanten Markt darstellen. Folglich sind nicht kompatible Android-Forks geeignet, auf dem Markt für lizenzierte BS mit Google in Wettbewerb zu treten. Daher kommt es auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob der relative Wettbewerbsdruck, den nicht kompatible Android-Forks auf Google ausüben, im Vergleich zu dem Wettbewerbsdruck, der von kompatiblen Android-Forks und anderen lizenzierten BS ausgeht, stärker oder schwächer ist, nicht an. Für die Einstufung als Wettbewerbsbeschränkung genügt nämlich die Feststellung, dass die nicht kompatiblen Android-Forks auf dem Markt für lizenzierte BS im Wettbewerb mit Android standen, was Google nicht bestreitet.

845

Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Kosten der Portierung von Anwendungen auf nicht kompatible Android-Forks – d. h. die Entwicklungsausgaben, die aufgewendet werden müssen, damit die für Android konzipierten Anwendungen auf Geräten, deren BS eine nicht kompatible Android-Fork ist, ordnungsgemäß funktionieren – höher oder niedriger sind als die Kosten für die Portierung auf andere BS als Android. Selbst wenn davon auszugehen wäre – was Google nicht nachgewiesen hat –, dass die Kosten für die Portierung für das „Android-Ökosystem“ entwickelter Anwendungen auf nicht kompatible Android-Forks mit den Kosten vergleichbar wären, die für eine Portierung auf völlig andere, d. h. nicht aus dem Android-Quellcode entwickelte BS anfallen würden, ist festzustellen, dass der von nicht kompatiblen Android-Forks auf Google ausgeübte Wettbewerbsdruck im Hinblick auf diese Ausgaben nicht geringer sein kann als derjenige, der von den anderen im angefochtenen Beschluss untersuchten lizenzierten BS ausgeht.

846

Die Eignung nicht kompatibler Android-Forks, Wettbewerbsdruck auf Google auszuüben, wird auch nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt, dass kein kommerzielles Interesse an der Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks bestehe, was es ausschließe, dass sie für die Klägerinnen eine Bedrohung darstellten. Insoweit stellt Google nämlich eine allgemeine und abstrakte Behauptung auf, für deren Begründetheit keine schlüssigen Beweise vorgelegt werden. Im Gegenteil macht Seznam in ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichts geltend, dass sie vergeblich versucht habe, OEM, die eine AFV mit Google abgeschlossen hätten, davon zu überzeugen, Geräte mit nicht kompatiblen Android-Forks zu vermarkten, auf denen sie ihre eigene Suchmaschine habe installieren wollen. Dieses Beispiel stützt die im angefochtenen Beschluss enthaltene Beurteilung, wonach der zweite Missbrauch dazu beigetragen habe, Google dem Wettbewerbsdruck zu entziehen, den nicht kompatible Android-Forks sowohl auf dem Markt für lizenzierte BS als auch auf dem Markt für allgemeine Suchdienste auf Google hätten ausüben können.

847

Daraus folgt, dass Google nicht nachgewiesen hat, dass nicht kompatible Android-Forks für sie keinesfalls eine Wettbewerbsbedrohung hätten darstellen können. Daher ist zu prüfen, ob die AFV den Eintritt dieser Mitbewerber von Google in den Markt für BS tatsächlich erschwert haben könnten.

– Zur tatsächlichen Verdrängung der nicht kompatiblen Android-Forks und zu den wettbewerbswidrigen Auswirkungen dieser Verdrängung

848

Unstreitig hat während des im angefochtenen Beschluss betrachteten Zeitraums der Zuwiderhandlung keine nicht kompatible Android-Fork dauerhaft auf dem Markt bestehen können. Die Parteien streiten jedoch darüber, wie diese Feststellung zu interpretieren ist, wobei die Kommission im angefochtenen Beschluss die Auffassung vertritt, dass der kommerzielle Misserfolg der vorhandenen nicht kompatiblen Android-Forks einerseits und das Fehlen des Markteintritts neuer nicht kompatibler Android-Forks andererseits auf das Verhalten von Google zurückzuführen seien. Insbesondere wirft die Kommission Google vor, von allen OEM, die den Play Store und Google Search auf den von ihnen vermarkteten Geräten hätten installieren wollen, den Abschluss einer AFV verlangt zu haben. Im Gegensatz dazu macht Google geltend, dass der Misserfolg der nicht kompatiblen Android-Forks auf deren inhärente Schwächen und das Fehlen eines kommerziellen Interesses an ihnen zurückzuführen sei.

849

Zunächst ist festzustellen, dass Google die in Abschnitt 6.3.1 des angefochtenen Beschlusses enthaltenen Feststellungen zur Markterfassung durch die AFV nicht bestreitet. Insoweit wird im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass Google mit rund 100 Unternehmen, die auf dem Markt für intelligente Mobilgeräte tätig sind, auf allen Ebenen der Produktionskette dieser Geräte AFV oder ähnliche Vereinbarungen geschlossen hat. AFV wurden u. a. mit den 30 OEM geschlossen, die gemessen an ihrem Umsatz mit intelligenten Mobilgeräten am bedeutendsten waren (Schaubild 7 des angefochtenen Beschlusses). Die Laufzeit dieser Vereinbarungen mit den OEM entsprach mindestens der Laufzeit der VVMA, wobei die AFV verlängert werden mussten, wenn die OEM weiterhin in den Genuss einer VVMA kommen wollten. Es ist daher als erwiesen anzusehen, dass während des Zeitraums der Zuwiderhandlung die wichtigsten Wirtschaftsteilnehmer, die den Entwicklern nicht kompatibler Android-Forks einen Absatzmarkt hätten bieten können, durch die AFV daran gehindert wurden.

850

Als Nächstes widerspricht Google der von der Kommission vorgenommenen Interpretation des Scheiterns von Fire OS, einer nicht kompatiblen Android-Fork, die von Amazon entwickelt wurde, um ein von Google unabhängiges „Ökosystem“ zu schaffen, das jedoch das Funktionieren für Android entwickelter Anwendungen ermöglichen sollte. Google führt den Misserfolg von Fire OS auf verschiedene Faktoren zurück, unter anderem auf die Nichtverfügbarkeit des Play Store, was Amazon selbst eingeräumt habe. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass zwar außer Streit steht, dass der Play Store ein „must have“ ist, das bewusst den Teilnehmern des „Android-Ökosystems“ vorbehalten ist. Google bringt jedoch nichts vor, was die im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen entkräften könnte, dass sich sechs der umsatzstärksten OEM geweigert hätten, Vereinbarungen über die Entwicklung von Geräten mit Fire OS zu schließen, und Amazon dabei entgegengehalten hätten, dass dies einen klaren Verstoß gegen die AFV bedeutet hätte (1094. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Selbst wenn für den kommerziellen Misserfolg von Fire OS andere Gründe in Betracht kommen könnten, die im Übrigen nicht unabhängig von der Geschäftspolitik von Google sind, ist daher festzustellen, dass die Kommission gleichwohl nachgewiesen hat, dass die AFV diesem BS die Absatzmärkte vorenthalten haben, die ihm die OEM, die eine AFV mit Google abgeschlossen hatten, hätten bieten können.

851

Außerdem bestreitet Google nicht, aktiv eingegriffen zu haben, um mehrere OEM, die beabsichtigten, das BS Aliyun, eine von Alibaba entwickelte nicht kompatible Android-Fork, zunächst in China zu vermarkten, auf ihre Verpflichtungen hinzuweisen. Aus den Erklärungen, die Alibaba im Verwaltungsverfahren abgegeben hat, geht nämlich hervor, dass sie Herstellungsvereinbarungen zur Einführung ihres BS in China und anschließend in der übrigen Welt, einschließlich des EWR, plante. Aus den Erklärungen mehrerer OEM geht auch hervor, dass Google sie ausdrücklich aufforderte, alle geschäftlichen Verhandlungen mit Alibaba auszusetzen (Erwägungsgründe 1054, 1057 und 1069 des angefochtenen Beschlusses). Google hält ihre Interventionen zwar für gerechtfertigt, weil sie ihren Ruf habe schützen und nicht habe zulassen wollen, dass ihre Mitbewerber von den positiven externen Effekten profitierten, die sich aus dem quelloffenen Charakter der Android-Lizenz ergäben, bestreitet aber nicht, eingegriffen zu haben, um sicherzustellen, dass diese OEM ihre Verpflichtungen aus den AFV in Bezug auf das Verbot der Bereitstellung von Absatzmärkten für nicht kompatible Android-Forks einhielten. Unter diesen Umständen kann Google nicht mit Erfolg geltend machen, der Misserfolg von Alibaba in China sei ausschließlich auf Hardwaremängel und Probleme mit der Qualität der Nachahmungen zurückzuführen.

852

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass Google im zweiten Teil des vierten Klagegrundes als Antwort auf ein Argument der Kommission geltend macht, dass ohne die AFV die Marktdisziplin trotz des fehlenden kommerziellen Interesses an der Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks nicht ausgereicht hätte, um die Vermeidung von Inkompatibilitäten zu gewährleisten. Ohne verbindliche Verpflichtungen hätten die Betreiber des„Android-Ökosystems“ nämlich nach Ansicht von Google ein Interesse daran gehabt, die sich aus der Kompatibilität ergebende Interoperabilität zu nutzen, aber nicht unbedingt daran, die zur Behebung sämtlicher Inkompatibilitäten erforderlichen Ausgaben selbst zu tätigen.

853

Schließlich besteht zwischen den Parteien auch Uneinigkeit in Bezug auf die Konsequenzen daraus, dass Google sich das geistige Eigentum an den API sowie an anderen von Google selbst entwickelten Programmen vorbehalten hat, die dazu beitrugen, dass die Anwendungen auf den Geräten funktionierten, indem sie es ihnen ermöglichten, einwandfrei mit dem BS zu kommunizieren. Obwohl die Kommission im angefochtenen Beschluss die Auffassung vertritt, dass die Weigerung von Google, ihre API den Entwicklern nicht kompatibler Android-Forks zur Verfügung zu stellen, zum zweiten Missbrauch beigetragen habe, ist jedoch festzustellen, dass die Kommission, wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, das Eigentumsrecht von Google an den von ihr entwickelten Programmen als solches nicht bestreitet. Darüber hinaus ist festzustellen, dass Google unwidersprochen angegeben hat, dass alle aufeinander folgenden Versionen des Android-Quellcodes, die sie veröffentlicht habe, eine Aktualisierung der „grundlegenden“ API enthalten hätten und dass sie ausgereicht hätten, damit die für Android entwickelten Anwendungen auf allen kompatiblen Entwicklungen des Quellcodes funktionierten.

854

Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Nutzung eines rechtmäßig erworbenen Eigentumsrechts durch ein Unternehmen, selbst wenn es eine beherrschende Stellung innehat, als solche nicht als missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV angesehen werden kann. Die Ausübung eines ausschließlichen Rechts an einem Recht des geistigen Eigentums gehört nämlich zu den Vorrechten des Inhabers eines solchen Rechts, so dass dessen Ausübung, selbst durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung, für sich genommen keinen Missbrauch dieser Stellung darstellen kann. Jedoch ist ein derartiges Verhalten nicht zulässig, wenn es gerade auf eine Verstärkung der beherrschenden Stellung und deren Missbrauch abzielt (vgl. Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 150 und 151 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

855

Im vorliegenden Fall sind die im Verwaltungsverfahren eingeholten Erklärungen von drei Unternehmen zu berücksichtigen, wonach die den Teilnehmern des „Android-Ökosystems“ vorbehaltene Bereitstellung immer leistungsfähigerer proprietärer API tendenziell dazu geführt habe, dass die Entwickler von Anwendungen für Android in kritischem Ausmaß von diesen API abhängig gewesen seien. Die Kosten einer möglichen Portierung der Anwendungen auf nicht kompatible Android-Forks seien dadurch noch abschreckender geworden. In Anbetracht dieser Feststellungen ist davon auszugehen, dass die von Google verfolgte Geschäftspolitik in Bezug auf die Bereitstellung ihrer API bei der Beurteilung der Auswirkung der in den AFV eingeführten Absatzbeschränkungen als ein zum Kontext gehörender Aspekt berücksichtigt werden muss. Diese Auswirkung ist umso bedeutsamer, als Google die Feststellung der Kommission, dass sich der technologische Abstand zwischen den API von Google und den Basisversionen des Quellcodes während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung vergrößert habe, nicht bestreitet. Der Zugang zu den proprietären API von Google war daher für die Entwickler und die OEM von strategischem Interesse. Die ADA, die als Streithelferin Google unterstützt, bestätigt darüber hinaus, dass die Anwendungen ohne die proprietären API von Google nicht ordnungsgemäß funktionieren könnten und die Behebung dieser Fehlfunktionen vielfältige und hohe Kosten verursachen würde.

856

Wie jedoch aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes hervorgeht, mussten OEM, die die proprietären API von Google nutzen wollten, eine VVMA abschließen, was die vorherige Zustimmung zu den Bedingungen der AFV voraussetzte. Somit stellte die Politik von Google in Bezug auf die Entwicklung und den Vertrieb ihrer API einen Anreiz für den Abschluss der AFV dar, die, wie soeben ausgeführt, die Absatzmöglichkeiten für nicht kompatible Android-Forks einschränkten.

857

Als Beleg für den wettbewerbswidrigen Charakter der Ausschlusspraxis, die den zweiten Missbrauch darstellt, führt die Kommission im angefochtenen Beschluss neben der Behinderung der Entwicklung tatsächlicher oder potenzieller Mitbewerber von Google auf dem Markt für lizenzierte BS zwei Hauptfolgen an. Zum einen habe der zweite Missbrauch die beherrschende Stellung von Google auf dem Markt für allgemeine Suchdienste gestärkt. Zum anderen habe er Innovationen behindert und die Vielfalt der den Verbrauchern zur Verfügung stehenden Angebote eingeschränkt (Erwägungsgründe 1139 bis 1145 des angefochtenen Beschlusses).

858

Was zunächst den ersten oben angeführten Punkt betrifft, bestreitet Google, dass die AFV zur Stärkung ihrer beherrschenden Stellung auf den Märkten für allgemeine Suchdienste beigetragen hätten. Google stellt dies im Wesentlichen mit der Begründung in Abrede, dass die AFV keine Klausel enthielten, die es den OEM untersage, mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchdienste zu installieren, und dass der Erfolg ihres eigenen Dienstes auf dessen Vorzüge zurückzuführen sei.

859

Insoweit genügt der Hinweis, dass die Kommission die Klauseln der AFV nicht als missbräuchlich eingestuft hat, soweit sie für Geräte galten, auf denen das GMS-Paket installiert war. Im Rahmen des zweiten Missbrauchs wirft die Kommission Google vielmehr vor, dafür gesorgt zu haben, dass nicht kompatiblen Android-Forks jeder Absatzmarkt genommen worden sei. Unstreitig bestand die Lizenzpolitik von Google darin, das GMS-Paket kompatiblen Android-Forks vorzubehalten. Die Installation von Google Search auf Geräten, die mit nicht kompatiblen Android-Forks betrieben wurden, war somit ausgeschlossen. Allein dieser Umstand reicht aus, um festzustellen, dass nicht kompatible Android-Forks als Vertriebskanäle für konkurrierende allgemeine Suchdienste hätten dienen können. Obwohl die AFV die Vorinstallation mit Google Search konkurrierender allgemeiner Suchdienste in keiner Weise untersagten, trugen sie gleichwohl durch die Beschneidung der Absatzmöglichkeiten für nicht kompatible Android-Forks dazu bei, die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste von Situationen auszuschließen, in denen sie als exklusiv vorinstallierte Anwendungen auf einem bestimmten Gerät nicht in direkten Wettbewerb mit Google Search getreten wären.

860

Auf Geräten mit nicht kompatiblen Android-Forks hätten die mit Google Search konkurrierenden allgemeinen Suchdienste nämlich nicht nur eine Vorinstallation, sondern sogar eine exklusive Installation anstreben können. Dies war nach Angaben von Seznam auch der Grund, warum sie einigen OEM vorgeschlagen hatte, Geräte mit nicht kompatiblen Android-Forks zu vermarkten, auf denen nur ihr eigener allgemeiner Suchdienst installiert sein sollte. FairSearch macht, ohne dass ihr ernsthaft widersprochen worden wäre, ebenfalls geltend, dass die streitige Praxis die Entwicklung und den Markterfolg allgemeiner Suchdienste, die den Schwerpunkt auf den Schutz der Privatsphäre der Nutzer legten, erschwert habe.

861

Daraus folgt, dass Google nicht mit Erfolg bestreiten kann, dass ihre Praxis der Verdrängung nicht kompatibler Android-Forks zur Stärkung ihrer beherrschenden Stellung auf den Märkten für allgemeine Suchdienste beitrug.

862

Was zum anderen die Behinderung der Innovationen betrifft, hat die Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die mit den AFV umgesetzte Praxis der Verdrängung nicht kompatibler Android-Forks durch die Verhinderung der Entwicklung unterschiedlicher Varianten des BS die Innovationsmöglichkeiten behindert und den Nutzern Funktionen vorenthalten habe, die sich von denen der kompatiblen Android-Forks unterschieden oder diese ergänzten. Insoweit war die Kommission entgegen dem Vorbringen von Google nicht verpflichtet, zum Nachweis der Begründetheit dieser Beurteilung genauer zu definieren, welche Funktionen ohne die streitige Praxis hätten bereitgestellt werden können. Google bestreitet nämlich nicht, dass sich die in Rede stehenden Märkte durch rasche Innovationen auszeichnen, zu denen Forks mit anderen Merkmalen als denen kompatibler Forks hätten beitragen können.

863

Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Kommission hinreichend nachgewiesen hat, dass die AFV ihren Unterzeichnern untersagten, nicht kompatiblen Android-Forks Absatzmärkte zu verschaffen. Diese Behinderung der unmittelbaren Mitbewerber von Google auf dem Markt für BS, deren Auswirkungen zudem durch die Politik von Google hinsichtlich der Bedingungen für die Vermarktung ihrer API und ihrer anderen proprietären Anwendungen verstärkt wurden, hat zudem zur Stärkung der beherrschenden Stellung von Google auf den Märkten für allgemeine Suchdienste beigetragen und sich darüber hinaus als für die Endnutzer nachteilig erwiesen.

864

Da die Kommission festgestellt hat, dass der zweite Missbrauch in der Anwendung sämtlicher im CDD festgelegten technischen Standards auf Geräte bestanden habe, auf denen das GMS-Paket nicht installiert gewesen sei, und da sie eine umfassende Analyse der Auswirkungen der durch die streitige Praxis verursachten Wettbewerbsbeschränkung vorgenommen hat, war sie entgegen dem Vorbringen von Google nicht verpflichtet, die Standards des CDD, die diese Auswirkungen verursachten, genau zu bestimmen. Die im angefochtenen Beschluss gegen Google erhobenen Vorwürfe betreffen nämlich nicht den Inhalt der von ihr festgelegten Kompatibilitätsverpflichtungen, sondern ihre Praxis, mit der verhindert werden sollte, dass nicht kompatible Android-Forks Absatzmärkte finden.

865

Da sowohl das Vorliegen dieser Praxis als auch ihre Auswirkungen aufgrund der vorstehenden Ausführungen als erwiesen angesehen werden können, ist es nicht erforderlich, sich im Rahmen dieses Teils zu den Argumenten zu äußern, die die Eindeutigkeit der VVF, den rein theoretischen Charakter der Möglichkeit für Google, den Inhalt des CDD in einer wettbewerbswidrigen Weise weiterzuentwickeln, oder das Vorliegen einer Absicht von Google betreffen, ihre Vertragspartner in die Irre zu führen. Diese Argumente zielen nämlich darauf ab, zusätzliche Gründe zu bestreiten, die an anderer Stelle des angefochtenen Beschlusses berücksichtigt wurden, so dass ihre Prüfung nicht geeignet wäre, die vorstehenden Feststellungen in Frage zu stellen. Stattdessen sind nunmehr die von Google vorgebrachten objektiven Rechtfertigungen zu prüfen.

3.   Zweiter Teil: Vorliegen objektiver Rechtfertigungen

a)   Angefochtener Beschluss

866

Die Kommission ist der Auffassung, dass keine der von Google vorgebrachten objektiven Rechtfertigungen akzeptiert werden könne. Sie widerspricht der Argumentation, die Google im Verwaltungsverfahren in acht Punkten vorgebracht hat, nämlich dass die VVF erstens notwendig seien, um die Kompatibilität innerhalb des „Android-Ökosystems“ zu gewährleisten, wobei die Geschäftsmodelle der Entwickler anderer BS den Wettbewerb stärker eingeschränkt hätten, dass die VVF zweitens notwendig seien, um eine Fragmentierung zu verhindern, die für das gesamte „Android-Ökosystem“ schädlich wäre, dass die VVF drittens notwendig seien, um den Ruf von Google zu schützen, dass die VVF viertens notwendig seien, um zu verhindern, dass die Entwickler nicht kompatibler Android-Forks von unverdienten externen Effekten profitierten, die sich aus der Reduzierung ihrer Entwicklungskosten durch die kostenlose Bereitstellung eines bereits funktionierenden Quellcodes ergäben, dass die VVF fünftens notwendig seien, um zu verhindern, dass die Entwickler nicht kompatibler Android-Forks von unverdienten externen Effekten profitierten, die sich daraus ergäben, dass Google ihnen ihre Technologie zur Verfügung stelle, insbesondere durch die frühzeitige Weitergabe des Quellcodes oder durch die Veranstaltung von Entwickler-Workshops, dass die VVF sechstens eingeführt worden seien, bevor Google eine marktbeherrschende Stellung erlangt habe, dass die VVF siebtens nicht mit dem Ziel konzipiert worden seien, die Unternehmen, die eine AFV abgeschlossen hätten, über deren Tragweite in die Irre zu führen, und dass die Kommission achtens die wettbewerbswidrigen und die wettbewerbsfördernden Auswirkungen der VVF nicht gegeneinander abgewogen habe (Erwägungsgründe 1155 bis 1183 des angefochtenen Beschlusses).

b)   Vorbringen der Parteien

1) Vorbringen von Google

867

Zur Stützung des zweiten Teils des vierten Klagegrundes macht Google geltend, der angefochtene Beschluss lasse den wettbewerbsfördernden Charakter der VVF, die notwendig seien, um die Integrität und Qualität der Android-Plattform vor den mit etwaigen Inkompatibilitäten verbundenen Risiken zu schützen, außer Acht.

868

Als Erstes macht Google geltend, dass die VVF notwendig seien, um die Lebensfähigkeit und die Qualität von Android vor den Risiken zu schützen, die mit Inkompatibilitäten einhergingen. Die VVF gäben den Entwicklern die Sicherheit, dass ihre Anwendungen auf verschiedenen Android-Geräten ohne Fehlfunktionen lauffähig seien. Sie gäben auch den Endnutzern die Sicherheit, dass die für Android entwickelten Anwendungen auf dem von ihnen gewählten Android-Gerät funktionierten. Die Förderung der Kompatibilität stelle daher sowohl für die Entwickler von Android-Forks als auch für die Anwendungsentwickler, die OEM und die Nutzer einen Wettbewerbsvorteil dar. Die Erhaltung dieser Interoperabilität und der Schutz der Integrität und Qualität der Android-Plattform seien legitime und nicht wettbewerbswidrige Ziele.

869

Als Zweites weist Google darauf hin, dass Android im Rahmen eines offenen Lizenzmodells eingeführt worden sei, das den OEM und den Entwicklern mehr Flexibilität als die sogenannten „proprietären“ Lizenzmodelle biete, indem es ihnen erlaube, den Quellcode zu ändern und an ihre Bedürfnisse anzupassen. Die Android-Plattform, innerhalb derer mehrere Forks koexistierten, sei somit auf eine pluralistische und diversifizierte Entwicklung ausgelegt. Diese Besonderheiten machten es jedoch unerlässlich, Mechanismen einzuführen, die dazu bestimmt seien, eine Fragmentierung zu verhindern, die zur Zerstörung der gesamten Android-Plattform führen könnte. Die VVF, die allein diesem Ziel hätten dienen sollen, wären daher selbst dann gerechtfertigt, wenn sie als wettbewerbswidrig anzusehen wären – was Google zudem im Rahmen des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes bestreitet.

870

Die Notwendigkeit der VVF werde durch mehrere Beweise belegt. Erstens zeigten die bisherigen Erfahrungen mit der Fragmentierung der offenen Plattformen Unix, Symbian und Linux Mobile auf, welche irreparablen Folgen die Verbreitung von Inkompatibilitäten habe. Zweitens untermauerten die Aussagen zahlreicher Teilnehmer des „Android-Ökosystems“ den Standpunkt von Google. So hätten mehr als 94 % (35 von 37) der Android-Akteure, die die Fragen der Kommission zur Fragmentierung inhaltlich beantwortet hätten (darunter Anwendungsentwickler, OEM, MNO und andere Unternehmen), angegeben, dass die Gefahr von Inkompatibilitäten Anlass zur Sorge gebe. Drittens belegten im Verwaltungsverfahren vorgelegte interne Dokumente von Google, dass der einzige Grund für die Existenz der VVF darin bestanden habe, die Kompatibilität sicherzustellen und die Integrität der Android-Plattform zu bewahren.

871

Als Drittes weist Google darauf hin, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss behaupte, dass die VVF nicht erforderlich seien, weil die Entwickler von Forks von sich aus Inkompatibilitäten zu vermeiden suchten, um das reibungslose Funktionieren der Anwendungen zu gewährleisten. Die Kommission könne nicht, ohne sich selbst zu widersprechen, sowohl die VVF beanstanden, weil sie die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks verhinderten, als auch geltend machen, dass die Entwickler Inkompatibilitäten unabhängig von der Existenz der VVF minimieren würden. Google vertritt die Auffassung, dass die Entwickler die Kompatibilität ihrer Android-Forks nur durch die Einhaltung der technischen Anforderungen des CDD sicherstellen könnten. Ohne die VVF könne die Kompatibilität folglich nicht gewährleistet werden. Es könne auch nicht behauptet werden, dass die Entwickler von Forks oder die OEM die Kompatibilität von sich aus sicherstellen würden, weil sie zwar ein Interesse daran hätten, die Vorteile der Interoperabilität zu nutzen, aber keinen ausreichenden Anreiz, von sich aus alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um die Kompatibilität zu gewährleisten, wenn es keine gemeinsamen Definitions- und Kontrollkriterien gebe, die nur Google aufstellen könne.

872

Als Viertes weist Google darauf hin, dass die Anwendung der VVF, deren Rechtmäßigkeit die Kommission anerkenne, soweit sie für die Geräte gälten, auf denen das GMS-Paket installiert sei, notwendigerweise auf die Geräte erstreckt werden müsse, auf denen diese Anwendungen nicht vorinstalliert seien. Andernfalls könnten die Integrität und die Lebensfähigkeit der Android-Plattform in ihrer Gesamtheit nicht vor den Problemen geschützt werden, die durch Inkompatibilitäten verursacht würden, d. h. vor dem Risiko der Fragmentierung von Android.

873

Als Fünftes bestreitet Google das Vorbringen der Kommission zu der Möglichkeit, den Nachteilen der Fragmentierung durch eine geeignete Politik des geistigen Eigentums entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang habe die Kommission zu verstehen gegeben, dass die Inkompatibilitätsprobleme lediglich den Ruf von Google beeinträchtigen würden und durch eine Markenstrategie gelöst werden könnten, die die Verwendung der Bezeichnung „Android“ auf kompatible Geräte beschränke. Die Inkompatibilität und das Risiko von Fehlfunktionen der Android-Anwendungen seien jedoch kein Reputationsproblem, sondern ein technisches Problem, das die Integrität und die Lebensfähigkeit des „Android-Ökosystems“ bedrohe. Das Vorbringen der Kommission lasse auch außer Betracht, dass die VVF nur für Geräte gälten, die „speziell für den Betrieb mit Android entwickelt“ worden seien. Wenn diese Geräte die Erwartungen der Nutzer und der Anwendungsentwickler an die Kompatibilität nicht erfüllten, würden sie das Vertrauen in Android als Ganzes untergraben.

2) Vorbringen der Kommission

874

Die Kommission macht geltend, dass die AFV im angefochtenen Beschluss nur insoweit beanstandet würden, als sie von den OEM verlangten, dass ihre Geräte, auf denen die Anwendungen von Google nicht vorinstalliert seien, die CTS bestehen müssten. Nach Auffassung der Kommission sind die von Google angeführten objektiven Rechtfertigungen zurückzuweisen, die sich auf die Notwendigkeit bezögen, die Risiken zu vermeiden, die damit einhergingen, dass Anwendungen auf Geräten, auf denen die Anwendungen von Google nicht vorinstalliert seien, nicht oder nicht ordnungsgemäß funktionierten. Die Nutzer und die Anwendungsentwickler würden ein Versagen oder eine Funktionsstörung der Anwendungen auf diesen Geräten nämlich nicht Google anlasten.

875

Zudem hätten die VVF nicht dem alleinigen Zweck dienen sollen, die Kompatibilität sicherzustellen und die Integrität der Android-Plattform zu bewahren, sondern auch dazu, die für Google negativen Folgen des von nicht kompatiblen Android-Forks ausgehenden Wettbewerbs zu bekämpfen. Dies gehe aus internen Dokumenten von Google und aus den Antworten auf die Auskunftsersuchen hervor.

c)   Würdigung durch das Gericht

876

Nach der im Rahmen der Prüfung des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes angeführten Rechtsprechung ist ein Verhalten nicht missbräuchlich, wenn es durch wettbewerbsfördernde Vorteile gerechtfertigt ist oder berechtigten Interessen dient. Das Unternehmen in beherrschender Stellung kann dazu insbesondere den Nachweis erbringen, dass entweder sein Verhalten objektiv notwendig ist oder dass die dadurch hervorgerufene Verdrängungswirkung durch Effizienzvorteile ausgeglichen oder sogar übertroffen werden kann, die auch dem Verbraucher zugutekommen. Zu diesem Zweck hat das Unternehmen in beherrschender Stellung nachzuweisen, dass die durch das betreffende Verhalten möglicherweise eintretenden Effizienzvorteile die mit diesem Verhalten einhergehende Verdrängungswirkung ausgleichen, dass diese Effizienzvorteile durch das genannte Verhalten erzielt worden sind oder erzielt werden können und dass dieses Verhalten für das Erreichen der Effizienzvorteile notwendig ist und einen wirksamen Wettbewerb nicht ausschaltet, indem es alle oder die meisten bestehenden Quellen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbs zum Versiegen bringt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 40 bis 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). Anhand dieser Grundsätze sind die von Google vorgebrachten Rechtfertigungen zu beurteilen.

1) Zur Notwendigkeit, die Kompatibilität innerhalb des „Android-Ökosystems“ zu schützen und die „Fragmentierung“ zu verhindern

877

Google hält das streitige Verhalten für notwendig, um die Kompatibilität innerhalb des „Android-Ökosystems“ sicherzustellen, das durch eine Fragmentierung gefährdet würde. Es handelt sich jedoch um zwei unterschiedliche Ziele, die getrennt voneinander zu bewerten sind.

878

Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht die Auffassung vertreten hat, dass die Einführung von Verpflichtungen zur Sicherstellung der Kompatibilität von Android-Forks, auf denen der Play Store und Google Search installiert sind, einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV darstelle. Desgleichen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nicht das Recht von Google bestreitet, die Installation des GMS-Pakets Geräten vorzubehalten, die mit kompatiblen Android-Forks betrieben werden. Die Kommission hat es lediglich als missbräuchlich angesehen, den OEM, die Geräte vermarkten, auf denen das GMS-Paket installiert ist, zu untersagen, daneben auch nicht kompatiblen Android-Forks Absatzmöglichkeiten zu eröffnen. Daraus folgt, dass die erste von Google angeführte Rechtfertigung, nämlich die Notwendigkeit, die Kompatibilität innerhalb des „Android-Ökosystems“ sicherzustellen, in keinem Zusammenhang mit dem zweiten Missbrauch steht und daher im vorliegenden Fall irrelevant ist.

879

Zum anderen kann Google den durch die AFV bewirkten Entzug sämtlicher Absatzmöglichkeiten für nicht kompatible Android-Forks nicht allein mit der Gefahr rechtfertigen, die eine „Fragmentierung“, d. h. eine Vervielfachung untereinander inkompatibler Plattformen, für das Überleben von Android selbst darstellen soll. Google verweist in diesem Punkt auf die Misserfolge, die frühere BS, die wie Android als „Open Source“ vertrieben worden seien, aus diesem Grund erlitten hätten.

880

Ohne dass es erforderlich wäre, den Streit zwischen den Parteien über die Frage zu entscheiden, ob die Fragmentierung für Google und die gesamte Branche schädlich oder vorteilhaft gewesen wäre, genügt der Hinweis darauf, dass Google die im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen zur überlegenen Marktmacht des „Android-Ökosystems“ nicht ernsthaft in Frage stellt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die zur Stützung des ersten Klagegrundes vorgebrachten Argumente in Bezug auf die beherrschende Stellung von Google auf den Märkten für Vertriebsplattformen für Anwendungen und auf den Märkten für BS zurückzuweisen sind. Außerdem bestreitet Google nicht, eine beherrschende Stellung auf den Märkten für allgemeine Suchdienste zu haben. Darüber hinaus soll laut Tabelle 1 des angefochtenen Beschlusses, die Google ebenfalls nicht bestreitet, der Anteil der mit einem lizenzierten BS betriebenen Geräte, die weltweit – ohne China – von OEM verkauft wurden, die an eine AFV gebunden waren, von [70-80] % im Jahr 2011 auf [90-100] % im Jahr 2016 gestiegen sein (167. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Google bestreitet auch nicht die Richtigkeit der Angaben in Schaubild 16 dieses Beschlusses, aus denen hervorgeht, dass die Zahl der im Play Store verfügbaren Anwendungen im Jahr 2013 eine Million und im Jahr 2017 2,8 Millionen erreichte (607. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die Situation von Android bei seiner Einführung mit der von bereits existierenden, als „Open Source“ vertriebenen BS wie Unix, Symbian und Linux vergleichbar gewesen sein könnte. Das extrem schnelle Wachstum des „Android-Ökosystems“ seit den frühen 2010er Jahren lässt jedoch die Behauptungen von Google in Bezug auf das hypothetische Risiko, dass die von ihr beschriebene Bedrohung für das Überleben dieses „Ökosystems“ während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung hätte fortbestehen können, wenig glaubhaft erscheinen. Folglich ist diese Rechtfertigung zurückzuweisen.

2) Zur Notwendigkeit, den eigenen Ruf zu schützen

881

Google macht geltend, dass die VVF zwar in erster Linie dazu dienten, technische Probleme zu lösen, deren Auswirkungen weitaus schwerwiegender seien, dass sie aber auch notwendig seien, um ihren Ruf zu schützen.

882

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission die VVF nicht als missbräuchlich angesehen hat, soweit sie für Geräte galten, auf denen das GMS-Paket, d. h. die Anwendungen von Google, installiert war. Die Behauptungen von Google zum Schutz ihres Rufs sind daher ausschließlich im Hinblick auf die Behinderung zu prüfen, die die AFV für nicht kompatible Android-Forks darstellten, auf denen Google die Installation dieser Anwendungen ohnehin ausgeschlossen hatte. Unstreitig behält sich Google nämlich das Recht vor, ihre Anwendungen nur durch OEM installieren zu lassen, die die im CDD festgelegten technischen Verpflichtungen einhalten.

883

Sodann wendet sich Google gegen die im angefochtenen Beschluss enthaltene Beurteilung, wonach sie Maßnahmen ergreifen könne, die jegliche Verwechslung in Bezug auf die betriebliche Herkunft von Geräten mit Android-kompatiblen Forks ausschlössen, z. B. durch die Eintragung von Marken, die ihr den Namen „Android“ vorbehielten (Erwägungsgründe 1172 bis 1176 des angefochtenen Beschlusses). Google macht insoweit lediglich geltend, dass solche Maßnahmen nicht ausreichen würden, ohne diese Behauptung jedoch im Einzelnen zu belegen. Die mangelnde Wirksamkeit einer von Google zum Schutz ihres Rufs wahrgenommenen Verteidigung ihrer Rechte des geistigen Eigentums, z. B. durch das Verbot der Verwendung der Namen „Google“ und „Android“ bei Geräten, die mit nicht kompatiblen Android-Forks außerhalb des „Android-Ökosystems“ betrieben werden, ist daher nicht erwiesen. Solche Maßnahmen würden den Wettbewerb aber zweifellos weniger stark einschränken als die Verdrängung nicht kompatibler Android-Forks, die sich aus den AFV ergibt und die daher im Hinblick auf den behaupteten Zweck unverhältnismäßig ist.

884

Schließlich beruft sich Google zur Untermauerung der in Rede stehenden Rufschädigung im Wesentlichen auf die Risiken, die ihrer Ansicht nach mit der „Fragmentierung“ einhergehen, weil etwaige Fehlfunktionen, die auf nicht kompatible Android-Forks zurückzuführen seien, auf das gesamte „Ökosystem“ zurückfallen würden. Aus dem Vorstehenden (siehe oben, Rn. 879 und 880) ergibt sich jedoch, dass die Gefahr einer Ausstrahlung zum Nachteil des Android-Ökosystems im vorliegenden Fall nicht hinreichend nachgewiesen ist.

3) Zur Notwendigkeit, Mitnahmeeffekte zu unterbinden

885

Google macht geltend, dass die VVF notwendig seien, um die Mitnahmeeffekte zu begrenzen, die sich daraus ergäben, dass ihre Technologie Dritten zur Verfügung gestellt werde. Bei den positiven externen Effekten, von denen nicht kompatible Android-Forks profitierten, handele es sich zum einen um finanzielle Mitnahmeeffekte, die sich aus der Verringerung der Entwicklungskosten sowohl für das BS als auch für die Anwendungen ergäben, und zum anderen um technische Mitnahmeeffekte, die mit dem Transfer ihrer Technologie verbunden seien (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 41 und 42).

886

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die AFV nur insoweit beanstandet, als sie Verpflichtungen enthalten, die darauf abzielen, nicht kompatiblen Android-Forks den Absatzmarkt zu entziehen. Das Recht eines Unternehmens, Nutzen aus den wirtschaftlichen Vorteilen zu ziehen, die mit den von ihm entwickelten Diensten verbunden sind, bedeutet aber nicht, dass ihm das Recht zuzuerkennen ist, mögliche Wettbewerber vom Markt fernzuhalten. Darüber hinaus ist mit der Kommission (Erwägungsgründe 1177 bis 1181 des angefochtenen Beschlusses) festzustellen, dass die Möglichkeit, dass Dritte aus der von Google entwickelten Technologie Nutzen ziehen, eine unausweichliche Folge der von ihr getroffenen Entscheidung ist, den Android-Quellcode durch die AOSP-Lizenz offenzulegen. Daher kann die Möglichkeit, dass die Mitbewerber von Google in den Genuss von Mitnahmeeffekten kommen könnten, den zweiten Missbrauch nicht rechtfertigen.

4) Zur Vorzeitigkeit gegenüber der Erlangung der marktbeherrschenden Stellung und zum Fehlen einer Täuschung

887

Zum einen stellt Google die Relevanz der Ausführungen im angefochtenen Beschluss nicht in Frage, wonach der Umstand, dass das streitige Verhalten begann, bevor Google eine beherrschende Stellung auf den Märkten für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen und auf den Märkten für allgemeine Suchdienste erlangte, nicht geeignet ist, den zweiten Missbrauch zu rechtfertigen. Insoweit ist lediglich darauf hinzuweisen, dass die Kommission gegen Google für den Zeitraum, der vor der Erlangung ihrer beherrschenden Stellung lag, keine Geldbuße verhängt hat.

888

Darüber hinaus wirft die Kommission Google nicht vor, versucht zu haben, die Parteien der AFV oder Dritte über die Tragweite der VVF zu täuschen, so dass das Argument von Google, es habe keinerlei Täuschung gegeben, als ins Leere gehend zurückzuweisen ist.

5) Zur Berücksichtigung der wettbewerbsfördernden Auswirkungen der VVF

889

Google wirft der Kommission vor, die wettbewerbsfördernden Auswirkungen der VVF nicht gegen ihre wettbewerbsschädigenden Auswirkungen abgewogen zu haben. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nicht bestreitet, dass die von Google festgelegten Kompatibilitätsstandards zur Entwicklung des „Android-Ökosystems“ beigetragen haben. Die Kommission bestreitet auch nicht, dass die Kompatibilität wettbewerbsfördernde Auswirkungen hatte, indem sie die Entwicklung der Teilnehmer an diesem Ökosystem sowie den Wettbewerb zwischen ihnen begünstigte. Die Kommission spricht Google auch nicht das Recht ab, Standards festzulegen, um die Kompatibilität innerhalb dieses „Ökosystems“ zu gewährleisten. Hingegen hat die Kommission den Standpunkt vertreten, sie habe die wettbewerbsfördernden Auswirkungen der AFV nicht berücksichtigen müssen, weil Google die sich aus den VVF ergebenden Behinderungen nicht kompatibler Android-Forks nicht objektiv gerechtfertigt habe (1183. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

890

In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Bestimmungen der AFV nur insoweit als missbräuchlich ansieht, als sie es den OEM untersagen, Absatzmärkte für nicht kompatible Android-Forks anzubieten. Für die Zwecke der Anwendung von Art. 102 AEUV ist diese Behinderung daher getrennt von den Verpflichtungen zu betrachten, die die Kompatibilität von Android-kompatiblen Forks und die Interoperabilität innerhalb des „Android-Ökosystems“ sicherstellen sollen und deren wettbewerbsfördernde Auswirkungen nicht bestritten werden. Wie oben bereits ausgeführt, entfaltet die in Rede stehende Behinderung ihre Wirkungen nämlich außerhalb des „Android-Ökosystems“, weil sie nicht kompatible Forks betrifft, auf denen Googles eigene Anwendungen wie das GMS-Paket nicht installiert werden dürfen und bei denen Kompatibilität und Interoperabilität nicht notwendigerweise angestrebt werden.

891

Die Behinderung der Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks kann nämlich nicht per se als für die Festlegung von Kompatibilitätsstandards, die innerhalb des „Android-Ökosystems“ gelten sollen, unerlässlich angesehen werden. Aus dem Umstand, dass die Rechtfertigungen von Google hinsichtlich der Notwendigkeit, die „Fragmentierung“ zu bekämpfen, zurückgewiesen werden müssen, folgt insbesondere, dass Google nicht nachgewiesen hat, dass es für sie unmöglich gewesen wäre, das Überleben des „Android-Ökosystems“ ohne die streitigen Bedingungen zu gewährleisten. Da somit kein durch eine Notwendigkeit bedingter Zusammenhang zwischen dem Ausschluss nicht kompatibler Android-Forks einerseits und der Kompatibilität innerhalb des Android-Ökosystems – die im Übrigen das Ziel der VVF ist – andererseits besteht, kann Google nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Kommission die wettbewerbsfördernden Wirkungen der VVF innerhalb des Android-Ökosystems, die sich für die Teilnehmer dieses Ökosystems aus den Vorteilen der Kompatibilität ergeben hätten, gegen die Wettbewerbsbeschränkungen hätte abwägen müssen, die sich außerhalb dieses Ökosystems auswirken und als zweiter Missbrauch identifiziert wurden.

4.   Ergebnis der Prüfung des vierten Klagegrundes

892

Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Wettbewerbswidrigkeit der Verdrängung nicht kompatibler Android-Forks durch die AFV als erwiesen anzusehen ist. Dieses Verhalten hat den potenziellen oder bestehenden Mitbewerbern von Google jeglichen Absatzmarkt entzogen, die beherrschende Stellung von Google auf den Märkten für allgemeine Suchdienste gestärkt und die Innovation behindert. Darüber hinaus hat Google weder dargetan, dass der durch die AFV bewirkte Ausschluss nicht kompatibler Android-Forks einem legitimen Ziel diente, noch nachgewiesen, dass dieser Ausschluss wettbewerbsfördernde Auswirkungen hatte, die diesem Unternehmen zuzurechnen sind.

893

Aus dem Vorstehenden ergibt sich auch, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen von Google den relevanten wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext sowie die konkreten Auswirkungen des zweiten Missbrauchs ordnungsgemäß berücksichtigt hat. Da die Kommission das Vorliegen der streitigen Beschränkungen und ihrer Auswirkungen auf den Wettbewerb hinreichend nachgewiesen hat, war sie entgegen der Auffassung von Google und ihrer Streithelferinnen auch nicht verpflichtet, darüber hinaus eine kontrafaktische Analyse durchzuführen, um die hypothetischen Folgen zu bewerten, die ohne den zweiten Missbrauch auf den Märkten für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen und auf den Märkten für allgemeine Suchdienste, auf denen dieser Missbrauch festgestellt wurde, sowie auf dem Markt für lizenzierbare BS, auf dem Google ebenfalls eine beherrschende Stellung innehat, hätten beobachtet werden können.

894

Daher ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

F. Fünfter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

895

Mit dem fünften Klagegrund, der sich in zwei Teile gliedert, macht Google geltend, dass die Kommission ihre Verteidigungsrechte verletzt habe, indem sie zum einen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und zum anderen ihr Recht auf Akteneinsicht nicht beachtet habe. Diese Verfahrensfehler machten die Feststellungen im angefochtenen Beschluss ungültig und rechtfertigten dessen Nichtigerklärung. Der zweite Teil dieses Klagegrundes ist zuerst zu prüfen.

1.   Zweiter Teil des fünften Klagegrundes: Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht

a)   Vorbringen der Parteien

896

Google macht geltend, dass der Inhalt der Aktenvermerke über die Besprechungen, die die Kommission mit Dritten über den Gegenstand der Untersuchung geführt habe, unzureichend sei und ihre Verteidigungsrechte nicht gewährleiste oder zumindest dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht entspreche. Diese Aktenvermerke seien im Nachhinein erstellt worden, manchmal mehrere Jahre nach der betreffenden Besprechung. Nur 3 der 35 übermittelten Aktenvermerke könnten als vollständig angesehen werden. Die übrigen 32 seien im Hinblick auf die in Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegten Anforderungen an eine Befragung Dritter zu kurz und zu summarisch, insbesondere im Licht des Urteils vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632).

897

Google beanstandet insbesondere, dass die übermittelten Informationen über die Besprechungen mit der für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissarin oder einem Mitglied ihres Kabinetts unzureichend seien und dass einige Namensangaben anonymisiert worden seien.

898

Wegen der Kürze der übermittelten Aktenvermerke könne Google weder den Inhalt der Erörterungen zwischen der Kommission und den befragten Dritten noch die Art der in diesem Zusammenhang erteilten Auskünfte feststellen. Diese Verletzung ihrer Verteidigungsrechte sei gravierend, insbesondere in Bezug auf die Befragungen der Anwendungsentwickler, bei denen es plausibel erscheine, dass sie entlastende Aussagen gemacht hätten, die in den von der Kommission übermittelten Aktenvermerken nicht wiedergegeben seien.

899

Die Kommission hält dieses Vorbringen für unbegründet.

900

Einleitend macht sie geltend, dass sie nur dann verpflichtet sei, ein vollständiges Protokoll einer Besprechung mit einem Dritten anzufertigen, wenn es sich dabei um eine „Befragung“ im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 handele, d. h. um eine Besprechung, deren Zweck es sei, Informationen einzuholen, die sich auf den Gegenstand der Untersuchung bezögen. Bei anderen Besprechungen brauche sie lediglich kurze Aktenvermerke anzufertigen, und zwar zum einen über alle während der betreffenden Besprechung vorgelegten Beweise, die sie in ihrem Beschluss zu verwenden beabsichtige, und zum anderen über alle bei dieser Gelegenheit vorgelegten Beweise, die für das von der Untersuchung betroffene Unternehmen möglicherweise günstig seien und auf die es sich hätte stützen können, um die Schlussfolgerungen der Kommission zu entkräften.

901

In diesem Zusammenhang macht die Kommission geltend, dass die Besprechungen mit der für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissarin und einem Mitglied ihres Kabinetts nicht dazu gedient hätten, den Gegenstand der Untersuchung betreffende Informationen einzuholen.

902

Hinsichtlich der Aktenvermerke über die anderen Besprechungen ist die Kommission der Ansicht, hinreichende Informationen darüber erteilt zu haben, wann und wie sie diese Vermerke erstellt habe, einschließlich der Gründe, aus denen bestimmte Namensangaben gestrichen worden seien.

b)   Würdigung durch das Gericht

903

Mit dem zweiten Teil des fünften Klagegrundes wirft Google der Kommission im Wesentlichen vor, ihr Aktenvermerke über Besprechungen mit Dritten übermittelt zu haben, die den Inhalt der Erörterungen und die Art der Auskünfte, die zu den bei diesen Besprechungen angesprochenen Themen erteilt worden seien, nicht hätten erkennen lassen, so dass sie ihre Verteidigungsrechte insoweit nicht ordnungsgemäß habe geltend machen können.

904

Aus dem angefochtenen Beschluss geht in der Tat hervor, dass Google am 15. September 2017 im Anschluss an das Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), alle einschlägigen Unterlagen zu den Besprechungen der Kommission mit Dritten angefordert hatte (vgl. 30. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission beantwortete dieses Ersuchen am 28. Februar 2018 (vgl. Erwägungsgründe 33 und 63 des angefochtenen Beschlusses).

905

Aus dem angefochtenen Beschluss geht auch hervor, dass die Kommission nach der Übermittlung dieser Unterlagen erklärt hat, über keine weiteren Unterlagen im Zusammenhang mit diesen Besprechungen zu verfügen, unabhängig davon, ob diese in Anwesenheit der Teilnehmer oder telefonisch stattgefunden hätten (vgl. 64. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Aus den Akten der vorliegenden Rechtssache ergibt sich nichts, was diese Aussage in Frage stellen könnte.

906

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Verteidigungsrechte als Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, deren Wahrung das Gericht und der Gerichtshof zu sichern haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, C‑109/10 P, EU:C:2011:686, Rn. 52).

907

Auch die Kommission hat in Anwendung des Grundsatzes der guten Verwaltungspraxis dafür zu sorgen, dass ihre internen Vorschriften die Verteidigungsrechte wahren.

908

Im Wettbewerbsrecht verlangt die Wahrung der Verteidigungsrechte, dass dem Adressaten eines Beschlusses, mit dem festgestellt wird, dass er eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln begangen hat, im Verwaltungsverfahren Gelegenheit gegeben wurde, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen und Umstände, die ihm zur Last gelegt werden, sowie zu den von ihr für ihre Behauptung einer Zuwiderhandlung herangezogenen Schriftstücken wirksam Stellung zu nehmen (Urteile vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, C‑109/10 P, EU:C:2011:686, Rn. 53, und vom 25. März 2021, Deutsche Telekom/Kommission, C‑152/19 P, EU:C:2021:238, Rn. 106).

909

Als Ausfluss des Grundsatzes der Wahrung der Verteidigungsrechte bedeutet das Recht auf Akteneinsicht, dass die Kommission dem betroffenen Unternehmen die Möglichkeit geben muss, alle Schriftstücke in der Ermittlungsakte zu prüfen, die möglicherweise für seine Verteidigung erheblich sind. Zu ihnen gehören sowohl belastende als auch entlastende Schriftstücke mit Ausnahme von Geschäftsgeheimnissen anderer Unternehmen, internen Schriftstücken der Kommission und anderen vertraulichen Informationen (Urteile vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 68, und vom 12. Juli 2011, Toshiba/Kommission, T‑113/07, EU:T:2011:343, Rn. 41).

910

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, auf den sich Google beruft, eine Rechtsgrundlage darstellt, die die Kommission ermächtigt, im Rahmen einer Untersuchung Gespräche mit einer natürlichen oder juristischen Person zu führen (Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 86).

911

Schon aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 ergibt sich, dass diese Bestimmung auf jedes Gespräch anwendbar sein soll, das die Einholung von Informationen zum Gegenstand einer Untersuchung bezweckt. Weder der Wortlaut dieser Vorschrift noch das mit ihr verfolgte Ziel bietet einen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber einzelne dieser Gespräche von ihrem Anwendungsbereich ausnehmen wollte (Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 84 und 87).

912

Wenn die Kommission eine Befragung gemäß Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 durchführt, um Informationen zum Gegenstand einer Untersuchung einzuholen, ist sie verpflichtet, diese Befragung in einer von ihr gewählten Form aufzuzeichnen. Dabei reicht es nicht aus, dass sie eine kurze Zusammenfassung der in der Befragung angesprochenen Themen erstellt. Sie muss Angaben zum Inhalt der Erörterungen im Rahmen dieser Befragung machen können, insbesondere was die Art der Auskünfte betrifft, die bei der Befragung zu den angesprochenen Themen erteilt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 91 und 92).

913

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach gefestigter Rechtsprechung eine Verletzung der Verteidigungsrechte vorliegt, wenn aufgrund eines von der Kommission begangenen Verfahrensfehlers die Möglichkeit besteht, dass das von ihr durchgeführte Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Zum Nachweis eines solchen Verstoßes braucht ein klagendes Unternehmen nicht darzutun, dass die Entscheidung der Kommission einen anderen Inhalt gehabt hätte, sondern muss nur hinreichend belegen, dass es sich ohne den Verfahrensfehler besser hätte verteidigen können (Urteile vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, C‑194/99 P, EU:C:2003:527, Rn. 31, und vom 13. Dezember 2018, Deutsche Telekom/Kommission, T‑827/14, EU:T:2018:930, Rn. 129). Ob die Kommission die Verteidigungsrechte beachtet hat, ist anhand der tatsächlichen und rechtlichen Umstände des konkreten Falles zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 107).

914

Im Hinblick auf diese Grundsätze ist das Vorbringen der Parteien zum zweiten Teil des fünften Klagegrundes zu prüfen.

915

Als Erstes ist zu der Frage, ob alle Aktenvermerke über die Besprechungen mit Dritten Befragungen im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 betreffen, darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Beantwortung einer in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage des Gerichts eingeräumt hat, dass 33 der 35 an Google übermittelten Aktenvermerke Befragungen im Sinne dieser Bestimmung betrafen; dies ist in die Sitzungsniederschrift aufgenommen worden.

916

Die Kommission bestreitet daher nur in Bezug auf zwei der 35 Treffen, auf die sich die an Google übermittelten Aktenvermerke beziehen, nämlich die beiden Treffen, an denen die für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissarin oder ein Mitglied ihres Kabinetts teilnahm, dass sie als Befragungen im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 einzustufen seien. Sie begründet diesen Einwand damit, dass der Zweck dieser Treffen nicht darin bestanden habe, den Gegenstand der Untersuchung betreffende Informationen einzuholen.

917

Im vorliegenden Fall sind jedoch entgegen dem Vorbringen der Kommission auch diese beiden Besprechungen als Befragungen im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 anzusehen. Aus den von der Kommission übermittelten Aktenvermerken über diese Besprechungen ergibt sich nämlich, dass es sich bei ihnen sehr wohl um Befragungen handelte, die der Einholung von Informationen zum Gegenstand der Untersuchung dienten.

918

So geht aus dem ersten Vermerk hervor, dass ein Unternehmen der Branche in einer am 2. Juli 2015 durchgeführten Befragung der Kommission seine Ansichten zu mobilen Plattformen, einschließlich Android, sowie zum Wettbewerbsumfeld, in dem sich seine Anwendungen und Dienste entwickelten, darlegen konnte.

919

Desgleichen geht aus dem zweiten Vermerk hervor, dass die ADA der Kommission während einer Befragung am 27. September 2017 ihre Ansichten zu der Untersuchung darlegen konnte, die zu dem angefochtenen Beschluss geführt hat, insbesondere in Bezug auf die AFV und die zur Lösung der festgestellten Wettbewerbsprobleme in Betracht gezogenen Abhilfemaßnahmen. In diesem Vermerk heißt es ferner, die ADA habe der Kommission gegenüber bestätigt, dass sie alles, was sie bei dieser Befragung geäußert habe, bereits in Dokumenten dargelegt habe, die der Kommission übermittelt worden seien.

920

Folglich ist der Umstand, dass die von der Kommission durchgeführten Befragungen Dritter möglicherweise in Form von Besprechungen mit der für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissarin oder einem Mitglied ihres Kabinetts stattfanden, nicht geeignet, sie vom Anwendungsbereich des Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 auszunehmen, weil die Treffen dazu dienten, Informationen über den Gegenstand einer Untersuchung einzuholen.

921

Was als Zweites die Frage betrifft, ob die Aktenvermerke über die Befragungen Dritter, die die Kommission durchführte, um Informationen zum Gegenstand der Untersuchung einzuholen, im Hinblick auf Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 ordnungsgemäß waren, ist darauf hinzuweisen, dass Google im Wesentlichen geltend macht, die Vermerke seien zu spät angefertigt worden und unvollständig.

922

Zur verspäteten Anfertigung ist festzustellen, dass nur drei der 35 Vermerke, die dem Gericht in einer Anlage zur Klageschrift vorgelegt wurden, Befragungen betreffen, die nach der Verkündung des Urteils vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), durchgeführt wurden. Dabei handelt es sich um zwei Befragungen der ADA am 18. und 27. September 2017 und eine Befragung des BEUC am 20. Dezember 2017. Die anderen 32 Befragungen fanden zwischen dem 30. Mai 2013 und dem 26. Juli 2017 statt, darunter 21 Befragungen zwischen 2013 und 2015.

923

Die späte Übermittlung einiger dieser Vermerke, insbesondere derjenigen, die viele Jahre nach der jeweiligen Befragung fertiggestellt wurden, ist im vorliegenden Fall auf die besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache zurückzuführen.

924

Aus den Akten geht nämlich zunächst hervor, dass Google die Kommission am 2. September 2016 gebeten hatte, ihr Aktenvermerke zu übermitteln, die den Inhalt aller Erörterungen zwischen der Kommission und Dritten, die den Gegenstand der Untersuchung betrafen, vollständig wiedergeben. In ihrer Antwort vom 22. September 2016 erklärte die Kommission, dass sie dieses Ersuchen ablehne, und berief sich insoweit auf die Rechtsprechung des Gerichts, die dem Urteil des Gerichtshofs vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), vorausgegangen war, insbesondere auf das Urteil vom 12. Juni 2014, Intel/Kommission (T‑286/09, EU:T:2014:547, Rn. 619 und die dort angeführte Rechtsprechung).

925

Ferner geht aus den Akten hervor, dass Google ihren Antrag am 15. September 2017 wiederholte, und zwar nunmehr unter Berufung auf das soeben verkündete Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), und auf die in diesem Urteil vorgenommene Klarstellung des Begriffs der Befragung zum Zweck der Einholung von Informationen, die sich auf den Gegenstand einer Untersuchung beziehen.

926

Um diesem Antrag nachzukommen, teilte die Kommission am 28. Februar 2018 mit, dass sie sich mit allen Dritten, mit denen sie Besprechungen durchgeführt habe, in Verbindung gesetzt habe, um deren Zustimmung zum Inhalt der Erörterungen einzuholen, die in den diese Dritten betreffenden Vermerken wiedergegeben seien. Die 32 Vermerke zu den Befragungen, die vor der Verkündung des Urteils vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), stattgefunden hatten, wurden somit tatsächlich erst auf den Antrag von Google vom 15. September 2017 hin fertiggestellt.

927

Da es keine zeitnahen Aufzeichnungen über die von den Dritten bei diesen Befragungen abgegebenen Erklärungen gab, bemühte sich die Kommission, wie der Anhörungsbeauftragte in seinem Schreiben vom 30. April 2018 als Antwort auf eine Eingabe von Google zur Bearbeitung ihrer Anträge auf Akteneinsicht dargelegt hat, ausführlichere Vermerke zu erstellen, in denen, soweit möglich, die einschlägigen Dokumente der Akte erwähnt wurden, die Google bereits übermittelt worden waren, oder in denen, soweit solche Dokumente nicht zu ermitteln waren, die Erinnerungen der Anwesenden so gut wie möglich wiedergegeben wurden.

928

Wie Google geltend macht, ändert das aber nichts daran, dass einige der ihr übermittelten Aktenvermerke nicht sofort oder zeitnah erstellt worden waren, sondern manchmal erst mehrere Jahre nach der jeweiligen Besprechung. Daher ist festzustellen, dass ein großer Teil der Aktenvermerke über die Besprechungen mit Dritten verspätet übermittelt wurde.

929

Zur Frage der Unvollständigkeit ist darauf hinzuweisen, dass nach Auffassung von Google nur drei der 35 von der Kommission übermittelten Vermerke den Anforderungen genügen, die Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 an Befragungen stellt, die der Einholung von Informationen zum Gegenstand einer Untersuchung dienen sollen. Dabei handelt es sich um die Vermerke über die am 26. Januar 2015 durchgeführte Befragung eines Unternehmens der Branche, die am 28. Mai 2015 durchgeführte Befragung eines Unternehmens, dessen Name Google nicht mitgeteilt wurde, und die am 18. September 2017 durchgeführte Befragung der ADA.

930

Hinsichtlich der übrigen 32 Vermerke ist, wie Google geltend macht, davon auszugehen, dass sie zu summarisch sind, um eine den Anforderungen von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 genügende Aufzeichnung einer Befragung darzustellen, die der Einholung von Informationen zum Gegenstand einer Untersuchung dienen sollte. Insbesondere bleiben diese Aktenvermerke, auch soweit sie den allgemeinen Inhalt der im Rahmen dieser Befragungen geführten Gespräche erkennen lassen, für sich allein in Bezug auf den genauen Inhalt der Gespräche und die Art der von den Dritten im Rahmen dieser Befragungen erteilten Auskünfte noch zu vage oder sind nicht detailliert genug.

931

Wie Google geltend macht, sind die 32 im Februar 2018 übermittelten Vermerke, die sie beanstandet, daher in Anbetracht ihrer bereits oben festgestellten späten Anfertigung als zu summarisch anzusehen. Die nachträgliche Rekonstruktion des Inhalts der Befragungen Dritter, die die Kommission durchgeführt hatte, um Informationen zum Gegenstand der Untersuchung einzuholen, oder die nachträglichen Verweise auf frühere oder spätere Dokumente in der Untersuchungsakte, die diese Befragungen betreffen, können das Fehlen einer ordnungsgemäßen Aufzeichnung daher nicht heilen.

932

Aus dem Vorstehenden folgt, dass ein großer Teil der von der Kommission am 28. Februar 2018 vorgelegten Aktenvermerke zu spät angefertigt wurde und zu summarisch ist, um eine Aufzeichnung im Sinne von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 darstellen zu können.

933

Künftig wäre es sinnvoll und angemessen, die Aufzeichnung jeder Befragung Dritter, die die Kommission durchführt, um Informationen zum Gegenstand einer Untersuchung einzuholen, zum Zeitpunkt des Gesprächs oder kurz danach anzufertigen oder genehmigen zu lassen, damit sie so schnell wie möglich zu den Akten genommen werden kann, so dass die beschuldigte Person zu gegebener Zeit davon Kenntnis nehmen kann, um ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen.

934

Was als Drittes die Konsequenzen betrifft, die aus den Verfahrensfehlern bei der Aufzeichnung der Befragungen Dritter im Sinne von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 zu ziehen sind, ist zu prüfen, ob Google unter Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Umstände der vorliegenden Rechtssache hinreichend nachgewiesen hat, dass sie sich ohne diese Fehler besser hätte verteidigen können. Ohne einen solchen Nachweis kann eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte nämlich nicht festgestellt werden.

935

Ein solcher Nachweis ist als erbracht anzusehen, wenn der Inhalt der nicht offengelegten Beweise weder bestimmt noch bestimmbar ist. In diesem Fall kann dem Unternehmen nicht die unerfüllbare Beweislast für den Inhalt des Dokuments auferlegt werden, insbesondere nicht für das Vorhandensein von belastendem oder entlastendem Beweismaterial, das nicht offengelegt wurde. Das Unternehmen kann sich somit darauf beschränken, auf die bloße Möglichkeit hinzuweisen, dass die nicht offengelegten Informationen für seine Verteidigung hätten nützlich sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, C‑110/10 P, EU:C:2011:687, Rn. 59 bis 62).

936

Ist dagegen der Inhalt der Beweise, zu denen der Zugang beschränkt war, nachträglich ermittelt worden oder lässt er sich nachträglich ermitteln, kann das Unternehmen nicht von dem Nachweis befreit werden, dass es keinen Zugang zu belastenden oder entlastenden Beweisen hatte und welche Schlussfolgerungen daraus für die Ausübung seiner Verteidigungsrechte zu ziehen sind. Dies ist der Fall, sofern das Unternehmen zumindest über aussagekräftige Hinweise zu den Autoren sowie zu Art und Inhalt der ihm vorenthaltenen Dokumente verfügt (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Solvay/Kommission, C‑110/10 P, EU:C:2011:257, Nr. 37).

937

Im Fall nicht offengelegter belastender Beweise hat das betroffene Unternehmen nachzuweisen, dass das Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, wenn diese belastenden Beweise offengelegt worden wären (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 71 und 73, sowie vom 12. Juli 2011, Toshiba/Kommission, T‑113/07, EU:T:2011:343, Rn. 46).

938

In Bezug auf entlastende Beweise muss das betroffene Unternehmen nachweisen, dass es diese Beweise zu seiner Verteidigung hätte einsetzen können, und zwar in dem Sinne, dass es, wenn es sich im Verwaltungsverfahren auf sie hätte berufen können, Gesichtspunkte hätte geltend machen können, die nicht mit den in diesem Stadium von der Kommission gezogenen Schlüssen übereinstimmten und daher, in welcher Weise auch immer, die von der Kommission in ihrer Entscheidung vorgenommenen Beurteilungen hätten beeinflussen können. Das betroffene Unternehmen muss folglich zum einen dartun, dass es zu bestimmten entlastenden Beweisen keinen Zugang hatte, und zum anderen, dass es diese zu seiner Verteidigung hätte einsetzen können (Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 97 und 98).

939

Im vorliegenden Fall hat Google jedoch nicht nachgewiesen, dass sie sich ohne die Verfahrensfehler, die oben in Bezug auf die von ihr beanstandete Verspätung und Unvollständigkeit der übermittelten Aktenvermerke festgestellt worden sind, besser hätte verteidigen können.

940

Google macht insoweit nur allgemein geltend, dass ihr eine detailgetreue Niederschrift des Inhalts des Austauschs mit den befragten Dritten Erläuterungen und Hintergrundinformationen zu den in der Untersuchungsakte enthaltenen Dokumenten geliefert hätte, auf die sich die Kommission gestützt habe.

941

Was erstens die Möglichkeit betrifft, im Nachhinein festzustellen, ob Beweise nicht offengelegt wurden, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Kommission trotz fehlender Aufzeichnungen der Befragungen gleichwohl versucht hat, deren Inhalt zu rekonstruieren, um es Google zu ermöglichen, ihre Verteidigungsrechte auszuüben.

942

So ist festzustellen, dass die Kommission in ihrer Stellungnahme vom 28. Februar 2018 zum Antrag von Google zum einen angegeben hat, dass sie weder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch im ersten Sachverhaltsschreiben auch nur einen einzigen der übermittelten Aktenvermerke als belastendes Beweismaterial verwendet habe, und zum anderen, dass sie Google sämtliche potenziell entlastenden Beweise, die bei diesen Treffen vorgelegt worden seien, zur Verfügung gestellt habe, damit Google sie für ihre Verteidigung nutzen könne.

943

Die Prüfung des angefochtenen Beschlusses und der Akte, von der das Gericht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens Kenntnis hat, hat nicht ergeben, dass Bestandteile dieser Akten geeignet sein könnten, die von der Kommission insoweit gegebenen Zusicherungen in Frage zu stellen.

944

Zweitens ist festzustellen, dass zu 26 der 32 Aktenvermerke, deren Vollständigkeit Google bestreitet, angegeben wird, dass der Inhalt der bei diesen Befragungen geführten Gespräche vollständig in bestimmten Dokumenten der Untersuchungsakte wiedergegeben sei, zu denen Google, wie sie in Beantwortung einer Frage des Gerichts eingeräumt hat, Zugang hatte. In 24 dieser 26 Vermerke ist außerdem angegeben, dass die Kommission die Zustimmung des jeweils befragten Dritten zum Inhalt des Vermerks erhalten hat, was bestätigt, dass die Verweise auf die in der Akte enthaltenen Dokumente sachdienlich und erschöpfend sind. Die beiden Vermerke, zu deren Inhalt die Zustimmung des jeweils befragten Dritten nicht eingeholt werden konnte, enthalten eine Erklärung hierfür: Einer von ihnen existierte nicht mehr, und der andere reagierte nicht auf die wiederholten Aufforderungen der Kommission, seine Zustimmung zu erteilen.

945

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass Google trotz der die Aufzeichnungen der Befragungen betreffenden Verfahrensmängel von der Kommission Informationen über den Inhalt der bei diesen Befragungen geführten Gespräche erhalten konnte, insbesondere über die Art der bei diesen Gelegenheiten erteilten Auskünfte zu den dort angesprochenen Themen.

946

In Anbetracht der von der Kommission erteilten Hinweise und der Schlussfolgerungen, die daraus für die Beurteilung des Inhalts der Befragungen gezogen werden konnten, hat Google jedoch kein substantiiertes Argument vorgebracht, das erklären könnte, wie sie ihre Verteidigung besser hätte sicherstellen können, auch nicht in Bezug auf die Befragungen der beiden Dritten, deren Zustimmung zum Inhalt der entsprechenden Aktenvermerke nicht eingeholt werden konnte.

947

Drittens ist zu den verbleibenden sechs Vermerken, die den Inhalt des Austauschs summarisch wiedergeben und auf kein Dokument der Untersuchungsakte verweisen, das ihren Inhalt ergänzen könnte, auf Folgendes hinzuweisen.

948

Der in chronologischer Reihenfolge erste Vermerk betrifft eine am 2. Juli 2015 durchgeführte Befragung eines Unternehmens der Branche. Bei dieser Gelegenheit konnte dieses Unternehmen der Kommission seine Ansichten zu mobilen Plattformen, einschließlich Android, sowie zum Wettbewerbsumfeld, in dem sich seine Anwendungen und Dienste entwickelten, darlegen.

949

Obwohl dieser Vermerk keinen Verweis auf ein Dokument der Akte enthielt, war es Google möglich, ihn mit den Informationen in Verbindung zu bringen, die ihr zu zwei weiteren, am 10. Dezember 2014 bzw. am 12. Januar 2016 zum selben Thema durchgeführten Befragungen dieses Unternehmens übermittelt worden waren. Die Google zu diesen Befragungen übermittelten und von dem in Rede stehenden Unternehmen genehmigten Vermerke beziehen sich auf in der Untersuchungsakte enthaltene Dokumente, die den Inhalt der bei diesen Gelegenheiten, d. h. sowohl vor als auch nach der oben genannten Befragung, besprochenen Themen wiedergeben. Der von diesem Unternehmen im Rahmen der Untersuchung eingenommene Standpunkt war Google somit bekannt.

950

Unter diesen Umständen hat Google kein substantiiertes Argument vorgebracht, das erkennen lassen könnte, wie sie ihre Verteidigung in der vorliegenden Rechtssache besser hätte sicherstellen können.

951

Der zweite Vermerk bezieht sich auf eine am 15. Juli 2015 durchgeführte Befragung eines Sicherheitsanbieters, dessen Name Google nicht mitgeteilt wurde. Wie die Kommission in ihrem Vermerk, dem das betreffende Unternehmen zugestimmt hat, erläutert, bot dieses Gespräch die Gelegenheit, die Marktdynamik im Hinblick auf das BS Android zu erörtern. Wie sich aus dem Inhalt dieses Vermerks ergibt, betrafen die bei dieser Befragung geäußerten Bedenken jedoch in erster Linie Sicherheitslösungen, d. h. einen Aspekt der Akte, der im angefochtenen Beschluss nicht behandelt wird, und nicht die streitigen Beschränkungen, die im Rahmen der verschiedenen von der Kommission festgestellten Missbräuche untersucht wurden.

952

Ebenso bezieht sich der dritte Vermerk auf eine am 28. Oktober 2015 durchgeführte Befragung eines Zahlungsdienstleisters. Bei dieser Gelegenheit konnte dieser Dienstleister der Kommission seine Ansichten zur Marktdynamik in Bezug auf mobile Geräte und deren Anwendungen im Zusammenhang mit mobilen Zahlungssystemen darlegen. Auch hier handelt es sich um einen Aspekt der Akte, der im angefochtenen Beschluss nicht in Betracht gezogen wurde.

953

Abgesehen davon, dass kein offensichtlicher Zusammenhang zwischen diesen Befragungen und den im angefochtenen Beschluss festgestellten Missbräuchen besteht, hat Google jedenfalls kein substantiiertes Argument vorgebracht, das erkennen lassen könnte, wie sie ihre Verteidigung in der vorliegenden Rechtssache ohne die Verfahrensfehler hinsichtlich der Aufzeichnungen dieser beiden Besprechungen im Sinne von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 besser hätte sicherstellen können.

954

Der vierte und der fünfte Vermerk beziehen sich auf zwei Befragungen des BEUC am 1. Februar und 20. Dezember 2017. Der Zweck dieser Besprechungen bestand für das BEUC darin, von der Kommission Informationen über den Fortgang der Untersuchung zu erhalten. Der eigentliche Zweck dieser Besprechungen und ihre Zusammenfassung, der das BEUC zugestimmt hat, schließen somit jeden Verdacht aus, dass die Kommission Beweise zurückgehalten habe.

955

Der sechste und letzte Vermerk bezieht sich auf Erklärungen der ADA, einer Einrichtung, die im Verwaltungsverfahren zur Unterstützung von Google auftrat, anlässlich einer Befragung am 27. September 2017. Obwohl allgemein formuliert, geht aus diesem Vermerk klar hervor, dass die ADA keinen Grund sah, von Google eine Änderung ihres Verhaltens zu verlangen. Außerdem hat der Vertreter der ADA in diesem Vermerk bestätigt, dass die Erörterung Informationen betroffen habe, die sie der Kommission bereits übermittelt habe. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Google nicht geltend macht, ihr sei der Zugang zu allen von der ADA im Verwaltungsverfahren übermittelten Unterlagen in der Untersuchungsakte verwehrt worden. Diese Umstände sowie die Anwesenheit der ADA, die Google im Rahmen der vorliegenden Klage unterstützt, und die Tatsache, dass sie hierzu nichts angemerkt hat, erlauben es dem Gericht, den Verdacht auszuschließen, dass die Kommission Beweise zurückgehalten habe.

956

Insoweit vermag das in der Klageschrift vorgebrachte Argument von Google, es sei plausibel, dass die Anwendungsentwickler bei ihren verschiedenen Befragungen durch die Kommission entlastende Erklärungen abgegeben hätten, die in den vorgelegten Aktenvermerken nicht wiedergegeben seien, nicht zu überzeugen. Aufgrund des Streitbeitritts der ADA zur Unterstützung von Google im vorliegenden Verfahren und der zahlreichen Gelegenheiten sowohl für die ADA als auch für Google, zu präzisieren, welche von der Kommission nicht aufgezeichneten Erklärungen abgegeben worden sein könnten, ist festzustellen, dass diese Annahme nicht erwiesen ist.

957

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass in Anbetracht der im angefochtenen Beschluss dargelegten Gesichtspunkte und der Hinweise, die die Kommission Google im Verwaltungsverfahren erteilt hatte, nicht davon auszugehen ist, dass Google durch die summarische und zumeist verspätete Erstellung der Aktenvermerke über die Befragungen Dritter der Zugang zu belastenden oder entlastenden Beweisen verwehrt wurde, die ihr eine bessere Verteidigung ermöglicht hätten.

958

Daher können die Verfahrensfehler, die darin bestanden, dass die von der Kommission durchgeführten Befragungen Dritter nicht präzise protokolliert wurden, unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht zu einer Verletzung der Verteidigungsrechte von Google geführt haben.

959

Diese Schlussfolgerung wird zudem nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Kommission bestimmten Dritten Anonymität gewährt hat. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass sich das Recht auf Akteneinsicht nach Art. 27 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht auf vertrauliche Informationen erstreckt, zu denen je nach den Umständen des Falles die persönlichen Daten der befragten Unternehmensvertreter und die Namen der Unternehmen selbst gehören können, um mögliche Repressalien zu verhindern. Im vorliegenden Fall ist aus den Akten nicht ersichtlich, dass die von der Kommission gewährte und vor dem Anhörungsbeauftragten erörterte Anonymität nicht das Ergebnis einer korrekten Abwägung zweier widerstreitender Interessen gewesen wäre, nämlich des Interesses des befragten Unternehmens (und/oder seiner Vertreter), anonym zu bleiben, und des Interesses von Google, ausreichende Informationen über die geführten Gespräche zu erhalten.

960

Ebenso ist das Vorbringen, dass die Kommission den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, ihr internes Verfahrenshandbuch und ihre Mitteilung vom 20. Oktober 2011 nicht beachtet habe, als ins Leere gehend zurückzuweisen. Da das Gericht nämlich oben zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Verfahrensfehler im Zusammenhang mit dem Inhalt der in Rede stehenden Vermerke im vorliegenden Fall keine Verletzung der Verteidigungsrechte von Google darstellt, hätte die Feststellung eines zusätzlichen Verfahrensfehlers hinsichtlich der Erstellung dieser Vermerke und ihrer Übermittlung an Google, selbst wenn er feststünde, keinen Einfluss auf die Frage, ob Google sich ohne diesen Verfahrensfehler besser hätte verteidigen können.

961

Der zweite Teil des fünften Klagegrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

2.   Erster Teil des fünften Klagegrundes: Verweigerung einer Anhörung zum AEC‑Test

a)   Vorbringen der Parteien

962

Google macht geltend, die Kommission hätte anstelle der Übersendung von Sachverhaltsschreiben eine oder mehrere ergänzende Mitteilungen von Beschwerdepunkten erlassen und ihr somit erneut das Recht auf eine Anhörung einräumen müssen. Diese Anhörung hätte wesentliche Aspekte der Rechtssache hinsichtlich der sortimentbezogenen VAE und des AEC‑Tests betreffen sollen. In diesem Zusammenhang könne nicht davon ausgegangen werden, dass Google schon im Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte auf eine Anhörung verzichtet habe oder dass die Sachverhaltsschreiben lediglich die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltene vorläufige Beurteilung neu gefasst hätten.

963

Die Kommission macht geltend, Google habe auf ihr Recht auf Anhörung im Anschluss an die Mitteilung der Beschwerdepunkte verzichtet; da die Sachverhaltsschreiben keine neuen Beschwerdepunkte enthielten, sei sie nicht verpflichtet gewesen, eine zusätzliche Mitteilung der Beschwerdepunkte zu übermitteln. Die Sachverhaltsschreiben hätten sich auf ein Verhalten bezogen, zu dem Google bereits Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten habe. Daher sei sie nicht verpflichtet gewesen, Google erneut das Recht auf eine Anhörung zu gewähren.

b)   Würdigung durch das Gericht

964

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Google in Beantwortung einer in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage des Gerichts ausdrücklich eingeräumt hat – was im Protokoll festgehalten wurde –, dass jede Feststellung einer Verletzung ihrer Verteidigungsrechte im Rahmen des ersten Teils des fünften Klagegrundes nur zur Nichtigerklärung desjenigen Teils des angefochtenen Beschlusses führen könne, der sich auf den Missbrauch in Gestalt der sortimentbezogenen VAE beziehe.

965

Der erste Teil des fünften Klagegrundes stellt nämlich das verfahrensrechtliche Gegenstück zum dritten Klagegrund dar, mit dem Google die Begründetheit des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE bestreitet. Google macht somit geltend, dass die Kommission im Verwaltungsverfahren ihre Verteidigungsrechte verletzt habe, weil sie ihr keine Gelegenheit gegeben habe, sich rechtzeitig zu wesentlichen Elementen der wettbewerbsrechtlichen Analyse der sortimentbezogenen VAE, insbesondere zum AEC‑Test, mündlich zu äußern.

966

Die Wahrung der Verteidigungsrechte stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, der anwendbar ist, wenn die Verwaltung beabsichtigt, gegenüber einer Person eine sie beschwerende Maßnahme zu erlassen (Urteil vom 16. Januar 2019, Kommission/United Parcel Service, C‑265/17 P, EU:C:2019:23, Rn. 28).

967

Dieser Grundsatz kommt insbesondere in Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101] und [102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18) zum Ausdruck. Dieser Artikel verpflichtet die Kommission, das betroffene Unternehmen schriftlich über die ihm zur Last gelegten Beschwerdepunkte zu unterrichten und ihm Gelegenheit zu geben, sich schriftlich zu diesen Beschwerdepunkten zu äußern.

968

Ferner heißt es in Art. 12 der Verordnung Nr. 773/2004, dass ein Unternehmen, an das eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet wurde, in seinen schriftlichen Ausführungen beantragen kann, dass die Kommission eine mündliche Anhörung durchführt, damit es seine Argumente mündlich vortragen kann.

969

Im vorliegenden Fall hat Google jedoch in ihrer Antwort vom 23. Dezember 2016 auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, auf ihr Recht auf eine Anhörung zu verzichten („We therefore declined our right to such a hearing“). In dieser Antwort gab Google im Wesentlichen an, dass sie nicht genug Zeit habe, um sich innerhalb so kurzer Fristen sachdienlich auf eine Anhörung in den Räumlichkeiten der Kommission vorzubereiten.

970

Konkret wies Google darauf hin, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, rechtzeitig zu erörtern, ob es sinnvoll sei, eine Anhörung in Anspruch zu nehmen, weil weniger als drei Wochen vor Ablauf der auf den 23. Dezember 2016 festgesetzten Frist für die Übermittlung ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte fast 60 Dokumente der Untersuchungsakte eingegangen seien und einen Tag vor Fristablauf zwei weitere Dokumente, von denen eines im Hinblick auf die Vorinstallation eines konkurrierenden allgemeinen Suchdienstes auf Android-Geräten besonders wichtig gewesen sei. Google zufolge war ihr Verzicht auf eine Anhörung umso mehr geboten, als der Anhörungsbeauftragte ihr mitgeteilt habe, dass die Anhörung Ende Januar 2017 stattfinden würde, so dass Google und ihren Beratern zur Vorbereitung auf sie nur ein Monat verblieben wäre, dazu noch in einer Zeit intensiver Geschäftstätigkeit.

971

Folglich kann Google – ungeachtet der von ihr angeführten Schwierigkeiten, in diesem besonderen Kontext und in diesem Stadium der Untersuchung zu entscheiden, ob eine Anhörung sinnvoll war – der Kommission nicht vorwerfen, nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte keine Anhörung durchgeführt zu haben.

972

Daher ist zu klären, ob Google sich, nachdem sie am 23. Dezember 2016 in der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte auf ihr Recht auf Anhörung verzichtet hatte, auf die Notwendigkeit der Wahrung ihrer Verteidigungsrechte berufen konnte, um im Mai 2018, also 16 Monate später, eine Anhörung durch die Kommission zu erwirken.

973

Aus den materiell-rechtlichen Bestimmungen über die Ausübung der Verteidigungsrechte ergibt sich, dass ein Unternehmen auf der Grundlage von Art. 12 der Verordnung Nr. 773/2004 das Recht auf eine neue Anhörung erlangen kann, wenn die Kommission eine zusätzliche Mitteilung der Beschwerdepunkte erlässt.

974

Wie aus Art. 11 der Verordnung Nr. 773/2004 hervorgeht, darf die Kommission in ihren Entscheidungen nur Beschwerdepunkte berücksichtigen, zu denen das betroffene Unternehmen Stellung nehmen konnte. Ein neuer Beschwerdepunkt erfordert daher, dass dem betroffenen Unternehmen erneut Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern und eine mündliche Anhörung zu beantragen, um seine Argumente vortragen zu können.

975

Im vorliegenden Fall hat die Kommission jedoch zwischen der Antwort vom 23. Dezember 2016 auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und dem angefochtenen Beschluss vom 18. Juli 2018 keine zusätzliche Mitteilung von Beschwerdepunkten erlassen. Neben den verschiedenen Maßnahmen, die die Kommission im Anschluss an die Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ergriffen hat, um Google Akteneinsicht und insbesondere Einsicht in die später erlangten Beweismittel zu gewähren, hat sie sich dafür entschieden, Sachverhaltsschreiben an Google zu übermitteln.

976

So richtete die Kommission zwei Sachverhaltsschreiben an Google, eines am 31. August 2017 und das andere am 11. April 2018. Google hatte Gelegenheit, am 23. Oktober 2017 und am 7. Mai 2018 zu ihnen schriftlich Stellung zu nehmen. Dieses Verfahren schloss nach Ansicht der Kommission jegliches Recht von Google auf Durchführung einer neuen Anhörung aus und war die Grundlage dafür, dass der Anhörungsbeauftragte am 18. Mai 2018 den von Google am 7. Mai 2018 gestellten Antrag auf Durchführung einer neuen Anhörung ablehnte.

977

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte eine verfahrensrechtliche Maßnahme zur Vorbereitung der Entscheidung ist, die den Abschluss des Verwaltungsverfahrens darstellt. Bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung kann daher die Kommission in Anbetracht insbesondere der schriftlichen oder mündlichen Äußerungen der Beteiligten entweder einzelne oder auch sämtliche bis dahin gegen diese erhobenen Beschwerdepunkte fallen lassen und damit ihre Auffassung zugunsten der Beteiligten ändern oder umgekehrt beschließen, neue Beschwerdepunkte hinzuzufügen, sofern sie den betreffenden Unternehmen Gelegenheit gibt, hierzu Stellung zu nehmen (Urteil vom 27. Juni 2012, Microsoft/Kommission, T‑167/08, EU:T:2012:323, Rn. 184).

978

Eine Ergänzung der Mitteilung der Beschwerdepunkte ist nur dann erforderlich, wenn sich die Kommission aufgrund des Ermittlungsergebnisses veranlasst sieht, den betroffenen Unternehmen neue Handlungen zur Last zu legen oder den Nachweis bestrittener Zuwiderhandlungen auf eine erheblich geänderte Grundlage zu stellen, und nicht, wenn die Kommission ihrer Pflicht nachkommt, Beschwerdepunkte fallen zu lassen, die sich im Hinblick auf die Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte als nicht ausreichend begründet erwiesen haben (vgl. Urteil vom 27. Juni 2012, Microsoft/Kommission, T‑167/08, EU:T:2012:323, Rn. 191 und die dort angeführte Rechtsprechung).

979

Dagegen ist der Erlass eines einfachen Sachverhaltsschreibens im Einklang mit Rn. 111 der Bekanntmachung der Kommission vom 20. Oktober 2011 über bewährte Vorgehensweisen in Verfahren nach Artikel 101 und 102 AEUV (ABl. 2011, C 308, S. 6), die die Kommission gegen sich gelten lassen muss, nur dann gerechtfertigt, wenn die Kommission die bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführten Beschwerdepunkte lediglich durch neue Beweise untermauern will. Um den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens zu wahren, hat die Kommission dem Unternehmen, dessen Praktiken Gegenstand der Untersuchung sind, diese neuen Beweise zur Kenntnis zu bringen und dessen schriftliche Stellungnahme innerhalb einer von ihr gesetzten Frist einzuholen. Die Möglichkeit, Stellungnahmen auch mündlich abzugeben, wird in Rn. 111 der Bekanntmachung nicht erwähnt.

980

Das Gericht hat daher zu prüfen, ob die Entscheidung der Kommission, Sachverhaltsschreiben zu verwenden, und die anschließende Entscheidung des Anhörungsbeauftragten, Google die Durchführung einer mündlichen Anhörung zu verweigern, die ihr die Möglichkeit gegeben hätte, sich mündlich zu den von der Kommission angeführten neuen Beweisen zu äußern, die Verteidigungsrechte von Google in einem Sanktionsverfahren verletzen, in dem der Missbrauch einer beherrschenden Stellung geahndet werden soll.

981

Im vorliegenden Fall fügen die Sachverhaltsschreiben den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Beschwerdepunkten zwar formell keine neuen hinzu, weil diese Schreiben nach wie vor auf die missbräuchlichen Praktiken abzielen, die die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte identifiziert hatte; gleichwohl ist festzustellen, dass die Sachverhaltsschreiben den Inhalt und den Umfang der Beschwerdepunkte in Bezug auf die Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE, die im Rahmen der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht hinreichend untermauert worden war, wesentlich ergänzen und somit den Nachweis der beanstandeten Zuwiderhandlungen erheblich verändern.

982

Dies gilt insbesondere für den AEC‑Test, der im vorliegenden Fall eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der Frage, ob sich die sortimentbezogenen VAE dergestalt auswirken konnten, dass ebenso leistungsfähige Wettbewerber verdrängt werden, durch die Kommission spielte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 143).

983

Während die Rn. 718 bis 722 der Mitteilung der Beschwerdepunkte nur eine grobe Analyse der Fähigkeit eines Mitbewerbers enthielten, mit den von Google im Rahmen der sortimentbezogenen VAE geleisteten Zahlungen gleichzuziehen, war Google erst im Anschluss an die Sachverhaltsschreiben, von denen das letzte drei Monate vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses übermittelt worden war, in der Lage, vom Test und von der Argumentation, auf die sich die Kommission im vorliegenden Fall stützte, umfassend Kenntnis zu erlangen. Die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltene quantitative Analyse der Fähigkeit von Mitbewerbern, mit den Zahlungen von Google im Rahmen der sortimentbezogenen VAE gleichzuziehen, konnte nur im Licht des ersten Sachverhaltsschreibens in Verbindung mit dem zweiten verstanden werden.

984

Das acht Monate nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte erlassene erste Sachverhaltsschreiben untermauerte die quantitative Analyse, indem es den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorläufig verfolgten Ansatz grundlegend änderte.

985

In der Mitteilung der Beschwerdepunkte hatte sich die gesamte Analyse der Kommission auf zwei Aspekte konzentriert, und zwar auf den Umstand, dass es für einen Mitbewerber in Anbetracht des im Zeitraum 2012 bis 2015 auf Google entfallenden Anteils der Suchanfragen unmöglich gewesen sei, mehr als 5 % der Suchanfragen auf Mobilgeräten zu erzielen, und auf die angeblich durch die VVMA auferlegte Verpflichtung, eine konkurrierende Suchmaschine nicht als Standard in einem Browser eines Drittanbieters festzulegen.

986

Im ersten Sachverhaltsschreiben relativierte die Kommission jedoch die Verpflichtung aufgrund der VVMA, die Suchdienste von Google in Browsern von Drittanbietern als Standard festzulegen. Sie stellte auch erstmals die im 1234. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegebene Hypothese auf, dass ein Mitbewerber, der mindestens ebenso leistungsfähig sei wie Google, nicht mehr als 12 % der allgemeinen Suchanfragen auf mobilen Geräten erzielen könne. Von dieser neuen Prämisse ausgehend stellte die Kommission fest, dass eine mit Google Search konkurrierende Anwendung höchstens [0-10] % der von den Nutzern über Google Search durchgeführten Suchanfragen erzielen könne.

987

Das erste Sachverhaltsschreiben änderte den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorläufig verfolgten Ansatz umso grundlegender, als die Kommission in Bezug auf die Fähigkeit eines Mitbewerbers, mit den von Google im Rahmen der sortimentbezogenen VAE geleisteten Zahlungen gleichzuziehen, zu einem deutlich differenzierteren Ergebnis gelangte als dem, das sie ursprünglich in Betracht gezogen hatte.

988

Während die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte festgestellt hatte, dass ein Mitbewerber in jedem Fall seine gesamten Werbeeinnahmen hätte teilen müssen, um die Zahlungen von Google zwar nicht zu übertreffen, aber zumindest mit ihnen gleichzuziehen, wies sie im ersten Sachverhaltsschreiben darauf hin, dass ein Mitbewerber, wenn er in einem Browser eines Drittanbieters als Standard festgelegt sei, die von Google in den meisten Fällen geleisteten Zahlungen erreichen oder sogar übertreffen könne, ohne seine gesamten Einnahmen teilen zu müssen.

989

Das zweite Sachverhaltsschreiben, das acht Monate nach dem ersten Sachverhaltsschreiben und drei Monate vor dem angefochtenen Beschluss erlassen wurde, enthielt ebenfalls erhebliche Änderungen gegenüber der im ersten Sachverhaltsschreiben enthaltenen Analyse und erst recht gegenüber der Mitteilung der Beschwerdepunkte.

990

Erstens hielt es die Kommission, nachdem sie von Google Informationen über zeitlich mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte zusammenhängende Aspekte erhalten hatte, für ausgeschlossen, dass ein Mitbewerber bereit sein könnte, seine Werbeeinnahmen aus Suchanfragen, die über die Homepage der Suchmaschine gestellt würden, zu teilen, weil Google selbst diese Einnahmen nicht teile.

991

Zweitens nahm die Kommission zwei neue Variablen in den AEC‑Test auf, nämlich die Unmöglichkeit für einen Mitbewerber, die Vorinstallation seiner allgemeinen Suchanwendungen auf allen Mobilgeräten im Sortiment eines OEM oder MNO zu erreichen, und die Verpflichtung eines Mitbewerbers, den den betroffenen OEM und MNO entstehenden Verlust der Einnahmen auszugleichen, die mit den bereits im Umlauf befindlichen und von den sortimentbezogenen VAE erfassten Mobilgeräten verbunden waren. Diesen beiden Punkten kommt ersichtlich entscheidende Bedeutung zu, weil sie es der Kommission ermöglichen, die Fähigkeit eines Mitbewerbers, mit den Zahlungen von Google gleichzuziehen, für den Fall zu relativieren, dass die konkurrierenden Suchdienste auch als Standard im Browser eines Drittanbieters festgelegt sind.

992

Drittens fügte die Kommission bestimmte Finanzdaten über Google hinzu, die sie nicht von Google selbst, sondern von einem OEM erlangt hatte. Dies gilt für die mit [10-20] % bezifferten sogenannten „Betriebskosten“, die die Kommission erstmals im zweiten Sachverhaltsschreiben erwähnt und auf einen Mitbewerber extrapoliert, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig ist wie Google. Diese Daten werden jedoch von Google vor dem Gericht nach wie vor bestritten, sowohl ihrer Höhe nach als auch im Hinblick auf die Kategorie der für den AEC‑Test relevanten Kosten.

993

Die Kommission kann in diesem Zusammenhang nicht behaupten, dass Google in ihrer Antwort auf das erste Sachverhaltsschreiben der Berücksichtigung solcher Daten zugestimmt habe. Google führt zur Argumentation der Kommission in Bezug auf die gerätebezogenen – und nicht die sortimentbezogenen – VAE lediglich aus, dass die Prozentsätze der geteilten Einnahmen nur in Bruttowerten ausgedrückt seien, wobei diese Prozentsätze um [10-20] % gekürzt würden, ohne jedoch die Art einer solchen Kürzung anzugeben. Jedenfalls hat die Kommission, die die Beweislast für die angeblichen Verdrängungswirkungen trägt, keinen Versuch unternommen, diese Daten mit denen zu vergleichen, die Google direkt hätte übermitteln können.

994

Ebenso wurden die Erklärungen eines OEM sowie die Daten in den von ihm übermittelten Dokumenten entgegen der Behauptung der Kommission in der Klagebeantwortung nicht ausschließlich zum Zweck der Analyse der gerätebezogenen VAE verwendet. Diese Daten dienten vielmehr dazu, die Analyse der Kommission in Bezug auf die sortimentbezogenen VAE zu ergänzen, wie schon der Wortlaut des zweiten Sachverhaltsschreibens zeigt.

995

Aus dem Vorstehenden folgt, dass davon auszugehen ist, dass die Kommission den Inhalt ihrer Beanstandung der sortimentbezogenen VAE wesentlich verändert hat, indem sie die Daten, die sie für die Durchführung des AEC‑Tests zu verwenden beabsichtigte, erst im Stadium des zweiten Sachverhaltsschreibens mitteilte.

996

Die Mitteilung der Beschwerdepunkte kann nämlich im Hinblick auf diesen entscheidenden Aspekt der wettbewerbsrechtlichen Analyse der sortimentbezogenen VAE nicht als so hinreichend untermauert angesehen werden, dass eine Anhörung, die Anfang 2017 hätte stattfinden sollen, für Google von Nutzen gewesen wäre. Erst das zweite Sachverhaltsschreiben, das im April 2018, drei Monate vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses, übermittelt wurde, konnte die Mitteilung der Beschwerdepunkte hinreichend untermauern und Google somit die Möglichkeit geben, die wichtigsten und entscheidenden Aspekte des von der Kommission in Betracht gezogenen AEC‑Tests zur Kenntnis zu nehmen. Somit hätte die Kommission, die unter keinem Zeitdruck stand, in diesem besonderen Kontext eine ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte erlassen müssen.

997

Indem die Kommission anstelle einer ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte zwei Sachverhaltsschreiben übermittelte und keine Anhörung zu den in Erwiderung auf diese beiden Sachverhaltsschreiben vorgelegten Stellungnahmen gewährte, hat sie somit das Recht von Google vereitelt, ihre Argumente zu diesen Stellungnahmen mündlich darzulegen, und die Verteidigungsrechte von Google verletzt.

998

Angesichts der Bedeutung, die der Durchführung einer Anhörung im Rahmen eines Sanktionsverfahrens zukommt, mit dem der Missbrauch einer beherrschenden Stellung geahndet werden soll, ist das Verfahren zwangsläufig mit Mängeln behaftet, wenn eine solche mündliche Anhörung unterbleibt, und zwar unabhängig davon, ob Google nachweist, dass dieses Versäumnis den Ablauf des Verfahrens und den Inhalt des angefochtenen Beschlusses zu ihren Lasten hätte beeinflussen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2017, Feralpi/Kommission, C‑85/15 P, EU:C:2017:709, Rn. 45 bis 47).

999

Darüber hinaus ist jedenfalls festzustellen, dass Google in Anbetracht der Art des AEC‑Tests und der Bedeutung, die ihm die Kommission beimisst, um die Eignung der sortimentbezogenen VAE zu beurteilen, Verdrängungswirkungen gegenüber ebenso leistungsfähigen Mitbewerbern zu entfalten, ihre Stellungnahme zur Konzeption dieses Tests – zu dem sie im Anhang zur Klageschrift eine alternative Version vorlegt, die nach dem angefochtenen Beschluss von einer Wirtschaftsberatungskanzlei erstellt wurde und zu einem anderen Ergebnis führt – leichter hätte mündlich vortragen können.

1000

Diese Feststellung kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Kommission Google Gelegenheit gegeben hatte, sich zum ersten und zum zweiten Sachverhaltsschreiben schriftlich zu äußern. Auch wenn dem kontradiktorischen Verfahren auf schriftlichem Wege genügt wurde, hat die Kommission keinen Versuch unternommen, Google die Möglichkeit zu geben, sich mündlich zu äußern, wie es im Fall des Erlasses einer ergänzenden Mitteilung von Beschwerdepunkten erforderlich gewesen wäre.

1001

Die Bedeutung einer solchen mündlichen Erörterung lässt sich beispielsweise anhand der Frage verdeutlichen, welche Kosten für die Ausarbeitung des AEC‑Tests heranzuziehen sind. Insoweit wurden nämlich die Kosten, die die Kommission Google zugerechnet hat, den von einem OEM übermittelten Unterlagen entnommen, ohne dass sie durch ein an die Hauptbetroffene gerichtetes Auskunftsersuchen bestätigt wurden. Die Kommission ist im Wesentlichen von ihren Erläuterungen zum Behinderungsmissbrauch abgewichen, in denen es heißt: „Wo [zuverlässige Daten] vorhanden [sind], verwendet die Kommission Informationen über die Kosten des marktbeherrschenden Unternehmens selbst.“

1002

Eine Anhörung hätte es Google somit ermöglicht, der Kommission präzise Angaben zu machen, die einige der Unklarheiten im Zusammenhang mit der Ausarbeitung des AEC‑Tests zu einem früheren Zeitpunkt hätten ausräumen können, und diese direkt mit der Kommission zu erörtern. Die Durchführung einer Anhörung hätte die Kommission nämlich zu einer umfassenden Erörterung mit Google veranlasst, um die streitigen Punkte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sachdienlich einzugrenzen. Der Wert einer Anhörung geht aus der vorliegenden Rechtssache umso deutlicher hervor, als die Begründetheit der von Google in der vorliegenden Klage vorgebrachten Einwände das Gericht dazu veranlasst, dem dritten Klagegrund stattzugeben.

1003

So hätte Google in Anbetracht der Schwierigkeiten, die mit der Ausarbeitung eines AEC‑Tests verbunden sind, bei einer Anhörung die Möglichkeit gehabt, sich besser zu verteidigen und die Kommission von der Notwendigkeit zu überzeugen, mehrere Aspekte ihrer Analyse neu zu bewerten.

1004

Hätte Google ihre Argumente zu den wesentlichen Änderungen, die von der Kommission an den zum Nachweis der Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE herangezogenen Beweisen vorgenommen wurden, mündlich vortragen können, hätte dies die Kommission zudem in die Lage versetzt, ihre Analyse zu verfeinern.

1005

Folglich ist dem ersten Teil des fünften Klagegrundes stattzugeben und der angefochtene Beschluss ist auch aus diesem Grund für nichtig zu erklären, soweit darin die sortimentbezogenen VAE als missbräuchlich eingestuft werden.

G. Zu den Folgen der Prüfung der ersten fünf Klagegründe und zum sechsten Klagegrund

1006

Google weist darauf hin, dass im angefochtenen Beschluss die höchste jemals in Europa von einer Wettbewerbsbehörde verhängte Geldbuße festgesetzt werde, nämlich 4342865000 Euro.

1007

Unabhängig von der Höhe dieses Betrags verpflichtet der repressive und abschreckende Zweck der von der Kommission zur Ahndung eines Verstoßes gegen Art. 102 AEUV verhängten Geldbußen das Gericht, als unparteiisches und unabhängiges Gericht die Wirksamkeit des in Art. 47 der Charta der Grundrechte verankerten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf zu gewährleisten, wenn es über eine Klage entscheidet, die sich gegen eine von einer Verwaltungsbehörde, die auch Untersuchungsbefugnisse wahrnimmt, verhängte Sanktion richtet.

1008

Mit der vorliegenden Klage beantragt Google zum einen die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses und zum anderen, hilfsweise, die Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der dem Gericht zustehenden Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung.

1009

Nach der Prüfung der ersten fünf Klagegründe ist zu beurteilen, welche Folgen sich aus den oben dargelegten Schlussfolgerungen für den angefochtenen Beschluss ergeben. Soweit sich diese Folgen auf die Geldbuße auswirken, ist ferner zu klären, inwieweit das Gericht bei ihrer Beurteilung aufgrund seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung das Vorbringen zum sechsten Klagegrund berücksichtigen wird, das verschiedene Faktoren betrifft, die bei der Berechnung der Geldbuße herangezogen wurden.

1.   Verhältnis zwischen den ersten fünf Klagegründen und dem sechsten Klagegrund in Bezug auf die Geldbuße

1010

Mit dem sechsten Klagegrund, der sich in drei Teile gliedert, macht Google geltend, dass selbst dann, wenn das Gericht die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Beurteilungen zum Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 102 AEUV entgegen dem Vorbringen in den ersten fünf Klagegründen bestätigen sollte, drei Fehler gleichwohl die Aufhebung oder erhebliche Herabsetzung der Geldbuße erforderten. Aufgrund dieser Fehler müsse die Geldbuße somit aufgehoben oder hilfsweise in Ausübung der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung erheblich herabgesetzt werden.

1011

In diesem Zusammenhang macht Google erstens geltend, dass sie die Zuwiderhandlung weder vorsätzlich noch fahrlässig begangen habe, zweitens, dass der angefochtene Beschluss gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, und drittens, dass dieser Beschluss im Hinblick auf die Umsetzung der Leitlinien der Kommission erhebliche Berechnungsfehler enthalte. Insoweit trägt Google vor, die Kommission habe den relevanten Umsatz falsch berechnet, als Multiplikator einen falschen Schwerekoeffizienten angewandt, einen ungerechtfertigten Zusatzbetrag hinzugerechnet und verschiedene mildernde Umstände, darunter die begrenzte Dauer bestimmter Verhaltensweisen, nicht berücksichtigt.

1012

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Sie macht geltend, im angefochtenen Beschluss werde der Betrag der Geldbuße im Einklang mit den Leitlinien festgesetzt, und er spiegele die Schwere und Dauer der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung wider.

1013

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das Vorbringen zum sechsten Klagegrund zwar auf der Prämisse beruht, dass das Gericht die mit den ersten fünf Klagegründen beanstandete Analyse der Kommission bestätigt, dass dieses Vorbringen aber gleichwohl eine Reihe von Rügen enthält, die das Gericht im vorliegenden Fall prüfen kann, wenn es seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung autonom ausübt.

1014

Aus diesem Grund sollen diese Rügen im Rahmen der folgenden Prüfung behandelt werden, soweit dies hierfür sachdienlich und angemessen ist.

2.   Schlussfolgerungen zur Zuwiderhandlung nach Prüfung der ersten fünf Klagegründe

1015

Aus der Prüfung des ersten, des zweiten und des vierten Klagegrundes in materiell-rechtlicher Hinsicht sowie des zweiten Teils des fünften Klagegrundes in verfahrensrechtlicher Hinsicht ergibt sich, dass die Kommission die Missbräuchlichkeit des ersten und des zweiten Aspekts der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung bewiesen hat, die im angefochtenen Beschluss als erster bis dritter gesonderter Missbrauch eingestuft wurden. Hingegen ergibt sich aus der Prüfung des dritten Klagegrundes und des ersten Teils des fünften Klagegrundes, dass die Kommission die Verteidigungsrechte verletzt und dass der angefochtene Beschluss mit mehreren Beurteilungsfehlern behaftet ist, weil sie den dritten Aspekt dieses Verstoßes, der im angefochtenen Beschluss als gesonderter vierter Missbrauch eingestuft wurde, als Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV angesehen hat.

1016

Daraus folgt, dass die Art. 1, 3 und 4 des angefochtenen Beschlusses nur für nichtig zu erklären sind, soweit in Art. 1 festgestellt wird, dass Google eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV begangen habe, die aus vier gesonderten Missbräuchen bestehe, von denen der vierte darin bestehen soll, dass sie die Teilung der Einnahmen mit OEM und MNO im Rahmen bestimmter VAE von der exklusiven Vorinstallation von Google Search auf einem vorab festgelegten Gerätesortiment abhängig gemacht habe, und soweit dieser vierte Missbrauch in den Art. 3 und 4 aufgeführt wird. Daraus folgt auch, dass Art. 2 des angefochtenen Beschlusses zu ändern ist, soweit darin eine Geldbuße verhängt wird, mit der die Beteiligung der Unternehmen Google und Alphabet an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV, die den vierten Missbrauch einschließt, geahndet wird.

1017

Im vorliegenden Fall ist die Kommission nämlich ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, zu prüfen, ob der vierte Missbrauch, der sich auf die sortimentbezogenen VAE bezieht (dritter Aspekt der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung), geeignet war, Wettbewerber, die mindestens ebenso leistungsfähig sind wie das beherrschende Unternehmen, vom Markt auszuschließen. Für das Gericht verbleiben daher Zweifel an der Eignung der in Rede stehenden Zahlungen, den Wettbewerb zu beschränken und insbesondere die beanstandeten Verdrängungswirkungen zu entfalten.

1018

Unabhängig davon, ob ihre Einstufung im Hinblick auf Art. 102 AEUV zutrifft, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die sortimentbezogenen VAE – wie im Übrigen auch die gerätebezogenen VAE – im angefochtenen Beschluss zu Recht als Aspekte des tatsächlichen Kontexts berücksichtigt wurden, um die Verdrängungswirkungen zu beurteilen, die durch den ersten und den zweiten Aspekt der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung (im angefochtenen Beschluss als erster, zweiter und dritter gesonderter Missbrauch bezeichnet) hervorgerufen wurden, deren Missbräuchlichkeit bei der Prüfung des zweiten und des vierten Klagegrundes bestätigt wurde.

1019

Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die kombinierten Wirkungen der von Google angewandten Praktiken diesem Unternehmen – unabhängig von der wettbewerbsrechtlichen Einstufung der VAE – in Bezug auf Google Search den Vorteil einer exklusiven Vorinstallation verschafften, die zumindest bis 2016 mehr als die Hälfte aller im EWR vertriebenen Geräte mit einem von Android abgeleiteten BS umfasste (822. Erwägungsgrund und Fn. 908 des angefochtenen Beschlusses).

1020

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die VVMA vorsahen, dass die GMS-Geräte die im CDD enthaltenen technischen Kompatibilitätsstandards erfüllen mussten, die für die OEM zudem auch in Bezug auf alle ihre Geräte, deren BS eine von Android abgeleitete Version war, aufgrund der AFV galten, deren Abschluss als Voraussetzung für den Abschluss der VVMA vorgeschrieben war. Dieser Zusammenhang zwischen dem CDD und den VVMA erleichterte die Umsetzung der von Google verfolgten Gesamtstrategie. Die Kommission hat daher zu Recht das CDD berücksichtigt, um die Auswirkungen der VVMA auf die Märkte für allgemeine Suchdienste zu beurteilen.

1021

Diese Gesichtspunkte, die als tatsächliche Umstände für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Google vorgeworfenen Verhaltensweisen relevant sind, belegen somit, dass ein Zusammenhang zwischen dem ersten Aspekt der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung und den von Google während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung geschlossenen VAE einerseits und zwischen dem ersten und dem zweiten Aspekt der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung andererseits bestand.

1022

Die Prüfung des ersten, des zweiten und des vierten Klagegrundes zeigt darüber hinaus, dass die erste und die zweite der streitigen Beschränkungen Teil einer Gesamtstrategie waren. Auf der Grundlage dieser Feststellung hat die Kommission zu Recht befunden, dass das Verhalten der Klägerinnen, das darin bestand, die Nutzung des BS Android einerseits und bestimmter Anwendungen und Dienste andererseits an besondere Bedingungen zu knüpfen, als einheitlicher und fortgesetzter Verstoß gegen Art. 102 AEUV einzustufen war (zweiter Erwägungsgrund und Art. 1 des angefochtenen Beschlusses).

1023

Die festgestellten Missbräuche fügten sich nämlich in eine Gesamtstrategie ein, die darauf abzielte, die Entwicklung des Internets auf Mobilgeräten zu antizipieren und zugleich das Geschäftsmodell von Google zu bewahren, das im Wesentlichen auf den Einnahmen aus der Nutzung ihres allgemeinen Suchdienstes beruht.

1024

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Google den im angefochtenen Beschluss enthaltenen Feststellungen nicht widerspricht, wonach ihr Geschäftsmodell auf dem Zusammenspiel der Online-Produkte und ‑dienstleistungen, die den Nutzern meist kostenlos angeboten werden, einerseits und den Online-Werbedienstleistungen, mit denen sie den weitaus größten Teil ihrer Einnahmen erzielt, andererseits beruht. So hängen die Einnahmen von Google hauptsächlich vom Umfang der Nutzung ihrer allgemeinen Online-Suchdienste ab, die es ihr ermöglichen, die Online-Werbedienste zu verkaufen, aus denen sie ihr Entgelt bezieht (153. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

1025

Im Rahmen dieser von Google verfolgten Gesamtstrategie war die Erhaltung der beherrschenden Stellung, die sie während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste innehatte und zu der die erste und die zweite der streitigen Beschränkungen beitrugen, somit von entscheidender Bedeutung. Wie sich nämlich aus der Prüfung des vierten Klagegrundes ergibt, trug die Verdrängung konkurrierender BS, die den mit Google Search konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten eine Vorinstallation oder sogar eine Exklusivinstallation hätten ermöglichen können, ebenfalls zu demselben Ziel bei.

1026

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich die Auswirkungen der Umsetzung dieser Gesamtstrategie in eine tatsächliche Situation einfügten, in der Google Search im Rahmen der von ihr geschlossenen VAE – unabhängig von deren wettbewerbsrechtlicher Einstufung – de facto von einer exklusiven Vorinstallation profitierte, die zumindest bis 2016 mehr als die Hälfte aller im EWR vertriebenen Geräte mit einem von Android abgeleiteten BS abdeckte (822. Erwägungsgrund und Fn. 908 des angefochtenen Beschlusses).

1027

Im weiteren Sinne ist als ein bei der Würdigung aller relevanten Umstände zu berücksichtigender tatsächlicher Umstand auch die Tatsache anzuführen, dass Google während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung eine Vereinbarung mit Apple hatte, die vorsah, dass die Suchmaschine von Google auf allen iPhones dieses OEM als Standard festgelegt war (vgl. Erwägungsgründe 118 und 119 des angefochtenen Beschlusses). Die Präsenz des Apple-Ökosystems, das auf dem weltweiten Markt für intelligente Mobilgeräte neben dem Android-Ökosystem existierte, stellte daher im Hinblick auf die Einnahmen aus der mit allgemeinen Suchdiensten verbundenen Werbung keine erhebliche Wettbewerbsbedrohung für Google dar (vgl. z. B. 515. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

1028

Darüber hinaus hatten die missbräuchlichen Praktiken von Google u. a. zur Folge, dass den Mitbewerbern die Möglichkeit genommen wurde, Nutzern, die dies wünschten, ungehindert Alternativen zum allgemeinen Suchdienst Google Search anzubieten (Erwägungsgründe 862 und 1213 des angefochtenen Beschlusses). Allgemein betrachtet schadeten diese Praktiken somit dem Interesse der Verbraucher, für die Informationsbeschaffung im Internet über mehr als eine Quelle zu verfügen. Konkret schränkten diese Praktiken auch die Entwicklung von Suchdiensten ein, die sich an diejenigen Verbrauchergruppen richteten, die u. a. ein besonderes Interesse am Schutz der Privatsphäre oder an sprachlichen Besonderheiten innerhalb des EWR hatten. Solche Interessen standen nicht nur im Einklang mit dem Leistungswettbewerb, weil sie die Innovation zum Nutzen der Verbraucher förderten, sondern waren auch notwendig, um die Pluralität in einer demokratischen Gesellschaft zu gewährleisten.

1029

Aus dem Vorstehenden folgt, dass zwar insoweit, als die Kommission die Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE nicht nachgewiesen hat, die Art. 1, 3 und 4 des angefochtenen Beschlusses teilweise für nichtig zu erklären sind und Art. 2 des angefochtenen Beschlusses abzuändern ist, dass aber die Feststellung einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung als Teil einer Gesamtstrategie, zu der der erste und der zweite Aspekt der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beigetragen haben, nicht rechtswidrig ist. Folglich ist es Sache des Gerichts, den angemessenen Betrag der Geldbuße unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen und aller relevanten Umstände des Falles in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung selbst festzusetzen, wie Google dies im Rahmen ihres Abänderungsantrags begehrt.

1030

Die Konsequenzen, die aus der teilweisen Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses für die Festsetzung des Betrags der Geldbuße zu ziehen sind, wurden in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angesprochen und mit den Beteiligten ausführlich erörtert.

1031

Das Gericht hält es für angebracht, zunächst darauf hinzuweisen, dass es die für die Festsetzung des Betrags der Geldbuße maßgeblichen Kriterien in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung eigenständig beurteilt und deshalb aus dieser teilweisen Nichtigerklärung in Bezug auf die Definition der einheitlichen Zuwiderhandlung und ihrer Bestandteile keine automatischen Schlussfolgerungen für die Höhe der Geldbuße zu ziehen sind. Dagegen wird das Gericht alle im angefochtenen Beschluss festgestellten Tatsachen und rechtmäßig getroffenen Feststellungen berücksichtigen, die für die Angemessenheit des Betrags der Geldbuße von Bedeutung sein können.

3.   Zur Abänderung der Geldbuße

1032

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen und entsprechend dem hierzu gestellten Antrag ist in Ausübung der dem Gericht durch Art. 261 AEUV und Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 verliehenen Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über die Höhe der Geldbuße zu entscheiden.

1033

Die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ermächtigt das Gericht, über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus, die nur die Zurückweisung der Nichtigkeitsklage oder die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts ermöglicht, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände abzuändern, um z. B. den Betrag der Geldbuße zu ändern und ihn herabzusetzen oder auch zu erhöhen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C‑3/06 P, EU:C:2007:88, Rn. 61 und 62, und vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, EU:C:2009:505, Rn. 86). Unter diesen Umständen kann das Gericht in Bezug auf die gegen Google verhängte finanzielle Sanktion gegebenenfalls andere Beurteilungen vornehmen als die Kommission im angefochtenen Beschluss.

1034

Dies erfordert nicht, dass das Gericht die Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen anwendet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2016, Trafilerie Meridionali/Kommission, C‑519/15 P, EU:C:2016:682, Rn. 52 bis 55), auch wenn es sich gegebenenfalls von den darin definierten Richtlinien leiten lassen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

1035

Im Rahmen seiner Begründungspflicht obliegt es dem Gericht ferner, die Faktoren, die es bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße berücksichtigt, ausführlich darzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2016, Trafilerie Meridionali/Kommission, C‑519/15 P, EU:C:2016:682, Rn. 52).

1036

Im vorliegenden Fall hat das Gericht bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße zur Ahndung der Beteiligung von Google an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, wie sie sich aus der teilweisen Nichtigerklärung von Art. 1 des angefochtenen Beschlusses nach Prüfung der ersten fünf Klagegründe ergibt, die folgenden Umstände zu berücksichtigen.

a)   Vorsätzlich oder fahrlässig begangene Zuwiderhandlung

1037

Es ist zu klären, ob die Zuwiderhandlung vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde. Diese Unterscheidung, die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen ist, kann sich nämlich auf die Höhe der Geldbuße auswirken.

1038

Die Parteien äußern sich zu diesem Punkt im Rahmen des ersten Teils des sechsten Klagegrundes.

1039

Google macht insoweit geltend, dass die Geldbuße weder ihren fehlenden Vorsatz noch ihre fehlende Fahrlässigkeit berücksichtige. Der angefochtene Beschluss enthalte nämlich keinen Beweis für einen Vorsatz, weil die beanstandeten Praktiken stattgefunden hätten, bevor sie eine beherrschende Stellung erlangt haben solle. Ebenso wenig könne sie sich – insbesondere angesichts der früheren und zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses bestehenden Praxis – der Wettbewerbswidrigkeit ihres quelloffenen, kostenlosen und seinem Wesen nach wettbewerbsfördernden Geschäftsmodells „bewusst“ gewesen sein. Es lasse sich nicht feststellen, wann die Kommission ihre Einschätzung geändert habe.

1040

Die Kommission macht ihrerseits geltend, dass sie keine Ausschlussabsicht nachweisen müsse, um zu dem Schluss zu kommen, dass der Verstoß vorsätzlich begangen worden sei. Es reiche aus, dass Google „die Wettbewerbswidrigkeit ihres Verhaltens nicht verborgen geblieben“ sein könne. Im vorliegenden Fall sei die Zuwiderhandlung sehr wohl „dazu bestimmt“ gewesen, die beherrschende Stellung von Google auf den Märkten für allgemeine Suchdienste zu „verstärken“ (Erwägungsgründe 858 bis 860, 972 bis 977 und 1140 des angefochtenen Beschlusses). Außerdem habe Google die Zuwiderhandlung zumindest fahrlässig begangen, weil ihr die „wesentlichen Tatsachen“, die die Feststellungen im angefochtenen Beschluss in Bezug auf die beherrschende Stellung und die Missbräuche rechtfertigten, bekannt gewesen seien.

1041

Nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 kann die Kommission gegen ein Unternehmen durch Entscheidung eine Geldbuße festsetzen, wenn es vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 102 AEUV verstößt.

1042

Zur Voraussetzung der vorsätzlichen oder fahrlässigen Begehung einer Zuwiderhandlung geht aus der Rechtsprechung hervor, dass von Vorsatz auszugehen ist, wenn das betreffende Unternehmen eine Praxis in voller Kenntnis ihrer wettbewerbswidrigen Auswirkungen auf dem Markt verfolgt und anwendet, ohne dass nachgewiesen werden müsste, ob ihm bewusst war, dass es damit gegen die Wettbewerbsregeln verstieß (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 1983, IAZ International Belgium u. a./Kommission, 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, EU:C:1983:310, Rn. 45).

1043

Als Erstes steht außer Zweifel, dass Google, wie die Kommission zu Recht hervorgehoben hat, die in Rede stehenden Praktiken vorsätzlich angewandt hat, d. h. in voller Kenntnis der Auswirkungen, die diese Praktiken auf den relevanten Märkten haben würden.

1044

Google konnte nämlich bei vernünftiger Betrachtung nicht entgangen sein, dass sie eine beherrschende Stellung oder eine beträchtliche Macht auf den Märkten für Android-Stores und für allgemeine Suchdienste innehatte. Darüber hinaus bestreitet Google im Rahmen der vorliegenden Klage nicht, dass sie während des Zeitraums der Zuwiderhandlung eine beherrschende Stellung auf den Märkten für allgemeine Suchdienste innehatte.

1045

Über ihre Stellung auf den relevanten Märkten hinaus setzte Google bewusst eine von ihr selbst in einer internen Präsentation als „Zuckerbrot und Peitsche“ bezeichnete Strategie ein, eine Bezeichnung, die die Kommission im angefochtenen Beschluss übernommen hat (1343. Erwägungsgrund). Erklärtes Ziel war es, durch die VVMA, die AFV und die VAE – ungeachtet der Tatsache, dass die Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE im angefochtenen Beschluss nicht hinreichend nachgewiesen wurde – die Nutzung nicht genehmigter alternativer Android-Versionen zu verhindern und die ausschließliche Nutzung der Dienste von Google zu fördern, und zwar mit dem klaren Ziel, die Stellung von Google auf den Märkten für allgemeine Suchdienste zu schützen und zu stärken (Erwägungsgründe 1343, 1350 und 1351). Dass die Auswirkungen, die das Eingreifen der Kommission und den Erlass des angefochtenen Beschlusses rechtfertigten, beabsichtigt waren, ist umso offensichtlicher, als sie sich aus vertraglichen Bestimmungen in den in Rede stehenden Vereinbarungen ergaben, die Google selbst konzipiert und ausgearbeitet hatte. Die im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Erklärungen der Vertreter von Google bestätigen diese Sichtweise, zumal einer von ihnen deutlich gemacht hatte, dass das Ziel darin bestanden habe, Android-Versionen zu verhindern, die mit Google konkurrierende Suchdienste integrierten (Erwägungsgründe 1344 und 1347 des angefochtenen Beschlusses).

1046

Insbesondere lässt sich nicht bestreiten, dass Google die Absicht hatte, jede Weiterentwicklung des Android-Quellcodes zu behindern, indem sie den Entwicklern alternativer Android-Forks den Absatzmarkt entzog, wie sich aus der Prüfung des vierten Klagegrundes der vorliegenden Klage ergibt. Das Bestreben, die Entwicklung alternativer Android-Forks zu behindern, ist Bestandteil der verschiedenen mit den AFV verfolgten Ziele, auch wenn Google geltend macht, sie sei hierzu gezwungen gewesen, um das Überleben von Android zu sichern. Aus internen E‑Mails, die im angefochtenen Beschluss wiedergegeben werden, geht außerdem hervor, dass diese Strategie, die Entwicklung alternativer Android-Forks zu behindern, von Anfang an bewusst eingesetzt wurde, um die Partner und Mitbewerber von Google an der Entwicklung eigenständiger Android-Versionen zu hindern (Erwägungsgründe 159 und 160 des angefochtenen Beschlusses).

1047

Als Zweites kann sich Google nicht darauf berufen, die wettbewerbswidrigen Auswirkungen der in Rede stehenden Vereinbarungen schon deshalb nicht gekannt zu haben, weil sie diese Vereinbarungen umgesetzt habe, bevor sie eine beherrschende Stellung erlangt habe. Erstens ist nämlich festzustellen, dass Google unabhängig von ihrer Stellung auf den relevanten Märkten die Auswirkungen der in Rede stehenden Vereinbarungen bewusst angestrebt hat. Zweitens konnte die Wettbewerbswidrigkeit dieser Vereinbarungen Google auch zu dem Zeitpunkt, als ihre Marktmacht erheblich zunahm, nicht verborgen geblieben sein. Google konnte daher ab dem Zeitpunkt, zu dem sie marktbeherrschend wurde, wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen Art. 102 AEUV mit einer Sanktion belegt werden, wie sie die Kommission im angefochtenen Beschluss verhängt hat.

1048

Auch die bloße Feststellung, dass Google nach eigenen Angaben andere, angeblich wettbewerbsfördernde und im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Schutz der Android-Plattform stehende Ziele verfolgen wollte, ändert nichts daran, dass sie mit den in Rede stehenden Vereinbarungen auch eine „Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie“ einsetzte, um ihre Stellung insbesondere auf den Märkten für allgemeine Suchdienste zu erhalten und zu stärken und die Präsenz ihrer Mitbewerber auf diesen Märkten zu beschränken oder sogar die Entwicklung jeglichen Wettbewerbs zu verhindern.

1049

Google kann daher weder geltend machen, die fraglichen Praktiken auf andere Weise als vorsätzlich angewandt zu haben, noch, die Auswirkungen, die diese Praktiken haben konnten und die den Erlass des angefochtenen Beschlusses durch die Kommission rechtfertigten, nicht beabsichtigt zu haben.

1050

Diese Feststellung kann nicht durch das Vorbringen von Google in Frage gestellt werden, die Einstufung der in Rede stehenden Praktiken als missbräuchlich sei im Licht der dem angefochtenen Beschluss vorausgegangenen Rechtsprechungs- und Entscheidungspraxis ungewiss gewesen. Diesem Argument nachzugehen würde nämlich auf die Prüfung hinauslaufen, ob sich Google bewusst sein konnte, dass ihr Verhalten einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV zur Folge hatte, was indes, wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, unerheblich ist. Im Fall einer vorsätzlich begangenen Zuwiderhandlung kommt es allein auf den Nachweis an, dass eine Praxis in voller Kenntnis ihrer wettbewerbswidrigen Auswirkungen auf den Markt angewandt wurde.

1051

Folglich hat Google die Zuwiderhandlung, wie auch die Kommission zu Recht festgestellt hat, vorsätzlich begangen. Das Gericht wird diesen Umstand bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße berücksichtigen.

b)   Berücksichtigung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung

1052

Im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hat das Gericht die Höhe der Geldbuße unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles festzusetzen. Dies setzt nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 die Berücksichtigung der Schwere und der Dauer der begangenen Zuwiderhandlung unter Wahrung der Grundsätze u. a. der Verhältnismäßigkeit und der individuellen Sanktionsfestsetzung voraus (Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

1) Berücksichtigung des Umsatzes als Ausgangswert

1053

Was den von Google im Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung erzielten Umsatz betrifft, der es der Kommission ermöglicht, in Anwendung ihrer Leitlinien den Grundbetrag der zu verhängenden Geldbuße zu bestimmen, weist das Gericht zunächst darauf hin, dass die von ihm selbst vorzunehmende Festsetzung einer Geldbuße nach ständiger Rechtsprechung zwar kein streng mathematischer Vorgang ist (Urteile vom 5. Oktober 2011, Romana Tabacchi/Kommission, T‑11/06, EU:T:2011:560, Rn. 266, und vom 15. Juli 2015, SLM und Ori Martin/Kommission, T‑389/10 und T‑419/10, EU:T:2015:513, Rn. 436), die Heranziehung eines solchen Umsatzes im vorliegenden Fall aber ein geeigneter Ausgangspunkt für die Bestimmung der Höhe der Geldbuße sein kann.

1054

Um die Höhe der Geldbuße festzusetzen, erweist es sich nämlich als angebracht, eine Methode zu verwenden, mit der – ebenso wie mit der von der Kommission angewandten – in einem ersten Schritt ein Grundbetrag ermittelt wird, der dann in einem zweiten Schritt unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles angepasst werden kann. In dieser Hinsicht spiegelt der Umsatz, der mit der Zuwiderhandlung im Zusammenhang steht, im vorliegenden Fall die wirtschaftlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung und die Bedeutung des an ihr beteiligten Unternehmens wider.

1055

In diesem Zusammenhang wird das Gericht die Argumente prüfen, die im dritten Teil des sechsten Klagegrundes gegen den von der Kommission herangezogenen Betrag vorgebracht werden.

1056

Erstens wirft Google der Kommission vor, den Umsatz berücksichtigt zu haben, der im Jahr 2017, dem letzten vollen Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung, erzielt worden sei, obwohl sie stattdessen den Durchschnittswert der während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung erzielten Umsätze hätte heranziehen müssen. Dies sei wegen des exponentiellen Wachstums der Einnahmen von Google zwischen 2011 und 2017 aufgrund des Übergangs von Digitaltelefonen zu Smartphones und der damit verbundenen Zunahme des Internets auf mobilen Geräten gerechtfertigt.

1057

Die Kommission macht hingegen geltend, dass es Google oblegen hätte, nachzuweisen, dass die im Jahr 2017 erzielten Umsätze nicht die wirtschaftliche Realität der Zuwiderhandlung sowie die Größe und Marktmacht von Google widerspiegelten. Die bloße Feststellung, dass ihre Einnahmen zwischen 2011 und 2017 gestiegen seien, reiche dafür nicht aus.

1058

Die Berücksichtigung des Umsatzes bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße zielt darauf ab, die Realität und das wirtschaftliche Ausmaß der geahndeten Zuwiderhandlung widerzuspiegeln. Als Referenzzeitraum für die Berechnung des Umsatzes muss aber nicht immer auf das letzte Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung abgestellt werden, insbesondere dann nicht, wenn die vom Unternehmen im letzten Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung erzielten Umsätze nicht geeignet sind, das wirtschaftliche Ausmaß der Zuwiderhandlung widerzuspiegeln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2014, Esso u. a./Kommission, T‑540/08, EU:T:2014:630, Rn. 95).

1059

Die bloße Feststellung eines erheblichen Anstiegs der Einnahmen von Google zwischen 2011 und 2017 reicht jedoch nicht aus, um nachzuweisen, dass die von Google im Jahr 2017 erzielten Einnahmen nicht die wirtschaftliche Realität, das Ausmaß der Zuwiderhandlung, die Größe von Google und ihre Marktmacht widerspiegeln. Der einseitige Charakter der von der Kommission geahndeten Praktiken, die es Google zwischen 2011 und 2017 ermöglichten, ihre beherrschende Stellung und ihre Marktmacht zu stärken und die Expansion ihrer Wettbewerber zu bremsen oder sie sogar vom Markt auszuschließen oder potenzielle Wettbewerber zu behindern, rechtfertigt es im Gegenteil, die Einnahmen heranzuziehen, die Google im Jahr 2017 erzielte, dem Jahr, in dem sie wirtschaftlich sämtliche Früchte ihrer seit 2011 umgesetzten Praktiken ernten konnte.

1060

Das Gericht hält es daher in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung für angemessen, den Umsatz zu berücksichtigen, den Google im letzten Jahr ihrer vollständigen Beteiligung an der Zuwiderhandlung erzielte.

1061

Zweitens wirft Google der Kommission vor, in den relevanten Umsatz auch Einnahmen einbezogen zu haben, die in keinem Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung gestanden hätten. Dies gelte für die Einnahmen, die Google dadurch erzielt habe, dass Nutzer auf Werbelinks klickten, nachdem sie allgemeine Suchanfragen nicht über vorinstallierte Anwendungen von Google, sondern über die Homepage von Google gestellt hätten. Diese Einnahmen seien von den sortimentbezogenen VAE nicht betroffen gewesen, und Google hätte sie von denen abgrenzen können, die durch Suchanfragen über ihre Anwendungen erzielt worden seien.

1062

Demgegenüber betont die Kommission, wie wichtig es sei, solche Einnahmen zu berücksichtigen, weil sie die Zuwiderhandlung beträfen.

1063

Insoweit ist festzustellen, dass der bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße zugrunde gelegte Umsatz in unmittelbarem oder zumindest mittelbarem Zusammenhang mit der geahndeten Zuwiderhandlung stehen muss, weil andernfalls die wirtschaftliche Realität und das Ausmaß dieser Zuwiderhandlung bei der Festsetzung der Sanktion verfälscht würden.

1064

Im vorliegenden Fall stehen die Einnahmen, die Google dadurch erzielt, dass Nutzer auf Werbelinks klicken, nachdem sie Suchanfragen über die Homepage von Google und nicht über vorinstallierte Anwendungen von Google gestellt haben, zumindest in mittelbarem Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung. Wie im angefochtenen Beschluss zu Recht ausgeführt wird, haben die von der Kommission geahndeten Praktiken es Google nämlich ermöglicht, ihre beherrschende Stellung und ihre Marktmacht auf sämtlichen nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste aufrechtzuerhalten und zu verstärken, unabhängig davon, ob diese Suchanfragen über eine vorinstallierte Anwendung oder über die Homepage von Google durchgeführt wurden (1439. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

1065

Indem Google die Nutzung der konkurrierenden Suchdienste und den Zugang zu ihnen erschwerte und die Nutzer solcher Dienste für sich selbst gewann, haben ihr die Praktiken, die sie anwandte, mittelbar dazu verholfen, auch über ihre Homepage erhebliche Einnahmen zu erzielen. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass die sortimentbezogenen VAE diese Einnahmen nicht berücksichtigen.

1066

Das Gericht hält es daher für angemessen, die Einnahmen aus allgemeinen Suchanfragen, die über die Homepage von Google durchgeführt wurden, nicht von dem Umsatz auszunehmen, der zur Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße herangezogen wird.

1067

Drittens wirft Google der Kommission vor, dass sie beim Umsatz Einnahmen berücksichtigt habe, die nicht von Google, sondern von Dritten erzielt worden seien. Dies betreffe die Kosten für die Akquisition von Datenverkehr, d. h. die Zahlungen, die Google für die Anzeige ihrer Werbelinks auf den Websites Dritter erbringe.

1068

Die Kommission hält dem entgegen, dass die Kosten für die Akquisition von Datenverkehr ein integraler Bestandteil der Einnahmen von Google aus kontextbezogener Werbung seien, weil sie einen Bestandteil des Preises darstellten, der den Werbetreibenden für die Dienste von Google in Rechnung gestellt werde.

1069

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 nach seinem Wortlaut auf den Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens ohne jeden Abzug bezieht (Urteil vom 12. Dezember 2012, Almamet/Kommission, T‑410/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:676, Rn. 225).

1070

Wie die Kommission im angefochtenen Beschluss zu Recht hervorhebt, handelt es sich im vorliegenden Fall bei den Kosten der Akquisition von Datenverkehr zwar tatsächlich um von Google getragene Kosten, weil sie freiwillige Ausgaben von Google für die Anzeige ihrer Links auf fremden Websites darstellen, doch werden diese Kosten im Wesentlichen den Werbetreibenden in Rechnung gestellt, so dass sie einen Bestandteil der Einnahmen von Google darstellen (1442. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

1071

Folglich können die Kosten für die Akquisition von Datenverkehr entgegen dem Vorbringen von Google nicht vom Umsatz abgezogen werden. Diese Kosten lassen nämlich den Bruttobetrag der von Google erzielten Einnahmen unberührt und spiegeln die wirtschaftliche Realität und das Ausmaß der geahndeten Zuwiderhandlung angemessen wider.

1072

Daher beschließt das Gericht, bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße den Umsatz zu berücksichtigen, den die Kommission im angefochtenen Beschluss zugrunde gelegt hat.

2) Berücksichtigung der Schwere

1073

Hinsichtlich der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung ist insbesondere entschieden worden, dass diese individuell zu beurteilen ist und dass sämtliche Faktoren zu berücksichtigen sind, die dafür eine Rolle spielen, wie z. B. Zahl und Intensität der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 196 und 197 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

1074

Im vorliegenden Fall hält es das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zunächst für angebracht, folgende Faktoren zu berücksichtigen, die auch von der Kommission in ihren Leitlinien genannt werden: die Art der Zuwiderhandlung, die Stellung von Google auf den relevanten Märkten, die räumliche Ausdehnung dieser Zuwiderhandlung und ihre etwaige Umsetzung in der Praxis.

1075

Hinsichtlich der Art der Zuwiderhandlung geht aus der vorstehenden Analyse hervor, dass die Kommission eine Reihe von missbräuchlichen Verdrängungspraktiken von Google, die den Wettbewerb durch den Ausschluss von Wettbewerbern zum Nachteil der Verbraucher behinderten, rechtlich hinreichend qualifiziert hat. Diese Praktiken stehen im Zusammenhang mit den Vorinstallationsbedingungen der VVMA und den Verdrängungswirkungen der AFV und sind anhand des relevanten faktischen Kontexts während des Zeitraums der Zuwiderhandlung zu untersuchen.

1076

Hinsichtlich der Stellung von Google auf den relevanten Märkten und der räumlichen Ausdehnung der Zuwiderhandlung ist unstreitig, dass Google während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung eine beherrschende Stellung auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste im EWR innehatte. Diese Märkte waren Gegenstand der Gesamtstrategie, mit der Google ihre Marktmacht bei allgemeinen Suchanfragen auf PCs und bei allgemeinen Suchanfragen auf intelligenten Mobilgeräten aufrechterhalten wollte. Diese Feststellung wird nicht in Frage gestellt, wenn neben allgemeinen Suchanfragen, die mit einem Android-Gerät durchgeführt werden, auch solche berücksichtigt werden, die mit einem iPhone durchgeführt werden.

1077

Hinsichtlich der etwaigen Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis hält es das Gericht insbesondere für erforderlich, zur Wahrung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der individuellen Zumessung von Sanktionen die Zahl und die Intensität der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen von Google zu beurteilen.

1078

Diese Aufgabe wird durch die sorgfältige Prüfung der konkreten Auswirkungen erleichtert, die die Kommission in der vorliegenden Rechtssache vorgenommen hat, um die Auswirkungen der Gesamtstrategie von Google und der verschiedenen zu ihrer Umsetzung eingesetzten Mittel auf den Leistungswettbewerb zu bewerten.

1079

Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass sich die Kommission im angefochtenen Beschluss zwar zunächst auf die Feststellung beschränkt hatte, dass „die von der Zuwiderhandlung betroffenen relevanten Märkte von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung“ seien, was bedeute, dass „jedes wettbewerbswidrige Verhalten auf diesen Märkten erhebliche Auswirkungen gehabt haben dürfte“ (1449. Erwägungsgrund), dass sie anschließend aber ausdrücklich klargestellt hat, dass diese Beurteilung auf den von ihr aus der im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Analyse der wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen jeder einzelnen der in Rede stehenden Verhaltensweisen gezogenen Schlussfolgerungen beruhe (1455. Erwägungsgrund).

1080

Die vom Gericht insoweit vorgenommene Beurteilung ergibt sich aus der Analyse, die oben im Rahmen der entsprechenden Klagegründe in Bezug auf die erste und die zweite streitige Beschränkung dargelegt wurde. Diese Analyse berücksichtigt nicht nur die von der Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellten Verdrängungswirkungen, sondern auch die verschiedenen von den Parteien vorgebrachten Argumente in Bezug auf das Interesse an der Entwicklung und Pflege des BS Android und seines „Ökosystems“, das als erwiesen anzusehen ist, wie insbesondere aus den vorstehenden Rn. 889 und 890 hervorgeht.

1081

Insoweit hält das Gericht nach Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte den Hinweis für angebracht, dass seines Erachtens die Anwendung eines von der Kommission ermittelten festen Schwerekoeffizienten von 11 % des Umsatzes (1447. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses) die tatsächliche Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis und insbesondere ihre Intensität im betreffenden Zeitraum nicht hinreichend widerspiegelt, insbesondere, wie im Folgenden zu prüfen sein wird, in Bezug auf das wettbewerbswidrige Verhalten von Google in den Jahren 2012 bis 2014.

3) Berücksichtigung der Dauer

1082

Hinsichtlich der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung sind folgende Umstände zu berücksichtigen, die im Übrigen von Google im Rahmen der vorliegenden Klage nicht bestritten werden.

1083

Zum einen hat sich die Google LLC vom 1. Januar 2011 bis zum 18. Juli 2018, dem Tag des Erlasses des angefochtenen Beschlusses, ununterbrochen an den folgenden beiden Aspekten der einheitlichen und fortdauernden Zuwiderhandlung beteiligt: dem Aspekt, der sich auf die Bündelung der Anwendung Google Search mit dem Play Store bezog, und dem Aspekt, der sich darauf bezog, dass die Lizenzierung des Play Store und der Anwendung Google Search vom Abschluss einer AFV abhängig gemacht wurde.

1084

Zum anderen hat sich die Google LLC vom 1. August 2012 bis zum 18. Juli 2018, dem Tag des Erlasses des angefochtenen Beschlusses, ununterbrochen an einem weiteren Aspekt der einheitlichen und fortdauernden Zuwiderhandlung beteiligt, und zwar an der Bündelung von Google Chrome mit dem Play Store und der Anwendung Google Search.

1085

Anders als die Kommission, die einen einheitlichen und globalen Multiplikator verwendet hat, um der Dauer der Beteiligung von Google an der Zuwiderhandlung Rechnung zu tragen (1461. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), wobei der Wert des herangezogenen Umsatzes mit diesem Dauerkoeffizienten multipliziert wurde, hält es das Gericht im vorliegenden Fall jedoch für angemessener, auch andere Parameter zu berücksichtigen, um bestimmte Besonderheiten des zeitlichen Verlaufs der Zuwiderhandlung, insbesondere in Anbetracht ihrer unterschiedlichen Intensität, besser widerzuspiegeln.

4) Kombinierte Bewertung unter Berücksichtigung der Intensität

1086

Das Gericht hält es bei seiner Bemessung der Höhe der Geldbuße anhand von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung für vorzugswürdig, ein anderes als das arithmetische und lineare Berechnungsverfahren anzuwenden, das die Kommission gemäß der allgemeinen Methodik definiert hat, die sie sich in den Leitlinien auferlegt hat. Eine solche Lösung ist eher geeignet, im Einklang mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der individuellen Zumessung von Sanktionen sicherzustellen, dass den Besonderheiten der vorliegenden Rechtssache angemessen Rechnung getragen wird, ohne dass dadurch die Notwendigkeit, ein ausreichendes Abschreckungsniveau zu erreichen, beeinträchtigt wird.

1087

Zum einen ist es im vorliegenden Fall angebracht, die Komplementarität der ersten Missbräuche zu berücksichtigen. Wie sich aus der in diesem Zusammenhang durchgeführten Analyse ergibt, verstärkten sich die missbräuchlichen Praktiken von Google im Rahmen ihrer Gesamtstrategie von dem Zeitpunkt an, zu dem sowohl die Anwendung Google-Search als auch der Browser Chrome Gegenstand der Vorinstallationsbedingungen der VVMA wurden. Dadurch verschaffte sich Google bei den beiden wichtigsten Einstiegspunkten für eine Suchanfrage im Internet einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, der für ihre Mitbewerber nur sehr schwer auszugleichen war.

1088

Zum anderen hält das Gericht es auch für erforderlich, insbesondere die Intensität des wettbewerbswidrigen Verhaltens im Lauf der Zeit sowie die anderen im angefochtenen Beschluss angeführten tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit diesen Verhaltensweisen stehen, wie etwa die VAE. In dieser Hinsicht können mehrere Zeiträume unterschieden werden:

ein erster Sondierungszeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 1. August 2012, der durch die Umsetzung der von Google angestrebten Gesamtstrategie zur Gewährleistung des Übergangs zum Internet auf Mobilgeräten gekennzeichnet war;

ein zweiter Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum Ende der sortimentbezogenen VAE am 31. März 2014, in dem die Zuwiderhandlung am intensivsten war, weil ihre Auswirkungen die restriktiven Aspekte der VVMA (für beide Produktbündel) und der AFV in einem Kontext kombinierten, in dem die durch die sortimentbezogenen VAE gewährte Exklusivität die theoretischen Möglichkeiten einer gemeinsamen Vorinstallation auf GMS-Geräten entsprechend reduzierte;

ein dritter Zeitraum vom 31. März 2014 bis zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses, für den davon ausgegangen werden kann, dass die Mitbewerber im Rahmen der gerätebezogenen VAE einen größeren Spielraum hatten als unter der Geltung der sortimentbezogenen VAE, in dem aber gleichzeitig auch die Entwicklung der API zu berücksichtigen ist, die die Verdrängungswirkungen der AFV verstärkte.

1089

Diese Aufteilung veranlasst das Gericht, bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße folgende Umstände zu berücksichtigen.

1090

Zunächst trifft es, wie Google im zweiten Teil des sechsten Klagegrundes geltend macht, zu, dass berücksichtigt werden muss, dass sie die sortimentbezogenen VAE von sich aus zum 31. März 2014 beendete und durch gerätebezogene VAE ersetzte und dass dies zwangsläufig eine Abschwächung der Marktabschottung zur Folge hatte, die sich aus der exklusiven Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome auf bestimmten im EWR vermarkteten GMS-Geräten ergab.

1091

Die Verwendung von zwei festen und globalen Multiplikatoren – einem für die Schwere und einem für die Dauer – lässt es aber nicht zu, diesen Umstand zu berücksichtigen, ebenso wenig wie den Umstand, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA Chrome erst ab dem 1. August 2012 einbezogen.

1092

Sodann ist festzustellen, dass die Auswirkungen der streitigen Praktiken im zweiten Zeitraum besonders erheblich waren, was ebenfalls gesondert zu berücksichtigen ist, weil diese Auswirkungen zu einem sowohl für Google als auch für ihre Mitbewerber kritischen Zeitpunkt eintraten, nämlich dem der Entwicklung des Internets auf Mobilgeräten.

1093

In diesem Zeitraum, der für die Entwicklung auf intelligenten Mobilgeräten nutzbarer Online-Suchdienste von entscheidender Bedeutung war, schadeten die missbräuchlichen Praktiken von Google ihren Mitbewerbern, für die es besonders wichtig war, zumindest auf einer geringen Zahl von Geräten präsent zu sein. Dieser Gesichtspunkt wurde in der mündlichen Verhandlung von den verschiedenen Mitbewerbern von Google, die dem Verfahren als Streithelfer beigetreten waren, überzeugend vorgetragen.

1094

Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße wird das Gericht daher sowohl die jeweilige Dauer der verschiedenen Abschnitte der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung als auch die Unterschiede berücksichtigen, die, wie oben festgestellt, zwischen den verschiedenen Zeiträumen bestanden, um die unterschiedliche Intensität der Auswirkungen dieser Zuwiderhandlung zu beurteilen.

c)   Mildernde oder erschwerende Umstände

1095

Das Gericht ist der Auffassung, dass der tatsächliche Kontext des vorliegenden Falles es weder rechtfertigt, Google mildernde Umstände zuzugestehen, noch, erschwerende Umstände zu berücksichtigen.

1096

In Bezug auf die im dritten Teil des sechsten Klagegrundes hierzu vorgebrachten Argumente ist zunächst festzustellen, dass Google keine Herabsetzung der Geldbuße mit der Begründung verlangen kann, sie habe die Zuwiderhandlung fahrlässig begangen. Wie die Kommission im angefochtenen Beschluss zu Recht festgestellt hat und wie sich aus den vorstehenden Randnummern ergibt, hat Google die Zuwiderhandlung vorsätzlich begangen, weil sie die voraussichtlichen Auswirkungen der in Rede stehenden Vereinbarungen bewusst anstrebte.

1097

Ebenso wenig kann Google eine Herabsetzung der Geldbuße als Gegenleistung für die von ihr behauptete aktive Mitarbeit während des Verwaltungsverfahrens verlangen. Google hat zwar von sich aus Verpflichtungszusagen angeboten, um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen. Ein solches Angebot allein geht jedoch nicht über die rechtlichen Verpflichtungen von Google zur Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren hinaus, so dass allein aus diesem Grund keine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund ihrer aktiven Zusammenarbeit gerechtfertigt ist.

1098

Darüber hinaus hält es das Gericht nicht für erforderlich, andere tatsächliche Umstände zu berücksichtigen, die geeignet sein könnten, sich ermäßigend oder erhöhend auf die Geldbuße auszuwirken.

d)   Höhe der Geldbuße und gesamtschuldnerische Haftung von Alphabet

1099

Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen, insbesondere der sich über einen erheblichen Zeitraum erstreckenden vorsätzlichen Umsetzung einer Gesamtstrategie, deren Existenz durch die Fehler der Kommission in Bezug auf die dritte im angefochtenen Beschluss geprüfte Art der Verhaltensweise nicht in Frage gestellt wird und die während des Zeitraums der Zuwiderhandlung Auswirkungen unterschiedlicher Intensität hatte, ist das Gericht der Auffassung, dass bei angemessener Bewertung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes der individuellen Zumessung der Sanktion – der Betrag der gegen die Google LLC verhängten Geldbuße auf 4125000000 Euro statt auf 4342865000 Euro festzusetzen ist.

1100

Darüber hinaus ist die Alphabet, Inc. aus den im angefochtenen Beschluss dargelegten und im Rahmen der vorliegenden Klage nicht bestrittenen Gründen (Erwägungsgründe 1388 und 1389 des angefochtenen Beschlusses) als Muttergesellschaft für das rechtswidrige Verhalten der Google LLC vom 2. Oktober 2015 bis zum 18. Juli 2018 gesamtschuldnerisch haftbar zu machen. Da die Alphabet, Inc. die Google LLC an 1013 Tagen der 2748 Tage dauernden einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung kontrollierte, ist sie im vorliegenden Fall gesamtschuldnerisch zur Zahlung des Betrags von 1520605895 Euro zu verurteilen.

e)   Angemessenheit der Sanktion

1101

Das Gericht hält eine Geldbuße von 4125000000 Euro in Anbetracht der Bedeutung der Zuwiderhandlung für angemessen. Zu den von Google im zweiten Teil des sechsten Klagegrundes hierzu vorgebrachten Argumenten ist erstens festzustellen, dass die Kommission bei der Ausübung ihrer Sanktionsbefugnis entgegen dem Vorbringen von Google nicht verpflichtet war, sich Zurückhaltung aufzuerlegen, um der angeblichen Neuheit der in Rede stehenden Praktiken Rechnung zu tragen. Das Gleiche gilt für das Gericht bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung.

1102

Es trifft zwar zu, dass die Kommission zum ersten Mal eine Wettbewerbsanalyse der Android-Plattform durchgeführt hat. Die Beurteilungen der Märkte, der beherrschenden Stellung von Google auf diesen Märkten und der von der Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellten Missbräuche stützen sich jedoch auf Analysen, die im Wettbewerbsrecht fest etabliert sind. Im angefochtenen Beschluss weist die Kommission zu Recht darauf hin, dass sie mehrfach Vereinbarungen geahndet hat, die sich bei ihrer Analyse als klassische Fälle von Kopplungs- oder Ausschließlichkeitsgeschäften zwischen Wirtschaftsteilnehmern erwiesen (1432. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

1103

Somit kann die vorliegende Rechtssache entgegen dem Vorbringen von Google nicht mit derjenigen gleichgesetzt werden, die zum Urteil vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission (C‑62/86, EU:C:1991:286), geführt hat, in dem der Gerichtshof bei der Herabsetzung der Geldbuße dem Umstand Rechnung trug, dass erstmals Verdrängungspreise geahndet wurden, auch wenn dies nicht der einzige Aspekt war, den er dabei heranzog.

1104

In gleicher Weise ist die Entscheidung 93/82/EWG der Kommission vom 23. Dezember 1992 in einem Verfahren nach Artikel [101 AEUV] (IV/32.448 und IV/32.450 ‑ Cewal, Cowac, Ukwal) und Artikel [102 AEUV] (IV/32.448 und IV/32.450 ‑ Cewal) (ABl. 1993, L 34, S. 20), auf die sich Google beruft, zu verstehen. Zwar hat die Kommission im 116. Erwägungsgrund dieser Entscheidung der Möglichkeit Rechnung getragen, dass die betreffenden Unternehmen ihre wettbewerbsrechtlichen Verpflichtungen nicht kannten oder die Schwere der geahndeten Zuwiderhandlung unterschätzten, was sich auf die Festsetzung der Höhe der Geldbuße hätte auswirken können.

1105

Zum einen ist im vorliegenden Fall jedoch festzustellen, dass einem Unternehmen von der Größe Googles, das auf den im angefochtenen Beschluss genannten Märkten über erhebliche Marktmacht verfügt, seine wettbewerbsrechtlichen Verpflichtungen nicht verborgen geblieben sein können. Zum anderen geht aus den internen Dokumenten und Erklärungen von Google, auf die sich die Kommission stützt, eindeutig hervor, dass Google sich der Auswirkungen der im angefochtenen Beschluss beanstandeten Praktiken voll bewusst war (Erwägungsgründe 1343 bis 1347).

1106

Im vorliegenden Fall ist das Gericht außerdem der Auffassung, dass die verschiedenen in Rede stehenden Verhaltensweisen jeweils schon Gegenstand einer früheren Entscheidungspraxis der Kommission waren, die auch bereits vom Unionsrichter überprüft wurde, sei es im Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), oder im Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), die jeweils Klarstellungen zu den bei der Beurteilung dieser verschiedenen Verhaltensweisen heranzuziehenden Analysekriterien enthielten. Die verhängte Geldbuße ist daher nicht deshalb als unverhältnismäßig anzusehen, weil die angebliche Neuheit der in Rede stehenden Praktiken nicht berücksichtigt wurde.

1107

Zweitens macht Google geltend, dass die Schwere ihres Verhaltens relativ gering gewesen sei und ihr Verhalten wettbewerbsfördernde Auswirkungen gehabt habe. Die verhängte Geldbuße müsse daher der Schwere des Verhaltens entsprechen, dürfe aber nicht darüber hinausgehen.

1108

In dieser Hinsicht hat das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung bei der Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung sämtliche Begleitumstände dieser Zuwiderhandlung einschließlich des Vorbringens der Parteien zur Entwicklung und Pflege des BS Android und seines „Ökosystems“ in vollem Umfang berücksichtigt, um sicherzustellen, dass die Geldbuße im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht.

f)   Ausreichend abschreckende Wirkung der Sanktion in Anbetracht der Größe des Unternehmens

1109

Wie die Kommission (1479. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses) sieht auch das Gericht im vorliegenden Fall keinen Anlass, die Geldbuße speziell zu dem Zweck zu erhöhen, ihr abschreckende Wirkung zu verleihen.

1110

Die vom Gericht festgesetzte Höhe der Geldbuße berücksichtigt gebührend die Notwendigkeit, Google eine Geldbuße in abschreckender Höhe aufzuerlegen.

g)   Einhaltung der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes

1111

Der Betrag der Geldbuße, zu der das Gericht in Ausübung der ihm durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 übertragenen Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung gelangt, übersteigt nicht die in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Verordnung vorgesehene Obergrenze von 10 % des von Alphabet im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes.

1112

Dies gilt sowohl für das Geschäftsjahr 2017, das der Verhängung der Geldbuße durch die Kommission vorausging (1481. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), als auch für das Geschäftsjahr 2021 als das letzte verfügbare Geschäftsjahr, da der Gesamtumsatz seit 2017 stetig gestiegen ist.

h)   Ergebnis zur Abänderung

1113

Nach alledem ist Art. 2 des angefochtenen Beschlusses dahin abzuändern, dass der Betrag der Geldbuße, die gegen die Google LLC wegen der in Art. 1 des angefochtenen Beschlusses genannten einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung verhängt wurde und für die die Alphabet, Inc. für den Zeitraum vom 2. Oktober 2015 bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses gesamtschuldnerisch haftet, auf 4125000000 Euro festgesetzt wird.

1114

In Anbetracht der Umstände, die das Gericht bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung berücksichtigt hat, erscheint es nicht erforderlich, über die Begründetheit des Vorbringens von Google in Bezug auf den zusätzlichen Betrag in Höhe von 11 % des im Jahr 2017 getätigten relevanten Umsatzes (vgl. Erwägungsgründe 1467 und 1468 des angefochtenen Beschlusses) zu entscheiden, weil das Gericht einen solchen Parameter in Bezug auf dieses Geschäftsjahr nicht berücksichtigt hat.

IV. Kosten

1115

Nach Art. 134 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht, wenn mehrere Parteien unterliegen, über die Verteilung der Kosten. Im vorliegenden Fall ist zu entscheiden, dass die Hauptparteien jeweils ihre eigenen Kosten tragen.

1116

Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein anderer als die in den Abs. 1 und 2 dieses Artikels genannten Streithelfer seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall ist zu entscheiden, dass die ADA, die CCIA, Gigaset, HMD, Opera, das BEUC, der VDZ, der BDZV, Seznam, FairSearch und Qwant ihre eigenen Kosten tragen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Art. 1, 3 und 4 des Beschlusses C(2018) 4761 final der Europäischen Kommission vom 18. Juli 2018 in einem Verfahren nach Artikel 102 AEUV und Artikel 54 des EWR-Abkommens (Sache AT.40099 – Google Android) werden für nichtig erklärt, soweit sie den vierten Missbrauch der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung betreffen, d. h. die in den Vereinbarungen über die Teilung von Einnahmen mit bestimmten Originalgeräteherstellern und Betreibern von Mobilfunknetzen enthaltene Bedingung der ausschließlichen Vorinstallation von Google Search auf einem im Voraus festgelegten Sortiment von Geräten.

 

2.

Die Höhe der in Art. 2 des Beschlusses C(2018) 4761 final wegen der einheitlichen Zuwiderhandlung, die von der Google LLC nach den oben in Nr. 1 getroffenen Feststellungen begangen wurde, gegen sie verhängten Geldbuße wird auf 4125000000 Euro festgesetzt; die Alphabet, Inc., haftet für diesen Betrag als Gesamtschuldnerin in Höhe von 1520605895 Euro.

 

3.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

4.

Google und Alphabet tragen ihre eigenen Kosten.

 

5.

Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

 

6.

Die Application Developers Alliance, der BDZV – Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e. V., das Bureau européen des unions des consommateurs (BEUC), die Computer & Communications Industry Association, die FairSearch AISBL, die Gigaset Communications GmbH, die HMD global Oy, die Opera Norway AS, Qwant, die Seznam.cz, a.s. und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. tragen ihre eigenen Kosten.

 

Marcoulli

Frimodt Nielsen

Schwarcz

Iliopoulos

Norkus

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. September 2022.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis

 

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

 

A. Hintergrund der Rechtssache

 

B. Verfahren vor der Kommission

 

C. Angefochtener Beschluss

 

II. Verfahren und Anträge der Parteien

 

A. Streithilfeanträge

 

B. Ablauf des Verfahrens, wichtigste Anträge auf vertrauliche Behandlung und Vorbereitung der Entscheidungsreife der Rechtssache

 

C. Anträge der Parteien

 

III. Rechtliche Würdigung

 

A. Vorbemerkungen

 

1. Kommerzieller Hintergrund der geahndeten Verhaltensweisen

 

a) Geschäftsmodell mit Schwerpunkt auf der Suche über Google Search

 

b) Beim Übergang zum mobilen Internet eingeführte Praktiken

 

c) Mehrere Aspekte umfassende einheitliche Zuwiderhandlung

 

2. Modalitäten der gerichtlichen Kontrolle

 

a) Eingehende Kontrolle aller relevanten Elemente

 

b) Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hinsichtlich der Geldbuße

 

3. Zur Beweisführung und zu den verschiedenen insoweit vorgebrachten Beanstandungen

 

B. Erster Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Abgrenzung des relevanten Marktes und des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung

 

1. Hintergrund

 

a) Begriffe „relevanter Markt“, „marktbeherrschende Stellung“ und „Wettbewerbsdruck“, insbesondere beim Vorhandensein eines „Ökosystems“

 

b) Unterschiedliche, aber miteinander verbundene Märkte

 

2. Erster Teil: Beherrschende Stellung auf dem Markt der lizenzierten BS für intelligente Mobilgeräte

 

a) Zur Zulässigkeit des ersten Teils

 

b) Zur Begründetheit des ersten Teils

 

1) Zum Wettbewerbsdruck durch nicht lizenzierbare BS

 

i) Zu den Beweisen für einen Wettbewerbsdruck durch Apple

 

– Vorbringen der Parteien

 

– Würdigung durch das Gericht

 

ii) Zur Berücksichtigung des Urteils vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), und zur Kohärenz mit der bisherigen Entscheidungspraxis

 

– Vorbringen der Parteien

 

– Würdigung durch das Gericht

 

iii) Zum SSNDQ-Test

 

– Vorbringen der Parteien

 

– Würdigung durch das Gericht

 

iv) Zur Treue der Nutzer zu ihrem BS

 

– Vorbringen der Parteien

 

– Würdigung durch das Gericht

 

v) Zur Sensibilität der Nutzer gegenüber der Qualität des BS

 

– Vorbringen der Parteien

 

– Würdigung durch das Gericht

 

vi) Zu den Kosten eines Wechsels zu einem anderen BS

 

– Vorbringen der Parteien

 

– Würdigung durch das Gericht

 

vii) Zu den Auswirkungen der Preispolitik von Apple

 

– Vorbringen der Parteien

 

– Würdigung durch das Gericht

 

viii) Zum Verhalten der Anwendungsentwickler

 

– Vorbringen der Parteien

 

– Würdigung durch das Gericht

 

2) Zum Wettbewerbsdruck durch die AOSP-Lizenz

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

3. Zweiter Teil: Beherrschende Stellung auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

4. Dritter Teil: Widerspruch zwischen der beherrschenden Stellung bei Suchdiensten für Nutzer und der Missbrauchstheorie, die sich auf die den OEM erteilten Lizenzen für Suchanwendungen bezieht

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

5. Zur relativen Bedeutung des Wettbewerbs zwischen Ökosystemen für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache

 

C. Zweiter Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der in der VVMA enthaltenen Vorinstallationsbedingungen in Bezug auf die ersten Missbräuche

 

1. Hintergrund

 

a) Begriffe „missbräuchliche Praxis“, „Verdrängungswirkung“ und „Kopplungsgeschäft“, insbesondere im Hinblick auf das Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289)

 

b) Angefochtener Beschluss

 

1) Zu den ersten drei im Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), genannten Voraussetzungen

 

2) Zur Voraussetzung der „Beschränkung des Wettbewerbs“

 

i) Das Bündel aus Google Search und Play Store

 

ii) Das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search

 

3) Zur Voraussetzung des Fehlens objektiver Rechtfertigungen

 

c) Komplementarität der ersten Missbräuche

 

2. Erster Teil: „Beschränkung des Wettbewerbs“

 

a) Vorinstallation und „Status-quo-Präferenz“

 

1) Angefochtener Beschluss

 

2) Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

 

3) Würdigung durch das Gericht

 

i) Vorbemerkungen

 

– Fehlende praktische Relevanz der vorgeschlagenen Unterscheidung

 

– Quantitative Bedeutung der Vorinstallationsbedingungen

 

ii) Zu bestimmten Erklärungen und Informationen, die im angefochtenen Beschluss wiedergegeben sind

 

– Von Google stammende Beweise

 

– Von Drittunternehmen stammende Beweise

 

– Die Analyse von Yandex

 

– Vereinbarung zwischen Microsoft und Verizon

 

iii) Zu bestimmten im angefochtenen Beschluss angestellten Vergleichen

 

– FairSearch-Studie

 

– Von Microsoft bereitgestellte Daten und NetMarketShare-Daten

 

– Vergleich der mit Android- und mit iOS-Geräten erzielten Einnahmen von Google

 

iv) Zu bestimmten Aspekten, die Chrome betreffen

 

– Vergleich der Einnahmen von Google durch Safari und durch Chrome

 

– Opera-Umfrage

 

b) Die Möglichkeit für die OEM, konkurrierende allgemeine Suchdienste vorzuinstallieren oder als Standard festzulegen

 

1) Angefochtener Beschluss

 

2) Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

 

3) Würdigung durch das Gericht

 

i) Vorbemerkungen

 

ii) Zur Vorinstallation konkurrierender Anwendungen

 

– Zur Anwendung Google Search und ihren Mitbewerbern

 

– Zum Browser Chrome und seinen Mitbewerbern

 

– Zu den anderen Anwendungen

 

iii) Zum angeblichen Widerspruch zwischen den die VAE betreffenden Erwägungen und der Behauptung, es bestehe kein Interesse an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen

 

iv) Zum Interesse der OEM an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen

 

– Zu den potenziellen Einnahmen

 

– Zu den Transaktionskosten

 

– Zum Nutzererlebnis

 

– Zum Speicherplatz

 

– Ergebnis

 

c) Andere Mittel zur Erreichung der Nutzer als die Vorinstallation

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch das Gericht

 

i) Zum Herunterladen konkurrierender Anwendungen

 

ii) Zum Zugang zu konkurrierenden Suchdiensten über den Browser

 

iii) Zur Verwechslung von Wettbewerbsvorteil und wettbewerbswidriger Verdrängung

 

iv) Ergebnis

 

d) Fehlender Nachweis eines Zusammenhangs zwischen den Nutzungsanteilen und der Vorinstallation

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch das Gericht

 

e) Fehlende Berücksichtigung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch das Gericht

 

3. Zweiter Teil: objektive Rechtfertigungen

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

D. Dritter Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der in den sortimentbezogenen VAE enthaltenen Bedingung der ausschließlichen Vorinstallation

 

1. Hintergrund

 

a) Angefochtener Beschluss

 

1) Zur Natur der sortimentbezogenen VAE

 

2) Zur Eignung der sortimentbezogenen VAE, den Wettbewerb zu beschränken

 

3) Zum Vorliegen objektiver Rechtfertigungen

 

b) Zum Unterschied zwischen sortimentbezogenen und gerätebezogenen VAE

 

c) Zu den im Rahmen der sortimentbezogenen VAE aufgeteilten Einnahmen

 

d) Zum Nachweis der Missbräuchlichkeit einer Ausschließlichkeitszahlung

 

2. Erster Teil: Natur der sortimentbezogenen VAE

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

3. Zweiter Teil: Unzureichende Begründung

 

4. Dritter Teil: Feststellung einer Wettbewerbsbeschränkung

 

a) Zur Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE und zu deren Auswirkungen

 

1) Angefochtener Beschluss

 

2) Vorbringen der Parteien

 

3) Würdigung durch das Gericht

 

b) Zum Ausgleich der sortimentbezogenen VAE

 

1) Angefochtener Beschluss

 

2) Vorbringen der Parteien

 

3) Würdigung durch das Gericht

 

i) Zu den einem hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber zuzurechnenden Kosten

 

ii) Zu den Einnahmen, die ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber hätte teilen können

 

iii) Zum Anteil der Suchanfragen, die ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber erzielen könnte

 

iv) Zum Umfang der Vorinstallation einer Anwendung eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers

 

v) Zur zeitlichen Anwendung des AEC‑Tests

 

vi) Ergebnis zur ordnungsgemäßen Durchführung des AEC‑Tests

 

5. Ergebnis zur Stichhaltigkeit der für die Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE angeführten Gründe

 

E. Vierter Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der an die Einhaltung der VVF geknüpften Bedingung für die Vergabe von Lizenzen für den Play Store und für Google Search

 

1. Vorbemerkungen zur Tragweite des zweiten im angefochtenen Beschluss festgestellten Missbrauchs

 

2. Erster Teil: Beschränkung des Wettbewerbs

 

a) Angefochtener Beschluss

 

b) Vorbringen der Parteien

 

1) Vorbringen von Google

 

2) Vorbringen der Kommission

 

c) Würdigung durch das Gericht

 

1) Zum Vorliegen der Praxis

 

2) Zur Wettbewerbswidrigkeit der Praxis

 

i) Zur Wettbewerbswidrigkeit der verfolgten Ziele

 

ii) Zur Beschränkung des Wettbewerbs

 

– Zur potenziellen Bedrohung durch nicht kompatible Forks

 

– Zur tatsächlichen Verdrängung der nicht kompatiblen Android-Forks und zu den wettbewerbswidrigen Auswirkungen dieser Verdrängung

 

3. Zweiter Teil: Vorliegen objektiver Rechtfertigungen

 

a) Angefochtener Beschluss

 

b) Vorbringen der Parteien

 

1) Vorbringen von Google

 

2) Vorbringen der Kommission

 

c) Würdigung durch das Gericht

 

1) Zur Notwendigkeit, die Kompatibilität innerhalb des „Android-Ökosystems“ zu schützen und die „Fragmentierung“ zu verhindern

 

2) Zur Notwendigkeit, den eigenen Ruf zu schützen

 

3) Zur Notwendigkeit, Mitnahmeeffekte zu unterbinden

 

4) Zur Vorzeitigkeit gegenüber der Erlangung der marktbeherrschenden Stellung und zum Fehlen einer Täuschung

 

5) Zur Berücksichtigung der wettbewerbsfördernden Auswirkungen der VVF

 

4. Ergebnis der Prüfung des vierten Klagegrundes

 

F. Fünfter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

 

1. Zweiter Teil des fünften Klagegrundes: Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

2. Erster Teil des fünften Klagegrundes: Verweigerung einer Anhörung zum AEC‑Test

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

G. Zu den Folgen der Prüfung der ersten fünf Klagegründe und zum sechsten Klagegrund

 

1. Verhältnis zwischen den ersten fünf Klagegründen und dem sechsten Klagegrund in Bezug auf die Geldbuße

 

2. Schlussfolgerungen zur Zuwiderhandlung nach Prüfung der ersten fünf Klagegründe

 

3. Zur Abänderung der Geldbuße

 

a) Vorsätzlich oder fahrlässig begangene Zuwiderhandlung

 

b) Berücksichtigung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung

 

1) Berücksichtigung des Umsatzes als Ausgangswert

 

2) Berücksichtigung der Schwere

 

3) Berücksichtigung der Dauer

 

4) Kombinierte Bewertung unter Berücksichtigung der Intensität

 

c) Mildernde oder erschwerende Umstände

 

d) Höhe der Geldbuße und gesamtschuldnerische Haftung von Alphabet

 

e) Angemessenheit der Sanktion

 

f) Ausreichend abschreckende Wirkung der Sanktion in Anbetracht der Größe des Unternehmens

 

g) Einhaltung der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes

 

h) Ergebnis zur Abänderung

 

IV. Kosten


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.