URTEIL DES GERICHTS (Neunte erweiterte Kammer)

29. September 2021 ( *1 )

„Wettbewerb – Kartelle – Aluminium- und Tantal-Elektrolytkondensatoren – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens festgestellt wird – Abstimmung der Preise im gesamten EWR – Mitteilung der Beschwerdepunkte – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006 – Umsatz – Verhältnismäßigkeit – Gleichbehandlung – Schwere der Zuwiderhandlung – Mildernde Umstände“

In der Rechtssache T‑343/18,

Tokin Corp. mit Sitz in Sendai (Japan), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt C. Thomas und T. Yuen, Solicitor,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A. Cleenewerck de Crayencour, F. van Schaik und L. Wildpanner als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2018) 1768 final der Kommission vom 21. März 2018 in einem Verfahren nach Art. 101 [AEUV] und Art. 53 des EWR‑Abkommens (Sache AT.40136 – Kondensatoren), soweit damit Geldbußen gegen die Klägerin verhängt werden, und hilfsweise auf Herabsetzung dieser Geldbußen,

erlässt

DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. J. Costeira (Berichterstatterin), des Richters D. Gratsias, der Richterin M. Kancheva, des Richters B. Berke und der Richterin T. Perišin,

Kanzler: E. Artemiou, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2020

folgendes

Urteil ( 1 )

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Klägerin und betroffener Markt

1

Die Klägerin, die Tokin Corp., ist ein Unternehmen mit Sitz in Japan, das Tantal-Elektrolytkondensatoren fertigt und vertreibt. Bis zum 19. April 2017 war sie unter dem Namen NEC Tokin Corporation bekannt.

2

Vom 1. August 2009 bis zum 31. Januar 2013 stand die Klägerin zu 100 % im Eigentum der Nec Corp.

3

Die in Rede stehende Zuwiderhandlung betrifft Aluminium- und Tantal-Elektrolytkondensatoren. Kondensatoren sind elektrische Bauelemente, die in einem elektrischen Feld statisch Energie speichern. Elektrolytkondensatoren werden in fast allen elektronischen Produkten wie PCs, Tablet-PCs, Telefonen, Klimaanlagen, Kühlschränken, Waschmaschinen, Kfz-Produkten und Industriegeräten verwendet. Der Kundenkreis ist daher sehr diversifiziert. Elektrolytkondensatoren, genauer gesagt Aluminium- und Tantal-Elektrolytkondensatoren, sind Erzeugnisse, bei denen der Preis einen wichtigen Wettbewerbsfaktor darstellt.

Verwaltungsverfahren

4

Am 4. Oktober 2013 beantragten Panasonic und ihre Tochtergesellschaften bei der Europäischen Kommission einen sogenannten Marker nach den Rn. 14 und 15 der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2006, C 298, S. 17, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006) und übermittelten Informationen über eine mutmaßliche Zuwiderhandlung im Bereich der Elektrolytkondensatoren.

5

Am 28. März 2014 verlangte die Kommission gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) Auskünfte von mehreren auf dem Markt für Elektrolytkondensatoren tätigen Unternehmen, u. a. von der Klägerin.

6

Am 21. Mai 2014 stellte die Klägerin zusammen mit Nec bei der Kommission einen Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006.

7

Am 4. November 2015 nahm die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an, die sie u. a. an die Klägerin adressierte.

8

Die Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte, darunter die Klägerin, wurden von der Kommission in einer mündlichen Anhörung vom 12. bis zum 14. September 2016 angehört.

Angefochtener Beschluss

9

Am 21. März 2018 erließ die Kommission den Beschluss C(2018) 1768 final in einem Verfahren nach Art. 101 [AEUV] und Art. 53 des EWR‑Abkommens (Sache AT.40136 – Kondensatoren) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

Zuwiderhandlung

10

Mit dem angefochtenen Beschluss stellte die Kommission das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) auf dem Markt für Elektrolytkondensatoren fest, an der neun Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen beteiligt gewesen seien, nämlich Elna, Hitachi AIC, Holy Stone, Matsuo, Nichicon, Nippon Chemi-Con, Rubycon, Sanyo (Bezeichnung für Sanyo und Panasonic gemeinsam), Nec und die Klägerin, gemeinsam als „NEC Tokin“ bezeichnet (alle zusammen im Folgenden: Kartellteilnehmer) (erster Erwägungsgrund und Art. 1 des angefochtenen Beschlusses).

11

Die Kommission stellte im Wesentlichen fest, dass die in Rede stehende Zuwiderhandlung vom 26. Juni 1998 bis zum 23. April 2012 im gesamten EWR stattgefunden habe und in Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bestanden habe, die die Koordinierung der Preispolitik in Bezug auf die Lieferung von Aluminium- und Tantal-Elektrolytkondensatoren zum Gegenstand gehabt hätten (erster Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

12

Das Kartell sei hauptsächlich im Wege multilateraler Treffen organisiert worden, die normalerweise in Japan stattgefunden hätten, und zwar monatlich oder jeden zweiten Monat auf Ebene der leitenden Vertriebsangestellten und alle sechs Monate auf Führungsebene unter Beteiligung der Geschäftsführer (Erwägungsgründe 63, 68 und 738 des angefochtenen Beschlusses).

13

Die multilateralen Treffen seien anfänglich, nämlich von 1998 bis 2003, unter der Bezeichnung „Elektrolytkondensatorenkreis“, „Elektrolytkondensatorenkonferenz“ oder „EKK-Treffen“ abgehalten worden. Von 2003 bis 2005 hätten sie sodann unter der Bezeichnung „Aluminium-Tantalkonferenz“, „Gruppe der Aluminium- oder Tantalkondensatoren“ oder „ATC‑Treffen“ stattgefunden. Von 2005 bis 2012 seien die Treffen schließlich unter dem Namen „Marktforschungsgruppe“ oder „Marketinggruppe“ (im Folgenden: MK-Treffen) erfolgt. Parallel und ergänzend zu den MK-Treffen hätten zwischen 2006 und 2008 Treffen zur „Kostensteigerung“ oder zur „Stärkung der Kondensatoren“ (im Folgenden: CUP-Treffen) stattgefunden (69. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

14

Über diese multilateralen Treffen hinaus habe es zwischen den Kartellteilnehmern bei Bedarf auch bi-/trilaterale Ad-hoc-Kontakte gegeben (Erwägungsgründe 63, 75 und 739 des angefochtenen Beschlusses).

15

Im Rahmen der wettbewerbswidrigen Kontakte hätten die Kartellteilnehmer vor allem Informationen über Preise und die künftige Preisgestaltung, über künftige Preisnachlässe und die Bandbreite dieser Nachlässe sowie über Angebot und Nachfrage, auch in der Zukunft, ausgetauscht. In bestimmten Fällen hätten die Kartellteilnehmer Preisabsprachen getroffen, die angewandt und eingehalten worden seien (Erwägungsgründe 62, 715, 732 und 741 des angefochtenen Beschlusses).

16

Die Kommission war der Ansicht, dass das Verhalten der Kartellteilnehmer eine Form der Vereinbarung und/oder der abgestimmten Verhaltensweise dargestellt habe, die einem gemeinsamen Ziel gedient habe, nämlich sich einem Preiswettbewerb zu entziehen und das künftige Verhalten beim Verkauf von Elektrolytkondensatoren abzustimmen, um so die Unsicherheit auf dem Markt zu verringern (Erwägungsgründe 726 und 731 des angefochtenen Beschlusses).

17

Die Kommission kam zu dem Schluss, dass dieses Verhalten einem einheitlichen wettbewerbswidrigen Ziel gedient habe (743. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

Verantwortlichkeit der Klägerin und von Nec

18

Die Kommission nahm die Verantwortlichkeit der Klägerin wegen ihrer unmittelbaren Teilnahme am Kartell vom 29. Januar 2003 bis zum 23. April 2012 an, mit Ausnahme der CUP-Treffen (Erwägungsgründe 944 und 1022 sowie Art. 1 Buchst. e des angefochtenen Beschlusses).

19

Außerdem nahm die Kommission die Verantwortlichkeit von Nec als Muttergesellschaft und Halterin des gesamten Gesellschaftskapitals der Klägerin für den Zeitraum vom 1. August 2009 bis zum 23. April 2012 an, mit Ausnahme der CUP-Treffen (Erwägungsgründe 945 und 1022 sowie Art. 1 Buchst. e des angefochtenen Beschlusses).

Gegen die Klägerin verhängte Geldbußen

20

Mit Art. 2 Buchst. f und g des angefochtenen Beschlusses wird zum einen „gesamtschuldnerisch“ eine Geldbuße in Höhe von 5036000 Euro gegen die Klägerin und Nec verhängt und zum anderen eine Geldbuße in Höhe von 8814000 Euro gegen die Klägerin.

Festsetzung der Höhe der Geldbußen

21

Für die Festsetzung der Höhe der Geldbußen bediente sich die Kommission der in ihren Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) dargelegten Methode (980. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

22

Erstens verwendete die Kommission zur Festsetzung des Grundbetrags der gegen die Klägerin verhängten Geldbußen gemäß Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 den Umsatz im letzten vollständigen Geschäftsjahr, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war (989. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

23

Die Kommission berechnete die Höhe der Umsätze anhand der Beträge, die Kunden im EWR für den Kauf von Aluminium- und Tantal-Elektrolytkondensatoren in Rechnung gestellt worden waren (990. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

24

Außerdem berechnete sie die Höhe des relevanten Umsatzes für die beiden Produktkategorien (Aluminium-Elektrolytkondensatoren und Tantal-Elektrolytkondensatoren) getrennt und wandte dafür je nach Dauer unterschiedliche Multiplikatoren an (991. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

25

In Bezug auf die Klägerin setzte die Kommission für den Zeitraum vom 29. Januar 2003 bis zum 23. April 2012 einen Multiplikator von 9,23 für die Dauer fest (1007. Erwägungsgrund, Tabelle 1 des angefochtenen Beschlusses).

26

Den nach Maßgabe der Schwere der Zuwiderhandlung zu bestimmenden Anteil am Umsatz setzte sie auf 16 % fest. Insoweit führte die Kommission aus, horizontale „Absprachen“ zur Abstimmung der Preise gehörten schon ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens, und das Kartell habe sich auf den gesamten EWR erstreckt (Erwägungsgründe 1001 bis 1003 des angefochtenen Beschlusses).

27

Die Kommission bestimmte gemäß Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 einen Zusatzbetrag in Höhe von 16 %, um eine ausreichende abschreckende Wirkung der verhängten Geldbuße sicherzustellen (1009. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

28

Dementsprechend setzte sie den Grundbetrag der Geldbuße für die Klägerin auf 16799000 Euro fest, wobei 6108000 Euro dem Grundbetrag der gesamtschuldnerisch gegen die Klägerin und Nec zu verhängenden Geldbuße entsprachen (1010. Erwägungsgrund, Tabelle 2 des angefochtenen Beschlusses).

29

Was zweitens die Anpassungen des Grundbetrags der Geldbußen betrifft, gewährte die Kommission der Klägerin und Nec zum einen wegen mildernder Umstände eine Ermäßigung des Grundbetrags der Geldbuße um 3 %, da ihre Teilnahme an den CUP-Treffen nicht erwiesen sei und es keine Beweise dafür gebe, dass sie davon Kenntnis gehabt hätten (1022. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

30

Zum anderen führte die Kommission an, dass Nec zu dem Zeitpunkt, als die in Rede stehende Zuwiderhandlung begangen worden sei, bereits für ein wettbewerbswidriges Verhalten haftbar gemacht worden sei, das im Beschluss C(2011) 180/09 final der Kommission vom 19. Mai 2010 in einem Verfahren nach Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/38.511 – DRAM) festgestellt worden sei. Folglich vertrat die Kommission die Auffassung, dass im Fall von Nec der Grundbetrag der Geldbuße wegen des erschwerenden Umstands der wiederholten Zuwiderhandlung um 50 % zu erhöhen sei (Erwägungsgründe 1011 bis 1013 des angefochtenen Beschlusses).

31

Drittens gewährte die Kommission der Klägerin und Nec wegen ihrer Zusammenarbeit gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 eine Ermäßigung in Höhe von 15 % für die Geldbuße, die andernfalls wegen der Zuwiderhandlung gegen sie verhängt worden wäre (Erwägungsgründe 1104 und 1105 des angefochtenen Beschlusses).

32

Sie setzte daher den Gesamtbetrag der Geldbußen für die Klägerin und Nec auf 16445000 Euro fest (1139. Erwägungsgrund, Tabelle 3 des angefochtenen Beschlusses).

[nicht wiedergegeben]

Verfahren und Anträge der Parteien

34

Mit Klageschrift, die am 3. Juni 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

35

Die Klagebeantwortung der Kommission ist am 26. September 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

36

Die Erwiderung und die Gegenerwiderung sind am 22. November 2018 und am 29. Januar 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

37

Auf Vorschlag der Zweiten Kammer hat das Gericht beschlossen, die Rechtssache nach Art. 28 seiner Verfahrensordnung an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

38

Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist die Berichterstatterin der Neunten erweiterten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache daher gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung zugewiesen worden ist.

39

Auf Vorschlag der Berichterstatterin hat das Gericht (Neunte erweiterte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und hat den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung schriftliche Fragen gestellt und sie aufgefordert, diese in der mündlichen Verhandlung zu beantworten. Die Parteien haben in der Sitzung vom 12. Oktober 2020 mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

40

Nach dem Tod von Richter Berke am 1. August 2021 haben die drei Richter, die das vorliegende Urteil unterzeichnet haben, gemäß den Art. 22 und 24 Abs. 1 der Verfahrensordnung die Beratungen fortgesetzt.

41

Die Klägerin beantragt,

Art. 2 Buchst. f und g des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, soweit dadurch Geldbußen gegen sie verhängt werden;

hilfsweise, die gegen sie verhängten Geldbußen herabzusetzen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

42

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

43

Die Klägerin stützt ihren Hauptantrag auf Nichtigerklärung der gegen sie verhängten Geldbußen sowie ihren Hilfsantrag auf Herabsetzung der Geldbußen auf zwei Klagegründe. Mit diesen Klagegründen werden verschiedene Fehler und Verstöße der Kommission geltend gemacht, wobei sich der erste Klagegrund auf den Zeitraum bezieht, der für die Bestimmung des Umsatzes zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbußen gewählt wurde, und der zweite Klagegrund die Nichtanwendung eines niedrigeren Schwerekoeffizienten durch die Kommission wegen der Nichtteilnahme der Klägerin an den CUP-Treffen betrifft.

Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses

[nicht wiedergegeben]

Zum ersten Klagegrund: Referenzzeitraum für die Bestimmung des Umsatzes zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbußen

[nicht wiedergegeben]

– Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Überschreitung der Grenzen, die dem Ermessen der Kommission nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 gesetzt sind, und Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

51

Im Rahmen des ersten Teils des ersten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe die Grenzen ihres Ermessens nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 missachtet und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, indem sie für die Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße den Umsatz der Klägerin während des letzten vollständigen Geschäftsjahrs herangezogen habe, in dem diese an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei.

[nicht wiedergegeben]

79

Drittens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, die Kommission habe das Datum des Endes der Zuwiderhandlung geändert, obwohl sie gewusst habe, dass sich der Umsatz der Klägerin und damit die Höhe der Geldbuße durch diese Änderung vervielfachen würden.

80

Es trifft zwar zu, dass in der von der Kommission übermittelten Mitteilung der Beschwerdepunkte angegeben war, dass die Klägerin bis zum 11. Dezember 2013 an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei (siehe Rn. 310 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), wohingegen die Kommission im angefochtenen Beschluss darlegt, dass die Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung bis zum 23. April 2012 erwiesen sei und die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt daran teilgenommen habe (vgl. 971. Erwägungsgrund und Art. 1 Buchst. e des angefochtenen Beschlusses).

81

Jedoch ist auf Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 hinzuweisen, der zur Wahrung der Verteidigungsrechte bei der Durchführung von Verwaltungsverfahren in Wettbewerbssachen vorsieht, dass den Parteien eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt wird. Nach ständiger Rechtsprechung müssen darin alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Stadium des Verfahrens stützt, klar angegeben werden. Dies kann jedoch in gedrängter Form erfolgen, und die Entscheidung braucht nicht notwendig ein Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein, da es sich bei Letzterer um ein vorbereitendes Dokument handelt, dessen tatsächliche und rechtliche Wertungen lediglich vorläufiger Natur sind (vgl. Urteil vom 5. Dezember 2013, SNIA/Kommission, C‑448/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:801, Rn. 41 und 42 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

82

Da die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgenommene Beurteilung der Tatsachen naturgemäß nur vorläufig sein kann, kann eine spätere Entscheidung der Kommission nicht allein deshalb für nichtig erklärt werden, weil die endgültigen Schlussfolgerungen, die aus den Tatsachen gezogen werden, nicht genau mit dieser vorläufigen Beurteilung übereinstimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Dezember 2013, SNIA/Kommission, C‑448/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:801, Rn. 43).

83

In diesem Zusammenhang muss die Kommission die Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte anhören und deren Stellungnahmen zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen gegebenenfalls berücksichtigen, indem sie ihre Analyse ändert – gerade um die Verteidigungsrechte der betreffenden Wirtschaftsteilnehmer zu wahren. Die Kommission muss ihre Einschätzung daher in ihrer endgültigen Entscheidung präzisieren können, indem sie die Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens berücksichtigt, sei es, um bestimmte Beschwerdepunkte fallen zu lassen, die sich als nicht ausreichend begründet erwiesen haben, sei es, um ihre Argumente, auf die sie die aufrechterhaltenen Beschwerdepunkte stützt, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht neu zu ordnen oder zu ergänzen. Dabei darf die Kommission jedoch nur Tatsachen berücksichtigen, zu denen die Betroffenen sich haben äußern können; außerdem muss sie im Laufe des Verwaltungsverfahrens die für die Verteidigung notwendigen Angaben gemacht haben (vgl. Urteil vom 5. Dezember 2013, SNIA/Kommission, C‑448/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:801, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist die Kommission im Rahmen eines Verfahrens zur Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen nicht an ihre tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilungen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte gebunden. Im Gegenteil muss sie ihre abschließende Entscheidung mit ihrer endgültigen Beurteilung begründen, die auf den Ergebnissen ihrer gesamten Untersuchung beruht, wie sie beim Abschluss des förmlichen Verfahrens vorliegen. Im Übrigen ist die Kommission nicht verpflichtet, eventuelle Unterschiede gegenüber ihrer vorläufigen Beurteilung in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu erläutern (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 64 und 65). Diese Rechtsprechung ist auf ein Verfahren nach Art. 101 AEUV, und damit auch auf das vorliegende Verfahren, übertragbar.

85

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführte Zeitpunkt des Endes der Zuwiderhandlung rein vorläufiger Natur war und von der Kommission nachträglich geändert werden konnte, und zwar bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung. Der Kommission kann daher nicht vorgeworfen werden, im angefochtenen Beschluss von einem anderen Enddatum der Zuwiderhandlung ausgegangen zu sein als in der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Folglich kann der angefochtene Beschluss nicht allein deshalb für nichtig erklärt werden, weil sich die Kommission in diesem Beschluss auf ein anderes Enddatum gestützt hat als das in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorläufig angeführte Datum.

86

Jedenfalls ergibt sich aus den Schriftsätzen der Klägerin und aus ihrer Antwort auf eine ihr in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage, dass sie den im angefochtenen Beschluss festgestellten Zeitpunkt des Endes der Zuwiderhandlung nicht bestreitet. Ebenso wenig stellt sie in Abrede, dass sie vom 29. Januar 2003 bis zum 23. April 2012 an dieser Zuwiderhandlung beteiligt war und folglich das letzte vollständige Geschäftsjahr, in dem sie an der Zuwiderhandlung beteiligt war, dem Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 31. März 2012 entspricht.

87

Zudem stützt sich die Entscheidung der Kommission über die Festsetzung des Endes der Zuwiderhandlung notwendigerweise auf Gesichtspunkte, die die Zuwiderhandlung selbst betreffen, und nicht auf Bestimmungen für die Festsetzung der Höhe der Geldbußen. Folglich kann eine solche Entscheidung für sich genommen nicht zu einem Verstoß gegen diese Bestimmungen führen.

88

Selbst wenn die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße tatsächlich höher ausgefallen sein sollte, weil die Kommission das letzte vollständige Geschäftsjahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Referenzjahr für die Berechnung des Umsatzes herangezogen hat, resultiert diese Erhöhung jedenfalls aus der Anwendung der in Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 enthaltenen Regel und damit der in diesen Leitlinien vorgesehenen Methode für die Festsetzung der Geldbuße.

89

Wie die Kommission geltend macht, hat das Gericht aber bereits entschieden, dass es bei einer Kürzung der Dauer der Zuwiderhandlung zu einer höheren Geldbuße kommen kann, wenn sich dies daraus ergibt, dass die Kommission die in den Leitlinien von 2006 vorgesehene Methode zur Berechnung der Geldbuße anwendet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Mai 2015, Timab Industries und CFPR/Kommission, T‑456/10, EU:T:2015:296, Rn. 81 und 82).

90

Im Übrigen bringt die Klägerin kein substantiiertes Argument hinsichtlich des angeblichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor. Aus dem Vorstehenden geht jedenfalls nicht hervor, dass die Kommission im Sinne der oben in Rn. 63 zitierten Rechtsprechung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, als sie die in Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 vorgesehene Regel angewandt und ein früheres Enddatum angenommen hat als das in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannte.

91

Der erste Teil des ersten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

– Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Verstoß gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung

92

Im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen und die Gefahr einer Diskriminierung begründet. Zum einen habe sie das letzte vollständige Geschäftsjahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung herangezogen, um den Umsatz der Klägerin zu ermitteln, obwohl sie gewusst habe, dass dies zu einer erheblich höheren Geldbuße führen würde. Zum anderen habe sie drei verschiedene Methoden angewandt, um das Referenzjahr auszuwählen, woraus sich sieben verschiedene Referenzjahre ergeben hätten. Die Kommission habe nämlich für mehrere Adressaten des angefochtenen Beschlusses (Nippon, Hitachi, Nichicon, Elna und Sanyo) unterschiedliche Referenzjahre verwendet.

[nicht wiedergegeben]

99

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz der Gleichbehandlung nur verletzt ist, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteile vom 5. Dezember 2013, Solvay/Kommission, C‑455/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:796, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 11. Juli 2014, Esso u. a./Kommission, T‑540/08, EU:T:2014:630, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

100

Soweit auf den Umsatz der an ein und derselben Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen abzustellen ist, um das Verhältnis zwischen den festzusetzenden Geldbußen zu bestimmen, muss der zu berücksichtigende Zeitraum einerseits so abgegrenzt werden, dass die ermittelten Umsatzzahlen so weit wie möglich miteinander vergleichbar sind. Folglich kann ein bestimmtes Unternehmen nur dann verlangen, dass die Kommission bei ihm auf einen anderen als den im Allgemeinen herangezogenen Zeitraum abstellt, wenn es nachweist, dass der von ihm im letztgenannten Zeitraum erzielte Umsatz aus für dieses Unternehmen spezifischen Gründen weder für seine wirkliche Größe und seine Wirtschaftskraft noch für das Ausmaß der von ihm begangenen Zuwiderhandlung einen Anhaltspunkt bietet (vgl. Urteil vom 11. Juli 2014, Sasol u. a./Kommission, T‑541/08, EU:T:2014:628, Rn. 334 und die dort angeführte Rechtsprechung).

101

Andererseits gehört die differenzierte Behandlung von an einem Kartell beteiligten Unternehmen bei der Berechnung der ihnen auferlegten Geldbußen untrennbar zur Ausübung der der Kommission insoweit zustehenden Befugnisse. Im Rahmen ihres Wertungsspielraums hat die Kommission nämlich die Sanktion entsprechend den für die betroffenen Unternehmen kennzeichnenden Verhaltensweisen und Eigenschaften individuell festzulegen, um in jedem Einzelfall die volle Wirksamkeit der Wettbewerbsregeln der Union sicherzustellen (vgl. Urteil vom 5. Dezember 2013, Caffaro/Kommission, C‑447/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:797, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

102

Im vorliegenden Fall geht aus dem 989. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Kommission zur Festsetzung des Grundbetrags der zu verhängenden Geldbußen unter Berufung auf Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 das letzte vollständige Jahr (genauer gesagt, das letzte vollständige Geschäftsjahr) der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Referenzzeitraum für die Berechnung des Umsatzes aller Kartellteilnehmer verwendet hat, mit Ausnahme von Elna und Nippon Chemi‑Con.

103

Außerdem ergibt sich aus dem 991. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass sie den Umsatz für die beiden Produktkategorien (Aluminium-Elektrolytkondensatoren und Tantal-Elektrolytkondensatoren) getrennt berechnet hat (siehe oben, Rn. 24).

104

Aus Tabelle 1 des 1007. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses geht auch hervor, dass unter Berücksichtigung der verschiedenen Zeiträume der Zuwiderhandlung und der verschiedenen Geschäftsjahre der betroffenen Unternehmen das letzte vollständige Jahr (bzw. das letzte vollständige Geschäftsjahr) der Beteiligung an der Zuwiderhandlung nicht bei allen betroffenen Unternehmen gleich war.

105

Im Einzelnen ergibt sich namentlich aus den Erwägungsgründen 987 bis 991 und 1007 des angefochtenen Beschlusses, dass die Kommission in Bezug auf die Klägerin davon ausging, dass sie bis zum 23. April 2012 an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei und dass ihr letztes vollständiges Geschäftsjahr vor dem Ende der Zuwiderhandlung von April 2011 bis März 2012 gedauert habe.

106

In Bezug auf Nichicon war die Kommission der Ansicht, dass sich das Unternehmen bis zum 9. März 2010 an der Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit Tantal-Elektrolytkondensatoren beteiligt habe und dass sein letztes vollständiges Geschäftsjahr vor dem Ende der Zuwiderhandlung in Bezug auf diese Kondensatoren jenes von April 2008 bis März 2009 gewesen sei. Außerdem sei Nichicon bis zum 31. Mai 2010 an der Zuwiderhandlung im Bereich der Aluminium-Elektrolytkondensatoren beteiligt gewesen, und das letzte vollständige Geschäftsjahr vor dem Ende der Zuwiderhandlung in Bezug auf diese Kondensatoren sei jenes von April 2009 bis März 2010 gewesen.

107

Bei Hitachi ging die Kommission davon aus, dass das Unternehmen bis zum 18. Februar 2010 an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei und sein letztes vollständiges Geschäftsjahr vor dem Ende der Zuwiderhandlung von April 2008 bis März 2009 gedauert habe.

108

Hinsichtlich Sanyo vertrat die Kommission die Auffassung, dass die Teilnahme an der Zuwiderhandlung bis zum 19. April 2011 gedauert habe, und das letzte vollständige Geschäftsjahr vor dem Ende der Zuwiderhandlung jenes von April 2010 bis März 2011 gewesen sei.

109

Im Übrigen vertrat die Kommission in Bezug auf Elna und Nippon Chemi‑Con die Auffassung, dass in Anbetracht des Umstands, dass die beiden Unternehmen vor dem Ende ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung den Vertrieb von Tantal-Elektrolytkondensatoren eingestellt hätten, im Zusammenhang mit diesen Kondensatoren der Umsatz im letzten vollständigen Geschäftsjahr berücksichtigt werden müsse, in dem diese von den Unternehmen vertrieben worden seien, damit die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung nicht aufgrund des Umsatzes zu niedrig bewertet werde. In Bezug auf Elna war nach Ansicht der Kommission das Jahr 2009 der Ermittlung des Umsatzes zugrunde zu legen, da Elna am 1. August 2010 den Vertrieb von Tantal-Elektrolytkondensatoren eingestellt habe. Für Nippon Chemi‑Con sei als Referenzjahr für den Umsatz mit Aluminium-Elektrolytkondensatoren das letzte vollständige Geschäftsjahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen gewesen, also 2011 bis 2012, und für den Umsatz mit Tantal-Elektrolytkondensatoren das letzte vollständige Geschäftsjahr, in dem diese durch das Unternehmen vertrieben wurden, also 2003 bis 2004 (vgl. Erwägungsgründe 9 und 34 sowie Fn. 1643 des angefochtenen Beschlusses).

110

Nach alledem hat sich die Kommission erstens zur Bestimmung des Grundbetrags der zu verhängenden Geldbußen zum einen bei allen Kartellteilnehmern mit Ausnahme von Elna und Nippon Chemi-Con auf das Kriterium in Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 gestützt und den Umsatz im letzten vollständigen Geschäftsjahr berücksichtigt, in dem sie an der Zuwiderhandlung beteiligt waren. Zum anderen hat sie den relevanten Umsatz der beiden betroffenen Produktkategorien (Aluminium- bzw. Tantal-Elektrolytkondensatoren) für alle Kartellteilnehmer getrennt berechnet (siehe oben, Rn. 102 und 103).

111

Die Anwendung des in Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 genannten Kriteriums hat in Anbetracht der unterschiedlichen den Unternehmen zur Last gelegten Zuwiderhandlungszeiträume zwar dazu geführt, dass nicht für alle sieben von diesem Kriterium betroffenen Unternehmen derselbe Jahreszeitraum herangezogen wurde (siehe oben, Rn. 105 bis 108).

112

Es ist jedoch festzustellen, dass das Kriterium des letzten vollständigen Geschäftsjahrs der Beteiligung an der Zuwiderhandlung von der Kommission in kohärenter und objektiver Weise auf die sieben betroffenen Unternehmen angewandt wurde. Der Unterschied, der zwischen den ihnen gegenüber herangezogenen Jahreszeiträumen besteht, resultiert nämlich einfach aus der Anwendung dieses Kriteriums, bei der die verschiedenen Zeiträume der Beteiligung an der Zuwiderhandlung sowie die verschiedenen Geschäftsjahre der betroffenen Unternehmen berücksichtigt wurden (siehe oben, Rn. 105 bis 108).

113

Auch wenn die fraglichen Jahreszeiträume nicht dasselbe Kalenderjahr oder dasselbe Geschäftsjahr umfassen, sind die von den einzelnen Unternehmen in diesen Jahren erzielten Umsätze dennoch untereinander vergleichbar. Zum einen wurden die Jahreszeiträume für alle Kartellteilnehmer (mit Ausnahme von Elna und Nippon Chemi-Con) anhand des gleichen objektiven Kriteriums bestimmt, nämlich anhand des letzten vollständigen Geschäftsjahrs, in dem sie an der Zuwiderhandlung beteiligt waren. Zum anderen hat die Kommission bei allen Kartellteilnehmern dieselbe Berechnungsmethode angewandt und den Umsatz jeder der beiden betroffenen Arten von Kondensatoren getrennt berücksichtigt.

114

Folglich ist die von der Kommission angewandte Methode zur Berechnung des Umsatzes nicht willkürlich und stellt für sich genommen keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung dar.

115

Außerdem hat die Klägerin, wie oben in Rn. 78 ausgeführt, nicht dargetan, dass das für sie verwendete Referenzjahr aufgrund der Anwendung dieses einheitlichen Kriteriums für ihre wirkliche Größe, ihre Wirtschaftskraft auf dem Markt oder das Ausmaß ihrer Zuwiderhandlung nicht repräsentativ sei.

116

Zweitens folgt daraus, dass der Umstand, dass die Kommission als Kriterium für die Ermittlung des von Elna und Nippon Chemi-Con mit Elektrolytkondensatoren erzielten Umsatzes nicht das letzte vollständige Geschäftsjahr verwendet hat, in dem diese an der Zuwiderhandlung beteiligt waren (siehe oben, Rn. 109), im vorliegenden Fall dadurch objektiv gerechtfertigt ist, dass sich die Situation dieser beiden Unternehmen von jener der anderen sieben Kartellteilnehmer unterschied. Im Gegensatz zu Letzteren hatten die ersten beiden Unternehmen nämlich vor dem Ende ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung den Vertrieb dieser Art von Kondensatoren eingestellt. Dies wird von der Klägerin im Übrigen nicht bestritten.

117

Wenn im Fall eines bestimmten Unternehmens der Umsatz im für die anderen Kartellteilnehmer herangezogenen Referenzjahr die tatsächliche wirtschaftliche Lage dieses Unternehmens während des Zeitraums der Zuwiderhandlung nicht zuverlässig widerspiegelt, ist die Kommission nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs berechtigt, den Umsatz dieses Unternehmens in einem anderen Jahr als diesem einheitlichen Referenzjahr zu verwenden, um die finanziellen Ressourcen dieses Unternehmens korrekt bewerten und die ausreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße sicherstellen zu können, was allerdings voraussetzt, dass das Jahr nach kohärenten und objektiven Kriterien ausgewählt wird (vgl. Urteil vom 5. Dezember 2013, Caffaro/Kommission, C‑447/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:797, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

118

In diesem Zusammenhang hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie davon ausgegangen ist, dass der Umsatz im letzten vollständigen Geschäftsjahr zu berücksichtigen sei, in dem die fraglichen beiden Unternehmen Tantal-Elektrolytkondensatoren vertrieben hätten, um zum einen der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage dieser Unternehmen während des Zeitraums der Zuwiderhandlung Rechnung zu tragen und zum anderen zu verhindern, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung aufgrund des Umsatzes unterschätzt werde.

119

Im Übrigen ist in Übereinstimmung mit der Kommission darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass die Festsetzung des Umsatzes für bestimmte Kartellteilnehmer möglicherweise günstiger ausgefallen ist als für die Klägerin, für sich genommen keine Diskriminierung darstellt. Die Annahme der Klägerin, dass die Festsetzung der zu verhängenden Geldbuße durch die Kommission das Ergebnis einer genauen Rechenoperation sei, mit der erreicht werden könne, dass eine möglichst niedrige Geldbuße verhängt werde, erweist sich in Anbetracht von Ziff. 6 der Leitlinien von 2006 sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofs als falsch (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Februar 2017, H&R ChemPharm/Kommission, C‑95/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:125, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

120

Folglich hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin weder die Gefahr einer Diskriminierung geschaffen noch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, soweit sie zum einen für die Festsetzung des Umsatzes der Kartellteilnehmer das allgemeine Kriterium des letzten vollständigen Geschäftsjahrs der Beteiligung an der Zuwiderhandlung gewählt hat und zum anderen für zwei Unternehmen, die im Gegensatz zu den anderen Kartellteilnehmern einige Jahre vor dem Ende ihrer Beteiligung am Kartell den Vertrieb einer Art von Elektrolytkondensatoren eingestellt hatten, ein anderes Kriterium angewandt hat, indem sie den Umsatz der beiden in Rede stehenden Arten von Elektrolytkondensatoren getrennt berücksichtigt hat.

[nicht wiedergegeben]

126

Somit ist der Klägerin nicht der Nachweis gelungen, dass die Kommission die Grenzen des ihr bei der Festsetzung der Höhe von Geldbußen zustehenden Ermessens überschritten hat und bei der Bestimmung des Referenzjahrs für die Festsetzung des Umsatzes, der bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbußen zu berücksichtigen ist, gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung verstoßen hat.

127

Der zweite Teil des ersten Klagegrundes und damit dieser Klagegrund insgesamt sind daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Nichtanwendung eines niedrigeren Schwerekoeffizienten durch die Kommission

[nicht wiedergegeben]

129

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

[nicht wiedergegeben]

131

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach den Ziff. 19 bis 22 der Leitlinien von 2006 einer der beiden Faktoren, auf denen der Grundbetrag der Geldbuße beruht, ein bestimmter Anteil am relevanten Umsatz ist, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet. Die Schwere der Zuwiderhandlung wird in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände beurteilt. Bei der Bestimmung des genauen Anteils am Umsatz in einem bestimmten Fall berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligter Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis.

132

Außerdem ist die Schwere des Verstoßes nach ständiger Rechtsprechung individuell zu beurteilen. Bei der Bemessung von Geldbußen sind also die Dauer der Zuwiderhandlung sowie sämtliche Faktoren zu berücksichtigen, die für die Beurteilung ihrer Schwere eine Rolle spielen, wie das Verhalten jedes einzelnen Unternehmens, die Rolle, die jedes Unternehmen bei der Abstimmung der Verhaltensweisen gespielt hat, der Gewinn, den die Unternehmen aus diesen Verhaltensweisen ziehen konnten, ihre Größe und der Wert der betroffenen Waren sowie die Gefahr, die derartige Zuwiderhandlungen für die Union bedeuten (vgl. Urteile vom 8. Dezember 2011, KME Germany u. a./Kommission, C‑272/09 P, EU:C:2011:810, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 196 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zu diesen Gesichtspunkten zählen auch die Zahl und die Intensität der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 197 und die dort angeführte Rechtsprechung).

133

Im vorliegenden Fall hat die Kommission im angefochtenen Beschluss das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung festgestellt, die sich auf das gesamte Gebiet des EWR erstreckt und in Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bestanden habe, die die Koordinierung der Preispolitik in Bezug auf die Lieferung von Aluminium- und Tantal-Elektrolytkondensatoren zum Gegenstand gehabt hätten (siehe oben, Rn. 10 und 11). Die Kommission hat die Verantwortlichkeit der Klägerin für diese einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung angenommen, mit Ausnahme der Teilnahme der Klägerin an den CUP-Treffen, die nach Ansicht der Kommission nicht erwiesen war (siehe oben, Rn. 18).

134

Unter Berücksichtigung dieser Umstände und insbesondere der Art und der räumlichen Ausdehnung der Zuwiderhandlung hat die Kommission den nach Maßgabe der Schwere der Zuwiderhandlung zu bestimmenden Anteil am Umsatz auf 16 % festgesetzt (siehe oben, Rn. 26).

135

Außerdem hat sie der Klägerin und Nec eine Ermäßigung des Grundbetrags der Geldbuße um 3 % gewährt, da ihre Teilnahme an den CUP-Treffen nicht erwiesen sei und es keine Beweise dafür gebe, dass sie davon Kenntnis gehabt hätten (siehe oben, Rn. 29).

136

Daraus folgt, dass die Kommission im vorliegenden Fall zunächst einen Schwerekoeffizienten von 16 % angewandt hat, und dann in einem zweiten Schritt das individuelle Verhalten der Klägerin berücksichtigt und ihr wegen mildernder Umstände eine Ermäßigung von 3 % des Grundbetrags der Geldbuße gewährt hat, da ihre Teilnahme an den CUP-Treffen nicht erwiesen war.

137

Die Argumente der Klägerin vermögen diese Beurteilung der Kommission nicht in Frage zu stellen.

138

Erstens steht der Ansatz der Kommission, die Nichtteilnahme der Klägerin an den CUP-Treffen im Rahmen der mildernden Umstände zu berücksichtigen, entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung.

139

Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die relative Schwere der Beteiligung eines Unternehmens an einer Zuwiderhandlung und die besonderen Umstände des Falles entweder bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 oder aber bei der Anpassung des Grundbetrags anhand mildernder und erschwerender Umstände berücksichtigen kann. Die Eröffnung einer solchen Wahlmöglichkeit zugunsten der Kommission steht mit der in Rn. 132 oben angeführten Rechtsprechung in Einklang, da sie jedenfalls gebietet, dass bei der Bemessung der Geldbuße das individuelle Verhalten des betreffenden Unternehmens berücksichtigt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 104 und 105, und vom 26. Januar 2017, Laufen Austria/Kommission, C‑637/13 P, EU:C:2017:51, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

140

Selbst unter der Annahme, dass die Rn. 135 bis 138 des Urteils vom 16. November 2011, Sachsa Verpackung/Kommission (T‑79/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:674), sowie die Rn. 62, 63 und 65 bis 67 des Urteils vom 10. Oktober 2014, Soliver/Kommission (T‑68/09, EU:T:2014:867), den Standpunkt der Klägerin untermauern, dass ihre Nichtteilnahme an den CUP-Treffen im Rahmen der Bestimmung des Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung hätte berücksichtigt werden müssen anstatt als mildernder Umstand, wird dieser Ansatz durch die oben in Rn. 139 angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs, die nach Verkündung der oben genannten Urteile des Gerichts bestätigt wurde, nicht gedeckt. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich nämlich, dass es im Ermessen der Kommission steht, ob sie das individuelle Verhalten eines bestimmten Unternehmens im Rahmen des einen oder des anderen Schritts der Berechnung der Geldbuße berücksichtigt.

141

Im Übrigen gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der oben in Rn. 99 angeführten Rechtsprechung nicht, dass bei der Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung Unterschiede zwischen den am selben Kartell beteiligten Unternehmen, etwa in Bezug auf die räumliche Ausdehnung ihrer jeweiligen Beteiligung, notwendigerweise bei der Festsetzung der Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag berücksichtigt werden. Dies kann auch im Rahmen eines anderen Schritts der Berechnung der Geldbuße erfolgen, etwa bei der Anpassung des Grundbetrags wegen mildernder und erschwerender Umstände gemäß den Ziff. 28 und 29 der Leitlinien von 2006.

[nicht wiedergegeben]

145

Zweitens kann der Klägerin in ihrem Vorbringen, die Kommission habe sie für eine Zuwiderhandlung haftbar gemacht, „die sie nicht begangen hat“, nicht gefolgt werden.

146

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses beantragt, soweit darin ihre Verantwortlichkeit für die fragliche Zuwiderhandlung festgestellt wird, sondern soweit darin Geldbußen gegen sie verhängt werden.

147

Die Nichtteilnahme der Klägerin an den CUP-Treffen ändert zudem nichts an der Tatsache, dass sie an einer Zuwiderhandlung derselben Art und derselben räumlichen Ausdehnung beteiligt war wie die anderen Kartellteilnehmer.

148

Wie sich nämlich aus den Rn. 12 und 13 oben ergibt, wurde das in Rede stehende Kartell im Wege multilateraler Treffen auf Ebene der leitenden Vertriebsangestellten und der Unternehmensleitung sowie im Wege bi-/trilateraler Ad-hoc-Kontakte zwischen den Beteiligten organisiert. Die multilateralen Treffen, die von 1998 bis 2012 monatlich oder jeden zweiten Monat stattfanden, wurden unter den Bezeichnungen „EKK-Treffen“, „ATC‑Treffen“, „MK-Treffen“ und „CUP-Treffen“ abgehalten. Bei den CUP-Treffen handelte es sich um Treffen, die parallel und ergänzend zu den MK-Treffen stattfanden und „offiziöse Versionen“ der MK-Treffen waren, da sie in der Regel eine Woche später abgehalten wurden. Auch wenn die Teilnahme der Klägerin an den CUP-Treffen nicht erwiesen ist, steht fest, dass sie an den anderen Treffen, insbesondere an den MK-Treffen, teilgenommen hat.

149

Da die Klägerin an den weitaus meisten multilateralen Treffen teilgenommen hat, die der Organisation des in Rede stehenden Kartells dienten, kann der bloße Umstand, dass sie nicht an den CUP-Treffen teilgenommen hat, nichts an der Art oder der räumlichen Ausdehnung ihrer Zuwiderhandlung ändern. Folglich macht die Klägerin zu Unrecht geltend, dass ihr die Zuwiderhandlung in anderem Ausmaß zugerechnet worden sei als den übrigen Kartellteilnehmern.

150

Was schließlich den im angefochtenen Beschluss angewandten Schwerekoeffizienten betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden kann (vgl. Ziff. 21 der Leitlinien von 2006). Außerdem berücksichtigt die Kommission bei der Bestimmung der genauen Höhe innerhalb dieser bis zu 30 % reichenden Bandbreite mehrere Umstände, u. a. die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligter Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis (Ziff. 22 der Leitlinien von 2006). Da die schwerwiegendsten Verstöße, wie horizontale Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, streng geahndet werden müssen, ist für solche Zuwiderhandlungen grundsätzlich ein Betrag am oberen Ende dieser Bandbreite anzusetzen (Ziff. 23 der Leitlinien von 2006).

151

Im vorliegenden Fall hat die Kommission den Schwerekoeffizienten auf 16 % festgesetzt und dabei berücksichtigt, dass horizontale „Absprachen“ zur Abstimmung der Preise schon ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen Art. 101 AEUV gehörten und sich das Kartell auf den gesamten EWR erstreckt habe (siehe oben, Rn. 26). Somit wurde der Prozentsatz etwas über der Mitte der für den Schwerekoeffizienten geltenden Bandbreite angesetzt, die bis zu 30 % des Umsatzes reichen kann. Unter diesen Umständen kann in Anbetracht der Art und der räumlichen Ausdehnung der Zuwiderhandlung nicht angenommen werden, dass der Schwerekoeffizient von 16 % im Hinblick auf die Schwere der von der Klägerin begangenen Zuwiderhandlung unangemessen oder zu hoch sei, nur weil sie nicht an den CUP-Treffen teilgenommen hat.

152

Nach alledem kann der Umstand, dass die Kommission im vorliegenden Fall für alle Kartellteilnehmer einen Schwerekoeffizienten von 16 % angewandt hat und die Nichtteilnahme der Klägerin an den CUP-Treffen berücksichtigte, indem sie ihr im Rahmen der mildernden Umstände eine Ermäßigung des Grundbetrags der Geldbuße gewährte, keinen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 oder gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit darstellen.

153

Folglich ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

Zum Antrag auf Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbußen

156

Hilfsweise ersucht die Klägerin das Gericht, seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zur Neuberechnung oder zur Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbußen anzuwenden. Die Klägerin macht geltend, dass die Geldbußen neu berechnet werden müssten, indem zum einen bei der Berechnung der durchschnittliche Umsatz verwendet werde, den sie im EWR während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung erzielt habe, für den Daten verfügbar seien, und zum anderen der Schwerekoeffizient um mindestens 3 % herabgesetzt werde.

[nicht wiedergegeben]

166

Was erstens den Antrag der Klägerin betrifft, das Gericht möge den für die Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße relevanten Umsatz neu berechnen, ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin keine echte Alternative zu dem von der Kommission herangezogenen Kriterium nach Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 vorschlägt. Der von ihr angegebene Zeitraum zur Ermittlung eines „durchschnittlichen“ Umsatzes (August 2007 bis März 2012) scheint von der Klägerin aus dem alleinigen Grund gewählt worden zu sein, dass es sich um den Zeitraum handelt, für den Daten verfügbar sind.

167

Unter diesen Umständen kann der Klägerin nicht gefolgt werden, wenn sie für die Bestimmung des Umsatzes die Anwendung eines Kriteriums vorschlägt, das zum einen keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass der so berechnete Umsatz ihre Größe, ihre Wirtschaftskraft oder den Umfang der Zuwiderhandlung verlässlich widerspiegelt, und zum anderen die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nicht ermöglicht, was die Klägerin auch selbst einräumt (siehe oben, Rn. 49).

168

Wie sich aus den Rn. 112 und 113 oben ergibt, wurde das Kriterium des letzten vollständigen Geschäftsjahrs der Beteiligung an der Zuwiderhandlung im vorliegenden Fall in kohärenter und objektiver Weise auf alle Kartellteilnehmer angewandt, die sich in einer vergleichbaren oder identischen Situation befanden. Außerdem hatten Elna und Nippon Chemi-Con offenbar vor dem Ende ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung den Vertrieb von Tantal-Elektrolytkondensatoren eingestellt und befanden sich dadurch in einer anderen Situation als die übrigen sieben an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen.

169

Folglich erweist sich im vorliegenden Fall die Tatsache, dass die Kommission bei Elna und Nippon Chemi-Con ein anderes Geschäftsjahr zur Bestimmung des Umsatzes mit Tantal-Elektrolytkondensatoren herangezogen hat, aufgrund der ungleichen Situation dieser beiden Unternehmen, die vor dem Ende ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung den Vertrieb dieser Art von Kondensatoren eingestellt hatten, als objektiv gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang dürfen weder die Kommission noch das Gericht gleiche Kriterien auf ungleiche Sachverhalte anwenden, um zu vermeiden, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung aufgrund des zugrunde gelegten Umsatzes unterschätzt wird (siehe oben, Rn. 116 und 118).

170

Daher kann es insbesondere nicht mit der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt werden, die Ermittlung des für die Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße der Klägerin relevanten Umsatzes, wie sie im angefochtenen Beschluss festgelegt wurde, zu ändern.

[nicht wiedergegeben]

182

Der Antrag auf Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbußen ist daher zurückzuweisen, und die Klage ist insgesamt abzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die Tokin Corp. trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

 

Costeira

Gratsias

Kancheva

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. September 2021.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

( 1 ) Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.