URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

27. November 2019 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 49 und 56 AEUV – Öffentliche Auftragsvergabe – Richtlinie 2004/18/EG – Art. 25 – Unteraufträge – Nationale Regelung, mit der die Möglichkeit der Vergabe von Unteraufträgen auf 30 % des Gesamtwerts des öffentlichen Auftrags beschränkt wird und die es untersagt, die Preise der an Unterauftragnehmer vergebenen Leistungen um mehr als 20 % gegenüber den sich aus dem Zuschlag ergebenden Preisen zu senken“

In der Rechtssache C‑402/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 10. Mai 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Juni 2018, in dem Verfahren

Tedeschi Srl im eigenen Namen und im Namen einer Bietergemeinschaft,

Consorzio Stabile Istant Service im eigenen Namen und im Namen einer Bietergemeinschaft,

gegen

C. M. Service Srl,

Università degli Studi di Roma La Sapienza

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter) sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász, M. Ilešič und C. Lycourgos,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Tedeschi Srl im eigenen Namen und im Namen einer Bietergemeinschaft sowie der Consorzio Stabile Istant Service im eigenen Namen und im Namen einer Bietergemeinschaft, vertreten durch A. Clarizia, P. Ziotti, E. Perrettini, L. Albanese und G. Zurlo, avvocati,

der C. M. Service Srl, vertreten durch F. Cardarelli, avvocato,

der Università degli Studi di Roma La Sapienza, vertreten durch G. Bernardi, avvocato,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von C. Colelli und V. Nunziata, avvocati dello Stato,

der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara, P. Ondrůšek und L. Haasbeek als Bevollmächtigte,

der norwegischen Regierung, vertreten durch K. H. Aarvik, C. Anker und H. Røstum als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 und 56 AEUV, von Art. 25 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114; berichtigt in ABl. 2004, L 351, S. 44), von Art. 71 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18 (ABl. 2014, L 94, S. 65) sowie des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Tedeschi Srl, die im eigenen Namen und im Namen einer Bietergemeinschaft auftritt, und dem Consorzio Stabile Istant Service, das im eigenen Namen und im Namen einer Bietergemeinschaft auftritt (im Folgenden zusammen: Bietergemeinschaft Tedeschi), einerseits und der C. M. Service Srl und der Università degli Studi di Roma La Sapienza (Universität Rom La Sapienza, Italien) andererseits über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags über Reinigungsarbeiten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2004/18

3

Die Erwägungsgründe 2, 6, 32 und 43 der Richtlinie 2004/18 sehen vor:

„(2)

Die Vergabe von Aufträgen in den Mitgliedstaaten auf Rechnung des Staates, der Gebietskörperschaften und anderer Einrichtungen des öffentlichen Rechts ist an die Einhaltung der im Vertrag niedergelegten Grundsätze gebunden, insbesondere des Grundsatzes des freien Warenverkehrs, des Grundsatzes der Niederlassungsfreiheit und des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit sowie der davon abgeleiteten Grundsätze wie z. B. des Grundsatzes der Gleichbehandlung, des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der Transparenz. Für öffentliche Aufträge, die einen bestimmten Wert überschreiten, empfiehlt sich indessen die Ausarbeitung von auf diesen Grundsätzen beruhenden Bestimmungen zur gemeinschaftlichen Koordinierung der nationalen Verfahren für die Vergabe solcher Aufträge, um die Wirksamkeit dieser Grundsätze und die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für den Wettbewerb zu garantieren. Folglich sollten diese Koordinierungsbestimmungen nach Maßgabe der genannten Regeln und Grundsätze sowie gemäß den anderen Bestimmungen des Vertrags ausgelegt werden.

(6)

Keine Bestimmung dieser Richtlinie sollte dem Erlass oder der Durchsetzung von Maßnahmen entgegenstehen, die zum Schutz der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit … notwendig sind, sofern diese Maßnahmen mit dem Vertrag im Einklang stehen.

(32)

Um den Zugang von kleinen und mittleren Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen zu fördern, sollten Bestimmungen über Unteraufträge vorgesehen werden.

(43)

Es sind Vorkehrungen zu treffen, um der Vergabe öffentlicher Aufträge an Wirtschaftsteilnehmer, die sich an einer kriminellen Vereinigung beteiligt oder der Bestechung oder des Betrugs zu Lasten der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften oder der Geldwäsche schuldig gemacht haben, vorzubeugen. …“

4

Art. 7 („Schwellenwerte für öffentliche Aufträge“) dieser Richtlinie sieht vor:

„Diese Richtlinie gilt für die Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht aufgrund der Ausnahmen nach den Artikeln 10 und 11 und nach den Artikeln 12 bis 18 ausgeschlossen sind und deren geschätzter Wert netto ohne Mehrwertsteuer (MwSt.) die folgenden Schwellenwerte erreicht oder überschreitet:

b)

207000 EUR …“

5

Art. 25 („Unteraufträge“) der Richtlinie sieht vor:

„In den Verdingungsunterlagen kann der öffentliche Auftraggeber den Bieter auffordern oder er kann von einem Mitgliedstaat verpflichtet werden, den Bieter aufzufordern, ihm in seinem Angebot den Teil des Auftrags, den der Bieter gegebenenfalls im Wege von Unteraufträgen an Dritte zu vergeben gedenkt, sowie die bereits vorgeschlagenen Unterauftragnehmer bekannt zu geben.“

…“

6

Art. 26 („Bedingungen für die Auftragsausführung“) dieser Richtlinie sieht vor:

„Die öffentlichen Auftraggeber können zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen.“

7

In Art. 45 („Persönliche Lage des Bewerbers bzw. Bieters“) dieser Richtlinie heißt es:

„(1)   Ein Bewerber oder Bieter ist von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren auszuschließen, wenn der öffentliche Auftraggeber Kenntnis davon hat, dass dieser Bewerber oder Bieter aus einem der nachfolgenden Gründe rechtskräftig verurteilt worden ist:

a)

Beteiligung an einer kriminellen Organisation im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der gemeinsamen Maßnahme [98/773/JI vom 21. Dezember 1998 – vom Rat aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union angenommen – betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. 1998, L 351, S. 1)];

b)

Bestechung im Sinne von Artikel 3 des Rechtsakts des Rates vom 26. Mai 1997 [über die Ausarbeitung des Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c) des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (ABl. 1997, C 195, S. 1),] und von Artikel 3 Absatz 1 der gemeinsamen Maßnahme 98/742/JI [vom 22. Dezember 1998 – vom Rat aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union angenommen – betreffend die Bestechung im privaten Sektor, (ABl. 1998, L 358, S. 2)],

c)

Betrug im Sinne von Artikel 1 des [Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, Anhang zum Rechtsakt des Rates vom 26. Juli 1995 (ABl. 1995, C 316, S. 48)].

…“

8

Art. 47 („Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“) dieser Richtlinie 2004/18 bestimmt in den Abs. 2 und 3:

„(2)   Ein Wirtschaftsteilnehmer kann sich gegebenenfalls für einen bestimmten Auftrag auf die Kapazitäten anderer Unternehmen ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen stützen. Er muss in diesem Falle dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nachweisen, dass ihm die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, indem er beispielsweise die diesbezüglichen Zusagen dieser Unternehmen vorlegt.

(3)   Unter denselben Voraussetzungen können sich Gemeinschaften von Wirtschaftsteilnehmern nach Artikel 4 auf die Kapazitäten der Mitglieder der Gemeinschaften oder anderer Unternehmen stützen.“

9

Art. 48 („Technische und/oder berufliche Leistungsfähigkeit“) dieser Richtlinie sieht in seinen Abs. 3 und 4 vor:

„(3)   Ein Wirtschaftsteilnehmer kann sich gegebenenfalls für einen bestimmten Auftrag auf die Kapazitäten anderer Unternehmen ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen stützen. Er muss in diesem Falle dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nachweisen, dass ihm für die Ausführung des Auftrags die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, indem er beispielsweise die Zusage dieser Unternehmen vorlegt, dass sie dem Wirtschaftsteilnehmer die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen.

(4)   Unter denselben Voraussetzungen können sich Gemeinschaften von Wirtschaftsteilnehmern nach Artikel 4 auf die Leistungsfähigkeit der Mitglieder der Gemeinschaften oder anderer Unternehmen stützen.“

10

Art. 55 („Ungewöhnlich niedrige Angebote“) dieser Richtlinie bestimmt in Abs. 1:

„Erwecken im Fall eines bestimmten Auftrags Angebote den Eindruck, im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig zu sein, so muss der öffentliche Auftraggeber vor Ablehnung dieser Angebote schriftlich Aufklärung über die Einzelposten des Angebots verlangen, wo er dies für angezeigt hält.

…“

Richtlinie 2014/24

11

Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis 18. April 2016 nachzukommen. …“

Italienisches Recht

12

Art. 118 des Decreto legislativo n. 163 – Codice di contratti pubblici relativi a lavori, servizi e forniture in attuazione delle direttive 2004/17/CE e 2004/18/CE (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 163 zur Schaffung eines Gesetzbuchs über öffentliche Bau‑, Dienstleistungs- und Lieferaufträge in Umsetzung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG) vom 12. April 2006 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 100 vom 2. Mai 2006, im Folgenden: Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 163/2006) sieht vor:

„…

(2)   Der Auftraggeber hat in dem Vorhaben und in der Vergabebekanntmachung jede der Leistungen anzugeben und für Bauaufträge die überwiegende Kategorie mit dem entsprechenden Betrag sowie die sonstigen Kategorien für alle übrigen in dem Vorhaben vorgesehenen Arbeiten mit ihren Beträgen aufzuführen. Für alle Leistungen und Arbeiten in allen Kategorien können separate Unteraufträge vergeben werden. In der Verordnung wird für Bauaufträge in Bezug auf die überwiegende Kategorie der Anteil definiert, für den Unteraufträge vergeben werden können, eventuell differenziert nach Kategorien, aber in keinem Fall über [30 %]. Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge bezieht sich dieser Anteil auf den Gesamtbetrag des Vertrags. …

(4)   Der erfolgreiche Bieter hat für alle an Unterauftragnehmer vergebenen Leistungen die Einzelpreise anzusetzen, die sich aus dem Zuschlag ergeben, ohne Abschläge von mehr als [20 %] vornehmen zu können. …“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

13

Mit einer im Dezember 2015 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Bekanntmachung leitete die Universität Rom La Sapienza ein offenes Vergabeverfahren für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags über Reinigungsarbeiten ein. Dieser öffentliche Auftrag mit einer Laufzeit von fünf Jahren sollte nach dem Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots vergeben werden. Der Grundwert dieses öffentlichen Auftrags wurde auf 46300968,40 Euro ohne Mehrwertsteuer geschätzt.

14

C. M. Service, die in dem Vergabeverfahren an zweiter Stelle eingestuft wurde, erhob beim Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium, Italien) Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Universität Rom La Sapienza vom 12. April 2017, den im Ausgangsverfahren streitigen öffentlichen Auftrag für einen Gesamtbetrag von 31744359,67 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer und Sicherheitskosten an die Bietergemeinschaft Tedeschi zu vergeben. C. M. Service stützte ihre Klage auf einen Verstoß gegen die im italienischen Recht vorgesehenen allgemeinen Beschränkungen, da der Anteil des Auftrags, den der Zuschlagsempfänger untervergeben wollte, mehr als 30 % des Gesamtbetrags des Auftrags ausmache. Sie führte weiter aus, das Angebot des Zuschlagsempfängers sei durch den Auftraggeber nicht konkret und verlässlich geprüft worden, da dieser unter Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen des italienischen Rechts akzeptiert habe, dass die Vergütung der Subunternehmer um über 20 % niedriger sei als die sich aus der Ausschreibung ergebenden Einzelpreise.

15

Das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium) gab der Klage statt. Erstens stellte dieses Gericht fest, dass es an einer verlässlichen Prüfung der Umstände fehle, unter denen der weitgehende Einsatz von sozialen Genossenschaften im Rahmen von Unteraufträgen erfolgen sollte, der ein wesentliches Merkmal des ausgewählten Angebots dargestellt habe, mit dem die angebotene erhebliche Ermäßigung begründet worden sei. Zweitens stellte das Gericht fest, dass die Vergütungen für die untervergebenen Arbeiten um mehr als 20 % unter denjenigen lägen, die die Bietergemeinschaft Tedeschi gegenüber den direkt bei ihr beschäftigten Personen ansetze.

16

Die Bietergemeinschaft Tedeschi legte beim vorlegenden Gericht Berufung gegen das Urteil des Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium) ein. C. M. Service legte Anschlussberufung ein, in der sie erneut die Rügen erhob, denen in erster Instanz nicht stattgegeben worden war, sowie die Rüge eines Verstoßes gegen die Vorschriften des italienischen Rechts über das Verbot, Unteraufträge über Leistungen im Wert von mehr als 30 % des Gesamtbetrags des betreffenden öffentlichen Auftrags zu vergeben.

17

Das vorlegende Gericht hat Zweifel an der Vereinbarkeit der italienischen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge mit dem Unionsrecht.

18

Insbesondere führt dieses Gericht aus, dass die im innerstaatlichen Recht für die Untervergabe vorgesehenen Beschränkungen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen erschweren könnten und damit der Ausübung der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit entgegenstünden. Diese Beschränkungen könnten den öffentlichen Auftraggebern auch die Möglichkeit nehmen, Anzahl und Varietät der erhaltenen Angebote zu erhöhen. Die Vergabe von Unteraufträgen nur für einen abstrakt auf einen bestimmten Anteil des Auftragswerts festgelegten Teil zu erlauben – und zwar unabhängig davon, ob eine Prüfung der Leistungsfähigkeit etwaiger Unterauftragnehmer möglich sei, und ohne Angabe zum wesentlichen Charakter der betreffenden Aufgaben –, sei in der Richtlinie 2004/18 nicht vorgesehen und widerspreche dem Ziel der Öffnung für den Wettbewerb und dem Ziel der Erleichterung des Zugangs von kleinen und mittleren Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen.

19

Das vorlegende Gericht gibt jedoch auch zu bedenken, dass es im Rahmen von beratenden Stellungnahmen, die es zur nationalen Gesetzgebung im Bereich der Vergabe von Unteraufträgen abgegeben habe, bereits entschieden habe, dass das Ziel, die Integrität des öffentlichen Auftragswesens zu gewährleisten und dessen Durchsetzung durch kriminelle Organisationen zu verhindern, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen könne. Außerdem legt es weitere Gründe dar, die seiner Ansicht nach die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Schwellenwerte rechtfertigen. So könnten zum einen, falls die in Art. 118 Abs. 4 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 163/2006 vorgesehene Grenze von 20 % entfalle, versteckte Formen des Lohndumpings auftreten, die wettbewerbswidrige Auswirkungen haben könnten. Zum anderen führt es aus, falls auch die in Art. 118 Abs. 2 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 163/2006 vorgesehene Grenze von 30 % entfalle, könnte die Durchführung bestimmter Ausschreibungen aufgrund der Schwierigkeit gefährdet werden, die wirtschaftliche Tragbarkeit der Angebote – und damit das Fehlen von Anomalien – zu bewerten, wie dies im Ausgangsverfahren der Fall sei.

20

Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stehen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, die in den Art. 49 und 56 AEUV verankert sind, sowie Art. 25 der Richtlinie 2004/18 und Art. 71 der Richtlinie 2014/24, die keine Beschränkungen in Bezug auf den Anteil von Unteraufträgen und die bei Unterauftragnehmern ansetzbaren Abschläge vorsehen, sowie der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Anwendung einer nationalen Regelung über die öffentliche Auftragsvergabe wie der italienischen in Art. 118 Abs. 2 und 4 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 163/2006 entgegen, nach der Unteraufträge einen Anteil von 30 % des Gesamtbetrags des Vertrags nicht übersteigen dürfen und der erfolgreiche Bieter für die an Unterauftragnehmer vergebenen Leistungen die sich aus dem Zuschlag ergebenden Einzelpreise mit einem höchstens 20%igen Abschlag ansetzen muss?

21

Der Antrag des vorlegenden Gerichts auf Behandlung seines Vorabentscheidungsersuchens im beschleunigten Verfahren nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 18. September 2018, Tedeschi und Consorzio Stabile Istant Service (C‑402/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:762), zurückgewiesen worden.

Zur Vorlagefrage

Zur Zulässigkeit

22

Die italienische Regierung bezweifelt, dass das vorlegende Gericht den rechtlichen Kontext der Vorlagefrage hinreichend beschrieben hat.

23

Außerdem trägt C. M. Service vor, die Vorlagefrage sei unzulässig, da sie für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht relevant sei. Insbesondere müsse das vorlegende Gericht in diesem Rechtsstreit unabhängig von der Antwort des Gerichtshofs auf diese Frage jedenfalls einen Verstoß des erfolgreichen Bieters feststellen, da dieser sich bei Einreichung seines Angebots verpflichtet hatte, die Obergrenzen von 30 % und 20 % einzuhalten, auf die sich das vorlegende Gericht in seiner Frage bezieht.

24

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Vermutung dafür spricht, dass die Fragen zur Auslegung des Unionsrechts, die das nationale Gericht in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat, entscheidungserheblich sind. Der Gerichtshof kann die Entscheidung über ein Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts nur dann ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind, was erfordert, dass das nationale Gericht den sachlichen und rechtlichen Rahmen darlegt, in dem sich seine Fragen stellen, oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (Urteil vom 28. März 2019, Idi, C‑101/18, EU:C:2019:267, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25

Im vorliegenden Fall lassen die in der Vorlageentscheidung genannten tatsächlichen und rechtlichen Umstände erkennen, aus welchen Gründen das vorlegende Gericht das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen eingereicht hat.

26

Zweitens ist, was die angebliche Unerheblichkeit der Vorlagefrage angeht, darauf hinzuweisen, dass es im Ausgangsrechtsstreit um die Rechtmäßigkeit des erfolgreichen Angebots im Rahmen des im Ausgangsverfahren streitigen öffentlichen Vergabeverfahrens geht. Wie jedoch aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, wurden mit dem in diesem Angebot angesetzten Preis – der die Zuschlagerteilung ermöglichte – die Obergrenzen von 30 % und 20 % überschritten, die in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung vorgesehen sind und deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht Gegenstand der von dem vorlegenden Gericht gestellten Frage ist. Folglich hängt, wie auch das vorlegende Gericht ausführt, die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits notwendigerweise von der Antwort ab, die der Gerichtshof auf diese Frage geben wird.

27

Die Vorlagefrage ist daher zulässig.

Zum ersten Teil der Frage

28

Mit dem ersten Teil seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 49 und 56 AEUV, die Richtlinie 2004/18 sowie die Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, die den Teil des Auftrags, den der Bieter als Unterauftrag an Dritte vergeben darf, auf 30 % beschränkt (im Folgenden: Obergrenze von 30 %).

29

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich diejenige Richtlinie anwendbar ist, die zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem der öffentliche Auftraggeber die Art des Verfahrens auswählt und endgültig entscheidet, ob die Verpflichtung zu einem vorherigen Aufruf zum Wettbewerb für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags besteht. Unanwendbar sind hingegen die Bestimmungen einer Richtlinie, deren Umsetzungsfrist nach diesem Zeitpunkt abgelaufen ist (Urteil vom 10. Juli 2014, Impresa Pizzarotti, C‑213/13, EU:C:2014:2067, Rn. 31 und dort angeführte Rechtsprechung).

30

Hierzu ist festzustellen, dass die Richtlinie 2004/18 durch die Richtlinie 2014/24 mit Wirkung vom 18. April 2016 aufgehoben wurde. Art. 90 der Richtlinie 2014/24 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten, vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen, die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen haben, um dieser Richtlinie bis zum 18. April 2016 nachzukommen.

31

Folglich war zum Zeitpunkt der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bekanntmachung am 24. Dezember 2015 die Richtlinie 2004/18 noch anwendbar, so dass der erste Teil der Vorlagefrage so zu verstehen ist, dass er sich insbesondere auf deren Auslegung und nicht auf die der Richtlinie 2014/24 bezieht.

32

Da außerdem der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag ohne Mehrwertsteuer den in Art. 7 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 vorgesehenen einschlägigen Schwellenwert überschreitet, ist der erste Teil der Vorlagefrage im Licht dieser Richtlinie zu beantworten.

33

Ziel dieser Richtlinie ist es, wie sich im Wesentlichen aus ihrem zweiten Erwägungsgrund ergibt, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge namentlich die Beachtung des freien Warenverkehrs, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs sowie der sich daraus ergebenden Grundsätze, insbesondere die Gleichbehandlung, die Nichtdiskriminierung, die Verhältnismäßigkeit und die Transparenz zu wahren und sicherzustellen, dass das öffentliche Auftragswesen für den Wettbewerb geöffnet wird.

34

Zu diesem Zweck sieht die Richtlinie 2004/18 in Art. 47 Abs. 2 und 3 und in Art. 48 Abs. 3 und 4 ausdrücklich vor, dass die Bieter unter bestimmten Voraussetzungen die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch nehmen können, um bestimmte Kriterien für die Eignung von Wirtschaftsteilnehmern zu erfüllen.

35

Im Übrigen bestimmt Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18, dass der öffentliche Auftraggeber den Bieter auffordern oder von einem Mitgliedstaat verpflichtet werden kann, den Bieter aufzufordern, in seinem Angebot den Anteil des Auftrags, den er im Wege von Unteraufträgen an Dritte zu vergeben gedenkt, sowie die vorgeschlagenen Unterauftragnehmer anzugeben.

36

Daraus folgt, dass die Richtlinie 2004/18 die Möglichkeit vorsieht, dass die Bieter für die Ausführung eines Auftrags auf Unterauftragnehmer zurückgreifen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2016, Wrocław – Miasto na prawach powiatu, C‑406/14, EU:C:2016:562, Rn. 31 bis 33).

37

Sind Bieter entsprechend Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18 nach den Auftragsunterlagen dazu verpflichtet, in ihren Angeboten den Teil des Auftrags, den sie gegebenenfalls im Wege von Unteraufträgen an Dritte zu vergeben gedenken, sowie die bereits vorgeschlagenen Unterauftragnehmer bekannt zu geben, kann der Auftraggeber indessen den Rückgriff auf Unterauftragnehmer, deren Leistungsfähigkeit er bei der Prüfung der Angebote und der Auswahl des Auftragnehmers nicht hat prüfen können, für die Ausführung wesentlicher Teile des Auftrags verbieten (Urteil vom 14. Juli 2016, Wrocław – Miasto na prawach powiatu, C‑406/14, EU:C:2016:562, Rn. 34 und dort angeführte Rechtsprechung).

38

Dies ist jedoch nicht die Bedeutung einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die in Bezug auf einen abstrakt auf einen bestimmten Prozentsatz seines Betrags festgelegten Teil des Auftrags eine Beschränkung für den Rückgriff auf Unterauftragnehmer vorsieht – und zwar unabhängig davon, ob eine Prüfung der Leistungsfähigkeit etwaiger Unterauftragnehmer und des wesentlichen Charakters etwa betroffener Aufgaben möglich ist. Unter allen diesen Aspekten erweist sich eine Regelung, die eine Beschränkung wie die Obergrenze von 30 % vorsieht, als mit der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Richtlinie 2004/18 unvereinbar (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Juli 2016, Wrocław – Miasto na prawach powiatu, C‑406/14, EU:C:2016:562, Rn. 35).

39

Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Ziel, den Bereich des öffentlichen Auftragswesens einem möglichst umfassenden Wettbewerb zu öffnen, das mit den einschlägigen Richtlinien im Interesse nicht nur der Wirtschaftsteilnehmer, sondern auch der öffentlichen Auftraggeber angestrebt wird. Sie ist außerdem geeignet, kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu erleichtern, was mit der Richtlinie 2004/18, wie in ihrem 32. Erwägungsgrund erwähnt wird, ebenfalls beabsichtigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Oktober 2013, Swm Costruzioni 2 und Mannocchi Luigino, C‑94/12, EU:C:2013:646, Rn. 34).

40

Die in Rn. 38 des vorliegenden Urteils vorgenommene Auslegung wird nicht durch das Vorbringen der italienischen Regierung in Frage gestellt, wonach die Obergrenze von 30 % im Hinblick auf die in Italien herrschenden besonderen Umstände gerechtfertigt sei, wo die Vergabe von Unteraufträgen stets eines der Instrumente zur Umsetzung krimineller Absichten gewesen sei. Durch die Beschränkung des Teils des Auftrags, der Gegenstand einer Untervergabe sein könne, mache die nationale Regelung die Teilnahme an öffentlichen Aufträgen für kriminelle Organisationen weniger attraktiv, was geeignet sei, dem Phänomen der Infiltration des öffentlichen Auftragswesens durch die organisierte Kriminalität vorzubeugen und auf diese Weise die öffentliche Ordnung zu schützen.

41

Es trifft zu, dass, wie sich namentlich aus den in der Richtlinie 2004/18 vorgesehenen qualitativen Auswahlkriterien, insbesondere aus den in ihrem Art. 45 Abs. 1 aufgeführten Ausschlussgründen, ergibt, der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass einer solchen Bestimmung verhindern wollte, dass Wirtschaftsteilnehmer, die aus einem oder mehreren der in dieser Vorschrift aufgeführten Gründen rechtskräftig verurteilt worden sind, an einem Auftragsvergabeverfahren teilnehmen.

42

Außerdem sollte nach dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 keine ihrer Bestimmungen den Erlass oder die Durchsetzung von Maßnahmen verbieten, die u. a. zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Sittlichkeit und Sicherheit notwendig sind, sofern diese Maßnahmen mit dem EG-Vertrag im Einklang stehen, während es im 43. Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt, dass öffentliche Aufträge u. a. nicht an Wirtschaftsteilnehmer vergeben werden sollten, die sich an einer kriminellen Vereinbarung beteiligt haben.

43

Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung beim Erlass von Maßnahmen, die das Transparenzgebot, das von den öffentlichen Auftraggebern in allen Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags zu beachten ist, gewährleisten sollen, über ein gewisses Ermessen verfügen. Die einzelnen Mitgliedstaaten sind nämlich am besten in der Lage, aufgrund eigener historischer, rechtlicher, wirtschaftlicher oder sozialer Erwägungen zu bestimmen, in welchen Fällen Verhaltensweisen begünstigt werden, die zu Missständen bei der Beachtung dieses Gebots führen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Oktober 2015, Impresa Edilux und SICEF, C‑425/14, EU:C:2015:721, Rn. 26 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

44

Konkret hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Bekämpfung des Phänomens der Infiltration der organisierten Kriminalität im Bereich der öffentlichen Aufträge ein legitimes Ziel ist, das eine Beschränkung der Grundfreiheiten und der Grundsätze des AEUV rechtfertigen kann, die im Rahmen der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zur Anwendung kommen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Oktober 2015, Impresa Edilux und SICEF, C‑425/14, EU:C:2015:721, Rn. 27 und 28).

45

Selbst wenn eine quantitative Beschränkung des Einsatzes von Unterauftragnehmern als geeignet angesehen werden könnte, dieses Phänomen zu bekämpfen, geht eine Beschränkung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende jedoch über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

46

Insoweit ist daran zu erinnern, dass die öffentlichen Auftraggeber während des gesamten Verfahrens die im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 genannten Grundsätze der Auftragsvergabe, zu denen insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Transparenz und der Verhältnismäßigkeit zählen, einhalten müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Dezember 2009, Serrantoni und Consorzio stabile edili, C‑376/08, EU:C:2009:808, Rn. 23).

47

Wie in Rn. 38 des vorliegenden Urteils ausgeführt, verbietet die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung jedoch insbesondere allgemein und abstrakt den Einsatz von Unterauftragnehmern für einen Anteil, der über einen festen Prozentsatz des Betrags des betreffenden öffentlichen Auftrags hinausgeht, so dass dieses Verbot unabhängig davon gilt, welchen Wirtschaftsbereich der Auftrag betrifft, um welche Art von Arbeiten es sich handelt und wer die Unterauftragnehmer sind. Auch lässt ein solches allgemeines Verbot keinen Raum für eine Einzelfallprüfung durch den Auftraggeber (vgl. entsprechend Urteil vom 26. September 2019, Vitali, C‑63/18, EU:C:2019:787, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48

Folglich muss im Rahmen einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden für alle Aufträge ein erheblicher Teil der betreffenden Arbeiten, Lieferungen oder Dienstleistungen vom Bieter selbst erfüllt werden, da er andernfalls automatisch vom Verfahren der Auftragsvergabe ausgeschlossen wird, und zwar auch dann, wenn der Auftraggeber in der Lage ist, die Identität der betreffenden Subunternehmer zu überprüfen und nach Prüfung der Ansicht ist, dass eine solche Beschränkung des Einsatzes von Unterauftragnehmern nicht erforderlich ist, um im Rahmen des fraglichen Auftrags gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen (vgl. entsprechend Urteil vom 26. September 2019, Vitali, C‑63/18, EU:C:2019:787, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49

Das vom italienischen Gesetzgeber verfolgte Ziel kann aber durch weniger beschränkende Maßnahmen erreicht werden, wie etwa die Verpflichtung des Bieters, im Angebotsstadium die Namen etwaiger Unterauftragnehmer anzugeben, damit der öffentliche Auftraggeber zumindest bei Aufträgen, die ein erhöhtes Risiko für die Infiltration durch die organisierte Kriminalität bergen, die vorgeschlagenen Unterauftragnehmer überprüfen kann. Im Übrigen sieht das italienische Recht, wie sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, bereits zahlreiche Maßnahmen vor, die ausdrücklich darauf abzielen, den Unternehmen, die der Zugehörigkeit zur organisierten Kriminalität verdächtigt werden oder jedenfalls Verbindungen zu den wichtigsten im Land tätigen kriminellen Organisationen aufweisen, den Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen zu verwehren.

50

Die in Rn. 38 des vorliegenden Urteils vorgenommene Auslegung wird auch nicht durch das Vorbringen der italienischen Regierung in Frage gestellt, wonach die Überprüfungen, die der öffentliche Auftraggeber nach nationalem Recht durchzuführen habe, wirkungslos seien. Ein solcher Umstand, der sich, wie aus den Erklärungen der italienischen Regierung selbst hervorzugehen scheint, aus den spezifischen Modalitäten dieser Kontrollen ergibt, ändert nämlich nichts am beschränkenden Charakter der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Maßnahme. Im Übrigen hat die italienische Regierung im Rahmen der vorliegenden Rechtssache in keiner Weise dargetan, dass Regelungen, die die in der vorhergehenden Randnummer angesprochenen Überprüfungen vorsähen, in Verbindung mit einer Anwendung der durch Art. 45 der Richtlinie 2004/18 eingeräumten Gründe für den Ausschluss von Unterauftragnehmern nicht in einer Weise umgesetzt werden können, die es ermöglichen würde, das mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung verfolgte Ziel zu erreichen.

51

Nach alledem ist auf den ersten Teil der Vorlagefrage zu antworten, dass die Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die den Teil des Auftrags, den der Bieter als Unterauftrag an Dritte vergeben darf, auf 30 % beschränkt.

Zum zweiten Teil der Frage

52

Mit dem zweiten Teil seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 49 und 56 AEUV, die Richtlinie 2004/18 sowie die Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, die die Möglichkeit, für die an Unterauftragnehmer vergebenen Leistungen Preisabschläge vorzunehmen, auf höchstens 20 % gegenüber den sich aus dem Zuschlag ergebenden Preisen beschränkt.

53

Aus den in den Rn. 29 bis 32 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen ist der zweite Teil der Vorlagefrage ebenfalls allein in Bezug auf die Richtlinie 2004/18 zu beantworten.

54

Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie 2004/18, wie sich aus Rn. 36 des vorliegenden Urteils ergibt, die Möglichkeit vorsieht, dass die Bieter für die Ausführung eines öffentlichen Auftrags auf Unterauftragnehmer zurückgreifen.

55

Im vorliegenden Fall beschränkt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung für alle Aufträge die Preise, die gezahlt werden können, wenn Unterauftragnehmer zur Erbringung von Dienstleistungen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags sind, eingesetzt werden, da Abschläge von mehr als 20 % gegenüber den sich aus der Ausschreibung ergebenden Preisen für diese Leistungen unzulässig sind (im Folgenden: 20%‑Grenze).

56

In der mündlichen Verhandlung hat die Europäische Kommission erläutert, der Standpunkt, den sie in ihren schriftlichen Erklärungen vor dem Gerichtshof vertreten habe, wonach die 20%‑Grenze als mit dem freien Dienstleistungsverkehr und der Niederlassungsfreiheit vereinbar angesehen werden könne, beruhe auf den Feststellungen des vorlegenden Gerichts, wonach diese Grenze eine Einzelfallbeurteilung der Frage erlaube, ob ihre Anwendung im Hinblick auf die Verhinderung von Sozialdumping tatsächlich notwendig sei.

57

Hierzu ist an die ständige Rechtsprechung zu erinnern, nach der der Gerichtshof im Rahmen der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Unionsgerichten und den nationalen Gerichten in Bezug auf den tatsächlichen und rechtlichen Kontext, in den sich die Vorlagefragen einfügen, von den Feststellungen in der Vorlageentscheidung auszugehen hat. Daher muss die Prüfung des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens – ohne Rücksicht auf das Verständnis des nationalen Rechts seitens der Kommission – in Ansehung der von dem vorlegenden Gericht vorgenommenen Auslegung dieses Rechts erfolgen (vgl. entsprechend Urteil vom 29. Oktober 2009, Pontin, C‑63/08, EU:C:2009:666, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58

Aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt sich aber, dass die 20%‑Grenze zwingend ist, da der Bieter sonst von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen wird. Aus diesem Ersuchen ergibt sich außerdem, dass diese Grenze generell und abstrakt gefasst ist, unabhängig davon, ob sie im Rahmen eines bestimmten Auftrags tatsächlich erforderlich ist, um für die betroffenen Arbeitnehmer der Unterauftragnehmer einen minimalen Lohnschutz zu gewährleisten. Die besagte Grenze gilt somit unabhängig davon, welcher Wirtschaftssektor oder welche Tätigkeit betroffen ist und ohne Rücksicht auf Gesetze, Vorschriften oder Kollektivvereinbarungen auf nationaler oder auf Unionsebene, die normalerweise für solche Arbeitnehmer gelten würden.

59

Daraus folgt, dass die 20%‑Grenze geeignet ist, die durch die Richtlinie 2004/18 gegebene Möglichkeit, für die Durchführung eines Auftrags auf Unterauftragnehmer zurückzugreifen, weniger attraktiv zu machen, da sie den eventuellen Wettbewerbsvorteil auf der Kostenseite beschränkt, den die Arbeitnehmer der Unterauftragnehmer für Unternehmen darstellen, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen. Ein solcher Abschreckungseffekt läuft jedoch dem in Rn. 39 des vorliegenden Urteils genannten und mit den einschlägigen Richtlinien verfolgten Ziel zuwider, den Bereich des öffentlichen Auftragswesens einem möglichst umfassenden Wettbewerb zu öffnen und insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu ermöglichen.

60

Keines der im Rahmen der vorliegenden Rechtssache geltend gemachten Ziele rechtfertigt eine Beschränkung der Unterauftragsvergabe, wie sie die 20%‑Grenze darstellt.

61

Erstens trifft es zu, dass das Ziel des Schutzes der Arbeitnehmer der Unterauftragnehmer grundsätzlich bestimmte Beschränkungen der Unterauftragsvergabe rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2014, Bundesdruckerei, C‑549/13, EU:C:2014:2235, Rn. 31).

62

Es trifft ebenfalls zu, dass Art. 26 der Richtlinie 2004/18 öffentlichen Auftraggebern ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorzuschreiben, die insbesondere soziale Aspekte betreffen können.

63

Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass die Anforderungen der in Rede stehenden nationalen Regelung bezüglich der Preise als „zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags“, insbesondere als „soziale Aspekte“, die „in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben“ sind, im Sinne von Art. 26 der Richtlinie 2004/18 eingestuft werden können, dürfen solche Anforderungen nach der letztgenannten Vorschrift gleichwohl nur gestellt werden, sofern sie mit dem Unionsrecht vereinbar sind (vgl. entsprechend Urteil vom 18. September 2014, Bundesdruckerei, C‑549/13, EU:C:2014:2235, Rn. 28).

64

Eine nationale Regelung wie die in den Rn. 55, 58 und 59 des vorliegenden Urteils beschriebene entfaltet aber keinen Arbeitnehmerschutz, der eine Beschränkung der Unterauftragsvergabe wie die 20%‑Grenze rechtfertigen könnte.

65

Eine solche Beschränkung geht nämlich über das hinaus, was erforderlich ist, um den Lohnschutz der Arbeitnehmer der Unterauftragnehmer zu gewährleisten. Wie in den Rn. 55 und 58 des vorliegenden Urteils ausgeführt, lässt die 20%‑Grenze keinen Raum für eine Einzelfallbeurteilung durch den öffentlichen Auftraggeber und gilt ohne Rücksicht auf den sozialen Schutz, der durch die für die betreffenden Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Vorschriften und Kollektivvereinbarungen gewährleistet wird.

66

Hierzu ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen, dass das italienische Recht den Unterauftragnehmer ebenso wie den Zuschlagsempfänger verpflichtet, gegenüber seinen Arbeitnehmern für die im Rahmen eines Unterauftrags erbrachten Leistungen voll und ganz die wirtschaftliche und rechtliche Behandlung einzuhalten, die in den nationalen und räumlichen Tarifverträgen festgelegt ist, die für den Sektor und in dem Gebiet gelten, in dem die Leistungen erbracht werden. Nach denselben Informationen haftet im Übrigen der Auftragnehmer als Gesamtschuldner für die Einhaltung der genannten Vorschriften durch den Unterauftragnehmer.

67

Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen geht auch hervor, dass im vorliegenden Fall die in Rede stehende Untervergabe den Einsatz von sozialen Genossenschaften beinhaltet, die nach den für solche Genossenschaften geltenden italienischen Bestimmungen eine Vorzugsbehandlung im Bereich der Besteuerung, der Beiträge, der Entlohnung und der Vorsorge genießen, und dass diese Bestimmungen gerade bezwecken, die Integration bestimmter benachteiligter Personen auf dem Arbeitsmarkt dadurch zu erleichtern, dass ihnen eine geringere Vergütung gezahlt werden kann, als sie für andere Personen geboten ist, die entsprechende Leistungen erbringen. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, hierzu die notwendigen Feststellungen zu treffen.

68

Zweitens kann eine Beschränkung der Unterauftragsvergabe wie die 20%‑Grenze auch nicht durch das Ziel der Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit des Angebots und der ordnungsgemäßen Ausführung des Auftrags gerechtfertigt werden.

69

Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass ein solches Ziel gewisse Beschränkungen des Einsatzes von Unterauftragnehmern rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2017, Borta, C‑298/15, EU:C:2017:266, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70

Selbst unter der Annahme, dass die 20%‑Grenze zur Erreichung dieses Ziels geeignet ist, ist eine solche allgemeine und abstrakte Beschränkung aber jedenfalls in Bezug auf das verfolgte Ziel unverhältnismäßig, da es andere, weniger einschränkende Maßnahmen zur Verfolgung dieses Ziels gibt. Insbesondere könnte in Betracht gezogen werden, zum einen die Bieter zu verpflichten, anzugeben, welchen Anteil am Auftrag und welche Arbeiten sie an Unterauftragnehmer vergeben möchten sowie die Namen der vorgesehenen Unterauftragnehmer anzugeben, und zum anderen dem Auftraggeber zu ermöglichen, den Austausch von Unterauftragnehmern zu untersagen, wenn er zuvor nicht Namen, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der neu vorgeschlagenen Unterauftragnehmer überprüfen konnte (vgl. entsprechend Urteil vom 5. April 2017, Borta, C‑298/15, EU:C:2017:266, Rn. 57).

71

Im vorliegenden Fall ergibt sich im Übrigen aus den dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen, dass im italienischen Recht bereits, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist, Regelungen bestehen, von denen sich einige zumindest teilweise mit der in der vorstehenden Randnummer beschriebenen decken, die es dem Auftraggeber ermöglichen sollen, die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Unterauftragnehmers zu prüfen, bevor dieser die untervergebenen Leistungen erbringt.

72

Zur Erreichung des in Rn. 68 des vorliegenden Urteils genannten Ziels könnte auch die Anwendung der Bestimmungen des Art. 55 der Richtlinie 2004/18 zur Überprüfung von im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Angeboten beitragen, die für einen bestimmten Auftrag und nach den dafür vorgesehenen Bedingungen die Ablehnung derartig eingestufter Angebote durch den öffentlichen Auftraggeber ermöglichen.

73

Drittens kann eine Vereinbarkeit der 20%‑Grenze mit dem Unionsrecht auch nicht mit dem Vorbringen der Kommission begründet werden, wonach diese Beschränkung im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer gerechtfertigt sei. Der Kommission zufolge führt die Zahlung geringerer Preise an die Unterauftragnehmer, ohne dass sich die Vergütung des im Angebot angegebenen Hauptvertragspartners ändert, zu einer erheblichen Reduzierung der Kosten für den Bieter und erhöht so den Gewinn, den er aus dem Auftrag zieht.

74

Hierzu genügt die Feststellung, dass der bloße Umstand, dass ein Bieter in der Lage ist, aufgrund der Preise, die er mit Unterauftragnehmern aushandelt, seine Kosten zu begrenzen, für sich allein nicht geeignet ist, den Grundsatz der Gleichbehandlung zu verletzen, sondern vielmehr zu einem verstärkten Wettbewerb beiträgt und damit zu dem mit den im Bereich der öffentlichen Aufträge erlassenen Richtlinien verfolgten Ziel, wie es in Rn. 39 des vorliegenden Urteils wiedergegeben ist.

75

Nach alledem ist auf den zweiten Teil der Vorlagefrage zu antworten, dass die Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die die Möglichkeit, für die an Unterauftragnehmer vergebenen Leistungen Preisabschläge vorzunehmen, auf höchstens 20 % gegenüber den sich aus dem Zuschlag ergebenden Preisen beschränkt.

Kosten

76

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass:

 

sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die den Teil des Auftrags, den der Bieter als Unterauftrag an Dritte vergeben darf, auf 30 % beschränkt;

sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die die Möglichkeit, für die an Unterauftragnehmer vergebenen Leistungen Preisabschläge vorzunehmen, auf höchstens 20 % gegenüber den sich aus dem Zuschlag ergebenden Preisen beschränkt.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.