URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
21. März 2019 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verkehr – Öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße – Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 – Art. 5 Abs. 1 und 2 – Direktvergabe – Verträge über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen – Voraussetzungen – Richtlinie 2004/17/EG – Richtlinie 2004/18/EG“
In den verbundenen Rechtssachen C‑266/17 und C‑267/17
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidungen vom 3. Mai 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Mai 2017, in den Verfahren
Rhein-Sieg-Kreis
gegen
Verkehrsbetrieb Hüttebräucker GmbH,
BVR Busverkehr Rheinland GmbH,
Beteiligte:
Regionalverkehr Köln GmbH (C‑266/17),
und
Rhenus Veniro GmbH & Co. KG
gegen
Kreis Heinsberg,
Beteiligte:
WestVerkehr GmbH (C‑267/17),
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász (Berichterstatter) und C. Vajda,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 31. Mai 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– |
des Rhein-Sieg-Kreises, vertreten durch Rechtsanwälte G. Landsberg und J. Struß, |
– |
der Rhenus Veniro GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt C. Antweiler, |
– |
der Verkehrsbetrieb Hüttebräucker GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt C. Antweiler, |
– |
der BVR Busverkehr Rheinland GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt W. Tresselt, |
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des Kreises Heinsberg, vertreten durch Rechtsanwälte S. Schaefer, M. Weber und D. Marszalek, |
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der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten, |
– |
der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls, P. Ondrůšek und J. Hottiaux als Bevollmächtigte, |
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. September 2018
folgendes
Urteil
1 |
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. 2007, L 315, S. 1). |
2 |
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten erstens zwischen dem Rhein-Sieg-Kreis (Deutschland) auf der einen Seite und der Verkehrsbetrieb Hüttebräucker GmbH und der BVR Busverkehr Rheinland GmbH auf der anderen Seite und zweitens zwischen der Rhenus Veniro GmbH & Co. KG (im Folgenden: Rhenus Veniro) und dem Kreis Heinsberg (Deutschland) über die geplante Direktvergabe öffentlicher Personenverkehrsdienste mit Bussen. |
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 1370/2007
3 |
Art. 1 („Zweck und Anwendungsbereich“) der Verordnung Nr. 1370/2007 bestimmt: „(1) Zweck dieser Verordnung ist es, festzulegen, wie die zuständigen Behörden unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs tätig werden können, um die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu gewährleisten, die unter anderem zahlreicher, sicherer, höherwertig oder preisgünstiger sind als diejenigen, die das freie Spiel des Marktes ermöglicht hätte. Hierzu wird in dieser Verordnung festgelegt, unter welchen Bedingungen die zuständigen Behörden den Betreibern eines öffentlichen Dienstes eine Ausgleichsleistung für die ihnen durch die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verursachten Kosten und/oder ausschließliche Rechte im Gegenzug für die Erfüllung solcher Verpflichtungen gewähren, wenn sie ihnen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen oder entsprechende Aufträge vergeben. (2) Diese Verordnung gilt für den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Personenverkehr mit der Eisenbahn und andere Arten des Schienenverkehrs sowie auf der Straße, mit Ausnahme von Verkehrsdiensten, die hauptsächlich aus Gründen historischen Interesses oder zu touristischen Zwecken betrieben werden. … …“ |
4 |
Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Verordnung Nr. 1370/2007 sieht vor: „Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
…
…“ |
5 |
In Art. 5 („Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge“) der Verordnung Nr. 1370/2007 heißt es: „(1) Öffentliche Dienstleistungsaufträge werden nach Maßgabe dieser Verordnung vergeben. Dienstleistungsaufträge oder öffentliche Dienstleistungsaufträge gemäß der Definition in den Richtlinien 2004/17/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie‑ und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1)] oder 2004/18/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114)] für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen werden jedoch gemäß den in jenen Richtlinien vorgesehenen Verfahren vergeben, sofern die Aufträge nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne jener Richtlinien annehmen. Werden Aufträge nach den Richtlinien [2004/17] oder [2004/18] vergeben, so sind die Absätze 2 bis 6 des vorliegenden Artikels nicht anwendbar. (2) Sofern dies nicht nach nationalem Recht untersagt ist, kann jede zuständige örtliche Behörde – unabhängig davon, ob es sich dabei um eine einzelne Behörde oder eine Gruppe von Behörden handelt, die integrierte öffentliche Personenverkehrsdienste anbietet – beschließen, selbst öffentliche Personenverkehrsdienste zu erbringen oder öffentliche Dienstleistungsaufträge direkt an eine rechtlich getrennte Einheit zu vergeben, über die die zuständige örtliche Behörde – oder im Falle einer Gruppe von Behörden wenigstens eine zuständige örtliche Behörde – eine Kontrolle ausübt, die der Kontrolle über ihre eigenen Dienststellen entspricht. Fasst eine zuständige örtliche Behörde diesen Beschluss, so gilt Folgendes:
(3) Werden die Dienste Dritter, die keine internen Betreiber sind, in Anspruch genommen, so müssen die zuständigen Behörden die öffentlichen Dienstleistungsaufträge außer in den in den Absätzen 4, 5 und 6 vorgesehenen Fällen im Wege eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens vergeben. Das für die wettbewerbliche Vergabe angewandte Verfahren muss allen Betreibern offenstehen, fair sein und den Grundsätzen der Transparenz und Nichtdiskriminierung genügen. Nach Abgabe der Angebote und einer eventuellen Vorauswahl können in diesem Verfahren unter Einhaltung dieser Grundsätze Verhandlungen geführt werden, um festzulegen, wie der Besonderheit oder Komplexität der Anforderungen am besten Rechnung zu tragen ist. …“ |
6 |
Art. 7 („Veröffentlichung“) der Verordnung Nr. 1370/2007 bestimmt in Abs. 2: „Jede zuständige Behörde ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass spätestens ein Jahr vor Einleitung des wettbewerblichen Vergabeverfahrens oder ein Jahr vor der Direktvergabe mindestens die folgenden Informationen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden:
Die zuständigen Behörden können beschließen, diese Informationen nicht zu veröffentlichen, wenn der öffentliche Dienstleistungsauftrag eine jährliche öffentliche Personenverkehrsleistung von weniger als 50000 km aufweist. …“ |
Richtlinie 2004/17
7 |
Art. 1 („Definitionen“) der Richtlinie 2004/17 bestimmt: „(1) Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten die Definitionen dieses Artikels. (2)
…
… (3) …
…“ |
8 |
Art. 5 („Verkehrsleistungen“) der Richtlinie 2004/17 sieht in Abs. 1 vor: „Unter diese Richtlinie fallen die Bereitstellung oder das Betreiben von Netzen zur Versorgung der Allgemeinheit mit Verkehrsleistungen per Schiene, automatische Systeme, Straßenbahn, Trolleybus, Bus oder Kabel. Im Verkehrsbereich gilt ein Netz als vorhanden, wenn die Verkehrsleistung gemäß den von einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats festgelegten Bedingungen erbracht wird; dazu gehören die Festlegung der Strecken, die Transportkapazitäten und die Fahrpläne.“ |
9 |
Art. 18 („Bau- oder Dienstleistungskonzessionen“) der Richtlinie 2004/17 lautet: „Diese Richtlinie gilt nicht für die Bau- oder Dienstleistungskonzessionen, die von Auftraggebern, die eine oder mehrere Tätigkeiten gemäß den Artikeln 3 bis 7 ausüben, zum Zwecke der Durchführung dieser Tätigkeiten vergeben werden.“ |
10 |
Art. 31 („Dienstleistungsaufträge gemäß Anhang XVII Teil A“) der Richtlinie 2004/17 sieht vor: „Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang XVII Teil A werden nach den Artikeln 34 bis 59 vergeben.“ |
11 |
Art. 32 („Dienstleistungsaufträge gemäß Anhang XVII Teil B“) der Richtlinie 2004/17 bestimmt: „Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang XVII Teil B unterliegen nur den Artikeln 34 und 43.“ |
12 |
Art. 34 („Technische Spezifikationen“) der Richtlinie 2004/17 legt u. a. die Modalitäten fest, nach denen die technischen Spezifikationen in der Auftragsdokumentation formuliert werden müssen. |
13 |
In Art. 43 („Bekanntmachungen über vergebene Aufträge“) der Richtlinie 2004/17 heißt es: „(1) Auftraggeber, die einen Auftrag vergeben oder eine Rahmenvereinbarung geschlossen haben, senden spätestens zwei Monate nach der Zuschlagserteilung beziehungsweise nach Abschluss der Rahmenvereinbarung gemäß den Bedingungen, die von der Kommission nach dem in Artikel 68 Absatz 2 genannten Verfahren festzulegen sind, eine Bekanntmachung über die Zuschlagserteilung gemäß Anhang XVI ab. … (4) Im Falle von Aufträgen über die in Anhang XVII Teil B genannten Dienstleistungen geben die Auftraggeber in ihrer Bekanntmachung an, ob sie mit der Veröffentlichung einverstanden sind. …“ |
14 |
Die Anhänge XVII Teil A („Dienstleistungen im Sinne von Artikel 31“) und XVII Teil B („Dienstleistungen im Sinne von Artikel 32“) der Richtlinie 2004/17 enthalten jeweils eine Tabelle, die für die Dienstleistungskategorien, die sie definiert, auf die Referenznummern der Zentralen Gütersystematik der Vereinten Nationen („CPC‑Referenznummern“) verweist. In der Kategorie 2 („Landverkehr“) von Anhang XVII Teil A lauten die CPC‑Referenznummern 712 (außer 71235), 7512 und 87304. In der Kategorie 18 („Eisenbahnen“) von Anhang XVII Teil B lautet die CPC‑Referenznummer 711. Die CPC‑Referenznummer 712 bezieht sich u. a. auf die regelmäßige und die Sonderbeförderung von Personen im Stadt- und Vorortverkehr und die regelmäßige Personenbeförderung zwischen Städten, abgesehen von der auf Schienen erfolgenden Personenbeförderung zwischen Städten und im Stadt- und Vorortverkehr, die zur CPC‑Referenznummer 711 gehört. |
Richtlinie 2004/18
15 |
Art. 1 („Definitionen“) der Richtlinie 2004/18 bestimmt: „(1) Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten die Definitionen der Absätze 2 bis 15. (2) …
… (4) ‚Dienstleistungskonzessionen‘ sind Verträge, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht. …“ |
16 |
Art. 3 („Zuerkennung besonderer oder ausschließlicher Rechte: Nichtdiskriminierungsklausel“) der Richtlinie 2004/18 lautet: „Wenn ein öffentlicher Auftraggeber einer Einrichtung, die kein öffentlicher Auftraggeber ist, besondere oder ausschließliche Rechte zur Ausführung einer Tätigkeit des öffentlichen Dienstleistungsbereichs zuerkennt, muss in dem Rechtsakt über die Zuerkennung dieses Rechts bestimmt sein, dass die betreffende Einrichtung bei der Vergabe von Lieferaufträgen an Dritte im Rahmen dieser Tätigkeit den Grundsatz der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit beachten muss.“ |
17 |
Art. 12 („Aufträge im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung und der Postdienste“) der Richtlinie 2004/18 sieht in seinem Abs. 1 vor: „Diese Richtlinie gilt weder für öffentliche Aufträge im Bereich der Richtlinie [2004/17], die von öffentlichen Auftraggebern vergeben werden, die eine oder mehrere Tätigkeiten gemäß Artikel 3 bis 7 der genannten Richtlinie ausüben, und die der Durchführung dieser Tätigkeiten dienen, noch für öffentliche Aufträge, die gemäß Artikel 5 Absatz 2, Artikel 19, Artikel 26 und Artikel 30 der genannten Richtlinie nicht in ihren Geltungsbereich fallen.“ |
18 |
Art. 17 („Dienstleistungskonzessionen“) der Richtlinie 2004/18 hat folgenden Wortlaut: „Unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 3 gilt diese Richtlinie nicht für Dienstleistungskonzessionen gemäß Artikel 1 Absatz 4.“ |
19 |
Art. 20 („Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil A“) dieser Richtlinie bestimmt: „Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil A werden nach den Artikeln 23 bis 55 vergeben.“ |
20 |
Art. 21 („Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B“) der Richtlinie 2004/18 bestimmt: „Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B unterliegen nur Artikel 23 und Artikel 35 Absatz 4.“ |
21 |
Die Anhänge II Teil A und II Teil B dieser Richtlinie enthalten eine Tabelle, die denjenigen in Anhang XVII Teil A und Anhang XVII Teil B der Richtlinie 2004/17 ähnlich ist. |
Richtlinie 2014/24/EU
22 |
Durch die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18 (ABl. 2014, L 94, S. 65) wurde gemäß ihrem Art. 91 die Richtlinie 2004/18 mit Wirkung zum 18. April 2016 aufgehoben und ersetzt. |
23 |
Art. 12 („Öffentliche Aufträge zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors“) der Richtlinie 2014/24 sieht vor: „(1) Ein von einem öffentlichen Auftraggeber an eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts vergebener öffentlicher Auftrag fällt nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, wenn alle der folgenden Bedingungen erfüllt sind:
Bei einem öffentlichen Auftraggeber wird davon ausgegangen, dass er über die betreffende juristische Person eine ähnliche Kontrolle im Sinne von Unterabsatz 1 Buchstabe a ausübt wie über seine eigenen Dienststellen, wenn er einen ausschlaggebenden Einfluss sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wesentlichen Entscheidungen der kontrollierten juristischen Person ausübt. Solche Kontrolle kann auch durch eine andere juristische Person ausgeübt werden, die vom öffentlichen Auftraggeber auf gleiche Weise kontrolliert wird. (2) Absatz 1 gilt auch, wenn eine kontrollierte Person, bei der es sich um einen öffentlichen Auftraggeber handelt, einen Auftrag an ihren kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder eine andere von demselben öffentlichen Auftraggeber kontrollierte juristische Person vergibt, sofern keine direkte private Kapitalbeteiligung an der juristischen Person besteht, die den öffentlichen Auftrag erhalten soll, mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung und Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität[,] die in Übereinstimmung mit den Verträgen durch nationale gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln. (3) Ein öffentlicher Auftraggeber, der keine Kontrolle über eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts im Sinne von Absatz 1 ausübt, kann einen öffentlichen Auftrag dennoch ohne Anwendung dieser Richtlinie an diese juristische Person vergeben, wenn alle der folgenden Bedingungen erfüllt sind:
Für die Zwecke von Unterabsatz 1 Buchstabe a üben öffentliche Auftraggeber gemeinsam die Kontrolle über eine juristische Person aus, wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:
(4) Ein ausschließlich zwischen zwei oder mehr öffentlichen Auftraggebern geschlossener Vertrag fällt nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, wenn alle nachfolgend genannten Bedingungen erfüllt sind:
(5) Zur Bestimmung des prozentualen Anteils der Tätigkeiten gemäß Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe b, Absatz 3 Unterabsatz 1 Buchstabe b und Absatz 4 Buchstabe c wird der durchschnittliche Gesamtumsatz, oder ein geeigneter alternativer tätigkeitsgestützter Wert wie z. B. Kosten, die der betreffenden juristischen Person oder dem betreffenden öffentlichen Auftraggeber während der letzten drei Jahre vor Vergabe des Auftrags in Bezug auf Dienstleistungen, Lieferungen und Bauleistungen entstanden sind, herangezogen. Liegen für die letzten drei Jahre keine Angaben über den Umsatz oder einen geeigneten alternativen tätigkeitsgestützten Wert wie z. B. Kosten vor[,] oder sind sie nicht mehr relevant, weil die betreffende juristische Person oder der betreffende öffentliche Auftraggeber gerade gegründet wurde oder erst vor kurzem ihre beziehungsweise seine Tätigkeit aufgenommen hat oder weil sie ihre beziehungsweise er seine Tätigkeiten umstrukturiert hat, genügt es, wenn sie beziehungsweise er – vor allem durch Prognosen über die Geschäftsentwicklung – den tätigkeitsgestützten Wert glaubhaft macht.“ |
Richtlinie 2014/25/EU
24 |
Durch die Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. 2014, L 94, S. 243) wurde gemäß ihrem Art. 107 die Richtlinie 2004/17 mit Wirkung zum 18. April 2016 aufgehoben und ersetzt. |
25 |
Art. 28 („Zwischen öffentlichen Auftraggebern vergebene Aufträge“) der Richtlinie 2014/25 enthält Bestimmungen, die im Wesentlichen mit denen von Art. 12 der Richtlinie 2014/24 übereinstimmen. |
Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen
Rechtssache C‑266/17
26 |
Der Rhein-Sieg-Kreis ist eine regionale Gebietskörperschaft, die die Eigenschaft als zuständige Behörde im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1370/2007 besitzt und mit anderen regionalen Gebietskörperschaften, die ebenfalls diese Eigenschaft haben, zur gemeinsamen Wahrnehmung von Aufgaben nach dem Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen den Zweckverband Verkehrsverbund Rhein-Sieg (Deutschland) gegründet hat. |
27 |
Gemäß seiner Satzung hat dieser Zweckverband u. a. die Aufgabe, die Tarife festzulegen. |
28 |
Die Regionalverkehr Köln GmbH ist ein öffentliches Verkehrsunternehmen, das unmittelbar oder mittelbar von Aufgabenträgern im Bereich des Personenverkehrs, zu denen der Rhein-Sieg-Kreis gehört, gehalten wird. |
29 |
Regionalverkehr Köln erbringt auf der Grundlage von vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1370/2007 übertragenen Aufgaben öffentliche Personenverkehrsdienste für den Rhein-Sieg-Kreis sowie für andere Körperschaften, die an ihr unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind. Neben diesen Tätigkeiten erbringt sie aufgrund von Verträgen, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung ohne Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens geschlossen wurden, Busverkehrsdienste für vier Städte, die ihr eigenes Stadtbusnetz betreiben. |
30 |
Am 21. August 2015 beschloss die Gesellschafterversammlung von Regionalverkehr Köln eine Änderung des Gesellschaftsvertrags, damit für das Zustandekommen, die Änderung oder Beendigung eines Beförderungsvertrags alleine derjenige Gesellschafter stimmberechtigt sein soll, der einen Verkehrsdienstsauftrag nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 vergibt oder dessen unmittelbarer oder mittelbarer Eigentümer einen solchen Auftrag vergibt. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass dieser Gesellschafterbeschluss nach einem rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Deutschland) schwebend unwirksam ist. |
31 |
Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich, dass der Rhein-Sieg-Kreis am 30. September 2015 gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union eine Vorabinformation über die geplante Direktvergabe eines Auftrags über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, der nicht die Form einer Dienstleistungskonzession im Sinne der Richtlinien 2004/17 und 2004/18 annehmen sollte, veröffentlichte. |
32 |
Dieser Auftrag, der die jährliche Durchführung von mehreren Millionen Kilometern betraf, sollte gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 an Regionalverkehr Köln als internen Betreiber für eine Dauer von 120 Monaten ab dem 12. Dezember 2016 vergeben werden. |
33 |
Nach der Veröffentlichung dieser Bekanntmachung fochten Verkehrsbetrieb Hüttebräucker und BVR Busverkehr Rheinland die beabsichtigte Direktvergabe vor der Vergabekammer (Deutschland) an und machten dabei u. a. geltend, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag nicht in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 falle, da er nicht die Form einer Dienstleistungskonzession annehmen solle. |
34 |
Die Vergabekammer untersagte die Direktvergabe des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags an Regionalverkehr Köln mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 nicht erfüllt seien. Dazu stellte sie fest, dass es an der notwendigen Kontrolle des Rhein-Sieg-Kreises über diese Gesellschaft fehle und dass diese außerdem Personenverkehrsdienste in anderen Gebieten als dem dieser regionalen Gebietskörperschaft erbringe, was jeder Direktvergabe des Beförderungsvertrags entgegenstehe. |
35 |
Der Rhein-Sieg-Kreis legte dagegen beim Oberlandesgericht Düsseldorf sofortige Beschwerde ein. |
36 |
Das Oberlandesgericht Düsseldorf führt aus, dass die Rechtsprechung zu Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007, was Verkehrsdienstleistungsaufträge betreffe, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen annähmen, auf nationaler Ebene uneinheitlich sei. |
37 |
Nach Ansicht mancher Gerichte seien die entsprechenden Bestimmungen nämlich nicht auf Verträge über Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen annähmen, anwendbar, da Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 ausdrücklich vorsehe, dass diese Verträge weiterhin den Richtlinien 2004/17 und 2004/18 unterlägen, was es jedoch nicht ausschließe, dass sie gemäß der auf der Grundlage dieser Richtlinien festgelegten allgemeinen Regelung Gegenstand von Direktvergaben seien. |
38 |
Andere Gerichte, darunter das Oberlandesgericht Düsseldorf selbst, sind hingegen der Ansicht, dass, da Direktvergaben von Verträgen nicht den Bestimmungen der Richtlinien 2004/17 und 2004/18 unterlägen, Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007, der die Direktvergabe von Verträgen über Personenverkehrsdienste regele, als Spezialvorschrift und gemäß dem Urteil vom 27. Oktober 2016, Hörmann Reisen (C‑292/15, EU:C:2016:817), auf die Direktvergabe von Verträgen über Personenverkehrsdienste mit Bussen anzuwenden sei, auch wenn diese Verträge nicht die Form von öffentlichen Dienstleistungskonzessionen annähmen. |
39 |
Angesichts dieser divergierenden Auslegung fragt sich das Oberlandesgericht Düsseldorf, ob Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens grundsätzlich anwendbar ist. |
40 |
Sollte diese Frage bejaht werden, fragt sich dieses Gericht außerdem, ob diese Bestimmung im Ausgangsverfahren unter Berücksichtigung der in der Vorlageentscheidung angeführten konkreten und speziellen Umstände tatsächlich anwendbar ist, und es fragt nach dem Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung erfüllt sein müssen. |
41 |
Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
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Rechtssache C‑267/17
42 |
Der Kreis Heinsberg ist eine regionale Gebietskörperschaft, die die Eigenschaft als zuständige Behörde im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1370/2007 besitzt und zusammen mit anderen Gebietskörperschaften Mitglied des Zweckverbands Aachener Verkehrsverbund (Deutschland) ist, der zur Förderung und Unterstützung des öffentlichen Personennahverkehrs seiner Mitglieder gebildet worden ist. |
43 |
Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass der Kreis Heinsberg am 15. März 2016 gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union eine Vorabinformation über die beabsichtigte Direktvergabe eines Auftrags über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und sonstigen Kraftfahrzeugen veröffentlichte. |
44 |
Nach der Vorabinformation war vorgesehen, dass dieser Vertrag, der mehrere Millionen Kilometer betraf und dessen Durchführung am 1. Januar 2018 beginnen sollte, gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 direkt an einen internen Betreiber, und zwar die WestVerkehr GmbH, vergeben werden sollte. |
45 |
Rhenus Veniro stellte gegen die beabsichtigte Direktvergabe einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Rheinland (Deutschland), den diese ablehnte. |
46 |
Rhenus Veniro legte sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein und machte geltend, dass Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 im Bereich von Personenverkehrsdiensten mit Bussen und Straßenbahnen nur dann anwendbar sei, wenn die betreffenden Verträge die Form von Dienstleistungskonzessionen annähmen. |
47 |
Aus denselben Gründen wie in der Rechtssache C‑266/17 fragt sich dieses Gericht, ob Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 auf einen Fall wie den in der Rechtssache C‑267/17 grundsätzlich anwendbar ist. |
48 |
Sollte diese Frage bejaht werden, fragt sich dieses Gericht außerdem, ob diese Bestimmung im Ausgangsverfahren unter Berücksichtigung der in der Vorlageentscheidung angeführten konkreten und speziellen Umstände tatsächlich anwendbar ist, und es fragt nach dem Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung erfüllt sein müssen. |
49 |
Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
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50 |
Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 6. März 2018 sind die Rechtssachen C‑266/17 und C‑267/17 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden. |
Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens
51 |
Mit Schriftsätzen, die am 20. September 2018 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen sind, haben Verkehrsbetrieb Hüttebräucker und BVR Busverkehr Rheinland in der Rechtssache C‑266/17 und Rhenus Veniro in der Rechtssache C‑267/17 die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs beantragt. |
52 |
Zur Stützung ihrer Anträge machen Verkehrsbetrieb Hüttebräucker und Rhenus Veniro geltend, dass die vom Generalanwalt in seinen Schlussanträgen zugrunde gelegte Auslegung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 den Argumenten, die u. a. in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden seien und die gegen diese Auslegung sprächen, nicht ausreichend Rechnung trage. Zudem seien einige der Argumente, die in ihren schriftlichen Erklärungen vorgebracht worden seien, u. a. zur Bedeutung von Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung für die Auslegung ihres Art. 5 Abs. 2, in der mündlichen Verhandlung nicht erörtert worden. |
53 |
BVR Busverkehr Rheinland macht geltend, dass der Generalanwalt zu Unrecht die Auffassung vertreten habe, dass die dritte von dem vorlegenden Gericht in der Rechtssache C‑266/17 gestellte Frage hypothetisch sein könne, obwohl die am 21. August 2015 erfolgte Änderung des Gesellschaftsvertrags von Regionalverkehr Köln mittlerweile wirksam sei. |
54 |
In diesem Zusammenhang ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und die Verfahrensordnung des Gerichtshofs keine Möglichkeit für die in Art. 23 der Satzung bezeichneten Beteiligten vorsehen, eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts einzureichen (Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
55 |
Zum anderen stellt der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Der Gerichtshof ist weder an diese Schlussanträge noch an ihre Begründung durch den Generalanwalt gebunden. Dass eine Partei nicht mit den Schlussanträgen des Generalanwalts einverstanden ist, kann folglich unabhängig von den darin untersuchten Fragen für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
56 |
Der Gerichtshof kann jedoch gemäß Art. 83 seiner Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder wenn ein zwischen den Beteiligten nicht erörtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist (Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
57 |
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass Verkehrsbetrieb Hüttebräucker, BVR Busverkehr Rheinland und Rhenus Veniro die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens deshalb beantragen, weil sie, gestützt auf Argumente, die bereits in ihren schriftlichen Erklärungen oder in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden sind, den Schlussanträgen des Generalanwalts widersprechen. |
58 |
Da der Gerichtshof somit über alle für die Entscheidung über die Vorabentscheidungsersuchen erforderlichen Informationen verfügt, sind die Anträge auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens, nachdem der Generalanwalt angehört wurde, zurückzuweisen. |
Zur Zulässigkeit
59 |
In der Rechtssache C‑266/17 macht die Republik Österreich geltend, dass das Vorabentscheidungsersuchen unzulässig sei, da das vorlegende Gericht in der Vorlageentscheidung nicht das Transportmittel bezeichnet habe, auf das sich der im Ausgangsverfahren in Rede stehende öffentliche Auftrag beziehe, und somit unklar sei, ob die betreffende Beförderung ein Beförderungsdienst mit der Eisenbahn oder mit Bussen sei oder ob es sich um eine Kombination aus diesen beiden Transportmitteln handele. |
60 |
In der Rechtssache C‑267/17 ist die Republik Österreich der Auffassung, dass das Vorabentscheidungsersuchen zum Teil unzulässig sei, da der im Ausgangsverfahren in Rede stehende öffentliche Auftrag nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts nicht nur Busse, sondern auch andere Kraftfahrzeuge betreffe. Rhenus Veniro macht ebenfalls geltend, die erste Frage in dieser Rechtssache sei unzulässig, und zwar deshalb, weil sie hypothetisch sei. |
61 |
Im vorliegenden Fall trifft es in der Rechtssache C‑266/17 zu, dass in der Vorlageentscheidung nicht ausdrücklich spezifiziert wird, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag einen Vertrag über Verkehrsdienste mit Bussen betrifft. |
62 |
Aus den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Akten, u. a. der in der Vorlageentscheidung genannten Vorabinformation vom 30. September 2015, geht jedoch hervor, dass die Rechtssache C‑266/17 einen Auftrag über Personenverkehrsdienste mit Bussen betrifft. |
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Was die Rechtssache C‑267/17 anbelangt, betrifft der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag zwar tatsächlich Personenverkehrsdienste mit Bussen „und sonstigen Kraftfahrzeugen“, das Vorabentscheidungsersuchen ist jedoch weiterhin von Belang, was die Personenbeförderung mit Bussen betrifft, so dass die Antwort des Gerichtshofs von dieser Prämisse ausgehend gegeben werden wird. |
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Entgegen dem Vorbringen von Rhenus Veniro wird in der Vorlageentscheidung zudem die Relevanz der ersten in dieser Rechtssache gestellten Frage deutlich gemacht, da das vorlegende Gericht erläutert, dass es mit der Beanstandung der Direktvergabe eines Auftrags über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen befasst sei und sich die Frage stelle, welche rechtliche Regelung auf eine solche Direktvergabe anwendbar sei. |
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Daraus folgt, dass die beiden Vorabentscheidungsersuchen zulässig sind. |
Zu den Vorlagefragen
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Mit seiner ersten Frage in der Rechtssache C‑266/17 und seiner ersten Frage in der Rechtssache C‑267/17 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 auf die Direktvergabe von Verträgen über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne der Richtlinien 2004/17 und 2004/18 annehmen, anwendbar ist. |
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Hierzu ist festzustellen, dass Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 in seinem Satz 1 zwar vorsieht, dass „[ö]ffentliche Dienstleistungsaufträge … nach Maßgabe dieser Verordnung vergeben [werden]“. In Satz 2 wird allerdings hinzugefügt, dass „Dienstleistungsaufträge oder öffentliche Dienstleistungsaufträge gemäß der Definition in den Richtlinien [2004/17] oder [2004/18] für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen … jedoch gemäß den in jenen Richtlinien vorgesehenen Verfahren vergeben [werden], sofern die Aufträge nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne jener Richtlinien annehmen“, und in Satz 3 wird klargestellt, dass, „[wenn] Aufträge nach den Richtlinien [2004/17] oder [2004/18] vergeben [werden], … die Absätze 2 bis 6 des vorliegenden Artikels nicht anwendbar [sind]“. |
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In den beiden Ausgangsverfahren scheint das vorlegende Gericht in Betracht zu ziehen, dass die Direktvergabe der Verträge über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, falls diese Verträge nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen annehmen, nicht durch die in den Richtlinien 2004/17 und 2004/18 vorgesehenen Verfahrensregeln über die Vergabe öffentlicher Aufträge geregelt wird, sondern durch die in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 niedergelegten, da diese Bestimmungen somit als lex specialis an die Stelle der allgemeinen Vorschriften über Direktvergaben treten. |
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Es ist jedoch zu bemerken, dass die allgemeine Struktur und die Entstehungsgeschichte der Unionsvorschriften im Bereich öffentlicher Aufträge nicht zu einer solchen Auslegung führen können. |
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Hierzu ist festzustellen, dass Verträge über Verkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen – wie die Kommission in ihren Erklärungen hervorgehoben hat – gemäß den Art. 5 und 31 der Richtlinie 2004/17 in Verbindung mit deren Anhang XVII Teil A Kategorie 2 sowie den Art. 12 und 20 der Richtlinie 2004/18 in Verbindung mit ihrem Anhang II Teil A Kategorie 2 den gesamten in diesen Richtlinien vorgesehenen Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegen. Hingegen unterliegen Verkehrsdienste mit Eisenbahnen und U-Bahnen gemäß den Art. 5 und 32 der Richtlinie 2004/17 in Verbindung mit deren Anhang XVII Teil B Kategorie 18 und Art. 21 der Richtlinie 2004/18 in Verbindung mit ihrem Anhang II Teil B Kategorie 18 nur einer sehr begrenzten Zahl von Vorschriften dieser Richtlinien, nämlich u. a. den Art. 34 und 43 der Richtlinie 2004/17 und den Art. 23 und 35 der Richtlinie 2004/18. Was Verkehrsdienstleistungskonzessionen betrifft, so unterliegen diese gemäß Art. 18 der Richtlinie 2004/17 keiner Bestimmung dieser Richtlinie und gemäß Art. 17 der Richtlinie 2004/18 nur Art. 3 der letzteren Richtlinie. |
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Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 unterwirft jedoch Konzessionen und Verträge über Personenverkehrsdienste mit Eisenbahnen und U-Bahnen der in seinen Abs. 2 bis 6 festgelegten Regelung, wohingegen er für Verträge über Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen auf die Richtlinien 2004/17 und 2004/18 verweist. |
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Folglich hat der Unionsgesetzgeber – in Ermangelung von Vorschriften in diesen Richtlinien, die speziell die Vergabe öffentlicher Aufträge über Personenverkehrsdienste mit Eisenbahnen und U-Bahnen und die Vergabe von Verträgen regeln, die die Form von Dienstleistungskonzessionen annehmen – im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 bis 6 der Verordnung Nr. 1370/2007 ein spezifisches Regelwerk mit Vergabevorschriften geschaffen, die auf diese Aufträge und Konzessionen anwendbar sind, auch was die Direktvergabe solcher Verträge anbelangt. |
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Da die Verträge über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen, die keine Konzessionen betreffen, bereits vor dem Erlass der Verordnung Nr. 1370/2007 den Richtlinien 2004/17 und 2004/18 unterlagen, wie aus Rn. 70 des vorliegenden Urteils hervorgeht, bestand keine Notwendigkeit einer neuen Regelung für die Vergabe solcher Verträge, die folglich normalerweise, je nach Lage des Falles, weiterhin der Anwendung der Richtlinie 2004/17 oder der Richtlinie 2004/18 unterliegen. |
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Hierzu ist festzustellen, dass sich die Rechtsprechung über Direktvergaben öffentlicher Aufträge auf der Grundlage und unter Berücksichtigung dieser Richtlinien entwickelt hat, was bedeutet, dass die Regelung über Direktvergaben ihren Ursprung und ihre Daseinsberechtigung in diesen Richtlinien hat. |
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Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt die Regelung über Direktvergaben, die auf die Situationen anwendbar ist, die in den Anwendungsbereich der Richtlinien 2004/17 und 2004/18 fallen, eine Ausnahme von der Anwendung der in diesen Richtlinien vorgesehenen Verfahren dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2014, Datenlotsen Informationssysteme, C‑15/13, EU:C:2014:303, Rn. 25) und ist daher eng mit diesen beiden Rechtsakten und ihrer rechtlichen Regelung verknüpft. |
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Im Urteil vom 18. November 1999, Teckal (C‑107/98, EU:C:1999:562, Rn. 50), in dem erstmals anerkannt wurde, dass es die Spezifität der Direktvergaben rechtfertigt, die Regeln über die Vergabe öffentlicher Aufträge nicht anzuwenden, hat der Gerichtshof nämlich entschieden, dass es für die Anwendung dieser Regeln nach Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. 1993, L 199, S. 1) zwar grundsätzlich genügt, dass der Vertrag zwischen einer Gebietskörperschaft und einer rechtlich von dieser verschiedenen Person geschlossen wurde, etwas anderes jedoch dann gelten kann, wenn die Behörde, die ein öffentlicher Auftraggeber ist, über die fragliche getrennte Einheit eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Einheit zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Behörde oder die Behörden verrichtet, die ihre Anteile innehaben. Im Anschluss an dieses Urteil hat der Gerichtshof die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Regelung u. a. in den Urteilen vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau (C‑26/03, EU:C:2005:5), und vom 11. Mai 2006, Carbotermo und Consorzio Alisei (C‑340/04, EU:C:2006:308), und dann, im Kontext der Richtlinien 2004/17 und 2004/18, in den Urteilen vom 10. September 2009, Sea (C‑573/07, EU:C:2009:532), und vom 8. Mai 2014, Datenlotsen Informationssysteme (C‑15/13, EU:C:2014:303), präzisiert. |
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Im Übrigen haben die Richtlinien 2014/24 und 2014/25, mit denen die Richtlinie 2004/18 bzw. die Richtlinie 2004/17 aufgehoben und ersetzt wurden, die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich von Direktvergaben kodifiziert und präzisiert, und zwar in Art. 12 der Richtlinie 2014/24 und in Art. 28 der Richtlinie 2014/25. |
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Diese Kodifizierung der allgemeinen Regelung über Direktvergaben verdeutlicht, auch wenn sie zeitlich nicht auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbar ist, dass der Unionsgesetzgeber beabsichtigt hat, dass mit dieser Regelung an die Richtlinien 2014/24 und 2014/25 angeknüpft wird. |
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Diese Eingliederung der Regelung über Direktvergaben in den Anwendungsbereich der Richtlinien im Bereich öffentlicher Aufträge bedeutet, dass in der Praxis jeder Rückgriff auf diese Art der Vergabe die Anwendung dieser Richtlinien voraussetzt. |
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Daraus folgt, dass Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 auf die Direktvergabe von Verträgen über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen annehmen, nicht anwendbar ist. |
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Nach alledem ist auf die erste Frage in der Rechtssache C‑266/17 und auf die erste Frage in der Rechtssache C‑267/17 zu antworten, dass Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 auf die Direktvergabe von Verträgen über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne der Richtlinien 2004/17 und 2004/18 annehmen, nicht anwendbar ist. |
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Da die erste Frage in der Rechtssache C‑266/17 und die erste Frage in der Rechtssache C‑267/17 verneint werden, sind die anderen Vorlagefragen nicht zu beantworten. |
Kosten
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Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt: |
Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße ist auf die Direktvergabe von Verträgen über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge annehmen, nicht anwendbar. |
von Danwitz Jürimäe Lycourgos Juhász Vajda Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. März 2019. Der Kanzler A. Calot Escobar Der Präsident K. Lenaerts |
( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.