SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 5. Juni 2018 ( 1 )

Rechtssache C‑167/17

Volkmar Klohn

gegen

An Bord Pleanála,

Beteiligte:

Sligo County Council,

Maloney and Matthews Animal Collections Ltd

(Vorabentscheidungsersuchen des Supreme Court [Oberstes Gericht, Irland])

„Vorabentscheidungsersuchen – Umwelt – Umweltverträglichkeitsprüfung – Zugang zu einem Überprüfungsverfahren – Erfordernis, dass das Überprüfungsverfahren nicht übermäßig teuer sein darf – Begriff ‚nicht übermäßig teuer‘ – Allgemeiner Rechtsgrundsatz – Zeitliche Geltung – Unmittelbare Wirkung – Rechtskraft – Folgen für eine in Rechtskraft erwachsene Kostenentscheidung“

I. Einleitung

1.

Herr Volkmar Klohn beantragte am 24. Juni 2004 die Zulassung einer Rechtsbeschwerde vor den irischen Gerichten gegen eine Entscheidung des An Bord Pleanála (Planning Appeals Board, Irland, im Folgenden: Board), mit der eine Projektgenehmigung für die Errichtung einer Anlage zur Untersuchung gefallener Tiere (Tierkörper-Untersuchungseinrichtung) in der Nähe seines landwirtschaftlichen Betriebs erteilt worden war. Die Rechtsbeschwerde wurde am 31. Juli 2007 zugelassen. Seine Klage wurde jedoch nachfolgend im April 2008 in der Sache abgewiesen, und im Mai 2008 wurde eine Kostenentscheidung gegen ihn erlassen. Im Juni 2010 wurden diese Kosten durch eine Entscheidung des Taxing Master (im Folgenden: Kostenfestsetzungsbeamter) auf etwa 86000 Euro festgesetzt.

2.

Die Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten wurde von Herrn Klohn mit der Begründung angefochten, dass sie gegen das in der Richtlinie 2003/35/EG ( 2 ) enthaltene Erfordernis verstoße, dass Überprüfungsverfahren „nicht übermäßig teuer“ sein dürften (im Folgenden: Kostenregel). Die Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten wurde vom High Court (Hohes Gericht, Irland) bestätigt. Herr Klohn legte Rechtsmittel beim Supreme Court (Oberstes Gericht, Irland) ein, der in der vorliegenden Rechtssache das vorlegende Gericht ist.

3.

In diesem Kontext möchte das vorlegende Gericht wissen, ob a) die Kostenregel zeitlich anwendbar ist, b) die Kostenregel unmittelbare Wirkung hat oder für sie eine Verpflichtung zur konformen Auslegung besteht und c) der Kostenfestsetzungsbeamte und/oder das seine Entscheidung überprüfende nationale Gericht zur Anwendung der Kostenregel verpflichtet ist, obwohl die Kostenentscheidung in Rechtskraft erwachsen ist.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Internationales Recht

1. Übereinkommen von Aarhus

4.

Art. 9 („Zugang zu Gerichten“) des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Aarhus-Übereinkommen) bestimmt:

„(1)   Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass jede Person, die der Ansicht ist, dass ihr nach Artikel 4 gestellter Antrag auf Informationen nicht beachtet, fälschlicherweise ganz oder teilweise abgelehnt, unzulänglich beantwortet oder auf andere Weise nicht in Übereinstimmung mit dem genannten Artikel bearbeitet worden ist, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle hat.

(4)   Zusätzlich und unbeschadet des Absatzes 1 stellen die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Verfahren angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicher; diese Verfahren sind fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer. Entscheidungen nach diesem Artikel werden in Schriftform getroffen oder festgehalten. Gerichtsentscheidungen und möglichst auch Entscheidungen anderer Stellen sind öffentlich zugänglich.

…“

B.   Unionsrecht

1. Richtlinien 85/337 und 2003/35

5.

Nach der Richtlinie 85/337/EWG ( 3 ) über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Richtlinie) müssen öffentliche und private Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Die UVP-Richtlinie regelt auch die Anforderungen an die Beteiligung und Konsultation der Öffentlichkeit im Entscheidungsprozess zur Genehmigung solcher Projekte.

6.

Nach Unterzeichnung des Aarhus-Übereinkommens durch die Europäische Union (damals die Europäische Gemeinschaft) wurde die UVP-Richtlinie durch die Richtlinie 2003/35 geändert, die Art. 10a in die UVP-Richtlinie einfügte. Er lautet:

„Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit … Zugang zu einem Überprüfungsverfahren … haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. …

Die betreffenden Verfahren werden fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt.

Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Öffentlichkeit praktische Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zugänglich gemacht werden.“

7.

Art. 6 („Umsetzung“) Abs. 1 der Richtlinie 2003/35 legt das Ende der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie auf den 25. Juni 2005 fest.

C.   Irisches Recht

8.

Nach Order 99 Rule 1 der Rules of the Superior Courts (Verfahrensordnung der Obergerichte) hängt die Kostentragung vom Ausgang des Verfahrens ab. Ein unterliegender Kläger trägt die Kosten der anderen Partei neben seinen eigenen Kosten. Dies ist die grundsätzliche Regel; das Gericht kann jedoch im Ermessenswege davon abweichen, wenn dies durch die besonderen Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt ist.

9.

Mit Urteil vom 16. Juli 2009, Kommission/Irland ( 4 ), hat der Gerichtshof entschieden, dass Irland die Regelung nach Art. 10a der UVP-Richtlinie, wonach Verfahren nicht übermäßig teuer sein dürfen, nicht in nationales Recht umgesetzt hatte. Im Anschluss an diese Entscheidung hat Irland Section 50B in seinen Planning and Development Act 2000 (in geänderter Fassung) aufgenommen, wonach im Anwendungsbereich dieser Vorschriften jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, die Gerichte jedoch in Fragen von außergewöhnlicher Bedeutung von den Regelungen abweichen können.

III. Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

10.

Der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache geht auf das Jahr 2004 und auf die Erteilung einer Projektgenehmigung für die Errichtung einer Anlage zur Untersuchung gefallener Tiere (Tierkörper-Untersuchungseinrichtung) in Achonry, County Sligo, Irland, für Kühe aus ganz Irland, die Teil der Reaktion auf die spongiforme Rinderenzephalopathieseuche war, zurück. Herr Klohn, der Kläger des Ausgangsverfahrens, ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs in der Nähe des vorgesehenen Standorts der Einrichtung.

11.

Mit Antrag vom 24. Juni 2004 beantragte Herr Klohn die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gegen die Erteilung der Projektgenehmigung durch das Board. Dem Vorbringen des Klägers zufolge wurde die Beschwerde nach meinem Verständnis darauf gestützt, dass eine Öffentlichkeitsbeteiligung am Entscheidungsverfahren nicht zugelassen wurde und die Umweltverträglichkeitsprüfung erst nach der tatsächlichen Errichtung der Einrichtung abgeschlossen worden wäre.

12.

Dem Antrag von Herrn Klohn auf Zulassung einer Rechtsbeschwerde wurde am 31. Juli 2007 stattgegeben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof wurde bestätigt, dass die dreijährige Verzögerung bei der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung einer Rechtsbeschwerde nicht auf das Handeln oder Unterlassen eines der Beteiligten, sondern offenbar auf die Arbeitsbelastung des mit dem Antrag befassten nationalen Gerichts zurückzuführen sei.

13.

Mit Urteil vom 23. April 2008 wies der High Court (Hohes Gericht) die Klage von Herrn Klohn in der Sache ab.

14.

Der High Court (Hohes Gericht) erließ am 6. Mai 2008 eine Kostenentscheidung nach der Grundsatzregel, wonach „die Kostentragung vom Ausgang des Verfahrens abhängt“. Dieser Regelung entsprechend hatten die Beklagte und die Beigeladene des Ausgangsverfahrens (das mit der Errichtung der Einrichtung beauftragte Unternehmen) einen Kostenerstattungsanspruch gegen Herrn Klohn als unterlegene Partei des Rechtsstreits.

15.

Die Kostenentscheidung bezog sich nur auf die Kosten der Rechtsbeschwerde als solcher und nicht auf die Kosten des Antrags, diese zuzulassen. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass dem Antrag von Herrn Klohn auf Zulassung einer Rechtsbeschwerde am 31. Juli 2007 stattgegeben worden sei und die Kosten daher nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2003/35 entstanden seien, durch die Art. 10a (die Kostenregel) in die UVP-Richtlinie aufgenommen worden sei.

16.

Die Kostenentscheidung selbst enthielt offenbar keine Angaben zur Höhe der Kosten, die gegen Herrn Klohn festgesetzt werden konnten. Herr Klohn gibt an, dass ihm seinerseits durch den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und die Rechtsbeschwerde als solche Kosten von etwa 32000 Euro entstanden seien.

17.

Nachdem die Kostenentscheidung ergangen war, war der Kostenfestsetzungsbeamte des High Court (Hohes Gericht) mit der Festsetzung der Höhe der vernünftigerweise entstandenen Kosten befasst. Im Verfahren vor dem Kostenfestsetzungsbeamten machte Herr Klohn geltend, dass die Höhe der festzusetzenden Kosten nach Art. 3 Abs. 8 und Art. 9 Abs. 4 des Aarhus-Übereinkommens sowie nach Art. 10a der UVP-Richtlinie nicht „übermäßig teuer“ sein dürfte.

18.

Die Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten über die Kosten erging im Juni 2010. Das Board hatte ursprünglich beantragt, etwa 98000 Euro festzusetzen. Der Kostenfestsetzungsbeamte setzte die dem Board zu erstattenden Kosten auf etwa 86000 Euro fest.

19.

Herr Klohn beantragte sodann beim High Court (Hohes Gericht) eine Überprüfung der Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten. Das Gericht bestätigte den Beschluss des Kostenfestsetzungsbeamten. Gegen das Urteil des High Court (Hohes Gericht) legte Herr Klohn sodann Rechtsmittel beim Supreme Court (Oberstes Gericht) ein.

20.

Zur besseren Übersicht lässt sich der zeitliche Ablauf der wesentlichen Ereignisse in der vorliegenden Rechtssache somit wie folgt zusammenfassen:

25. Juni 2003: Veröffentlichung und Inkrafttreten der Richtlinie 2003/35 ( 5 );

30. April 2004: Entscheidung des Board;

24. Juni 2004: Beginn des Verfahrens (Antrag auf Zulassung einer Rechtsbeschwerde gegen die Erteilung der Projektgenehmigung);

25. Juni 2005: Ablauf der Umsetzungsfrist;

31. Juli 2007: Zulassung der Rechtsbeschwerde;

23. April 2008: Urteil in der Sache;

6. Mai 2008: Kostenentscheidung gegen Herrn Klohn;

24. Juni 2010: Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten über die Höhe der Kosten;

11. Mai 2011: Zurückweisung des Rechtsmittels gegen die Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten.

21.

Da er Zweifel hinsichtlich der richtigen Auslegung des Unionsrechts hat, hat der Supreme Court (Oberstes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden drei Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist die Regelung des Art. 10a der Richtlinie 85/337, wonach Verfahren „nicht übermäßig teuer“ sein dürfen, möglicherweise in irgendeiner Weise in einem Fall wie dem vorliegenden anwendbar, in dem die in dem Verfahren angefochtene Projektgenehmigung vor dem spätesten Zeitpunkt für die Umsetzung dieser Richtlinie erteilt wurde und auch das Verfahren zur Anfechtung dieser Projektgenehmigung bereits vor diesem Zeitpunkt eingeleitet wurde? Wenn ja, gilt dann diese Regelung für sämtliche in dem Verfahren entstandenen Kosten oder nur für die Kosten, die nach dem spätesten Umsetzungsdatum entstanden sind?

2.

Hat ein nationales Gericht, das bei seiner Entscheidung über die Kosten zulasten der unterliegenden Partei über ein Ermessen verfügt, bei Fehlen einer vom fraglichen Mitgliedstaat erlassenen speziellen Vorschrift zur Umsetzung von Art. 10a der Richtlinie 85/337 im Rahmen seiner Kostenentscheidung in einem unter diese Bestimmung fallenden Verfahren sicherzustellen, dass die Kostenentscheidung das Verfahren „nicht übermäßig teuer“ werden lässt, weil entweder die einschlägigen Bestimmungen unmittelbare Wirkung haben oder weil das Gericht des fraglichen Mitgliedstaats sein nationales Verfahrensrecht so auszulegen hat, dass es so weit wie möglich mit den Zielen des Art. 10a in Einklang steht?

3.

Wenn eine Kostenentscheidung keine Einschränkungen enthält und nach nationalem Recht, da gegen sie kein Rechtsmittel eingelegt wurde, als endgültig betrachtet würde, erfordert dann das Unionsrecht, dass entweder

a)

ein Kostenfestsetzungsbeamter, der nach dem nationalen Recht den Kostenbetrag zu ermitteln hat, den die obsiegende Partei vernünftigerweise aufgewandt hat, oder

b)

ein Gericht, bei dem die Überprüfung einer Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten beantragt wurde,

gleichwohl verpflichtet sind, von den sonst geltenden Vorschriften des nationalen Rechts abzuweichen und den zu erstattenden Kostenbetrag so festzusetzen, dass sichergestellt wird, dass die festgesetzten Kosten das Verfahren nicht übermäßig teuer werden lassen?

22.

Schriftliche Erklärungen sind von Herrn Klohn, dem Board, Irland und von der Europäischen Kommission eingereicht worden. Diese Beteiligten haben in der Sitzung vom 22. Februar 2018 auch mündliche Erklärungen abgegeben.

IV. Würdigung

A.   Einleitung

23.

Das Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Board begann im Juni 2004, ein Jahr vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2003/35 im Juni 2005. Die Rechtsbeschwerde wurde jedoch erst einige Jahre später im Juli 2007 zugelassen. Das Urteil in der Sache erging im April 2008. In dieser gesamten Zeit war die Kostenregel nicht in nationales Recht umgesetzt. Das nationale gerichtliche Verfahren fand jedoch zu einem erheblichen Teil nach Ablauf der Umsetzungsfrist statt.

24.

Auf den ersten Blick könnte die vorliegende Rechtssache somit als „unionsrechtlicher Klassiker“ einer verspäteten Umsetzung einer Richtlinie erscheinen. Der genaue Charakter der fraglichen Regelung und der zeitliche Ablauf des Ausgangsverfahrens machen die Fragestellung jedoch etwas komplexer und haben das vorlegende Gericht bewogen, danach zu fragen, a) ob die Kostenregel dahin zu verstehen sei, dass ihr unmittelbare Wirkung zukomme oder sie konform auszulegen sei (Frage 2), b) welche zeitliche Geltung sie habe (Frage 1) und c) vom wem und wie sie angewandt werden sollte (Frage 3)?

25.

Meines Erachtens hat die Kostenregel, oder genauer Art. 10a Unterabs. 5 der UVP-Richtlinie, der diese Regelung enthält, unmittelbare Wirkung (Abschnitt B) und kann für Kosten geltend gemacht werden, die ab Beginn des ersten gesonderten Verfahrensabschnitts nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2003/35 entstanden sind (Abschnitt C). Wie und von wem sie genau im konkreten nationalen Verfahren anzuwenden ist, ist, wenngleich mit Einschränkungen, eine Frage des nationalen Rechts (Abschnitt D).

B.   Zweite Frage: konforme Auslegung und unmittelbare Wirkung der Kostenregel

26.

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Kostenregel entweder unmittelbare Wirkung hat oder ob für sie eine Verpflichtung zur „konformen Auslegung“ besteht.

27.

Der Vollständigkeit halber ist anzuerkennen, dass die Kommission ebenfalls die Ansicht vertreten hat, dass die Kostenregel die konkrete Ausformung eines allgemeinen Grundsatzes des Unionsrechts sein könne. In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy (NEPPC) bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Kostenregel in der Tat eine konkrete Ausformung eines allgemeineren Grundsatzes in einer Richtlinie sei ( 6 ). In seinem kürzlich ergangenen Urteil NEPPC ist auch der Gerichtshof davon ausgegangen, dass nach den Grundsätzen der Effektivität und des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ein allgemeines Erfordernis gelte, dass Verfahren nicht übermäßig teuer sein dürfen ( 7 ).

28.

Diese Feststellungen sind jedoch richtigerweise dahin zu verstehen, dass die Kostenregel in ihrem breiteren Gesetzes- und Verfassungskontext auszulegen ist, und nicht dahin, dass sie einen allgemeinen eigenständigen Grundsatz des (Umwelt‑)Rechts der Union aufstellt, der unabhängig von seinem gesetzlichen Kontext anzuwenden wäre. Soweit ein solcher allgemeiner Grundsatz tatsächlich besteht, muss er auf der gesetzlichen Ebene Ausdruck finden, die auf den Einzelfall Anwendung findet ( 8 ).

29.

In der vorliegenden Rechtssache hat der Grundsatz, dass ein Überprüfungsverfahren nicht übermäßig teuer sein darf, tatsächlich in Art. 10a Unterabs. 5 der UVP-Richtlinie eine konkrete Ausformung gefunden. Zu den Wirkungen dieser konkreten Bestimmung komme ich jetzt.

1. Konforme Auslegung

30.

Die allgemeine Verpflichtung zur konformen Auslegung ergibt sich eindeutig aus der ständigen Rechtsprechung ( 9 ), wonach die Verpflichtung „dem EG-Vertrag immanent [ist], da dem nationalen Gericht dadurch ermöglicht wird, im Rahmen seiner Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten“ ( 10 ).

31.

Diese Verpflichtung ist auch konkret für das Aarhus-Übereinkommen bestätigt worden ( 11 ). Ich sehe keinen Grund, warum sie nicht auch für die Kostenregel gelten sollte. Dies wird auch von den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens nicht bestritten ( 12 ). Weiterhin stellt das vorlegende Gericht in seinem Ersuchen fest, dass das nationale Recht im Einklang mit der Kostenregel ausgelegt werden könne.

32.

Was jedoch praktisch in der konkret vorliegenden Rechtssache genau unter einer „konformen Auslegung“ zu verstehen ist, ist eine schwierige Frage, auf die ich weiter unten zurückkommen werde ( 13 ).

2. Unmittelbare Wirkung

33.

Zwischen allen Beteiligten bestand grundsätzlich Einigkeit darüber, dass eine Verpflichtung zur konformen Auslegung besteht, dagegen hat nur der Kläger vorgebracht, dass die Kostenregel unmittelbare Wirkung habe.

34.

Sollte in diesem Kontext die Systematik von Bedeutung sein? Wie vor Kurzem vom Gerichtshof implizit festgestellt, kann die Anwendung der beiden Konzepte im Einzelfall zu einem ähnlichen Ergebnis führen ( 14 ). Außerdem sind praktisch betrachtet die konforme Auslegung (mittelbare Wirkung) und die unmittelbare Wirkung trotz ihrer begrifflichen Trennung in zwei Kategorien tatsächlich nicht eindeutig voneinander abzugrenzen. Die Wirklichkeit dürfte näher daran liegen, dass die Grenzen zwischen den beiden Konzepten fließend sind. Es wird insbesondere eine Frage der subjektiven Wahrnehmung (oder vielmehr der eigenen Darstellung) sein, ob ein nationaler Richter die nationale Regelung noch „intensiv auslegt“, um ihre Konformität mit einer Bestimmung des Unionsrechts zu gewährleisten, oder ob er eine Bestimmung des Unionsrechts dagegen auf den Fall unmittelbar anwendet.

35.

Gleichwohl sind die unmittelbare Wirkung und die konforme Auslegung vom Gerichtshof als zwei verschiedene Kategorien entwickelt worden: Sie haben in einem Rechtsstreit auf der nationalen Ebene, insbesondere für die Rechte und Pflichten einzelner Parteien, jeweils unterschiedliche Folgen ( 15 ). Dies ist nach meinem Verständnis auch der Grund dafür, warum das vorlegende Gericht diese Frage stellt, denn ob Art. 10a Unterabs. 5 der UVP-Richtlinie, der die Kostenregel enthält, unmittelbare Wirkung hat, wird für die Behandlung der Rechtssache auf der nationalen Ebene von Bedeutung sein.

a) Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung

36.

Ob eine Bestimmung unmittelbare Wirkung hat oder nicht, ist anhand der Rechtsnatur, der Systematik und dem Wortlaut der betreffenden Bestimmung zu prüfen ( 16 ).

37.

Eine Bestimmung hat immer dann unmittelbare Wirkung, wenn sie inhaltlich hinreichend bestimmt, genau und unbedingt ist, um sich auf sie gegen eine im Widerspruch zu ihr stehende nationale Maßnahme berufen zu können, oder soweit sie Rechte festlegt, die dem Staat gegenüber von Einzelnen geltend gemacht werden können ( 17 ). Dies kann z. B. bei einem generell und eindeutig gefassten Verbot der Fall sein ( 18 ).

38.

Ausgehend von der Rechtsprechung sind fünf allgemeine Anmerkungen angezeigt, bevor auf die Kostenregel einzugehen ist.

39.

Erstens geht aus der Rechtsprechung eindeutig hervor, dass „bestimmt und genau“ eher dehnbare Begriffe sind. Eine Bestimmung kann „bestimmt und genau“ sein, aber unbestimmte – oder gar vage – Begriffe oder unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten. Um ein klassisches Beispiel zu wählen, hat der Gerichtshof in den 1960er Jahren in den Urteilen van Gend & Loos ( 19 ) und Salgoil ( 20 ) entschieden, dass das Verbot von Zöllen und mengenmäßigen Beschränkungen sowie „Maßnahmen mit gleicher Wirkung“ wie Zölle und mengenmäßige Beschränkungen hinreichend bestimmt und genau war, um unmittelbare Wirkung zu entfalten. Den Begriff „Maßnahmen gleicher Wirkung“ hat der Gerichtshof über das letzte halbe Jahrhundert hinweg ausgelegt ( 21 ).

40.

Zweitens scheint der Gerichtshof sich mit der Schlussfolgerung, dass eine Bestimmung ungeachtet in ihr verwendeter vager oder unbestimmter Begriffe unmittelbare Wirkung hat, leichter zu tun, wenn die Bestimmung ein Verbot enthält. Soweit eine Berufung auf die Bestimmung als Quelle eines eigenständigen Rechts erfolgt, dessen Konturen näher bestimmt werden müssen, ist die Berufung auf vage Begriffe im Allgemeinen problematischer ( 22 ). So hatten z. B. im Urteil Carbonari u. a. ( 23 ) Medizinstudenten nach der anwendbaren Richtlinie Anspruch auf eine „angemessene Vergütung“. Während die Verpflichtung zur Gewährung einer Vergütung genau war, war weder der Begriff „angemessen“ näher bestimmt noch eine Methode zur Festsetzung der Vergütung angegeben. Die Bestimmung hatte daher keine unmittelbare Wirkung.

41.

Drittens wird das Bestehen einer unmittelbaren Wirkung, oder deren Fehlen, auf der Ebene einzelner Rechtsgedanken, etwa eines Artikels eines Gesetzgebungsakts oder auch nur eines Teils desselben, beurteilt. Im Rahmen dieser Prüfung kommt es natürlich auf die Systematik und die innere Logik des betreffenden Rechtsakts an. Dies schließt jedoch nicht aus, dass eine konkrete Bestimmung unmittelbare Wirkung haben kann, selbst wenn andere (oder sogar die meisten) seiner Bestimmungen keine unmittelbare Wirkung haben.

42.

Viertens verfolgt der Gerichtshof bei der Entscheidung darüber, ob eine Regelung in einem bestimmten Fall unmittelbare Wirkung hat, nicht das Ziel, festzustellen, ob die Gesamtheit der Bestimmungen unmittelbare Wirkung hat und dem Wortlaut nach anwendbar ist. Er nimmt vielmehr eine auszugsweise Betrachtung vor, d. h., er verfolgt das Ziel, festzustellen, ob der (vielleicht umfangreicheren und komplexeren) Norm des Unionsrechts eine konkrete, anwendbare Verhaltensnorm entnommen werden kann. So hat der Gerichtshof z. B. den Grundsatz des gleichen Entgelts bei gleicher Arbeit ( 24 ) (oder letztlich den Grundsatz des Verbots von Lohndiskriminierungen zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern ( 25 )) aus Art. 119 des EWG-Vertrags (jetzt Art. 157 AEUV), der den Mitgliedstaaten an sich eine eher breitere Verpflichtung auferlegte, für unmittelbar anwendbar erklärt ( 26 ).

43.

Fünftens setzt das Kriterium der „Unbedingtheit“ für die unmittelbare Wirkung voraus, dass die Bestimmung des Unionsrechts keiner weiteren Maßnahme der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf. Ferner darf nach der Rechtsprechung bei ihrer Durchführung den Mitgliedstaaten kein Ermessensspielraum überlassen ( 27 ) oder ihnen gestattet sein, sich darauf zu berufen, dass sie von diesem Ermessen keinen Gebrauch gemacht haben ( 28 ).

44.

Trotz eines bestehenden Ermessensspielraums des Mitgliedstaats können die Voraussetzungen für eine unmittelbare Wirkung indes gleichwohl erfüllt sein. Dies wird insbesondere der Fall sein, wenn gerichtlich überprüft werden kann, ob die nationalen Behörden diesen Spielraum überschritten haben ( 29 ).

45.

Dies wird grundsätzlich der Fall sein, wenn eine „Mindestgarantie“, „Mindestrechte“ oder ein „Mindestschutz“ ( 30 ) feststellbar sind und durch eine gerichtliche Überprüfung geklärt werden kann, ob der Mitgliedstaat dieses Mindestmaß gewahrt hat ( 31 ). So hat der Gerichtshof z. B. im Urteil Faccini Dori festgestellt, dass die Bestimmung unbedingt und hinreichend genau war, da die einschlägigen Regelungen näher bestimmt werden konnten und feststand, was das Recht beinhaltete. Die Mitgliedstaaten verfügten über einen gewissen Ermessensspielraum bei der Festlegung der Frist und des Verfahrens für das Widerrufsrecht, das in der in jener Rechtssache in Rede stehenden Richtlinie vorgesehen war. Dies nahm ihr jedoch nichts von ihrer Genauigkeit und Unbedingtheit und ermöglichte weiterhin, die anwendbaren Mindestrechte zu bestimmen ( 32 ).

46.

Einfach ausgedrückt, kommt es bei der Entscheidung darüber, ob eine Bestimmung, die ein Verbot vorsieht, unmittelbare Wirkung hat, grundlegend darauf an, ob die Regelung einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Sieht sie Mindestgarantien vor, die in der Praxis von der bestimmten nationalen Stelle angewendet werden können, auch wenn möglicherweise ein gewisser Ermessensspielraum des Mitgliedstaats besteht? Gibt es eine bestimmte Verhaltensnorm, die der Bestimmung entnommen und im Einzelfall angewendet werden kann?

b) Anwendung auf den vorliegenden Fall

47.

Im Licht der vorgenannten Voraussetzungen in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung hat Art. 10a Unterabs. 5 der UVP-Richtlinie, der die Kostenregel enthält, meines Erachtens in der Tat unmittelbare Wirkung.

48.

Die Regelung, dass in den Geltungsbereich der UVP-Richtlinie fallende Überprüfungsverfahren nicht übermäßig teuer sein dürfen, ist eindeutig einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich, jedenfalls zu dem Zeitpunkt, zu dem die zuständige nationale Behörde über die Kosten dieser Verfahren entscheidet. Sie sieht in der Tat Mindestgarantien vor: Ein Kläger darf nicht aus Kostengründen an einer Klageerhebung gehindert werden und erst recht nicht als unmittelbare Folge daraus in die Insolvenz fallen.

49.

Die Kostenregel enthält ein bestimmtes, genaues und unbedingtes Verbot. Zwar bedarf es einer Auslegung und Anwendung im konkreten Kontext des Einzelfalls, was begrifflich unter „übermäßig“ zu verstehen ist. Dies steht meines Erachtens jedoch der Bestimmtheit und Genauigkeit der Kostenregel nicht entgegen. Allgemein betrachtet, wird die Regelung, unabhängig davon, wie viele Leitlinien oder Urteile es geben mag, die den Begriff „übermäßig teuer“ auslegen, etwa indem sie beispielsweise sogar Spannen, Beträge oder Richtwerte vorgeben, stets in gewissem Maße einer Auslegung im Einzelfall bedürfen, die auch den konkreten Kontext des Falls einbezieht: Wer klagt worauf genau? ( 33 ) Anders ausgedrückt wird auf der Einzelfallebene stets ein gewisses Maß an Unsicherheit bestehen, dies bedeutet jedoch nicht, dass auf einer allgemeinen Ebene Unsicherheit darüber bestehen wird, welche Anforderungen die Regelung stellt.

50.

Dieser Punkt lässt sich beispielsweise anhand der Rechtssache Salzburger Flughafen ( 34 ) veranschaulichen, wonach der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Projekte mit „erheblichen Auswirkungen“ auf die Umwelt unmittelbare Wirkung zukam. Dies galt unbeschadet dessen, dass die „erheblichen Auswirkungen“ selbstverständlich im Einzelfall zu prüfen waren ( 35 ).

51.

Was die Unbedingtheit der Kostenregel angeht, ist eindeutig, dass die Geltung des Verbots keinen Voraussetzungen unterliegt. Es ist zwar richtig, dass die Mitgliedstaaten über ein gewisses Ermessen im Hinblick auf die genaue Art der Überprüfungsverfahren verfügen, mit denen Entscheidungen, die den Bestimmungen der UVP-Richtlinie unterliegen, angefochten werden können. Lässt man die zeitliche Komponente jedoch außer Acht, die unter Frage 1 unten behandelt wird, wird von keinem der Beteiligten tatsächlich bestritten, dass das gerichtliche Überprüfungsverfahren im Ausgangsverfahren ein solches Überprüfungsverfahren darstellen würde, für das die Regel gelten würde ( 36 ).

52.

Anders ausgedrückt gilt das, was bei richtiger Umsetzung der UVP-Richtlinie in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung zu regeln gewesen wäre, für eine Situation wie die vorliegende, die davon ganz eindeutig erfasst ist, unbedingt.

53.

Richtig ist ebenso, dass die Mitgliedstaaten über einen weiten Ermessensspielraum verfügen, wie sie die Kostenregel umsetzen. Die Mitgliedstaaten können unter einer Vielzahl von Formen und Methoden wählen; so können sie hierzu etwa vorsehen, dass die Beteiligten sich untereinander einigen, einen Kostenbegrenzungsmechanismus einführen, eine Obergrenze oder einen Kostenschutz für Kostenentscheidungen anwenden, die Gerichtsgebühren senken, Beschränkungen für Rechtsanwaltsgebühren vorschreiben oder eine Prozesskostenhilferegelung einsetzen. Solche Maßnahmen könnten in verschiedenen Abschnitten angebracht sein – vor Einleitung des Verfahrens, nach Einleitung des Verfahrens, über das gesamte Verfahren hinweg oder nach Abschluss des Verfahrens.

54.

Dies steht wiederum einer unmittelbaren Wirkung der Kostenregelung nicht entgegen. In Bezug auf die „Mindestgarantie“, die die Kostenregel vorsieht, besteht kein Ermessen. Anders ausgedrückt bezieht sich jedes etwaig bestehende Ermessen auf das „Wie“ und nicht auf das „Was“ ( 37 ).

55.

Daher hat Art. 10a Unterabs. 5 der UVP-Richtlinie, der die Kostenregel enthält, meines Erachtens auf der Grundlage der Definition und Anwendung dieses Begriffs in der Rechtsprechung des Gerichtshofs unmittelbare Wirkung. Demgegenüber hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Art. 10a dieser Richtlinie entsprechende Bestimmung des Aarhus-Übereinkommens keine unmittelbare Wirkung hat; auf diese Frage wird im folgenden Abschnitt eingegangen werden.

c) Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung von Art. 9 Abs. 4 des Aarhus-Übereinkommens

56.

Der Gerichtshof hat die Frage, ob Art. 10a Unterabs. 5 der UVP-Richtlinie unmittelbare Wirkung hat, bisher noch nicht geprüft.

57.

Im Urteil Ordre des barreaux francophones ( 38 ), auf das kürzlich im Urteil NEPPC ( 39 ) verwiesen wurde, hat der Gerichtshof entschieden, dass die entsprechende Bestimmung des Aarhus-Übereinkommens (Art. 9 Abs. 4) keine unmittelbare Wirkung hat.

58.

Diese Begründung lässt sich meines Erachtens jedoch nicht ohne Weiteres auf Art. 10a der UVP-Richtlinie übertragen.

59.

In der Rechtssache Ordre des barreaux francophones ging es um die Abschaffung einer Mehrwertsteuerbefreiung für Dienstleistungen von Rechtsanwälten in Belgien. Die Cour constitutionnelle (Verfassungsgericht, Belgien), die mit der Frage der Gültigkeit der nationalen Rechtsvorschriften, mit denen die Befreiung abgeschafft wurde, befasst war, legte dem Gerichtshof mehrere Fragen vor, in denen eine Reihe verschiedener Rechtsinstrumente und Bestimmungen angeführt wurden. Letztlich ging es um die Frage, ob die hieraus folgende faktische Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren in Belgien (um 21 % – den gesetzlichen Mehrwertsteuersatz auf Dienstleistungen von Rechtsanwälten in Belgien) das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und insbesondere das Recht auf Beistand durch einen Rechtsanwalt beeinträchtigte. Eine der zahlreichen, vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Fragen war diejenige nach der Vereinbarkeit von Art. 9 Abs. 4 und 5 des Aarhus-Übereinkommens mit der Richtlinie 2006/112/EG ( 40 ).

60.

In diesem Kontext stellte der Gerichtshof knapp fest, dass Art. 9 Abs. 4 des Aarhus-Übereinkommens nur auf die in Art. 9 Abs. 1, 2 und 3 des Übereinkommens genannten Verfahren Anwendung finde. Da die letzteren Bestimmungen selbst keine unmittelbare Wirkung hätten, könne auch für die auf sie verweisende Vorschrift in Art. 9 Abs. 4 nichts anderes gelten. Der Gerichtshof kam somit zu dem Schluss, dass Art. 9 Abs. 4 nicht geltend gemacht werden könne, um die Gültigkeit der Richtlinie 2006/112 in Frage zu stellen ( 41 ).

61.

Die Rechtssache Ordre des barreaux francophones betraf eindeutig das Aarhus-Übereinkommen und nicht die UVP-Richtlinie. Die aufgeworfene Rechtsfrage betraf die Anfechtung der Gültigkeit eines Instruments des sekundären Unionsrechts und wurde in einem ganz anderen tatsächlichen und rechtlichen Kontext gestellt. Es gibt daher eine Vielzahl von Gründen, warum eine Unterscheidung von jener Rechtssache vorgenommen werden kann.

62.

Erstens war das, was der Kläger in der Rechtssache Ordre des barreaux francophones begehrte, eine gerichtliche Überprüfung der Mehrwertsteuerrichtlinie im Licht u. a. der Kostenregel des Aarhus-Übereinkommens. Jene Rechtssache war somit viel breiter angelegt; es wurde eine Reihe von Argumenten vorgetragen, die darauf abzielten, die Erhebung von Mehrwertsteuer auf anwaltliche Dienstleistungen im Allgemeinen in Frage zu stellen, ohne besondere Berücksichtigung des Vorliegens oder der Art eines Verfahrens. Nur eines dieser Argumente betraf das Aarhus-Übereinkommen. Im Gegensatz dazu geht es in der vorliegenden Rechtssache um die Geltendmachung der Kostenregel gegen eine einzelne Kostenentscheidung in einem Verfahren über die Anfechtung eines festgestellten (geltend gemachten) Verstoßes gegen die Bestimmungen über die Öffentlichkeitsbeteiligung in der UVP-Richtlinie. Sie bezieht sich ferner, das erscheint durchaus wichtig, nicht auf die unmittelbare Wirkung eines internationalen Übereinkommens ( 42 ), sondern auf eine Bestimmung des Sekundärrechts der Union.

63.

Zweitens fände die Kostenregel in der vorliegenden Rechtssache grundsätzlich ( 43 ) eindeutig auf das konkrete Verfahren Anwendung, um das es in der vorliegenden Rechtssache geht. Dies steht im Gegensatz zur Rechtssache Ordre des barreaux francophones, in der eine allgemeine Anfechtung wegen Bedenken gegen mögliche Erhöhungen der Kosten von Gerichtsverfahren erfolgte. Maßgebend war daher, dass es den anderen Bestimmungen von Art. 9 des Aarhus-Übereinkommens (also Art. 9 Abs. 1 bis 3) insoweit an hinreichender Bestimmtheit und Genauigkeit fehlte, als sie den Kreis der Verfahren, für die die Kostenregel galt, nicht vollständig bezeichneten. Im Kontext der vorliegenden Rechtssache und in Bezug auf die UVP-Richtlinie gibt es einen solchen Mangel an Genauigkeit nicht.

64.

Drittens war in der Rechtssache Ordre des barreaux francophones das einzige für die fehlende unmittelbare Wirkung von Art. 9 Abs. 4 angeführte Argument, dass er auf Art. 9 Abs. 1, 2 und 3 des Aarhus-Übereinkommens verweise, die selbst keine unmittelbare Wirkung hätten ( 44 ). Die anderen Unterabsätze von Art. 10a der UVP-Richtlinie sind jedoch viel einfacher und direkter formuliert. Vor allem verliert der Verweis in einem Fall wie dem des vorliegenden gerichtlichen Überprüfungsverfahrens an Bedeutung, in dem wiederum keine Unsicherheit darüber besteht, ob die Kostenregel Anwendung finden würde. Mit anderen Worten ist, unter einem wesentlichen Gesichtspunkt der Begründung des Gerichtshofs im Urteil Ordre des barreaux francophones betrachtet, Art. 10a der UVP-Richtlinie anders aufgebaut und formuliert als Art. 9 des Aarhus-Übereinkommens.

65.

Von der Rechtssache Ordre des barreaux francophones kann und sollte daher eindeutig eine Unterscheidung vorgenommen werden.

3. Alle Wege führen nach Rom (einige sind jedoch holpriger als andere)

66.

Wie oben erwähnt ( 45 ), stimmen alle Beteiligten darin überein, dass für die Kostenregel eine Pflicht zur konformen Auslegung besteht. Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass diese Pflicht besteht. Das vorlegende Gericht hat bestätigt, dass eine konforme Auslegung möglich sei.

67.

Es könnte die Ansicht vertreten werden, dass über eine konforme Auslegung mutmaßlich dasselbe Ergebnis erreicht werden könnte wie durch eine unmittelbare Wirkung und die oben vorgenommene Prüfung einer unmittelbaren Wirkung der Kostenregel nicht wirklich notwendig gewesen sei.

68.

Meines Erachtens wäre dies aus zwei Gründen, einem grundsätzlichen und einem praktischen, kein hinnehmbares Ergebnis.

69.

Auf der grundsätzlichen Ebene dürfte es meines Erachtens eher ein Widerspruch in sich sein, wenn es der Kostenregel an der notwendigen Bestimmtheit und Genauigkeit mangeln soll, um im Einzelfall unmittelbar wirksam zu sein, die Kostenregel zugleich aber bestimmt und genau genug sein soll, um die nationalen Richter zu verpflichten, sie über eine konforme Auslegung auf Einzelfälle anzuwenden.

70.

Eine unmittelbare Wirkung der Kostenregel führt dazu, dass die Bestimmung geltend gemacht werden kann, um Kosten „zu stutzen“, indem dem nationalen Gericht verwehrt wird, sie über der Schwelle „übermäßig teuer“ festzusetzen, während sie natürlich im Rahmen der anderen, allgemein anwendbaren nationalen Kostenvorschriften weiter Anwendung findet. Eine konforme Auslegung verpflichtet das nationale Gericht dazu, Teile des nationalen Rechts „zusammenzubasteln“ und einen Weg zu finden, die Kosten unter die Schwelle „übermäßig teuer“ zu drücken. Mit anderen Worten bleibt das, was im Interesse der Bestimmtheit und Genauigkeit zur Bestimmung einer „übermäßig teuren“ Schwelle gefordert ist, in beiden Fällen das Gleiche.

71.

Diese Bestimmtheit und diese Genauigkeit sind entweder gegeben oder nicht; sie können nicht auf magische Weise entfallen, wenn das Wort „unmittelbare Wirkung“ fällt. Ich hielte es für irreführend, den Eindruck zu erwecken, dass in den Fällen von unmittelbarer Wirkung und konforrmer Auslegung verschiedene Standards der „Bestimmtheit und Genauigkeit“ gelten könnten.

72.

Im Kontext der vorliegenden Rechtssache liegt die praktische Ebene dort, wo die Entscheidung sich am stärksten unterschiedlich auswirkt.

73.

Erstens findet die konforme Auslegung ihre Grenzen darin, dass der Ansatz nicht herangezogen werden kann, um zu einem Ergebnis contra legem zu gelangen ( 46 ). Was intra, praeter und bereits contra legem ist, hängt unweigerlich von der subjektiven Auslegungswertung eines Richters ab, ob ein bestimmtes Ergebnis auf der Grundlage einer umfassenden Prüfung des nationalen Rechts erreichbar ist. Im Gegensatz dazu nimmt die Bestimmung einer Richtlinie dann, wenn sie unmittelbar anwendbar ist, einen präziseren
„Einschnitt“ in die nationale Rechtsordnung vor. Auf einer grundlegenden Ebene ist die Regelung in sich abgeschlossen, bestimmbar und vorhersehbar in dem Sinne, dass sie nicht von der Auslegungsbereitschaft und ‑kreativität und der Flexibilität jedes einzelnen nationalen Rechtssystems oder einzelnen Akteurs innerhalb desselben abhängt.

74.

Zweitens kann die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie nur gegen den Staat und nicht gegen private Parteien (wie etwa die Beigeladene im Ausgangsverfahren) geltend gemacht werden ( 47 ). Im Gegensatz dazu gilt für die konforme Auslegung innerhalb des Grundsatzes selbst keine solche Beschränkung. Die konforme Auslegung findet im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen privaten Parteien Anwendung ( 48 ). Es könnte fraglich erscheinen, ob im Einzelfall allgemeine Rechtsgrundsätze wie etwa der Vertrauensschutz nachteiligen Folgen, die privaten Drittparteien entstehen, entgegenstehen könnten ( 49 ), auch wenn es allgemeiner Ansicht entsprechen dürfte, dass sich durch eine konforme Auslegung die Rechtslage eines Einzelnen verschlechtern kann ( 50 ).

75.

Drittens wird dann, wenn eine unmittelbare Wirkung ausgeschlossen wird, die Situation im Hinblick auf eine mögliche Staatshaftung ebenfalls komplexer und unklarer. In Fällen einer unzureichenden Umsetzung, in denen eine unmittelbare Wirkung nicht möglich ist, sind Geschädigte gezwungen, im Wege von Schadensersatzklagen gegen den Staat eine Entschädigung zu verlangen. Dies führt naturgemäß zu einer Häufung von Gerichtsverfahren. Der Nachweis eines „hinreichend qualifizierten Verstoßes“ gegen das Unionsrecht wird ferner im Allgemeinen schwieriger sein, wenn festgestellt wird, dass der verletzten Vorschrift die für ihre unmittelbare Wirkung erforderliche Bestimmtheit und Genauigkeit fehlt ( 51 ).

4. Ergebnis

76.

Die Kostenregel ist meines Erachtens bestimmt und genau genug, um einem nationalen Richter zu ermöglichen, im Einzelfall zur Feststellung eines „übermäßig teuren“ Ergebnisses zu gelangen. Diese Regelung ist auch unbedingt. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die zweite Frage des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten:

Das in Art. 10a Unterabs. 5 der UVP-Richtlinie enthaltene Erfordernis, dass Verfahren „nicht übermäßig teuer“ sein dürfen, hat unmittelbare Wirkung. Ein nationales Gericht, das bei seiner Entscheidung über die Kosten zulasten der unterliegenden Partei über ein Ermessen verfügt, muss bei Fehlen einer zur Umsetzung dieser Bestimmung erlassenen speziellen Vorschrift im Rahmen seiner Kostenentscheidung in einem unter diese Bestimmung fallenden Verfahren sicherstellen, dass die Kostenentscheidung das Verfahren nicht „übermäßig teuer“ werden lässt.

C.   Erste Frage: zeitliche Geltung der Kostenregel

77.

Kann die Kostenregel von Herrn Klohn in der vorliegenden Rechtssache tatsächlich geltend gemacht werden ( 52 ), nachdem er sich vor Ablauf der Umsetzungsfrist für diese Regel an das Gericht gewandt hatte? Wenn ja, gilt dies nur für Kosten, die nach Ablauf der Umsetzungsfrist angefallen sind, oder auch „rückwirkend“ für Kosten, die vor Ablauf dieser Frist entstanden sind? Dies sind die Fragen, die im Zentrum der ersten Frage des vorlegenden Gerichts stehen.

78.

In der vorliegenden Rechtssache begann das gerichtliche Verfahren vor Ablauf der Umsetzungsfrist, dauerte jedoch darüber hinaus fort und führte dazu, dass über einen erheblichen Zeitraum nach diesem Zeitpunkt Kosten anfielen.

79.

Soweit die erste Frage des vorlegenden Gerichts sich auf Kosten bezieht, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist entstanden sind, ist sie meines Erachtens eher hypothetischer Natur. Dem Vorabentscheidungsersuchen ist nämlich eindeutig zu entnehmen, dass die Kosten, um die es geht, allein diejenigen sind, die im Verfahrensabschnitt über die Rechtsbeschwerde an sich entstanden sind, der frühestens am 31. Juli 2007 begann, nach Zulassung der Rechtsbeschwerde und somit nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 25. Juni 2005.

80.

Die Kostenregel kann meines Erachtens für die in der vorliegenden Rechtssache relevanten Kosten geltend gemacht werden, d. h. für die Kosten, die dem Board in dem die Rechtsbeschwerde an sich betreffenden Abschnitt des Ausgangsverfahrens entstanden sind.

81.

Ich werde zunächst erörtern, ob die Kostenregel als materielle oder verfahrensrechtliche Regelung qualifiziert werden kann (1). Anschließend werde ich die alternativen Ansätze in Bezug auf den zeitlichen Gesichtspunkt betrachten (2) und dies sodann auf die vorliegende Rechtssache anwenden (3).

1. Bedeutung der Frage, ob die Kostenregel materiell- oder verfahrensrechtlicher Natur ist

82.

Nach ständiger Rechtsprechung „ist bei Verfahrensvorschriften im Allgemeinen davon auszugehen, dass sie auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar sind“, während materiell-rechtliche Vorschriften „im Allgemeinen so ausgelegt [werden], dass sie für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte nur gelten, wenn aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist“ ( 53 ). Materiell-rechtliche Vorschriften gelten grundsätzlich nur für Sachverhalte, die nach ihrem Inkrafttreten entstehen, oder für die künftigen Auswirkungen von Sachverhalten, die bereits entstanden sind ( 54 ).

83.

Die Kostenregel lässt sich nicht ganz eindeutig in eine „verfahrensrechtliche“ oder „materiell-rechtliche“ Schublade einordnen.

84.

Einerseits sind Kostenvorschriften zwar oft in den nationalen (Zivil‑)Verfahrensordnungen oder ‑regelungen enthalten. Auch kann die Rechtsprechung des Gerichtshofs in Teilen möglicherweise dahin verstanden werden, dass Kostenregelungen eher als verfahrensrechtlich betrachtet werden. Im Urteil Gemeinde Altrip u. a. unterschied der Gerichtshof implizit zwischen materiell-rechtlichen Regelungen, wie der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, und verfahrensrechtlichen Regelungen, wie dem Recht auf eine gerichtliche Überprüfung ( 55 ). Im Urteil Edwards und Pallikaropoulos wurde davon ausgegangen, dass die Kostenregel sofort anwendbar war und ihr verfahrensrechtlicher Charakter implizit, aber nicht ausdrücklich bestätigt ( 56 ). In den Urteilen Saldanha und MTS sowie Data Delecta und Forsberg qualifizierte der Gerichtshof Regelungen über eine Sicherheitsleistung für Kosten ausdrücklich als verfahrensrechtlich ( 57 ).

85.

Andererseits kann meines Erachtens nicht die Ansicht vertreten werden, dass die Kostenregel rein oder eindeutig prozessualer Natur sei. Im Allgemeinen werden die Kosten oft als Teil des Tenors eines Urteils aufgeführt und hängen normalerweise vom Ausgang des Verfahrens (d. h. von der Entscheidung in der Sache) ab. Der Gerichtshof deutet im Urteil Gemeinde Altrip u. a. tatsächlich durchaus eine verfahrens‑/materiell-rechtliche Unterscheidung an, nimmt jedoch in keiner Weise vorweg, in welche dieser Kategorien eine Kostenvorschrift wie die Kostenregel fallen könnte. Die Rechtssache Edwards und Pallikaropoulos ist insoweit schlicht unergiebig: Der Gerichtshof nahm überhaupt keine ausdrückliche Prüfung der zeitlichen Geltung vor. Die Frage wurde schlicht nicht erörtert. Die Urteile Data Delecta und Forsberg sowie Saldanha und MTS betrafen beide lediglich Sicherheitsleistungen für Kosten und nicht die eigentliche Kostenentscheidung ( 58 ).

86.

Vor allem aber ist diese Rechtsprechung meines Erachtens bei näherer Betrachtung differenzierter ( 59 ). Der zugrunde liegende Ansatz ist nicht der zweier voneinander abgeschotteter „verfahrensrechtlicher“ bzw. „materiell-rechtlicher“ Schubladen, sondern der einer Abstufung. Sämtliche neuen Regelungen des Unionsrechts sind sofort anwendbar, die Aufmerksamkeit richtet sich dann jedoch auf die Grenzen der Anwendung dieser neuen Regelungen im Einzelfall. Diese Grenzen, insbesondere in Form der Grundsätze der wohlerworbenen Rechte und/oder des Vertrauensschutzes, sind dort viel stärker, wo es sich um eindeutig materiell-rechtliche Regelungen handelt, die eine echte Rückwirkung in Form einer Neubewertung vergangener Sachverhalte und abgeschlossener Rechtsverhältnisse verbieten. Demgegenüber werden sie dort viel schwächer oder nicht vorhanden sein, wo es sich um rein verfahrensrechtliche Regelungen handelt. Maßgeblich ist in diesem Kontext die Stabilität und Vorhersehbarkeit des Rechts und des Vertrauens im Hinblick auf die konkret in Rede stehende Art der
Regelung.

87.

An diesem Punkt konzentrierte sich die Erörterung in den Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung weniger auf eine strenge Kategorisierung der Kostenregel, sondern mehr auf ihre möglichen Rückwirkungen und das Vertrauen der Parteien zu Beginn und im gesamten Verlauf des Verfahrens.

88.

Insoweit betonte das Board, dass die „Spielregeln“, einschließlich der möglichen Prozesskosten, sich nicht mitten im Spiel ändern dürften. Die Parteien legten von vornherein ihre Strategie auf der Grundlage nicht nur ihrer materiell-rechtlichen Beurteilung und ihrer Erfolgsaussichten, sondern auch ihres Kostentragungsrisikos fest.

89.

Dieses Argument ist in der Tat nicht unberechtigt. Es hat auch offensichtliche Grenzen. Insbesondere in komplexen Angelegenheiten wie der vorliegenden haben die Parteien nicht schon vom ersten Tag an ein klares Bild von den Gesamtkosten. Je länger ein Verfahren dauert, umso weniger Vorhersehbarkeit besteht. Auf erstinstanzliche Urteile können Rechtsmittel, weitere Revisionen, Verfassungsbeschwerden und in wenigen seltenen Fällen sogar Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof folgen. Es dürfte klar sein, dass jeder vernünftig handelnde Kläger wahrscheinlich das Kostenrisiko in jedem dieser Abschnitte (neu) bewerten wird, wenn er die Entscheidung für oder gegen eine Fortsetzung des Rechtsstreits trifft. Außerdem verfügen Richter im Allgemeinen letzten Endes bei ihren Kostenentscheidungen über einen gewissen Ermessensspielraum (der manchmal sogar erheblich ist).

90.

Darüber hinaus stimme ich mit dem Board nicht darin überein, dass öffentliche und private Prozessparteien im Hinblick auf ihre Kostenerwartungen in der gleichen Lage seien. Ein Mitgliedstaat wird zwar natürlich die Kosten und Vorteile, die die Verfolgung und Weiterverfolgung eines Verfahrens mit sich bringen, in Betracht ziehen, ein Risiko, dass er infolge eines einzigen gerichtlichen Rechtsstreits insolvent wird, besteht jedoch nicht. Dies ist bei der Mehrheit der privaten Prozessparteien anders.

91.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen kann über die Frage der zeitlichen Geltung der Kostenregel meines Erachtens nicht einfach danach entschieden werden, in welche Schublade, verfahrens- oder materiell-rechtlich, diese Regel am ehesten hineinpasst.

2. Alternative Ansätze zur zeitlichen Geltung

92.

Wird dem oben genannten Argument gefolgt, dass die Kostenerwartungen zu Beginn des Verfahrens festgelegt werden, würde dies zu dem Ergebnis führen, dass die zu diesem Zeitpunkt geltenden Kostenvorschriften, auf deren Grundlage die Parteien ihre Prozessstrategie festgelegt haben, über den gesamten Zeitraum des Verfahrens fortgelten. Die Parteien würden in eine Art „Kostentunnel“ eintreten, in dem sie über sämtliche der verschiedenen Verfahrensabschnitte hinweg verbleiben würden, z. B. bei der Zulassung der Rechtsbeschwerde, bei der gerichtlichen Überprüfung, bei Anfechtungen eines erstinstanzlichen Urteils, eines zweitinstanzlichen Urteils, bei Vorlagen an andere Gerichte, Kostenstreitigkeiten usw. Dies ist nach meinem Verständnis im Wesentlichen die Ansicht des Board und Irlands.

93.

Dieser Ansatz ist meines Erachtens hoch problematisch. Er würde Situationen ermöglichen, in denen der Rechtsstreit möglicherweise nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die Kostenregel über Jahrzehnte fortdauern kann.

94.

Ein alternativer Ansatz ist, dass die Kostenregel auf eine nach Ablauf der Umsetzungsfrist ergehende Kostenentscheidung sofort anwendbar wäre. Dies könnte sich, so ließe sich vertreten, aus der sofortigen Geltung einer verfahrensrechtlichen Vorschrift oder der Anwendung einer materiell-rechtlichen Vorschrift auf die „künftigen Auswirkungen“ einer vorherigen Rechtsänderung ergeben.

95.

Diese Lösung ist meines Erachtens ebenfalls eher problematisch. Wie oben erwähnt, stimme ich nicht mit der Annahme überein, dass die Kostenerwartungen sich ganz zu Beginn eines Verfahrens ein für alle Mal herausbilden. Andererseits ist unbestreitbar, dass es in dieser Phase bestimmte Erwartungen gibt. Um ein extremes Beispiel zu wählen, wäre dann, wenn eine Richtlinie am 1. Januar 2018 eine neue Kostenvorschrift einführt, ohne Vorliegen besonderer Umstände wohl schwer zu begründen, am 2. Januar 2018 einen Kostenbeschluss zu erlassen, der diese neue Kostenregel auf ein Verfahren anwendet, das vor diesem Zeitpunkt bereits über mehrere Jahre andauerte. Auch wenn dies im vorliegenden Verfahren nicht die Frage ist, könnte dieser Ansatz sicherlich auch dazu führen, dass die neue Vorschrift für die vollständig vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist (oder sogar vor dem Erlass der Richtlinie) entstandene Kosten gilt.

96.

Es muss ein Mittelweg gefunden werden. Zwei Möglichkeiten kommen in Betracht.

97.

Erstens könnte die Kostenregel für alle Kosten geltend gemacht werden, die nach Ablauf der Umsetzungsfrist entstehen, auch wenn dieses Verfahren vor diesem Zeitpunkt begonnen hätte. So müssten die Kosten jedes Verfahrens jeweils danach unterteilt werden, ob sie vor oder nach Ablauf der Umsetzungsfrist entstanden (in Rechnung gestellt oder objektiv belegt) sind.

98.

Zweitens könnte die Kostenregel ab Beginn des ersten neuen „Abschnitts“ des Verfahrens nach Ablauf der Umsetzungsfrist anzuwenden sein. Damit meine ich den Zeitpunkt, zu dem von der mit dem Verfahren befassten Stelle (hier einem Gericht) eine Entscheidung ergeht, die a) diesen Abschnitt beendet, z. B. ein Urteil eines Berufungsgerichts in der Sache, oder b) die Fortsetzung des Verfahrens ermöglicht, z. B. eine Entscheidung über die Zulässigkeit oder, nach meinem Verständnis des Verfahrens vor den irischen Gerichten, eine Entscheidung, die eine Rechtsbeschwerde zulässt.

99.

Diese zweite Option beruht darauf, dass die Parteien an diesen wesentlichen Punkten des Verfahrens wahrscheinlich die Kosten sowie die Vor- und Nachteile einer Fortsetzung des Rechtsstreits sorgfältig erwägen. Auch wenn dies sicherlich nicht stets der Fall sein wird, dürfte dies eine vernünftige Annahme und ein in der Praxis praktikabler und vorhersehbarer Ansatz sein.

100.

Meines Erachtens sollte der Gerichtshof aus mehreren Gründen der zweiten Option den Vorzug geben. Auch wenn die erste Option möglicherweise als vorhersehbarer in dem Sinne angesehen werden kann, dass sie einen klareren, einzelnen Zeitpunkt dafür liefert, wann die Kostenregel geltend gemacht werden kann, ist es nicht zwangsläufig so, dass alle nationalen Systeme ein solches Maß an Kleinteiligkeit der Kosten ermöglichen. Andere praktische Herausforderungen, wie etwa die Geltung fester Gebühren (für bestimmbare Aufgaben oder Teile des Verfahrens), die nicht spezifisch an einen Zeitpunkt gebunden sind, werfen ebenfalls Fragen nach der Praktikabilität der ersten Option auf. Außerdem schenkt die zweite Option den Erwartungen der Parteien zu Beginn des Verfahrens mehr Beachtung. Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn die Kostenregel gegen private Parteien geltend gemacht würde (was typischerweise der Fall wäre, wenn z. B. eine private Partei, der eine Projektgenehmigung erteilt wurde, in einem Anfechtungsprozess gegen diese Erteilung als Streithelferin auftritt).

101.

Sonstige feinere und differenziertere Ansätze, etwa auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung der tatsächlichen Erwartungen der Parteien in bestimmten Verfahren, wären meines Erachtens erheblich komplexer und bieten erheblich weniger Vorhersehbarkeit als die beiden oben genannten Optionen.

3. Anwendung auf den vorliegenden Fall

102.

Vorbehaltlich der endgültigen Beurteilung durch das vorlegende Gericht würde die oben in Aussicht genommene zweite Option – wonach die Kostenregel ab Beginn des ersten gesonderten Verfahrensabschnitts nach Ablauf der Umsetzungsfrist geltend gemacht werden kann – dazu führen, dass die Kostenregel ab dem Zeitpunkt geltend zu machen wäre, zu dem die Rechtsbeschwerde von Herrn Klohn zugelassen wurde. Sie würde für die gesamte Überprüfung der Rechtsbeschwerde an sich und die Entscheidung über die Begründetheit gelten.

103.

Ergänzt sei jedoch, dass angesichts dessen, dass für die früheren Verfahrensabschnitte keine Kosten festgesetzt wurden, die erste Option in der vorliegenden Rechtssache ebenfalls zum gleichen praktischen Ergebnis führen dürfte.

104.

Schließlich handelt es sich nach meinem Verständnis bei den in Rede stehenden Kosten allein um Kosten des Board, das eine öffentliche Einrichtung ist und als Teil des Mitgliedstaats behandelt wird ( 60 ). Es dürfte sich somit nicht die Frage einer Geltendmachung der Kostenregel durch Herrn Klohn gegen private Parteien (im vorliegenden Fall, die Beigeladene, das Unternehmen, das die Einrichtung errichtet) stellen. Ich werde auf diesen Punkt daher hier nicht näher eingehen. Es sei gleichwohl daran erinnert ( 61 ), dass, soweit der Kostenregel eine unmittelbare Wirkung zukommt, ihre unmittelbare Wirkung nicht gegen eine private Partei geltend gemacht werden könnte. Im Gegensatz dazu gilt die Pflicht zur konformen Auslegung auch im Verhältnis zwischen privaten Parteien und könnte potenziell dazu führen, dass andere private Parteien die Kostenlast mitzutragen hätten ( 62 ). Dies stellt einen weiteren Grund dafür dar, der oben vorgeschlagenen zweiten Option den Vorzug zu geben, die den Erwartungen dieser Parteien stärkere Beachtung zumisst ( 63 ). Außerdem ist diese unterschiedliche Wirkung auf private Parteien, wie im Kontext der zweiten Frage oben in Nr. 74 erwähnt, ein weiterer Grund dafür, zwischen der unmittelbaren Wirkung und der konformen Auslegung zu unterscheiden.

105.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Frage des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten:

In Fällen wie dem beim vorlegenden Gericht anhängigen kann das in Art. 10a Unterabs. 5 der UVP-Richtlinie enthaltene Erfordernis, dass die Verfahrenskosten „nicht übermäßig teuer“ sein dürfen, für Kosten geltend gemacht werden, die ab Beginn des ersten gesonderten Verfahrensabschnitts nach Ablauf der Umsetzungsfrist entstehen, d. h., nachdem von dem mit dem Verfahren befassten Gericht eine Entscheidung ergeht, die a) diesen Abschnitt beendet oder b) die Fortsetzung des Verfahrens ermöglicht.

D.   Dritte Frage

106.

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Kostenfestsetzungsbeamte oder das die Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten überprüfende Gericht die Kostenregel auf die endgültig gegen Herrn Klohn festgesetzte Höhe der Kosten anwenden muss, obwohl Herr Klohn die gegen ihn ergangene Kostenentscheidung nicht angefochten hat (und diese somit in Rechtskraft erwachsen ist).

107.

Vorbehaltlich der endgültigen Beurteilung durch das vorlegende Gericht müssen der Kostenfestsetzungsbeamte bzw. das seine Entscheidung überprüfende Gericht meines Erachtens in der Tat die Kostenregel (im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs über die zweite Frage entweder als Vorschrift mit unmittelbarer Wirkung oder im Wege einer konformen Auslegung) anwenden.

108.

Insoweit werde ich zunächst mit einigen Anmerkungen auf den Sachverhalt und das nationale Recht, so wie sie von den Parteien vorgetragen werden, eingehen (1). Sodann werde ich die dritte Frage des nationalen Gerichts beantworten (2).

1. Sachverhalt und nationales Recht

109.

Die Kostenentscheidung gegen Herrn Klohn ist nach meinem Verständnis in Rechtskraft erwachsen.

110.

Die Rechtsprechung des Gerichtshofs unterstreicht die Bedeutung der Rechtskraft aus Gründen sowohl des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen als auch einer geordneten Rechtspflege, so dass nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können ( 64 ). Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen kann das Unionsrecht es einem nationalen Gericht gebieten, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine Gerichtsentscheidung Rechtskraft erlangt, abzusehen ( 65 ).

111.

Ein solcher besonderer Ausnahmefall dürfte in der vorliegenden Rechtssache nicht vorliegen. Es gibt allerdings eine Reihe von Besonderheiten, auf die hinzuweisen ist.

112.

Erstens mag die Kostenentscheidung gegen Herrn Klohn zwar in Rechtskraft erwachsen sein, nach meinem Verständnis setzte dieser Beschluss jedoch keine konkrete Höhe der Kosten fest. In Rechtskraft erwachsen ist offenbar der gerichtliche Beschluss, wonach diese Kosten vom Ausgang des Verfahrens abhängen. Im Gegensatz dazu ist die konkrete Höhe der Kosten offenbar völlig offen und derzeit Gegenstand der Anfechtung in dem beim nationalen Gericht anhängigen Verfahren.

113.

Zweitens hätte Herr Klohn, wenn er die gegen ihn ergangene Kostenentscheidung hätte anfechten wollen, hierfür eine Zulassung beantragen müssen. Diese Zulassung würde ferner nur gewährt, wenn Herr Klohn ein „außerordentliches öffentliches Interesse“ an der Überprüfung geltend machen könnte. Diese Gesichtspunkte des nationalen Rechts wurden in der mündlichen Verhandlung von Irland bestätigt.

114.

Drittens hat Herr Klohn in der mündlichen Verhandlung von allen Beteiligten unwidersprochen bestätigt, dass ihm sein mögliches oder wahrscheinliches Kostenrisiko vor der Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten oder jedenfalls vor dem Entscheidungsentwurf, der ein Jahr nach der Kostenentscheidung des Gerichts vorlag, nicht bewusst gewesen sei. Insoweit hat Herr Klohn angegeben, dass die durch diese Entscheidung gegen ihn festgesetzten Kosten des Board etwa dreimal so hoch gewesen seien wie die ihm im Verfahren entstandenen Kosten. Die Beigeladene hat ihre Kosten offenbar nicht geltend gemacht.

115.

Viertens hat Herr Klohn angegeben, er sei zum Zeitpunkt des Ergehens der Kostenentscheidung gegen ihn davon ausgegangen, dass die Kostenregel vom Kostenfestsetzungsbeamten angewendet werden würde. Herr Klohn führte eine wenige Monate vor Erlass der Kostenentscheidung ergangene nationale Präzedenzentscheidung an, die diese Ansicht seines Erachtens stützt ( 66 ). Diesem Vorbringen wird insbesondere von Irland widersprochen, das vorträgt, dass der Rechtsprechung des Supreme Court (Oberstes Gericht) „glasklar“ zu entnehmen sei, dass der Kostenfestsetzungsbeamte nicht über die entsprechenden Befugnisse verfüge ( 67 ).

116.

Fünftens hat der Kostenfestsetzungsbeamte nach meinem Verständnis eine gewisse Befugnis, die Kosten in geringerer Höhe festzusetzen, als sie geltend gemacht werden. Das vorlegende Gericht bestätigt nämlich, dass das Board ursprünglich Kosten von etwa 98000 Euro geltend gemacht hat, von denen jedoch nur etwa 86000 Euro zu seinen Gunsten festgesetzt wurden. Die Begründung für diese Herabsetzung der Kosten war nach meinem Verständnis im Wesentlichen die Angemessenheit der Rechtsanwaltsgebühren und die vom Kostenfestsetzungsbeamten vertretene Ansicht, dass seine Befugnisse zur Herabsetzung der festzusetzenden Kosten nicht die Möglichkeit einer Herabsetzung auf der Grundlage umfassten, dass sie übermäßig teuer seien.

2. Anwendung auf den vorliegenden Fall

117.

Die endgültige Beurteilung des Sachverhalts und des nationalen Rechts im Ausgangsverfahren sind Sache des vorlegenden Gerichts. Vor diesem Hintergrund lege ich nachfolgend dar, welche Verpflichtungen sich aus dem Unionsrecht ergeben und wie sie nach meinem Verständnis des oben dargestellten Sachverhalts und nationalen Rechts angewendet werden können.

118.

In der UVP-Richtlinie wird das Gericht oder die sonstige Stelle, die für die Sicherstellung der Anwendung der Kostenregel zuständig ist, nicht bestimmt. Dies ist somit, ebenso wie bei anderen Regelungen ähnlicher Art, in erster Linie eine Frage des nationalen Rechts ( 68 ). Diese Freiheit bei der Wahl der Mittel und Wege zur Durchführung der Kostenregel lässt jedoch die Verpflichtung des Mitgliedstaats unberührt, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die vollständige Wirksamkeit der Kostenregel entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten ( 69 ).

119.

Die Verpflichtung des Mitgliedstaats, das mit der Kostenregel angestrebte Ergebnis zu erreichen, und seine Verpflichtung nach Art. 4 Abs. 3 AEUV, alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung dieser Verpflichtungen zu ergreifen, ist für die Gerichte der Mitgliedstaaten verbindlich ( 70 ) und erstreckt sich auch auf alle nationalen Behörden, zumal auf diejenigen, die den nationalen Gerichten angegliedert oder Teil derselben sind ( 71 ).

120.

Mit anderen Worten sind die Grundsätze des Vorrangs und der unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts und die Verpflichtung zur konformen Auslegung für alle Stellen der Mitgliedstaaten, sowohl für die Justiz als auch für die Verwaltung, verbindlich. In diesem Rahmen ist es tatsächlich eine Frage des nationalen Rechts, welcher konkreten Einrichtung letztlich obliegt, die Erfüllung dieser Verpflichtungen sicherzustellen, sofern dies irgendjemand tut. Es ist nicht Aufgabe des Gerichtshofs, über die entsprechende interne Zuständigkeitsverteilung des Mitgliedstaats und/oder die verfassungsrechtliche Einordnung nationaler Stellen wie des Kostenfestsetzungsbeamten zu entscheiden.

121.

Allgemein lässt sich Folgendes festhalten.

122.

Vorbehaltlich der oben genannten zeitlichen Grenzen muss ein Einzelner wie Herr Klohn in der Lage sein, die Kostenregel vor einem nationalen Gericht und den nationalen Behörden geltend zu machen. Diese nationalen Gerichte und Behörden sind verpflichtet, die unmittelbare Wirkung dieser Regelung in ihrem Ergebnis sicherzustellen ( 72 ), bzw. sind, für den Fall, dass der Gerichtshof entscheiden sollte, dass die Kostenregel keine unmittelbare Wirkung hat, diese Justizbehörden „im Rahmen ihrer Zuständigkeit“ ( 73 ) und die nationalen Behörden „im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten“ ( 74 ) jedenfalls verpflichtet, das nationale Recht in Übereinstimmung mit der Kostenregel auszulegen.

123.

Fraglich bleibt dann, ob eine Herabsetzung der festgesetzten Kosten mit dem Ziel, die Kostenregel einzuhalten, in die „Zuständigkeit“ des Kostenfestsetzungsbeamten oder des die Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten überprüfenden nationalen Gerichts fällt. Dies ist ein wesentlicher Gesichtspunkt der dritten Frage des vorlegenden Gerichts.

124.

Insoweit ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs, soweit dort von nationalen Verwaltungsbehörden die Rede ist, die die Grundsätze des Vorrangs und der unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts und die konforme Auslegung „im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten“ anwenden, meines Erachtens dahin zu verstehen, dass die nationalen Behörden hierzu verpflichtet sind, soweit sie über die notwendige Befugnis (im Sinne der generischen Form der Zuständigkeit) verfügen, ohne dass eine ausdrückliche Ermächtigung zur Ausübung der bestehenden Befugnis zu einem konkreten, unionsrechtlich erforderlichen Zweck gegeben sein müsste. Die unmittelbare Wirkung und der Vorrang des Unionsrechts können jedoch meines Erachtens nicht so weit ausgedehnt werden, dass den Verwaltungsbehörden gegenüber den ihnen nach nationalem Recht zuerkannten Befugnissen möglicherweise unter Verstoß gegen die Gewaltenteilung eine völlig neue – ihnen nach nationalem Recht nicht zustehende – Form von Befugnis verliehen würde.

125.

Dem Vorabentscheidungsersuchen ist nach meinem Verständnis zu entnehmen, dass der Kostenfestsetzungsbeamte die Zuständigkeit hat, in bestimmten Fällen die Kosten herabzusetzen. Er dürfte damit die generische Form der Zuständigkeit haben, die eine Änderung der Höhe der festzusetzenden Kosten zulässt. Ob die Befugnis des Kostenfestsetzungsbeamten zur Herabsetzung der Kosten dahin ausgelegt werden kann, dass sie sich auf Fälle wie den vorliegenden erstreckt, ist letztlich eine Frage des nationalen Rechts, über die das vorlegende Gericht zu entscheiden hat.

126.

Sollte das vorlegende Gericht zu dem Schluss kommen, dass der Kostenfestsetzungsbeamte diese Zuständigkeit selbst nicht hat, muss diese jedenfalls bei dem seine Entscheidung überprüfenden Gericht liegen.

127.

Nach ständiger Rechtsprechung obliegt es nämlich vor allem den nationalen Gerichten, den Rechtsschutz zu gewährleisten, der sich für den Einzelnen aus den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und deren volle Wirkung sicherzustellen ( 75 ). Mangels einer einschlägigen Unionsregelung ist es Sache des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen ( 76 ).

128.

Diese Modalitäten dürfen insbesondere die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität). Ein Verstoß gegen diese Anforderung auf der Unionsebene ist nämlich geeignet, den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes zu beeinträchtigen ( 77 ).

129.

Dem Grundsatz der Effektivität würde es meines Erachtens widersprechen, wenn die Ansicht vertreten würde, dass weder der Kostenfestsetzungsbeamte noch das seine Entscheidung überprüfende nationale Gericht in einem Fall wie dem vorliegenden für die Anwendung der Kostenregel zuständig sei.

130.

Zu diesem Ergebnis komme ich unter Berücksichtigung der verschiedenen, im vorstehenden Abschnitt aufgeführten tatsächlichen Umstände, von denen einer meines Erachtens entscheidend ist, nämlich dass die Entscheidung über die Höhe lange nach Ablauf der Frist zur Anfechtung der Kostenentscheidung gegen Herrn Klohn erging. Daraus dürfte folgen, dass Herr Klohn bei der Entscheidung, ob er die Kostenentscheidung anficht oder nicht, zu einer wesentlich erscheinenden Information schlicht keinen Zugang hatte: Welche Höhe könnte festgesetzt werden? Insoweit ist daran zu erinnern, dass das Vorbringen des Board in der vorliegenden Rechtssache zu großen Teilen darauf aufbaut, dass die Entscheidung, einen Prozess zu führen, mit einer informierten Kosten-Nutzen-Analyse einhergehe, die zu berechtigten Erwartungen führe. Es hat daher einen ironischen Anklang, sich dann auf den Standpunkt zu stellen, dass eine unterlegene Partei eine Entscheidung darüber treffen müsse, ob sie eine Kostenentscheidung anfechte, ohne tatsächlich zu wissen, in welcher Höhe eine Zahlung von ihr verlangt werden könnte.

131.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die dritte Frage des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten:

In einem Fall wie dem beim vorlegenden Gericht anhängigen, in dem eine Kostenentscheidung keine Einschränkungen enthält und nach nationalem Recht, da gegen sie kein Rechtsmittel eingelegt wurde, als endgültig betrachtet würde und die Höhe der festzusetzenden Kosten vor Ablauf der Frist zur Anfechtung dieser Entscheidung nicht festgesetzt wurde, erfordert das Unionsrecht, dass entweder

ein Kostenfestsetzungsbeamter, der nach dem nationalen Recht den Kostenbetrag zu ermitteln hat, den die obsiegende Partei vernünftigerweise aufgewandt hat, oder

ein Gericht, bei dem die Überprüfung einer Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten beantragt wurde,

verpflichtet ist, die unmittelbar wirksame Regelung nach Art. 10a Unterabs. 5 der UVP-Richtlinie anzuwenden, wonach die Kosten das Verfahren nicht übermäßig teuer werden lassen dürfen.

V. Ergebnis

132.

Ich schlage dem Gerichtshof vor, die vom Supreme Court (Oberstes Gericht, Irland) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.

In Fällen wie dem beim vorlegenden Gericht anhängigen kann das in Art. 10a Unterabs. 5 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 geänderten Fassung) enthaltene Erfordernis, dass die Verfahrenskosten „nicht übermäßig teuer“ sein dürfen, für Kosten geltend gemacht werden, die ab Beginn des ersten gesonderten Verfahrensabschnitts nach Ablauf der Umsetzungsfrist entstehen, d. h., nachdem von dem mit dem Verfahren befassten Gericht eine Entscheidung ergeht, die a) diesen Abschnitt beendet oder b) die Fortsetzung des Verfahrens ermöglicht.

2.

Das in Art. 10a Unterabs. 5 der Richtlinie 85/337 enthaltene Erfordernis, dass Verfahren „nicht übermäßig teuer“ sein dürfen, hat unmittelbare Wirkung. Ein nationales Gericht, das bei seiner Entscheidung über die Kosten zulasten der unterliegenden Partei über ein Ermessen verfügt, muss bei Fehlen einer zur Umsetzung dieser Bestimmung erlassenen speziellen Vorschrift im Rahmen seiner Kostenentscheidung in einem unter diese Bestimmung fallenden Verfahren sicherstellen, dass die Kostenentscheidung das Verfahren nicht „übermäßig teuer“ werden lässt.

3.

In einem Fall wie dem beim vorlegenden Gericht anhängigen, in dem eine Kostenentscheidung keine Einschränkungen enthält und nach nationalem Recht, da gegen sie kein Rechtsmittel eingelegt wurde, als endgültig betrachtet würde und die Höhe der festzusetzenden Kosten vor Ablauf der Frist zur Anfechtung dieser Entscheidung nicht festgesetzt wurde, erfordert das Unionsrecht, dass entweder

ein Kostenfestsetzungsbeamter, der nach dem nationalen Recht den Kostenbetrag zu ermitteln hat, den die obsiegende Partei vernünftigerweise aufgewandt hat, oder

ein Gericht, bei dem die Überprüfung einer Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten beantragt wurde,

verpflichtet ist, die unmittelbar wirksame Regelung nach Art. 10a Unterabs. 5 der Richtlinie 85/337 anzuwenden, wonach die Kosten das Verfahren nicht übermäßig teuer werden lassen dürfen.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten – Erklärung der Kommission (ABl. 2003, L 156, S. 17).

( 3 ) Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 1985, L 175, S. 40).

( 4 ) C‑427/07, EU:C:2009:457, Rn. 92 bis 94.

( 5 ) Art. 7 der Richtlinie 2003/35 legt ihr Inkrafttreten auf den Tag der Veröffentlichung im Amtsblatt fest.

( 6 ) C‑470/16, EU:C:2017:781, Nr. 33.

( 7 ) Urteil vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy (C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 55 bis 58).

( 8 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. April 1976, Defrenne (43/75, EU:C:1976:56, Rn. 18 und 19), im Gegensatz zum Urteil vom 22. November 2005, Mangold (C‑144/04, EU:C:2005:709, Rn. 76).

( 9 ) Urteile vom 10. April 1984, von Colson und Kamann (14/83, EU:C:1984:153, Rn. 26), und vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 111 bis 119). Vgl. auch Urteile vom 24. Januar 2012, Dominguez (C‑282/10, EU:C:2012:33, Rn. 24), und vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a. (C‑212/04, EU:C:2006:443, Rn. 109).

( 10 ) Urteil vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 114).

( 11 ) Urteil vom 8. März 2011, Lesoochranárske zoskupenie (C‑240/09, EU:C:2011:125, Rn. 50 bis 52).

( 12 ) Dies gilt zumindest im Grundsatz, wenn man die konkreteren Fragen des zeitlichen Geltungsbereichs dieser Verpflichtung und der Bestimmung der für ihre Anwendung zuständigen Organe/Einrichtungen für einen Moment außer Acht lässt, auf die unten im Rahmen der Beantwortung der Fragen 1 und 3 des vorlegenden Gerichts eingegangen wird.

( 13 ) Siehe unten, Nrn. 72 bis 75.

( 14 ) Urteil vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy (C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 52 und 58).

( 15 ) Im Einzelnen unten, Nrn. 67 bis 75.

( 16 ) Vgl. z. B. Urteil vom 4. Dezember 1974, Van Duyn (41/74, EU:C:1974:133, Rn. 12).

( 17 ) Urteile vom 19. Januar 1982, Becker (8/81, EU:C:1982:7, Rn. 25), und vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 56 und 57).

( 18 ) Urteil vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 60).

( 19 ) Urteil vom 5. Februar 1963 (26/62, EU:C:1963:1).

( 20 ) Urteil vom 19. Dezember 1968 (13/68, EU:C:1968:54).

( 21 ) Die Urteile van Gend & Loos und Salgoil selbst betrafen Zölle und mengenmäßige Beschränkungen im engeren Sinne. Erst später wurde eine Erläuterung des zweiten Begriffs „Maßnahmen gleicher Wirkung“ notwendig. Vgl. z. B. Urteile vom 1. Juli 1969, Kommission/Italien (24/68, EU:C:1969:29), vom 11. Juli 1974, Dassonville (8/74, EU:C:1974:82), vom 5. Februar 1976, Conceria Bresciani (87/75, EU:C:1976:18), und vom 24. November 1982, Kommission/Irland (249/81, EU:C:1982:402).

( 22 ) Die Lehre unterscheidet in diesem Kontext zwischen einer „invocabilité d’exclusion“ (wörtlich sich berufen, um auszuschließen – d. h. eine Bestimmung des Unionsrechts, die hinreichend bestimmt ist, um eine Anwendung widersprechender nationaler Regelungen zu verhindern) und einer „invocabilité de substitution“ (wörtlich sich berufen, um [eine unionsrechtliche Regelung] zu ersetzen – d. h. ein Recht des Unionsrechts, das hinreichend ausgeformt ist, um die bestehende nationale Regelung zu ersetzen). Vgl. Prechal, S., „Member State Liability and Direct Effect: What’s the Difference After All?“, European Business Law Review, Bd. 17, 2006, S. 304. Innerhalb dieses theoretischen Rahmens liegt eine Form der „invocabilité d’éxclusion“ vor, wenn eine unionsrechtliche Vorschrift, die ein bestimmtes Handeln verbietet und herangezogen wird, um eine nationale Rechtsvorschrift unangewendet zu lassen. In diesen Fällen ist die Schwelle für eine unmittelbare Wirkung offenbar niedriger. Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache Linster (C‑287/98, EU:C:2000:3, Nr. 57).

( 23 ) Urteil vom 25. Februar 1999 (C‑131/97, EU:C:1999:98).

( 24 ) Urteil vom 8. April 1976, Defrenne (43/75, EU:C:1976:56, Rn. 30 bis 37).

( 25 ) Urteil vom 8. April 1976, Defrenne (43/75, EU:C:1976:56, Rn. 39).

( 26 ) Vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Trabucchi in der Rechtssache Defrenne (43/75, EU:C:1976:39, Entscheidungsvorschlag). Zunächst wurden die in dieser Vorschrift enthaltenen unbestimmten Begriffe erörtert. Es wurde festgestellt, dass die betreffende Bestimmung sich eindeutig an die Mitgliedstaaten richtet. Der Generalanwalt kam jedoch zu dem Schluss, dass innerhalb dieser breiteren Bestimmung ein engerer Gedanke auszumachen ist. Diesen Gedanken erkannte er im „Entgelt im engen Wortsinne und … nicht nur vergleichbare[n], sondern identische[n] Arbeitsleistungen“ und hielt ihn für unmittelbar anwendbar.

( 27 ) Urteil vom 4. Dezember 1974, Van Duyn (41/74, EU:C:1974:133, Rn. 6).

( 28 ) Urteil vom 19. Januar 1982, Becker (8/81, EU:C:1982:7, Rn. 28 bis 30).

( 29 ) Urteil vom 4. Dezember 1974, Van Duyn (41/74, EU:C:1974:133, Rn. 7 und 13). Vgl. auch Urteile vom 24. Oktober 1996, Kraaijeveld u. a. (C‑72/95, EU:C:1996:404, Rn. 59), vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 64), und vom 21. März 2013, Salzburger Flughafen (C‑244/12, EU:C:2013:203, Rn. 29 und 31).

( 30 ) Vgl. jeweils Urteile vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428, Rn. 19), vom 14. Juli 1994, Faccini Dori (C‑91/92, EU:C:1994:292, Rn. 17), bzw. vom 24. Januar 2012, Dominguez (C‑282/10, EU:C:2012:33, Rn. 35).

( 31 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. September 2000, Linster (C‑287/98, EU:C:2000:468, Rn. 37): „Dieser Entscheidungsspielraum, der dem Mitgliedstaat bei der Umsetzung dieser Bestimmung in nationales Recht zur Verfügung steht, schließt … nicht aus, dass gerichtlich überprüft werden kann, ob er diesen Spielraum überschritten hat“ (Hervorhebung nur hier).

( 32 ) Urteil vom 14. Juli 1994 (C‑91/92, EU:C:1994:292, Rn. 17). Vgl. auch Skouris, V., „Effet Utile Versus Legal Certainty: The Case-law of the Court of Justice on the Direct Effect of Directives“, European Business Law Review, Bd. 17, 2006, S. 242, wonach Unbedingtheit dann gegeben sei, wenn den Mitgliedstaaten kein Ermessensspielraum belassen werde, ob, wann und wie sie gesetzgeberisch tätig würden.

( 33 ) Dies ergibt sich ferner eindeutig aus dem Urteil des Gerichtshofs Edwards. In jenem Urteil verfolgte der Gerichtshof nicht das Ziel, den Begriff „übermäßig teuer“ mit einer absoluten Zahl zu beziffern, und schloss auch einen an einem „durchschnittlichen“ Kläger orientierten Ansatz aus. Stattdessen verwies er auf eine (nicht abschließende) Aufzählung der wichtigsten Gesichtspunkte, die im Rahmen der Anwendung der Regel zu berücksichtigen sind – vgl. Urteil vom 11. April 2013, Edwards und Pallikaropoulos (C‑260/11, EU:C:2013:221, Rn. 40 bis 43).

( 34 ) Urteil vom 21. März 2013 (C‑244/12, EU:C:2013:203).

( 35 ) Vgl. z. B. auch Urteil vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 105 bis 134), zum Begriff der „Beschäftigungsbedingungen“.

( 36 ) Dies steht somit im Kontext der vorliegenden Rechtssache im klaren Gegensatz zum Urteil vom 28. Juli 2016, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a. (C‑543/14, EU:C:2016:605, Rn. 50), das weiter unten in den Nrn. 57 bis 65 erörtert wird.

( 37 ) Hierin unterscheidet sich die vorliegende Rechtssache meines Erachtens eindeutig von derjenigen, die Gegenstand des von der irischen Regierung angeführten Urteils des irischen High Court (Hohes Gericht) Friends of the Curragh Environment/An Bord Pleanála, [2009] 4 IR 451, war, wonach Art. 10a keine unmittelbare Wirkung zukam. Nach meinem Verständnis begehrte der Kläger in jener Rechtssache in einem frühen Verfahrensabschnitt letztlich eine Kostenentscheidung, wonach er keinerlei Kosten des Beklagten zu tragen habe. Ich stimme mit dem Endergebnis überein, dass die Kostenregel keine unmittelbare Wirkung im Sinne der Gewährleistung der Anwendung eines bestimmten Verfahrensmittels hat, um sicherzustellen, dass die Kosten nicht übermäßig teuer sind. Mit anderen Worten bestand ein erhebliches Ermessen in Bezug auf das „Wie“.

( 38 ) Urteil vom 28. Juli 2016, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a. (C‑543/14, EU:C:2016:605).

( 39 ) Urteil vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy (C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 52), wo das Fehlen einer unmittelbaren Wirkung von Art. 9 Abs. 4 des Aarhus-Übereinkommens aus dem Urteil Ordre des barreaux francophones als Präzedenzentscheidung für das Fehlen einer unmittelbaren Wirkung gefolgert wurde, ohne diesen Punkt näher auszuführen.

( 40 ) Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

( 41 ) Urteil vom 28. Juli 2016, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a. (C‑543/14, EU:C:2016:605, Rn. 50 und 53 bis 54).

( 42 ) Vgl. Urteile vom 5. Februar 1976, Conceria Bresciani (87/75, EU:C:1976:18), vom 30. September 1987, Demirel (12/86, EU:C:1987:400), und vom 11. Mai 2000, Savas (C‑37/98, EU:C:2000:224).

( 43 ) Wiederum unter Außerachtlassung des zeitlichen Gesichtspunkts.

( 44 ) Urteil vom 28. Juli 2016, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a. (C‑543/14, EU:C:2016:605, Rn. 50).

( 45 ) Siehe oben, Nr. 31.

( 46 ) Siehe z. B. Urteil vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a. (C‑212/04, EU:C:2006:443, Rn. 110).

( 47 ) Urteile vom 12. Juli 1990, Foster u. a. (C‑188/89, EU:C:1990:313, Rn. 18 bis 20), und vom 10. Oktober 2017, Farrell (C‑413/15, EU:C:2017:745, Rn. 22 bis 29).

( 48 ) Urteil vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584). Hierauf weise ich ausgehend davon hin, dass ein nationales Gericht in derselben Rechtssache entweder die eine oder die andere, nicht aber beide Lösungen anwenden würde. Mit anderen Worten würde es nicht zum einen von einer unmittelbaren Wirkung der Kostenregel gegen den Mitgliedstaat ausgehen und zum anderen ihre horizontale Anwendung gegen eine andere private Partei ablehnen, zugleich aber der letzteren Partei über eine konforme Auslegung letztlich genau diese Verpflichtung auferlegen.

( 49 ) Vgl. Urteil vom 26. September 1996, Arcaro (C‑168/95, EU:C:1996:363, Rn. 42), das sich allerdings auf den Bereich des Strafrechts und der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als Folge einer konformen Auslegung beschränken dürfte. Vgl. z. B. Urteil vom 5. Juli 2007, Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:408, Rn. 45). Vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:86, insbesondere Nr. 65), wo klar bestätigt wird, dass „eine durch Bestimmungen des nationalen Rechts vermittelte, d. h. eine mittelbare Anwendung des Gemeinschaftsrechts zulasten des Einzelnen … zulässig [ist]“.

( 50 ) Vgl. auch unten, Nr. 104 der vorliegenden Schlussanträge.

( 51 ) Urteil vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 56).

( 52 ) Ich verwende hier bewusst die neutrale Formulierung „geltend machen“. Frage 1 konzentriert sich nur auf die zeitliche Dimension. Wie genau die Regel geltend gemacht wird (unmittelbare Wirkung oder konforme Auslegung), ist Gegenstand der Antwort auf Frage 2.

( 53 ) Urteile vom 12. November 1981, Meridionale Industria Salumi u. a. (212/80 bis 217/80, EU:C:1981:270, Rn. 9), vom 6. Juli 1993, CT Control (Rotterdam) und JCT Benelux/Kommission (C‑121/91 und C‑122/91, EU:C:1993:285, Rn. 22), und vom 14. Februar 2012, Toshiba Corporation u. a. (C‑17/10, EU:C:2012:72, Rn. 47).

( 54 ) Urteile vom 6. Juli 2010, Monsanto Technology (C‑428/08, EU:C:2010:402, Rn. 66), und vom 16. Dezember 2010, Stichting Natuur en Milieu u. a. (C‑266/09, EU:C:2010:779, Rn. 32). Vgl. auch Urteile vom 10. Juli 1986, Licata/WSA (270/84, EU:C:1986:304, Rn. 31), und vom 29. Januar 2002, Pokrzeptowicz-Meyer (C‑162/00, EU:C:2002:57, Rn. 50).

( 55 ) Urteil vom 7. November 2013, Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712).

( 56 ) Urteil vom 11. April 2013, Edwards und Pallikaropoulos (C‑260/11, EU:C:2013:221).

( 57 ) Urteile vom 26. September 1996, Data Delecta und Forsberg (C‑43/95, EU:C:1996:357, Rn. 15), und vom 2. Oktober 1997, Saldanha und MTS (C‑122/96, EU:C:1997:458, Rn. 16 und 17).

( 58 ) Sicherheitsleistungen für Kosten verfallen grundsätzlich nur, wenn die die Sicherheit leistende Partei im Verfahren in der Sache unterliegt. Die Fragestellung in jenen Rechtssachen war eher diejenige einer Diskriminierung aufgrund der Nationalität im Rahmen der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für Kosten.

( 59 ) Vgl. allgemeiner zur zeitlichen Anwendbarkeit des Unionsrechts in neuen Mitgliedstaaten auf Fälle, die sich auf Zeiträume vor und nach dem Beitritt erstrecken, meine Schlussanträge in der Rechtssache Nemec (C‑256/15, EU:C:2016:619, Nrn. 27 bis 44).

( 60 ) Im Sinne der oben in Fn. 47 angeführten Rechtsprechung.

( 61 ) Siehe oben, Nr. 74 der vorliegenden Schlussanträge.

( 62 ) So auch, wenn jede Partei, einschließlich beigeladener Beteiligter, verpflichtet wäre, vor dem Erlass einer eindeutigen entsprechenden Regelung im nationalen Recht unabhängig vom materiellen Ausgang des Verfahrens ihre eigenen Kosten zu tragen.

( 63 ) Ich halte nicht für ausgeschlossen, dass in einem solchen Fall die berechtigten Erwartungen vom nationalen Gericht tatsächlich in Betracht gezogen werden, um zu vermeiden, dass sich aus einer konformen Auslegung im Licht einer nicht umgesetzten Kostenregel finanzielle Verpflichtungen für private Prozessparteien ergeben.

( 64 ) Siehe z. B. Urteil vom 11. November 2015, Klausner Holz Niedersachsen (C‑505/14, EU:C:2015:742, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 65 ) Urteile vom 13. Januar 2004, Kühne & Heitz (C‑453/00, EU:C:2004:17, Rn. 28), und vom 18. Juli 2007, Lucchini (C‑119/05, EU:C:2007:434, Rn. 63). Vgl. hierzu den wohl als allgemein anzusehenden Ansatz in den Urteilen vom 1. Juni 1999, Eco Swiss (C-126/97, EU:C:1999:269, Rn. 46 und 47), und vom 16. März 2006, Kapferer (C‑234/04, EU:C:2006:178, Rn. 21).

( 66 ) Urteil des irischen High Court (Hohes Gericht) vom 21. November 2007, Kavanagh (HC IEHC [2007] 389-Record No. 2007/1269 P).

( 67 ) Außerdem erging die gerichtliche Kostenentscheidung gegen Herrn Klohn (von 2008) vor dem Urteil vom 16. Juli 2009, Kommission/Irland (C‑427/07, EU:C:2009:457), in dem der Gerichtshof feststellte, dass die Kostenregel von Irland nicht umgesetzt worden war. Die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der nationalen Kostenvorschriften dürfte ein wichtiger Gesichtspunkt sein, der bis nach Ablauf der Frist zur Anfechtung der Kostenentscheidung nicht geklärt war.

( 68 ) Siehe z. B. Urteil vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 39).

( 69 ) Urteil vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 40).

( 70 ) Urteil vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 98).

( 71 ) Urteil vom 22. Juni 1989, Costanzo (103/88, EU:C:1989:256, Rn. 30 bis 33).

( 72 ) Urteil vom 22. Juni 1989, Costanzo (103/88, EU:C:1989:256, Rn. 31).

( 73 ) Urteil vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 99).

( 74 ) Urteile vom 12. Juni 1990, Deutschland/Kommission (C‑8/88, EU:C:1990:241, Rn. 13), vom 13. Januar 2004, Kühne & Heitz (C‑453/00, EU:C:2004:17, Rn. 20), und vom 12. Februar 2008, Kempter (C‑2/06, EU:C:2008:78, Rn. 34).

( 75 ) Urteil vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 111).

( 76 ) Urteile vom 16. Dezember 1976, Rewe-Zentralfinanz und Rewe-Zentral (33/76, EU:C:1976:188, Rn. 5), vom 16. Dezember 1976, Comet (45/76, EU:C:1976:191, Rn. 13), vom 14. Dezember 1995, Peterbroeck (C‑312/93, EU:C:1995:437, Rn. 12), vom 13. März 2007, Unibet (C‑432/05, EU:C:2007:163, Rn. 39), vom 7. Juni 2007, van der Weerd u. a. (C‑222/05 bis C‑225/05, EU:C:2007:318, Rn. 28), und vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 44).

( 77 ) Urteil vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 46 und 48).