Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

27. November 2018(*)

„Institutionelles Recht – Europäisches Parlament – Beschluss, mit dem bestimmte Ausgaben einer politischen Partei für die Zwecke einer Finanzhilfe im Rahmen des Haushaltsjahrs 2015 für nicht erstattungsfähig erklärt werden – Recht auf eine gute Verwaltung – Rechtssicherheit – Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 – Verbot der indirekten Finanzierung einer nationalen politischen Partei“

In der Rechtssache T‑829/16

Mouvement pour une Europe des nations et des libertés mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Varaut,

Kläger,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch C. Burgos und S. Alves als Bevollmächtigte,

Beklagter,

wegen einer Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses des Europäischen Parlaments vom 12. September 2016, mit dem bestimmte Ausgaben für die Zwecke einer Finanzhilfe im Rahmen des Haushaltsjahrs 2015 für nicht erstattungsfähig erklärt werden,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins (Berichterstatter) sowie der Richter R. Barents und J. Passer,

Kanzler: M. Marescaux, Verwaltungsrätin,

auf das schriftliche Verfahren und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2018

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 10. Juni 2015 startete das Mouvement pour une Europe des nations et des libertés, der Kläger, eine Kampagne über die Einwanderung im Rahmen des Schengener Übereinkommens (im Folgenden: Kampagne). Die französische Fassung eines Plakats dieser Kampagne enthielt das Logo des Klägers sowie das Logo einer Flamme in Verbindung mit der Bezeichnung „Front National“. Darüber hinaus enthielt die niederländische Sprachfassung dieses Plakats das Logo des Klägers sowie jenes des Vlaams Belang.

2        In ihrem Jahresbericht über die Rechnungsprüfung der europäischen politischen Parteien für das Jahr 2015, der am 25. April 2016 angenommen wurde, gab eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft an, sie habe keine hinreichenden und objektiven Beweise erhalten, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Ausgaben für die Kampagne erstattungsfähig seien, was zu einer Verringerung der vom Europäischen Parlament gewährten Finanzhilfe führen könne.

3        Auf Aufforderung des Parlaments legte der Kläger dem Parlament am 10. Juni 2016 eine Kopie der streitigen Plakate vor.

4        Mit Schreiben vom 22. Juli 2016 teilte das Parlament dem Kläger mit, dass die betreffenden Ausgaben möglicherweise nicht erstattungsfähig seien, da es sich dabei um eine indirekte Finanzierung von zwei nationalen Parteien handele, soweit diese keinen Beitrag zur Finanzierung der Kampagne geleistet hätten. Eine solche Finanzierung könne gegen Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung verstoßen (ABl. 2003, L 297, S. 1). Daher forderte das Parlament den Kläger auf, sich zu dieser angeblichen Unregelmäßigkeit vor dem 22. August 2016 zu äußern.

5        Am 27. Juli 2016 ersuchte der Kläger das Parlament um bestimmte zusätzliche Angaben vor allem über Präzedenzfälle für diese Art von Unregelmäßigkeiten.

6        Am 10. August 2016 antwortete das Parlament dem Kläger und teilte ihm auch mit, dass die Frist für die Vorlage seiner Stellungnahme bis 2. September 2016 verlängert worden sei.

7        Am 2. September 2016 übermittelte der Kläger seine Stellungnahme.

8        Am 5. September 2016 richtete der Generalsekretär ein Schreiben an das Präsidium des Parlaments und forderte es auf, die abschließende Entscheidung über den Rechnungsabschluss einer Reihe von politischen Parteien auf europäischer Ebene, darunter den Kläger, für das Haushaltsjahr 2015 zu erlassen. In diesem Schreiben hieß es, die Abschlussberichte und alle sonstigen Dokumente betreffend den Jahresabschluss für dieses Haushaltsjahr stünden den Mitgliedern des Präsidiums des Parlaments auf Anfrage zur Verfügung.

9        Am 7. September 2016 übermittelten die Dienststellen des Parlaments dem Präsidenten des Parlaments die Stellungnahme des Klägers und führten aus, diese habe keine Auswirkungen auf den Standpunkt des Parlaments gehabt.

10      In seiner Sitzung vom 12. September 2016 prüfte das Präsidium des Parlaments den Abschlussbericht, den der Kläger nach Abschluss seiner Jahresrechnung für das Haushaltsjahr 2015 vorgelegt hatte. Es erklärte den mit der Kampagne im Zusammenhang stehenden Betrag von 63 853 Euro für nicht erstattungsfähig und setzte den endgültigen Betrag der dem Kläger gewährten Finanzhilfe auf 400 777,83 Euro fest (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

11      Am 26. September 2016 teilte das Parlament dem Kläger den angefochtenen Beschluss mit.

 Verfahren und Anträge der Parteien

12      Mit Klageschrift, die am 25. November 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

13      Mit besonderem Schriftsatz, der am 7. Februar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Parlament eine Einrede der Unzulässigkeit nach Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben.

14      Der Kläger hat seine Stellungnahme zu dieser Einrede am 17. und 27. März 2017 eingereicht.

15      Mit Beschluss vom 2. Mai 2017 ist die Entscheidung über die Unzulässigkeitseinrede dem Endurteil vorbehalten worden.

16      Der Kläger beantragt im Wesentlichen,

–        die Einrede der Unzulässigkeit der Klage zurückzuweisen;

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.

17      Das Parlament beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

18      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Achte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung zur Vorlage bestimmter Unterlagen und zur Beantwortung bestimmter schriftlicher Fragen vor der mündlichen Verhandlung aufgefordert. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

19      Die Parteien haben in der Sitzung vom 26. Juni 2018 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

20      Das Parlament erhebt eine Einrede der Unzulässigkeit wegen einer Verletzung von Art. 263 AEUV und Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung.

21      Zum einen wirft das Parlament dem Kläger vor, Klage gegen das Präsidium des Parlaments erhoben zu haben, das weder ein Organ noch eine Einrichtung noch eine sonstige Stelle der Union im Sinne von Art. 263 AEUV sei. Daher sei das Gericht für die Entscheidung über diese Klage unzuständig.

22      Zum anderen macht das Parlament geltend, die Klageschrift erfülle die Anforderungen von Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung nach der Auslegung der Rechtsprechung nicht, da sie die geltend gemachten Klagegründe nicht angebe und eine kurze Darstellung der Klagegründe, um ihm die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens zu ermöglichen, nicht enthalte. Es weist vor allem darauf hin, dass die Klageschrift, obschon sie einen Abschnitt mit der Überschrift „Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung“ enthalte, der sich mit einer angeblichen Verletzung von Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) befasse, auch einen Abschnitt mit der Überschrift „Begründetheit“ enthalte, der der längste Abschnitt der Klageschrift sei und in dem kein Klagegrund angegeben werde.

23      Der Kläger tritt dem Vorbringen des Parlaments entgegen.

24      Was die erste Rüge des Parlaments betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht für die Entscheidung über Klagen zuständig ist, die nach Art. 263 AEUV nur gegen Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Europäischen Union gerichtet sind.

25      Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Klage gegen den angefochtenen Beschluss gerichtet ist, der am 12. September 2016 von der nach den internen Vorschriften des Parlaments zuständigen Einrichtung, nämlich von seinem Präsidium, erlassen und dem Kläger am 26. September 2016 mitgeteilt wurde. Daraus folgt, dass ein Antrag auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses notwendigerweise gegen das Parlament, das den Rechtsakt erlassen hat, gerichtet ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. September 2012, Farage/Parlament und Buzek, T‑564/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:403, Rn. 18).

26      Zweitens wies das Parlament, als es dem Kläger den angefochtenen Beschluss zur Kenntnis brachte, ausdrücklich darauf hin, dass dieser Klage auf Nichtigerklärung „des Beschlusses des Präsidiums des Parlaments“ vor dem Gericht erheben könne.

27      Drittens ist im Einklang mit der Rechtsprechung darauf hinzuweisen, dass der Kläger in seiner Stellungnahme zur Unzulässigkeit ausgeführt hat, dass die Klage als gegen das Parlament gerichtet anzusehen sei, ohne weiterhin auf der Bezeichnung des Präsidiums des Europäischen Parlaments als Beklagten zu beharren (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 16. Oktober 2006, Aisne und Nature/Kommission, T‑173/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2006:320, Rn. 17 und 20).

28      Viertens lässt die in der Klageschrift enthaltene Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses, der am 12. September 2016 erlassen und am 26. September 2016 mitgeteilt wurde, keinen Zweifel daran, dass der Kläger die Klage von Anfang an gegen das Parlament richten wollte. Die oben in Rn. 27 erwähnte Angabe ist daher insoweit als Klarstellung anzusehen und nicht als Änderung oder Behebung eines Mangels der Klageschrift, die einen der in Art. 76 der Verfahrensordnung genannten Punkte betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2004, Spanien und Finnland/Parlament und Rat, C‑184/02 und C‑223/02, EU:C:2004:497, Rn. 17).

29      Fünftens hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass seine Klage gegen den am 12. September 2016 erlassenen angefochtenen Beschluss, also einen Rechtsakt des Parlaments, gerichtet sei.

30      Diese Elemente ermöglichen die eindeutige Feststellung, dass die Klage im Sinne von Art. 263 AEUV gegen das Parlament erhoben wird.

31      Schließlich ist festzustellen, dass sich die vorliegende Rechtssache von jenen unterscheidet, in denen die vom Parlament angeführten Beschlüsse vom 18. September 2015, Petrov u. a./Parlament und Präsident des Parlaments (T‑452/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:709), und vom 4. Februar 2016, Voigt/Parlament (T‑618/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:72), ergangen sind, in denen die Klagen gegen den Präsidenten des Parlaments und gegen das Parlament erhoben worden waren. In diesen Rechtssachen hat sich das Gericht nämlich darauf beschränkt, die Klagen als teilweise unzulässig abzuweisen, soweit sie gegen den Präsidenten des Parlaments gerichtet waren, und seine inhaltliche Prüfung fortgesetzt, soweit sie auch gegen das Parlament gerichtet waren, und dabei, anders als im vorliegenden Fall, nicht geprüft, gegen wen sich die Klage tatsächlich richtete.

32      Nach alledem ist die erste vom Parlament erhobene Unzulässigkeitsrüge zurückzuweisen.

33      Hinsichtlich der zweiten Rüge des Parlaments ist darauf hinzuweisen, dass die Klageschrift gemäß Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung die geltend gemachten Klagegründe und Argumente sowie eine kurze Darstellung dieser Klagegründe enthält.

34      Nach ständiger Rechtsprechung muss diese Darstellung unabhängig von Fragen der Terminologie so klar und genau sein, dass der Beklagte seine Verteidigung vorbereiten und das Gericht – gegebenenfalls ohne Einholung weiterer Informationen – über die Klage entscheiden kann. Um die Rechtssicherheit und eine geordnete Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben (vgl. Urteil vom 6. Oktober 2015, Corporación Empresarial de Materiales de Construcción/Kommission, T‑250/12, EU:T:2015:749, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Im vorliegenden Fall enthält die Klageschrift, wie das Parlament selbst einräumt, einen Teil mit der Überschrift „Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung“. Zudem wird in diesem Teil insbesondere auf Art. 41 der Charta Bezug genommen. Ferner geht aus den Rn. 22 bis 42 der Klageschrift hervor, dass der Kläger dem Parlament vor allem vorwirft, seinem Entscheidungsgremium, nämlich seinem Präsidium, die Stellungnahme des Klägers nicht vor Erlass des angefochtenen Beschlusses übermittelt zu haben. Es handelt sich um den ersten vom Kläger geltend gemachten Klagegrund.

36      Der Teil mit der Überschrift „Begründetheit“ ist in drei Unterabschnitte gegliedert. Der erste Unterabschnitt trägt die Überschrift „Finanzierung einer nationalen politischen Partei: ein unscharfer Begriff, der zu Rechtsunsicherheit führt“. Es geht auch aus den Rn. 44 bis 57 der Klageschrift, die sich darauf beziehen, hervor, dass der Kläger der Ansicht ist, das Verbot der indirekten Finanzierung einer nationalen politischen Partei nach Art. 7 der Verordnung Nr. 2004/2003 verstoße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Es handelt sich also um den zweiten vom Kläger geltend gemachten Klagegrund.

37      In der mündlichen Verhandlung hat das Parlament vor allem vorgetragen, in der Klageschrift werde ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit nicht ausdrücklich gerügt, und daher müsse ein Klagegrund, mit dem der Verstoß gegen diesen Grundsatz geltend gemacht werde, als unzulässig zurückgewiesen werden. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Verstoß gegen diesen Grundsatz ausdrücklich in der Überschrift des ersten Unterabschnitts geltend gemacht wird, wie oben in Rn. 36 sowie in den Rn. 43 und 52 der Klageschrift ausgeführt. Ferner hat das Parlament in den Rn. 32 bis 39 der Klagebeantwortung auf die vom Kläger vorgebrachten Argumente geantwortet. Daher sind die in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Argumente zurückzuweisen.

38      Schließlich tragen der zweite und der dritte Unterabschnitt des Teils mit der Überschrift „Begründetheit“ jeweils die Überschriften „Die Umsetzung einer europäischen Kampagne in den Mitgliedstaaten“ und „Ein Logo im rechtmäßigen Format“. Aus den Rn. 58 bis 81 der Klageschrift, die sich darauf beziehen, geht auch hervor, dass der Kläger im Wesentlichen geltend macht, das Parlament habe im angefochtenen Beschluss die betreffenden Ausgaben falsch beurteilt, indem es sie für nicht ersatzfähig erklärt habe, da sie eine indirekte Finanzierung einer nationalen politischen Partei im Sinne von Art. 7 der Verordnung Nr. 2004/2003 darstellten. Es handelt sich somit um den dritten vom Kläger geltend gemachten Klagegrund.

39      Daher erfüllt die Klageschrift die Mindestanforderungen der Rechtsprechung im Licht von Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung. Im Übrigen ist festzustellen, dass das Parlament in der Lage war, die Klagegründe und das Vorbringen des Klägers zu erkennen, um sie in seinen eigenen Schriftsätzen zu bestreiten. Daher ist die zweite Unzulässigkeitsrüge zurückzuweisen.

40      Nach alledem ist die vom Parlament erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

41      Zur Stützung seines Antrags auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses macht der Kläger im Wesentlichen drei Klagegründe geltend, und zwar erstens einen Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung, zweitens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und drittens einen Verstoß gegen Art. 7 der Verordnung Nr. 2004/2003.

 Zum Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung

42      Mit dem ersten Klagegrund macht der Kläger einen Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung, insbesondere eine Verletzung des Rechts auf unparteiische und gerechte Behandlung seiner Angelegenheiten und des Rechts, gehört zu werden, die in Art. 41 der Charta verankert sind, geltend. Das Entscheidungsgremium, nämlich das Präsidium des Parlaments, habe das streitige Plakat nicht geprüft, seine Stellungnahme, die ihm nicht zur Kenntnis gebracht worden sei, nicht berücksichtigt und sich nur auf ein parteiisches Schreiben des Generalsekretärs gestützt. Der Kläger macht geltend, dass er die Möglichkeit hätte haben müssen, sich vor diesem Präsidium zu verteidigen, zumindest schriftlich. Zudem bestreitet er, dass die Arbeit der Dienststellen des Parlaments als rein vorbereitend angesehen werden könne, da diese Dienststellen die relevanten Dokumente analysierten und diesem Präsidium Vorschläge unterbreiteten, das keine Kenntnis dieser Dokumente und der Argumente des Klägers habe und daher dem ihm vorgelegten Vorschlag nur folgen könne.

43      Der Kläger fügt hinzu, dies sei auch eine Verletzung von Art. 16 des mit Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. September 2001 gebilligten Europäischen Kodex für gute Verwaltungspraxis (ABl. 2002, C 72 E, S. 331, im Folgenden: Europäischer Kodex für gute Verwaltungspraxis), der das Recht auf Anhörung und Abgabe von Erklärungen gewährleiste.

44      Schließlich ist der Kläger der Ansicht, das Parlament habe gegen Art. 8 des Beschlusses des Präsidiums des Parlaments vom 29. März 2004 mit Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung Nr. 2004/2003 in geänderter Fassung (ABl. 2014, C 63, S. 1, im Folgenden: Beschluss des Präsidiums des Parlaments vom 29. März 2004) verstoßen, wonach dieses Präsidium dem Empfänger die Möglichkeit gebe, zu den festgestellten Unregelmäßigkeiten Stellung zu nehmen, bevor es einen Beschluss fasse. In der Erwiderung führt er aus, das Schreiben des Parlaments vom 22. Juli 2016 nehme ausdrücklich auf diese Vorschrift Bezug.

45      Das Parlament tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

46      Nach Art. 41 („Recht auf eine gute Verwaltung“) Abs. 1 der Charta hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen und Einrichtungen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden.

47      Zudem umfasst das Recht auf eine gute Verwaltung nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta insbesondere das Recht jeder Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird.

48      Nach der Rechtsprechung folgt aus dem Grundsatz der guten Verwaltung vor allem die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juni 2017, Schniga/CPVO, C‑625/15 P, EU:C:2017:435, Rn. 47).

49      Das Unparteilichkeitsgebot umfasst zum einen die subjektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass kein Mitglied des betroffenen Organs, das mit der Sache befasst ist, Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile an den Tag legen darf, und zum anderen die objektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass das Organ hinreichende Garantien bieten muss, um jeden berechtigten Zweifel in dieser Hinsicht auszuschließen (Urteil vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 155). Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass die subjektive Unparteilichkeit bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird (vgl. entsprechend Urteile vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a., C‑341/06 P und C‑342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 54, und vom 19. Februar 2009, Gorostiaga Atxalandabaso/Parlament, C‑308/07 P, EU:C:2009:103, Rn. 46).

50      Aus der Rechtsprechung ergibt sich auch, dass die Wahrung der Verteidigungsrechte einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, der anwendbar ist, wann immer die Verwaltung beabsichtigt, gegenüber einer Person eine sie beschwerende Maßnahme zu erlassen. Nach diesem Grundsatz müssen die Adressaten von Entscheidungen, die ihre Interessen spürbar beeinträchtigen, in die Lage versetzt werden, ihren Standpunkt zu den Elementen, auf die die Verwaltung ihre Entscheidung zu stützen beabsichtigt, sachdienlich vorzutragen. Zu diesem Zweck müssen sie eine ausreichende Frist erhalten (Urteil vom 18. Dezember 2008, Sopropé, C‑349/07, EU:C:2008:746, Rn. 36 und 37).

51      Im Licht dieser Grundsätze ist der erste Klagegrund zu prüfen.

52      Was die Rüge eines Verstoßes gegen die Pflicht betrifft, alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls sorgfältig und unparteiisch zu prüfen, ist darauf hinzuweisen, dass das Parlament am 10. Juni 2016 eine Kopie der Plakate der Kampagne erhielt. Zudem forderte es den Kläger auf, seine Stellungnahme zur Nichterstattungsfähigkeit der streitigen Ausgaben vor dem 22. August 2016 abzugeben, wobei diese Frist in der Folge bis zum 2. September 2016 verlängert wurde. Am 5. September 2016 richtete der Generalsekretär des Parlaments ein Schreiben an das Präsidium des Parlaments und forderte es auf, die streitigen Ausgaben für nicht erstattungsfähig zu erklären. Er fügte hinzu, der Abschlussbericht und alle sonstigen Dokumente betreffend den Jahresabschluss für das Haushaltsjahr 2015 stünden auf Anfrage zur Verfügung. Zudem wurde die Stellungnahme des Klägers vom 2. September 2016 berücksichtigt, wie aus der E‑Mail der Dienststellen des Parlaments an den Präsidenten vom 7. September 2016 hervorgeht und wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, wenngleich er geltend macht, sie sei nicht von der richtigen Organisationseinheit geprüft worden.

53      Es ist klarzustellen, dass die Dienststellen des Parlaments die Stellungnahme des Klägers mit derselben E‑Mail vom 7. September 2016 dem Präsidenten des Parlaments übermittelten, der nach Art. 24 der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Geschäftsordnung des Parlaments eines der Mitglieder des Präsidiums ist, und hinzufügten, dass sie keine Auswirkungen auf den Vorschlag gehabt habe, die streitigen Ausgaben gegebenenfalls für nicht erstattungsfähig zu erklären. Vor diesem Hintergrund erließ das Parlament am 12. September 2016 den angefochtenen Beschluss.

54      Demnach hat das Parlament die erforderlichen Daten erhoben, um seine Entscheidung gerecht und unparteiisch zu treffen.

55      Zudem kann der für den Erlass des angefochtenen Beschlusses zuständigen Einrichtung, nämlich dem Präsidium des Parlaments, nicht vorgeworfen werden, sich auf die vorbereitenden Arbeiten der Dienststellen des Organs zu stützen. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass es dem Parlament freistehe, sich auf die vorbereitenden Arbeiten seiner Dienststellen zu stützen. Es kann dem Parlament auch nicht vorgeworfen werden, auf Vorschlag seines Generalsekretärs zu handeln, was im Übrigen in Art. 224 der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Geschäftsordnung des Parlaments vorgesehen ist. Zudem ist festzustellen, dass mit dem Schreiben dieses Generalsekretärs vom 5. September 2016 die Mitglieder dieses Präsidiums davon in Kenntnis gesetzt wurden, dass alle relevanten Dokumente, also einschließlich der Stellungnahme des Klägers, auf Anfrage zur Verfügung stünden.

56      Auch das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Argument, wonach die E‑Mail vom 7. September 2016 zeige, dass der angefochtene Beschluss de facto von den Dienststellen des Parlaments erlassen worden sei und nicht von der zuständigen Einrichtung, nämlich dem Präsidium des Parlaments, ist zurückzuweisen. In dieser von diesen Dienststellen an den Präsidenten des Parlaments gerichteten E‑Mail wird ausdrücklich bestätigt, dass die Stellungnahme des Klägers von diesen Dienststellen geprüft worden sei, dass sie keine Auswirkungen auf den vom Generalsekretär an das Präsidium übermittelten Vorschlag gehabt habe und dass sie dem Präsidenten, einem Mitglied dieses Präsidiums, tatsächlich übermittelt worden sei.

57      Darüber hinaus trägt der Kläger keine Argumente vor, die die objektive oder subjektive Unparteilichkeit des Parlaments im Sinne der oben in Rn. 49 angeführten Rechtsprechung in Frage stellen könnten.

58      Daher ist die Rüge, mit der eine Verletzung von Art. 41 Abs. 1 der Charta geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

59      Was die Rüge angeht, das Recht, gehört zu werden, sei verletzt worden, ist festzustellen, dass der Kläger nach den Ausführungen oben in Rn. 52 in der Lage war, seine Stellungnahme zur möglichen Nichterstattungsfähigkeit der streitigen Ausgaben abzugeben. Zudem spricht entgegen dem Vorbringen des Klägers, wie oben aus Rn. 55 hervorgeht, nichts dagegen, dass sich das Präsidium des Parlaments auf die vorbereitenden Arbeiten dieses Organs stützt oder auf Vorschlag des Generalsekretärs dieses Organs handelt. Schließlich ist erneut darauf hinzuweisen, dass die Stellungnahme des Klägers von diesen Dienststellen dem Präsidenten des Parlaments übermittelt wurde und für die Mitglieder des Präsidiums auf Anfrage zur Verfügung stand.

60      Daher ist die Rüge zurückzuweisen, mit der eine Verletzung von Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta geltend gemacht wird.

61      Was die Verletzung von Art. 16 des Europäischen Kodex für gute Verwaltungspraxis angeht, ist darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift das Recht auf Anhörung und Abgabe von Erklärungen gewährleistet. Daher ist diese Rüge unabhängig davon, dass dieser Rechtstext für das Parlament, das ihn mit Entschließung vom 6. September 2001 beschlossen hat, rechtlich verbindlich ist, aus den oben in Rn. 59 angeführten Gründen zurückzuweisen.

62      Was schließlich den Verstoß gegen den Beschluss des Präsidiums des Parlaments vom 29. März 2004 angeht, so genügt unabhängig von der Frage, ob Art. 7 oder Art. 8 anwendbar ist, die Feststellung, dass der Kläger im Wesentlichen die Verletzung des Rechts, gehört zu werden, geltend macht, das in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommt. Daher ist diese Rüge aus den oben in Rn. 59 angeführten Gründen zurückzuweisen.

63      Nach alledem ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

64      Mit seinem zweiten Klagegrund macht der Kläger im Wesentlichen geltend, das in Art. 7 der Verordnung Nr. 2004/2003 festgelegte Verbot der indirekten Finanzierung nationaler politischer Parteien verstoße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Insbesondere vertritt er die Ansicht, jede mit den Geldern einer politischen Partei auf europäischer Ebene geführte Kampagne sei geeignet, die Maßnahmen einer nationalen politischen Partei indirekt zu unterstützen. Daher kritisiert er, der angefochtene Beschluss stütze sich auf diesen vagen Begriff, um die streitigen Ausgaben für nicht erstattungsfähig zu erklären.

65      Das Parlament tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

66      Auch wenn der Kläger keine förmliche Einrede der Rechtswidrigkeit nach Art. 277 AEUV erhebt, ist einleitend festzustellen, dass er im Wesentlichen geltend macht, Art. 7 der Verordnung Nr. 2004/2003, der als Grundlage für den Erlass des angefochtenen Beschlusses gedient habe, verstoße gegen den allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit. Insoweit ist klarzustellen, dass das Unionsrecht nicht vorschreibt, dass eine Einrede der Rechtswidrigkeit förmlich zu erheben ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. September 2016, Yanukovych/Rat, T‑346/14, EU:T:2016:497, Rn. 56, und vom 15. September 2016, Yanukovych/Rat, T‑348/14, EU:T:2016:508, Rn. 57). Nach der Rechtsprechung kann davon ausgegangen werden, dass eine Einrede der Rechtswidrigkeit implizit erhoben wurde, sofern sich aus der Klageschrift relativ eindeutig ergibt, dass der Kläger eine solche Rüge erhoben hat (Urteil vom 6. Juni 1996, Baiwir/Kommission, T‑262/94, EU:T:1996:75, Rn. 37). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Untersuchung der Rn. 44 ff. der Klageschrift, dass der Kläger implizit eine Einrede der Rechtswidrigkeit erhoben hat. Im Übrigen geht aus Rn. 33 der Klagebeantwortung hervor, dass das Parlament in der Lage war, die Tragweite der vom Kläger erhobenen Rüge genau zu verstehen. Daher ist der zweite Klagegrund in der Sache zu prüfen.

67      Nach Art. 7 der Verordnung Nr. 2004/2003 dürfen die Mittel, die politische Parteien auf europäischer Ebene aus dem Gesamthaushaltsplan der Union oder aus anderen Quellen erhalten, nicht der unmittelbaren oder mittelbaren Finanzierung anderer politischer Parteien und insbesondere nicht von nationalen politischen Parteien oder Kandidaten dienen.

68      Nach der Rechtsprechung gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts zählt, dass Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sind, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Februar 1996, Duff u. a., C‑63/93, EU:C:1996:51, Rn. 20, vom 7. Juni 2007, Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, C‑76/06 P, EU:C:2007:326, Rn. 79, und vom 18. November 2008, Förster, C‑158/07, EU:C:2008:630, Rn. 67).

69      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Bedeutung des Begriffs der Vorhersehbarkeit in hohem Maß vom Inhalt der in Rede stehenden Vorschriften, von dem durch sie geregelten Bereich sowie von der Zahl und der Eigenschaft ihrer Adressaten abhängt. Der Vorhersehbarkeit des Gesetzes steht nicht entgegen, dass die betreffende Person gezwungen ist, fachkundigen Rat einzuholen, um unter den Umständen des konkreten Falles angemessen zu beurteilen, welche Folgen sich aus einer bestimmten Handlung ergeben können (Urteil vom 21. September 2017, Eurofast/Kommission, T‑87/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:641, Rn. 98).

70      Wie das Parlament vorträgt, steht der Grundsatz der Rechtssicherheit zudem einem der zuständigen Verwaltung durch das Unionsrecht verliehenen Ermessen oder der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht entgegen, die im Einzelfall von dieser Verwaltung ausgelegt und angewendet werden müssen, unbeschadet der Kontrolle durch den Unionsrichter (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 22. Mai 2008, Evonik Degussa/Kommission, C‑266/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:295, Rn. 45, und vom 8. Juli 2008, AC‑Treuhand/Kommission, T‑99/04, EU:T:2008:256, Rn. 163).

71      Im Übrigen können diese sich aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ergebenden Anforderungen jedoch nicht so verstanden werden, dass eine einen unbestimmten Rechtsbegriff verwendende Rechtsvorschrift die verschiedenen konkreten Fälle nennen muss, in denen sie Anwendung finden kann, da der Gesetzgeber nicht jeden dieser Fälle im Voraus bestimmen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Juli 2017, Marco Tronchetti Provera u. a., C‑206/16, EU:C:2017:572, Rn. 42).

72      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das in Art. 7 der Verordnung Nr. 2004/2003 enthaltene Verbot der direkten oder indirekten Finanzierung von nationalen politischen Parteien eindeutig ist. Überdies ist das Verbot der indirekten Finanzierung die logische Folge des Verbots der direkten Finanzierung, da dieses Verbot andernfalls leicht umgangen werden könnte. Was den Inhalt des Verbots der indirekten Finanzierung angeht, ist festzustellen, dass es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt und dass die fragliche Vorschrift keine abschließende Definition des Begriffs oder eine Liste von Verhaltensweisen enthält, die in den Anwendungsbereich des Verbots fallen können. Jedoch ist festzustellen, dass, wie das Parlament geltend macht, ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein muss, vorauszusehen, dass eine indirekte Finanzierung vorliegt, wenn eine nationale politische Partei insbesondere dadurch einen finanziellen Vorteil erhält, dass sie die von ihr zu tragenden Ausgaben vermeidet, auch wenn kein direkter Transfer von Mitteln stattgefunden hat. Mit anderen Worten kann nicht hingenommen werden, dass eine umsichtige politische Partei auf europäischer Ebene nicht in der Lage sein sollte, vorherzusehen, dass die Gewährung eines wie auch immer gearteten Vorteils an eine nationale politische Partei, ohne dass diese die Kosten trägt, eine indirekte Finanzierung von deren Tätigkeiten darstellt.

73      Nach alledem ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum Verstoß gegen Art. 7 der Verordnung Nr. 2004/2003

74      Mit dem dritten Klagegrund macht der Kläger geltend, der angefochtene Beschluss habe hauptsächlich aus zwei Gründen zu Unrecht festgestellt, dass die Ausgaben für das streitige Plakat eine indirekte Finanzierung von nationalen politischen Parteien gemäß Art. 7 der Verordnung Nr. 2004/2003 darstellten.

75      Zum einen setze das streitige Plakat eine Kampagne mit europäischer Tragweite um, die am Sitz des Parlaments in Straßburg (Frankreich) am 10. Juni 2015 gestartet worden sei, um die Unionsbürger auf die negativen Auswirkungen des Schengener Übereinkommens auf die Migrationsströme aufmerksam zu machen. Er trägt vor, im Rahmen der Kampagne, die sich an alle Mitgliedstaaten der Union gerichtet habe, sei beschlossen worden, eine Plakatserie mit der Fahne der Union auf seiner Website und in den sozialen Netzwerken hochzuladen, wobei Frankreich und Belgien, die von besonders bedeutenden Migrationsströmen betroffen seien, Gegenstand spezieller Plakatkampagnen gewesen seien. Er betont, der Front National habe mit dieser Kampagne in Frankreich nichts zu tun und zu diesem Thema keine Pressekonferenz gegeben. Im Übrigen seien zum damaligen Zeitpunkt die Regionalwahlen in Frankreich noch in weiter Ferne gewesen und sei es in ihnen um Fragen gegangen, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Migrationsströmen gestanden hätten.

76      Würde man den Standpunkt des Parlaments akzeptieren, so wäre der Kläger verpflichtet, Plakatkampagnen nur über Themen zu erstellen, die keinen Bezug zu den politischen Anliegen des Front National aufwiesen, was unmöglich sei, da eine nationale politische Partei alle Themen behandele, die für die Bürger von Interesse sein könnten. Außerdem sei das Thema der Migrationsströme und des Schengener Übereinkommens ein europäisches Thema.

77      Zum anderen macht der Kläger geltend, die angeblichen Logos der betreffenden nationalen politischen Parteien, nämlich das Logo des Front National und das Logo des Vlaams Belang, seien um das Fünffache kleiner als das Logo des Klägers. Daher unterscheide sich diese Situation von dem vom Parlament in seinen Schreiben vom 22. Juli und vom 10. August 2016 angeführten Präzedenzfall, in dem die betreffenden Logos von ähnlicher Größe gewesen seien. Des Weiteren macht er geltend, dass gemäß Abschnitt 6 Abs. 7 des Leitfadens über Beiträge zu den Betriebskosten, die den politischen Parteien und Stiftungen auf europäischer Ebene vom Parlament gewährt würden, im Zusammenhang mit der Finanzierung von Kampagnen im Rahmen der Wahlen zum Europäischen Parlament die Namen und die Logos der europäischen politischen Partei in den Veröffentlichungen nicht weniger sichtbar sein dürften als die der nationalen Parteien oder Kandidaten, damit der Beitrag nicht als indirekter finanzieller Beitrag angesehen werde.

78      Der Kläger trägt vor, das Vorhandensein des angeblichen Logos des Front National auf den Plakaten sei nicht dafür gedacht gewesen, diese nationale politische Partei indirekt zu begünstigen, sondern dafür, die Kampagne für die französischen Bürger verständlich zu machen. Gleiches gelte für das angebliche Logo des Vlaams Belang in Bezug auf die für Belgien bestimmten Plakate.

79      In seinen Schriftsätzen macht der Kläger auch geltend, das Logo auf den für Frankreich bestimmten Plakaten sei nicht das des Front National, da das Logo dieser Partei eine dreifarbige Flamme (blau, weiß und rot) sei, während das streitige Logo nur zwei Farben habe. Daher handele es sich um das Logo der Delegation des Front National innerhalb des Klägers und nicht um das Logo des Front National als solches. Außerdem erbringe das Parlament keinen Beweis dafür, dass die französische Öffentlichkeit das Plakat als ein Plakat des Front National wahrnehme. Tatsächlich weise das Plakat ausdrücklich darauf hin, dass der Kläger die alleinige Verantwortung für diesen Inhalt trage.

80      In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eingeräumt, dass es aufgrund des streitigen Logos wahrscheinlich sei, dass die Öffentlichkeit das Plakat mit dem Front National in Verbindung bringe, weil sie wahrscheinlich nicht in der Lage sei, den Unterschied zu erkennen. Er macht jedoch geltend, in Wirklichkeit sei es notwendig, dass die Öffentlichkeit dieses Logo mit einer nationalen politischen Partei in Verbindung bringen könne, im vorliegenden Fall mit dem Front National, damit sie feststellen könne, von wem die Botschaft stamme, da sie die politischen Parteien auf europäischer Ebene nicht kenne.

81      Das Parlament tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

82      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 7 der Verordnung Nr. 2004/2003 die Mittel, die politische Parteien auf europäischer Ebene aus dem Gesamthaushaltsplan der Union oder aus anderen Quellen erhalten, nicht der unmittelbaren oder mittelbaren Finanzierung anderer politischer Parteien und insbesondere nicht von nationalen politischen Parteien oder Kandidaten dienen dürfen. Zudem kann man, wie oben in Rn. 72 ausgeführt, davon ausgehen, dass eine indirekte Finanzierung vorliegt, wenn eine nationale politische Partei dadurch einen finanziellen Vorteil erhält, dass sie die von ihr zu tragenden Ausgaben vermeidet, auch wenn kein direkter Transfer von Mitteln stattgefunden hat.

83      Daher ist im Rahmen der Beurteilung des dritten Klagegrundes festzustellen, ob im angefochtenen Beschluss zu Unrecht der Schluss gezogen wurde, dass die beiden nationalen politischen Parteien, nämlich der Front National und der Vlaams Belang, einen indirekten finanziellen Vorteil aufgrund der Durchführung der Kampagne erlangt haben. Für die Zwecke dieser Prüfung empfiehlt es sich, ein Bündel von Indizien, wie den Inhalt dieser Kampagne, die Wahrnehmung der Öffentlichkeit sowie geografische und zeitliche Indizien zu berücksichtigen.

84      Was erstens den Inhalt der Kampagne angeht, ist darauf hinzuweisen, dass das Parlament nicht das Thema dieser Kampagne, nämlich die angeblichen Auswirkungen des Schengener Übereinkommens auf die Migrationsströme, als problematisch ansieht. Tatsächlich geht aus dem Schreiben des Parlaments vom 22. Juli 2016, dem Schreiben des Generalsekretärs des Parlaments an das Präsidium dieses Organs vom 5. September 2016 und aus dem Schreiben des Parlaments vom 26. September 2016, mit dem der angefochtene Beschluss mitgeteilt wurde, hervor, dass der entscheidende Faktor, auf den er gestützt wird, die Erwägung ist, dass die Öffentlichkeit diese Kampagne als eine Kampagne ansehen könnte, die zumindest teilweise vom Front National oder vom Vlaams Belang stammt. Daher würde die vom Parlament vertretene Auslegung entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht dazu führen, dass er verpflichtet wäre, Kampagnen über Themen ohne jeglichen Bezug zu den Anliegen sämtlicher nationalen politischen Parteien zu machen, um Art. 7 der Verordnung Nr. 2004/2003 zu beachten.

85      Zweitens ist das zentrale Element des angefochtenen Beschlusses, wie oben in Rn. 84 ausgeführt, die Wahrnehmung der Öffentlichkeit, dass die Kampagne zumindest teilweise vom Front National und vom Vlaams Belang stammt, ohne dass es eine angemessene Kofinanzierung gibt. Insoweit ist festzustellen, dass die Durchführung einer Kampagne, die von der Öffentlichkeit als eine mit einer nationalen politischen Partei zumindest gemeinsam organisierte Kampagne wahrgenommen wird, obwohl diese Partei keinen angemessenen Beitrag zu ihrer Finanzierung leistet, geeignet ist, der nationalen politischen Partei einen indirekten finanziellen Vorteil zu verschaffen. Unter diesen Umständen profitiert die nationale politische Partei von einer besseren Außenwirkung und der Verbreitung einer Botschaft, mit der sie sich identifiziert, obwohl sie sich in keiner Weise an den Kosten beteiligt, die mit der Durchführung dieser Kampagne in Zusammenhang stehen.

86      Auch wenn der Kläger in seinen Schriftsätzen versucht hat, zu argumentieren, dass das Logo auf den für Frankreich bestimmten Plakaten nicht wirklich das des Front National sei und dass das Parlament nicht nachgewiesen habe, dass die französische Öffentlichkeit das Plakat als eines des Front National wahrnehme, ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf dieses Argument verzichtet hat, indem er eingeräumt hat, dass die Öffentlichkeit das Plakat aufgrund dieses Logos wahrscheinlich mit dem Front National in Verbindung bringe.

87      Zudem ist festzustellen, dass der Kläger in seinen Schriftsätzen nichts vorgetragen hat, was die Feststellung in Frage stellt, dass das Logo auf der niederländischen Fassung des Plakats das des Vlaams Belang sei. In Beantwortung der Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat er im Übrigen eingeräumt, dass es sich tatsächlich um das Logo des Vlaams Belang handele.

88      In dem angefochtenen Beschluss konnte daher zu dem Ergebnis gelangt werden, dass die Öffentlichkeit die Kampagne im vorliegenden Fall zumindest teilweise als eine Kampagne des Front National und des Vlaams Belang wahrgenommen habe, ohne dass dies einen Fehler darstellt.

89      Im Übrigen ist das in Rn. 68 der Klageschrift vorgetragene und in der mündlichen Verhandlung hervorgehobene Argument des Klägers zurückzuweisen, wonach es notwendig gewesen sei, die jeweiligen Logos des Front National und des Vlaams Belang anzubringen, um die Bürger in die Lage zu versetzen, den Urheber der Kampagne zu erkennen. Zwar steht es einer politischen Partei auf europäischer Ebene frei, gemeinsam mit einer nationalen politischen Partei eine Kampagne zu organisieren, die nationale politische Partei ist aber verpflichtet, zur Finanzierung dieser Kampagne einen angemessenen Beitrag zu leisten, um einen Verstoß gegen das Verbot der indirekten Finanzierung nach Art. 7 der Verordnung Nr. 2004/2003 zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass der Kläger nicht geltend macht, dass die betreffenden nationalen politischen Parteien, nämlich der Front National und der Vlaams Belang, die Kampagne auf irgendeine Weise kofinanziert hätten.

90      Ebenso ist das Vorbringen des Klägers zur Größe der Logos zurückzuweisen. Die Tatsache, dass auf den Plakaten das Logo des Klägers größer als das des Front National und des Vlaams Belang ist, was sich nicht bestreiten lässt, reicht nicht aus, um es auszuschließen, dass die Kampagne zumindest teilweise mit den betreffenden nationalen Parteien in Verbindung gebracht wird. Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist nicht nur dann davon auszugehen, dass einer nationalen politischen Partei ein indirekter Vorteil gewährt wurde, wenn die Logos der politischen Partei auf europäischer Ebene und der betreffenden nationalen Partei ähnlich groß sind. Wenn das Logo der nationalen politischen Partei von geringerer Größe ist als das der politischen Partei auf europäischer Ebene, wie im vorliegenden Fall, ist es nicht abwegig, wenn das Parlament zu dem Ergebnis gelangt, dass die Öffentlichkeit die fragliche Kampagne zumindest teilweise als eine Kampagne der nationalen politischen Partei wahrnimmt, soweit das Logo der nationalen politischen Partei erkennbar bleibt.

91      Auch das auf Abschnitt 6 Abs. 7 des Leitfadens über Beiträge zu den Betriebskosten, die den politischen Parteien und Stiftungen auf europäischer Ebene vom Parlament gewährt werden, gestützte Argument des Klägers ist zurückzuweisen. Wie das Parlament zu Recht geltend macht, betrifft diese Vorschrift die Kampagnen für die Wahlen zum Europäischen Parlament, in denen die nationalen politischen Parteien zwangsläufig präsent sein müssen, weil sie und nicht die politischen Parteien auf europäischer Ebene an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilnehmen. Bei der Kampagne ging es jedoch nicht um Wahlen zum Europäischen Parlament. Diesem Vorbringen kann also nicht gefolgt werden.

92      Was schließlich die Angabe unten auf dem Plakat angeht, wonach der Kläger die alleinige Verantwortung für diesen Inhalt trägt, ist festzustellen, dass diese Angabe aufgrund der geringen Schriftgröße schlecht sichtbar ist. Darüber hinaus ist diese Angabe zumindest in der Fassung des Plakats, die in den sozialen Netzwerken im Internet verbreitet wurde, unleserlich.

93      Nach alledem ist festzustellen, dass die Wahrnehmung der Öffentlichkeit angesichts des Vorhandenseins der Logos von nationalen politischen Parteien ein Indiz dafür ist, dass diese einen indirekten Vorteil aufgrund der vollständig vom Kläger finanzierten Kampagne erlangen konnten.

94      Zu, drittens, dem geografischen Element hat das Parlament zu Recht als maßgebliches Indiz die Tatsache angesehen, dass die Kampagne vor allem auf zwei Länder der Union, nämlich auf Frankreich und Belgien, abzielte, was sich insbesondere aus der Verwendung der französischen Fahne und der Fahne der Region Flandern sowie der Logos des Front National und des Vlaams Belang ergibt. Des Weiteren liefert der Kläger, obwohl er geltend macht, dass diese Kampagne auf Unionsebene geführt worden sei, dafür nicht den geringsten Beweis. Zudem ist die bloße Veröffentlichung einer Fassung des Plakats mit der Fahne der Union auf der Website des Klägers und auf dessen Seiten in den sozialen Netzwerken, wenn man ihren Nachweis unterstellte, hinsichtlich des Umfangs mit der in Frankreich und Belgien geführten Plakatkampagne nicht vergleichbar.

95      Was das Vorbringen des Klägers zum Start der Kampagne am Sitz des Parlaments in Straßburg angeht, genügt der Hinweis darauf, dass dieser Gesichtspunkt allein nicht ausreicht, um nachzuweisen, dass keine indirekte Finanzierung von nationalen politischen Parteien vorliegt, wenn man nicht nur die übrigen Indizien, sondern auch die oben in Rn. 94 angeführten Erwägungen zum geografischen Element berücksichtigt.

96      Was viertens das zeitliche Element angeht, ist das vom Kläger vorgetragene Argument zurückzuweisen, wonach die Regionalwahlen in Frankreich noch in weiter Ferne gewesen seien. Als Erstes erscheint unabhängig von der Frage der möglicherweise tatsächlichen Verwendung der französischen Fassung des Plakats durch den Front National, seine Mitglieder oder Sympathisanten bei diesen Wahlen entgegen dem Vorbringen des Klägers ein Zeitraum von fünf Monaten zwischen dem Start der Kampagne und diesen Wahlen nicht ausreichend, um die Verwendung der fraglichen Kampagne für die Zwecke dieser Wahlen unwahrscheinlich erscheinen zu lassen. Als Zweites ist jedenfalls festzustellen, dass das zeitliche Element eines der Indizien ist, die berücksichtigt werden können, wie oben aus Rn. 83 hervorgeht. Allerdings handelt es sich nicht um eine unabdingbare Voraussetzung oder sogar um das entscheidendste Indiz. Im vorliegenden Fall ist angesichts des Schreibens des Parlaments vom 22. Juli 2016, des Schreibens des Generalsekretärs des Parlaments an das Präsidium dieses Organs vom 5. September 2016 und des Schreibens des Parlaments vom 26. September 2016, mit dem der angefochtene Beschluss mitgeteilt wurde, festzustellen, dass die mögliche zeitliche Nähe zu den fraglichen Wahlen nicht zu den Umständen gehört, die das Parlament anführt, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass es eine indirekte Finanzierung nationaler politischer Parteien gegeben habe. Dies ist nicht zu beanstanden, weil ein Vorteil in Bezug auf Image und Außenwirkung für eine nationale politische Partei nicht notwendigerweise auf eine bestimmte Wahl begrenzt werden darf.

97      Nach alledem ist der dritte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

98      Damit ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

99      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag des Parlaments seine Kosten und die Kosten des Parlaments aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Mouvement pour une Europe des nations et des libertés trägt seine Kosten sowie die Kosten des Europäischen Parlaments.

Collins

Barents

Passer

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. November 2018.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon


*      Verfahrenssprache: Französisch.