URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

14. Mai 2019 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Asylpolitik – Internationaler Schutz – Richtlinie 2011/95/EU – Flüchtlingseigenschaft – Art. 14 Abs. 4 bis 6 – Verweigerung der Zuerkennung bzw. Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft im Fall einer Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Aufnahmemitgliedstaats – Gültigkeit – Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 78 Abs. 1 AEUV – Art. 6 Abs. 3 EUV – Genfer Abkommen“

In den verbundenen Rechtssachen C‑391/16, C‑77/17 und C‑78/17

betreffend drei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht in der Rechtssache C‑391/16 vom Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 16. Juni 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Juli 2016, und in den Rechtssachen C‑77/17 und C‑78/17 vom Conseil du contentieux des étrangers (Rat für Ausländerstreitsachen, Belgien) mit Entscheidungen vom 8. Februar 2017 und vom 10. Februar 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Februar 2017, in den Verfahren

M

gegen

Ministerstvo vnitra (C‑391/16)

und

X (C‑77/17),

X (C‑78/17)

gegen

Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Kammerpräsidenten T. von Danwitz (Berichterstatter), der Kammerpräsidentin C. Toader sowie der Richter E. Levits, L. Bay Larsen, M. Safjan, D. Šváby, C. G. Fernlund und S. Rodin,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von M, vertreten durch J. Mašek, advokát,

von X (C‑77/17), vertreten durch P. Vanwelde und S. Janssens, avocats,

von X (C‑78/17), vertreten durch J. Hardy, avocat,

der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und A. Brabcová als Bevollmächtigte,

der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet, M. Jacobs und C. Van Lul als Bevollmächtigte,

der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und R. Kanitz als Bevollmächtigte,

der französischen Regierung, vertreten durch E. Armoët, E. de Moustier und D. Colas als Bevollmächtigte,

der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós, Z. Biró-Tóth und M. Tátrai als Bevollmächtigte,

der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. M. de Ree und K. Bulterman als Bevollmächtigte,

der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brandon als Bevollmächtigten im Beistand von D. Blundell, Barrister,

des Europäischen Parlaments, vertreten durch K. Zejdová, O. Hrstková Šolcová und D. Warin als Bevollmächtigte,

des Rates der Europäischen Union, vertreten durch E. Moro, A. Westerhof Löfflerová, S. Boelaert, M. Chavrier und J. Monteiro als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Šimerdová und M. Condou-Durande als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Juni 2018

folgendes

Urteil

1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung und die Gültigkeit von Art. 14 Abs. 4 bis 6 der am 9. Januar 2012 in Kraft getretenen Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9) im Hinblick auf Art. 78 Abs. 1 AEUV, Art. 6 Abs. 3 EUV und Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2

Sie ergehen in drei Rechtsstreitigkeiten zwischen erstens (Rechtssache C‑391/16) M und dem Ministerstvo vnitra (Innenministerium, Tschechische Republik) wegen der Entscheidung, M das Recht auf Asyl abzuerkennen, zweitens (Rechtssache C‑77/17) X und dem Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides (Generalkommissar für Flüchtlinge und Staatenlose, Belgien, im Folgenden: Generalkommissar) wegen der Weigerung, X die Rechtsstellung als Flüchtling zuzuerkennen und ihm subsidiären Schutz zu gewähren, und drittens (Rechtssache C‑78/17) X und dem Generalkommissar wegen der Entscheidung, X die Rechtsstellung als Flüchtling zu entziehen.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

3

Das am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichnete Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Band 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]) trat am 22. April 1954 in Kraft (im Folgenden: Genfer Abkommen). Es wurde durch das am 31. Januar 1967 in New York angenommene und am 4. Oktober 1967 in Kraft getretene Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (im Folgenden: Protokoll) ergänzt.

4

Alle Mitgliedstaaten sind Vertragsparteien des Genfer Abkommens. Die Europäische Union ist dagegen keine Vertragspartei dieses Abkommens.

5

In der Präambel des Genfer Abkommens wird anerkannt, dass dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) die Aufgabe obliegt, die Durchführung der internationalen Abkommen zum Schutz der Flüchtlinge zu überwachen, wobei die Staaten sich verpflichten, mit dem UNHCR bei der Ausübung seiner Befugnisse zusammenzuarbeiten und insbesondere seine Aufgabe zu erleichtern, die Durchführung der Bestimmungen dieses Abkommens zu überwachen.

6

Art. 1 Abschnitt A des Genfer Abkommens sieht vor:

„Im Sinne dieses Abkommens findet der Ausdruck ‚Flüchtling‘ auf jede Person Anwendung:

2.   die … aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als staatenlose [Person] … außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Für den Fall, dass eine Person mehr als eine Staatsangehörigkeit hat, bezieht sich der Ausdruck ‚das Land, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt‘ auf jedes der Länder, dessen Staatsangehörigkeit diese Person hat. Als des Schutzes des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie hat, beraubt gilt nicht eine Person, die ohne einen stichhaltigen, auf eine begründete Befürchtung gestützten Grund den Schutz eines der Länder nicht in Anspruch genommen hat, deren Staatsangehörigkeit sie besitzt.“

7

Art. 1 Abschnitt C des Genfer Abkommens bestimmt:

„Eine Person, auf die die Bestimmungen des [Abschnitts] A zutreffen, fällt nicht mehr unter dieses Abkommen,

1.   wenn sie sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, unterstellt; oder

2.   wenn sie nach dem Verlust ihrer Staatsangehörigkeit diese freiwillig wiedererlangt hat; oder

3.   wenn sie eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie erworben hat, genießt; oder

4.   wenn sie freiwillig in das Land, das sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder außerhalb dessen sie sich befindet, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat; oder

5.   wenn sie nach Wegfall der Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.

6.   wenn es sich um eine Person handelt, die keine Staatsangehörigkeit besitzt, falls sie nach Wegfall der Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem sie ihren gewöhnlichen Wohnsitz hat.

…“

8

In Art. 1 Abschnitt D Abs. 1 des Genfer Abkommens heißt es:

„Dieses Abkommen findet keine Anwendung auf Personen, die zurzeit den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge genießen.“

9

Art. 1 Abschnitt E des Genfer Abkommens lautet:

„Dieses Abkommen findet keine Anwendung auf eine Person, die von den zuständigen Behörden des Landes, in dem sie ihren Aufenthalt genommen hat, als eine Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten hat, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Landes verknüpft sind.“

10

Art. 1 Abschnitt F des Genfer Abkommens lautet:

„Die Bestimmungen dieses Abkommens finden keine Anwendung auf Personen, in Bezug auf die aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist,

a)

dass sie ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen haben, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen;

b)

dass sie ein schweres nichtpolitisches Verbrechen außerhalb des Aufnahmelandes begangen haben, bevor sie dort als Flüchtling aufgenommen wurden;

c)

dass sie sich Handlungen zuschulden kommen ließen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen.“

11

Art. 3 des Genfer Abkommens lautet:

„Die vertragschließenden Staaten werden die Bestimmungen dieses Abkommens auf Flüchtlinge ohne unterschiedliche Behandlung aus Gründen der Rasse, der Religion oder des Herkunftslandes anwenden.“

12

Art. 4 des Genfer Abkommens bestimmt:

„Die vertragschließenden Staaten werden den in ihrem Gebiet befindlichen Flüchtlingen in Bezug auf die Freiheit der Religionsausübung und die Freiheit des Religionsunterrichts ihrer Kinder eine mindestens ebenso günstige Behandlung wie ihren eigenen Staatsangehörigen gewähren.“

13

Art. 16 Abs. 1 des Genfer Abkommens sieht vor:

„Jeder Flüchtling hat in dem Gebiet der vertragschließenden Staaten freien und ungehinderten Zugang zu den Gerichten.“

14

Art. 22 Abs. 1 des Genfer Abkommens lautet:

„Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen dieselbe Behandlung wie ihren Staatsangehörigen hinsichtlich des Unterrichts in Volksschulen gewähren.“

15

Art. 31 des Genfer Abkommens bestimmt:

1.   Die vertragschließenden Staaten werden wegen unrechtmäßiger Einreise oder Aufenthalts keine Strafen gegen Flüchtlinge verhängen, die unmittelbar aus einem Gebiet kommen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinne von Artikel 1 bedroht waren[,] und die ohne Erlaubnis in das Gebiet der vertragschließenden Staaten einreisen oder sich dort aufhalten, vorausgesetzt, dass sie sich unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen.

2.   Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen beim Wechsel des Aufenthaltsortes keine Beschränkungen auferlegen, außer denen, die notwendig sind; diese Beschränkungen werden jedoch nur so lange Anwendung finden, bis die Rechtsstellung dieser Flüchtlinge im Aufnahmeland geregelt oder es ihnen gelungen ist, in einem anderen Land Aufnahme zu erhalten. Die vertragschließenden Staaten werden diesen Flüchtlingen eine angemessene Frist sowie alle notwendigen Erleichterungen zur Aufnahme in einem anderen Land gewähren.“

16

Art. 32 des Genfer Abkommens lautet:

„1.   Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.

2.   Die Ausweisung eines Flüchtlings darf nur in Ausführung einer Entscheidung erfolgen, die in einem durch gesetzliche Bestimmungen geregelten Verfahren ergangen ist. Soweit nicht zwingende Gründe für die öffentliche Sicherheit entgegenstehen, soll dem Flüchtling gestattet werden, Beweise zu seiner Entlastung beizubringen, ein Rechtsmittel einzulegen und sich zu diesem Zweck vor einer zuständigen Behörde oder vor einer oder mehreren Personen, die von der zuständigen Behörde besonders bestimmt sind, vertreten zu lassen.

3.   Die vertragschließenden Staaten werden einem solchen Flüchtling eine angemessene Frist gewähren, um ihm die Möglichkeit zu geben, in einem anderen Lande um rechtmäßige Aufnahme nachzusuchen. Die vertragschließenden Staaten behalten sich vor, während dieser Frist diejenigen Maßnahmen anzuwenden, die sie zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung für zweckdienlich erachten.“

17

Art. 33 des Genfer Abkommens sieht vor:

„1.   Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.

2.   Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.“

18

Art. 42 Abs. 1 des Genfer Abkommens lautet:

„Im Zeitpunkt der Unterzeichnung, der Ratifikation oder des Beitritts kann jeder Staat zu den Artikeln des Abkommens, mit Ausnahme der Artikel 1, 3, 4, 16 (1), 33, 36 bis 46 einschließlich, Vorbehalte machen.“

Unionsrecht

Richtlinie 2011/95

19

Durch die auf der Grundlage von Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV erlassene Richtlinie 2011/95 wurde die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2004, L 304, S. 12) aufgehoben.

20

In den Erwägungsgründen 3, 4, 10, 12, 16, 17, 21, 23 und 24 der Richtlinie 2011/95 heißt es:

„(3)

Der Europäische Rat kam auf seiner Sondertagung in Tampere vom 15. und 16. Oktober 1999 überein, auf ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem hinzuwirken, das sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung des [Genfer Abkommens] in der Fassung des [Protokolls] stützt, damit der Grundsatz der Nichtzurückweisung gewahrt bleibt und niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist.

(4)

[Das Genfer Abkommen] und das Protokoll stellen einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen dar.

(10)

Angesichts der Bewertungsergebnisse empfiehlt es sich in dieser Phase, die der Richtlinie [2004/83] zugrunde liegenden Prinzipien zu bestätigen sowie eine stärkere Angleichung der Vorschriften zur Zuerkennung und zum Inhalt des internationalen Schutzes auf der Grundlage höherer Standards anzustreben.

(12)

Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.

(16)

Diese Richtlinie achtet die Grundrechte und befolgt insbesondere die in der [Charta] anerkannten Grundsätze. Sie zielt insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde und des Asylrechts für Asylsuchende und die sie begleitenden Familienangehörigen sicherzustellen sowie die Anwendung der Artikel 1, 7, 11, 14, 15, 16, 18, 21, 24, 34 und 35 der Charta zu fördern, und sollte daher entsprechend umgesetzt werden.

(17)

In Bezug auf die Behandlung von Personen, die unter diese Richtlinie fallen, sind die Mitgliedstaaten an ihre Verpflichtungen aus den völkerrechtlichen Instrumenten gebunden, denen sie beigetreten sind, einschließlich insbesondere derjenigen, nach denen eine Diskriminierung verboten ist.

(21)

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist ein deklaratorischer Akt.

(23)

Es sollten Normen für die Bestimmung und die Merkmale der Flüchtlingseigenschaft festgelegt werden, um die zuständigen innerstaatlichen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung [des Genfer Abkommens] zu leiten.

(24)

Es müssen gemeinsame Kriterien für die Anerkennung von Asylbewerbern als Flüchtlinge im Sinne von Artikel 1 [des Genfer Abkommens] eingeführt werden.“

21

Art. 1 der Richtlinie 2011/95 bestimmt:

„Zweck dieser Richtlinie ist es, Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen, die Anspruch auf subsidiären Schutz haben, sowie für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes festzulegen.“

22

Art. 2 der Richtlinie 2011/95 sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)

‚internationaler Schutz‘ die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus im Sinne der Buchstaben e und g;

b)

‚Person, der internationaler Schutz zuerkannt wurde‘ eine Person, der die Flüchtlingseigenschaft gemäß Buchstabe e oder der subsidiäre Schutzstatus gemäß Buchstabe g zuerkannt wurde;

d)

‚Flüchtling‘ einen Drittstaatsangehörigen, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und auf den Artikel 12 keine Anwendung findet;

e)

‚Flüchtlingseigenschaft‘ die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder eines Staatenlosen als Flüchtling durch einen Mitgliedstaat;

…“

23

Kapitel II („Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz“) der Richtlinie 2011/95 umfasst die Art. 4 bis 8 dieser Richtlinie. In diesen Artikeln wird geregelt, wie die Mitgliedstaaten solche Anträge zu beurteilen haben.

24

Kapitel III („Anerkennung als Flüchtling“) der Richtlinie 2011/95 umfasst die Art. 9 bis 12 dieser Richtlinie. Was insbesondere die Art. 9 und 10 dieser Richtlinie betrifft, regeln sie die Voraussetzungen für die Einstufung einer Handlung als Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 1 Abschnitt A des Genfer Abkommens bzw. die Gesichtspunkte, die die Mitgliedstaaten bei der Prüfung der Verfolgungsgründe zu berücksichtigen haben.

25

Art. 11 („Erlöschen“) der Richtlinie 2011/95 bestimmt:

„(1)   Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser ist nicht mehr Flüchtling, wenn er

a)

sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, unterstellt oder

b)

nach dem Verlust seiner Staatsangehörigkeit diese freiwillig wiedererlangt hat oder

c)

eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er erworben hat, genießt oder

d)

freiwillig in das Land, das er aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder außerhalb dessen er aus Furcht vor Verfolgung geblieben ist, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat oder

e)

nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt[,] oder

f)

als Staatenloser nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt wurde, in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

(2)   …

(3)   Absatz 1 Buchstaben e und f finden keine Anwendung auf einen Flüchtling, der sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder wenn er staatenlos ist, des Landes, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, abzulehnen.“

26

Art. 12 („Ausschluss“) der Richtlinie 2011/95 sieht vor:

(1)   Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser ist von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn er

a)

den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Artikel 1 Abschnitt D [des Genfer Abkommens] genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt er ipso facto den Schutz dieser Richtlinie;

b)

von den zuständigen Behörden des Landes, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Landes verknüpft sind, bzw. gleichwertige Rechte und Pflichten hat.

(2)   Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser ist von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass er

a)

ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen;

b)

eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Aufnahmelandes begangen hat, bevor er als Flüchtling aufgenommen wurde, das heißt vor dem Zeitpunkt der Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft; insbesondere grausame Handlungen können als schwere nichtpolitische Straftaten eingestuft werden, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt werden;

c)

sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen.

(3)   Absatz 2 findet auf Personen Anwendung, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.“

27

Art. 13 („Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft“) der Richtlinie 2011/95 in deren Kapitel IV („Flüchtlingseigenschaft“) lautet:

„Die Mitgliedstaaten erkennen einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen, der die Voraussetzungen der Kapitel II und III erfüllt, die Flüchtlingseigenschaft zu.“

28

Der ebenfalls in Kapitel IV der Richtlinie 2011/95 enthaltene Art. 14 („Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft“) bestimmt:

(1)   Bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie [2004/83] gestellt wurden, erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Flüchtlingseigenschaft ab, beenden diese oder lehnen ihre Verlängerung ab, wenn er gemäß Artikel 11 nicht länger Flüchtling ist.

(3)   Die Mitgliedstaaten erkennen einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die Flüchtlingseigenschaft ab, beenden diese oder lehnen ihre Verlängerung ab, falls der betreffende Mitgliedstaat nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft feststellt, dass

a)

die Person gemäß Artikel 12 von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist;

b)

eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen seinerseits, einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente, für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschlaggebend war.

(4)   Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn

a)

es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;

b)

er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.

(5)   In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.

(6)   Personen, auf die die Absätze 4 oder 5 Anwendung finden, können die in den Artikeln 3, 4, 16, 22, 31, 32 und 33 [des Genfer Abkommens] genannten Rechte oder vergleichbare Rechte geltend machen, sofern sie sich in dem betreffenden Mitgliedstaat aufhalten.“

29

Kapitel VII („Inhalt des internationalen Schutzes“) der Richtlinie 2011/95 enthält deren Art. 20 bis 35. Art. 20 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie lautet:

„(1)   Die Bestimmungen dieses Kapitels berühren nicht die in [dem Genfer Abkommen] verankerten Rechte.

(2)   Sofern nichts anderes bestimmt wird, gilt dieses Kapitel sowohl für Flüchtlinge als auch für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz.“

30

Art. 21 der Richtlinie 2011/95 bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.

(2)   Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn

a)

es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder

b)

er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.

(3)   Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.“

31

Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2011/95 sieht vor:

„So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.“

32

Art. 28 der Richtlinie 2011/95 bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, und eigene Staatsangehörige im Rahmen der bestehenden Verfahren zur Anerkennung von ausländischen Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen gleich behandelt werden.

(2)   Die Mitgliedstaaten sind bestrebt, den uneingeschränkten Zugang von Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, die keine Nachweise für ihre Qualifikationen beibringen können, zu geeigneten Programmen für die Beurteilung, Validierung und Bestätigung früher erworbener Kenntnisse zu erleichtern. Solche Maßnahmen müssen im Einklang mit Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen [(ABl. 2005, L 255, S. 22)] stehen.“

33

Art. 34 der Richtlinie 2011/95 lautet:

„Um die Integration von Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in die Gesellschaft zu erleichtern, gewährleisten die Mitgliedstaaten den Zugang zu Integrationsprogrammen, die sie als den besonderen Bedürfnissen von Personen mit Flüchtlingsstatus oder subsidiärem Schutzstatus angemessen erachten, oder schaffen die erforderlichen Voraussetzungen, die den Zugang zu diesen Programmen garantieren.“

Nationales Recht

Tschechisches Recht

34

Der Zákon č. 325/1999 Sb., o azylu (Gesetz Nr. 325/1999 über das Asyl) in seiner auf den Sachverhalt des tschechischen Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Asylgesetz) regelt die Gewährung und die Aberkennung des internationalen Schutzes.

35

Nach § 2 Abs. 6 des Asylgesetzes gilt als Flüchtling im Sinne dieses Gesetzes („azylant“) „ein Ausländer, dem aufgrund dieses Gesetzes das Asylrecht verliehen wurde, und zwar für die Geltungsdauer der Entscheidung über die Gewährung des Asylrechts“. Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts gilt eine Person, der das Asylrecht aberkannt wurde, nicht mehr als Flüchtling („azylant“), und es kommen ihr die in diesem Gesetz vorgesehenen Rechte nicht mehr zugute.

36

Nach § 17 Abs. 1 Buchst. i des Asylgesetzes wird das Asylrecht entzogen, „wenn … stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Flüchtling eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt“. Ferner sieht § 17 Abs. 1 Buchst. j dieses Gesetzes vor, dass das Asylrecht entzogen wird, wenn „der Flüchtling wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde und deshalb eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt“.

37

Nach § 28 Abs. 1 des Asylgesetzes ist das Asylrecht eine der Formen des internationalen Schutzes, der einem Ausländer im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik gewährt wird.

Belgisches Recht

38

Art. 48/3 § 1 der Loi du 15 décembre 1980 sur l’accès au territoire, l’établissement, le séjour et l’éloignement des étrangers (Gesetz vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern, Moniteur belge vom 31. Dezember 1980, S. 14584, konsolidierte Fassung in deutscher Sprache veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 22. Dezember 1995) in ihrer auf den Sachverhalt der belgischen Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz vom 15. Dezember 1980) sieht vor:

„Die Rechtsstellung als Flüchtling wird einem Ausländer zuerkannt, der die Bedingungen erfüllt, die in Artikel 1 des [Genfer Abkommens], abgeändert durch das [Protokoll], vorgesehen sind.“

39

Art. 48/4 § 1 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 sieht vor:

„Der subsidiäre Schutzstatus wird einem Ausländer zuerkannt, der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt und nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 9ter fällt, für den aber stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland oder, bei einem Staatenlosen, in das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne von § 2 zu erleiden, und der unter Berücksichtigung der Gefahr den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will, sofern er nicht von den in Artikel 55/4 erwähnten Ausschlussklauseln betroffen ist.“

40

Art. 52/4 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 lautet:

„Wenn ein Ausländer, der nach den Art. 50, 50bis, 50ter oder 51 einen Antrag auf internationalen Schutz eingereicht hat, eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde, oder es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt, übermittelt der Minister oder sein Beauftragter dem Generalkommissar unverzüglich alle Sachverhalte in diesem Sinne.

Der [Generalkommissar] kann die Zuerkennung der Rechtsstellung als Flüchtling verweigern, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde, oder es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt. In diesem Fall gibt der [Generalkommissar] eine Stellungnahme über die Vereinbarkeit einer Entfernungsmaßnahme mit den Artikeln 48/3 und 48/4 ab.

Der Minister kann den Betreffenden anweisen, während der Prüfung seines Antrags an einem bestimmten Ort zu verbleiben, wenn er dies für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit für notwendig hält.

Unter außergewöhnlich schwerwiegenden Umständen kann der Minister den Betreffenden vorübergehend der Regierung zur Verfügung stellen, wenn er dies für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit für notwendig hält.“

41

In Art. 55/3/1 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 heißt es:

„§ 1 –   Der [Generalkommissar] kann die Rechtsstellung als Flüchtling entziehen, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde, oder es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt.

§ 3 –   Wenn der Generalkommissar die Rechtsstellung als Flüchtling in Anwendung von § 1 oder § 2 Nr. 1 entzieht, gibt er im Rahmen seines Beschlusses eine Stellungnahme über die Vereinbarkeit einer Entfernungsmaßnahme mit den Artikeln 48/3 und 48/4 ab.“

42

Art. 55/4 § 2 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 lautet:

„Ein Ausländer ist ebenfalls vom subsidiären Schutzstatus ausgeschlossen, wenn er eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die nationale Sicherheit darstellt.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Rechtssache C‑391/16

43

Mit Entscheidung vom 21. April 2006 gewährte das Innenministerium M, der aus Tschetschenien (Russland) stammt, Asyl, da er aus berechtigten Gründen befürchte, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Überzeugung in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitze, verfolgt zu werden.

44

Vor der Gewährung des Asyls hatte M einen Raub begangen, wofür er zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden war. Nach der Gewährung des Asyls wurde er darüber hinaus wegen wiederholten Raubes und Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt, die in einem Hochsicherheitsgefängnis vollstreckt werden sollte. In Anbetracht dessen beschloss das Innenministerium am 29. April 2014, M das Asylrecht zu entziehen und ihm keinen subsidiären Schutz zu gewähren, da er rechtskräftig wegen eines besonders schweren Verbrechens verurteilt worden sei und eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstelle.

45

Gegen diese Entscheidung erhob M Klage vor dem Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag, Tschechische Republik). Gegen die Abweisung dieser Klage wandte sich M mit einer Kassationsbeschwerde an das vorlegende Gericht.

46

Dieses Gericht hat u. a. Zweifel an der Gültigkeit von Art. 14 Abs. 4 und 6 der Richtlinie 2011/95 im Hinblick auf Art. 18 der Charta, Art. 78 Abs. 1 AEUV und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts im Sinne von Art. 6 Abs. 3 EUV, weil diese Bestimmungen der Richtlinie 2011/95 möglicherweise gegen das Genfer Abkommen verstießen.

47

Insoweit bezieht sich das vorlegende Gericht auf einen am 29. Juli 2010 veröffentlichten Bericht des UNHCR („Stellungnahme des UNHCR zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes“ [KOM(2009) 551 vom 21. Oktober 2009]), in dem der UNHCR bereits zuvor geäußerte Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit von Art. 14 Abs. 4 und 6 der Richtlinie 2004/83 mit dem Genfer Abkommen wiederholte.

48

Aus dem Bericht ergebe sich, dass Art. 14 Abs. 4 dieses Richtlinienvorschlags, der Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95 zugrunde liege, die Gründe für einen Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling über die in Art. 1 des Genfer Abkommens vorgesehenen Ausschluss- und Erlöschensklauseln hinaus ausweite, obwohl diese Klauseln abschließend seien und Art. 42 Abs. 1 dieses Abkommens es den Vertragsstaaten verbiete, Vorbehalte zu Art. 1 dieses Abkommens zu machen. Aus dem Bericht ergebe sich auch, dass es nach Art. 33 des Genfer Abkommens zwar gestattet sei, eine Person in ihr Herkunftsland oder ein anderes Land zurückzuweisen, dass diese Bestimmung jedoch keine Auswirkungen auf die Flüchtlingseigenschaft der betreffenden Person im Land ihres Aufenthalts habe. Dem vorlegenden Gericht zufolge werden diese Bedenken des UNHCR namentlich vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (European Council on Refugees and Exiles), von der Internationalen Vereinigung der Asylrichter (International Association of Refugee Law Judges) und der Ombudsfrau der Tschechischen Republik geteilt.

49

Das vorlegende Gericht fügt allerdings hinzu, dass die Richtlinie 2011/95 nach einem Teil der Rechtslehre mit dem Genfer Abkommen in Einklang stehe. Es weist insoweit darauf hin, dass die Richtlinie 2011/95 nach der Begründung des in Rn. 47 des vorliegenden Urteils genannten Richtlinienvorschlags u. a. zum Ziel habe, eine uneingeschränkte und umfassende Anwendung dieses Abkommens zu gewährleisten. Die Richtlinie sei ausführlicher und unterscheide in ihrem Art. 2 Buchst. d und e zwischen den Begriffen „Flüchtling“ und „Flüchtlingseigenschaft“. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Richtlinie 2011/95 habe einen höheren Schutz als den des Genfer Abkommens zur Folge. Damit könne eine Person, der die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95 aberkannt worden sei, mit Ausnahme bestimmter in diesem Abkommen verankerter Mindestrechte nicht mehr in den Genuss der Rechte und Leistungen aus dieser Richtlinie kommen. Die Bestimmung beruhe offensichtlich auf der Annahme, dass diese Personen nicht in ihr Herkunftsland zurückgewiesen werden könnten, obwohl sie die Voraussetzungen nach Art. 33 Abs. 2 des Abkommens erfüllten. Daher würden diese Personen im Aufnahmemitgliedstaat geduldet und verfügten über einen eingeschränkten Flüchtlingsstatus („Status light“).

50

Der Gerichtshof habe zwar bereits im Urteil vom 24. Juni 2015, H. T. (C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 71 und 94 bis 98), über das Zusammenspiel zwischen Art. 33 Abs. 2 des Genfer Abkommens und der Richtlinie 2011/95 entschieden, doch habe er noch nicht die Frage geklärt, ob Art. 14 Abs. 4 und 6 dieser Richtlinie mit Art. 1 Abschnitt C und Art. 42 Abs. 1 des Genfer Abkommens und damit mit Art. 78 Abs. 1 AEUV, Art. 18 der Charta und den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts im Sinne von Art. 6 Abs. 3 EUV im Einklang stehe.

51

Was Art. 14 Abs. 6 der Richtlinie 2011/95 betreffe, der gewährleiste, dass Personen, auf die Art. 14 Abs. 4 dieser Richtlinie Anwendung finde, bestimmte der im Genfer Abkommen vorgesehenen Rechte geltend machen könnten, weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass das Asylgesetz der Ombudsfrau der Tschechischen Republik zufolge diesen Art. 14 Abs. 6 nicht umsetze. Daher verstoße der Entzug des Asylrechts nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. i und j des Asylgesetzes nach Auffassung der Ombudsfrau gegen das Unionsrecht. Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass sich aufgrund einer ausführlichen Prüfung der tschechischen Rechtsordnung nicht ausschließen lasse, dass den betreffenden Personen in bestimmten Einzelfällen keines der sich aus den Art. 3, 4, 16, 22, 31, 32 und 33 des Genfer Abkommens ergebenden Rechte gewährleistet werde. In dem betreffenden Ausgangsverfahren könne sich M jedoch in der Tschechischen Republik auf diese Rechte berufen.

52

Unter diesen Umständen hat der Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht, Tschechische Republik) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die Bestimmungen von Art. 14 Abs. 4 und 6 der Richtlinie 2011/95 ungültig, weil sie gegen Art. 18 der Charta, gegen Art. 78 Abs. 1 AEUV sowie gegen die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV verstoßen?

Rechtssache C‑77/17

53

Am 10. März 2010 wurde X, ein ivorischer Staatsangehöriger, vom Tribunal de première instance de Bruxelles (Gericht erster Instanz Brüssel, Belgien) wegen vorsätzlicher Körperverletzung, unberechtigten Besitzes einer Stichwaffe und Besitzes einer verbotenen Waffe zu einer teilweise zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt. Zudem wurde er am 6. Dezember 2011 von der Cour d’appel de Bruxelles (Berufungsgericht Brüssel, Belgien) wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen über 14 und unter 16 Jahren zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

54

Am 3. November 2015 reichte X einen Asylantrag ein, den er damit begründete, er befürchte, verfolgt zu werden, weil sein Vater und seine Familienangehörigen enge Beziehungen zum früheren ivorischen Regime und zu dem ehemaligen Präsidenten Laurent Gbagbo unterhalten hätten.

55

Mit Entscheidung vom 19. August 2016 lehnte der Generalkommissar es gemäß Art. 52/4 Abs. 2 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 wegen der von X in Belgien begangenen Straftaten ab, ihm die Rechtsstellung als Flüchtling zuzuerkennen. Der Generalkommissar vertrat insbesondere die Auffassung, dass X wegen dieser von ihm wiederholt begangenen besonders schweren Straftaten eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne dieser Bestimmung darstelle. Aus denselben Gründen war er der Ansicht, dass X nach Art. 55/4 § 2 dieses Gesetzes vom subsidiären Schutz auszuschließen sei. Der Generalkommissar gab jedoch nach Art. 52/4 des Gesetzes eine Stellungnahme dahin ab, dass X wegen seiner begründeten Furcht vor Verfolgung nicht unmittelbar oder mittelbar nach der Elfenbeinküste abgeschoben werden könne, weil eine solche Maßnahme mit den Art. 48/3 und 48/4 des Gesetzes unvereinbar wäre.

56

Gegen diese Entscheidung legte X einen Rechtsbehelf bei dem vorlegenden Gericht ein.

57

Dieses Gericht stellt fest, dass Art. 52/4 Abs. 2 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980, auf den die streitige Entscheidung gestützt sei, Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95 in belgisches Recht umsetze.

58

Das vorlegende Gericht hat Zweifel an der Gültigkeit dieser Bestimmung im Hinblick auf Art. 18 der Charta und Art. 78 Abs. 1 AEUV. Die Union sei aufgrund dieser Vorschriften verpflichtet, das Genfer Abkommen zu achten, so dass das abgeleitete Unionsrecht mit diesem Abkommen in Einklang stehen müsse. In seinem Art. 1 Abschnitt A würden die Personen, die unter den Begriff „Flüchtling“ fielen, sehr klar definiert, und weder aufgrund von Art. 1 Abschnitt F noch aufgrund einer anderen seiner Bestimmungen könne einer Person die Zuerkennung der Rechtsstellung als Flüchtling allein aus dem Grund allgemein und endgültig verweigert werden, dass sie eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder eine schwere Bedrohung für die Allgemeinheit des Aufnahmestaates darstelle. Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95 sehe jedoch die Möglichkeit vor, die Zuerkennung dieser Rechtsstellung aus einem dieser Gründe zu verweigern, die den in den Art. 32 und 33 des Genfer Abkommens genannten Fällen entsprächen, obwohl diese beiden Artikel die Ausweisung von Flüchtlingen, nicht aber die Zuerkennung dieser Rechtsstellung beträfen.

59

Somit stelle sich die Frage, ob Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95 eine neue, im Genfer Abkommen nicht vorgesehene Ausschlussklausel einführe. Die Einführung einer neuen Ausschlussklausel stelle eine wesentliche Änderung dieses Abkommens dar, womit gegen die völkerrechtlichen Grundsätze verstoßen würde. Hätte das Genfer Abkommen einen Ausschluss oder eine Verweigerung des Schutzes aus Gründen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung oder einer Gefahr für die Allgemeinheit des Aufnahmestaates vorsehen wollen, hätte es diesen – wie u. a. für außerhalb des Aufnahmestaates begangene schwere nichtpolitische Straftaten geschehen – ausdrücklich vorgesehen.

60

Auch seien die möglicherweise schwerwiegenden Folgen dieser Ausschlussklausel zu berücksichtigen, da sie zum Verlust der mit der Rechtsstellung als Flüchtling verbundenen Rechte und Leistungen führe. So habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 24. Juni 2015, H. T. (C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 95), klar festgestellt, dass die Aufhebung eines Aufenthaltstitels und die Aberkennung der Rechtsstellung als Flüchtling zwei unterschiedliche Fragen mit verschiedenen Folgen seien. Im Übrigen habe sich der UNHCR in einer im Januar 2005 veröffentlichten Stellungnahme („Kommentar des [UNHCR] zur [Richtlinie 2004/83]“) besonders kritisch zu den gleichlautenden Bestimmungen in der Richtlinie 2004/83 geäußert.

61

Unter diesen Umständen hat der Conseil du contentieux des étrangers (Rat für Ausländerstreitsachen, Belgien) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Ist Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen, dass damit eine neue Klausel für den Ausschluss von der in Art. 13 dieser Richtlinie vorgesehenen Anerkennung als Flüchtling und damit von Art. 1 Abschnitt A des Genfer Abkommens geschaffen wird?

2.

Falls Frage 1 bejaht wird: Ist Art. 14 Abs. 5 in dieser Auslegung mit Art. 18 der Charta und Art. 78 Abs. 1 AEUV vereinbar, nach denen namentlich das europäische Sekundärrecht das Genfer Abkommen achten muss, wobei dessen in Art. 1 Abschnitt F vorgesehene Ausschlussklausel abschließend gefasst und eng auszulegen ist?

3.

Falls Frage 1 verneint wird: Ist Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen, dass er einen Grund für die Verweigerung der Anerkennung als Flüchtling einführt, der nicht im Genfer Abkommen vorgesehen ist, dessen Achtung in Art. 18 der Charta und in Art. 78 Abs. 1 AEUV vorgeschrieben ist?

4.

Falls Frage 3 bejaht wird: Ist Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95, wenn er denn ohne jede Prüfung einer Furcht vor Verfolgung, wie sie Art. 1 Abschnitt A des Genfer Abkommens verlangt, einen Grund für die Verweigerung der Anerkennung als Flüchtling einführt, mit Art. 18 der Charta und Art. 78 Abs. 1 AEUV vereinbar, nach denen namentlich das europäische Sekundärrecht das Genfer Abkommen achten muss?

5.

Falls die Fragen 1 und 3 verneint werden: Wie ist Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95 im Einklang mit Art. 18 der Charta und Art. 78 Abs. 1 AEUV auszulegen, nach denen namentlich das europäische Sekundärrecht das Genfer Abkommen achten muss?

Rechtssache C‑78/17

62

Mit Entscheidung vom 21. Februar 2007 erkannte der Generalkommissar X, einem Staatsangehörigen der Demokratischen Republik Kongo, die Flüchtlingseigenschaft zu.

63

Am 20. Dezember 2010 wurde X von der Cour d’assises de Bruxelles (Assisenhof Brüssel, Belgien) wegen Diebstahls in einem schweren Fall in Verbindung mit vorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 25 Jahren verurteilt. Mit Entscheidung vom 4. Mai 2016 entzog der Generalkommissar ihm in Anwendung von Art. 55/3/1 § 1 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 die Rechtsstellung als Flüchtling, u. a. mit der Begründung, dass X wegen der besonderen Schwere der begangenen Straftaten eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne dieser Bestimmung darstelle. Zudem gab der Generalkommissar nach Art. 55/3/1 § 3 dieses Gesetzes eine Stellungnahme dahin ab, dass die Entfernung von X mit den Art. 48/3 und 48/4 dieses Gesetzes vereinbar sei, weil die von ihm 2007 geltend gemachte Furcht nicht mehr aktuell sei.

64

Gegen die Entscheidung des Generalkommissars legte X einen Rechtsbehelf bei dem vorlegenden Gericht ein. Dieses Gericht weist darauf hin, dass Art. 55/3/1 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980, auf den diese Entscheidung gestützt sei, Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95 in belgisches Recht umsetze. Wie in der Rechtssache C‑77/17 und aus denselben Gründen wie in jener Rechtssache ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass aus mehreren Gründen Zweifel an der Gültigkeit von Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95 im Hinblick auf Art. 18 der Charta und Art. 78 Abs. 1 AEUV bestünden.

65

Unter diesen Umständen hat der Conseil du contentieux des étrangers (Rat für Ausländerstreitsachen) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Ist Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen, dass damit eine neue Klausel für den Ausschluss von der in Art. 13 dieser Richtlinie vorgesehenen Anerkennung als Flüchtling und damit von Art. 1 Abschnitt A des Genfer Abkommens geschaffen wird?

2.

Falls Frage 1 bejaht wird: Ist Art. 14 Abs. 4 in dieser Auslegung mit Art. 18 der Charta und Art. 78 Abs. 1 AEUV vereinbar, nach denen namentlich das europäische Sekundärrecht das Genfer Abkommen achten muss, wobei dessen in Art. 1 Abschnitt F vorgesehene Ausschlussklausel abschließend gefasst und eng auszulegen ist?

3.

Falls Frage 1 verneint wird: Ist Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen, dass er einen Grund für die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft einführt, der nicht im Genfer Abkommen vorgesehen ist, dessen Achtung in Art. 18 der Charta und in Art. 78 Abs. 1 AEUV vorgeschrieben ist?

4.

Falls Frage 3 bejaht wird: Ist Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95, wenn er denn einen Grund für die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft einführt, der nicht nur im Genfer Abkommen fehlt, sondern darüber hinaus auch keine Stütze darin findet, mit Art. 18 der Charta und Art. 78 Abs. 1 AEUV vereinbar, nach denen namentlich das europäische Sekundärrecht das Genfer Abkommen achten muss?

5.

Falls die Fragen 1 und 3 verneint werden: Wie ist Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95 im Einklang mit Art. 18 der Charta und Art. 78 Abs. 1 AEUV auszulegen, nach denen namentlich das europäische Sekundärrecht das Genfer Abkommen achten muss?

Verfahren vor dem Gerichtshof

66

Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. März 2017 sind die Rechtssachen C‑77/17 und C‑78/17 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden. Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. Januar 2018 sind diese Rechtssachen mit der Rechtssache C‑391/16 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Zuständigkeit des Gerichtshofs

67

Die Mitgliedstaaten und die Organe, die beim Gerichtshof schriftliche Erklärungen eingereicht haben, haben unterschiedliche Standpunkte zu der Frage vertreten, ob der Gerichtshof im Rahmen der vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen dafür zuständig ist, die Gültigkeit der Richtlinie 2011/95 anhand von Art. 78 Abs. 1 AEUV und Art. 18 der Charta, die beide auf das Genfer Abkommen Bezug nehmen, zu beurteilen.

68

Insoweit vertritt die deutsche Regierung die Auffassung, dass diese Frage, was die Vorabentscheidungsersuchen in den Rechtssachen C‑77/17 und C‑78/17 anbelange, zu verneinen sei, da mit diesen Ersuchen im Wesentlichen eine Auslegung des Genfer Abkommens begehrt werde, während jedoch, wie sich aus dem Urteil vom 17. Juli 2014, Qurbani (C‑481/13, EU:C:2014:2101, Rn. 20, 21 und 28) ergebe, der Gerichtshof für die Auslegung dieses Abkommens nur eingeschränkt zuständig sei.

69

Der Rat und die Kommission tragen ihrerseits vor, der Gerichtshof habe bereits über die Notwendigkeit der Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2011/95 in Übereinstimmung mit dem Genfer Abkommen entschieden. Das Parlament ist der Auffassung, dass die Gültigkeit dieser Richtlinie als eines eigenständigen Gesetzgebungsakts der Union, dessen Vorrang, Einheit und Wirksamkeit der Gerichtshof gewährleiste, allein auf der Grundlage des EU- und des AEU-Vertrags sowie der Charta zu prüfen sei. Die Richtlinie 2011/95 müsse so weit wie möglich in einer Weise ausgelegt werden, die – unter Achtung namentlich der wesentlichen Grundsätze des Genfer Abkommens – ihre Gültigkeit nicht in Frage stelle.

70

Die französische und die niederländische Regierung weisen dagegen darauf hin, dass die Union zwar nicht zu den Unterzeichnern des Genfer Abkommens gehöre, jedoch nach Art. 78 AEUV und Art. 18 der Charta verpflichtet sei, dieses zu beachten. Der Gerichtshof sei daher dafür zuständig, die Vereinbarkeit von Art. 14 Abs. 4 bis 6 der Richtlinie 2011/95 mit diesem Abkommen zu beurteilen.

71

Insoweit ergibt sich aus Art. 19 Abs. 3 Buchst. b EUV und Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV, dass der Gerichtshof ohne jede Ausnahme befugt ist, im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung und die Gültigkeit der Handlungen der Unionsorgane zu entscheiden, da diese Handlungen in vollem Umfang mit den Verträgen und den aus ihnen abzuleitenden Verfassungsgrundsätzen sowie den Bestimmungen der Charta im Einklang stehen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2018, Western Sahara Campaign UK, C‑266/16, EU:C:2018:118, Rn. 44 und 46).

72

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Richtlinie 2011/95 auf der Grundlage von Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV erlassen wurde. Nach Art. 78 Abs. 1 AEUV muss die gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz, mit der „jedem Drittstaatsangehörigen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status angeboten und die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung gewährleistet werden soll“, „mit dem [Genfer Abkommen] und dem [Protokoll] sowie den anderen einschlägigen Verträgen im Einklang stehen“.

73

Zudem bestimmt Art. 18 der Charta, dass das „Recht auf Asyl … nach Maßgabe des [Genfer Abkommens] und des [Protokolls] sowie nach Maßgabe des [EU-Vertrags] und des [AEU-Vertrags] gewährleistet“ wird.

74

Auch wenn die Union nicht zu den Unterzeichnern des Genfer Abkommens gehört, erlegen ihr daher Art. 78 Abs. 1 AEUV und Art. 18 der Charta gleichwohl die Einhaltung der Regeln dieses Abkommens auf. Somit hat die Richtlinie 2011/95 nach diesen primärrechtlichen Vorschriften diese Regeln zu wahren (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. März 2016, Alo und Osso, C‑443/14 und C‑444/14, EU:C:2016:127, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 19. Juni 2018, Gnandi, C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75

Folglich ist der Gerichtshof für die Prüfung der Gültigkeit von Art. 14 Abs. 4 bis 6 der Richtlinie 2011/95 anhand von Art. 78 Abs. 1 AEUV und Art. 18 der Charta und im Rahmen dieser Prüfung für die Feststellung zuständig, ob diese Bestimmungen der Richtlinie in einer Weise ausgelegt werden können, die das durch die Vorschriften des Genfer Abkommens garantierte Schutzniveau wahrt.

Zu den Vorlagefragen

76

Die Fragen der vorlegenden Gerichte zur Gültigkeit von Art. 14 Abs. 4 bis 6 der Richtlinie 2011/95 beziehen sich im Wesentlichen darauf, ob Art. 14 Abs. 4 und 5 dieser Richtlinie dazu führt, dass der betreffende Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, der die in Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie vorgesehenen materiellen Voraussetzungen erfüllt, die Eigenschaft als Flüchtling verliert, und ob die Vorschrift damit gegen Art. 1 des Genfer Abkommens verstößt. Ihre Fragen beziehen sich, konkreter, darauf, dass die Fälle von Art. 14 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2011/95 nicht den Ausschluss- und Erlöschensgründen von Art. 1 Abschnitte C bis F des Genfer Abkommens entsprechen, obgleich diese Ausschluss- und Erlöschensgründe in der Systematik dieses Abkommens abschließenden Charakter aufweisen.

77

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach einem allgemeinen Auslegungsgrundsatz ein Unionsrechtsakt so weit wie möglich in einer seine Gültigkeit nicht in Frage stellenden Weise und im Einklang mit dem gesamten Primärrecht und insbesondere mit den Bestimmungen der Charta auszulegen ist (Urteil vom 15. Februar 2016, N., C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). Lässt eine Vorschrift des abgeleiteten Unionsrechts mehr als eine Auslegung zu, ist daher die Auslegung, bei der die Bestimmung mit dem Primärrecht vereinbar ist, derjenigen vorzuziehen, die zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit diesem führt (Urteil vom 26. Juni 2007, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a., C‑305/05, EU:C:2007:383, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78

Daher ist zu prüfen, ob die Bestimmungen von Art. 14 Abs. 4 bis 6 der Richtlinie 2011/95 im Einklang mit den Vorgaben von Art. 78 Abs. 1 AEUV und Art. 18 der Charta in einer Art und Weise ausgelegt werden können, die sicherstellt, dass das durch die Vorschriften des Genfer Abkommens garantierte Schutzniveau nicht missachtet wird.

Zu dem durch die Richtlinie 2011/95 geschaffenen System

79

Wie sich aus dem zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95 ergibt, sollen ihre Bestimmungen die Anwendung gemeinsamer Kriterien zur Bestimmung der Personen, die internationalen Schutz benötigen, sowie ein Mindestniveau von Leistungen für diese Personen in allen Mitgliedstaaten sicherstellen.

80

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich, wie der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95 bestätigt, das gemeinsame europäische Asylsystem, zu dem diese Richtlinie gehört, auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung des Genfer Abkommens und des Protokolls sowie die Versicherung stützt, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Dezember 2011, N. S. u. a., C‑411/10 und C‑493/10, EU:C:2011:865, Rn. 75, sowie vom 1. März 2016, Alo und Osso, C‑443/14 und C‑444/14, EU:C:2016:127, Rn. 30).

81

Darüber hinaus ergibt sich aus den Erwägungsgründen 4, 23 und 24 der Richtlinie 2011/95, dass das Genfer Abkommen einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen darstellt und dass die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und über deren Inhalt erlassen wurden, um die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung des Abkommens auf der Grundlage gemeinsamer Konzepte und Kriterien für die Anerkennung von Asylbewerbern als Flüchtlinge im Sinne von Art. 1 dieses Abkommens zu leiten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. Januar 2017, Lounani, C‑573/14, EU:C:2017:71, Rn. 41, und vom 13. September 2018, Ahmed, C‑369/17, EU:C:2018:713, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82

Darüber hinaus soll die Richtlinie 2011/95 nach ihrem 16. Erwägungsgrund die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde und des Asylrechts für Asylsuchende und die sie begleitenden Familienangehörigen sicherstellen, wobei dieses Recht nach Art. 18 der Charta nach Maßgabe des Genfer Abkommens und des Protokolls gewährleistet wird.

83

Somit stützt sich die Richtlinie 2011/95, auch wenn sie ein normatives System schafft, das den Mitgliedstaaten gemeinsame und daher unionseigene Begriffe und Kriterien enthält, nichtsdestoweniger auf das Genfer Abkommen und zielt u. a. darauf ab, dass Art. 1 dieses Abkommens uneingeschränkt gewahrt wird.

84

Nach diesen Klarstellungen ist festzustellen, dass Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie, was den Begriff „Flüchtling“ betrifft, im Wesentlichen die Definition in Art. 1 Abschnitt A Abs. 2 des Genfer Abkommens aufgreift. Insoweit enthalten die Bestimmungen des Kapitels III („Anerkennung als Flüchtling“) genaue Vorgaben zu den materiellen Voraussetzungen für die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder eines Staatenlosen als Flüchtling im Sinne von Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie.

85

Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2011/95 definiert seinerseits die „Flüchtlingseigenschaft“ als „die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder eines Staatenlosen als Flüchtling durch einen Mitgliedstaat“. Diese Anerkennung hat, wie sich aus dem 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95 ergibt, deklaratorischen und keinen für die Eigenschaft als Flüchtling konstitutiven Charakter.

86

In dem durch die Richtlinie 2011/95 geschaffenen System verfügt daher ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser, der die materiellen Voraussetzungen des Kapitels III dieser Richtlinie erfüllt, allein aus diesem Grund über die Eigenschaft als Flüchtling im Sinne von Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie und Art. 1 Abschnitt A des Genfer Abkommens.

87

Die systematische Auslegung der Richtlinie 2011/95, wonach deren Kapitel III sich nur auf die Eigenschaft als Flüchtling bezieht, kann daher nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass in Art. 12 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie in diesem Kapitel III u. a. in der französischen Sprachfassung der Begriff „statut de réfugié“ („Rechtsstellung als Flüchtling“) verwendet wird. Andere Sprachfassungen dieser Bestimmung, wie die spanische, die deutsche, die englische, die portugiesische und die schwedische, verwenden in diesem Art. 12 Abs. 1 und 2 nämlich den Begriff „Flüchtling“ anstelle von „Rechtsstellung als Flüchtling“.

88

Weichen die verschiedenen Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts voneinander ab, muss aber nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die fragliche Vorschrift nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (Urteile vom 1. März 2016, Alo und Osso, C‑443/14 und C‑444/14, EU:C:2016:127, Rn. 27, sowie vom 24. Januar 2019, Balandin u. a., C‑477/17, EU:C:2019:60, Rn. 31). Während insoweit Kapitel III der Richtlinie 2011/95 die Überschrift „Anerkennung als Flüchtling“ trägt, ist Kapitel IV dieser Richtlinie mit „Flüchtlingseigenschaft“ überschrieben und enthält Art. 13 über die Zuerkennung dieser Eigenschaft sowie Art. 14 über die Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung dieser Eigenschaft.

89

Zu Art. 13 der Richtlinie 2011/95 hat der Gerichtshof entschieden, dass die Mitgliedstaaten nach dieser Vorschrift einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen, der die materiellen Voraussetzungen erfüllt, um gemäß den Kapiteln II und III dieser Richtlinie als Flüchtling anerkannt zu werden, die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen, ohne in dieser Hinsicht über ein Ermessen zu verfügen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Juni 2015, H. T., C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 63, sowie vom 12. April 2018, A und S, C‑550/16, EU:C:2018:248, Rn. 52 und 54).

90

Dafür, dass die Eigenschaft als „Flüchtling“ im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2011/95 und Art. 1 Abschnitt A des Genfer Abkommens nicht von der förmlichen Anerkennung dieser Eigenschaft durch die Gewährung der „Flüchtlingseigenschaft“ im Sinne von Art. 2 Buchst. e dieser Richtlinie abhängt, spricht überdies der Wortlaut von Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie, wonach ein „Flüchtling“ unter Beachtung der in dieser Vorschrift genannten Voraussetzung „unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht“, zurückgewiesen werden kann.

91

Die mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verbundene förmliche Anerkennung der Eigenschaft als Flüchtling hat zur Folge, dass der betreffende Flüchtling nach Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2011/95 in den Genuss eines internationalen Schutzes im Sinne dieser Richtlinie kommt, so dass er, wie der Generalanwalt in Nr. 91 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, über alle in Kapitel VII dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte und Leistungen verfügt, und zwar sowohl Rechte, die den im Genfer Abkommen enthaltenen entsprechen, als auch, worauf u. a. vom Parlament und der Regierung des Vereinigten Königreichs hingewiesen worden ist, in höherem Maße schützende Rechte, die, wie die in Art. 24 Abs. 1 sowie den Art. 28 und 34 der Richtlinie 2011/95 genannten Rechte, in diesem Abkommen keine Entsprechung haben.

92

Aus den vorangegangenen Erwägungen ergibt sich, dass die Eigenschaft als „Flüchtling“ im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2011/95 und Art. 1 Abschnitt A des Genfer Abkommens nicht von der förmlichen Anerkennung dieser Eigenschaft durch die Zuerkennung der „Flüchtlingseigenschaft“ im Sinne von Art. 2 Buchst. e in Verbindung mit Art. 13 dieser Richtlinie abhängt.

Zu Art. 14 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2011/95

93

Die in Art. 14 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2011/95 genannten Fälle, in denen die Mitgliedstaaten die Flüchtlingseigenschaft aberkennen oder die Zuerkennung dieser Rechtsstellung ablehnen können, entsprechen, wie der Generalanwalt in Nr. 56 seiner Schlussanträge festgestellt hat, im Wesentlichen denen, in denen die Mitgliedstaaten einen Flüchtling nach Art. 21 Abs. 2 dieser Richtlinie und Art. 33 Abs. 2 des Genfer Abkommens zurückweisen können.

94

Jedoch ist erstens darauf hinzuweisen, dass, während der Flüchtling nach Art. 33 Abs. 2 des Genfer Abkommens in solchen Fällen den Grundsatz der Nichtzurückweisung in ein Land, in dem sein Leben oder seine Freiheit bedroht sind, nicht mehr in Anspruch nehmen kann, Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95, wie in ihrem 16. Erwägungsgrund bestätigt, unter Achtung der in der Charta, insbesondere in deren Art. 4 und Art. 19 Abs. 2, verankerten Rechte auszulegen und anzuwenden ist, wonach Folter und unmenschliche oder erniedrigende Strafen und Behandlungen unabhängig vom Verhalten der betreffenden Person ebenso wie die Ausweisung in einen Staat, in dem einer Person das ernsthafte Risiko einer solchen Behandlung droht, uneingeschränkt verboten sind. Daher können die Mitgliedstaaten einen Ausländer nicht entfernen, ausweisen oder ausliefern, wenn es ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gibt, dass für ihn die reale Gefahr besteht, im Bestimmungsland einer durch Art. 4 und Art. 19 Abs. 2 der Charta verbotenen Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru, C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 86 bis 88, sowie vom 24. April 2018, MP [Subsidiärer Schutz eines Opfers früherer Folterungen], C‑353/16, EU:C:2018:276, Rn. 41).

95

Wenn die Zurückweisung eines Flüchtlings, der von einer der in Art. 14 Abs. 4 und 5 sowie Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95 genannten Fallgruppen erfasst wird, ihn der Gefahr aussetzen würde, in seinen in Art. 4 und Art. 19 Abs. 2 der Charta verankerten Grundrechten verletzt zu werden, kann der betreffende Mitgliedstaat daher nicht gemäß Art. 33 Abs. 2 des Genfer Abkommens vom Grundsatz der Nichtzurückweisung abweichen.

96

Soweit Art. 14 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2011/95 in den darin genannten Fällen vorsieht, dass die Mitgliedstaaten die „Flüchtlingseigenschaft“ im Sinne von Art. 2 Buchst. e dieser Richtlinie aberkennen oder die Zuerkennung dieser Rechtsstellung verweigern können, während Art. 33 Abs. 2 des Genfer Abkommens die Zurückweisung eines sich in einer solchen Situation befindlichen Flüchtlings in einen Staat, in dem sein Leben oder seine Freiheit bedroht sind, zulässt, sieht das Unionsrecht somit einen weiteren internationalen Schutz der betreffenden Flüchtlinge vor, als er durch dieses Abkommen gewährleistet wird.

97

Zweitens kann, wie die Kommission, der Rat, das Parlament sowie mehrere der Mitgliedstaaten, die beim Gerichtshof schriftliche Erklärungen eingereicht haben, festgestellt haben, Art. 14 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2011/95 nicht dahin ausgelegt werden, dass im Kontext des durch diese Richtlinie geschaffenen Systems die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Verweigerung dieser Rechtsstellung dazu führt, dass der betreffende Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, der die in Art. 2 Buchst. d in Verbindung mit den Vorschriften des Kapitels III dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt, die Eigenschaft als Flüchtling im Sinne dieses Art. 2 Buchst. d und von Art. 1 Abschnitt A des Genfer Abkommens verliert.

98

Über das in Rn. 92 des vorliegenden Urteils Gesagte hinaus bedeutet nämlich der Umstand, dass die betreffende Person von einer der in Art. 14 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2011/95 genannten Fallgestaltungen erfasst wird, nicht, dass sie die materiellen Voraussetzungen einer begründeten Furcht vor Verfolgung in ihrem Herkunftsland, von denen die Eigenschaft als Flüchtling abhängt, nicht mehr erfüllt.

99

In dem Fall, dass ein Mitgliedstaat entscheidet, die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 14 Abs. 4 oder 5 der Richtlinie 2011/95 abzuerkennen oder nicht zuzuerkennen, kommt zwar den betreffenden Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen diese Rechtsstellung nicht zu und sie verfügen daher nicht oder nicht mehr über alle in Kapitel VII dieser Richtlinie genannten Rechte und Leistungen, da diese mit dieser Rechtsstellung verbunden sind. Wie in Art. 14 Abs. 6 dieser Richtlinie ausdrücklich vorgesehen, können diese Personen jedoch bestimmte im Genfer Abkommen vorgesehene Rechte geltend machen oder weiterhin geltend machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2015, H. T., C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 71), was, wie der Generalanwalt in Nr. 100 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, bestätigt, dass sie ungeachtet dieser Aberkennung oder Verweigerung die Eigenschaft als Flüchtling namentlich im Sinne von Art. 1 Abschnitt A dieses Abkommens haben oder behalten.

100

Daraus ergibt sich, dass die Bestimmungen von Art. 14 Abs. 4 bis 6 der Richtlinie 2011/95 nicht dahin ausgelegt werden können, dass die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Verweigerung der Zuerkennung dieser Rechtsstellung zur Folge hat, dass der betreffende Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, der die materiellen Voraussetzungen von Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie in Verbindung mit den Bestimmungen ihres Kapitels III erfüllt, die Eigenschaft als Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A des Genfer Abkommens verliert und daher von dem internationalen Schutz, der ihm nach Art. 18 der Charta unter Achtung dieses Abkommens zu gewährleisten ist, ausgeschlossen wird.

Zu Art. 14 Abs. 6 der Richtlinie 2011/95

101

Nach Art. 14 Abs. 6 der Richtlinie 2011/95 können die Personen, auf die die Abs. 4 und 5 dieses Art. 14 Anwendung finden, „die in den Artikeln 3, 4, 16, 22, 31, 32 und 33 [des Genfer Abkommens] genannten Rechte oder vergleichbare Rechte geltend machen, sofern sie sich in dem betreffenden Mitgliedstaat aufhalten“.

102

Was zunächst die Konjunktion „oder“ in Art. 14 Abs. 6 der Richtlinie 2011/95 betrifft, kann diese in sprachlicher Hinsicht sowohl alternative als auch kumulative Bedeutung haben und muss deshalb in dem Kontext, in dem sie verwendet wird, und im Hinblick auf den mit dem betreffenden Rechtsakt verfolgten Zweck gesehen werden (vgl. entsprechend Urteil vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich, C‑304/02, EU:C:2005:444, Rn. 83). Im vorliegenden Fall ist diese Konjunktion in Art. 14 Abs. 6 der Richtlinie 2011/95 im Hinblick auf den Kontext und den Zweck dieser Richtlinie, wie sie sich aus deren Erwägungsgründen 3, 10 und 12 ergeben, und unter Berücksichtigung der in Rn. 77 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung in einem kumulativen Sinn zu verstehen.

103

Was sodann die Tragweite des Begriffs „vergleichbare Rechte“ in diesem Art. 14 Abs. 6 betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 110 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Anwendung von Art. 14 Abs. 4 oder 5 der Richtlinie 2011/95 u. a. zur Folge hat, dass der Betroffene den Aufenthaltstitel verliert, den Art. 24 dieser Richtlinie an die Flüchtlingseigenschaft im Sinne dieser Richtlinie knüpft.

104

Ein Flüchtling, gegen den eine Maßnahme nach Art. 14 Abs. 4 oder 5 der Richtlinie 2011/95 ergangen ist, kann daher zur Ermittlung der Rechte, die ihm nach dem Genfer Abkommen zu gewähren sind, als jemand betrachtet werden, der sich nicht rechtmäßig oder nicht mehr rechtmäßig im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhält.

105

Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Mitgliedstaaten bei einem Vorgehen gemäß Art. 14 Abs. 4 oder 5 der Richtlinie 2011/95 den Flüchtlingen, die sich in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten, grundsätzlich nur die ausdrücklich in Art. 14 Abs. 6 dieser Richtlinie genannten Rechte sowie diejenigen im Genfer Abkommen vorgesehenen Rechte zuerkennen müssen, die jedem Flüchtling gewährt werden, der sich im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats aufhält, und deren Ausübung keinen rechtmäßigen Aufenthalt verlangt.

106

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass sich der Flüchtling, der von einer der in Art. 14 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2011/95 genannten Fallgestaltungen erfasst wird, unabhängig vom Verlust des an die Flüchtlingseigenschaft im Sinne dieser Richtlinie geknüpften Aufenthaltstitels möglicherweise auf einer anderen Rechtsgrundlage rechtmäßig im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhalten darf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2015, H. T., C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 94). In einem solchen Fall steht Art. 14 Abs. 6 der Richtlinie 2011/95 in keiner Weise dem entgegen, dass dieser Mitgliedstaat dem Betreffenden alle Rechte gewährleistet, die durch das Genfer Abkommen an die Eigenschaft als „Flüchtling“ geknüpft sind.

107

Daher ist Art. 14 Abs. 6 der Richtlinie 2011/95 im Einklang mit Art. 78 Abs. 1 AEUV und Art. 18 der Charta dahin auszulegen, dass der Mitgliedstaat, der von den in Art. 14 Abs. 4 und 5 dieser Richtlinie vorgesehenen Möglichkeiten Gebrauch macht, dem Flüchtling, der von einer der in diesen Bestimmungen vorgesehenen Fallgestaltungen erfasst wird und sich im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats aufhält, zumindest die im Genfer Abkommen verankerten Rechte, auf die dieser Art. 14 Abs. 6 ausdrücklich verweist, sowie die in diesem Abkommen vorgesehenen Rechte, deren Ausübung keinen rechtmäßigen Aufenthalt voraussetzt, gewähren muss, und zwar unbeschadet möglicher Vorbehalte dieses Mitgliedstaats nach Art. 42 Abs. 1 des Abkommens.

108

Abgesehen von den Rechten, die die Mitgliedstaaten den betreffenden Personen nach Art. 14 Abs. 6 der Richtlinie 2011/95 gewährleisten müssen, kann diese im Übrigen nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass sie bei diesen Staaten einen Anreiz schafft, sich ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen, wie sie sich aus dem Genfer Abkommen ergeben, zu entziehen, indem sie die diesen Personen aus diesem Abkommen erwachsenden Rechte beschränken.

109

Jedenfalls ist festzustellen, dass, wie der Generalanwalt in den Nrn. 133 und 134 seiner Schlussanträge ausgeführt hat und wie die Erwägungsgründe 16 und 17 der Richtlinie 2011/95 bestätigen, die Anwendung von Art. 14 Abs. 4 bis 6 dieser Richtlinie die Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaats unberührt lässt, die einschlägigen Vorschriften der Charta zu beachten, wie sie in ihrem Art. 7 über die Achtung des Privat- und Familienlebens, Art. 15 über die Berufsfreiheit und das Recht zu arbeiten, Art. 34 über die soziale Sicherheit und die soziale Unterstützung sowie Art. 35 über den Gesundheitsschutz verbürgt sind.

110

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich insgesamt, dass die Personen, die von einer der in Art. 14 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2011/95 beschriebenen Fallgestaltungen erfasst werden – während gegen sie nach Art. 33 Abs. 2 des Genfer Abkommens eine Maßnahme ergriffen werden kann, mit der sie in ihr Herkunftsland zurückgewiesen oder ausgewiesen werden, und zwar auch dann, wenn dort ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht sind –, nach Art. 21 Abs. 2 dieser Richtlinie nicht zurückgewiesen werden können, wenn sie dadurch Gefahr liefen, in ihren durch Art. 4 und Art. 19 Abs. 2 der Charta verankerten Grundrechten verletzt zu werden. Gegen diese Personen kann zwar in dem betreffenden Mitgliedstaat eine Entscheidung über die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2011/95 oder eine Entscheidung, diese Rechtsstellung nicht zu gewähren, ergehen, doch lässt der Erlass solcher Entscheidungen ihre Eigenschaft als Flüchtling unberührt, wenn sie die materiellen Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling im Sinne von Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie in Verbindung mit den Vorschriften des Kapitels III der Richtlinie und daher im Sinne von Art. 1 Abschnitt A des Genfer Abkommens erfüllen.

111

Nach alledem stellt diese Auslegung von Art. 14 Abs. 4 bis 6 der Richtlinie 2011/95 sicher, dass, wie von Art. 78 Abs. 1 AEUV und Art. 18 der Charta verlangt, der im Genfer Abkommen vorgesehene Mindestschutz nicht missachtet wird.

112

Somit ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Prüfung von Art. 14 Abs. 4 bis 6 der Richtlinie 2011/95 nichts ergeben hat, was die Gültigkeit dieser Bestimmungen im Hinblick auf Art. 78 Abs. 1 AEUV und Art. 18 der Charta beeinträchtigen könnte.

Kosten

113

Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidungen sind daher Sache dieser Gerichte. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Prüfung von Art. 14 Abs. 4 bis 6 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes hat nichts ergeben, was die Gültigkeit dieser Bestimmungen im Hinblick auf Art. 78 Abs. 1 AEUV und Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union beeinträchtigen könnte.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprachen: Tschechisch und Französisch.