URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

29. Mai 2018 ( *1 )

„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Unionswortmarke SHERPA – Ältere nationale Wortmarke SHERPA – Teilweise Nichtigerklärung – Streitgegenstand vor der Beschwerdekammer – Ernsthafte Benutzung der Marke – Art. 42 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 47 Abs. 2 der Verordnung [EU] 2017/1001) – Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 60 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001) – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung 2017/1001)“

In der Rechtssache T‑577/15

Xabier Uribe-Etxebarría Jiménez, wohnhaft in Erandio (Spanien), vertreten durch Rechtsanwältin M. Esteve Sanz,

Kläger,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch J. Crespo Carrillo als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Núcleo de comunicaciones y control, SL, mit Sitz in Madrid (Spanien), vertreten durch Rechtsanwälte P. López Ronda, G. Macías Bonilla, G. Marín Raigal und E. Armero Lavie,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 17. Juli 2015 (Sache R 1135/2014‑2) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Núcleo de comunicaciones y control und Herrn Uribe-Etxebarría Jiménez

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová sowie der Richter P. Nihoul (Berichterstatter) und J. Svenningsen,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund der am 1. Oktober 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 14. Januar 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 12. Februar 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund der Zuweisung der Rechtssache an die Erste Kammer und an einen neuen Berichterstatter,

aufgrund der schriftlichen Fragen des Gerichts an den Kläger und an das EUIPO und deren bei der Kanzlei des Gerichts am 16. und am 15. Dezember 2016 eingegangenen Antworten,

auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2017

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Am 26. Mai 2011 meldete der Kläger, Herr Xabier Uribe-Etxebarría Jiménez, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2

Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen SHERPA.

3

Die Marke wurde u. a. für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

Klasse 9: „Taschen- und mobile digitale elektronische Geräte zum Senden und Empfangen von Telefonanrufen, Faxen, E‑Mail, Video, Sofortnachrichten, Musik, audiovisuellen und anderen Multimedia-Werken und anderen digitalen Daten; Audio- und Videoabspielgeräte für MP3 und andere digitale Formate; Taschencomputer, persönliche digitale Assistenten, elektronische Organisationshilfen, elektronische Notizbücher; Magnetaufzeichnungsträger; Telefone, Mobiltelefone, Computerspielautomaten, Bildtelefone, Kameras; Rundfunkgeräte; Funksendegeräte; Videokameras; Computerhard- und ‑software; Computersoftware und ‑firmware, nämlich Betriebssystemprogramme, Datensynchronisationsprogramme sowie Programme für Anwendungsentwicklungstools für Personal- und Taschencomputer; Schrifterkennungssoftware, Verwaltungssoftware zur Verwendung im Fernsprechwesen, Handysoftware; Software und Hardware für telefongestützten Informationsabruf; Software zur Umleitung von Nachrichten; Spielsoftware; aufgezeichnete Computerprogramme zur Verwaltung persönlicher Informationen; Datenbankverwaltungssoftware; elektronische Nachrichtenübermittlung und Nachrichtenübermittlungssoftware; Software für die Datenbanksynchronisation; Computerprogramme für den Zugriff auf Online-Datenbanken sowie zum Durchsuchen und Recherchieren in Online-Datenbanken; Computerhardware und ‑software zur Bereitstellung integrierter Telefonkommunikation über computergestützte globale Informationsnetze; Teile und Zubehör für Taschengeräte und mobile digitale elektronische Geräte; Teile und Zubehör für Mobiltelefone; Taschen für Mobiltelefone; Etuis für Mobiltelefone; Mobiltelefontaschen aus Leder oder Lederimitationen; Mobiltelefonabdeckungen aus Stoff oder textilen Materialien; Batterien; wiederaufladbare Batterien; Ladegeräte; Ladegeräte für elektrische Batterien; Kopfhörer; Stereokopfhörer; Innenohr-Kopfhörer; Stereoboxen; Lautsprecher; Heimlautsprecher; Stereolautsprechergeräte für den persönlichen Gebrauch; Mikrofone; Kraftfahrzeugtongeräte; Anschluss- und Ladegeräte für tragbare digitale elektronische Geräte und Taschengeräte; Benutzerhandbücher in elektronisch lesbarer, maschinenlesbarer oder computerlesbarer Form zur Verwendung mit allen vorstehend genannten Waren und als Einheit damit verkauft; Teile und Bestandteile für alle vorstehend genannten Waren, ausgenommen Apparate und Instrumente zur Auswahl von Fernsehprogrammen und anderen Programmen und ausdrücklich ausgenommen Waren aller Art in Verbindung mit Militärfahrzeugen und Geländefahrzeugen (militärisch oder zivil) und Waren aller Art für militärische Zwecke“;

Klasse 42: „Wissenschaftliche Dienstleistungen; Analysen und industrielle Forschung; Entwurf und Entwicklung von Hardware und Software; Beratung in Bezug auf Software für multimediale und audiovisuelle Anwendungen; Bereitstellung von Suchmaschinen zum Abrufen von Daten über Kommunikationsnetze; Dienstleistungen eines Application Service Providers (ASP) in Bezug auf Software zur Verwendung mit einem Online-Musik-Abonnement, Software, die Benutzern das Abspielen und Programmieren von musik- und unterhaltungsbezogenen Audio‑, Video‑, Text- und Multimediainhalten ermöglicht, und Software mit Musikaufzeichnungen, unterhaltungsbezogenen Audio‑, Video‑, Text- und Multimediainhalten; Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung von nicht herunterladbarer Online-Software, die den Benutzern die Programmierung von Audio‑, Video‑, Text- und Multimediainhalten ermöglicht, einschließlich Musik, Konzerte, Videos, Rundfunksendungen, Fernsehen, Nachrichten, Sport, Spiele, kulturelle Veranstaltungen und unterhaltungsbezogene Programme; Bereitstellung von Online-Einrichtungen über ein weltweites Computernetz, die es Benutzern ermöglichen, die Planung von ausgestrahlten Audio‑, Video‑, Text- und anderen Multimediainhalten, einschließlich Musik, Konzerte, Videos, Rundfunkprogramme, Fernsehen, Nachrichten, Sport, Spiele, kulturelle Veranstaltungen und unterhaltungsbezogene Programme, zu programmieren; Bereitstellung von Suchmaschinen zum Abrufen von Informationen aus einem globalen Computernetz; Betrieb von Suchmaschinen; Beratung und Unterstützung in Computerfragen in Bezug auf das Scannen von Informationen und Speichern auf Computerplatten, alle diese Dienstleistungen der Klasse 42 nicht in Bezug auf die Bereitstellung von Zugängen (Software) zu Handelsplattformen für die Durchführung und Abwicklung von Wertpapiergeschäften und Geschäften mit anderen handelbaren Finanzinstrumenten (ausgenommen Bereitstellen von Internetzugängen)“.

4

Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 135/2011 vom 20. Juli 2011 veröffentlicht. Am 27. April 2012 wurde das Wortzeichen SHERPA unter der Nr. 10000339 als Unionsmarke eingetragen.

5

Am 23. November 2012 stellte die Streithelferin, die Núcleo de comunicaciones y control, SL, beim EUIPO einen auf Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 60 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001) in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung 2017/1001) gestützten Antrag auf Nichtigerklärung.

6

Dieser Antrag bezog sich auf alle von der angefochtenen Marke erfassten Waren und Dienstleistungen und war auf eine ältere Marke gestützt, nämlich die am 22. März 1999 unter der Nr. 2187342 für „Datenverarbeitungssysteme, insbesondere Überwachungs- und Kontrollsysteme“ in Klasse 9 eingetragene spanische Wortmarke SHERPA.

7

Vor der Nichtigkeitsabteilung beantragte der Kläger, dass die Streithelferin die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nachweist. Dieser Antrag war auf Art. 57 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 64 Abs. 2 und 3 der Verordnung 2017/1001) gestützt, wonach der Inhaber einer Unionsmarke den Nachweis verlangen kann, dass die ältere Marke in dem Gebiet, in dem sie geschützt ist, innerhalb der letzten fünf Jahre vor Stellung des Antrags auf Nichtigerklärung ernsthaft benutzt worden ist.

8

Infolge dieses Antrags legte die Streithelferin Belege vor, mit denen die entsprechende ernsthafte Benutzung nachgewiesen werden sollte.

9

Am 31. Juli 2013 änderte der Kläger seine Markenanmeldung, indem er am Ende der Liste der Waren der Klasse 9 folgende Einschränkung einfügte (im Folgenden: Einschränkung): „ausdrücklich ausgenommen Überwachungs- und Kontrollsysteme und Datenverarbeitungssysteme für Kontroll- und Überwachungszwecke“.

10

In ihrer Stellungnahme vom 11. Oktober 2013 erklärte die Streithelferin gegenüber dem EUIPO, ihren Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Marke trotz der Einschränkung aufrechtzuerhalten.

11

Die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO gab dem Antrag der Streithelferin auf Nichtigerklärung mit Entscheidung vom 27. Februar 2014 teilweise statt. Darin stellte sie fest, die von der Streithelferin eingereichten Belege wiesen die Benutzung der älteren Marke nur für Datenverarbeitungssysteme und Überwachungs- und Kontrollsysteme in industriellen Prozessen nach.

12

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 25. April 2014 beim EUIPO eine Beschwerde nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001) ein.

13

Im Beschwerdeverfahren reichte der Kläger am 27. Juni 2014 einen Schriftsatz zur Begründung der Beschwerde ein. Am selben Tag reichte er beim EUIPO ein anderes Dokument mit dem Titel „Ergänzender Schriftsatz zur Begründung der Beschwerde“ ein. Beide Schriftsätze wurden vor Ablauf der entsprechenden Frist eingereicht.

14

Mit Entscheidung vom 17. Juli 2015 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Zweite Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie stellte fest, dass die Parteien die von der Nichtigkeitsabteilung vorgenommene Beurteilung des Nachweises der ernsthaften Benutzung nicht in Frage gestellt hätten, und beschränkte ihre Prüfung daher auf die Anwendung von Art. 53 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 207/2009.

15

In diesem Rahmen bestimmte die Beschwerdekammer die für die Beurteilung der Marken maßgeblichen Verkehrskreise. Für deren Bestimmung komme es auf die betreffenden Waren und Dienstleistungen an. Für die Waren in Klasse 9 handele es sich um allgemeine und um Fachverkehrskreise, für die Dienstleistungen in Klasse 42 hingegen nur um Fachverkehrskreise (Rn. 26 der angefochtenen Entscheidung).

16

Was den Vergleich der Waren und Dienstleistungen betrifft, bestätigte die Beschwerdekammer die Beurteilung der Nichtigkeitsabteilung, dass einige der streitigen Waren in Klasse 9 mit den von der älteren Marke erfassten Waren in Klasse 9 identisch seien (Rn. 32, 33 und 34 der angefochtenen Entscheidung). Des Weiteren nahm sie wie die Nichtigkeitsabteilung den Standpunkt ein, dass einige andere von der angefochtenen Marke erfassten Waren in Klasse 9 und einige von dieser Marke erfassten Dienstleistungen in Klasse 42 den von der älteren Marke erfassten Waren ähnlich seien (Rn. 31, 36 und 37 der angefochtenen Entscheidung).

17

Was den Vergleich der Zeichen betrifft, schloss sich die Beschwerdekammer der – von den Parteien nicht angegriffenen – Beurteilung durch die Nichtigkeitsabteilung an, dass diese identisch seien (Rn. 39 der angefochtenen Entscheidung).

18

Nach alledem stellte die Beschwerdekammer fest, dass zum einen die beiden Zeichen und zum anderen ein Teil der jeweils erfassten Waren identisch seien. Ferner liege für einen anderen Teil der Waren und für Dienstleistungen, die von der angegriffenen Marke erfasst würden und als ähnlich anzusehen seien, eine Verwechslungsgefahr der einander gegenüberstehenden Marken vor (Rn. 40 bis 47 der angefochtenen Entscheidung).

Anträge der Parteien

19

Der Kläger beantragt,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

dem EUIPO und gegebenenfalls der Streithelferin die Kosten einschließlich der Kosten für das Verfahren vor der Beschwerdekammer aufzuerlegen.

20

Das EUIPO beantragt,

die Klage abzuweisen;

dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

21

Die Streithelferin beantragt,

die Klage abzuweisen;

die angefochtene Entscheidung zu bestätigen;

dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

22

Vorab ist festzustellen, dass die Streithelferin mit ihrem zweiten Antrag eine Bestätigung der angefochtenen Entscheidung durch das Gericht erreichen möchte.

23

Angesichts der Tatsache, dass eine Bestätigung der angefochtenen Entscheidung einer Abweisung der Klage entspricht, ist dieser zweite Antrag letztlich auf eine Klageabweisung gerichtet und entspricht somit dem ersten Klageantrag der Streithelferin (vgl. Urteil vom 11. Juli 2017, Dogg Label/EUIPO – Chemoul [JAPRAG], T‑406/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:482, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24

Der Kläger stützt seine Aufhebungsklage auf drei Klagegründe: erstens einen Verstoß gegen Art. 63 Abs. 1, Art. 64 Abs. 1 und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 70 Abs. 1, Art. 71 Abs. 1 und Art. 95 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001), zweitens einen Verstoß gegen Art. 57 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 42 Abs. 2 und 3 (jetzt Art. 47 Abs. 2 und 3 der Verordnung 2017/1001) und mit Regel 22 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1995, L 303, S. 1) (jetzt Art. 10 der Delegierten Verordnung [EU] 2017/1430 der Kommission vom 18. Mai 2017 zur Ergänzung der Verordnung [EG] Nr. 207/2009 und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 2868/95 und der Verordnung [EG] Nr. 216/96 der Kommission [ABl. 2017, L 205, S. 1]) und drittens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 207/2009.

Erster Klagegrund: Weigerung, die ernsthafte Benutzung der älteren Marke zu prüfen

25

Mit seinem ersten Klagegrund wirft der Kläger der Beschwerdekammer vor, die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nicht geprüft zu haben, obwohl sie dies gemäß Art. 63 Abs. 1, Art. 64 Abs. 1 und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 hätte tun müssen.

26

Dieser Klagegrund wird auf zwei Rügen gestützt.

Erste Rüge: fehlende Prüfung der ernsthaften Benutzung, trotz entsprechendem Antrag

27

Als Erstes rügt der Kläger, die Beschwerdekammer hätte die ernsthafte Benutzung prüfen müssen, weil er dies in seinem Schriftsatz zur Begründung der Beschwerde ausdrücklich beantragt habe.

28

Das EUIPO und die Streithelferin halten diese Rüge für unbegründet.

29

Die Beschwerdekammer hat in der angefochtenen Entscheidung die Beurteilung des Nachweises der ernsthaften Benutzung der älteren Marke durch die Nichtigkeitsabteilung nicht überprüft, weil sie der Ansicht war, diese Beurteilung sei vor ihr nicht in Frage gestellt worden (vgl. oben, Rn. 14).

30

Im Übrigen hat der Kläger zur Stützung seiner Beschwerde zwei Schriftsätze bei der Beschwerdekammer eingereicht.

31

Im ersten Schriftsatz hat er sich mit der Beurteilung der ernsthaften Benutzung der älteren Marke durch die Nichtigkeitsabteilung einverstanden erklärt.

32

Im zweiten Schriftsatz, den er als den ersten Schriftsatz „ergänzend“ bezeichnet hat, hat er u. a. Folgendes ausgeführt: „Für die Rechte [des Klägers] ist es von Bedeutung, dass die Beschwerdekammer, so wie es ihre Aufgabe ist, den von der Antragstellerin eingereichten – und angefochtenen – Nachweis der Benutzung der eingetragenen älteren Marke, deren Inhaber sie ist und auf die sie ihren Antrag auf Nichtigerklärung stützt, überprüft, da … so bestätigt werden wird, dass eine Benutzung der Marke, die ausreicht, um diesen Antrag zu stützen, nicht nachgewiesen wurde“, und „hilfsweise bestätigt werden wird, dass die Marke nur sehr begrenzt für eine ganz konkrete Ware, die mit den von der Marke [des Klägers] erfassten Waren und Dienstleistungen nichts zu tun hat, benutzt wurde“ (S. 2 und 3 des zweiten Schriftsatzes).

33

Nachdem der Kläger so seine Absicht angekündigt hat, die von der Nichtigkeitsabteilung vorgenommene Beurteilung der ernsthaften Benutzung der älteren Marke zu kritisieren, hat er in diesem zweiten Schriftsatz zudem mehrere Argumente gegen diese Beurteilung angeführt (S. 3 bis 8 des zweiten Schriftsatzes).

34

Auf der Grundlage dieser Argumente hat er vorgetragen, es sei seiner Ansicht nach „nicht möglich …, zu dem Schluss zu kommen, dass der Nachweis der ernsthaften Benutzung der [älteren] Marke erbracht wurde“ (S. 8 des zweiten Schriftsatzes).

35

Aus alledem ergibt sich erstens – wie das EUIPO dargelegt hat –, dass der Kläger zur Frage der ernsthaften Benutzung der älteren Marke in seinem zweiten Schriftsatz das Gegenteil seines in seinem ersten Schriftsatz zu dieser Frage vertretenen Standpunkts vorgetragen hat – obwohl der zweite Schriftsatz lediglich als den ersten Schriftsatz „ergänzend“ bezeichnet wurde, womit dem EUIPO zu verstehen gegeben wurde, dass der Inhalt des zweiten Schriftsatzes die im ersten Schriftsatz vertretenen Standpunkte nur untermauern sollte.

36

Zweitens enthält der vom Kläger eingereichte „ergänzende Schriftsatz“ zwei sich widersprechende Stellen, in denen die Beurteilung der Nichtigkeitsabteilung einmal in Frage gestellt und einmal akzeptiert wird. Einerseits nämlich kritisiert der Kläger auf den S. 2 bis 8 dieses Schriftsatzes den Standpunkt der Nichtigkeitsabteilung zur Frage der ernsthaften Benutzung (siehe oben, Rn. 32 bis 34). Andererseits erklärt er auf S. 8 dieses Schriftsatzes: „Wie in unserem vorherigen Schriftsatz ausgeführt, teilen wir die Einschätzung der Nichtigkeitsabteilung, dass ‚die von der Antragstellerin eingereichten Nachweise für die Benutzung nicht [beweisen], dass die Marke für diese gesamte breite Warenkategorie benutzt wurde, vielmehr beweisen sie die Benutzung der älteren Marke lediglich in Bezug auf Datenverarbeitungssysteme und Überwachungs- und Kontrollsysteme in industriellen Prozessen‘.“

37

In einer solchen Situation würde die Beschwerdekammer an die Stelle des Beschwerdeführers treten, wenn sie einem der beiden sich widersprechenden Standpunkte den Vorzug gäbe und sich die ihrer Ansicht nach vorgebrachten Beschwerdegründe herleitete. Die Rechtsprechung verlangt vom Beschwerdeführer, durch eine präzise und schlüssige Formulierung seiner Anträge und Argumente den Rahmen des Streits selbst festzulegen. Die Beschwerdekammer muss aus den vom Beschwerdeführer eingereichten Schriftsätzen ohne Weiteres verstehen können, warum er die Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung beantragt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. April 2010, Claro/HABM – Telefónica [Claro], T‑225/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:169, Rn. 28, und vom 16. Mai 2011, Atlas Transport/HABM – Atlas Air [ATLAS], T‑145/08, EU:T:2011:213, Rn. 41).

38

In der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht hat der Kläger angegeben, der erste Schriftsatz habe seine Hauptargumente enthalten, sei aber infolge der Einreichung des zweiten Schriftsatzes subsidiär geworden, da der zweite Schriftsatz zwar als „ergänzend“ bezeichnet worden sei, für die Verteidigung des Klägers jedoch eine wichtige Änderung enthalten habe, einen vormals nicht besprochenen Punkt, der zum Kernpunkt der nunmehr vom Kläger vorgebrachten Kritik der Entscheidung der Beschwerdekammer geworden sei.

39

Wie das EUIPO, insoweit unterstützt durch die Streithelferin, in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, müssen die von den Parteien beim EUIPO eingereichten Schriftsätze in Anwendung der oben in Rn. 37 angeführten Rechtsprechung aus sich heraus verständlich sein. Hier genügten die vom Kläger eingereichten Schriftstücke zum Zeitpunkt ihrer Einreichung dieser Anforderung nicht (siehe oben, Rn. 35 bis 38).

40

Unter diesen Umständen hat die Beschwerdekammer den vom Kläger als Zweites eingereichten Schriftsatz – wegen des darin enthaltenen Widerspruchs und angesichts dessen, dass er als nur „ergänzend“ bezeichnet wurde, der Kläger somit angegeben hat, dass die Hauptargumentation im zuerst eingereichten Schriftsatz enthalten sei –, zu Recht außer Acht gelassen.

41

Aus diesen Gründen ist die erste Rüge des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Zweite Rüge: funktionale Kontinuität zwischen den Dienststellen des EUIPO und Devolutiveffekt der Beschwerde

42

Mit seiner zweiten Rüge macht der Kläger geltend, die Beschwerdekammer hätte die ernsthafte Benutzung der älteren Marke auch ohne entsprechenden Antrag prüfen müssen, und zwar wegen des Grundsatzes der funktionalen Kontinuität zwischen den Dienststellen des EUIPO und des Devolutiveffekts der Einlegung der Beschwerde in diesem Kontext. Aus diesem Grundsatz und diesem Effekt ergebe sich, dass die Beschwerdekammern ihre Entscheidungen auf sämtliche von den Beteiligten vor der ersten Dienststelle vorgebrachten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu stützen hätten.

43

Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen des Klägers entgegen.

44

Nach der Rechtsprechung fügt ein Antrag, die ernsthafte Benutzung einer älteren Marke nachzuweisen, dem Nichtigkeitsverfahren die spezifische Vorfrage der ernsthaften Benutzung der älteren Marke hinzu, die, wenn sie vom Markeninhaber aufgeworfen wurde, vor der Entscheidung über den eigentlichen Antrag auf Nichtigerklärung zu beantworten ist (Urteil vom 13. September 2010, Inditex/HABM – Marín Díaz de Cerio [OFTEN], T‑292/08, EU:T:2010:399, Rn. 31).

45

Es handelt sich deshalb um eine spezifische Vorfrage, da mit der Prüfung der ernsthaften Benutzung zu entscheiden ist, ob die ältere Marke für die Zwecke der Prüfung des Antrags auf Nichtigerklärung als für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen eingetragen gelten kann. Diese Frage ist also nicht Teil der Prüfung des eigentlichen Antrags auf Nichtigerklärung, der auf die Gefahr einer Verwechslung mit dieser Marke gestützt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2010, OFTEN, T‑292/08, EU:T:2010:399, Rn. 33).

46

Folglich ist die Frage der ernsthaften Benutzung, wenn sie vor der Beschwerdekammer nicht ausdrücklich aufgeworfen wird, keine von der Beschwerdekammer zur Entscheidung des bei ihr anhängigen Streits zwingend zu entscheidende Rechtsfrage. Unter diesen Umständen ist diese Frage nicht als ein Teil des Streitgegenstands vor der Beschwerdekammer anzusehen (vgl. Urteil vom 12. März 2014, El Corte Inglés/HABM – Technisynthese [BTS], T‑592/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:117, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47

Daraus folgt, dass die funktionale Kontinuität zwischen den Dienststellen des EUIPO und der Devolutiveffekt der bei der Beschwerdekammer eingelegten Beschwerde entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht dazu führen, dass die Beschwerdekammer automatisch mit den Fragen hinsichtlich der ernsthaften Benutzung der älteren Marke befasst wird, wenn diese Fragen vom Beschwerdeführer nicht ausdrücklich vor ihr aufgeworfen werden.

48

Die zweite Rüge des ersten Klagegrundes sowie – angesichts der Antwort auf die erste Rüge – der erste Klagegrund insgesamt sind somit zurückzuweisen.

Zweiter Klagegrund: Fehler bei der Beurteilung der zum Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke vorgelegten Beweismittel

49

Mit seinem zweiten Klagegrund macht der Kläger geltend, die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung enthalte – unter Verstoß gegen Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 und Regel 22 der Verordnung Nr. 2868/95 – einen Beurteilungsfehler in Bezug auf die Benutzung der älteren Marke. Auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erläutert, er stütze diesen Klagegrund ebenfalls auf einen Verstoß gegen Art. 57 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009, der die Beibringung von Nachweisen für die ernsthafte Benutzung der älteren Marke in einem Nichtigkeitsverfahren betrifft.

50

In seinen Schriftsätzen gibt der Kläger an, dieser Klagegrund werde nur hilfsweise erhoben und sei vom Gericht nur dann zu prüfen, wenn es den oben geprüften ersten Klagegrund zurückweise. Da dieser erste Klagegrund oben in Rn. 48 zurückgewiesen wurde, ist der zweite Klagegrund zu prüfen. In diesem hilfsweise erhobenen Klagegrund analysiert der Kläger Dokumente, die die Streithelferin im Verfahren vor der Nichtigkeitsabteilung eingereicht hat, und ersucht das Gericht, festzustellen, dass es diesen Dokumenten an der für den Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke erforderlichen Beweiskraft fehlt.

51

Das EUIPO und die Streithelferin halten diesen Klagegrund für unzulässig und unbegründet.

52

Nach der Rechtsprechung sind beim Gericht in Markensachen erhobene Klagen auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des EUIPO erlassenen Entscheidungen gerichtet. In diesem Rahmen darf das Gericht nicht im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt neu prüfen (vgl. Urteil vom 16. April 2015, Matratzen Concord/HABM – KBT [ARKTIS], T‑258/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:207, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Beschwerdekammer die von der Streithelferin eingereichten Nachweise für die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nicht selbständig und vollständig geprüft hat und dies mangels eines ausdrücklichen entsprechenden Antrags des Klägers auch nicht musste.

54

Daraus folgt, dass gemäß der oben in Rn. 52 angeführten Rechtsprechung diese Nachweise vom Gericht nicht überprüft werden können. Der zweite Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

Dritter Klagegrund: Fehler bei der Beurteilung der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen

55

Mit seinem dritten Klagegrund – Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 207/2009 – wirft der Kläger der Beschwerdekammer Fehler bei der Beurteilung der Identität oder der Ähnlichkeit der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren und Dienstleistungen vor.

56

In seinen Schriftsätzen gibt der Kläger an, dass dieser Klagegrund äußerst hilfsweise vorgebracht werde und zu prüfen sei, wenn die angefochtene Entscheidung nicht aufgrund der ersten beiden Klagegründe aufgehoben werde. Da diese zurückgewiesen wurden, ist der dritte Klagegrund zu prüfen, wobei vorab die Erwägungen der Beschwerdekammer zu den maßgeblichen Verkehrskreisen und zum Zeichenvergleich zu untersuchen sind.

Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen

57

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf einen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart abzustellen, der normal informiert und angemessen aufmerksam und verständig ist und dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, EU:T:2007:46, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58

Die Beschwerdekammer hat in Rn. 26 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise für die Waren in Klasse 9 zum einen aus allgemeinen und zum anderen aus Fachverkehrskreisen (Unternehmen mit spezifischen Kenntnissen oder spezifischer beruflicher Erfahrung) bestünden. In derselben Randnummer hat sie ferner festgestellt, dass sich die Dienstleistungen in Klasse 42 an Verkehrskreise mit wissenschaftlichen und technischen Kenntnissen richteten, die über einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad verfügten. Diese Feststellungen wurden vom Kläger nicht in Frage gestellt und sind stichhaltig, so dass das Gericht sie bestätigen kann.

59

In Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer im Übrigen ausgeführt, das maßgebliche Gebiet sei das der Europäischen Union, was vom Kläger nicht bestritten wurde. Auf eine Frage in der mündlichen Verhandlung hat das EUIPO zugestanden, diese Definition des maßgeblichen Gebiets sei falsch gewesen, aber geltend gemacht, dies sei für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht von Belang. Der Kläger hat vorgetragen, dieser Fehler könne sich auf die Beurteilung der begrifflichen Ähnlichkeit der streitigen Marken auswirken. Hierzu ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer, weil die ältere Marke eine spanische Marke ist und das maßgebliche Gebiet daher Spanien ist, einen Fehler begangen hat, dass dieser sich jedoch nicht auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ausgewirkt hat. Er beeinflusst nämlich weder die Beurteilung der bildlichen, klanglichen und sogar begrifflichen Ähnlichkeit der streitigen Marken – diese sind nämlich identisch – noch die der Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen, die nicht davon abhängt, welches Gebiet maßgeblich ist, was hier im Übrigen auch nicht behauptet wird.

Zum Vergleich der Zeichen

60

Die Beschwerdekammer hat im vorliegenden Fall in Rn. 39 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen ausschließlich aus dem Begriff „Sherpa“ bestünden und damit identisch seien. Dies ist offensichtlich und wurde vom Kläger auch nicht in Frage gestellt, kann also bestätigt werden.

Zum Vergleich der Waren und Dienstleistungen

– Erste Rüge: Beurteilung der Ähnlichkeit der von der älteren Marke erfassten Waren in Klasse 9 und der von der angefochtenen Marke erfassten Dienstleistungen in Klasse 42

61

In der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass bestimmte in der Anmeldung des Klägers genannte Dienstleistungen in Klasse 42 den von der älteren Marke erfassten Waren in Klasse 9 ähnlich seien.

62

Der Kläger bestreitet diese Beurteilung für folgende Dienstleistungen: „Beratung in Bezug auf Software für multimediale und audiovisuelle Anwendungen; Bereitstellung von Suchmaschinen zum Abrufen von Daten über Kommunikationsnetze; Bereitstellung von Suchmaschinen zum Abrufen von Informationen aus einem globalen Computernetz“.

63

Ferner kritisiert er diese Beurteilung für folgende Dienstleistungen: „Dienstleistungen eines Application Service Providers (ASP) in Bezug auf Software zur Verwendung mit einem Online-Musik-Abonnement, Software, die Benutzern das Abspielen und Programmieren von musik- und unterhaltungsbezogenen Audio‑, Video‑, Text- und Multimediainhalten ermöglicht, und Software mit Musikaufzeichnungen, unterhaltungsbezogenen Audio‑, Video‑, Text- und Multimediainhalten; Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung von nicht herunterladbarer Online-Software, die den Benutzern die Programmierung von Audio‑, Video‑, Text- und Multimediainhalten ermöglicht, einschließlich Musik, Konzerte, Videos, Rundfunksendungen, Fernsehen, Nachrichten, Sport, Spiele, kulturelle Veranstaltungen und unterhaltungsbezogene Programme; Bereitstellung von Online-Einrichtungen über ein weltweites Computernetz, die es Benutzern ermöglichen, die Planung von ausgestrahlten Audio‑, Video‑, Text- und anderen Multimediainhalten, einschließlich Musik, Konzerte, Videos, Rundfunkprogramme, Fernsehen, Nachrichten, Sport, Spiele, kulturelle Veranstaltungen und unterhaltungsbezogene Programme, zu programmieren“.

64

Der Kläger trägt vor, diese Dienstleistungen ergänzten die unter der älteren Marke vertriebene Software mit industriellen Funktionen nicht und seien ihr auch nicht ähnlich, da die Dienstleistungen, anders als die Software, nur von einem Endnutzer auf einmal benutzt werden könnten.

65

Wie die Beschwerdekammer ausgeführt hat, ergänzt die erste Reihe von Dienstleistungen (oben in Rn. 62 genannt) die von der älteren Marke erfassten Waren, deren ernsthafte Benutzung nachgewiesen ist.

66

Diese Dienstleistungen ergänzen sie deshalb, weil für die Benutzung der von der älteren Marke erfassten Waren „Software“ und „Anwendungen“ notwendig sind, von denen die Beschwerdekammer spricht. Ebenso können diese „Software“ und diese „Anwendungen“ nur zusammen mit Waren an die Nutzer abgegeben werden, die ihre Benutzung ermöglichen; zu diesen Waren zählen die von der Streithelferin unter der älteren Marke, deren Benutzung nachgewiesen ist, vertriebenen Überwachungs- und Kontrollsysteme.

67

An dieser Beurteilung ändert es nichts, wenn die von der älteren Marke erfassten Waren in industriellen Prozessen verwendet werden. Mit diesem Begriff wird nämlich lediglich verdeutlicht, dass die von dieser Marke erfassten Überwachungs- und Kontrollwaren, wenn sie in einem industriellen Rahmen verwendet werden, einer bedeutenden Nutzeranzahl zugänglich gemacht werden und sich in eine Dynamik ähnlich einer Serienfertigung einfügen können.

68

Dass sich die unter der älteren Marke vertriebenen Waren und die von der angefochtenen Marke erfassten Dienstleistungen derart ergänzen, bedeutet nicht, dass sie nicht ähnlich sein können. Nach der Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit nämlich alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis der Waren und Dienstleistungen zueinander kennzeichnen, u. a. ihre Art, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Frage, ob sie miteinander konkurrieren oder sich ergänzen (vgl. Urteil vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, EU:T:2007:219, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69

Dadurch, dass Waren und Dienstleistungen sich ergänzen, insbesondere weil sie in Verbindung miteinander oder zusammen verwendet werden, kann bei den Verkehrskreisen die Wahrnehmung hervorgerufen werden, dass die betreffenden Waren und Dienstleistungen ähnlich sind.

70

Im vorliegenden Fall ist die von der Beschwerdekammer getroffene Feststellung, dass die Waren und Dienstleistungen ähnlich seien, weil sie sich ergänzten, zu bestätigen, weil es sich um komplexe Waren und Dienstleistungen handelt und es insbesondere sogar für Fachverkehrskreise schwierig ist, zwischen – im Zusammenspiel funktionierender – Hardware einerseits und Software oder Anwendung andererseits zu trennen.

71

Was die zweite Reihe von Dienstleistungen (oben in Rn. 63 genannt) betrifft, so können auch diese Dienstleistungen als ähnlich angesehen werden, auch wenn der Grad der Ähnlichkeit mit den von der älteren Marke erfassten Waren, wie die Beschwerdekammer entschieden hat, schwach ist, da diese Dienstleistungen von denselben Unternehmen erbracht werden können und sich an dieselben Verkehrskreise richten.

72

Aus diesen Gründen hat die Beschwerdekammer zu Recht entschieden, dass die betreffenden Dienstleistungen den von der älteren Marke erfassten Waren, für die eine ernsthafte Benutzung nachgewiesen ist, ähnlich sind.

– Zweite Rüge: Beurteilung der Identität oder Ähnlichkeit der von der älteren Marke erfassten Waren in Klasse 9 und der von der angefochtenen Marke erfassten Waren in Klasse 9

73

Beim Vergleich der Waren in Klasse 9 hat die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass folgende von der angefochtenen Marke erfasste Waren mit den von der älteren Marke erfassten Waren identisch seien: „Computerhard- und ‑software; Computersoftware und ‑firmware, nämlich Betriebssystemprogramme, Datensynchronisationsprogramme sowie Programme für Anwendungsentwicklungstools für Personal- und Taschencomputer; Schrifterkennungssoftware, Verwaltungssoftware zur Verwendung im Fernsprechwesen, Handysoftware; Software und Hardware für telefongestützten Informationsabruf; Software zur Umleitung von Nachrichten; aufgezeichnete Computerprogramme zur Verwaltung persönlicher Informationen; Datenbankverwaltungssoftware; elektronische Nachrichtenübermittlung und Nachrichtenübermittlungssoftware; Software für die Datenbanksynchronisation; Computerprogramme für den Zugriff auf Online-Datenbanken sowie zum Durchsuchen und Recherchieren in Online-Datenbanken; Computerhardware und ‑software zur Bereitstellung integrierter Telefonkommunikation über computergestützte globale Informationsnetze“.

74

Ferner hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass folgende weitere Waren in Klasse 9 den von der älteren Marke erfassten Waren in Klasse 9 ähnlich seien: „Taschen- und mobile digitale elektronische Geräte zum Senden und Empfangen von Telefonanrufen, Faxen, E‑Mail, Video, Sofortnachrichten, Musik, audiovisuellen und anderen Multimedia-Werken und anderen digitalen Daten; Audio- und Videoabspielgeräte für MP3 und andere digitale Formate; Taschencomputer, persönliche digitale Assistenten, elektronische Organisationshilfen, elektronische Notizbücher; Magnetaufzeichnungsträger; Telefone, Mobiltelefone, Bildtelefone, Kameras; Rundfunkgeräte; Funksendegeräte; Videokameras; Teile und Zubehör für Taschengeräte und mobile digitale elektronische Geräte; Teile und Zubehör für Mobiltelefone; Benutzerhandbücher in elektronisch lesbarer, maschinenlesbarer oder computerlesbarer Form zur Verwendung mit allen vorstehend genannten Waren und als Einheit damit verkauft; Teile und Bestandteile für alle vorstehend genannten Waren, ausgenommen Apparate und Instrumente zur Auswahl von Fernsehprogrammen und anderen Programmen und ausdrücklich ausgenommen Waren aller Art in Verbindung mit Militärfahrzeugen und Geländefahrzeugen (militärisch oder zivil) und Waren aller Art für militärische Zwecke; ausdrücklich ausgenommen Überwachungs- und Kontrollsysteme und Datenverarbeitungssysteme für Kontroll- und Überwachungszwecke“.

75

Zu diesen unterschiedlichen Waren macht der Kläger hauptsächlich geltend, die Beschwerdekammer habe in der angefochtenen Entscheidung beim Vergleich dieser Waren die Einschränkung nicht beachtet, aufgrund deren es völlig ausgeschlossen sei, dass die von der angefochtenen Marke erfassten Waren den von der älteren Marke erfassten Waren ähnlich oder mit diesen identisch seien.

76

Hilfsweise wendet sich der Kläger gegen die Beurteilung der Beschwerdekammer, die zur Feststellung der Identität und der Ähnlichkeit der fraglichen Waren geführt hat.

77

Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen des Klägers entgegen.

78

Nach Art. 26 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 31 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001) muss die Anmeldung einer Unionsmarke ein Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung begehrt wird, enthalten.

79

Außerdem kann der Anmelder nach Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001) seine Anmeldung jederzeit zurücknehmen oder das in der Anmeldung enthaltene Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen einschränken.

80

Wie oben in Rn. 9 ausgeführt, hat der Kläger hier das Verzeichnis während des Verfahrens vor der Nichtigkeitsabteilung eingeschränkt.

81

Aufgrund der Einschränkung endet das Verzeichnis der von der angefochtenen Marke erfassten Waren in Klasse 9 mit dem Satzteil „ausdrücklich ausgenommen Überwachungs- und Kontrollsysteme und Datenverarbeitungssysteme für Kontroll- und Überwachungszwecke“.

82

Die Einschränkung wird in den Rn. 30 und 35 der angefochtenen Entscheidung im Zusammenhang mit bestimmten Waren ohne weitere Angabe, Ausführung oder Begründung lediglich erwähnt. Die Entscheidung enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdekammer bei der Prüfung der Identität oder der Ähnlichkeit der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren in Klasse 9 die Einschränkung an sich ausdrücklich bewertet hätte.

83

Nach der Rechtsprechung kann die Berücksichtigung einer solchen Einschränkung im Verwaltungsverfahren jedoch je nach den Umständen des Einzelfalls dazu führen, dass Waren, die vorher als identisch eingestuft worden wären, nun lediglich als ähnlich zu betrachten sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. September 2015, Gat Microencapsulation/HABM – BASF [KARIS], T‑720/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:735, Rn. 40), was bei identischen einander gegenüberstehenden Marken dazu führt, dass gegebenenfalls nicht mehr Art. 8 Abs. 1 Buchst. a, sondern Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 einschlägig ist.

84

Unter diesen Umständen hat die Beschwerdekammer einen Fehler begangen, der ihre Beurteilung der Identität oder Ähnlichkeit der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren in Klasse 9 beeinträchtigen konnte.

85

Da dieser Fehler der Beschwerdekammer den Inhalt der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Anmeldung der angefochtenen Marke für Waren in Klasse 9 entscheidend beeinflussen konnte, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit sie die Beurteilung der Waren in Klasse 9 betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2012, Colas/HABM – García-Teresa Gárate und Bouffard Vicente [BASE-SEAL], T‑172/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:119, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86

In ihren Schriftsätzen beantragen das EUIPO und die Streithelferin, die angefochtene Entscheidung abzuändern, falls das Gericht zu dem Schluss kommt, sie sei in Bezug auf die Prüfung der Einschränkung fehlerhaft.

87

Nach der Rechtsprechung steht dem Gericht eine Abänderungsbefugnis zu, deren Ausübung allerdings auf Situationen beschränkt ist, in denen das Gericht nach Überprüfung der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilung auf der Grundlage der erwiesenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Entscheidung zu finden vermag, die die Beschwerdekammer hätte erlassen müssen. Das Gericht darf nicht seine eigene Beurteilung an die Stelle der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilung setzen oder eine Frage beurteilen, zu der die Beschwerdekammer noch nicht Stellung genommen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM, C‑263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 72).

88

Unter den vorliegenden Umständen könnte das Gericht seine Abänderungsbefugnis nicht ausüben, ohne die ihm von der Rechtsprechung gesetzten Grenzen zu überschreiten, da sich die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung zur Reichweite und zu den Folgen der Einschränkung für die Beurteilung der Identität oder der Ähnlichkeit der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren in Klasse 9 nicht geäußert hat. Dem Gericht liegt daher insoweit keine Beurteilung vor, die es im Einklang mit der Rechtsprechung überprüfen und gegebenenfalls abändern könnte.

89

Unter diesen Umständen ist der zweiten Rüge des dritten Klagegrundes stattzugeben, die angefochtene Entscheidung, soweit sie die Anmeldung der angefochtenen Marke für Waren in Klasse 9 betrifft, aufzuheben und – wie vom EUIPO schließlich in der mündlichen Verhandlung vorgeschlagen – die Sache zur erneuten Entscheidung über diesen Teil der Anmeldung an die Beschwerdekammer zurückzuverweisen.

90

Da die Beschwerdekammer hingegen zum einen zu Recht entschieden hat, dass die von der angefochtenen Marke erfassten Dienstleistungen in Klasse 42 den von der älteren Marke erfassten Waren in Klasse 9, für die eine ernsthafte Benutzung nachgewiesen wurde, ähnlich sind (vgl. oben, Rn. 72), und zum anderen die – vom Kläger nicht gesondert beanstandete – umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr durch die Beschwerdekammer vom Gericht als stichhaltig bestätigt werden kann, ist die vorliegende Klage abzuweisen, soweit sie die Anmeldung der angefochtenen Marke für Dienstleistungen in Klasse 42 betrifft.

Kosten

91

In seiner Klageschrift beantragt der Kläger, dem EUIPO sowie gegebenenfalls der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

92

Nach Art. 134 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, jede Partei ihre eigenen Kosten. Das Gericht kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint. Vorliegend sind dem EUIPO außer seinen eigenen Kosten ein Drittel der Kosten des Klägers aufzuerlegen.

93

Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein Streithelfer seine eigenen Kosten trägt. Vorliegend trägt die Streithelferin, die dem Rechtsstreit zur Unterstützung des EUIPO beigetreten ist, ihre eigenen Kosten.

94

Was den Antrag des Klägers bezüglich der Kosten des Verfahrens vor der Beschwerdekammer betrifft, ist es Sache der Beschwerdekammer, unter Berücksichtigung des vorliegenden Urteils über die Kosten jenes Verfahrens zu entscheiden (Urteil vom 4. Oktober 2017, Gappol Marzena Porczyńska/EUIPO – Gap [ITM] [GAPPOL], T‑411/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:689, Rn. 209).

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 17. Juli 2015 (Sache R 1135/2014‑2) wird aufgehoben, soweit sie die von der angefochtenen Marke erfassten Waren in Klasse 9 betrifft.

 

2.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

3.

Das EUIPO trägt seine eigenen Kosten sowie ein Drittel der Kosten von Herrn Xabier Uribe-Etxebarría Jiménez.

 

4.

Herr Uribe-Etxebarría Jiménez trägt zwei Drittel seiner eigenen Kosten.

 

5.

Die Núcleo de comunicaciones y control, SL, trägt ihre eigenen Kosten.

 

Pelikánová

Nihoul

Svenningsen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. Mai 2018.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.