URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

15. Februar 2017 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Mehrwertsteuer — Sechste Richtlinie 77/388/EWG — Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n — Steuerbefreiung bestimmter kultureller Dienstleistungen — Keine unmittelbare Wirkung — Bestimmung der steuerbefreiten kulturellen Dienstleistungen — Ermessen der Mitgliedstaaten“

In der Rechtssache C‑592/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Rechtsmittelgerichtshof [England und Wales] [Zivilabteilung], Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 16. Oktober 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 13. November 2015, in dem Verfahren

Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs

gegen

British Film Institute

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz (Berichterstatter) sowie der Richter E. Juhász und C. Vajda, der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

des British Film Institute, vertreten durch P. Drinkwater, Solicitor, Z. Yang, Barrister, D. Milne, QC, und A. Lee, Solicitor,

der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brandon als Bevollmächtigten im Beistand von S. Singh, Barrister,

der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und M. Owsiany‑Hornung als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. September 2016

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) und von Art. 132 Abs. 1 Buchst. n der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs (Steuer- und Zollbehörde des Vereinigten Königreichs, im Folgenden: Steuerbehörde) und dem British Film Institute (im Folgenden: BFI). Gegenstand dieses Rechtsstreits ist die Mehrwertsteuerpflicht des BFI bezüglich der von ihm erbrachten Dienstleistungen der Gewährung von Zutritt zu Filmvorführungen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

In Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n („Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten“) der Sechsten Richtlinie heißt es:

„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

n)

bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten Einrichtungen erbracht werden;

…“

4

Durch die Richtlinie 2006/112 wurden gemäß ihren Art. 411 und 413 die Mehrwertsteuervorschriften der Union, u. a. die Sechste Richtlinie, mit Wirkung vom 1. Januar 2007 aufgehoben und ersetzt.

Recht des Vereinigten Königreichs

5

Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie erst am 1. Juni 1996 umgesetzt, als Group 13 of Schedule 9 of the Value Added Tax Act 1994 (Gruppe 13 von Anhang 9 des Mehrwertsteuergesetzes von 1994) in Kraft trat.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

6

Das BFI ist eine gemeinnützige Einrichtung ohne Gewinnerzielungsabsicht, deren Zweck in der Förderung des Kinos im Vereinigten Königreich besteht. Im Zeitraum vom 1. Januar 1990 bis 31. Mai 1996 (im Folgenden: streitiger Zeitraum) entrichtete das BFI den Normalsatz der Mehrwertsteuer auf die Gewährung des Zutritts zu Filmvorführungen.

7

Am 30. 2009 beantragte das BFI bei der Steuerbehörde die Erstattung der im streitigen Zeitraum entrichteten Mehrwertsteuer und begründete dies damit, dass die genannten Gewährungen des Zutritts steuerbefreite „kulturelle Dienstleistungen“ gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie darstellten. Dieser Antrag wurde zurückgewiesen.

8

Der Klage des BFI gegen diese Zurückweisung wurde vom First‑tier Tribunal (Tax Chamber) (erstinstanzliches Gericht [Abteilung für Steuersachen], Vereinigtes Königreich) stattgegeben. Es entschied am 5. Dezember 2012, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung unmittelbare Wirkung habe.

9

Die Steuerbehörde legte gegen diese Entscheidung beim Upper Tribunal (Tax and Chancery Chamber) (Höheres Gericht [Steuer- und Chancerykammer], Vereinigtes Königreich) ein Rechtsmittel ein, das von diesem mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung hinreichend klar und bestimmt sei und somit unmittelbare Wirkung entfalte. Das Wort „bestimmte“ in dieser Vorschrift sei nämlich dahin auszulegen, dass diese Steuerbefreiung „die“ kulturellen Dienstleistungen umfasse, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten kulturellen Einrichtungen erbracht werden. Der Steuerbehörde wurde gestattet, ein Rechtsmittel beim Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Rechtsmittelgerichtshof [England und Wales] [Zivilabteilung], Vereinigtes Königreich) einzulegen.

10

Wäre Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass er „die“ kulturellen Dienstleistungen umfasste, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten kulturellen Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift erbracht werden, würde dies nach den Angaben in der Vorlageentscheidung bedeuten, dass sich das BFI, das eine solche Einrichtung sei, unmittelbar auf diese Vorschrift berufen könnte, so dass seine Leistungen der Gewährung des Zutritts zu Filmvorführungen im streitigen Zeitraum befreit wären. Das BFI könnte sich dann sogar nach dem 31. Mai 1996 weiterhin unmittelbar auf diese Vorschrift berufen, obwohl die von ihm erbrachten Dienstleistungen nicht zu den kulturellen Dienstleistungen gehörten, die nach diesem Datum durch die Gesetzgebung des Vereinigten Königreichs von der Steuerpflicht befreit worden seien.

11

Unter diesen Umständen hat der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Rechtsmittelgerichtshof [England und Wales] [Zivilabteilung]) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist der Wortlaut von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie, insbesondere der Ausdruck „bestimmte kulturelle Dienstleistungen“, so hinreichend klar und bestimmt, dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n unmittelbare Wirkung entfaltet und er somit die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen anerkannten kulturellen Einrichtungen erbrachten kulturellen Dienstleistungen, wie etwa die im vorliegenden Fall vom BFI erbrachten Dienstleistungen, in Ermangelung nationaler Durchführungsvorschriften von der Mehrwertsteuer befreit?

2.

Räumt der Wortlaut von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie, insbesondere der Ausdruck „bestimmte kulturelle Dienstleistungen“ den Mitgliedstaaten ein Ermessen bei seiner Anwendung im Wege von Durchführungsvorschriften ein und wenn ja, was für ein Ermessen?

3.

Gelten die Schlussfolgerungen aus den vorangegangenen Fragen auch für Art. 132 Abs. 1 Buchst. n der Richtlinie 2006/112?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

12

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie, nach dem „bestimmte kulturelle Dienstleistungen“ von der Steuer befreit sind, dahin auszulegen ist, dass ihm unmittelbare Wirkung zukommt, so dass sich Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte kulturelle Einrichtungen, die kulturelle Dienstleistungen erbringen, bei fehlender Umsetzung unmittelbar auf ihn berufen können.

13

Nach ständiger Rechtsprechung kann sich der Einzelne in allen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt hat (vgl. u. a. Urteile vom 19. Januar 1982, Becker, 8/81, EU:C:1982:7, Rn. 25, vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale, C‑176/12, EU:C:2014:2, Rn. 31, sowie vom 7. Juli 2016, Ambisig, C‑46/15, EU:C:2016:530, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

14

Was Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die darin festgelegte Steuerbefreiung „bestimmte kulturelle Dienstleistungen“ umfasst. Diese Vorschrift stellt also nicht klar, welche kulturellen Dienstleistungen die Mitgliedstaaten zu befreien haben. Sie enthält nämlich weder eine abschließende Liste der zu befreienden kulturellen Dienstleistungen noch eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle kulturellen Dienstleistungen zu befreien, sondern bezieht sich nur auf „bestimmte“ dieser Dienstleistungen. Somit überlässt es diese Vorschrift den Mitgliedstaaten, zu bestimmen, welche kulturellen Dienstleistungen befreit sind.

15

Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der die in Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen autonome unionsrechtliche Begriffe sind, die eine unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems in den Mitgliedstaaten verhindern sollen (vgl. u. a. Urteil vom 21. Februar 2013, Žamberk, C‑18/12, EU:C:2013:95, Rn. 17), trägt das BFI vor, der Ausdruck „bestimmte kulturelle Dienstleistungen“ sei dahin auszulegen, dass er alle kulturellen Dienstleistungen umfasse, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten kulturellen Einrichtungen erbracht würden, und sei somit hinreichend klar und bestimmt.

16

Jedoch entspricht eine solche Auslegung nicht der üblichen Bedeutung des in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie verwendeten Wortes „bestimmte“ und lässt die Verwendung dieses Wortes in dieser Vorschrift nicht sinnvoll erscheinen.

17

Zudem ist die vom BFI befürwortete Auslegung geeignet, den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift über dieses Wort hinaus entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der die zur Umschreibung der Steuerbefreiungen gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 dieser Richtlinie verwendeten Begriffe eng auszulegen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Juni 2007, Horizon College, C‑434/05, EU:C:2007:343, Rn. 16, vom 22. Oktober 2015, Hedqvist, C‑264/14, EU:C:2015:718, Rn. 34 und 35, sowie vom 25. Februar 2016, Kommission/Niederlande, C‑22/15, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:118, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung), auf alle kulturellen Dienstleistungen auszuweiten.

18

Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht entgegen der Auffassung des BFI auch hervor, dass das Gebot, eine einheitliche Anwendung der Steuerbefreiungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie zu gewährleisten, nicht absolut gilt. Die nach diesem Artikel vorgesehenen Steuerbefreiungen sind zwar in der Tat autonome unionsrechtliche Begriffe, mit denen eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems verhindert werden soll, jedoch kann der Gesetzgeber der Europäischen Union die Mitgliedstaaten mit der Bestimmung einiger Begriffe einer Befreiungsvorschrift betrauen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. März 1996, Gemeente Emmen, C‑468/93, EU:C:1996:139, Rn. 25, vom 4. Mai 2006, Abbey National, C‑169/04, EU:C:2006:289, Rn. 38 und 39, sowie vom 9. Dezember 2015, Fiscale Eenheid X, C‑595/13, EU:C:2015:801, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19

Die wörtliche Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie wird durch ihre Entstehungsgeschichte sowie die vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziele bestätigt.

20

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 20 und 21 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist der Unionsgesetzgeber dem ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission, der eine abschließende Liste der zu befreienden kulturellen Dienstleistungen beinhaltete (vgl. den Vorschlag der Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage [KOM(73) 950 endg., vom 20. Juni 1973]), nicht gefolgt. Stattdessen hat er sich durch die Verwendung des Ausdrucks „bestimmte kulturelle Dienstleistungen“ für eine Formulierung dieser Steuerbefreiung entschieden, die den Mitgliedstaaten die Entscheidung überlässt, welche kulturellen Dienstleistungen sie von der Steuer befreien.

21

Wie die Kommission in ihren beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen hervorgehoben hat, blieb der Unionsgesetzgeber – obwohl sie später vorgeschlagen hatte, die ursprüngliche Fassung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie durch eine abschließende Liste steuerbefreiter kultureller Dienstleistungen zu ersetzen (siehe Vorschlag für eine Neunzehnte Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem [KOM(84) 648 endg. vom 5. Dezember 1984]) – bei dieser ursprünglichen Fassung, die es nach der Analyse in ihrem Ersten Bericht an den Rat über das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems – vorgelegt gemäß Art. 34 der Sechsten Richtlinie 77/388 (KOM[83] 426 endg. vom 14. September 1983) – dem jeweiligen Mitgliedstaat überlässt, den Inhalt dieser Steuerbefreiung zu bestimmen.

22

Wie der Generalanwalt in Nr. 23 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, lässt sich die Entscheidung des Unionsgesetzgebers, den Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der steuerbefreiten kulturellen Dienstleistungen einen Ermessensspielraum einzuräumen, mit der großen Vielfalt der kulturellen Traditionen und des regionalen Erbes in der Union und manchmal in ein und demselben Mitgliedstaat erklären.

23

Somit ist festzustellen, dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie durch die Bezugnahme auf „bestimmte kulturelle Dienstleistungen“ nicht verlangt, dass alle kulturellen Dienstleistungen befreit werden, so dass die Mitgliedstaaten „bestimmte“ unter ihnen befreien können, während sie andere der Mehrwertsteuer unterwerfen.

24

Da diese Vorschrift den Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der steuerbefreiten kulturellen Dienstleistungen ein Ermessen einräumt, erfüllt sie nicht die Voraussetzungen, die sich aus der in Rn. 14 dieses Urteils angeführten Rechtsprechung ergeben, um vor einem nationalen Gericht unmittelbar geltend gemacht werden zu können.

25

Dieses Ergebnis wird durch die Erwägungen in den Rn. 34 bis 37 des Urteils vom 17. Februar 2005, Linneweber und Akritidis (C‑453/02 und C‑462/02, EU:C:2005:92), und in den Rn. 59 bis 61 des Urteils vom 28. Juni 2007, JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies (C‑363/05, EU:C:2007:391), nicht in Frage gestellt, nach denen ein etwaiges Ermessen der Mitgliedstaaten nicht notwendigerweise die unmittelbare Wirkung der betreffenden Befreiungen ausschließt.

26

Die auf das Urteil vom 17. Februar 2005, Linneweber und Akritidis, (C‑453/02 und C‑462/02, EU:C:2005:92), zurückgehende Rechtsprechung betrifft nämlich, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen dargelegt hat, die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung festzulegen, und nicht das Ermessen, das ihnen gestattet, die Tragweite einer Befreiung zu bestimmen, wie es sich insbesondere aus dem Begriff „bestimmte kulturelle Dienstleistungen“ in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie ergibt.

27

Was das Urteil vom 28. Juni 2007, JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies (C‑363/05, EU:C:2007:391), angeht, ist darauf hinzuweisen, dass sich Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie von der in jenem Urteil in Rede stehenden Befreiung unterscheidet, da er nur die Steuerbefreiung „bestimmter“ kultureller Dienstleistungen vorschreibt.

28

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie, nach dem „bestimmte kulturelle Dienstleistungen“ von der Steuer befreit sind, dahin auszulegen ist, dass ihm keine unmittelbare Wirkung zukommt, so dass sich Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte kulturelle Einrichtungen, die kulturelle Dienstleistungen erbringen, bei fehlender Umsetzung nicht unmittelbar auf ihn berufen können.

Zur zweiten und zur dritten Frage

29

Unter Berücksichtigung der Antwort auf die erste Frage sind die zweite und die dritte Frage nicht zu beantworten.

Kosten

30

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, nach dem „bestimmte kulturelle Dienstleistungen“ von der Steuer befreit sind, ist dahin auszulegen, dass ihm keine unmittelbare Wirkung zukommt, so dass sich Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte kulturelle Einrichtungen, die kulturelle Dienstleistungen erbringen, bei fehlender Umsetzung nicht unmittelbar auf ihn berufen können.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.