URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

7. April 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Öffentliche Aufträge — Richtlinie 2004/18/EG — Technische und/oder berufliche Leistungsfähigkeit der Wirtschaftsteilnehmer — Art. 48 Abs. 3 — Möglichkeit, sich auf die Kapazitäten anderer Unternehmen zu stützen — Voraussetzungen und Modalitäten — Charakter der zwischen dem Bieter und den anderen Unternehmen bestehenden Verbindungen — Änderung des Angebots — Ungültigerklärung und Wiederholung einer elektronischen Auktion — Richtlinie 2014/24/EU“

In der Rechtssache C‑324/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Krajowa Izba Odwoławcza (Nationale Beschwerdekammer, Polen) mit Entscheidung vom 18. Juni 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juli 2014, in dem Verfahren

Partner Apelski Dariusz

gegen

Zarząd Oczyszczania Miasta,

Beteiligte:

Remondis sp. z o.o.,

MR Road Service sp. z o.o.,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs A. Tizzano (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richter F. Biltgen und E. Levits, der Richterin M. Berger und des Richters S. Rodin,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2015

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Partner Apelski Dariusz, vertreten durch T. Krześniak, adwokat,

des Zarząd Oczyszczania Miasta, vertreten durch K. Wąsik, radca prawny,

der Remondis sp. z o.o. und der MR Road Service sp. z o.o., vertreten durch K. Kamiński und K. Dajczer, radcowie prawni,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, M. Szwarc und D. Lutostańska als Bevollmächtigte,

der spanischen Regierung, vertreten durch J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,

der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kalniņš und I. Ņesterova als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Herrmann und A. Tokár als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. September 2015

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2, Art. 44 und Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Partner Apelski Dariusz (im Folgenden: Partner) und dem Zarząd Oczyszczania Miasta (Stadtreinigungsverwaltung, im Folgenden: Warschauer Stadtreinigungsverwaltung) wegen des Ausschlusses von Partner von dem Verfahren zur Vergabe des öffentlichen Auftrags für die umfassende mechanische Reinigung der Straßen der Stadt Warschau (Polen) in den Jahren 2014 bis 2017.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Die Richtlinie 2004/18

3

Der 46. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 lautet:

„Die Zuschlagserteilung sollte auf der Grundlage objektiver Kriterien erfolgen, die die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung gewährleisten und sicherstellen, dass die Angebote unter wirksamen Wettbewerbsbedingungen bewertet werden. Dementsprechend sind nur zwei Zuschlagskriterien zuzulassen: das des ‚niedrigsten Preises‘ und das des ‚wirtschaftlich günstigsten Angebots‘.

Um bei der Zuschlagserteilung die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sicherzustellen, ist die – in der Rechtsprechung anerkannte – Verpflichtung zur Sicherstellung der erforderlichen Transparenz vorzusehen, damit sich jeder Bieter angemessen über die Kriterien und Modalitäten unterrichten kann, anhand deren das wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird …“

4

Art. 2 („Grundsätze für die Vergabe von Aufträgen“) der Richtlinie 2004/18 sieht vor:

„Die öffentlichen Auftraggeber behandeln alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nichtdiskriminierend und gehen in transparenter Weise vor.“

5

Art. 44 („Überprüfung der Eignung und Auswahl der Teilnehmer, Vergabe des Auftrags“) der Richtlinie 2004/18 bestimmt:

„(1)   Die Auftragsvergabe erfolgt aufgrund der in den Artikeln 53 und 55 festgelegten Kriterien unter Berücksichtigung des Artikels 24, nachdem die öffentlichen Auftraggeber die Eignung der Wirtschaftsteilnehmer, die nicht aufgrund von Artikel 45 und 46 ausgeschlossen wurden, geprüft haben; diese Eignungsprüfung erfolgt nach den in den Artikeln 47 bis 52 genannten Kriterien der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit sowie der beruflichen und technischen Fachkunde und gegebenenfalls nach den in Absatz 3 genannten nichtdiskriminierenden Vorschriften und Kriterien.

(2)   Die öffentlichen Auftraggeber können Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit gemäß den Artikeln 47 und 48 stellen, denen die Bewerber und Bieter genügen müssen.

Der Umfang der Informationen gemäß den Artikeln 47 und 48 sowie die für einen bestimmten Auftrag gestellten Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit müssen mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen und ihm angemessen sein.

Die Mindestanforderungen werden in der Bekanntmachung angegeben.

…“

6

Art. 47 („Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“) Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 lautet:

„Ein Wirtschaftsteilnehmer kann sich gegebenenfalls für einen bestimmten Auftrag auf die Kapazitäten anderer Unternehmen ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen stützen. Er muss in diesem Falle dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nachweisen, dass ihm die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, indem er beispielsweise die diesbezüglichen Zusagen dieser Unternehmen vorlegt.“

7

Art. 48 („Technische und/oder berufliche Leistungsfähigkeit“) der Richtlinie 2004/18 bestimmt:

„(1)   Die technische und/oder berufliche Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsteilnehmers wird gemäß den Absätzen 2 und 3 bewertet und überprüft.

(2)   Der Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsteilnehmers kann je nach Art, Menge oder Umfang und Verwendungszweck der Bauleistungen, der zu liefernden Erzeugnisse oder der Dienstleistungen wie folgt erbracht werden:

a)

ii)

durch eine Liste der in den letzten drei Jahren erbrachten wesentlichen Lieferungen oder Dienstleistungen mit Angabe des Werts, des Liefer- bzw. Erbringungszeitpunkts sowie des öffentlichen oder privaten Empfängers …

(3)   Ein Wirtschaftsteilnehmer kann sich gegebenenfalls für einen bestimmten Auftrag auf die Kapazitäten anderer Unternehmen ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen stützen. Er muss in diesem Falle dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nachweisen, dass ihm für die Ausführung des Auftrags die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, indem er beispielsweise die Zusage dieser Unternehmen vorlegt, dass sie dem Wirtschaftsteilnehmer die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen.

…“

8

Art. 51 („Zusätzliche Unterlagen und Auskünfte“) der Richtlinie 2004/18 sieht vor:

„Der öffentliche Auftraggeber kann Wirtschaftsteilnehmer auffordern, die in Anwendung der Artikel 45 bis 50 vorgelegten Bescheinigungen und Dokumente zu vervollständigen oder zu erläutern.“

9

Art. 54 („Durchführung von elektronischen Auktionen“) der Richtlinie 2004/18 bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass die öffentlichen Auftraggeber elektronische Auktionen durchführen dürfen.

(4)   Vor der Durchführung einer elektronischen Auktion nehmen die öffentlichen Auftraggeber anhand des bzw. der Zuschlagskriterien und der dafür festgelegten Gewichtung eine erste vollständige Evaluierung der Angebote vor.

Alle Bieter, die zulässige Angebote unterbreitet haben, werden gleichzeitig auf elektronischem Wege aufgefordert, neue Preise und/oder Werte vorzulegen; …

(8)   Nach Abschluss der elektronischen Auktion vergibt der öffentliche Auftraggeber den Auftrag gemäß Artikel 53 entsprechend den Ergebnissen der elektronischen Auktion.

Öffentliche Auftraggeber dürfen elektronische Auktionen nicht missbräuchlich oder dergestalt durchführen, dass der Wettbewerb ausgeschaltet, eingeschränkt oder verfälscht wird, oder dergestalt, dass der Auftragsgegenstand, wie er im Zuge der Veröffentlichung der Bekanntmachung ausgeschrieben und in den Verdingungsunterlagen definiert worden ist, verändert wird.“

Die Richtlinie 2014/24/EU

10

Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94, S. 65) heißt es:

„[D]ie Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe, die gemäß … der Richtlinie 2004/18/EG … erlassen wurden, [müssen] überarbeitet und modernisiert werden, damit die Effizienz der öffentlichen Ausgaben gesteigert [und] die Teilnahme insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) … erleichtert … wird … Ferner ist es notwendig, grundlegende Begriffe und Konzepte zu klären, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und bestimmten Aspekten der einschlägigen ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Rechnung zu tragen.“

11

Art. 63 („Inanspruchnahme der Kapazitäten anderer Unternehmen“) der Richtlinie 2014/24 bestimmt:

„(1)   In Bezug auf die Kriterien für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit gemäß Artikel 58 Absatz 3 und die Kriterien für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit gemäß Artikel 58 Absatz 4 kann ein Wirtschaftsteilnehmer gegebenenfalls für einen bestimmten Auftrag die Kapazitäten anderer Unternehmen – ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen – in Anspruch nehmen. In Bezug auf die Kriterien für Ausbildungsnachweise und Bescheinigungen über die berufliche Befähigung gemäß Anhang XII Teil II Buchstabe f oder für die einschlägige berufliche Erfahrung können die Wirtschaftsteilnehmer jedoch nur die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch nehmen, wenn diese die Arbeiten ausführen beziehungsweise die Dienstleistungen erbringen, für die diese Kapazitäten benötigt werden. Beabsichtigt ein Wirtschaftsteilnehmer, die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch zu nehmen, so weist er dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nach, dass ihm die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen werden, indem er beispielsweise die diesbezüglichen verpflichtenden Zusagen dieser Unternehmen vorlegt.

(2)   Die öffentlichen Auftraggeber können im Falle von Bauaufträgen, Dienstleistungsaufträgen sowie Verlege- oder Installationsarbeiten im Zusammenhang mit einem Lieferauftrag vorschreiben, dass bestimmte kritische Aufgaben direkt vom Bieter selbst … ausgeführt werden.“

12

In Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis 18. April 2016 nachzukommen …“

Polnisches Recht

13

Die Richtlinie 2004/18 ist mit dem Gesetz über öffentliche Aufträge (Dz. U. 2013, Pos. 907, 984, 1047 und 1473, sowie Dz. U. 2014, Pos. 423, im Folgenden: GöA) in die polnische Rechtsordnung umgesetzt worden.

14

Art. 26 Abs. 2b GöA bestimmt:

„Der Wirtschaftsteilnehmer kann sich auf die Fachkunde und Erfahrung, auf die technische Leistungsfähigkeit, auf zur Ausführung des Auftrags fähiges Personal oder auf die finanzielle Leistungsfähigkeit anderer Unternehmen stützen, und zwar ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen. Der Wirtschaftsteilnehmer hat in diesem Fall dem Auftraggeber gegenüber nachzuweisen, dass ihm die für die Ausführung des Auftrags erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen werden, und hierzu insbesondere eine schriftliche Zusage der betreffenden Unternehmen vorzulegen, dass sie ihm für die Dauer der Auftragsausführung die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen.“

15

Art. 83 Abs. 2 und 3 GöA sieht vor:

„(2)   Der Auftraggeber kann die Möglichkeit der Einreichung eines Teilangebots zulassen, sofern der Gegenstand des Auftrags teilbar ist.

(3)   In dem in Abs. 2 genannten Fall kann der Wirtschaftsteilnehmer Teilangebote für einen oder für mehrere Teile des Auftrags einreichen, es sei denn, der Auftraggeber hat eine Höchstzahl der Auftragsteile bestimmt, für die Teilangebote von einem Wirtschaftsteilnehmer eingereicht werden können.“

16

Art. 91b Abs. 1 GöA bestimmt:

„Der Auftraggeber fordert auf elektronischem Wege alle Wirtschaftsteilnehmer, die Angebote abgegeben haben, die nicht abgelehnt wurden, zur Teilnahme an einer elektronischen Auktion auf.“

17

In Art. 93 Abs. 1 Nr. 7 GöA heißt es:

„Der Auftraggeber erklärt das Verfahren für ungültig, wenn … das Verfahren unter einem unheilbaren Mangel leidet, der dem Abschluss eines nicht für nichtig erklärbaren Vertrags über die Ausführung eines öffentlichen Auftrags entgegensteht.“

18

In § 1 Abs. 6 der Verordnung des Präsidenten des Ministerrats vom 19. Februar 2013 über die Art der Unterlagen, die der Auftraggeber von einem Wirtschaftsteilnehmer verlangen kann, und die Form, in der diese eingereicht werden können (Dz. U. 2013, Pos. 231) heißt es:

„Wenn sich der Wirtschaftsteilnehmer zum Nachweis dafür, dass er die Voraussetzungen von Art. 22 Abs. 1 [GöA] erfüllt, gemäß den Bestimmungen von Art. 26 Abs. 2b [GöA] auf die Mittel anderer Unternehmen stützt, kann der Auftraggeber zum Zweck der Prüfung, ob dem Wirtschaftsteilnehmer die Mittel der anderen Unternehmen in dem Umfang zur Verfügung stehen, wie es für die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags erforderlich ist, oder ob die zwischen dem Wirtschaftsteilnehmer und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen tatsächlich den Zugang zu diesen Mitteln gewährleisten, folgende Unterlagen verlangen:

1.

hinsichtlich der Voraussetzungen nach Art. 22 Abs. 1 Nr. 4 [GöA] die in Abs. 1 Nrn. 9 bis 11 aufgeführten Unterlagen sowie andere Unterlagen zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit, die in der Bekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen genannt werden;

2.

Unterlagen, die insbesondere Folgendes betreffen:

a)

den Umfang, in dem der Wirtschaftsteilnehmer auf die Mittel des anderen Unternehmens zurückgreifen kann,

b)

die Art und Weise, in der der Wirtschaftsteilnehmer die Mittel des anderen Unternehmens zur Ausführung des Auftrags nutzen kann,

c)

den Charakter der Verbindung zwischen dem Wirtschaftsteilnehmer und dem anderen Unternehmen und

d)

den Umfang und die Dauer der Beteiligung des anderen Unternehmens an der Ausführung des Auftrags.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

19

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die Warschauer Stadtreinigungsverwaltung im Dezember 2013 ein Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags für die umfassende mechanische Reinigung der Fahrstraßen der Hauptstadt Warschau in der Winter- und Sommersaison in den Jahren 2014 bis 2017 eingeleitet hatte. Die Winterreinigung, die Gegenstand dieses Auftrags ist, besteht im Wesentlichen in der Vorbeugung und Beseitigung von Winterglätte durch Streuen und Räumen bestimmter Kategorien städtischer Straßen, während die Sommerreinigung im Kehren und in der Nassreinigung der Straßen besteht.

20

Die Warschauer Stadtreinigungsverwaltung entschied sich für ein Vergabeverfahren, das mit einer elektronischen Auktion abgeschlossen werden sollte. Der Gegenstand des Auftrags wurde in acht Teile aufgeteilt, die bestimmte Stadtviertel von Warschau umfassten, wodurch es jedem Bieter ermöglicht wurde, ein Angebot für den gesamten Auftrag oder ein Teilangebot einzureichen.

21

Gemäß den Verdingungsunterlagen musste jeder Bieter zum Nachweis seiner technischen Leistungsfähigkeit eine Liste der Dienstleistungen vorlegen, die er zur Straßenunterhaltung im Winter mit Hilfe eines Feuchtsalzverfahrens innerhalb der drei Jahre vor dem Ende der Frist zur Angebotsabgabe erbracht hatte. Diese Dienstleistungen mussten für jeden der acht Teile des betreffenden Auftrags einen Mindestgesamtwert von 1000000 polnischen Złoty (PLN) (ungefähr 224442 Euro) aufweisen. Infolgedessen musste ein Bieter, der ein Angebot für den gesamten Auftrag einreichen wollte, nachweisen, dass er Dienstleistungen im Wert von mindestens 8000000 PLN (ungefähr 1795537 Euro) erbracht hatte.

22

Nach der Veröffentlichung der Ausschreibung im Amtsblatt der Europäischen Union bewarb sich Partner um den gesamten Auftrag und gab dabei an, in den drei Vorjahren 14 Dienstleistungen erbracht zu haben; bei zwölf dieser Dienstleistungen berief er sich auf seine eigene Erfahrung und bei zwei weiteren auf die Erfahrung der PUM sp. z o.o. (im Folgenden: PUM) mit Sitz in Grudziądz (Graudenz, Polen), einer etwa 230 km von Warschau entfernten Stadt.

23

Außerdem fügte Partner seinem Angebot eine Zusage von PUM bei, wonach diese ihre Kapazitäten Partner zur Verfügung stellen werde, was namentlich in Form von Beratungsleistungen geschehen sollte, die u. a. die Schulung der Mitarbeiter von Partner sowie die Unterstützung bei der Lösung von Problemen, die sich im Rahmen der Auftragsausführung ergeben könnten, einschließen sollten. Partner betonte zudem, dass diese Zusammenarbeit bei der Ausführung des Auftrags durch einen Vertrag zwischen den beiden Unternehmen geregelt werden sollte.

24

Am 26. Februar 2014 ersuchte die Warschauer Stadtreinigungsverwaltung Partner um nähere Angaben zu den Tätigkeiten, die PUM ausüben solle, und zu den Auswirkungen, die diese Tätigkeiten auf die Qualität und die Effizienz der im Gebiet von Warschau erbrachten Dienstleistungen – u. a. unter Berücksichtigung der Entfernung zwischen Grudziądz und Warschau – haben könnten.

25

Da die Antwort von Partner die Warschauer Stadtreinigungsverwaltung nicht zufriedenstellte und sie der Ansicht war, ohne eine persönliche und reale Beteiligung von PUM an der Auftragsausführung könnten die Kenntnisse und die Erfahrung von PUM nicht zur Verfügung gestellt werden, forderte sie Partner mit Schreiben vom 11. März 2014 auf, seine Unterlagen in dieser Hinsicht zu ergänzen.

26

In seiner Antwort vom 18. März 2014 widersprach Partner der Auffassung der Warschauer Stadtreinigungsverwaltung und begehrte, dass sein Angebot bei der Vergabe jedes der acht Teile des in Rede stehenden Auftrags – in einer bestimmten Rangfolge – berücksichtigt wird.

27

Die Warschauer Stadtreinigungsverwaltung lehnte jedoch das Angebot von Partner insgesamt ab und schloss das Verfahren zur Vergabe des in Rede stehenden Auftrags nach Durchführung einer elektronischen Auktion ab.

28

Partner legte deshalb bei der Krajowa Izba Odwoławcza (Nationale Beschwerdekammer) Beschwerde ein und beantragte, die Entscheidung, mit der er von dem Verfahren zur Vergabe des in Rede stehenden Auftrags ausgeschlossen worden war, sowie die Entscheidung, mit der die günstigsten Angebote für die einzelnen Teile dieses Auftrags ausgewählt worden waren, aufzuheben. Außerdem beantragte er eine erneute Prüfung der im Rahmen dieses Vergabeverfahrens eingereichten Angebote und seine Zulassung zu einer neuen elektronischen Auktion.

29

Im Kontext dieser Beschwerde hat die Krajowa Izba Odwoławcza (Nationale Beschwerdekammer) beschlossen, das bei ihr anhängige Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 48 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen, dass, wenn es dort heißt, dass sich der Wirtschaftsteilnehmer „gegebenenfalls“ auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen kann, damit jeder Fall gemeint ist, in dem der jeweilige Wirtschaftsteilnehmer nicht über die vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Qualifikationen verfügt und sich auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen möchte? Oder ist der Hinweis, dass der Wirtschaftsteilnehmer sich nur „gegebenenfalls“ auf die Kapazitäten anderer Unternehmer stützen kann, als Einschränkung dahin gehend anzusehen, dass eine solche Bezugnahme im Rahmen des Nachweises der Qualifikation der Wirtschaftsteilnehmer im Vergabeverfahren nur ausnahmsweise und nicht als Regel zulässig ist?

2.

Ist Art. 48 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen, dass das Sich-Stützen des Wirtschaftsteilnehmers auf die Kapazitäten anderer Unternehmen „ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen“ sowie das „Verfügen über die Mittel“ dieser Unternehmen bedeuten, dass der Wirtschaftsteilnehmer bei der Ausführung des Auftrags keine oder nur sehr lose und unbestimmte Verbindungen zu diesen Unternehmen haben kann, d. h., dass er den Auftrag selbständig (ohne Beteiligung eines anderen Unternehmens) ausführen kann oder dass eine solche Beteiligung in „Beratung“, „Konsultation“, „Schulung“ u. Ä. bestehen kann? Oder ist Art. 48 Abs. 3 dahin auszulegen, dass das Unternehmen, auf dessen Kapazitäten sich der Wirtschaftsteilnehmer stützt, den Auftrag tatsächlich und persönlich in dem Umfang auszuführen hat, in dem seine Kapazitäten angegeben worden sind?

3.

Ist Art. 48 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der zwar über eigene Erfahrung verfügt, jedoch in geringerem Umfang, als er gegenüber dem Auftraggeber angeben möchte (z. B. nicht ausreichend, um ein Angebot für die Ausführung des gesamten Auftrags abgeben zu können), sich zusätzlich auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen kann, um seine Aussichten im Vergabeverfahren zu verbessern?

4.

Ist Art. 48 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen, dass der Auftraggeber in der Bekanntmachung des Auftrags oder in den Verdingungsunterlagen die Grundsätze bestimmen kann (oder sogar muss), nach denen der Wirtschaftsteilnehmer sich auf Kapazitäten anderer Unternehmen stützen kann, z. B. im Hinblick darauf, in welcher Weise das jeweilige andere Unternehmen an der Ausführung des Auftrags beteiligt sein muss, wie der Wirtschaftsteilnehmer und das andere Unternehmen miteinander verbunden werden können und ob das andere Unternehmen mit dem Wirtschaftsteilnehmer gesamtschuldnerisch für die ordnungsgemäße Auftragsausführung in dem Umfang haftet, in dem der Wirtschaftsteilnehmer sich auf die Kapazitäten des anderen Unternehmens beruft?

5.

Lässt der in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 niedergelegte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer eine Berufung auf die Kapazitäten eines anderen Unternehmens gemäß Art. 48 Abs. 3 zu, in deren Rahmen die Kapazitäten von zwei oder mehr Unternehmen summiert werden, die hinsichtlich ihrer Fachkunde und Erfahrung nicht über die vom Auftraggeber geforderten Kapazitäten verfügen?

6.

Lässt damit der in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 niedergelegte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer eine Auslegung von Art. 44 und Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 dahin gehend zu, dass die von dem öffentlichen Auftraggeber für die Teilnahme am Vergabeverfahren aufgestellten Voraussetzungen zum Zweck der Teilnahme an dem Verfahren unabhängig von den tatsächlichen Qualifikationen des Wirtschaftsteilnehmers nur formal erfüllt zu werden brauchen?

7.

Lässt es der in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 niedergelegte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer zu, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, soweit die Abgabe eines Angebots für einen Teil des Auftrags zulässig ist, nach der Abgabe der Angebote, beispielsweise im Rahmen einer Ergänzung oder Erläuterung der Unterlagen, angibt, auf welchen Teil des Auftrags sich die von ihm zum Nachweis der Erfüllung der Voraussetzungen für die Teilnahme am Verfahren dargelegten Kapazitäten beziehen sollen?

8.

Lassen es der in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 niedergelegte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer sowie der Transparenzgrundsatz zu, dass eine durchgeführte Auktion für ungültig erklärt und eine elektronische Auktion wiederholt wird, wenn sie in wesentlicher Hinsicht nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde, wenn etwa nicht alle Wirtschaftsteilnehmer, die zulässige Angebote eingereicht haben, zur Teilnahme aufgefordert wurden?

9.

Lassen es der in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 niedergelegte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer sowie der Transparenzgrundsatz zu, dass der Auftrag an einen Wirtschaftsteilnehmer vergeben wird, auf dessen Angebot in einer solchen Auktion der Zuschlag erteilt wurde, ohne dass diese Auktion wiederholt wurde, wenn nicht festgestellt werden kann, ob die Teilnahme des nicht berücksichtigten Wirtschaftsteilnehmers das Ergebnis der Auktion geändert hätte?

10.

Kann bei der Auslegung der Vorschriften der Richtlinie 2004/18 der Inhalt der Vorschriften sowie der Erwägungsgründe der Richtlinie 2014/24 – obwohl die Frist zu ihrer Umsetzung noch nicht abgelaufen ist – als Auslegungsleitfaden herangezogen werden, soweit sie bestimmte Annahmen und Absichten des Unionsgesetzgebers erhellt und nicht im Widerspruch zu den Vorschriften der Richtlinie 2004/18 steht?

Zu den Vorlagefragen

Zu den Fragen 1 bis 3, 5 und 6

30

Mit seinen Fragen 1 bis 3, 5 und 6, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit sich ein Wirtschaftsteilnehmer im Sinne von Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen kann, und nach welchen Modalitäten die Zurverfügungstellung der erforderlichen Mittel durch die betreffenden Unternehmen und somit deren eventuelle Beteiligung an der Ausführung des fraglichen Auftrags konkret erfolgen muss.

31

Für die Beantwortung dieser Fragen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es nach Art. 44 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18 Aufgabe des öffentlichen Auftraggebers ist, die Eignung der Bewerber oder der Bieter nach den in den Art. 47 bis 52 dieser Richtlinie festgelegten Kriterien zu prüfen.

32

Zudem kann ein öffentlicher Auftraggeber gemäß Art. 44 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 von den Wirtschaftsteilnehmern verlangen, dass sie hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit in wirtschaftlicher und finanzieller ebenso wie in technischer und/oder beruflicher Hinsicht Mindestanforderungen gemäß den Art. 47 und 48 dieser Richtlinie genügen.

33

Nach ständiger Rechtsprechung wird mit Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 jedem Wirtschaftsteilnehmer das Recht zuerkannt, sich für einen bestimmten Auftrag auf die Kapazitäten anderer Unternehmen – ungeachtet des Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen – zu stützen, sofern gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber nachgewiesen wird, dass dem Bewerber oder Bieter die Mittel dieser Unternehmen, die für die Ausführung dieses Auftrags erforderlich sind, tatsächlich zur Verfügung stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Oktober 2013, Swm Costruzioni 2 und Mannocchi Luigino, C‑94/12, EU:C:2013:646, Rn. 29 und 33).

34

Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Ziel, den Bereich des öffentlichen Auftragswesens einem möglichst umfassenden Wettbewerb zu öffnen, das mit den einschlägigen Richtlinien im Interesse nicht nur der Wirtschaftsteilnehmer, sondern auch der öffentlichen Auftraggeber angestrebt wird. Außerdem ist diese Auslegung auch geeignet, kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu erleichtern, was mit der Richtlinie 2004/18, wie sich aus ihrem 32. Erwägungsgrund ergibt, ebenfalls beabsichtigt wird (Urteil vom 10. Oktober 2013, Swm Costruzioni 2 und Mannocchi Luigino, C‑94/12, EU:C:2013:646, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Infolgedessen stellt das in Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 verankerte Recht in Anbetracht der Bedeutung, die ihm im Rahmen der Unionsregelung über öffentliche Aufträge zukommt, eine allgemeine Regel dar, die die öffentlichen Auftraggeber berücksichtigen müssen, wenn sie ihre Prüfungsbefugnisse hinsichtlich der Frage ausüben, ob ein Bieter die Eignung zur Ausführung eines bestimmten Auftrags aufweist.

36

Unter diesen Bedingungen kann der Umstand, dass sich ein Wirtschaftsteilnehmer nach dem Wortlaut von Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 „gegebenenfalls“ auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen kann, nicht so ausgelegt werden, wie es insbesondere das vorlegende Gericht offenbar vorschlägt, nämlich dahin, dass der betreffende Wirtschaftsteilnehmer nur ausnahmsweise auf die Kapazitäten dritter Unternehmen zurückgreifen darf.

37

Allerdings ist erstens darauf hinzuweisen, dass es dem Bieter zwar freisteht, Verbindungen mit den Unternehmen einzugehen, auf deren Kapazitäten er sich stützt, und zu entscheiden, welchen rechtlichen Charakter diese Verbindungen haben sollen, er aber trotzdem gehalten ist, den Nachweis dafür zu erbringen, dass er tatsächlich über die Mittel dieser Unternehmen, die er nicht selbst besitzt und die zur Ausführung eines bestimmten Auftrags erforderlich sind, verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Dezember 1999, Holst Italia, C‑176/98, EU:C:1999:593, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38

Ein Bieter kann sich somit nicht gemäß Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 auf die Kapazitäten anderer Unternehmen berufen, um rein formal die vom öffentlichen Auftraggeber verlangten Voraussetzungen zu erfüllen.

39

Zweitens wird es, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, durch die Bestimmungen der Richtlinie 2004/18 nicht verwehrt, dass die Ausübung des in Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 3 dieser Richtlinie verankerten Rechts bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände eingeschränkt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Oktober 2013, Swm Costruzioni 2 und Mannocchi Luigino, C‑94/12, EU:C:2013:646, Rn. 36).

40

Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass Arbeiten aufgrund ihrer Besonderheiten eine bestimmte Kapazität erfordern, die sich durch die Zusammenfassung kleinerer Kapazitäten mehrerer Wirtschaftsteilnehmer möglicherweise nicht erlangen lässt. In einem solchen Fall wäre der öffentliche Auftraggeber daher gemäß Art. 44 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18 berechtigt, zu verlangen, dass ein einziger Wirtschaftsteilnehmer – gegebenenfalls unter Rückgriff auf eine begrenzte Anzahl von Wirtschaftsteilnehmern – die Mindestanforderung hinsichtlich der betreffenden Kapazität erfüllt, soweit dieses Erfordernis mit dem fraglichen Auftragsgegenstand zusammenhängt und ihm angemessen ist (Urteil vom 10. Oktober 2013, Swm Costruzioni 2 und Mannocchi Luigino, C‑94/12, EU:C:2013:646, Rn. 35).

41

Ebenso wenig lässt sich ausschließen, dass sich unter besonderen Umständen – in Anbetracht der Eigenart eines bestimmten Auftrags und der mit ihm verfolgten Ziele – die Kapazitäten, über die ein Drittunternehmen verfügt und die für die Ausführung eines bestimmten Auftrags erforderlich sind, nicht für eine Übertragung auf den Bieter eignen. Unter solchen Umständen kann sich der Bieter folglich nur dann auf die betreffenden Kapazitäten stützen, wenn das Drittunternehmen unmittelbar und persönlich an der Ausführung des Auftrags beteiligt ist.

42

Im vorliegenden Fall äußert das vorlegende Gericht Zweifel, ob sich die Kapazitäten von PUM wirksam auf Partner übertragen lassen, so dass sie zu einer Zurverfügungstellung der für die Ausführung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags erforderlichen Mittel im Sinne von Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 führen können, da die Zurverfügungstellung in reinen Beratungs- und Schulungsleistungen besteht und PUM dabei in keiner Weise unmittelbar an der Ausführung dieses Auftrags beteiligt ist.

43

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende öffentliche Auftrag, der in Rn. 19 des vorliegenden Urteils beschrieben wird, die umfassende mechanische Reinigung der Straßen der Stadt Warschau, sowohl im Winter als auch im Sommer, in vier aufeinanderfolgenden Jahren zum Gegenstand hat.

44

Was speziell die Winterreinigung betrifft, geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Erbringung dieser Leistung spezielle Kompetenzen sowie vertiefte Kenntnisse der Topografie der Stadt Warschau und vor allem die Fähigkeit erfordert, unverzüglich reagieren zu können, um innerhalb vorgegebener Zeitnormen einen bestimmten Straßenunterhaltungsstandard zu erreichen.

45

Außerdem wird diese Leistung auf der Grundlage einer besonderen Technologie erbracht, die ein gewisses Erfahrungsniveau und eine erhöhte Fähigkeit zum Umgang mit dieser Technologie notwendig macht, ohne die es nicht möglich ist, den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrag angemessen auszuführen und gefährliche Folgen für den Straßenverkehr zu vermeiden.

46

Unter diesen Bedingungen verlangt die konkrete Ausführung eines solchen Auftrags das Tätigwerden erfahrenen Personals, das es u. a. durch das unmittelbare Beobachten des Zustands der Straßenoberflächen und durch an Ort und Stelle durchgeführte Feststellungen ermöglicht, im Voraus tätig zu werden oder zumindest angemessen auf die speziellen Erfordernisse dieses Auftrags zu reagieren.

47

In Anbetracht des Gegenstands und der Ziele des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags lässt sich nicht ausschließen, dass die vorgesehene Beteiligung von PUM, die sich in Beratungs- und Schulungstätigkeiten erschöpft, nicht als ausreichend angesehen werden kann, um Partner die effektive Zurverfügungstellung der für die Ausführung dieses Auftrags erforderlichen Mittel im Sinne der in Rn. 33 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zu gewährleisten. Dies gilt erst recht aufgrund des Umstands, dass sich der Sitz von PUM, wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, in der Stadt Grudziądz befindet, d. h. ungefähr 230 km von Warschau entfernt.

48

Unter diesen Umständen ist es Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags festzustellen, ob eine solche Zurverfügungstellung in einer Art und Weise erfolgen kann, die den Anforderungen entspricht, die in der angeführten Rechtsprechung aufgestellt worden sind.

49

Nach alledem ist auf die Fragen 1 bis 3, 5 und 6 zu antworten, dass Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 in Verbindung mit Art. 44 Abs. 2 dieser Richtlinie dahin auszulegen sind, dass

damit jedem Wirtschaftsteilnehmer das Recht eingeräumt wird, sich für einen bestimmten Auftrag auf die Kapazitäten anderer Unternehmen ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen zu stützen, sofern dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nachgewiesen wird, dass dem Bewerber oder Bieter die für die Ausführung dieses Auftrags erforderlichen Mittel der betreffenden Unternehmen tatsächlich zur Verfügung stehen;

es nicht ausgeschlossen ist, dass die Ausübung dieses Rechts bei Vorliegen besonderer Umstände in Anbetracht des Gegenstands und der Ziele des betreffenden Auftrags eingeschränkt werden kann. Dies ist namentlich der Fall, wenn sich die Kapazitäten, über die ein Drittunternehmen verfügt und die für die Ausführung des Auftrags erforderlich sind, nicht auf den Bewerber oder Bieter übertragen lassen, so dass dieser sich nur dann auf die genannten Kapazitäten berufen kann, wenn sich das betreffende Drittunternehmen unmittelbar und persönlich an der Ausführung des Auftrags beteiligt.

Zu Frage 4

50

Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 48 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen ist, dass der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit hat, in der Auftragsbekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen ausdrücklich genaue Regeln anzugeben, nach denen sich ein Wirtschaftsteilnehmer auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen kann.

51

Für die Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass mit Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 – wie in den Rn. 33 und 49 des vorliegenden Urteils ausgeführt – jedem Wirtschaftsteilnehmer das Recht eingeräumt wird, sich für einen bestimmten Auftrag auf die Kapazitäten anderer Unternehmen zu stützen, sofern dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nachgewiesen wird, dass dem Bewerber oder Bieter die für die Ausführung dieses Auftrags erforderlichen Mittel der betreffenden Unternehmen tatsächlich zur Verfügung stehen.

52

Dabei muss der Bieter zwar nachweisen, dass er über die anderen Unternehmen gehörenden Mittel, die er nicht selbst besitzt und die zur Ausführung eines bestimmten Auftrags erforderlich sind, tatsächlich verfügt; er kann jedoch zum einen den rechtlichen Charakter der Verbindungen, die er zu den Unternehmen herzustellen beabsichtigt, auf deren Kapazitäten er sich für die Zwecke der Ausführung dieses Auftrags stützt, und zum anderen die Art und Weise des Nachweises des Bestehens dieser Verbindungen frei wählen (Urteil vom 14. Januar 2016, Ostas celtnieks, C‑234/14, EU:C:2016:6, Rn. 28).

53

Aus diesem Grund kann der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich keine ausdrücklichen Bedingungen vorgeben, die geeignet sind, die Ausübung des Rechts jedes Wirtschaftsteilnehmers, sich auf die Kapazitäten anderer Unternehmen zu stützen, zu behindern, indem er u. a. im Voraus die konkreten Modalitäten angibt, unter denen die Kapazitäten dieser anderen Unternehmen herangezogen werden können. Diese Feststellung gilt umso mehr, als es – worauf die Kommission zutreffend hinweist – in der Praxis für den Wirtschaftsteilnehmer schwierig, wenn nicht sogar unmöglich sein wird, alle denkbaren Szenarien für die Nutzung von Kapazitäten anderer Unternehmen vorherzusehen.

54

Allerdings kann die Ausübung dieses Rechts, wie in der Antwort auf die Fragen 1 bis 3, 5 und 6 anerkannt worden ist, in Anbetracht des Gegenstands und der Ziele des betreffenden Auftrags unter besonderen Umständen – wie den in den Rn. 39 bis 41 des vorliegenden Urteils angeführten – eingeschränkt werden.

55

Unter solchen Umständen lässt sich nicht von vornherein ausschließen, dass der öffentliche Auftraggeber im Interesse der ordnungsgemäßen Ausführung des betreffenden Auftrags in der Auftragsbekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen ausdrücklich genaue Regeln angeben darf, die es einem Wirtschaftsteilnehmer ermöglichen, sich auf die Kapazitäten anderer Unternehmen zu stützen.

56

Der öffentliche Auftraggeber muss jedoch, wenn er sich dazu entschließt, von einer solchen Möglichkeit Gebrauch zu machen, sicherstellen, dass die Regeln, die er festlegt, mit dem Gegenstand und den Zielen des betreffenden Auftrags zusammenhängen und diesen angemessen sind.

57

Ein solches Erfordernis ermöglicht es im Übrigen, sicherzustellen, dass hinsichtlich der Regeln, für die sich der öffentliche Auftraggeber entschieden hat, der Grundsatz der Transparenz eingehalten wird, und lässt gleichzeitig den Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit, dem öffentlichen Auftraggeber alternative Modalitäten für den Rückgriff auf die Kapazitäten anderer Unternehmen vorzuschlagen, die gewährleisten, dass die Zurverfügungstellung dieser Kapazitäten tatsächlich erfolgt.

58

Folglich ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 48 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen ist, dass der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf den Gegenstand und die Ziele eines bestimmten Auftrags unter besonderen Umständen im Interesse der ordnungsgemäßen Ausführung dieses Auftrags die Möglichkeit hat, in der Auftragsbekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen ausdrücklich genaue Regeln anzugeben, nach denen sich ein Wirtschaftsteilnehmer auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen kann, sofern diese Regeln mit dem Gegenstand und den Zielen des betreffenden Auftrags zusammenhängen und diesen angemessen sind.

Zu Frage 7

59

Mit seiner siebten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 aufgestellte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer dahin auszulegen ist, dass er es einem öffentlichen Auftraggeber untersagt, nach der Öffnung der Angebote, die im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags eingereicht wurden, dem Ersuchen eines Wirtschaftsteilnehmers, der ein Angebot für den gesamten in Rede stehenden Auftrag abgegeben hat, stattzugeben, sein Angebot nur für die Zuteilung bestimmter Teile dieses Auftrags zu berücksichtigen.

60

Für die Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass die öffentlichen Auftraggeber nach dem 46. Erwägungsgrund und Art. 2 der Richtlinie 2004/18 gehalten sind, alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nicht diskriminierend sowie in transparenter Weise zu behandeln.

61

Somit müssen die Bieter zum einen nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben, was voraussetzt, dass die Angebote aller Bieter den gleichen Bedingungen unterworfen sein müssen. Zum anderen soll das Transparenzgebot die Gefahr einer Günstlingswirtschaft oder willkürlicher Entscheidungen des Auftraggebers ausschließen. Dieses Gebot verlangt, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen klar, genau und eindeutig formuliert sind, damit, erstens, alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ihre genaue Bedeutung verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und, zweitens, der Auftraggeber imstande ist, tatsächlich zu überprüfen, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2014, Cartiera dell’Adda, C‑42/13, EU:C:2014:2345, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62

Im Rahmen eines Vergabeverfahrens stehen außerdem – wie der Gerichtshof bereits entschieden hat – der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung sowie das Transparenzgebot jeglicher Verhandlung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und einem Bewerber entgegen, was bedeutet, dass ein eingereichtes Angebot grundsätzlich nicht mehr geändert werden kann, weder auf Betreiben des öffentlichen Auftraggebers noch auf Betreiben des Bewerbers. Daraus folgt, dass der öffentliche Auftraggeber von einem Bewerber, dessen Angebot seiner Auffassung nach ungenau ist oder nicht den in den Verdingungsunterlagen enthaltenen technischen Spezifikationen entspricht, keine Erläuterungen verlangen darf (Urteil vom 10. Oktober 2013, Manova, C‑336/12, EU:C:2013:647, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63

Der Gerichtshof hat allerdings präzisiert, dass Art. 2 der Richtlinie 2004/18 es nicht verwehrt, die Angebote in einzelnen Punkten zu berichtigen oder zu ergänzen, insbesondere wegen einer offensichtlich gebotenen bloßen Klarstellung oder zur Behebung offensichtlicher sachlicher Fehler (Urteil vom 10. Oktober 2013, Manova, C‑336/12, EU:C:2013:647, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64

Insoweit muss der öffentliche Auftraggeber u. a. sicherstellen, dass die Aufforderung zur Klarstellung eines Angebots nicht darauf hinausläuft, dass der betroffene Bieter in Wirklichkeit ein neues Angebot einreicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Oktober 2013, Manova, C‑336/12, EU:C:2013:647, Rn. 36).

65

Zudem hat der öffentliche Auftraggeber bei der Ausübung des Ermessens, über das er in Bezug auf die Möglichkeit verfügt, die Bewerber zur Erläuterung ihres Angebots aufzufordern, die Bewerber gleich und fair zu behandeln, so dass am Ende des Verfahrens zur Auswahl der Angebote und im Hinblick auf das Ergebnis dieses Verfahrens nicht der Eindruck entstehen kann, dass die Aufforderung zur Erläuterung den oder die Bewerber, an den bzw. die sie gerichtet war, ungerechtfertigt begünstigt oder benachteiligt hätte (Urteil vom 10. Oktober 2013, Manova, C‑336/12, EU:C:2013:647, Rn. 37).

66

Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, forderte im vorliegenden Fall die Warschauer Stadtreinigungsverwaltung, da sie Zweifel hatte, ob Partner über die für die Ausführung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags erforderlichen Mittel verfügte, Partner nach Einreichung seines Angebots auf, nähere Angaben zur Art der Beteiligung von PUM an der Ausführung dieses Auftrags zu machen.

67

Als Antwort auf diese Aufforderung zur Klarstellung ersuchte Partner die Warschauer Stadtreinigungsverwaltung für den Fall, dass diese die nachgewiesene Erfahrung für unzureichend halten sollte, die Mittel, die er bei jedem der acht Teile des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags angeführt hatte, nach einer bestimmten Rangfolge zu berücksichtigen, damit sich eine eventuelle Ablehnung nicht auf den gesamten Auftrag erstrecke, sondern nur auf die Teile, bei denen er nicht die geforderten Voraussetzungen erfülle.

68

Eine solche Mitteilung, mit der ein Wirtschaftsteilnehmer dem öffentlichen Auftraggeber nach der Öffnung der Angebote hinsichtlich der einzelnen Teile des betreffenden Auftrags eine Rangfolge vorgibt, in der sein Angebot evaluiert werden soll, ist nicht bloß eine punktuelle Klarstellung oder eine Berichtigung offensichtlicher sachlicher Fehler im Sinne der in Rn. 63 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, sondern in Wirklichkeit eine wesentliche Änderung, die eher der Einreichung eines neuen Angebots gleichkommt.

69

Folglich kann ein öffentlicher Auftraggeber es einem Wirtschaftsteilnehmer nicht gestatten, sein ursprüngliches Angebot auf diese Weise zu präzisieren, ohne dadurch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung und das daraus folgende Transparenzgebot – die die öffentlichen Auftraggeber gemäß Art. 2 der Richtlinie 2004/18 zu beachten haben – zu verstoßen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2014, Cartiera dell’Adda, C‑42/13, EU:C:2014:2345, Rn. 43).

70

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass auf die siebte Frage zu antworten ist, dass der in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 aufgestellte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer dahin auszulegen ist, dass er es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einem öffentlichen Auftraggeber untersagt, nach der Öffnung der Angebote, die im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags eingereicht worden sind, dem Ersuchen eines Wirtschaftsteilnehmers, der ein Angebot für den gesamten in Rede stehenden Auftrag abgegeben hat, stattzugeben, sein Angebot nur für die Zuteilung bestimmter Teile dieses Auftrags zu berücksichtigen.

Zu den Fragen 8 und 9

71

Mit seiner achten und seiner neunten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 aufgestellte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer dahin auszulegen ist, dass er die Ungültigerklärung und die Wiederholung einer elektronischen Auktion, bei der ein Wirtschaftsteilnehmer, der ein zulässiges Angebot eingereicht hat, keine Aufforderung zur Teilnahme erhalten hat, auch dann verlangt, wenn nicht festgestellt werden kann, ob die Teilnahme des nicht berücksichtigten Wirtschaftsteilnehmers das Ergebnis der Auktion geändert hätte.

72

Nach dem 14. Erwägungsgrund und Art. 1 Abs. 7 der Richtlinie 2004/18 bietet der Rückgriff auf elektronische Auktionen den öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit, die Bieter nach einer ersten vollständigen Bewertung der Angebote zur Vorlage neuer, nach unten korrigierter Preise aufzufordern, und – sofern das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag erhalten soll – auch andere als die preisbezogenen Angebotskomponenten zu verbessern.

73

Wie in dem genannten Erwägungsgrund ausgeführt wird, verlangt die Richtlinie 2004/18 im Rahmen eines solchen Verfahrens ausdrücklich, dass elektronische Auktionen unter uneingeschränkter Wahrung der Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz ablaufen.

74

Zu diesem Zweck sieht zum einen Art. 54 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 vor, dass alle Bieter, die zulässige Angebote unterbreitet haben, das Recht haben, eine Aufforderung zur Teilnahme an der elektronischen Auktion zu erhalten, um neue Preise und/oder Werte vorzulegen.

75

Zum anderen schreibt Art. 54 Abs. 8 Unterabs. 2 dieser Richtlinie den öffentlichen Auftraggebern, wenn sie sich zur Durchführung einer elektronischen Auktion entschließen, ausdrücklich vor, diese nicht missbräuchlich oder dergestalt durchzuführen, dass der Wettbewerb ausgeschaltet, eingeschränkt oder verfälscht wird, oder dergestalt, dass der Auftragsgegenstand, wie er in der Veröffentlichung der Bekanntmachung ausgeschrieben und in den Verdingungsunterlagen definiert worden ist, verändert wird.

76

Folglich muss der öffentliche Auftraggeber, wenn ein Bieter ein zulässiges Angebot unterbreitet hat und damit die in der Auftragsbekanntmachung genannten Kriterien erfüllt hat, nach Art. 54 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 sicherstellen, dass der betreffende Bieter sein Recht ausüben kann, gegebenenfalls an der elektronischen Auktion teilzunehmen.

77

Demzufolge verlangt – wie der Generalanwalt in Nr. 52 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – der in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 aufgestellte Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung in dem Fall, dass ein solcher Bieter nicht aufgefordert worden ist, sich an der betreffenden Auktion zu beteiligen, von dem öffentlichen Auftraggeber, dass er die Auktion für ungültig erklärt und wiederholt.

78

Diese Schlussfolgerung gilt unabhängig von der Antwort auf die Frage, ob die Teilnahme des nicht berücksichtigten Wirtschaftsteilnehmers das Ergebnis der in Rede stehenden Auktion geändert hätte.

79

Die Ausübung des Rechts eines Bieters auf Teilnahme an einer elektronischen Auktion darf nämlich unter keinen Umständen von dem erwarteten Ergebnis dieser Auktion abhängig gemacht werden und kann daher nicht von vornherein aufgrund hypothetischer Erwägungen des öffentlichen Auftraggebers ausgeschlossen werden.

80

Mit anderen Worten lässt sich – wie auch die Krajowa Izba Odwoławcza (Nationale Beschwerdekammer) in ihrer Vorlageentscheidung ausführt – nicht im Voraus ausschließen, dass der Wirtschaftsteilnehmer, der nicht zur Teilnahme an der elektronischen Auktion zugelassen worden ist, das günstigste Angebot abgegeben hätte, so dass der von dem öffentlichen Auftraggeber begangene Fehler zwangsläufig die Ungültigerklärung der Auktion und deren Wiederholung nach sich zieht.

81

Auf die achte und die neunte Frage ist daher zu antworten, dass der in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 aufgestellte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer dahin auszulegen ist, dass er die Ungültigerklärung und die Wiederholung einer elektronischen Auktion, bei der ein Wirtschaftsteilnehmer, der ein zulässiges Angebot eingereicht hat, keine Aufforderung zur Teilnahme erhalten hat, auch dann verlangt, wenn nicht festgestellt werden kann, ob die Teilnahme des nicht berücksichtigten Wirtschaftsteilnehmers das Ergebnis der Auktion geändert hätte.

Zu Frage 10

82

Mit seiner zehnten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Vorschriften der Richtlinie 2004/18 im Licht der Bestimmungen der Richtlinie 2014/24, soweit deren Bestimmungen nicht im Widerspruch zu den Vorschriften der Richtlinie 2004/18 stehen, ausgelegt werden können, obgleich die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2014/24 noch nicht abgelaufen ist.

83

Für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich diejenige Richtlinie anwendbar ist, die zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem der öffentliche Auftraggeber die Art des Verfahrens auswählt und endgültig entscheidet, ob die Verpflichtung zu einem vorherigen Aufruf zum Wettbewerb für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags besteht. Unanwendbar sind hingegen die Bestimmungen einer Richtlinie, deren Umsetzungsfrist nach diesem Zeitpunkt abgelaufen ist (Urteil vom 10. Juli 1014, Impresa Pizzarotti, C‑213/13, EU:C:2014:2067, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84

Im Ausgangsverfahren wurde das in Rede stehende Vergabeverfahren am 24. Dezember 2013 bekannt gemacht, während die Richtlinie 2014/24 erst am 26. Februar 2014 angenommen wurde und die Frist zu ihrer Umsetzung gemäß ihrem Art. 90 jedenfalls erst am 18. April 2016 abläuft.

85

Unter diesen Umständen ist die Richtlinie 2014/24 in zeitlicher Hinsicht nicht auf das Ausgangsverfahren anwendbar.

86

Im Übrigen würde, wenn die Richtlinie 2014/24, die – wie sich unmittelbar aus ihrem Titel ergibt – die Richtlinie 2004/18 aufhebt, vor Ablauf der Frist zu ihrer Umsetzung angewandt würde, den Mitgliedstaaten ebenso wie den öffentlichen Auftraggebern und den Wirtschaftsteilnehmern die erforderliche Zeit genommen, um sich an die mit dieser Richtlinie eingeführten neuen Vorschriften anzupassen.

87

Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, möchte das vorlegende Gericht mit seiner Frage indessen insbesondere wissen, ob Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18, der jedem Wirtschaftsteilnehmer das Recht einräumt, sich für einen bestimmten Auftrag auf die Kapazitäten anderer Unternehmen zu stützen, unter Berücksichtigung des Inhalts von Art. 63 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24, der die Entsprechung zu Art. 48 der Richtlinie 2004/18 darstellt, auszulegen ist.

88

Insoweit ist in Übereinstimmung mit dem vorlegenden Gericht festzustellen, dass Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 allgemein formuliert ist und nicht ausdrücklich die Modalitäten nennt, unter denen sich ein Wirtschaftsteilnehmer im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen kann.

89

Dagegen sieht Art. 63 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 nunmehr vor, dass Wirtschaftsteilnehmer die Kapazitäten anderer Unternehmen nur dann in Anspruch nehmen können, „wenn diese die Arbeiten ausführen beziehungsweise die Dienstleistungen erbringen, für die diese Kapazitäten benötigt werden“.

90

Zwar soll die Richtlinie 2014/24, wie es u. a. in ihrem zweiten Erwägungsgrund heißt, grundlegende Begriffe und Konzepte klären, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und bestimmten Aspekten der einschlägigen ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs Rechnung zu tragen; nichtsdestoweniger wurden mit Art. 63 dieser Richtlinie wesentliche Änderungen vorgenommen, was das Recht eines Wirtschaftsteilnehmers betrifft, im Rahmen eines öffentlichen Auftrags Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch zu nehmen.

91

Art. 63 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 ist nämlich keineswegs eine Fortschreibung von Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18, mit der dessen Tragweite klargestellt wird, sondern führt neue Bedingungen ein, die unter der Vorgängerregelung nicht vorgesehen waren.

92

Unter diesen Umständen kann diese Bestimmung der Richtlinie 2014/24 nicht als Kriterium für die Auslegung von Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 herangezogen werden, weil es vorliegend nicht darum geht, einen Auslegungszweifel hinsichtlich des Inhalts der letztgenannten Bestimmung auszuräumen.

93

Eine andere Herangehensweise brächte in gewisser Weise die Gefahr mit sich, dass die Anwendung einer neuen Regelung, die sich von der in der Richtlinie 2004/18 vorgesehenen Regelung unterscheidet, zu Unrecht vorweggenommen würde, was dem Grundsatz der Rechtssicherheit für die Wirtschaftsteilnehmer, der durch die Richtlinie 2014/24 – wie u. a. aus ihrem zweiten Erwägungsgrund hervorgeht – im Übrigen ausdrücklich gewährleistet werden soll, offensichtlich zuwiderliefe.

94

In Anbetracht dessen ist auf die zehnte Frage zu antworten, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Vorschriften von Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 nicht im Licht der Bestimmungen von Art. 63 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 ausgelegt werden können.

Kosten

95

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge sind in Verbindung mit Art. 44 Abs. 2 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass

damit jedem Wirtschaftsteilnehmer das Recht eingeräumt wird, sich für einen bestimmten Auftrag auf die Kapazitäten anderer Unternehmen ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen zu stützen, sofern dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nachgewiesen wird, dass dem Bewerber oder Bieter die für die Ausführung dieses Auftrags erforderlichen Mittel der betreffenden Unternehmen tatsächlich zur Verfügung stehen;

es nicht ausgeschlossen ist, dass die Ausübung dieses Rechts bei Vorliegen besonderer Umstände in Anbetracht des Gegenstands und der Ziele des betreffenden Auftrags eingeschränkt werden kann. Dies ist namentlich der Fall, wenn sich die Kapazitäten, über die ein Drittunternehmen verfügt und die für die Ausführung des Auftrags erforderlich sind, nicht auf den Bewerber oder Bieter übertragen lassen, so dass dieser sich nur dann auf die genannten Kapazitäten berufen kann, wenn sich das betreffende Drittunternehmen unmittelbar und persönlich an der Ausführung des Auftrags beteiligt.

 

2.

Art. 48 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2004/18 ist dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf den Gegenstand und die Ziele eines bestimmten Auftrags unter besonderen Umständen im Interesse der ordnungsgemäßen Ausführung dieses Auftrags die Möglichkeit hat, in der Auftragsbekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen ausdrücklich genaue Regeln anzugeben, nach denen sich ein Wirtschaftsteilnehmer auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen kann, sofern diese Regeln mit dem Gegenstand und den Zielen des betreffenden Auftrags zusammenhängen und diesen angemessen sind.

 

3.

Der in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 aufgestellte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer ist dahin auszulegen, dass er es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einem öffentlichen Auftraggeber untersagt, nach der Öffnung der Angebote, die im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags eingereicht worden sind, dem Ersuchen eines Wirtschaftsteilnehmers, der ein Angebot für den gesamten in Rede stehenden Auftrag abgegeben hat, stattzugeben, sein Angebot nur für die Zuteilung bestimmter Teile dieses Auftrags zu berücksichtigen.

 

4.

Der in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 aufgestellte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer ist dahin auszulegen, dass er die Ungültigerklärung und die Wiederholung einer elektronischen Auktion, bei der ein Wirtschaftsteilnehmer, der ein zulässiges Angebot eingereicht hat, keine Aufforderung zur Teilnahme erhalten hat, auch dann verlangt, wenn nicht festgestellt werden kann, ob die Teilnahme des nicht berücksichtigten Wirtschaftsteilnehmers das Ergebnis der Auktion geändert hätte.

 

5.

Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens können die Vorschriften von Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 nicht im Licht der Bestimmungen von Art. 63 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18 ausgelegt werden.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Polnisch.