URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

29. April 2015 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Öffentliche Gesundheit — Richtlinie 2004/33/EG — Technische Anforderungen für Blut und Blutbestandteile — Blutspende — Eignungskriterien für die Spender — Kriterien für einen Ausschluss oder eine Rückstellung — Personen, deren Sexualverhalten ein hohes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt — Mann, der sexuelle Beziehungen zu einem Mann hatte — Charta der Grundrechte der Europäischen Union — Art. 21 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 — Sexuelle Ausrichtung — Diskriminierung — Rechtfertigung — Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑528/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal administratif de Strasbourg (Frankreich) mit Entscheidung vom 1. Oktober 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Oktober 2013, in dem Verfahren

Geoffrey Léger

gegen

Ministre des Affaires sociales, de la Santé et des Droits des femmes,

Établissement français du sang

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richterin K. Jürimäe, der Richter J. Malenovský und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterin A. Prechal,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und F. Gloaguen als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Gheorghiu und M. Owsiany-Hornung als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Juli 2014

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Nr. 2.1 des Anhangs III der Richtlinie 2004/33/EG der Kommission vom 22. März 2004 zur Durchführung der Richtlinie 2002/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich bestimmter technischer Anforderungen für Blut und Blutbestandteile (ABl. L 91, S. 25).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Léger und dem Ministre des Affaires sociales, de la Santé et des Droits des femmes sowie dem Établissement français du sang wegen der Weigerung, die Blutspende von Herrn Léger zuzulassen, mit der Begründung, dass er eine sexuelle Beziehung zu einem Mann gehabt habe.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2002/98/EG

3

Die Richtlinie 2002/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG (ABl. L 33, S. 30) stützt sich auf Art. 152 Abs. 4 Buchst. a EG.

4

Die Erwägungsgründe 1, 2, 24 und 29 der Richtlinie 2002/98 lauten:

„(1)

Das Ausmaß, in dem menschliches Blut therapeutisch verwendet wird, macht es erforderlich, dass insbesondere zur Verhütung der Übertragung von Krankheiten die Qualität und Sicherheit von Blut und Blutbestandteilen gewährleistet wird.

(2)

Die Verfügbarkeit von Blut und Blutbestandteilen für therapeutische Zwecke hängt weitgehend davon ab, ob Bürger der Gemeinschaft zur Blutspende bereit sind. Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und zur Verhütung der Übertragung von Infektionskrankheiten müssen bei deren Gewinnung, Verarbeitung, Verteilung und Verwendung alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen bei entsprechender Berücksichtigung des wissenschaftlichen Fortschritts im Bereich des Nachweises, der Inaktivierung und der Beseitigung von durch Transfusionen übertragbaren Krankheitserregern getroffen werden.

(24)

Blut und Blutbestandteile für therapeutische Zwecke oder zur Verwendung in Medizinprodukten sollten von Personen gewonnen werden, deren Gesundheitszustand schädliche Folgen aufgrund der Blutspende ausschließt und das Risiko einer Übertragung von Infektionskrankheiten minimiert; ausnahmslos jede Blutspende sollte nach Regeln getestet werden, die die Gewähr dafür bieten, dass alle erforderlichen Maßnahmen getroffen wurden, um die Gesundheit der Einzelpersonen, die Empfänger von Blut und Blutbestandteilen sind, zu schützen.

(29)

Die Tests sollten nach den neuesten wissenschaftlichen und technischen Verfahren aufgrund der besten verfügbaren Praxis durchgeführt werden, die im Rahmen eines geeigneten Verfahrens der Konsultation von Sachverständigen festgelegt, regelmäßig überprüft und aktualisiert wird. Bei diesem Überprüfungsprozess sollte ferner dem wissenschaftlichen Fortschritt im Bereich des Nachweises, der Inaktivierung und der Beseitigung von durch Transfusionen übertragbaren Krankheitserregern gebührend Rechnung getragen werden.“

5

Art. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie legt Qualitäts- und Sicherheitsstandards für menschliches Blut und Blutbestandteile fest mit dem Ziel, ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten.“

6

Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Diese Richtlinie gilt für die Gewinnung und Testung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen unabhängig von deren Verwendungszweck sowie für deren Verarbeitung, Lagerung und Verteilung, sofern sie zur Transfusion bestimmt sind.“

7

Art. 18 („Spendereignung“) der Richtlinie 2002/98 lautet:

„(1)   Die Blutspendeeinrichtungen gewährleisten, dass Verfahren zur Bewertung sämtlicher Spender von Blut und Blutbestandteilen vorhanden sind und dass die Spendekriterien gemäß Artikel 29 Buchstabe d) erfüllt werden.

(2)   Die Ergebnisse der Spenderbewertung und der Testverfahren sind zu dokumentieren; diesbezügliche abnorme Ergebnisse sind dem Spender mitzuteilen.“

8

Art. 19 („Untersuchung der Spender“) dieser Richtlinie bestimmt:

„Vor jeder Spende von Blut oder Blutbestandteilen wird eine Untersuchung des Spenders, die eine Befragung einschließt, durchgeführt. Insbesondere obliegt es einem hierfür qualifizierten Angehörigen eines Gesundheitsberufs, dem Spender die Informationen zu geben und bei diesem die Informationen einzuholen, die notwendig sind, um über dessen Eignung als Spender zu entscheiden; danach entscheidet er über die Spendereignung.“

9

Art. 20 („Freiwillige, unbezahlte Blutspenden“) dieser Richtlinie sieht in Abs. 1 vor:

„Die Mitgliedstaaten ergreifen die notwendigen Maßnahmen, um freiwillige, unbezahlte Blutspenden zu fördern, damit erreicht wird, dass Blut und Blutbestandteile so weit wie möglich aus solchen Spenden stammen.“

10

Art. 21 („Prüfungsverfahren“) der Richtlinie 2002/98 bestimmt:

„Die Blutspendeeinrichtungen gewährleisten, dass jede Spende von Blut und Blutbestandteilen gemäß den Anforderungen in Anhang IV getestet wird.

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Blut und Blutbestandteile, die in die Gemeinschaft eingeführt werden, entsprechend den Anforderungen in Anhang IV getestet werden.“

11

In Art. 29 Satz 2 Buchst. d dieser Richtlinie heißt es:

„Folgende technische Anforderungen und ihre Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt werden nach dem in Artikel 28 Absatz 2 genannten Verfahren festgelegt:

d)

die Anforderungen betreffend die Eignung von Blut- und Plasmaspendern und das Screening von gespendetem Blut, einschließlich

der Ausschlusskriterien und möglicher diesbezüglicher Ausnahmen,

der Rückstellungskriterien“.

12

In Anhang IV („Grundlegende Anforderungen für die Testung von Vollblut- und Plasmaspenden“) dieser Richtlinie heißt es:

„Für Vollblut- und Apheresespenden, einschließlich Spenden für spätere Eigenbluttransfusionen, müssen folgende Tests durchgeführt werden:

Tests auf folgende Infektionen beim Spender:

Hepatitis B (HBs-Ag),

Hepatitis C (Anti-HCV),

HIV 1/2 (Anti-HIV 1/2).

Für spezielle Bestandteile, Spender oder epidemiologische Situationen können zusätzliche Tests angefordert werden.“

Richtlinie 2004/33

13

Art. 3 („Bei den Spendern einzuholende Informationen“) der Richtlinie 2004/33 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Spender nach der Einwilligung in die Spende von Blut oder Blutbestandteilen der Blutspendeeinrichtung die in Anhang II Teil B aufgeführten Angaben machen.“

14

Art. 4 („Spendereignung“) dieser Richtlinie sieht vor:

„Die Blutspendeeinrichtungen stellen sicher, dass Spender von Vollblut und Blutbestandteilen die in Anhang III aufgeführten Eignungskriterien erfüllen.“

15

Anhang I Nrn. 2 und 4 dieser Richtlinie enthält die folgenden Definitionen:

„2.

‚Fremdspende‘: Blut und Blutbestandteile, die von einer Person gewonnen wurden und zur Transfusion bei einer anderen Person, zur Verwendung in Medizinprodukten oder als Ausgangs- oder Rohmaterial für die Herstellung von Arzneimitteln bestimmt sind.

4.

‚Vollblut‘: eine Einzelblutspende.“

16

Anhang II Teil B („Von den Spendern durch die Blutspendeeinrichtung bei jeder Spende einzuholende Informationen“) dieser Richtlinie bestimmt in Nr. 2, dass die Spender folgende Informationen zur Verfügung zu stellen haben:

„Erfassung von Gesundheitszustand und Vorerkrankungen mittels eines Fragebogens und einer persönlichen Befragung durch einen qualifizierten Angehörigen eines Gesundheitsberufs; sie enthält relevante Faktoren, die zur Identifizierung und zum Ausschluss von Personen beitragen können, deren Spende mit einem Gesundheitsrisiko für sie selbst oder mit dem Risiko einer Krankheitsübertragung für andere verbunden sein könnte.“

17

Anhang III („Eignungskriterien für die Spender von Vollblut und Blutbestandteilen“) der Richtlinie 2004/33 führt in Nr. 2 die Ausschlusskriterien für Spender von Vollblut und Blutbestandteilen auf.

18

Nr. 2.1 dieses Anhangs trägt die Überschrift „Ausschlusskriterien für Fremdblutspender“. Diese Kriterien betreffen im Wesentlichen folgende vier Kategorien von Personen: Personen mit bestimmten Krankheiten, darunter „HIV 1/2“, oder mit bestimmten Krankheitssymptomen; Personen, die intravenös oder intramuskulär Drogen konsumiert haben; Empfänger von Xenotransplantaten sowie „Personen, deren Sexualverhalten ein hohes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt“.

19

Nr. 2.2 („Rückstellungskriterien für Fremdblutspender“) dieses Anhangs enthält eine Nr. 2.2.2 über die Exposition gegenüber dem Risiko, an einer durch Transfusionen übertragbaren Infektion zu erkranken.

20

Zu den in der Tabelle in dieser Nr. 2.2.2 aufgeführten „Personen mit einem Verhalten oder einer Tätigkeit, das/die ein hohes Risiko für durch Blut übertragene Infektionskrankheiten birgt“, gehört der folgende Eintrag: „Rückstellung nach Beendigung des Risikoverhaltens für einen Zeitraum, der je nach Krankheit und Verfügbarkeit geeigneter Tests festgelegt wird“.

Französisches Recht

21

Die Ministre de la Santé et des Sports erließ am 12. Januar 2009 eine Verordnung über die Kriterien für die Auswahl von Blutspendern (JORF vom 18. Januar 2009, S. 1067, im Folgenden: Verordnung vom 12. Januar 2009), die die Richtlinie 2004/33 in ihren Bezugsvermerken erwähnt.

22

Art. 1 Abschnitt V Abs. 1 dieser Verordnung sieht hinsichtlich der klinischen Merkmale des Spenders vor:

„In dem vor einer Spende geführten Gespräch ist es Sache der zur Auswahl der Spender berechtigten Person, die Möglichkeit einer Spende im Hinblick auf Kontraindikationen und deren Dauer, ihr früheres Vorhandensein und ihre Entwicklung anhand von Fragen zu beurteilen, die den Fragebogen im Vorfeld der Spende ergänzen.

Eine Blutspende wird aufgeschoben, wenn auf den Spender eine in einer der Tabellen des Anhangs II der vorliegenden Verordnung aufgeführte Kontraindikation zutrifft. …

…“

23

Anhang II dieser Verordnung enthält Tabellen mit den Kontraindikationen, von denen Tabelle B die Kontraindikationen im Fall eines Risikos für den Empfänger betrifft. Gemäß dem Teil der Tabelle B, der das Risiko der Übertragung einer Virusinfektion betrifft, besteht hinsichtlich der Gefahr der Ansteckung des Blutspenders mit einer sexuell übertragbaren Infektionskrankheit eine dauerhafte Kontraindikation bei Blutspenden für den Fall, dass ein „Mann … sexuelle Beziehungen zu einem Mann hatte“.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

24

Herr Léger meldete sich bei der Blutabnahmestelle des Établissement français du sang in Metz (Frankreich), um Blut zu spenden.

25

Mit Entscheidung vom 29. April 2009 lehnte der für die Spenden verantwortliche Arzt diese Blutspende mit der Begründung ab, dass Herr Léger eine sexuelle Beziehung mit einem Mann gehabt habe.

26

Der Arzt stützte sich auf die Verordnung vom 12. Januar 2009, deren Tabelle B des Anhangs II im Hinblick auf die Gefahr der Ansteckung des Blutspenders mit einer sexuell übertragbaren Infektionskrankheit eine dauerhafte Kontraindikation bei Blutspenden von einem Mann vorsieht, der sexuelle Beziehungen zu einem Mann hatte.

27

Herr Léger erhob gegen diese Entscheidung beim Tribunal administratif de Strasbourg Klage und machte u. a. geltend, dass Anhang II der Verordnung vom 12. Januar 2009 die Richtlinie 2004/33 verletze.

28

Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Frage, ob die Existenz einer dauerhaften Kontraindikation bei Blutspenden von einem Mann, der sexuelle Beziehungen zu einem Mann hatte, mit Anhang III dieser Richtlinie vereinbar sei, eine ernsthafte Schwierigkeit aufweise und für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits erheblich sei.

29

Vor diesem Hintergrund hat das Tribunal administratif de Strasbourg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Stellen im Licht des Anhangs III der Richtlinie 2004/33 sexuelle Beziehungen eines Mannes zu einem anderen Mann als solche ein Sexualverhalten mit einem hohen Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten dar und rechtfertigen sie den Ausschluss von Personen mit einem solchen Sexualverhalten von Blutspenden, oder können sie je nach den Umständen des Einzelfalls einfach ein Sexualverhalten mit einem hohen Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten darstellen und die vorübergehende Rückstellung von der Blutspende für eine bestimmte Dauer nach Beendigung des Risikoverhaltens rechtfertigen?

Zur Vorlagefrage

30

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Nr. 2.1 des Anhangs III der Richtlinie 2004/33 dahin auszulegen ist, dass das in dieser Bestimmung enthaltene Kriterium für einen Ausschluss von der Blutspende, nämlich ein Sexualverhalten mit einem hohen Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten, es einem Mitgliedstaat verwehrt, eine dauerhafte Kontraindikation bei Blutspenden von Männern vorzusehen, die sexuelle Beziehungen zu Männern hatten.

31

Zunächst ist festzustellen, dass Unterschiede zwischen den verschiedenen Sprachfassungen der Nrn. 2.1 und 2.2.2 des Anhangs III dieser Richtlinie in Bezug auf die Höhe des in diesen Bestimmungen erfassten Risikos bestehen, wie die französische Regierung und die Europäische Kommission geltend gemacht haben.

32

In der französischen Fassung dieser Bestimmungen gelten nämlich der in Nr. 2.1 vorgesehene Ausschluss und die in Nr. 2.2.2 vorgesehene Rückstellung beide für Personen mit einem Sexualverhalten, das ein „Risiko“ („risque“) für durch Blut übertragene Infektionskrankheiten birgt. In dieser Sprachfassung ist daher die Höhe des Risikos, das einen Ausschluss von der Blutspende rechtfertigt, genau gleich wie diejenige, die für die Rückstellung gilt.

33

Demgegenüber setzt in einigen Sprachfassungen dieser Bestimmungen die Rückstellung das Vorliegen eines „Risikos“ voraus, während der Ausschluss seinerseits ein „hohes Risiko“ erfordert. Dies ist insbesondere in der dänischen („stor risiko“), der estnischen („kõrgendatud ohtu“), der englischen („high risk“), der italienischen („alto rischio“), der niederländischen („groot risico“), der polnischen („wysokie ryzyko“) und in der portugiesischen Fassung („grande risco“) der Nr. 2.1 des Anhangs III der Richtlinie 2004/33 der Fall.

34

In anderen Sprachfassungen wiederum ist sowohl in Nr. 2.1 als auch in Nr. 2.2.2 dieses Anhangs ein „hohes Risiko“ vorgesehen, wie in der spanischen („alto riesgo“) und in der deutschen Fassung.

35

Nach ständiger Rechtsprechung kann die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder Vorrang vor den anderen sprachlichen Fassungen beanspruchen. Die Bestimmungen des Unionsrechts müssen nämlich – im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Europäischen Union – einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Textes des Unionsrechts voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (Urteile Cricket St Thomas, C‑372/88, EU:C:1990:140, Rn. 18 und 19, Kurcums Metal, C‑558/11, EU:C:2012:721, Rn. 48, sowie Ivansson u. a., C‑307/13, EU:C:2014:2058, Rn. 40).

36

Im Hinblick auf die allgemeine Systematik der Nrn. 2.1 und 2.2.2 des Anhangs III der Richtlinie 2004/33 ist darauf hinzuweisen, dass dieser Anhang zwischen einem Ausschluss und einer Rückstellung von der Blutspende unterscheidet, für die die anwendbaren Kriterien logischerweise unterschiedlich sein müssen. Daher setzt der – strengere – Ausschluss das Vorliegen eines Risikos voraus, das höher ist als beim vorübergehenden Verbot.

37

Wie es im Übrigen im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/98 heißt, sollten Blut und Blutbestandteile für therapeutische Zwecke oder zur Verwendung in Medizinprodukten von Personen gewonnen werden, deren Gesundheitszustand schädliche Folgen aufgrund der Blutspende ausschließt und das Risiko einer Übertragung von durch Blut übertragbaren schweren Infektionskrankheiten minimiert. Daraus folgt im Hinblick auf den Zweck der Richtlinie 2004/33, dass der Ausschluss gelten muss, wenn das Risiko einer solchen Übertragung höher ist.

38

Folglich führen die allgemeine Systematik und der Zweck dieser Richtlinie zu einer Auslegung, wonach der Ausschluss von der Blutspende gemäß Nr. 2.1 des Anhangs III dieser Richtlinie die Personen betrifft, deren Sexualverhalten ein „hohes Risiko“ der Übertragung von durch Blut übertragbaren schweren Infektionskrankheiten birgt, während sich die Rückstellung von der Blutspende auf ein geringeres Risiko bezieht.

39

Im Hinblick auf diesen Ausschluss ist darauf hinzuweisen, dass der Ausdruck „Personen, deren Sexualverhalten ein hohes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragene Infektionskrankheiten birgt“ in Nr. 2.1 des Anhangs III der Richtlinie 2004/33 die von diesem Ausschluss betroffenen Personen oder Personenkategorien nicht genau festlegt, was den Mitgliedstaaten einen Wertungsspielraum bei der Anwendung dieser Bestimmung einräumt.

40

Es ist jedoch zu prüfen, inwiefern die im französischen Recht vorgesehene dauerhafte Kontraindikation für den Fall, dass ein „Mann … sexuelle Beziehungen zu einem Mann hatte“, dem Erfordernis des Vorliegens eines „hohen Risikos“ im Sinne von Nr. 2.1 des Anhangs III der Richtlinie 2004/33 entspricht und gleichzeitig die von der Rechtsordnung der Union anerkannten Grundrechte beachtet.

41

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs haben nämlich die Mitgliedstaaten die Erfordernisse des Schutzes dieser Grundrechte bei der Durchführung der Regelungen der Union zu beachten, so dass sie diese Regelungen so anwenden müssen, dass diese Erfordernisse nicht verkannt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Parlament/Rat, C‑540/03, EU:C:2006:429, Rn. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung). In diesem Zusammenhang müssen die Mitgliedstaaten insbesondere darauf achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung einer Vorschrift des abgeleiteten Rechts stützen, die mit diesen Grundrechten kollidiert (vgl. Urteile Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a., C‑305/05, EU:C:2007:383, Rn. 28, sowie O u. a., C‑356/11 und C‑357/11, EU:C:2012:776, Rn. 78).

42

Erstens ist in Bezug auf die Beurteilung des Vorliegens eines hohen Übertragungsrisikos für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten die epidemiologische Situation in Frankreich zu berücksichtigen, die nach der französischen Regierung und der Kommission, die sich auf die vom Institut français de veille sanitaire vorgelegten Daten beziehen, einen spezifischen Charakter habe. Aus diesen Daten gehe hervor, dass fast alle Ansteckungen mit HIV in den Jahren 2003 bis 2008 auf eine sexuelle Beziehung zurückzuführen seien und dass Männer, die sexuelle Beziehungen zu Männern hätten, die am stärksten betroffene Bevölkerungsgruppe stellten, und zwar 48 % der Neuansteckungen. Im selben Zeitraum habe zwar die allgemeine Inzidenz der HIV-Infektionen, insbesondere hinsichtlich heterosexueller Beziehungen, abgenommen, sei aber für Männer, die sexuelle Beziehungen zu Männern hätten, nicht zurückgegangen. Außerdem stellten diese – immer noch in demselben Zeitraum –, mit einer Inzidenzrate von 1 % pro Jahr, die 200-mal höher sei als die der heterosexuellen französischen Bevölkerung, die am stärksten von der Ansteckung mit HIV betroffene Bevölkerungsgruppe.

43

Die Kommission bezieht sich auch auf einen Bericht des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, das durch die Verordnung (EG) Nr. 851/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 (ABl. L 142, S. 1) errichtet wurde. Dem im Oktober 2013 veröffentlichten Bericht mit dem Titel „Men who have sex with men (MSM), Monitoring implementation of the Dublin Declaration on Partnership to Fight HIV/AIDS in Europe and Central Asia: 2012 progress“ zufolge ist von allen untersuchten Staaten die Verbreitung von HIV in der Gruppe der Männer, die sexuelle Beziehungen zu Männern hatten, in Frankreich am stärksten.

44

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts zu beurteilen, ob die in Rn. 42 des vorliegenden Urteils genannten Daten im Licht der derzeitigen medizinischen, wissenschaftlichen und epidemiologischen Erkenntnisse belastbar sind und, wenn ja, ob sie nach wie vor relevant sind.

45

Sollte dieses Gericht insbesondere unter Berücksichtigung dieser Daten zu dem Schluss kommen, dass die nationalen Behörden zu Recht annehmen durften, dass in Frankreich ein hohes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten im Sinne von Nr. 2.1 des Anhangs III der Richtlinie 2004/33 für den Fall besteht, dass ein Mann sexuelle Beziehungen zu einem Mann hatte, ist zweitens zu erörtern, ob und unter welchen Bedingungen eine dauerhafte Kontraindikation bei Blutspenden wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende mit den von der Rechtsordnung der Union anerkannten Grundrechten vereinbar sein könnte.

46

Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Anwendungsbereich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), was das Handeln der Mitgliedstaaten betrifft, in Art. 51 Abs. 1 der Charta definiert ist. Danach gilt diese für die Mitgliedstaaten „ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union“.

47

Im vorliegenden Fall setzt die Verordnung vom 12. Januar 2009, die sich in ihren Bezugsvermerken ausdrücklich auf die Richtlinie 2004/33 bezieht, das Unionsrecht um.

48

Diese Verordnung muss daher unter den Bestimmungen der Charta insbesondere deren Art. 21 Abs. 1 beachten, wonach Diskriminierungen insbesondere wegen der sexuellen Ausrichtung verboten sind. Dieser Art. 21 Abs. 1 ist eine besondere Ausprägung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, der einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, der in Art. 20 der Charta niedergelegt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Römer, C‑147/08, EU:C:2011:286, Rn. 59, und Glatzel, C‑356/12, EU:C:2014:350, Rn. 43).

49

Berücksichtigt man jedoch in diesem Zusammenhang die Tatsache, ein „Mann“ zu sein, „der eine sexuelle Beziehung zu einem Mann hatte“, als Kriterium für eine dauerhafte Kontraindikation bei Blutspenden, legt die Tabelle B des Anhangs II der Verordnung vom 12. Januar 2009 den Ausschluss von der Blutspende entsprechend der sexuellen Ausrichtung von männlichen Spendern fest, die aufgrund der Tatsache, dass sie eine sexuelle Beziehung mit dieser Ausrichtung gehabt haben, eine weniger günstige Behandlung als männliche heterosexuelle Personen erhalten.

50

Unter diesen Umständen kann die Verordnung vom 12. Januar 2009 im Hinblick auf homosexuelle Personen eine Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 der Charta enthalten.

51

Deshalb ist zu prüfen, ob die in der Verordnung vom 12. Januar 2009 vorgesehene dauerhafte Kontraindikation bei Blutspenden für einen Mann, der sexuelle Beziehungen zu einem Mann hatte, dennoch die in Art. 52 Abs. 1 der Charta aufgestellten Bedingungen erfüllt, um gerechtfertigt zu sein.

52

Gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta muss jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und zudem den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Außerdem dürfen nach dieser Bestimmung unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

53

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die dauerhafte Kontraindikation bei Blutspenden für einen Mann, der sexuelle Beziehungen zu einem Mann hatte, die eine Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten darstellt, als gesetzlich vorgesehen im Sinne von Art. 52 Abs. 1 dieser Charta angesehen werden muss, da sie sich aus der Verordnung vom 12. Januar 2009 ergibt.

54

Außerdem achtet diese Einschränkung den Wesensgehalt des Diskriminierungsverbots. Diese Einschränkung stellt nämlich diesen Grundsatz als solchen nicht in Frage, da es nur um die spezifische Frage der Ausschlüsse von der Blutspende im Hinblick auf den Gesundheitsschutz der Empfänger geht.

55

Es ist jedoch weiter zu prüfen, ob diese Einschränkung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta dem Gemeinwohl dient und, wenn ja, ob sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Sinne dieser Bestimmung wahrt.

56

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2004/33 die Richtlinie 2002/98 umsetzt. Diese Richtlinie dient gemäß ihrer Rechtsgrundlage, nämlich Art. 152 Abs. 4 Buchst. a EG, dem Schutz der öffentlichen Gesundheit.

57

Im vorliegenden Fall zielt der dauerhafte Ausschluss von der Blutspende darauf ab, das Risiko einer Übertragung einer Infektionskrankheit auf die Empfänger zu minimieren. Dieser Ausschluss trägt daher zum allgemeinen Ziel bei, ein hohes Gesundheitsschutzniveau sicherzustellen, das ein von der Union in Art. 152 EG und insbesondere in Abs. 4 Buchst. a und Abs. 5 dieses Artikels sowie in Art. 35 Satz 2 der Charta anerkanntes Ziel darstellt, die verlangten, dass bei der Festlegung und Durchführung der Politik und Maßnahmen der Union in allen Bereichen ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt wird.

58

Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Maßnahmen nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit diesen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, von diesen die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen (vgl. Urteile ERG u. a., C‑379/08 und C‑380/08, EU:C:2010:127, Rn. 86, Urbán, C‑210/10, EU:C:2012:64, Rn. 24, sowie Texdata Software, C‑418/11, EU:C:2013:588, Rn. 52).

59

In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens wird dieser Grundsatz nur gewahrt, wenn ein hohes Gesundheitsschutzniveau der Empfänger nicht mit wirksamen Techniken zum Nachweis von HIV und weniger belastenden Methoden als dem dauerhaften Verbot der Blutspende für alle Männer, die sexuelle Beziehungen zu Männern hatten, sichergestellt werden kann.

60

Zum einen kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass selbst bei Vorliegen eines Sexualverhaltens, das ein hohes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten im Sinne von Nr. 2.1 des Anhangs III der Richtlinie 2004/33 birgt, die das Risiko einer Übertragung solcher Krankheiten zwischen Partnern infolge einer sexuellen Beziehung betrifft, wirksame Techniken bestehen, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau der Empfänger sicherzustellen.

61

Insoweit muss jede Blutspende, wie sich u. a. aus Art. 21 der Richtlinie 2002/98 ergibt, um die Qualität und die Sicherheit von Blut und Blutbestandteilen sicherzustellen, gemäß den Anforderungen in Anhang IV der Richtlinie getestet werden, wobei es auf der Hand liegt, dass diese Anforderungen nach Maßgabe des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts der Weiterentwicklung bedürfen (Urteil Humanplasma, C‑421/09, EU:C:2010:760, Rn. 42). Nach diesem Anhang IV müssen insbesondere Tests auf HIV 1/2 beim Spender durchgeführt werden.

62

Die französische Regierung und die Kommission weisen jedoch darauf hin, dass es nach gegenwärtigem Stand der Wissenschaft ein „diagnostisches Fenster“ gebe, d. h. einen Zeitraum, der einer Virusinfektion folge und in dem die im Rahmen des Tests der Blutspende verwendeten Biomarker trotz einer Infektion des Spenders negativ blieben. Daher seien es die neuesten Infektionen, die mit einem Risiko der Nichtentdeckung bei den Tests und daher der Übertragung von HIV auf den Empfänger verbunden seien.

63

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts zu beurteilen, ob es in einer solchen Situation und im Rahmen der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wirksame Techniken zum Nachweis von HIV gibt, um die Übertragung eines derartigen Virus auf die Empfänger zu vermeiden, wobei die Tests gemäß dem 29. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/98 nach den neuesten wissenschaftlichen und technischen Verfahren durchgeführt werden sollten.

64

Insbesondere ist es Sache des vorlegenden Gerichts zu beurteilen, ob der Fortschritt der Wissenschaft oder der Gesundheitstechnik unter Berücksichtigung insbesondere der Kosten einer systematischen Quarantäne für Blutspenden von Männern, die sexuelle Beziehungen zu Männern hatten, oder eines systematischen Nachweises von HIV für alle Blutspenden erlauben, ein hohes Gesundheitsschutzniveau der Empfänger sicherzustellen, ohne dass die sich daraus ergebende Belastung in unangemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen des Gesundheitsschutzes steht.

65

Zum anderen ist für den Fall, dass es nach gegenwärtigem Stand der Wissenschaft keine Technik gibt, die die in den Rn. 63 und 64 des vorliegenden Urteils aufgestellten Bedingungen erfüllt, eine dauerhafte Kontraindikation bei Blutspenden für alle Männer, die sexuelle Beziehungen zu Männern hatten, nur verhältnismäßig, wenn es keine weniger belastenden Methoden gibt, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau der Empfänger sicherzustellen.

66

Insoweit obliegt es dem vorlegenden Gericht insbesondere zu prüfen, ob möglicherweise anhand des Fragebogens und der persönlichen Befragung durch einen qualifizierten Angehörigen eines Gesundheitsberufs nach Anhang II Teil B Nr. 2 der Richtlinie 2004/33 die Verhaltensweisen genauer identifiziert werden können, die mit einem Gesundheitsrisiko für die Empfänger verbunden sind, um eine weniger einschränkende Kontraindikation festzulegen als eine dauerhafte für alle Männer, die sexuelle Beziehungen zu Männern hatten.

67

Wie der Generalanwalt in Nr. 61 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, muss das vorlegende Gericht in diesem Sinne insbesondere beurteilen, ob es durch gezielte Fragen zum seit der letzten sexuellen Beziehung verstrichenen Zeitraum im Verhältnis zur Dauer des „diagnostischen Fensters“, zur Beständigkeit der Beziehung der betreffenden Person oder zum Schutz in der sexuellen Beziehung möglich wäre, die Höhe des Risikos zu bewerten, das individuell durch den jeweiligen Spender aufgrund seines eigenen Sexualverhaltens besteht.

68

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass, falls es wirksame Techniken zum Nachweis durch Blut übertragbarer schwerer Krankheiten oder mangels solcher Techniken weniger belastende Methoden als das dauerhafte Verbot der Blutspende für alle Männer, die sexuelle Beziehungen zu Männern hatten, erlauben, ein hohes Gesundheitsschutzniveau der Empfänger sicherzustellen, eine solche dauerhafte Kontraindikation gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta verstößt.

69

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Nr. 2.1 des Anhangs III der Richtlinie 2004/33 dahin auszulegen ist, dass das in dieser Bestimmung enthaltene Kriterium für einen Ausschluss von der Blutspende, nämlich das Sexualverhalten, den Fall erfasst, dass ein Mitgliedstaat im Hinblick auf die in diesem herrschende Situation eine dauerhafte Kontraindikation bei Blutspenden für Männer vorsieht, die sexuelle Beziehungen zu Männern hatten, wenn aufgrund der derzeitigen medizinischen, wissenschaftlichen und epidemiologischen Erkenntnisse und Daten feststeht, dass ein solches Sexualverhalten für diese Personen ein hohes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt und dass es unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit keine wirksamen Techniken zum Nachweis dieser Infektionskrankheiten oder mangels solcher Techniken weniger belastende Methoden als eine solche Kontraindikation gibt, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau der Empfänger sicherzustellen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob diese Voraussetzungen in dem betreffenden Mitgliedstaat erfüllt sind.

Kosten

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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

 

Nr. 2.1 des Anhangs III der Richtlinie 2004/33/EG der Kommission vom 22. März 2004 zur Durchführung der Richtlinie 2002/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich bestimmter technischer Anforderungen für Blut und Blutbestandteile ist dahin auszulegen, dass das in dieser Bestimmung enthaltene Kriterium für einen Ausschluss von der Blutspende, nämlich das Sexualverhalten, den Fall erfasst, dass ein Mitgliedstaat im Hinblick auf die in diesem herrschende Situation eine dauerhafte Kontraindikation bei Blutspenden für Männer vorsieht, die sexuelle Beziehungen zu Männern hatten, wenn aufgrund der derzeitigen medizinischen, wissenschaftlichen und epidemiologischen Erkenntnisse und Daten feststeht, dass ein solches Sexualverhalten für diese Personen ein hohes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt und dass es unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit keine wirksamen Techniken zum Nachweis dieser Infektionskrankheiten oder mangels solcher Techniken weniger belastende Methoden als eine solche Kontraindikation gibt, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau der Empfänger sicherzustellen. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu beurteilen, ob diese Voraussetzungen in dem betreffenden Mitgliedstaat erfüllt sind.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.