URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

26. März 2015 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem — Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität — Besteuerung der Lieferung von Grundstücken im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens — Nationale Regelung, wonach der die Zwangsversteigerung durchführende Gerichtsvollzieher verpflichtet ist, die Mehrwertsteuer auf einen solchen Umsatz zu ermitteln und zu entrichten — Zahlung des Kaufpreises an das zuständige Gericht und Pflicht dieses Gerichts, den Betrag der zu zahlenden Mehrwertsteuer an den Gerichtsvollzieher zu überweisen — Schadensersatzpflicht und strafrechtliche Haftung des Gerichtsvollziehers in dem Fall, dass die Mehrwertsteuer nicht gezahlt wird — Unterschied zwischen der ordentlichen Frist für die Zahlung der Mehrwertsteuer durch einen Steuerpflichtigen und der einem solchen Gerichtsvollzieher auferlegten Frist — Unmöglichkeit des Vorsteuerabzugs“

In der Rechtssache C‑499/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) mit Entscheidung vom 21. Februar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 16. September 2013, in dem Verfahren

Marian Macikowski

gegen

Dyrektor Izby Skarbowej w Gdańsku

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter S. Rodin, A. Borg Barthet (Berichterstatter), E. Levits und F. Biltgen,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von M. Macikowski, vertreten durch M. Kalinowski, radca prawny,

des Dyrektor Izby Skarbowej w Gdańsku, vertreten durch T. Tratkiewicz und J. Kaute als Bevollmächtigte,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und A. Gawłowska als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. November 2014

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität sowie der Art. 9, 193, 199, 206, 250 und 252 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen dem Gerichtsvollzieher M. Macikowski und dem Dyrektor Izby Skarbowej w Gdańsku wegen nicht fristgemäßer Zahlung der für den Verkauf eines Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung geschuldeten Mehrwertsteuer.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

4

Art. 193 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Die Mehrwertsteuer schuldet der Steuerpflichtige, der Gegenstände steuerpflichtig liefert oder eine Dienstleistung steuerpflichtig erbringt, außer in den Fällen, in denen die Steuer gemäß den Artikeln 194 bis 199 sowie 202 von einer anderen Person geschuldet wird.“

5

Art. 199 Abs. 1 Buchst. g dieser Richtlinie besagt:

„Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der steuerpflichtige Empfänger die Mehrwertsteuer schuldet, an den folgende Umsätze bewirkt werden:

g)

Lieferung von Grundstücken, die vom Schuldner im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens verkauft werden.“

6

Art. 204 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„(1)   Ist der Steuerschuldner gemäß den Artikeln 193 bis 197 sowie 199 und 200 ein Steuerpflichtiger, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird, können die Mitgliedstaaten ihm gestatten, einen Steuervertreter zu bestellen, der die Steuer schuldet.

Wird der steuerpflichtige Umsatz von einem Steuerpflichtigen bewirkt, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird, und besteht mit dem Staat, in dem dieser Steuerpflichtige seinen Sitz oder eine feste Niederlassung hat, keine Rechtsvereinbarung über Amtshilfe, deren Anwendungsbereich mit dem der Richtlinie 76/308/EWG … sowie der Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 … vergleichbar ist, können die Mitgliedstaaten Vorkehrungen treffen, nach denen ein von dem nicht in ihrem Gebiet ansässigen Steuerpflichtigen bestellter Steuervertreter die Steuer schuldet.

Die Mitgliedstaaten dürfen die Option nach Unterabsatz 2 jedoch nicht auf nicht in der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige im Sinne des Artikels 358 Nummer 1 anwenden, die sich für die Anwendung der Sonderregelung für elektronisch erbrachte Dienstleistungen entschieden haben.

(2)   Die Wahlmöglichkeit nach Absatz 1 Unterabsatz 1 unterliegt den von den einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten Voraussetzungen und Modalitäten.“

7

Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„In den in den Artikeln 193 bis 200 sowie 202, 203 und 204 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten bestimmen, dass eine andere Person als der Steuerschuldner die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat.“

8

Art. 206 dieser Richtlinie sieht vor:

„Jeder Steuerpflichtige, der die Steuer schuldet, hat bei der Abgabe der Mehrwertsteuererklärung nach Artikel 250 den sich nach Abzug der Vorsteuer ergebenden Mehrwertsteuerbetrag zu entrichten. Die Mitgliedstaaten können jedoch einen anderen Termin für die Zahlung dieses Betrags festsetzen oder Vorauszahlungen erheben.“

9

Art. 250 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Jeder Steuerpflichtige hat eine Mehrwertsteuererklärung abzugeben, die alle für die Festsetzung des geschuldeten Steuerbetrags und der vorzunehmenden Vorsteuerabzüge erforderlichen Angaben enthält, gegebenenfalls einschließlich des Gesamtbetrags der für diese Steuer und Abzüge maßgeblichen Umsätze sowie des Betrags der steuerfreien Umsätze, soweit dies für die Feststellung der Steuerbemessungsgrundlage erforderlich ist.“

10

Art. 252 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Die Mehrwertsteuererklärung ist innerhalb eines von den einzelnen Mitgliedstaaten festzulegenden Zeitraums abzugeben. Dieser Zeitraum darf zwei Monate nach Ende jedes einzelnen Steuerzeitraums nicht überschreiten.“

11

Art. 273 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten können vorbehaltlich der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen bewirkten Inlandsumsätze und innergemeinschaftlichen Umsätze weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Formalitäten beim Grenzübertritt führen.

Die Möglichkeit nach Absatz 1 darf nicht dazu genutzt werden, zusätzlich zu den in Kapitel 3 genannten Pflichten weitere Pflichten in Bezug auf die Rechnungsstellung festzulegen.“

Polnisches Recht

Umsatzsteuergesetz

12

Art. 15 § 6 des Gesetzes über die Steuer auf Waren und Dienstleistungen (Ustawa o podatku od towarów i usług) vom 11. März 2004 (Dz. U. Nr. 54, Pos. 535, im Folgenden: Umsatzsteuergesetz) bestimmt:

„Nicht als steuerpflichtig gelten Organe der öffentlichen Verwaltung und ihnen unterstellte Behörden, soweit sie Aufgaben erfüllen, die in besonderen Rechtsvorschriften bestimmt sind und zu deren Erfüllung sie bestellt wurden, ausgenommen Handlungen, die aufgrund privatrechtlicher Verträge vorgenommen werden.“

13

Art. 18 dieses Gesetzes lautet:

„Die im Gesetz vom 17. Juni 1966 über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren genannten Vollstreckungsorgane sowie Gerichtsvollzieher, die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Sinne der Vorschriften der Zivilprozessordnung [(Kodeks postępowania cywilnego) vom 17. November 1964 (Dz. U. Nr 43, Pos. 296) in ihrer für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung, im Folgenden: Zivilprozessordnung] durchführen, sind mit der Zahlung der Steuer auf im Wege der Zwangsvollstreckung vorgenommene Lieferungen von Waren, die Eigentum des Schuldners sind oder sich unter Verletzung der geltenden Rechtsvorschriften in seinem Besitz befinden, beauftragt.“

Abgabenordnung

14

Art. 8 der Abgabenordnung (Ordynacja podatkowa) vom 29. August 1997 in ihrer für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung (Dz. U 2005, Nr. 8, Pos. 60) sieht vor:

„Als Zahlungsbeauftragter gilt eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine Organisationseinheit ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die aufgrund der Vorschriften des Steuerrechts verpflichtet ist, die Steuer zu ermitteln, beim Steuerpflichtigen zu erheben und innerhalb der festgelegten Frist an die Steuerbehörde zu entrichten.“

15

Art. 30 der Abgabenordnung bestimmt:

„§ 1   Der Zahlungsbeauftragte, der seine in Art. 8 festgelegten Pflichten nicht erfüllt hat, haftet für die nicht erhobene oder die erhobene, aber nicht entrichtete Steuer.

§ 3   Der Zahlungsbeauftragte oder der Einziehungsermächtigte haftet für die in den §§ 1 oder 2 genannten Forderungen mit seinem gesamten Vermögen.

§ 4   Stellt die Steuerbehörde im Laufe des Steuerverfahrens die in den §§ 1 oder 2 genannten Umstände fest, so erlässt sie einen Bescheid über die Steuerhaftung des Zahlungsbeauftragten oder des Einziehungsermächtigten, in dem sie die Höhe der Forderung für die nicht erhobene oder erhobene, aber nicht entrichtete Steuer festlegt.

…“

Zivilprozessordnung

16

Art. 808 § 1 der Zivilprozessordnung lautet:

„Unterliegt ein im Zwangsvollstreckungsverfahren hinterlegter Geldbetrag nicht der sofortigen Herausgabe, so ist er auf das Hinterlegungskonto des Gerichts einzuzahlen. …“

17

Art. 998 § 1 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„Nach der Rechtskrafterlangung des Zuschlags und der Erfüllung der Versteigerungsbedingungen durch den Käufer oder nach dem Beschluss über die Festlegung des Kaufpreises und der Einzahlung des gesamten Preises durch den Fiskus erlässt das Gericht einen Beschluss über die Zuerkennung des Eigentums.“

18

Art. 999 § 1 der Zivilprozessordnung sieht vor:

„Mit dem rechtskräftigen Beschluss über die Zuerkennung des Eigentums wird das Eigentum auf den Käufer übertragen; der Beschluss wird damit zur Grundlage für die Eintragung des Eigentums des Käufers in das Liegenschaftskataster sowie ins Grundbuch oder die Beifügung der Urkunde zu der Urkundensammlung. Der rechtskräftige Beschluss über die Zuerkennung des Eigentums gilt als Vollstreckungstitel zur Einsetzung des Erwerbers in den Besitz der Immobilie.“

19

Art. 1023 § 1 der Zivilprozessordnung lautet:

„Das Vollstreckungsorgan erstellt einen Plan zur Aufteilung des Erlöses aus der Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen unter den Gläubigern.“

20

Art. 1024 § 1 der Zivilprozessordnung lautet:

„Der Aufteilungsplan hat zu enthalten:

1.

den aufzuteilenden Erlös;

2.

die Forderungen und Ansprüche der an der Aufteilung Beteiligten;

3.

den jedem der an der Aufteilung Beteiligten zustehenden Betrag;

4.

die zu zahlenden Beträge und die auf dem Hinterlegungskonto des Gerichts verbleibenden Beträge unter Angabe der Gründe, die die Aussetzung ihrer Auszahlung rechtfertigen.

…“

21

Art. 1035 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„Unverzüglich nach der Hinterlegung des aufzuteilenden Erlöses bei Gericht erstellt der Gerichtsvollzieher einen Entwurf des Plans zur Aufteilung des Vollstreckungserlöses und legt ihn dem Gericht vor. Erforderlichenfalls nimmt das Gericht Änderungen oder Ergänzungen des Plans vor; andernfalls billigt es ihn.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

22

Herr Macikowski ist Gerichtsvollzieher beim Sąd Rejonowy w Chojnicach (Bezirksgericht Chojnice).

23

Auf Antrag eines Gläubigers führte er ein Vollstreckungsverfahren gegen die mehrwertsteuerpflichtige Royal sp. z o.o. (im Folgenden: Royal) durch.

24

Im Rahmen dieses Verfahrens beschlagnahmte er ein Royal gehörendes Grundstück.

25

Die Zwangsversteigerung des Grundstücks fand am 16. Februar 2007 statt. Mit Beschluss vom 22. März 2007, der am 22. August 2007 rechtskräftig wurde, erkannte der Sąd Rejonowy w Chojnicach das Eigentum an diesem Grundstück den Eheleuten Babinski zum Zuschlagspreis von 1424201 polnischen Zloty (PLN) zu. Die Erwerber zahlten den gesamten Betrag auf das Konto des Gerichts ein.

26

Herr Macikowski erstellte mit Beschluss vom 27. Oktober 2008 einen Plan für die Aufteilung des Erlöses, in dem er u. a. einen Mehrwertsteuerbetrag von 256823,13 PLN zur Einzahlung auf das Konto des Finanzamts Chojnice auswies.

27

Am 26. Januar 2009 beantragte Herr Macikowski beim Sąd Rejonowy w Chojnicach, den Betrag von 256823,13 PLN auf sein Konto zu zahlen, damit er als Zahlungsbeauftragter die aufgrund der Übertragung des Eigentums an dem versteigerten Grundstück von Royal geschuldete Mehrwertsteuer entrichten könne.

28

Nachdem der Teilungsplan Bestandskraft erlangt hatte, zahlte der Sąd Rejonowy w Chojnicach den genannten Betrag auf das Konto von Herrn Macikowski ein. Dieser stellte daher am 31. August 2009 eine Mehrwertsteuerrechnung über den Verkauf des Grundstücks aus und informierte die Steuerbehörde am 2. September 2009 über die Zahlung der Steuer.

29

Mit der Begründung, Herr Macikowski habe die für den Verkauf des Grundstücks von Royal geschuldete Steuer zwar erhoben, aber nicht fristgemäß entrichtet, machte ihn der Leiter des Finanzamts Chojnice u. a. gemäß Art. 18 des Umsatzsteuergesetzes in Verbindung mit den Art. 8 und 30 §§ 1, 3 und 4 der Abgabenordnung als den zur Zahlung der Mehrwertsteuer in Höhe von 256823,13 PLN Verpflichteten haftbar. Nach Auffassung des Finanzamts Chojnice hätte Herr Macikowski bei der Durchführung des Vollstreckungsverfahrens im November 2007 im Namen des Schuldners, d. h. im Namen von Royal, für den Verkauf des Grundstücks dieser Gesellschaft eine Mehrwertsteuerrechnung über einen Bruttobetrag von 1424201 PLN einschließlich einer Steuer von 256823,13 PLN erstellen und diese Steuer bis zum 25. Dezember 2007 auf das Konto der zuständigen Steuerverwaltung einzahlen müssen.

30

Mit Urteil vom 10. Oktober 2011 wies der Wojewódzki Sąd Administracyjny w Gdańsku (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Danzig) die Klage von Herrn Macikowski gegen die Entscheidung vom 23. November 2009 ab, mit der der Dyrektor Izby Skarbowej w Gdańsku den Zahlungsbeauftragten wegen nicht fristgemäßer Zahlung der Mehrwertsteuer, die auf den Verkauf des Grundstücks von Royal im Wege der Zwangsvollstreckung entfallen war, haftbar gemacht hatte. Das Gericht führte in seiner Begründung aus, dass es in dieser Sache durch die Auslegung des Naczelny Sąd Administracyjny (Oberster Verwaltungsgerichtshof) gebunden sei, der die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage gestellt und befunden habe, dass es Herr Macikowski rechtlich möglich gewesen sei, seine Verpflichtungen nach Art. 18 des Umsatzsteuergesetzes zu erfüllen.

31

Herr Macikowski legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim Naczelny Sąd Administracyjny ein. In der Kassationsbegründung rügt er, dass das Urteil Art. 18 des Umsatzsteuergesetzes verkenne, indem die für das Mehrwertsteuersystem geltenden unionsrechtlichen Vorschriften, d. h. die Vorschriften der Mehrwertsteuerrichtlinie, nicht berücksichtigt würden.

32

Unter diesen Umständen hält der Naczelny Sąd Administracyjny für die Entscheidung über die Kassationsbeschwerde die Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften für erforderlich und hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist im Licht des Mehrwertsteuersystems, das auf der Mehrwertsteuerrichtlinie beruht, insbesondere im Hinblick auf die Art. 9 und 193 in Verbindung mit Art. 199 Abs. 1 Buchst. g eine Vorschrift des innerstaatlichen Rechts wie Art. 18 des Umsatzsteuergesetzes zulässig, die vor allem in Bezug auf die Rechtssubjekte, die zur Ermittlung und Erhebung der Steuer verpflichtet sind, Ausnahmen von den allgemeinen mehrwertsteuerrechtlichen Grundsätzen einführt, indem sie das Institut des Zahlungsbeauftragten schafft, d. h. eines Rechtssubjekts, das verpflichtet ist, für den Steuerpflichtigen die Höhe der Steuer zu ermitteln, sie bei dem Steuerpflichtigen zu erheben und fristgerecht an die Steuerbehörde zu entrichten?

2.

Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:

a)

Ist im Licht des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als allgemeinem Grundsatz des Unionsrechts eine Vorschrift des innerstaatlichen Rechts wie Art. 18 des Umsatzsteuergesetzes zulässig, wonach u. a. die Steuer auf im Wege der Zwangsvollstreckung vorgenommene Lieferungen von Grundstücken, die Eigentum des Schuldners sind oder sich unter Verletzung der geltenden Vorschriften in seinem Besitz befinden, von dem mit der Durchführung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen betrauten Gerichtsvollzieher ermittelt, erhoben und entrichtet werden, der als Zahlungsbeauftragter für die Nichterfüllung dieser Pflicht haftet?

b)

Ist im Licht der Art. 206, 250 und 252 der Mehrwertsteuerrichtlinie und des sich aus ihr ergebenden Neutralitätsgrundsatzes eine Vorschrift des innerstaatlichen Rechts wie Art. 18 des Umsatzsteuergesetzes zulässig, die dazu führt, dass der in dieser Vorschrift genannte Zahlungsbeauftragte verpflichtet wird, die Mehrwertsteuer auf im Wege der Zwangsvollstreckung vorgenommene Lieferungen von Waren, die Eigentum des Steuerpflichtigen sind oder sich unter Verletzung der geltenden Vorschriften in seinem Besitz befinden, zu ermitteln, zu erheben und zu entrichten, und zwar innerhalb des für den Steuerpflichtigen geltenden Steuerzeitraums in Höhe des Betrags, der das Produkt des aus dem Verkauf der Ware erzielten Erlöses, verringert um die Mehrwertsteuer, und dem entsprechenden Steuersatz darstellt, ohne von diesem Betrag den Betrag der ab Beginn des Steuerzeitraums bis zum Datum der Einziehung der Steuer von dem Steuerpflichtigen angefallenen Vorsteuer abzuziehen?

Zu den Vorlagefragen

Zu Frage 1

33

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 9, 193 und 199 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer Vorschrift des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die im Rahmen des Verkaufs eines Grundstücks im Wege der Zwangsvollstreckung einem Rechtssubjekt, und zwar dem Gerichtsvollzieher, der diesen Verkauf durchgeführt hat, die Verpflichtung auferlegt, die auf den Erlös aus diesem Umsatz geschuldete Mehrwertsteuer fristgemäß zu ermitteln, zu erheben und zu zahlen.

34

Für die Beantwortung dieser Frage ist zum einen festzustellen, dass Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie zur Sicherstellung der genauen Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen die Mitgliedstaaten ermächtigt, im Fall der Lieferung von Grundstücken, die vom Schuldner im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens verkauft werden, vorzusehen, dass der Empfänger des Grundstücks, vorausgesetzt, er ist steuerpflichtig, die Mehrwertsteuer schuldet.

35

Zum anderen ergibt sich aus Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass die Mitgliedstaaten weitere Pflichten vorsehen können, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern.

36

Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Art. 90 Abs. 1 und Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie den Mitgliedstaaten ein Ermessen einräumen, da sie außer den von ihnen festgelegten Grenzen weder die Bedingungen noch die Pflichten angeben, die die Mitgliedstaaten vorsehen können (vgl. Urteil Kraft Foods Polska, C‑588/10, EU:C:2012:40, Rn. 23).

37

Die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten nach Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie erlassen dürfen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, dürfen jedoch nicht über das zur Erreichung dieser Ziele Erforderliche hinausgehen und die Neutralität der Mehrwertsteuer nicht in Frage stellen (vgl. Urteile Nidera Handelscompagnie, C‑385/09, EU:C:2010:627, Rn. 49, und Klub, C‑153/11, EU:C:2012:163, Rn. 50).

38

Im vorliegenden Fall geht erstens aus den Erklärungen der polnischen Regierung hervor, dass mit dem System einer Mittelsperson, das durch die im Ausgangsverfahren streitige nationale Regelung eingeführt worden ist, wonach dem Gerichtsvollzieher die Ermittlung, die Erhebung und die Zahlung der Mehrwertsteuer obliegt, die auf den Erlös aus einem Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung geschuldet wird, vermieden werden soll, dass der Steuerpflichtige aufgrund seiner finanziellen Lage gegen seine steuerliche Pflicht zur Zahlung der Mehrwertsteuer verstößt.

39

Eine derartige Regelung kann daher unter Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen, soweit die Republik Polen eine solche Maßnahme für erforderlich erachtet, um die genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sicherzustellen.

40

Zweitens steht einer solchen Regelung weder Art. 193 noch Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie entgegen.

41

Auch wenn nämlich diese Vorschriften im Wesentlichen vorsehen, dass die Steuer nur von dem Steuerpflichtigen, der eine steuerpflichtige Lieferung von Gegenständen bewirkt, oder unter bestimmten Umständen vom Erwerber eines Grundstücks geschuldet werden kann, fällt doch die Aufgabe des Gerichtsvollziehers als Mittelsperson, der die Erhebung dieser Steuer obliegt, nicht unter diese Vorschriften.

42

So beschreibt Art. 18 des Umsatzsteuergesetzes die Aufgabe des Gerichtsvollziehers, der einen Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung durchführt, als die einer Mittelsperson, die sich darauf beschränkt, sicherzustellen, dass die Steuer erhoben und fristgemäß im Namen des Steuerpflichtigen, von dem sie geschuldet wird, an die Steuerverwaltung entrichtet wird. In dieser Situation hat die Verpflichtung des Gerichtsvollziehers daher nicht den Charakter einer Steuerpflicht, denn diese obliegt weiterhin dem Steuerpflichtigen.

43

Mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe greift der Gerichtsvollzieher zum einen nicht in Befugnisse oder Verpflichtungen des Steuerpflichtigen ein, sondern beschränkt sich darauf, dafür Sorge zu tragen, dass die Mehrwertsteuer, die auf einen bestimmten Umsatz entfällt, an die Steuerverwaltung entrichtet wird.

44

Zum anderen hat der Gerichtsvollzieher nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung die Mehrwertsteuer nicht gesamtschuldnerisch mit dem Steuerpflichtigen zu zahlen. Er ist auch kein Steuervertreter des Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 204 der Mehrwertsteuerrichtlinie.

45

Nach alledem sind die Art. 9, 193 und 199 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass sie einer Vorschrift des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, die im Rahmen des Verkaufs eines Grundstücks im Wege der Zwangsvollstreckung einem Rechtssubjekt, und zwar dem Gerichtsvollzieher, der diesen Verkauf durchgeführt hat, die Verpflichtung auferlegt, die auf den Erlös aus diesem Umsatz geschuldete Mehrwertsteuer fristgemäß zu ermitteln, zu erheben und zu zahlen.

Zu Frage 2 a

46

Mit seiner Frage 2 a möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach ein Gerichtsvollzieher für den Betrag der Mehrwertsteuerschuld für den Verkauf eines Grundstücks im Wege der Zwangsvollstreckung in dem Fall, dass er seine Verpflichtung zur Erhebung und Entrichtung dieser Steuer nicht erfüllt, mit seinem gesamten Vermögen haftet.

47

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind und von den Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Unionsrichtlinien einräumen, beachtet werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile Schloßstrasse, C‑396/98, EU:C:2000:303, Rn. 44, und „Goed Wonen“, C‑376/02, EU:C:2005:251, Rn. 32).

48

Was insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betrifft, ist es zwar legitim, dass die von den Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Vorschriften der Mehrwertsteuerrichtlinie erlassenen Maßnahmen darauf abzielen, die Ansprüche des Fiskus möglichst wirksam zu schützen; sie dürfen jedoch nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Molenheide u. a., C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96, EU:C:1997:623, Rn. 47, sowie Federation of Technological Industries u. a., C‑384/04, EU:C:2006:309, Rn. 30).

49

Insbesondere kann eine Regelung, die einen Gerichtsvollzieher für ein Verhalten verantwortlich macht, das ihm nicht persönlich zurechenbar ist, nicht als verhältnismäßig angesehen werden.

50

Dieser Gerichtsvollzieher sollte über die rechtlichen Mittel verfügen, um seine Aufgabe zu erfüllen, ohne dass die Auslösung seiner Haftung von Gesichtspunkten abhängt, auf die er keinen Einfluss hat, einschließlich Dritten zuzurechnender Handlungen oder Unterlassungen

51

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, im Rahmen der in Art. 267 AEUV vorgesehenen justiziellen Zusammenarbeit über die Auslegung nationaler Vorschriften zu befinden oder zu entscheiden, ob deren Auslegung durch das vorlegende Gericht richtig ist. Der Gerichtshof hat nämlich im Rahmen der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen ihm und den nationalen Gerichten in Bezug auf den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die Vorabentscheidungsfragen einfügen, von den Feststellungen in der Vorlageentscheidung auszugehen (Urteile Fundación Gala-Salvador Dalí und VEGAP, C‑518/08, EU:C:2010:191, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Logstor ROR Polska, C‑212/10, EU:C:2011:404, Rn. 30).

52

Es ist somit Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Gerichtsvollzieher über die rechtlichen Mittel verfügen, um die Verpflichtung zur Erhebung und Zahlung der für den Verkauf eines Gegenstands im Wege der Zwangsvollstreckung geschuldeten Mehrwertsteuer fristgemäß zu erfüllen, soweit sie ihre Verpflichtungen korrekt und rechtmäßig erfüllen.

53

Daher ist auf die Frage 2 a zu antworten, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, wonach ein Gerichtsvollzieher für den Betrag der Mehrwertsteuerschuld auf den Erlös aus dem Verkauf eines Grundstücks im Wege der Zwangsvollstreckung in dem Fall, dass er seine Verpflichtung zur Erhebung und Entrichtung dieser Steuer nicht erfüllt, mit seinem gesamten Vermögen haftet, vorausgesetzt, der Gerichtsvollzieher verfügt tatsächlich über die rechtlichen Mittel, um diese Verpflichtung zu erfüllen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Zu Frage 2 b

54

Mit der Frage 2 b möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 206, 250 und 252 der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie der Grundsatz der Steuerneutralität dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach der von dieser Vorschrift bestimmte Zahlungsbeauftragte verpflichtet ist, den Betrag der Mehrwertsteuer, der für den im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgten Verkauf von Waren geschuldet wird, zu ermitteln, zu erheben und zu entrichten, ohne die vom Lieferer seit Beginn des Steuerzeitraums bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Steuer beim Steuerpflichtigen entrichtete Vorsteuer abziehen zu können.

55

Nach ständiger Rechtsprechung ist das in den Art. 167 ff. der Mehrwertsteuerrichtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mehrwertsteuersystems und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Dieses Recht kann für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden (vgl. u. a. Urteile Gabalfrisa u. a., C‑110/98 bis C‑147/98, EU:C:2000:145, Rn. 43, Kittel und Recolta Recycling, C‑439/04 und C‑440/04, EU:C:2006:446, Rn. 47, Mahagében und Dávid, C‑80/11 und C‑142/11, EU:C:2012:373, Rn. 38, sowie Gran Via Moineşti, C‑257/11, EU:C:2012:759, Rn. 21).

56

Darüber hinaus ergibt sich aus den Art. 206 und 250 der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass der an den Fiskus entrichtete Mehrwertsteuerbetrag ein Nettobetrag sein muss, d. h. ein Betrag, der die vorzunehmenden Abzüge berücksichtigt, und dass alle Abzüge in dem Steuerzeitraum, in dem sie entstanden sind, vorgenommen werden müssen.

57

Im Ausgangsverfahren hat der steuerpflichtige Eigentümer der vom Gerichtsvollzieher versteigerten Gegenstände, nicht aber der Zahlungsbeauftragte, eine Mehrwertsteuererklärung abzugeben, die dem Verkauf seiner Gegenstände Rechnung trägt. Zudem steht das Recht zum Abzug der entrichteten Vorsteuer von der Mehrwertsteuerschuld für diesen Umsatz dem Steuerpflichtigen und nicht dem Zahlungsbeauftragten zu. Dieser Abzug bezieht sich auf den Steuerzeitraum, in dem der Umsatz stattgefunden hat.

58

Wenn der Zahlungsbeauftragte die für diesen Umsatz geschuldete Mehrwertsteuer nach Abgabe der Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen entrichtet, kann eine solche Situation gemäß Art. 206 Satz 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie gerechtfertigt sein, der den Mitgliedstaaten die Erhebung von Vorauszahlungen erlaubt.

59

Im Fall des von Art. 18 des Umsatzsteuergesetzes eingeführten Verfahrens verfügt der Lieferer nicht über den Mehrwertsteuerbetrag, der für einen im Wege der Zwangsvollstreckung durchgeführten Umsatz geschuldet wird. Aus diesem Grund kann er diesen Betrag nicht verwenden, um die entrichtete Vorsteuer abzuziehen, er behält aber den Anspruch auf Vorsteuerabzug. Wenn daher die von dem steuerpflichtigen Eigentümer der versteigerten Gegenstände aufgrund von Umsätzen in dem betreffenden Steuerzeitraum entrichtete Vorsteuer, zu deren Abzug er berechtigt ist, höher ist als die aufgrund des Verkaufs dieser Gegenstände geschuldete Mehrwertsteuer, kann der Steuerpflichtige von der Steuerverwaltung möglicherweise die Erstattung eines zu viel erhobenen Betrags erhalten.

60

Es ist daher festzustellen, dass eine solche Regelung den Vorschriften der Mehrwertsteuerrichtlinie entspricht und dass sie insbesondere nicht gegen die Art. 250 und 252 dieser Richtlinie verstößt.

61

Daher ist auf die Frage 2 b zu antworten, dass die Art. 206, 250 und 252 der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie der Grundsatz der Steuerneutralität dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, wonach der von dieser Vorschrift bestimmte Zahlungsbeauftragte verpflichtet ist, den Betrag der Mehrwertsteuer, der für den im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgten Verkauf von Waren geschuldet wird, zu ermitteln, zu erheben und zu entrichten, ohne die seit Beginn des Steuerzeitraums bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Steuer beim Steuerpflichtigen entrichtete Vorsteuer abziehen zu können.

Kosten

62

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Die Art. 9, 193 und 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie einer Vorschrift des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, die im Rahmen des Verkaufs eines Grundstücks im Wege der Zwangsvollstreckung einem Rechtssubjekt, und zwar dem Gerichtsvollzieher, der diesen Verkauf durchgeführt hat, die Verpflichtung auferlegt, die auf den Erlös aus diesem Umsatz geschuldete Mehrwertsteuer fristgemäß zu ermitteln, zu erheben und zu zahlen.

 

2.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, wonach ein Gerichtsvollzieher für den Betrag der Mehrwertsteuerschuld auf den Erlös aus dem Verkauf eines Grundstücks im Wege der Zwangsvollstreckung in dem Fall, dass er seine Verpflichtung zur Erhebung und Entrichtung dieser Steuer nicht erfüllt, mit seinem gesamten Vermögen haftet, vorausgesetzt, der Gerichtsvollzieher verfügt tatsächlich über die rechtlichen Mittel, um diese Verpflichtung zu erfüllen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

 

3.

Die Art. 206, 250 und 252 der Richtlinie 2006/112 sowie der Grundsatz der Steuerneutralität sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, wonach der von dieser Vorschrift bestimmte Zahlungsbeauftragte verpflichtet ist, den Betrag der Mehrwertsteuer, der für den im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgten Verkauf von Waren geschuldet wird, zu ermitteln, zu erheben und zu entrichten, ohne die seit Beginn des Steuerzeitraums bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Steuer beim Steuerpflichtigen entrichtete Vorsteuer abziehen zu können.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Polnisch.