URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

12. Dezember 2013 ( *1 )

„Humanarzneimittel — Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel — Verordnung (EG) Nr. 469/2009 — Art. 3 — Bedingungen für die Erteilung des Zertifikats — Begriff ‚durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschütztes Erzeugnis‘ — Kriterien — Wortlaut der Ansprüche des Grundpatents — Genauigkeit und Spezifizität — Funktionelle Definition eines Wirkstoffs — Strukturelle Definition eines Wirkstoffs — Europäisches Patentübereinkommen“

In der Rechtssache C‑493/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Patents Court) (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 24. Oktober 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 5. November 2012, in dem Verfahren

Eli Lilly and Company Ltd

gegen

Human Genome Sciences Inc.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh sowie der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Eli Lilly and Company Ltd, vertreten durch A. Waugh, QC, T. Mitcheson, Barrister, und M. Hodgson, Solicitor,

der Human Genome Sciences Inc., vertreten durch M. Tappin, QC, sowie J. Antcliff und P. Gilbert, lawyers,

der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Beeko als Bevollmächtigte im Beistand von C. May, Barrister,

der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und S. Menez als Bevollmächtigte,

der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kalniņš und I. Ņesterova als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch F. W. Bulst und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. L 152, S. 1).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Eli Lilly and Company Ltd (im Folgenden: Eli Lilly) und der Human Genome Sciences Inc. (im Folgenden: HGS), der HGS daran hindern soll, ein ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel (im Folgenden: ESZ) auf der Grundlage des Grundpatents, dessen Inhaberin HGS ist, und einer Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt zu bekommen, die Eli Lilly in Kürze für den Vertrieb eines Arzneimittels mit einem von ihr entwickelten und getesteten Antikörper beantragen oder sogar erteilt bekommen wird.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Die Erwägungsgründe 4 und 5 sowie 9 und 10 der Verordnung Nr. 469/2009 lauten:

„(4)

Derzeit wird durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Arzneimittel und der Genehmigung für das Inverkehrbringen desselben Arzneimittels der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend ist.

(5)

Diese Tatsache führt zu einem unzureichenden Schutz, der nachteilige Auswirkungen auf die pharmazeutische Forschung hat.

(9)

Die Dauer des durch das Zertifikat gewährten Schutzes sollte so festgelegt werden, dass dadurch ein ausreichender tatsächlicher Schutz erreicht wird. Hierzu müssen demjenigen, der gleichzeitig Inhaber eines Patents und eines Zertifikats ist, insgesamt höchstens fünfzehn Jahre Ausschließlichkeit ab der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Arzneimittels in der Gemeinschaft eingeräumt werden.

(10)

In einem so komplexen und empfindlichen Bereich wie dem pharmazeutischen Sektor sollten jedoch alle auf dem Spiel stehenden Interessen einschließlich der Volksgesundheit berücksichtigt werden. Deshalb kann das Zertifikat nicht für mehr als fünf Jahre erteilt werden. Der von ihm gewährte Schutz sollte im Übrigen streng auf das Erzeugnis beschränkt sein, für das die Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel erteilt wurde.“

4

Art. 1 („Definitionen“) dieser Verordnung besagt:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a)

‚Arzneimittel‘ einen Stoff oder eine Stoffzusammensetzung, der (die) als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher … Krankheiten bezeichnet wird, …;

b)

‚Erzeugnis‘ den Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Arzneimittels;

c)

‚Grundpatent‘ ein Patent, das ein Erzeugnis als solches, ein Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisses oder eine Verwendung eines Erzeugnisses schützt und das von seinem Inhaber für das Verfahren zur Erteilung eines Zertifikats bestimmt ist;

d)

‚Zertifikat‘ das [ESZ];

…“

5

Art. 3 („Bedingungen für die Erteilung des Zertifikats“) dieser Verordnung sieht vor:

„Das Zertifikat wird erteilt, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem die Anmeldung nach Artikel 7 eingereicht wird, zum Zeitpunkt dieser Anmeldung

a)

das Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist;

b)

für das Erzeugnis als Arzneimittel eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß der Richtlinie 2001/83/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67)] … erteilt wurde;

c)

für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde;

d)

die unter Buchstabe b erwähnte Genehmigung die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Arzneimittel ist.“

Europäisches Patentübereinkommen

6

Art. 69 („Schutzbereich“) des am 5. Oktober 1973 in München unterzeichneten Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: EPÜ) sieht vor:

„(1)   Der Schutzbereich des europäischen Patents und der europäischen Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

(2)   Für den Zeitraum bis zur Erteilung des europäischen Patents wird der Schutzbereich der europäischen Patentanmeldung durch die in der veröffentlichten Anmeldung enthaltenen Patentansprüche bestimmt. Jedoch bestimmt das europäische Patent in seiner erteilten oder im Einspruchs-, Beschränkungs- oder Nichtigkeitsverfahren geänderten Fassung rückwirkend den Schutzbereich der Anmeldung, soweit deren Schutzbereich nicht erweitert wird.“

7

Art. 1 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 des Europäischen Patentübereinkommens, das nach dessen Art. 164 Abs. 1 Bestandteil des Übereinkommens ist, lautet:

„Artikel 69 ist nicht in der Weise auszulegen, dass unter dem Schutzbereich des europäischen Patents der Schutzbereich zu verstehen ist, der sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergibt, und dass die Beschreibung sowie die Zeichnungen nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen anzuwenden sind. Ebenso wenig ist Artikel 69 dahingehend auszulegen, dass die Patentansprüche lediglich als Richtlinie dienen und der Schutzbereich sich auch auf das erstreckt, was sich dem Fachmann nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt. Die Auslegung soll vielmehr zwischen diesen extremen Auffassungen liegen und einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbinden.“

8

Art. 83 EPÜ bestimmt:

„Die Erfindung ist in der europäischen Patentanmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann.“

9

Art. 84 EPÜ sieht vor, dass „[d]ie Patentansprüche … den Gegenstand angeben [müssen], für den Schutz begehrt wird. Sie müssen deutlich und knapp gefasst sein und von der Beschreibung gestützt werden.“

Recht des Vereinigten Königreichs

10

In Section 60 des Patentgesetzes des Vereinigten Königreichs von 1977 (UK Patents Act 1977), die die „Definition der Patentverletzung“ betrifft, heißt es:

„(1)

Vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Section verletzt eine Person ein für eine Erfindung erteiltes Patent, wenn sie, während das Patent in Kraft ist, im Vereinigten Königreich ohne Zustimmung des Patentinhabers eine der folgenden Handlungen in Bezug auf die Erfindung vornimmt:

a)

wenn die Erfindung ein Erzeugnis ist, dieses Erzeugnis herstellt, überträgt, anbietet, es zu übertragen, es gebraucht oder einführt oder es zum Zweck der Übertragung oder zu anderen Zwecken besitzt;

(2)

Vorbehaltlich der nachstehenden Bestimmungen dieser Section verletzt eine Person (die nicht der Patentinhaber ist) ein Patent für eine Erfindung auch dann, wenn sie, während das Patent in Kraft ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers jemandem, der weder Lizenzinhaber noch sonst zur Nutzung der Erfindung berechtigt ist, im Vereinigten Königreich Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung liefert oder anbietet, obwohl sie weiß oder es für eine vernünftige Person nach den Umständen offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung im Vereinigten Königreich verwendet zu werden.“

11

Die anderen einschlägigen Bestimmungen des Patentgesetzes des Vereinigten Königreichs von 1977 sehen vor:

„Section 125 – Erfindungsumfang

(1)

Eine Erfindung im Sinne dieses Gesetzes, für die ein Patent angemeldet oder erteilt wurde, wird, soweit nichts anderes bestimmt ist, durch die Patentansprüche in der Patentanmeldung oder Patentschrift in der Auslegung durch die Beschreibung und etwaige Zeichnungen bestimmt, die in der Patentanmeldung oder Patentschrift enthalten sind; der Schutzumfang des Patents oder der Patentanmeldung wird entsprechend bestimmt.

(3)

Das Protokoll über die Auslegung des Art. 69 des Europäischen Patentübereinkommens (der eine Subsection 1 entsprechende Bestimmung enthält) ist, solange es gilt, auf Subsection 1 so anzuwenden wie auf Art. 69 des Übereinkommens.

Section 130 – Auslegung

(7)

Da sich die Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft kraft einer bei Unterzeichnung des Europäischen Patentübereinkommens angenommenen Resolution verpflichtet haben, ihre Patentvorschriften so anzupassen, dass sie (unter anderem) mit den entsprechenden Bestimmungen des Europäischen Patentübereinkommens, des Gemeinschaftspatentübereinkommens und des Patentzusammenarbeitsvertrags in Einklang gebracht werden, wird hiermit erklärt, dass mit den folgenden Bestimmungen dieses Gesetzes, nämlich Sections 1, Subsections 1) bis 4), 2 bis 6, 14, Subsections 3), 5) und 6), 37, Subsection 5), 54, 60, 69, 72, Subsections 1) und 2), 74, Subsection 4), 82, 83, 100 und 125, das Ziel verfolgt wird, in der Praxis im Vereinigten Königreich so weit wie möglich dieselben Rechtswirkungen zu haben, wie sie die entsprechenden Bestimmungen des Europäischen Patentübereinkommens, des Gemeinschaftspatentübereinkommens und des Patentzusammenarbeitsvertrags in den Hoheitsgebieten entfalten, in denen diese Übereinkommen gelten.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12

HGS ist Inhaberin des europäischen Patents (UK) Nr. EP 0 939 804 (im Folgenden: Patent von HGS), das am 25. Oktober 1996 angemeldet und am 17. August 2005 vom Europäischen Patentamt (EPA) ausgestellt wurde und am 25. Oktober 2016 erlöschen wird. Dieses Patent betrifft die Entdeckung eines neuen Proteins, im konkreten Fall Neutrokin alpha (α). Dieses Patent gibt u. a. dieses Protein an und beansprucht es. Aus den Ansprüchen dieses Patents geht hervor, dass es auch die Antikörper umfasst, die spezifisch dieses Protein binden. Neutrokin α wirkt als interzellulärer Mediator bei Entzündungs- und Immunreaktionen, so dass ein Überschuss oder ein Mangel dieses Proteins mit Erkrankungen des Immunsystems in Verbindung gebracht wird. Daher können Antikörper, die spezifisch dieses Protein binden, dessen Aktivität hemmen und bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen nützlich sein.

13

Die Ansprüche 13, 14 und 18 des Patents von HGS lauten folgendermaßen:

„13.

Ein isolierter Antikörper oder ein Teil davon, der spezifisch

a)

ein vollständiges Neutrokin-α-Polypeptid (Aminosäuresequenz der Abschnitte 1 bis 285 der SEQ ID NO: 2) oder

b)

die extrazelluläre Domäne des Neutrokin-α-Polypeptids (Aminosäuresequenz der Abschnitte 73 bis 285 der SEQ ID NO: 2)

bindet.

14.

Der Antikörper oder der Teil davon des Anspruches 13, der aus einer Gruppe gewählt wird, die sich zusammensetzt aus:

a)

einem monoklonalen Antikörper;

18.

Eine pharmazeutische Zusammensetzung, die … den Antikörper oder einen Teil davon der Ansprüche 13 bis 17 und optional einen pharmazeutischen Trägerstoff enthält.“

14

Eli Lilly möchte eine pharmazeutische Zusammensetzung in den Verkehr bringen, die zur Behandlung einer Autoimmunkrankheit verwendet werden könnte. Diese Zusammensetzung enthalte als Wirkstoff einen Antikörper, der spezifisch Neutrokin-α binde und den sie als LY2127399 (nunmehr bekannt unter dem Namen Tabalumab) bezeichnet. Dem vorlegenden Gericht zufolge erkennt Eli Lilly an, dass der Antikörper LY2127399, falls sie diese Zusammensetzung vor dem Erlöschen des Patents von HGS in den Verkehr brächte, Anspruch 13 dieses Patents verletzen würde.

15

Das vorlegende Gericht leitet daraus ab, dass der Antikörper LY2127399 als isolierter Antikörper oder Teil davon, der spezifisch ein Neutrokin-α-Polypeptid bindet, der Definition des Anspruchs 13 des Patents von HGS entspricht. Jede pharmazeutische Zusammensetzung, die LY2127399 enthält, wäre somit eine pharmazeutische Zusammensetzung, die Anspruch 18 dieses Patents entspricht, und somit von diesem Patentanspruch geschützt.

16

Eli Lilly erhob vor dem vorlegenden Gericht Klage, um eine Ungültigerklärung jedes ESZ zu erreichen, das im Patent von HGS seine Rechtsgrundlage hat und auf einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines LY2127399-haltigen Arzneimittels beruht. Sie macht hierzu geltend, dass dieser Antikörper von keinem „Grundpatent“ im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 469/2009 geschützt sei, da Anspruch 13 des Patents von HGS zu weit gefasst sei, als dass von diesem Antikörper angenommen werden könnte, dass er im Sinne des Urteils vom 24. November 2011, Medeva (C-322/10, Slg. 2011, I-12051), im Wortlaut der Ansprüche dieses Patents genannt werde. Denn dieser Anspruch, der auf einen „isolierte[n] Antikörper oder einen Teil davon, der … ein vollständiges Neutrokin‑α‑Polypeptid … oder die extrazelluläre Domäne des Neutrokin‑α‑Polypeptids … bindet“, abstelle, enthalte keine Beschreibung des betreffenden Antikörpers, insbesondere nicht hinsichtlich einer bestimmten primären Antikörpersequenz, und liefere keine funktionellen Informationen dazu, an welche Epitope des Neutrokin α sich der Antikörper binden oder welche neutralisierende Aktivität er ausüben soll.

17

Nach Ansicht von Eli Lilly hätte somit das Patent von HGS eine strukturelle Definition von Wirkstoffen enthalten müssen, und die Ansprüche hätten wesentlich detaillierter sein müssen, damit das Patent als Grundlage für die Erteilung eines ESZ dienen könne.

18

Anspruch 13 des Patents von HGS verwende zwar eine weitläufige Formulierung, unter die zahlreiche Antikörper fielen. HGS habe aber bei anderen Patentanmeldungen für Antikörper, die Neutrokin α bänden, spezifischer und genauer gefasste Ansprüche geltend gemacht, die einen Antikörper mittels dessen primärer Aminosäuresequenz eindeutig beschrieben. So beanspruche das am 15. Juni 2001 angemeldete europäische Patent Nr. 1 294 769, auf das sich HGS für ihre ESZ-Anmeldung vom10. Januar 2012 zum Schutz des Erzeugnisses BENLYSTA (Belimumab) gestützt habe, für das am 13. Juli 2011 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen der Europäischen Union erteilt worden sei, einen Antikörper auf der Grundlage der Aminosäuresequenz der variablen schweren Kette und der variablen leichten Kette des monoklonalen Antikörpers des Neutrokin α. Außerdem würden in den Teilpatenten Nrn. 10165 182.2 und 10185 178.0 des Europäischen Patents Nr. 1 294 769 auch solche spezifischen Ansprüche verwendet.

19

In dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Patent von HGS werde der Antikörper hingegen funktionell und nicht strukturell definiert, so dass unter diese Definition eine unbekannte Anzahl sonst nicht näher bestimmter Antikörper falle. Dies sei die weiteste Art und Weise, einen Anspruch für einen Antikörper zu formulieren. Außerdem sei in dieser Patentschrift weder ein Beispiel für die Herstellung eines Antikörpers noch ein Laborversuch zu einem solchen Antikörper zu finden. Schließlich enthalte dieses Patent auch keine strukturelle Beschreibung von Antikörpern, die als therapeutische Antikörper wirken könnten.

20

Zu ihrer Verteidigung macht HGS geltend, dass ein ESZ auf der Grundlage ihres Grundpatents und einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines LY2127399-haltigen Medikaments erteilt werden könne. Ihr Patent sei sowohl von der Beschwerdekammer des EPA in ihrer Entscheidung T‑18/09 vom 21. Oktober 2009 als auch von den Gerichten des Vereinigten Königreichs, konkret vom Supreme Court mit einem Urteil vom 2. November 2011 sowie vom Court of Appeal mit einem Urteil vom 5. September 2012, für gültig erklärt worden. Diese Gerichte hätten insbesondere die Auffassung vertreten, dass die Ansprüche dieses Patents neu seien, auf erfinderischer Tätigkeit beruhten, gewerblich anwendbar und in dem Sinne ausreichend seien, als das Patent von HGS die beanspruchten Erfindungen so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

21

Nach Ansicht von HGS verwendet dieses Patent eine übliche Formulierung für Ansprüche, die das EPA für gewöhnlich bei Patenten für neue Proteine und diese bindende Antikörper gelten lasse. Es sei nämlich gängige Praxis, dass die Antikörper, die bislang nicht identifizierte Proteine bänden, als neu und auf erfinderischer Tätigkeit beruhend angesehen würden. Dies rechtfertige, dass für einen Antikörper als solchen ein breiter Schutz gewährt werden könne, wenn das Grundpatent Ansprüche enthalte, in denen ausdrücklich von „ein[em] Antikörper, der in der Lage ist, [das neue Protein] zu binden“, die Rede sei. Im Patentrecht sei demnach anerkannt, dass Ansprüche wie Anspruch 13 des Patents von HGS, der Antikörper betreffe, die ein neues Protein spezifisch bänden, gültig seien und dass sie, selbst wenn unter sie zahlreiche Antikörper fielen, ein angemessenes und gerechtfertigtes Schutzniveau für die Erfindung verliehen. Es handle sich um den Fall, dass der Erfinder ein neues Zielprotein entdeckt und es zum ersten Mal Fachleuten ermöglicht habe, das Protein und die Antikörper, die dieses Zielprotein bänden, herzustellen. Nach dem Europäischen Patentrecht sei es weder erforderlich noch angemessen, von diesen Erfindern zu verlangen, eine spezifische, strukturelle Definition der Antikörper in ihren Ansprüchen darzulegen.

22

Aus diesen Gründen könne ihr auf der Grundlage ihres Grundpatents und der künftigen Genehmigung für das Inverkehrbringen, die Eli Lilly für LY2127399 erteilt bekommen werde, ein ESZ wirksam erteilt werden. Nach Ansicht von HGS berücksichtigt das von Eli Lilly vorgeschlagene Kriterium, wonach ein Erzeugnis nur dann als im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 von einem Grundpatent geschützt angesehen werden könne, wenn eine strukturelle Definition vorliege, dass Ansprüche, die einen funktionell definierten Antikörper beträfen, regelmäßig vom EPA gewährt und routinemäßig zur Stützung von Anmeldungen eines ESZ verwendet würden.

23

Unter diesen Umständen hat der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Patents Court), beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Nach welchen Kriterien ist zu entscheiden, ob im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 „das Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist“?

2.

Sind andere Kriterien heranzuziehen, wenn das Erzeugnis keine Produktkombination ist, und falls ja, welche?

3.

Ist es im Fall eines Anspruchs in Bezug auf einen Antikörper oder eine Klasse von Antikörpern ausreichend, dass der oder die Antikörper mittels ihrer Bindungseigenschaften für ein Zielprotein definiert werden, oder ist eine strukturelle Definition für den oder die Antikörper notwendig, und falls ja, in welchem Umfang?

Zu den Vorlagefragen

24

Mit seinen drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 dahin auszulegen ist, dass es für die Einstufung eines Wirkstoffs als „durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt“ im Sinne dieser Bestimmung erforderlich ist, diesen Wirkstoff in den Ansprüchen dieses Patents mit einer Strukturformel anzuführen, oder ob dieser Wirkstoff auch als geschützt angesehen werden kann, wenn er von einer in diesen Ansprüchen enthaltenen Funktionsformel gedeckt ist.

25

Vor diesem Hintergrund fragt sich dieses Gericht mangels Rechtsprechung des Gerichtshofs spezifisch zu diesem Gesichtspunkt des Schutzes eines Einzelwirkstoffs, ob die Kriterien, nach denen sich entscheidet, ob im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 ein „Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist“, andere sind, wenn es sich bei dem „Erzeugnis“ im Sinne von Art. 1 Buchst. b dieser Verordnung eher um einen Einzelwirkstoff handelt und nicht um eine Wirkstoffzusammensetzung.

26

Während HGS hierzu geltend macht, dass ein Erzeugnis als in den Ansprüchen eines Grundpatents genannt und somit als von diesem Patent geschützt angesehen werden könne, wenn es mittels einer Funktionsformel oder einer funktionellen Definition einschließlich der Angabe, zu welcher spezifischen therapeutischen Klasse das Erzeugnis gehöre, angeführt werde, ist Eli Lilly der Ansicht, dass der Wirkstoff, um geschützt werden zu können, in den Beschreibungen und Ansprüchen dieses Patents hinreichend bestimmt und beschrieben werden müsse, was in der Ausgangsrechtssache nicht der Fall sei. So trägt Eli Lilly vor, dass der von ihr ausgetestete Wirkstoff Tabalumab in dieser Rechtssache im Hinblick auf Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 weder im Patent von HGS angeführt, noch davon „geschützt“ sei, obwohl sie für die Dauer der Gültigkeit dieses Patents diesen Wirkstoff nicht auf den Markt bringen könne, ohne das Patent von HGS zu verletzen.

27

Die französische und die lettische Regierung sowie die Europäische Kommission teilen im Wesentlichen diesen Standpunkt. Die lettische Regierung betont insbesondere, dass zwar die Verwendung einer funktionellen Definition oder einer Funktionsformel eines Wirkstoffs für sich genommen kein Hindernis für die Erteilung eines ESZ darstelle, dieser Wirkstoff aber dennoch, um als durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt angesehen zu werden, in den Beschreibungen dieses Patents spezifischer beansprucht werden müsse, um eindeutig identifiziert werden zu können. Gegebenenfalls werde der Inhaber eines solchen Patents seine Erfindung im Rahmen von späteren Patenten, insbesondere Teilpatenten, klarstellen müssen.

28

Nach Ansicht der französischen Regierung ist für die Anwendung von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 von den Regeln des EPÜ, insbesondere den Art. 69 und 83 dieses Übereinkommens sowie vom Protokoll über die Auslegung des Art. 69 dieses Übereinkommens, auszugehen. Das Wichtigste auf diesem Gebiet sei, dass die Ansprüche dieses Patents im Licht der Beschreibung der Erfindung im Grundpatent eindeutig auf den Wirkstoff, für den ein ESZ angemeldet werde, abstellten. Gegebenenfalls sei es Sache des Inhabers dieses Patents, einen oder mehrere ausgewählte Antikörper im Rahmen späterer, hinreichend genauer Patente, die die Erteilung von ESZ ermöglichten, detaillierter darzustellen.

29

Die Kommission räumt ein, dass es ungebührlich restriktiv wäre, eine wortwörtliche Bezugnahme auf den Wirkstoff in den Patentansprüchen zu verlangen. Dennoch müsse für eine fachkundige Person auf der Grundlage ihrer allgemeinen einschlägigen Kenntnisse aus den Ansprüchen eines Grundpatents eindeutig hervorgehen, dass darin der Wirkstoff, für den ein ESZ angemeldet werde, tatsächlich beansprucht werde. Dabei sei für die Anwendung von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 insbesondere von den Kriterien auszugehen, die das EPA für die Zulässigkeit von an Europäischen Patenten vorzunehmenden Korrekturen aufgestellt habe.

30

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die patentrechtlichen Bestimmungen beim Stand des auf den Sachverhaltszeitraum des Ausgangsverfahrens anwendbaren Unionsrechts noch nicht Gegenstand einer Harmonisierung in der Europäischen Union oder einer Rechtsangleichung waren (vgl. Urteil Medeva, Randnr. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung), auch wenn seither die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (ABl. L 361, S. 1) sowie das Übereinkommen über das Einheitliche Patentgericht (ABl. 2013, C 175, S. 1) – das künftig kraft seines Art. 3 Buchst. b für nach der Verordnung Nr. 469/2009 erteilte ESZ gelten könnte – erlassen wurden.

31

Da es an einer Harmonisierung des auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Patentrechts in der Union fehlt, ist der Schutzumfang des Grundpatents nur anhand der einschlägigen Vorschriften, die nicht zum Unionsrecht gehören, zu bestimmen (Urteil Medeva, Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32

Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesen Regeln, die zur Bestimmung dessen dienen, was von dem Grundpatent im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 geschützt ist, um jene handelt, die den Umfang der Erfindung betreffen, die Gegenstand eines solchen Patents ist, wie etwa im Ausgangsverfahren Section 125 des Patentgesetzes des Vereinigten Königreichs von 1977. Diese Regeln sind bei einem vom EPA gewährten Patent auch die Regeln aus dem EPÜ bzw. aus dem Protokoll über die Auslegung des Art. 69 dieses Übereinkommens.

33

Wie sich aus der Antwort des Gerichtshofs auf die Vorlagefragen 1 bis 5 in der Rechtssache ergibt, die zum Urteil Medeva führte, kann hingegen für die Entscheidung, ob im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 ein „Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist“, nicht auf die Regeln für die Patentverletzungsklagen, wie sie sich im Ausgangsverfahren aus Section 60 des Patentgesetzes des Vereinigten Königreichs von 1977 ergeben, zurückgegriffen werden.

34

Mit seiner Entscheidung, dass Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 der Erteilung eines ESZ für Wirkstoffe entgegensteht, die in den Ansprüchen eines Grundpatents nicht genannt sind (vgl. Urteil Medeva, Randnr. 25, sowie Beschlüsse vom 25. November 2011, University of Queensland und CSL, C-630/10, Slg. 2011, I-12231, Randnr. 31, und Daiichi Sankyo, C-6/11, Slg. 2011, I-12255, Randnr. 30), hat der Gerichtshof die wesentliche Rolle der Ansprüche für die Entscheidung, ob ein Erzeugnis durch ein Grundpatent im Sinne dieser Vorschrift geschützt ist, hervorgehoben.

35

Wie wichtig diese Ansprüche sind, wird im Übrigen durch Nr. 20 Abs. 2 der Begründung des Vorschlags für die Verordnung (EWG) des Rates vom 11. April 1990 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel (KOM[90] 101 endg.) untermauert, wo hinsichtlich des „Schutzgegenstands des Grundpatents“ ausdrücklich und ausschließlich auf die Ansprüche dieses Patents Bezug genommen wird. Diese wichtige Rolle wird auch durch den 14. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel (ABl. L 198, S. 30) bekräftigt, in dem für die Erteilung von ESZ im Pflanzenschutzmittelsektor auf das Erfordernis verwiesen wird, dass „Erzeugnisse“„Gegenstand von Patenten sind, in denen sie besonders beansprucht werden“ (vgl. Urteil Medeva, Randnr. 27).

36

In der Rechtssache des Ausgangsverfahrens ist unstreitig, dass der Wirkstoff Tabalumab, nämlich LY2127399, in den Ansprüchen des Patents von HGS nicht namentlich erwähnt wird. Überdies scheint er nicht in anderer Weise in den Beschreibungen und Patentschriften dieses Patents spezifiziert zu sein und ist daher nicht als solcher identifizierbar.

37

Zum Umstand, dass die Vermarktung dieses Wirkstoffs durch Eli Lilly während der Gültigkeitsdauer dieses Patents eine Verletzung dieses Patents darstellen würde, ist festzustellen, dass diese im Hinblick auf die Ausführungen in den Randnrn. 32 und 33 des vorliegenden Urteils für die Erteilung eines ESZ auf der Grundlage der Verordnung Nr. 469/2009, insbesondere im Hinblick auf deren Art. 3 Buchst. a, bei der Entscheidung, ob dieser Wirkstoff durch das betreffende Patent geschützt ist, nicht den Ausschlag geben kann.

38

Es ist darauf hinzuweisen, dass ein Wirkstoff, der in den Ansprüchen eines Grundpatents nicht mit einer strukturellen Definition oder wenigstens mit einer funktionellen Definition angeführt wird, nach der in Randnr. 34 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung jedenfalls nicht als im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 geschützt angesehen werden kann.

39

Zur Frage, ob die Verwendung einer funktionellen Definition für sich genommen ausreichen kann, ist festzustellen, dass Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 grundsätzlich dem nicht entgegensteht, dass ein Wirkstoff, der einer in den Ansprüchen eines vom EPA erteilten Patents enthaltenen funktionellen Definition entspricht, als durch dieses Patent geschützt angesehen werden kann; dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass diese Ansprüche, die nach Art. 69 EPÜ und dem Protokoll über die Auslegung des EPÜ u. a. im Licht der Beschreibung der Erfindung auszulegen sind, den Schluss zulassen, dass sie sich stillschweigend, aber notwendigerweise auf den in Rede stehenden Wirkstoff beziehen, und zwar in spezifischer Art und Weise.

40

Hinsichtlich der Anforderungen des EPÜ ist jedoch klarzustellen, dass der Gerichtshof nicht zuständig ist, die Bestimmungen dieses Übereinkommens auszulegen, da die Union im Unterschied zu den Mitgliedstaaten diesem nicht beigetreten ist. Daher kann der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht keine weiteren Hinweise dafür geben, wie sie den Umfang der Ansprüche eines vom EPA erteilten Patents zu beurteilen hat.

41

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass mit dem ESZ nur die Wiederherstellung einer ausreichenden Dauer des wirksamen Grundpatentschutzes angestrebt wird, indem dem Inhaber nach Ablauf dieses Patents eine zusätzliche Ausschließlichkeitsfrist eingeräumt wird, die zumindest zum Teil den Rückstand in der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Erfindung ausgleichen soll, der aufgrund der Zeitspanne von der Einreichung der Patentanmeldung bis zur Erteilung der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union eingetreten ist (Urteile vom 11. November 2010, Hogan Lovells International, C-229/09, Slg. 2010, I-11335, Randnr. 50, vom 12. Dezember 2013, Actavis Group PTC und Actavis UK, C‑443/12, Randnr. 31, und Georgetown University, C‑484/12, Randnr. 36).

42

Wie sich aus dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 469/2009 ergibt, soll die Gewährung dieser zusätzlichen Ausschließlichkeitsfrist die Forschung fördern und hat im Hinblick darauf den Zweck, eine Amortisierung der in dieser Forschung vorgenommenen Investitionen zu ermöglichen.

43

Im Hinblick auf den Zweck der Verordnung Nr. 469/2009 könnte die Verweigerung der Erteilung eines ESZ für einen Wirkstoff, auf den ein zur Stützung eines solchen Antrags geltend gemachtes, vom EPA erteiltes Patent nicht spezifisch Bezug nimmt, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens gerechtfertigt werden, soweit, wie Eli Lilly betont hat, der Inhaber des betreffenden Patents keine Schritte zur Detaillierung und Klarstellung seiner Erfindung unternommen hat, um den Wirkstoff, der in einem den Bedürfnissen bestimmter Patienten entsprechenden Arzneimittel wirtschaftlich verwertet werden kann, eindeutig zu identifizieren. In einer solchen Konstellation dem Inhaber des Patents ein ESZ zu erteilen, obwohl er nicht der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des über die Spezifizierungen des Grundpatents hinaus entwickelten Arzneimittels ist und daher keine Forschungsinvestitionen hinsichtlich dieses Aspekts seiner ursprünglichen Erfindung vorgenommen hat, hieße den im vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 469/2009 genannten Zweck der Verordnung zu missachten.

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Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 dahin auszulegen ist, dass es für die Einstufung eines Wirkstoffs als im Sinne dieser Bestimmung „durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt“ nicht erforderlich ist, diesen Wirkstoff in den Ansprüchen des bestellenden Patents mit einer Strukturformel anzuführen. Wenn dieser Wirkstoff unter eine in den Ansprüchen eines vom EPA erteilten Patents enthaltene Funktionsformel fällt, steht Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 der Erteilung eines ESZ für diesen Wirkstoff grundsätzlich nicht entgegen; dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass diese Ansprüche, die nach Art. 69 EPÜ und dem Protokoll über die Auslegung des EPÜ u. a. im Licht der Beschreibung der Erfindung auszulegen sind, den Schluss zulassen, dass sie sich stillschweigend, aber notwendigerweise auf den in Rede stehenden Wirkstoff beziehen, und zwar in spezifischer Art und Weise, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

Kosten

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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel ist dahin auszulegen, dass es für die Einstufung eines Wirkstoffs als im Sinne dieser Bestimmung „durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt“ nicht erforderlich ist, diesen Wirkstoff in den Ansprüchen des bestellenden Patents mit einer Strukturformel anzuführen. Wenn dieser Wirkstoff unter eine in den Ansprüchen eines vom EPA erteilten Patents enthaltene Funktionsformel fällt, steht Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 der Erteilung eines ESZ für diesen Wirkstoff grundsätzlich nicht entgegen; dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass diese Ansprüche, die nach Art. 69 EPÜ und dem Protokoll über die Auslegung des EPÜ u. a. im Licht der Beschreibung der Erfindung auszulegen sind, den Schluss zulassen, dass sie sich stillschweigend, aber notwendigerweise auf den in Rede stehenden Wirkstoff beziehen, und zwar in spezifischer Art und Weise, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.