SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MELCHIOR WATHELET

vom 5. Dezember 2013 ( 1 )

Rechtssache C‑553/12 P

Europäische Kommission

gegen

Dimosia Epicheirisi Ilektrismou AE (DEI)

„Rechtsmittel — Wettbewerb — Art. 82 EG und 86 Abs. 1 EG — Aufrechterhaltung der Vorzugsrechte, die Griechenland einem öffentlichen Unternehmen zur Erforschung und Ausbeutung von Braunkohlevorkommen gewährt hat — Aus der Ausübung dieser Rechte erwachsender Wettbewerbsvorteil auf dem Markt für die Lieferung von Braunkohle und auf dem Strommarkt für Großkunden — Ausdehnung der beherrschenden Stellung vom erstgenannten auf den zweitgenannten Markt — Verpflichtung der Kommission, ein missbräuchliches Verhalten des öffentlichen Unternehmens nachzuweisen“

1. 

Mit dem vorliegenden Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission, das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 20. September 2012 ( 2 ) aufzuheben, mit dem dieses die Entscheidung der Kommission ( 3 ) über Schürf- und Abbaurechte für Braunkohlelagerstätten, die die Hellenische Republik der Dimosia Epicheirisi Ilektrismou AE (DEI) ( 4 ) gewährt und zugunsten dieses Unternehmens aufrechterhalten hat, für nichtig erklärt hat.

2. 

Mit der genannten Entscheidung stellte die Kommission u. a. fest, dass die Erteilung und die Aufrechterhaltung dieser Genehmigungen gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG (jetzt Art. 106 Abs. 1 AEUV und Art. 102 AEUV ( 5 )) verstießen, da sie eine Ungleichheit der Chancen von Wirtschaftsteilnehmern hinsichtlich des Zugangs zu Primärbrennstoffen für die Stromerzeugung herbeiführten und DEI in die Lage versetzten, ihre beherrschende Stellung auf dem griechischen Strommarkt für Großkunden aufrechtzuerhalten oder zu stärken, indem sie den Zugang neuer Marktteilnehmer verhinderten oder behinderten.

I – Vorgeschichte des Rechtsstreits

3.

DEI wurde 1950 als öffentliches Unternehmen gegründet, das dem griechischen Staat gehörte. Ihr wurde das ausschließliche Recht eingeräumt, in Griechenland Strom zu erzeugen, zu transportieren und zu liefern. 1996 wurde sie in eine Aktiengesellschaft mit dem Staat als Alleinaktionär umgewandelt.

4.

Am 1. Januar 2001 wurde sie gemäß insbesondere dem griechischen Gesetz Nr. 2773/1999 über die Liberalisierung des Strommarkts (FEK A’ 286), mit dem insbesondere die Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften über den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 1997, L 27, S. 20) umgesetzt wurde, in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Nach Art. 43 Abs. 3 dieses Gesetzes darf die Beteiligung des Staates am Kapital der DEI auch nach einer Kapitalerhöhung keinesfalls weniger als 51 % der stimmberechtigten Aktien betragen. Gegenwärtig hält die Hellenische Republik 51,12 % der Aktien von DEI. Seit dem 12. Dezember 2001 werden ihre Aktien an der Börse in Athen (Griechenland) und an der Börse in London (Vereinigtes Königreich) notiert.

5.

Sämtliche mit Braunkohle betriebenen griechischen Kraftwerke gehören DEI. Nach Angaben des griechischen Instituts für Geologie und Suchbohrungen wurden die bekannten Reserven aller Braunkohlevorkommen in Griechenland zum 1. Januar 2005 auf 4415 Mio. t geschätzt. Nach Angaben der Kommission belaufen sich die Braunkohlereserven in Griechenland noch auf 4590 Mio. t.

6.

Die Hellenische Republik räumte DEI Schürf- und Abbaurechte für Braunkohlelagerstätten mit Reserven von etwa 2200 Mio. t ein. 85 Mio. t Reserven gehören Privatpersonen, und für weitere öffentliche Lagerstätten von etwa 220 Mio. t Reserven wurden die Schürf- und Abbaurechte anderen Privatpersonen eingeräumt, wobei diese Lagerstätten zum Teil die Kraftwerke von DEI versorgen. Für etwa 2000 Mio. t Braunkohlereserven in Griechenland sind noch keine Abbaurechte eingeräumt worden.

7.

Im Anschluss an das Inkrafttreten der Richtlinie 96/92 wurde der griechische Strommarkt für den Wettbewerb geöffnet. Im Mai 2005 wurde ein obligatorischer Tagesmarkt für alle Anbieter und Abnehmer von Elektrizität im griechischen Verbundnetz, das das griechische Festland und einige griechische Inseln umfasst, geschaffen. Auf diesem Markt speisen die Stromerzeuger und ‑importeure ihre erzeugten bzw. eingeführten Strommengen auf täglicher Basis ein und setzen sie dort täglich ab ( 6 ).

8.

Im Jahr 2003 ging bei der Kommission die Beschwerde einer Einzelperson ein, die ungenannt bleiben wollte. Nach Ansicht des Beschwerdeführers verstößt die Entscheidung des griechischen Staates, DEI ausschließliche Schürf- und Abbaurechte für Braunkohle in Griechenland zu bewilligen, gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG. Nach einigen Schriftwechseln mit der Hellenischen Republik zwischen 2003 und 2008 erließ die Kommission die streitige Entscheidung.

9.

In dieser Entscheidung legt die Kommission dar, dass die Hellenische Republik seit dem Erlass der Richtlinie 96/92, deren Umsetzung für spätestens 19. Februar 2001 vorgesehen gewesen sei, gewusst habe, dass der Strommarkt liberalisiert werden müsse. Die Hellenische Republik habe staatliche Maßnahmen für zwei getrennte Märkte getroffen. Der erste sei der Markt für die Lieferung von Braunkohle und der zweite der Strommarkt für Großkunden gewesen, der die Erzeugung und die Lieferung von Elektrizität in bzw. aus Kraftwerken sowie die Einfuhr von Elektrizität über Verbindungsleitungen umfasst habe.

10.

DEI habe auf diesen beiden Märkten eine beherrschende Stellung mit einem Marktanteil von über 97 % bzw. 85 % innegehabt. Darüber hinaus habe keine Aussicht auf Marktzugang neuer Wettbewerber bestanden, die den Anteil von DEI am Strommarkt für Großkunden signifikant hätten verringern können, zumal die Einfuhren, die 7 % des Gesamtverbrauchs ausmachten, keinen echten Wettbewerbsdruck auf diesem Markt ausübten.

11.

Zu den fraglichen staatlichen Maßnahmen führt die Kommission aus, DEI seien Abbaurechte für 91 % der öffentlichen Braunkohlelagerstätten, für die entsprechende Rechte vergeben worden seien, eingeräumt worden ( 7 ). Während des Zeitraums der Anwendung dieser Maßnahmen seien trotz der Möglichkeiten, die das nationale Recht geboten habe, keine weiteren Rechte für signifikante Lagerstätten vergeben worden. Außerdem seien DEI ohne Ausschreibung Schürfrechte für bestimmte ausbeutungsfähige Lagerstätten eingeräumt worden, für die Abbaurechte noch nicht vergeben worden seien. Schließlich seien Braunkohlekraftwerke der kostengünstigste und der am intensivsten genutzte Kraftwerkstyp in Griechenland, da sie 60 % des zur Versorgung des Verbundnetzes eingesetzten Stroms erzeugten.

12.

Die Hellenische Republik habe dadurch, dass sie zugunsten von DEI Abbaurechte für Braunkohle im Rahmen eines Quasimonopols eingeräumt und aufrechterhalten habe, die DEI einen privilegierten Zugang zu dem für die Stromerzeugung in Griechenland attraktivsten Brennstoff garantiert hätten, ungleiche Chancen für die Wirtschaftsteilnehmer auf dem Strommarkt für Großkunden herbeigeführt und damit den Wettbewerb verfälscht und die beherrschende Stellung von DEI gestärkt sowie trotz der Liberalisierung des Strommarkts für Großkunden den Zugang neuer Wettbewerber zum Markt verhindert oder behindert.

13.

In der streitigen Entscheidung forderte die Kommission die Hellenische Republik darüber hinaus auf, ihr binnen zwei Monaten nach Notifizierung dieser Entscheidung die Maßnahmen mitzuteilen, die sie zu treffen beabsichtigte, um die wettbewerbswidrigen Auswirkungen der betreffenden staatlichen Maßnahmen abzustellen, und wies darauf hin, dass diese Maßnahmen innerhalb von acht Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verabschieden und umzusetzen seien.

II – Klage beim Gericht und angefochtenes Urteil

14.

Mit Klageschrift, die am 13. Mai 2008 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob DEI Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung. Im Lauf des Verfahrens trat die Hellenische Republik dem Rechtsstreit zur Unterstützung von DEI bei, während die im Stromerzeugungssektor in Griechenland tätigen Aktiengesellschaften Elliniki Energeia kai Anaptyxi AE (HE & DSA) und Energeiaki Thessalonikis AE dem Rechtsstreit zur Unterstützung des Klageabweisungsantrags der Kommission beitraten.

15.

DEI machte für ihre Klage vier Klagegründe geltend: erstens eine rechtsfehlerhafte Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, zweitens eine Verletzung der Begründungspflicht aus Art. 253 EG, drittens eine Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und des Schutzes des Privateigentums sowie einen Ermessensmissbrauch und viertens eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

16.

Der erste Klagegrund gliederte sich in fünf Teile, von denen sich der zweite und der vierte gegen die Schlussfolgerung der Kommission richteten, wonach die Ausübung der DEI bewilligten Abbaurechte für Braunkohle bewirkt habe, die beherrschende Stellung von DEI auf dem Braunkohlemarkt unter Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG auf den Strommarkt für Großkunden auszudehnen. Gegen diese Schlussfolgerung der Kommission machte DEI im Kern zwei Rügen geltend.

17.

Mit der zweiten dieser Rügen, die das Gericht zuerst geprüft hat, warf DEI der Kommission vor, keinen tatsächlichen oder potenziellen Missbrauch ihrer beherrschenden Stellung auf den betreffenden Märkten nachgewiesen zu haben, obwohl dieser Nachweis eine Voraussetzung für die Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG sei.

18.

In Randnr. 85 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass sich der Streit im vorliegenden Fall hauptsächlich auf die Frage zuspitze, ob die Kommission einen tatsächlichen oder potenziellen Missbrauch der beherrschenden Stellung von DEI feststellen musste oder ob sie sich mit dem Nachweis begnügen durfte, dass die in Rede stehenden staatlichen Maßnahmen den Wettbewerb verfälschten, indem sie zugunsten von DEI ungleiche Chancen für die Wirtschaftsteilnehmer schufen.

19.

Hinsichtlich des Marktes für die Lieferung von Braunkohle hat das Gericht in den Randnrn. 87 bis 89 des angefochtenen Urteils zwar darauf hingewiesen, dass die Hellenische Republik DEI Genehmigungen zum Abbau von Braunkohlelagerstätten mit Reserven von etwa 2200 Mio. t erteilt habe, dass diese aus der Zeit vor der Liberalisierung des Strommarkts stammenden staatlichen Maßnahmen aufrechterhalten worden seien und diesen Markt weiterhin beeinträchtigten und dass ferner trotz des von den Wettbewerbern von DEI bekundeten Interesses kein Wirtschaftsteilnehmer von der Hellenischen Republik Genehmigungen zum Abbau von Braunkohlelagerstätten erhalten habe, obwohl Griechenland über etwa 2000 Mio. t noch nicht ausgebeuteter Braunkohlevorkommen verfüge. Doch war das Gericht der Auffassung, die fehlende Möglichkeit für andere Wirtschaftsteilnehmer, Zugang zu den noch verfügbaren Braunkohlevorkommen zu erhalten, könne nicht DEI angelastet werden, da die Erteilung von Genehmigungen zum Abbau von Braunkohle allein vom Willen der Hellenischen Republik abhänge. Auf dem genannten Markt habe sich DEI auf den Abbau von Vorkommen beschränkt, an denen sie die Rechte besitze, und die Kommission habe hinsichtlich des Zugangs zu Braunkohle nicht vorgetragen, dass DEI ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für die Lieferung dieses Primärstoffs missbraucht hätte.

20.

Des Weiteren hat das Gericht in den Randnrn. 90 bis 93 des angefochtenen Urteils die Feststellung der Kommission geprüft, wonach die fehlende Möglichkeit der Wettbewerber von DEI, Zugang zum Markt für die Lieferung von Braunkohle zu erhalten, Auswirkungen auf den Strommarkt für Großkunden habe. Die Kommission hatte hierzu geltend gemacht, dass, da Braunkohle der in Griechenland wirtschaftlich attraktivste Brennstoff sei, ihr Abbau es ermögliche, Strom zu niedrigen variablen Kosten zu erzeugen und mit einer höheren Gewinnspanne auf den obligatorischen Tagesmarkt zu bringen als aus anderen Brennstoffen erzeugten Strom. So sei DEI in der Lage, ihre beherrschende Stellung auf dem Strommarkt für Großkunden aufrechtzuerhalten oder zu stärken, indem sie den Zugang neuer Marktteilnehmer zu diesem Markt verhindere oder behindere.

21.

In Randnr. 91 des angefochtenen Urteils hat das Gericht zunächst darauf hingewiesen, dass im Anschluss an die Liberalisierung des Strommarkts für Großkunden ein obligatorischer Tagesmarkt in Griechenland geschaffen worden sei und dass die Regeln über dessen Funktionsweise in der streitigen Entscheidung nicht in Frage gestellt worden seien und sowohl von DEI als auch von ihren Wettbewerbern eingehalten werden müssten. Außerdem sei DEI auf diesem Markt bereits vor dessen Liberalisierung tätig gewesen. Dann hat das Gericht ausgeführt:

„92

Die Kommission hat nicht nachgewiesen, dass der privilegierte Zugang zur Braunkohle geeignet gewesen sei, eine Lage herbeizuführen, in der [DEI] bereits durch die Ausübung ihrer Abbaurechte ihre Stellung auf dem Strommarkt für Großkunden hätte missbrauchen oder zu einem solchen Marktmissbrauch hätte verleitet werden können. Ebenso wenig wirft die Kommission [DEI] vor, ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für die Lieferung von Braunkohle ohne objektive Rechtfertigung auf den Strommarkt für Großkunden ausgedehnt zu haben.

93

Mit der bloßen Feststellung, dass [DEI], ein ehemaliges Monopolunternehmen, dank des Vorteils, den ihr der privilegierte Zugang zur Braunkohle verschaffe, weiterhin eine beherrschende Stellung auf dem Strommarkt für Großkunden habe und dadurch die Chancen zwischen [DEI] und den übrigen Unternehmen auf diesem Markt ungleich verteilt seien, hat die Kommission weder angegeben noch rechtlich hinreichend nachgewiesen, zu welchem Missbrauch im Sinne von Art. 82 EG die in Rede stehende staatliche Maßnahme [DEI] veranlasst hat oder hätte veranlassen können.“

22.

Im Anschluss daran hat das Gericht in den Randnrn. 94 bis 103 seines Urteils die in der streitigen Entscheidung angeführte ständige Rechtsprechung geprüft, wonach ein Mitgliedstaat gegen die in Art. 86 Abs. 1 EG und Art. 82 EG enthaltenen Verbote verstößt, wenn das betreffende Unternehmen bereits durch die Ausübung der ihm übertragenen ausschließlichen oder besonderen Rechte dazu gebracht wird, seine beherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen, oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen zur Begehung eines solchen Missbrauchs gebracht wird. Nach einer Analyse der Urteile des Gerichtshofs Höfner und Elser, Merci convenzionali porto di Genova, Job Centre, Raso u. a. und MOTOE ( 8 ) stellte das Gericht fest:

„103

Diesen … Urteilen ist zu entnehmen, dass sich der Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch ein Unternehmen, das über ausschließliche oder besondere Rechte verfügt, entweder aus der Möglichkeit, dieses Recht in missbräuchlicher Weise auszuüben, ergeben oder eine unmittelbare Folge dieses Rechts sein kann. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich jedoch nicht, dass allein die Tatsache, dass das betreffende Unternehmen sich aufgrund einer staatlichen Maßnahme in einer gegenüber seinen Wettbewerbern vorteilhaften Lage befindet, an sich schon einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellt.“

23.

Schließlich ging das Gericht in den Randnrn. 104 bis 118 seines Urteils auf ein letztes Argument der Kommission ein, wonach ein System nicht verfälschten Wettbewerbs nur gewährleistet werden könne, wenn die Chancengleichheit zwischen den einzelnen Wirtschaftsteilnehmern sichergestellt sei. Die Kommission hatte hierzu geltend gemacht, dass eine staatliche Maßnahme gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG verstoße, wenn sie zur Ungleichheit der Chancen von Wirtschaftsteilnehmern, also zu verfälschtem Wettbewerb, führe.

24.

In Randnr. 105 des angefochtenen Urteils befand das Gericht, dass den Urteilen, auf die sich die Kommission gestützt habe, nämlich den Urteilen Frankreich/Kommission (Telekommunikations-Endgeräte), GB-Inno-BM und Connect Austria ( 9 ), nicht zu entnehmen sei, dass für die Annahme der Verwirklichung eines Verstoßes gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG nur dargetan werden müsse, dass eine staatliche Maßnahme den Wettbewerb dadurch verfälsche, dass sie die Chancen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern ungleich verteile, und es nicht erforderlich sei, einen Missbrauch der beherrschenden Stellung des Unternehmens festzustellen.

25.

Nach einer Analyse dieser Urteile hat das Gericht in Randnr. 113 seines Urteils festgestellt, dass der Gerichtshof die von der Kommission angeführten Formulierungen zwar tatsächlich verwendet habe, die Kommission diese jedoch nicht losgelöst von ihrem Kontext heranziehen könne. In den Randnrn. 114 bis 117 hat das Gericht zudem festgestellt, dass die These der Kommission auch nicht durch das Urteil Dusseldorp u. a. ( 10 ) gestützt werde, auf das sie sich in der mündlichen Verhandlung berufen habe.

26.

Daraus hat das Gericht in Randnr. 118 seines Urteils den Schluss gezogen, dass sich aus dieser Rechtsprechung nicht ergebe, dass die Kommission „nicht verpflichtet [sei], den Missbrauch der beherrschenden Stellung, zu dem [DEI] durch die betreffende staatliche Maßnahme gebracht worden ist oder hätte gebracht werden können, festzustellen und nachzuweisen“. Nach Auffassung des Gerichts (Randnrn. 87 bis 93) sei ein solcher Nachweis in der streitigen Entscheidung jedoch nicht geführt.

27.

Daher hat das Gericht in Randnr. 119 die Rüge, die [DEI] im Rahmen des zweiten und des vierten Teils des ersten Klagegrundes erhoben hatte, als begründet angesehen und die streitige Entscheidung für nichtig erklärt, „ohne dass die weiteren von [DEI] vorgetragenen Rügen, Teile und Klagegründe geprüft zu werden brauchen“.

III – Rechtsmittel

28.

Die Kommission, DEI und die Hellenische Republik haben sich an dem schriftlichen Verfahren vor dem Gerichtshof beteiligt. In der mündlichen Verhandlung, die am 3. Oktober 2013 stattgefunden hat, haben alle diese Verfahrensbeteiligten sowie die Mytilinaios AE, die Protergia AE und die Alouminion AE (Streithelferinnen zur Unterstützung der Kommission) Stellung genommen.

29.

Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe.

A – Zum ersten Rechtsmittelgrund

1. Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten

30.

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund, der sich gegen die Randnrn. 94 bis 118 des angefochtenen Urteils richtet, macht die Kommission geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler bei der Auslegung und Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG begangen, als es entschieden habe, dass sie das missbräuchliche Verhalten, zu dem die fragliche staatliche Maßnahme DEI veranlasst habe oder habe veranlassen können, feststellen und nachweisen müsse.

31.

Nach Ansicht der Kommission stellt diese staatliche Maßnahme an sich eine Zuwiderhandlung gegen Art. 86 Abs. 1 EG und Art. 82 EG dar. Es genüge daher, nachzuweisen, dass durch diese Maßnahme tatsächlich eine Ungleichheit der Chancen herbeigeführt worden sei, indem das (bereits) privilegierte öffentliche Unternehmen begünstigt und damit in die Marktstruktur eingegriffen und das öffentliche Unternehmen in die Lage versetzt worden sei, seine beherrschende Stellung auf einem anderen – benachbarten oder nachgelagerten – Markt dadurch aufrechtzuerhalten, zu verstärken oder auszudehnen, dass es etwa den Zugang neuer Wettbewerber zu diesem Markt verhindere.

32.

Somit wirft die Kommission dem Gericht vor, die Rechtsprechung des Gerichtshofs auf den vorliegenden Sachverhalt fehlerhaft angewandt und die Grundlage der streitigen Entscheidung verfälscht zu haben. Hierzu macht sie geltend, diese Entscheidung beruhe entgegen den Ausführungen des Gerichts nicht auf der Feststellung, dass der Umstand, dass sich DEI aufgrund der fraglichen staatlichen Maßnahmen in einer gegenüber ihren Wettbewerbern vorteilhaften Lage befunden habe, an sich bereits den Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstelle. Im Gegenteil, in der genannten Entscheidung sei die Zuwiderhandlung genau angegeben, und es sei dargelegt worden, dass die fraglichen staatlichen Maßnahmen eine Ungleichheit der Chancen von DEI und ihren Wettbewerbern herbeigeführt hätten und dass DEI durch die bloße Ausübung der Rechte, die ihr durch diese Maßnahmen eingeräumt worden seien, in der Lage gewesen sei, ihre beherrschende Stellung vom (vorgelagerten) Markt für Braunkohle auf den (nachgelagerten) Strommarkt für Großkunden in Griechenland auszudehnen. Diese Ausdehnung auf den nachgelagerten Markt habe bewirkt, dass selbst nach dem Erlass von Maßnahmen zur Liberalisierung dieses Marktes der Wettbewerb dort beschränkt und der Zugang neuer Wettbewerber zu diesem Markt verhindert werde. Im Übrigen seien trotz entsprechender Anträge keinem Wettbewerber von DEI signifikante Abbaurechte für Braunkohle bewilligt worden.

33.

Da in der streitigen Entscheidung erläutert worden sei, wie die Aufrechterhaltung der streitigen staatlichen Maßnahmen und die bloße Ausübung der DEI eingeräumten Vorzugsrechte sowie das Verhalten von DEI auf dem nachgelagerten Markt zu einer Gefahr des Missbrauchs ihrer beherrschenden Stellung auf diesem Markt geführt hätten, indem der Zugang neuer Wettbewerber verhindert oder behindert worden sei, habe die Kommission alle Kriterien erfüllt, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG verlangt würden.

34.

Nach Ansicht von DEI und der Hellenischen Republik entbehrt dieser Rechtsmittelgrund der Grundlage. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe sich nämlich, dass die Kommission, um Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG anwenden zu können, das missbräuchliche Verhalten, zu dem die fragliche staatliche Maßnahme das betreffende Unternehmen veranlasst habe oder habe veranlassen können, nachweisen müsse. Dass die fragliche staatliche Maßnahme eine Situation ungleicher Chancen herbeiführe, stelle zwar eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für die Anwendung der genannten Bestimmungen dar. Die Kommission versuche letztlich, Art. 86 Abs. 1 EG in eine autonome und höherrangige Bestimmung umzuwandeln. Das Gericht hingegen habe die genannte Rechtsprechung auf den Sachverhalt des vorliegenden Falles zutreffend angewandt.

2. Analyse

35.

Die Kommission gliedert diesen Rechtsmittelgrund förmlich in drei wechselseitig zusammenhängende Teile und trägt im Wesentlichen vor, dass es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht erforderlich sei, ein im Sinne des Art. 82 EG konkretes missbräuchliches Verhalten des öffentlichen oder privilegierten Unternehmens in beherrschender Stellung festzustellen, wenn eine staatliche Maßnahme zu ungleichen Chancen dieses Unternehmens und seiner Wettbewerber führe, die den Wettbewerb verfälschten.

36.

Ich werde zunächst die Abschnitte des angefochtenen Urteils aufgreifen, die für diese Frage erheblich sind.

37.

In Randnr. 86 seines Urteils führt das Gericht aus: „Zunächst ist festzustellen, dass die Verbote nach Art. 86 Abs. 1 EG an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, während sich Art. 82 EG an die Unternehmen richtet, indem er ihnen die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung untersagt. Bei Anwendung der einen Bestimmung in Verbindung mit der anderen kann der Verstoß eines Mitgliedstaats gegen Art. 86 Abs. 1 EG nur festgestellt werden, wenn die staatliche Maßnahme gegen Art. 82 EG verstößt. Daher stellt sich die Frage, inwieweit ein – und sei es nur ein potenzieller – Missbrauch der beherrschenden Stellung eines Unternehmens festgestellt werden muss, der in Zusammenhang mit der staatlichen Maßnahme steht“ (Hervorhebung nur hier).

38.

Des Weiteren befindet das Gericht in Randnr. 93 des angefochtenen Urteils, dass „die Kommission weder angegeben noch rechtlich hinreichend nachgewiesen [hat], zu welchem Missbrauch im Sinne von Art. 82 EG die in Rede stehende staatliche Maßnahme [DEI] veranlasst hat oder hätte veranlassen können“.

39.

Schließlich stellt das Gericht in Randnr. 118 des angefochtenen Urteils fest, dass die von der Kommission herangezogenen Urteile es nicht erlaubten, „die … in Randnr. 94 [dieses Urteils] angeführte Rechtsprechung ( 11 ) außer Betracht zu lassen und ausschließlich auf die Frage abzustellen, ob die Ungleichheit der Chancen von Wirtschaftsteilnehmern, also der verfälschte Wettbewerb, auf eine staatliche Maßnahme zurückzuführen ist“.

40.

Meines Erachtens entspricht der Standpunkt des Gerichts, wonach die Feststellung und der Nachweis eines Missbrauchs im Sinne des Art. 82 EG (Randnrn. 118, zweiter Satz, und 105 a. E. des angefochtenen Urteils) Voraussetzung für die Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG sei, nicht der Auslegung, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die ich im Folgenden analysieren werde, ergibt.

41.

Bemerkenswert ist, dass es nicht viele Rechtssachen gibt, in denen es um Art. 86 EG geht, und dass die meisten von ihnen ihren Ursprung in Vorabentscheidungsersuchen haben. Zudem ist es, wenn ich mich nicht irre, das erste Mal, dass das Gericht veranlasst wurde, sich zu einer Entscheidung der Kommission zu äußern, die auf der Anwendung dieser Vorschrift in Verbindung mit Art. 82 EG beruht.

42.

Die sogenannte Theorie der „Ausdehnung der beherrschenden Stellung“ (oder das „Auswirkungsprinzip“) ( 12 ) – die so bezeichnet wird, weil eine staatliche Maßnahme, die eine Ausdehnung dieser Stellung von einem Markt auf den anderen herbeiführt, ähnliche Wirkungen hat wie ein Missbrauch dieser beherrschenden Stellung – hat mit dem Urteil GB-Inno-BM ( 13 ) aus dem Jahr 1991 Eingang in die Rechtsprechung des Gerichtshofs gefunden.

43.

In dieser Rechtssache hat die Régie des télégraphes et des téléphones (RTT) vorgetragen, „ein Verstoß gegen [Art. 86 Abs. 1 EG könnte] nur dann festgestellt werden, wenn der Mitgliedstaat einen von ihr tatsächlich begangenen Missbrauch gefördert hätte, wie etwa eine diskriminierende Anwendung der Zulassungsvorschriften“. Jedoch habe „[d]as Vorlageurteil … keinen solchen tatsächlich begangenen Missbrauch angeführt, und die bloße Möglichkeit einer diskriminierenden Anwendung dieser Vorschriften aufgrund der Bestimmung der Klägerin zur Zulassungsbehörde, während sie mit den Unternehmen, die die Zulassung beantragten, im Wettbewerb stehe, könne für sich allein einen Missbrauch im Sinne von [Art. 82 EG] nicht begründen“ (Hervorhebung nur hier) (Randnr. 23 dieses Urteils).

44.

Der Gerichtshof ist dem Vorbringen von RTT nicht gefolgt und hat entschieden, dass „die Ausdehnung des Monopols für die Einrichtung und den Betrieb des Fernsprechnetzes auf den Markt für Fernsprechgeräte ohne objektive Rechtfertigung als solche durch [Art. 82 EG] bzw. durch [Art. 86 Abs. 1 EG] in Verbindung mit [Art. 82 EG] verboten ist, wenn diese Ausdehnung auf eine staatliche Maßnahme zurückgeht“ (Hervorhebungen nur hier) (Randnr. 24 dieses Urteils).

45.

Des Weiteren hat der Gerichtshof in Randnr. 20 des genannten Urteils ausgeführt: „[Art. 86 Abs. 1 EG] untersagt es den Mitgliedstaaten, öffentliche Unternehmen und Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, durch Rechtsetzungsakte oder Verwaltungsmaßnahmen in eine Situation zu versetzen, in die sich diese Unternehmen durch selbständige Verhaltensweisen nicht ohne Verstoß gegen [Art. 82 EG] versetzen könnten.“

46.

In Randnr. 25 dieses Urteils fährt der Gerichtshof fort: „Ein System nicht verfälschten Wettbewerbs, wie es der Vertrag vorsieht, kann jedoch nur gewährleistet werden, wenn die Chancengleichheit der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer sichergestellt ist.“ Im vorliegenden Fall wirft die Kommission der Hellenischen Republik gerade vor, ungleiche Chancen für die Wirtschaftsteilnehmer herbeigeführt und damit den Wettbewerb verfälscht und die beherrschende Stellung von DEI gestärkt zu haben (vgl. Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge).

47.

Im Urteil Spanien u. a./Kommission (Telekommunikationsdienste) ( 14 ) hat der Gerichtshof entschieden, dass die gleiche Schlussfolgerung geboten ist, wenn sich das Monopol für die Einrichtung und den Betrieb des Fernsprechnetzes auf den Markt für Telekommunikationsdienste erstreckt.

48.

Im Urteil Raso u. a. hat der Gerichtshof ausgeführt, dass „ein rechtlicher Rahmen, wie er sich aus [der staatlichen Maßnahme] ergibt, schon als solcher als mit [Art. 86 Abs. 1 EG] in Verbindung mit [Art. 82 EG] unvereinbar angesehen werden [muss]. Insoweit spielt es daher keine Rolle, dass das vorlegende Gericht keinen von der umgewandelten ehemaligen Hafenbetriebsgesellschaft tatsächlich begangenen Missbrauch angeführt hat“ ( 15 ) (Hervorhebungen nur hier).

49.

Wie sich aus diesem Urteil (Randnr. 27) ergibt, ist zwar die bloße Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung ausschließlicher Rechte im Sinne von Art. 86 Abs. 1 EG als solche noch nicht mit Art. 82 EG unvereinbar, doch verstößt ein Mitgliedstaat gegen die in diesen beiden Bestimmungen enthaltenen Verbote, wenn das betreffende Unternehmen durch die bloße Ausübung der ihm übertragenen ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Missbrauch begeht.

50.

In Randnr. 28 dieses Urteils fügt der Gerichtshof hinzu: „Da die durch das Gesetz von 1994 eingeführte Regelung der umgewandelten ehemaligen Hafenbetriebsgesellschaft nicht nur das ausschließliche Recht verleiht, den Konzessionären von Hafenanlagen und den anderen zur Tätigkeit im Hafen zugelassenen Unternehmen vorübergehend Arbeitskräfte zu überlassen, sondern, wie aus Randnummer 17 dieses Urteils hervorgeht, ihm darüber hinaus gestattet, auf dem Markt für Hafenarbeiten mit ihnen in Wettbewerb zu treten, ergibt sich für diese umgewandelte ehemalige Hafenbetriebsgesellschaft ein Interessenkonflikt“ (Hervorhebungen nur hier) ( 16 ).

51.

Durch die bloße Ausübung ihres Monopols konnte nämlich die in der Rechtssache Raso u. a. in Rede stehende Hafenbetriebsgesellschaft die Chancengleichheit der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer auf dem Markt für Hafendienstleistungen beeinträchtigen und wurde veranlasst, ihr Monopol zu missbrauchen, indem sie von ihren Konkurrenten auf dem Markt für Hafenarbeiten für die Überlassung von Arbeitskräften überhöhte Preise verlangte oder ihnen für diese Arbeiten weniger geeignete Arbeitskräfte zur Verfügung stellte (Randnrn. 29 f. dieses Urteils). Diesem Urteil lässt sich somit kein Hinweis darauf entnehmen, dass eine konkrete missbräuchliche Verhaltensweise im Sinne von Art. 82 EG festgestellt werden muss, auch wenn der Gerichtshof naheliegende missbräuchliche Folgen festgestellt hat, die sich aus der staatlichen Maßnahme ergeben können (vgl. Nr. 62 der vorliegenden Schlussanträge).

52.

Auch im Urteil TNT Traco ( 17 ) hat der Gerichtshof keine konkrete, tatsächliche oder potenzielle missbräuchliche Verhaltensweise von Poste Italiane im Sinne von Art. 82 EG festgestellt.

53.

Ich kann mich nur Generalanwalt Alber anschließen, der in Nr. 65 seiner Schlussanträge in dieser Rechtssache ausgeführt hat: „Die Kombination der [Art. 82 EG] und [86 EG] führt dazu, dass nicht alle Tatbestandsmerkmale von [Art. 82 EG] in der Person des beherrschenden Unternehmens vorliegen müssen. Ein Missbrauch liegt nämlich auch vor, wenn eine staatliche Maßnahme –insbesondere die Einräumung ausschließlicher Rechte – zu einer Wettbewerbssituation führt, die ihrer Struktur nach missbräuchlich ist.“

54.

In den Randnrn. 49 bis 51 des Urteils MOTOE hat der Gerichtshof immer noch zu den Art. 82 EG und 86 Abs. 1 EG entschieden: „Ein Mitgliedstaat verstößt … gegen die in diesen beiden Bestimmungen niedergelegten Verbote, wenn das betreffende Unternehmen durch die bloße Ausübung der ihm übertragenen besonderen oder ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Missbrauch begeht[ ( 18 )]. Es ist insoweit nicht erforderlich, dass ein Missbrauch tatsächlich stattfindet[ ( 19 )]. Auf jeden Fall verstößt es gegen die Art. 82 EG und 86 Abs. 1 EG, wenn durch eine einem Mitgliedstaat zurechenbare Maßnahme und insbesondere durch diejenige, mit der er besondere oder ausschließliche Rechte im Sinne von Art. 86 Abs. 1 EG gewährt, die Gefahr des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung geschaffen wird[ ( 20 )]. Ein System nicht verfälschten Wettbewerbs, wie es der Vertrag vorsieht[ ( 21 )], kann nämlich nur gewährleistet werden, wenn die Chancengleichheit zwischen den einzelnen Wirtschaftsteilnehmern sichergestellt ist[ ( 22 )].Wird eine juristische Person wie ELPA[ ( 23 )], die selbst Motorradrennen veranstaltet und kommerziell nutzt, mit der Aufgabe betraut, der zuständigen Behörde gegenüber ihr Einverständnis zu den Anträgen auf Genehmigung der Durchführung solcher Rennen zu erklären, so läuft dies tatsächlich darauf hinaus, ihr die Befugnis zu verleihen, die Personen zu bestimmen, die solche Wettbewerbe durchführen dürfen, und die Bedingungen festzulegen, unter denen die Rennen durchgeführt werden, und damit dieser Einrichtung einen eindeutigen Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern zu verschaffen[ ( 24 )]. Ein solches Recht kann dazu führen, dass das berechtigte Unternehmen den Zugang der anderen Beteiligten zu dem betreffenden Markt verhindert. Diese Ungleichheit der Wettbewerbsbedingungen wird zudem durch den in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof bestätigten Umstand unterstrichen, dass ELPA, wenn er Motorradrennen veranstaltet oder daran beteiligt ist, für die Erteilung der erforderlichen Genehmigung durch die zuständige Behörde keine Einverständniserklärung einholen muss“ (Hervorhebungen nur hier).

55.

Ich meine, man kann aus dem Vorstehenden bereits schließen, dass „unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen eines Missbrauchs“ ein Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 EG und Art. 82 EG vorliegt, sobald eine staatliche Maßnahme eine Missbrauchsgefahr schafft.

56.

Schließlich hat der Gerichtshof in Randnr. 84 seines Urteils Connect Austria entschieden: „Beruht die Ungleichheit der Chancen von Wirtschaftsteilnehmern, also der verfälschte Wettbewerb, auf einer staatlichen Maßnahme, so verstößt diese Maßnahme gegen Artikel 86 Absatz 1 EG in Verbindung mit Artikel 82 EG.“ Außerdem (Randnr. 87) „kann eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die die Zuteilung zusätzlicher Frequenzen aus dem für DCS 1800 reservierten Frequenzbereich an ein öffentliches Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung ohne gesonderte Gebühr gestattet, während das neu auf den fraglichen Markt tretende Unternehmen für seine DCS 1800-Lizenz eine Gebühr entrichten musste, das öffentliche Unternehmen mit beherrschender Stellung veranlassen, dadurch gegen Artikel 82 EG zu verstoßen, dass es je nach der Definition des relevanten Marktes seine beherrschende Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb ausdehnt oder stärkt. Da in diesem Fall der verfälschte Wettbewerb auf einer staatlichen Maßnahme beruhen würde, die eine Situation schafft, in der die Chancengleichheit der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer nicht sichergestellt wäre, kann diese Maßnahme gegen Artikel 86 Absatz 1 EG in Verbindung mit Artikel 82 EG verstoßen“ (Hervorhebungen nur hier).

57.

Im Übrigen fällt auf, dass das Gericht zwar in Randnr. 94 seines Urteils mehrere der oben genannten Urteile des Gerichtshofs anführt, merkwürdigerweise jedoch ohne die dort enthaltenen Ausführungen aufzugreifen, wonach „es nicht erforderlich ist, dass ein Missbrauch tatsächlich stattfindet“ oder „es keine Rolle spielt, dass das vorlegende Gericht keinen tatsächlich begangenen Missbrauch angeführt hat“ ( 25 ).

58.

Es besteht also ein grundlegender Unterschied zwischen der Verpflichtung, ein konkretes missbräuchliches Verhalten im Sinne von Art. 82 EG allein festzustellen und nachzuweisen, und der Verpflichtung, im Hinblick auf eine Anwendung von Art. 82 EG in Verbindung mit Art. 86 Abs. 1 EG eine potenzielle oder tatsächliche wettbewerbswidrige Folge festzustellen, die sich aus einer staatlichen Maßnahme, mit der Vorzugsrechte bewilligt werden, ergeben kann.

59.

Diese Unterscheidung wahrt im Übrigen die „praktische Wirksamkeit“ ( 26 ) einer Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG. Würde nämlich im Fall einer durch eine staatliche Maßnahme ermöglichten Ausdehnung einer beherrschenden Stellung verlangt, dass ein konkretes missbräuchliches Verhalten im Sinne von Art. 82 EG nachgewiesen wird, bliebe unklar, welcher Anwendungsbereich für Art. 82 EG in Verbindung mit Art. 86 Abs. 1 EG übrigbleiben könnte.

60.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich meines Erachtens, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine staatliche Maßnahme gegen die Bestimmungen des Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG verstößt, wenn das Unternehmen, dem durch die staatliche Maßnahme besondere oder ausschließliche Rechte eingeräumt wurden, durch die bloße Ausübung seiner Vorzugsrechte veranlasst wird oder es nicht vermeiden kann, seine beherrschende Stellung zu missbrauchen ( 27 ).

61.

Anders gesagt, liegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Zuwiderhandlung gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG immer dann vor, wenn die staatliche Maßnahme, durch die (einem öffentlichen Unternehmen oder einem Unternehmen, das bereits besondere oder ausschließliche Rechte innehat) Vorzugsrechte gewährt werden, eine Ungleichheit der Chancen der Wirtschaftsteilnehmer herbeiführt und das Unternehmen in beherrschender Stellung in die Lage versetzt, den Wettbewerb durch die bloße Ausübung seiner Rechte zu verfälschen, indem es z. B. seine beherrschende Stellung auf einem nachgelagerten Markt aufrechterhält oder auf diesen ausdehnt und damit den Marktzugang potenzieller Wettbewerber beschränkt, ohne dass ein konkretes missbräuchliches Verhalten im Sinne des Art. 82 EG nachgewiesen zu werden braucht ( 28 ).

62.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in einigen Rechtssachen naheliegende missbräuchliche Folgen nur nennt oder feststellt, um die wettbewerbswidrigen Konsequenzen festzustellen, die aus der staatlichen Maßnahme folgen können, sofern diese nicht als Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG beurteilt wird ( 29 ).

63.

Im Gegenteil kann Art. 82 EG, wenn keine staatliche Maßnahme vorliegt, durch die Vorzugsrechte gewährt werden, nur Anwendung finden, wenn ein bewusstes und autonomes missbräuchliches Verhalten des beherrschenden Unternehmens dieses in die Lage versetzt hat, seine beherrschende Stellung auf einen anderen als seinen eigenen Markt auszudehnen ( 30 ).

64.

Da das Gericht somit einen Rechtsfehler begangen hat, als es in der vorliegenden Rechtssache entschieden hat, dass ein konkretes missbräuchliches Verhalten im Sinne des Art. 82 EG nachgewiesen werden müsse und es nicht genüge, die wettbewerbswidrigen Auswirkungen festzustellen, die sich aus der staatlichen Maßnahme ergeben könnten, um einen Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG festzustellen, erscheint mir der erste Rechtsmittelgrund der Kommission begründet.

65.

Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, das angefochtene Urteil aufzuheben.

66.

Zudem schlage ich ihm vor, den Rechtsstreit in diesem Punkt als entscheidungsreif anzusehen, da sich aus den ihm unterbreiteten Akten alle Umstände ergeben, anhand deren beurteilt werden kann, ob die Kommission die wettbewerbswidrigen Auswirkungen festgestellt hat, die sich aus der fraglichen staatlichen Maßnahme ergeben können, was Voraussetzung für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG ist.

67.

Ohne in diesem Stadium zu behaupten, dass die Kommission ein missbräuchliches Verhalten von DEI tatsächlich nachgewiesen hat, meine ich, dass sie die wettbewerbswidrigen Auswirkungen festgestellt hat, die sich aus der fraglichen staatlichen Maßnahme ergeben können.

68.

Es handelt sich um die Auswirkungen, die im Ausschluss potenzieller Wettbewerber bestehen und die durch die Ausdehnung der beherrschenden Stellung von DEI vom primären Markt der Lieferung von Braunkohle auf den sekundären Markt des Stromgroßhandels in Griechenland hervorgerufen wurden. Diese Auswirkungen traten vor dem Erlass der Maßnahmen zur Liberalisierung des Marktes für die Stromerzeugung und ‑lieferung in Griechenland auf und setzten sich selbst danach fort, auch nach Mai 2005 ( 31 ), dem Zeitpunkt der Schaffung des Strommarkts für Großkunden ( 32 ). Auf allen Ebenen der betreffenden Märkte, d. h. dem der Lieferung von Braunkohle und der Stromerzeugung sowie dem Strommarkt (für Großkunden) in Griechenland sind diese Auswirkungen nach der Liberalisierung des Marktes unverändert.

69.

DEI ist nämlich weiterhin in der Lage, ihre beherrschende Stellung auf dem fraglichen nachgelagerten Markt aufrechtzuerhalten und zu verstärken, erstens durch die bloße Ausübung ihrer Vorzugsrechte in Bezug auf Braunkohle (ebenso vor wie auch nach dem Erlass der Maßnahmen zur Liberalisierung des Marktes), zweitens wegen der Auswirkungen ihres eigenen Verhaltens auf dem nachgelagerten Markt ( 33 ) und drittens aufgrund der Weigerung der Hellenischen Republik, neue Schürf- und Abbaurechte für Braunkohle zu bewilligen, obwohl (potenzielle) Wettbewerber von DEI ihr Interesse bekundet haben (und versucht haben, sowohl zum vorgelagerten als auch zum nachgelagerten Markt Zugang zu erhalten) ( 34 ) und Griechenland noch über etwa 2000 Mio. t noch nicht abgebauter Braunkohle verfügte ( 35 ).

70.

In diesem Zusammenhang möchte ich hinzufügen, dass sowohl die Hellenische Republik als auch DEI die Auswirkungen, die in der Verhinderung des Zugangs neuer Wettbewerber auf den sekundären Markt bestehen, hätten vermeiden oder abmildern können, wenn sie – sei es durch eine staatliche Maßnahme, sei es durch das Verhalten von DEI ( 36 ) – den neuen Wettbewerbern auf dem nachgelagerten Markt ein (signifikante Mengen Braunkohle umfassendes) diversifiziertes Angebot an Energiequellen zur Verfügung gestellt hätten.

71.

Diese Ausschlusswirkungen wurden durch die Politik von DEI bei der Einspeisung und Tarifierung von Strom auf dem obligatorischen Tagesmarkt noch weiter verstärkt.

72.

Ich stimme der Kommission darin zu, dass sich die wettbewerbswidrigen Auswirkungen auf die Struktur des Marktes rechtlich gesehen kaum von denen unterscheiden, die in den Rechtssachen GB-Inno-BM, Connect Austria, Telekommunikationsdienste und MOTOE aufgetreten sind.

73.

DEI hat nämlich durch die bloße Ausübung ihrer Vorzugsrechte auf dem vorgelagerten Markt für Braunkohle, auf dem sie die beherrschende Stellung innehatte, ihre Stellung (ohne objektive Begründung ( 37 )) auf den nachgelagerten Strommarkt für Großkunden ausgedehnt und damit den Zugang neuer potenzieller Wettbewerber zu diesem Markt verhindert oder behindert. Die dem öffentlichen Unternehmen DEI gewährten Vorzugsrechte hatten bereits die Struktur des Marktes dadurch beeinträchtigt, dass sie ungleiche Chancen herbeiführten und den Wettbewerb auf dem vorgelagerten Markt verfälschten, und DEI hat diese Situation ausgenutzt, indem sie ihre beherrschende Stellung auf dem vorgelagerten Markt für Braunkohle als Hebel eingesetzt hat („leverage“), um ihre Stellung auf einem anderen Markt, der mit dem ersten eng verbunden und diesem vertikal nachgelagert ist, nämlich dem der Stromerzeugung, auszudehnen oder sie dort aufrechtzuerhalten, und damit den Zugang neuer Wettbewerber zu diesem nachgelagerten Markt verhindert und somit den Wettbewerb beschränkt hat.

74.

Nach Darstellung der Streithelferin Mytilinaios AE in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof ist diese über ihr Tochterunternehmen Protergia AE der größte private Stromerzeuger, der größte private Gasimporteur und über ihr Tochterunternehmen Alouminion AE der größte Verbraucher von Grundlaststrom mit einem Anteil von 6 % des Stromverbrauchs in Griechenland, d. h. gleichzeitig der größte Wettbewerber und der größte Kunde von DEI. Diese Unternehmen haben hervorgehoben, dass die streitige Entscheidung den Dreh- und Angelpunkt für die Entwicklung und das normale Funktionieren des griechischen Strommarkts darstelle, der über zehn Jahre nach seiner Liberalisierung noch immer von DEI kontrolliert werde, weil sich während des fraglichen Zeitraums und noch heute der Marktanteil von DEI an der Braunkohlegewinnung auf 97 %, an der Stromerzeugung aus Braunkohle auf 100 % und am Stromeinzelhandel auf 100 % belaufe ( 38 ).

75.

Die Streithelferinnen tragen vor, dass DEI, da kein Wettbewerbsdruck bestehe, den industriellen Kunden den teuersten Strom der Union anbiete und damit zur fehlenden Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Industrie beitrage. Außerdem gebe es mindestens 17 Entscheidungen der RAE, die im Jahr 2012 ( 39 ) auf Beschwerden von Wettbewerbern von DEI ergangen seien und die zeigten, dass sich alles, was die Kommission in der streitigen Entscheidung hinsichtlich eines potenziellen Missbrauchs vorhergesehen habe, bewahrheitet habe. Nur wenn die Wettbewerber von DEI über einen Zugang zur Braunkohlegewinnung und zur Stromerzeugung verfügten, könnten sie in echtem Wettbewerb mit DEI stehen, wodurch den Verbrauchern ermöglicht würde, von wettbewerbsorientierten Preisen zu profitieren ( 40 ).

76.

Die Kommission hat daher meines Erachtens hinreichend nachgewiesen, dass die fragliche staatliche Maßnahme den Wettbewerb dadurch verzerren konnte, dass DEI durch die Gewährung von Vorzugsrechten für die Braunkohlevorkommen und die Aufrechterhaltung dieser Rechte nach der Liberalisierung des griechischen Strommarkts in eine Situation versetzt wurde, in der sie nicht nur den Markt der Braunkohlelieferung kontrollierte, sondern auch in der Lage war, diese Kontrolle zu nutzen, um ihre Wettbewerber auf dem Strommarkt für Großkunden vom Zugang zur Braunkohle auszuschließen, der, wie sich aus den dem Gerichtshof unterbreiteten Akten ergibt, notwendig ist, um Zugang zum Strommarkt für Großkunden zu erhalten und dort wettbewerbsfähig zu sein. Dadurch, dass DEI ihre Vorzugsrechte ausübte und entschied, die aufgrund dieser Rechte gewonnene Braunkohle ihrer eigenen Stromerzeugung vorzubehalten, war sie in der Lage, ihre beherrschende Stellung auf dem Strommarkt für Großkunden selbst nach dessen Liberalisierung zu behaupten.

77.

Allgemeiner betrachtet braucht die Kommission in Rechtssachen wie der vorliegenden für die Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG nicht den Nachweis eines konkreten missbräuchlichen Verhaltens des beherrschenden Unternehmens im Sinne von Art. 82 EG zu erbringen, das auf die betreffende staatliche Maßnahme zurückzuführen ist. Sie muss jedoch die wettbewerbswidrigen Auswirkungen feststellen, die sich aus der betreffenden staatlichen Maßnahme ergeben können.

78.

Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die zweite Rüge, mit der DEI im Rahmen des zweiten und des vierten Teils des ersten Klagegrundes vor dem Gericht einen Rechtsfehler bei der Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG geltend gemacht hat, zurückzuweisen und die Rechtssache zur Prüfung der anderen von DEI geltend gemachten Klagegründe an das Gericht zurückzuverweisen.

B – Zum zweiten Rechtsmittelgrund (hilfsweise)

79.

Ich prüfe diesen Rechtsmittelgrund nur für den Fall, dass der Gerichtshof den ersten Rechtsmittelgrund der Kommission zurückweist und entscheidet, dass die Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG voraussetzt, dass ein konkretes missbräuchliches Verhalten des beherrschenden Unternehmens im Sinne des Art. 82 EG festgestellt und nachgewiesen wird.

1. Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten

80.

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund, der formell ebenfalls aus mehreren in einem wechselseitigen Zusammenhang stehenden Teilen besteht, macht die Kommission geltend, die Randnrn. 85 bis 93 des angefochtenen Urteils beruhten auf einer ungenauen, lückenhaften und unzureichenden Begründung, auf einer fehlerhaften Würdigung und einer Verfälschung der Beweise sowie auf einer fehlerhaften Auslegung der Grundlage der streitigen Entscheidung.

81.

Im Wesentlichen macht sie geltend, dass, selbst wenn die Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG – entgegen ihrem Vorbringen im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes – den Nachweis eines konkreten missbräuchlichen Verhaltens des Unternehmens in beherrschender Stellung voraussetze, in der streitigen Entscheidung ein derartiges Verhalten nachgewiesen worden sei.

82.

Die Würdigungen durch das Gericht in den Randnrn. 79 bis 93 des angefochtenen Urteils beruhten auf einer unzutreffenden Begründung, einer fehlerhaften Beweiswürdigung und einer Verfälschung der Grundlage der Entscheidung der Kommission, weil das Gericht es – ungeachtet seiner Ausführungen hierzu in den Randnrn. 87 bis 91 – versäumt habe, die entscheidende Bedeutung bestimmter Faktoren zu prüfen, nämlich dass die Hellenische Republik die streitigen Maßnahmen nicht nur vor der Liberalisierung des Strommarkts des Landes erlassen, sondern sie auch nach dieser Liberalisierung aufrechterhalten habe und dass sich die wettbewerbswidrigen Auswirkungen selbst nach Mai 2005 auf dem sekundären Strommarkt für Großkunden weiter entfaltet hätten.

83.

DEI und die Hellenische Republik machen in erster Linie geltend, der zweite Rechtsmittelgrund sei in vollem Umfang unzulässig, da die Kommission erst im Stadium des Rechtsmittels versuche, ein missbräuchliches Verhalten von DEI nachzuweisen. Außerdem verzerre sie die Feststellungen des Gerichts und dessen Beweiswürdigung.

84.

In zweiter Linie machen DEI und die Hellenische Republik geltend, der zweite Rechtsmittelgrund entbehre der rechtlichen und der tatsächlichen Grundlage. Insbesondere stelle die Möglichkeit für DEI, wegen der niedrigeren variablen Kosten von Braunkohle niedrigere Angebote im System des obligatorischen Tagesmarkts vorzulegen, kein missbräuchliches Verhalten auf dem Strommarkt für Großkunden dar. Die Kommission erwähne nicht, dass Wettbewerber von DEI mit Erdgaskraftwerken in rentabler Weise Strom erzeugten und dass sich der genannte Markt hin zu einer Verringerung des Braunkohleanteils und einer Erhöhung des Erdgasanteils an der globalen Stromproduktion entwickle. Die Möglichkeit für DEI, aufgrund ihres Zugangs zu Braunkohle Gewinne zu erzielen, könne indes weder als missbräuchliches Verhalten noch als Behinderung des tatsächlichen Zugangs zum Strommarkt für Großkunden angesehen werden, da ihre Wettbewerber dort ebenfalls Gewinne erzielten und stetig ihren Anteil erhöhten. Außerdem würden die niedrigen variablen Kosten von Braunkohle durch ihre höheren Investitionskosten ausgeglichen.

2. Analyse

a) Zur Zulässigkeit

85.

Entgegen dem Vorbringen von DEI und der Hellenischen Republik ist klar, dass dieser Rechtsmittelgrund nicht insgesamt als unzulässig zurückgewiesen werden kann. Dies hat einen einfachen Grund: Die Kommission rügt die Begründung des angefochtenen Urteils und trägt vor, das Gericht habe Tatsachen verfälscht und rechtlich unzutreffend bewertet.

b) Zur Begründetheit

86.

Was zunächst die Feststellungen des Gerichts in Randnr. 91 des angefochtenen Urteils betrifft, lassen diese – worin ich der Kommission zustimme – außer Acht, dass es nicht darauf ankommt, dass DEI bereits vor der Liberalisierung des Marktes für Erzeugung und Lieferung von Strom auf diesem Markt tätig war und dass sie sich an die Regeln über die Funktionsweise des obligatorischen Tagesmarkts halten muss.

87.

Zum einen haben sich nämlich die wettbewerbswidrigen Auswirkungen, die sich vor der Liberalisierung aus den fraglichen staatlichen Maßnahmen und dem Verhalten von DEI ergeben haben, auch nach Mai 2005 noch auf dem sekundären Strommarkt für Großkunden weiter entfaltet. Zum anderen kommt es nicht darauf an, ob sich DEI an die genannten Regeln hält, sondern darauf, inwieweit sie bei Beachtung dieser Regeln in der Lage ist, ihre beherrschende Stellung und ihren Wettbewerbsvorteil auf dem vorgelagerten Markt als Hebel zu nutzen, um sich auf dem nachgelagerten Markt, insbesondere durch die Angebote, die sie auf dem obligatorischen Tagesmarkt unterbreitet, missbräuchlich zu verhalten.

88.

Grundlegender betrachtet beruht das angefochtene Urteil auf der Prämisse, dass nur die fraglichen staatlichen Maßnahmen tatsächliche oder potenzielle wettbewerbswidrige Auswirkungen (Beeinträchtigungen und Konsequenzen für die Wettbewerber) haben konnten und kein missbräuchliches Verhalten von DEI, das dazu hätte beitragen können, festgestellt wurde.

89.

Doch wurden sowohl in der streitigen Entscheidung als auch im angefochtenen Urteil und im Verfahren vor dem Gerichtshof verschiedene Verhaltensweisen von DEI auf dem vorgelagerten wie auf dem nachgelagerten Markt beleuchtet, die über die bloße Inanspruchnahme der Rechte, die ihr vom Staat eingeräumt worden waren, hinausgingen. Dass der Zugang potenzieller Wettbewerber zum nachgelagerten Strommarkt verhindert oder behindert wurde, beruht daher nicht ausschließlich auf der staatlichen Maßnahme (wie in der Rechtssache Dusseldorp u. a.), sondern (zumindest teilweise) auch auf dem Verhalten von DEI.

90.

So beschloss DEI auf dem vorgelagerten Markt, die Braunkohle ihrer eigenen Stromerzeugung vorzubehalten, und konnte damit ihre beherrschende Stellung auf dem Strommarkt für Großkunden (dem nachgelagerten Markt) auch nach dessen Liberalisierung behaupten. Der Zugang zum nachgelagerten Markt für Erzeugung und Lieferung von Strom hängt nämlich u. a. vom Zugang zu signifikanten Mengen Braunkohle auf dem vorgelagerten Markt ab, der es einem neuen Marktteilnehmer ermöglicht, unter gleichberechtigten Bedingungen mit DEI zu konkurrieren. Die potenziellen Wettbewerber stießen jedoch an zwei Fronten auf Hindernisse: Zum einen verweigerte die Hellenische Republik die Erteilung neuer Abbaurechte für weitere Braunkohlevorkommen, zum anderen kontrollierte DEI die Lieferung der auf dem griechischen Markt verfügbaren Braunkohle. Indem sie die Belieferung mit Braunkohle ihrer eigenen Stromerzeugung vorbehalten hat, statt zumindest einen Teil davon auf dem genannten Markt zu verkaufen, hat DEI die potenziellen Wettbewerber tatsächlich vom Zugang zur Braunkohle ausgeschlossen und damit von der preisgünstigsten Energiequelle in Griechenland, die benötigt wird, um gewinnbringend Strom zu erzeugen und somit Zugang zum nachgelagerten Markt der Erzeugung und Lieferung von Strom zu erhalten.

91.

Auf dem nachgelagerten Markt speiste DEI in das Verbundnetz im Rahmen des obligatorischen Tagesmarkts (Großhandelsmechanismus oder Pool) zu dem von ihr festgelegten Tarif die größten Strommengen zu den niedrigsten Preisen ein. Dies erlaubte es ihr nicht nur, ihre festen und ihre variablen Kosten zu decken, sondern auch, bedeutende Gewinne zu erzielen ( 41 ) und damit den Zugang neuer Wettbewerber zum fraglichen nachgelagerten Markt zu verhindern oder zu behindern ( 42 ).

92.

Den Akten, die dem Gerichtshof unterbreitet worden sind, lässt sich entnehmen, dass DEI – entgegen den Ausführungen des Gerichts in Randnr. 89 seines Urteils – nicht die passive Teilnehmerin war, als die sie im angefochtenen Urteil dargestellt wird, da sie sowohl in Bezug auf die Ausnutzung ihrer Vorzugsrechte für Braunkohle als auch in Bezug auf die Einspeisung und Tarifierung von Strom auf dem obligatorischen Tagesmarkt ihre Vorgehensweise bestimmen konnte.

93.

Zudem hat das Gericht, wie die Kommission vorträgt, den unauflösbaren Zusammenhang und die unvermeidbare „Gefahr“ einer „missbräuchlichen Ausnutzung“ völlig außer Acht gelassen, die sich aus den fraglichen staatlichen Maßnahmen bereits deshalb ergeben, weil DEI ihre Vorzugsrechte auf dem nachgelagerten Markt ausübt, obwohl sie in der Lage war, den ursächlichen Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten – sowohl auf dem vorgelagerten als auch auf dem nachgelagerten Markt – und den unvermeidlich negativen Auswirkungen für ihre existierenden und potenziellen Wettbewerber auf letzterem Markt vorherzusehen.

94.

Abgesehen davon, dass das Gericht weder alle in der streitigen Entscheidung der Kommission genannten Nachweise noch die von den Verfahrensbeteiligten während des Verfahrens vor ihm vorgelegten Nachweise (die Kommission hat eine Vielzahl von Dateien, Statistiken und Berichten über das Verhalten von DEI seit 1995 vorgelegt), insbesondere die besonderen Nachweise, die auf seine Aufforderung hin eingereicht worden sind und die in den Randnrn. 49 und 87 bis 91 des angefochtenen Urteils genannt sind, geprüft hat, finde ich im angefochtenen Urteil keine Begründung ( 43 ), der sich entnehmen ließe, dass die oben genannten Verhaltensweisen nicht missbräuchlich waren, zumal meines Erachtens ein Unternehmen in beherrschender Stellung, unabhängig von den Ursachen dieser Stellung, eine besondere Verantwortung dafür trägt, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt ( 44 ).

95.

Ich meine nämlich, dass der Begriff der besonderen Verantwortung, auch wenn er ausgehend von Art. 82 EG entwickelt und auf Unternehmen in beherrschender Stellung angewandt wurde, ebenso im Rahmen der Anwendung von Art. 82 EG in Verbindung mit Art. 86 Abs. 1 EG für öffentliche oder privilegierte Unternehmen, die aufgrund staatlicher Maßnahmen besondere oder ausschließliche Rechte innehaben, eine Rolle spielen kann.

96.

In diesem Zusammenhang, insbesondere in Bezug auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, stimme ich Generalanwalt da Cruz Vilaça ( 45 ) darin zu, dass „[Art. 86 EG] nur die Unternehmen [betrifft], für deren Verhalten die Staaten aufgrund des Einflusses, den sie auf dieses Verhalten ausüben können, besondere Verantwortung tragen. Es geht im Wesentlichen darum, sicherzustellen, dass die Eingriffe des Staates – im Sinne von ‚öffentlicher Hand‘, so wie der Gerichtshof diesen Begriff ausgelegt hat – in den Betrieb dieser Unternehmen keine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs und keine Verzerrungen im Verhältnis zwischen diesen Unternehmen und privaten Unternehmen bezwecken oder bewirken“.

97.

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Würdigungen durch das Gericht in den Randnrn. 85 bis 93 des angefochtenen Urteils auf einer fehlerhaften oder unzureichenden Begründung beruhen. Ungeachtet der gegenteiligen Ausführungen des Gerichts hat nämlich die Kommission DEI in der streitigen Entscheidung durchaus vorgeworfen, ihre beherrschende Stellung vom Markt der Braunkohlelieferung ohne objektive Rechtfertigung auf den nachgelagerten Strommarkt für Großkunden in Griechenland ausgedehnt zu haben, und dies meines Erachtens sogar bewiesen.

98.

Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, dem zweiten Rechtsmittelgrund der Kommission stattzugeben, das Urteil des Gerichts wegen fehlerhafter oder unzureichender Begründung aufzuheben und die Rechtssache zur Prüfung der übrigen Klagegründe an das Gericht zurückzuverweisen.

IV – Ergebnis

99.

Aufgrund dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

1.

In erster Linie

das Urteil des Gerichts vom 20. September 2012, DEI/Kommission (T‑169/08), aufzuheben;

die zweite Rüge, mit der die Dimosia Epicheirisi Ilektrismou AE (DEI) im Rahmen des zweiten und des vierten Teils des ersten Klagegrundes vor dem Gericht einen Rechtsfehler bei der Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG geltend gemacht hat, zurückzuweisen;

die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen;

die Kostenentscheidung vorzubehalten.

2.

Hilfsweise

das Urteil des Gerichts vom 20. September 2012, DEI/Kommission (T‑169/08), aufzuheben;

die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen;

die Kostenentscheidung vorzubehalten.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Urteil DEI/Kommission (T‑169/08, im Folgenden: angefochtenes Urteil).

( 3 ) Entscheidung K(2008) 824 endg. der Kommission vom 5. März 2008 (im Folgenden: streitige Entscheidung).

( 4 ) Es handelt sich um die öffentliche Stromgesellschaft, deren englische Bezeichnung The Public Power Corporation lautet und die manchmal auch PPC genannt wird.

( 5 ) Ich werde in den vorliegenden Schlussanträgen die alte Nummerierung verwenden, da die streitige Entscheidung unter der Geltung des EG-Vertrags erlassen wurde.

( 6 ) Zur Funktionsweise des obligatorischen Tagesmarkts vgl. Randnrn. 12 bis 14 des angefochtenen Urteils.

( 7 ) Nach dem griechischen Gesetzesdekret Nr. 4029/1959 vom 12. und 13. November 1959 (FEK A’ 250) und dem griechischen Gesetz Nr. 134/1975 vom 23. und 29. August 1975 (FEK A’ 180).

( 8 ) Urteile vom 23. April 1991, Höfner und Elser (C-41/90, Slg. 1991, I-1979), vom 10. Dezember 1991, Merci convenzionali porto di Genova (C-179/90, Slg. 1991, I-5889), vom 11. Dezember 1997, Job Centre (C-55/96, Slg. 1997, I-7119), vom 12. Februar 1998, Raso u. a. (C-163/96, Slg. 1998, I-533), und vom 1. Juli 2008, MOTOE (C-49/07, Slg. 2008, I-4863).

( 9 ) Urteile vom 19. März 1991 (C-202/88, Slg. 1991, I-1223), vom 13. Dezember 1991 (C-18/88, Slg. 1991, I-5941), und vom 22. Mai 2003 (C-462/99, Slg. 2003, I-5197).

( 10 ) Urteil vom 25. Juni 1998 (C-203/96, Slg. 1998, I-4075).

( 11 ) Nämlich die Urteile Raso u. a. (Randnr. 27), Höfner und Elser (Randnr. 29), Merci convenzionali porto di Genova (Randnr. 17), Job Centre (Randnr. 31) und MOTOE (Randnrn. 50 f.).

( 12 ) Vgl. die Erwägungsgründe 180 bis 183 und 191 bis 199 der streitigen Entscheidung (zu den Argumenten bezüglich des Prüfungsrahmens dieser Theorie). Vgl. auch ihre Erwägungsgründe 200 bis 237 (in denen die Kommission die zusätzlichen Argumente in Bezug auf u. a. die Wettbewerbsfähigkeit von Braunkohle geprüft und schließlich zurückgewiesen hat).

( 13 ) Diese Theorie war von der Kommission bereits in zwei auf Art. 86 EG gestützten Entscheidungen über das System der Erbringung von Eilkurierdienstleistungen in Spanien (Entscheidung 90/456/EWG vom 1. August 1990, ABl. L 233, S. 19) und in den Niederlanden (Entscheidung 90/16/EWG vom 20. Dezember 1989, ABl. 1990, L 10, S. 47) herangezogen worden.

( 14 ) Urteil vom 17. November 1992 (C-271/90, C-281/90 und C-289/90, Slg. 1992, I-5833, Randnr. 36).

( 15 ) Vgl. Randnr. 31 des Urteils. Vgl. auch Urteil GB-Inno-BM (Randnrn. 23 bis 25).

( 16 ) Es lässt sich eine Parallele zu DEI ziehen, die aufgrund der quasimonopolistischen Abbaurechte für Braunkohle, die ihr von der Hellenischen Republik eingeräumt worden waren, über die Mittel verfügte, den Zugang neuer Marktteilnehmer zum Strommarkt für Großkunden zu verhindern, indem sie diese Braunkohle ihrer eigenen Stromerzeugung vorbehielt.

( 17 ) Urteil vom 17. Mai 2001 (C-340/99, Slg. 2001, I-4109).

( 18 ) Vgl. insoweit die vom Gerichtshof dort angeführte Rechtsprechung: Urteile Höfner und Elser (Randnr. 29), vom 18. Juni 1991, ERT (C-260/89, Slg. 1991, I-2925, Randnr. 37), Merci convenzionali porto di Genova (Randnrn. 16 f.), vom 5. Oktober 1994, Centre d’insémination de la Crespelle (C-323/93, Slg. 1991, I-5077, Randnr. 18), Raso u. a. (Randnrn. 27 f.), vom 21. September 1999, Albany (C-67/96, Slg. 1999, I-5751, Randnr. 93), vom 12. September 2000, Pavlov u. a. (C-180/98 bis C-184/98, Slg. 2000, I-6451, Randnr. 127), vom 25. Oktober 2001, Ambulanz Glöckner (C-475/99, Slg. 2001, Ι‑8089, Randnr. 39), und vom 31. Januar 2008, Centro Europa 7 (C-380/05, Slg. 2008, I-349, Randnr. 60). Vgl. entsprechend auch Urteil Connect Austria (Randnr. 80).

( 19 ) Hier weist der Gerichtshof darauf hin, dass Randnr. 36 seines Urteils Job Centre ebenfalls in diese Richtung geht. Darin heißt es nämlich: „Diese Voraussetzung ist nicht erst dann erfüllt, wenn das betreffende missbräuchliche Verhalten den Handel tatsächlich beeinträchtigt hat. Es genügt der Nachweis, dass dieses Verhalten hierzu geeignet ist.“

( 20 ) Vgl. in diesem Sinne die vom Gerichtshof dort angeführte Rechtsprechung: Urteile ERT (Randnr. 37), Merci convenzionali porto di Genova (Randnr. 17) und Centro Europa 7 (Randnr. 60).

( 21 ) Der Gedanke des unverfälschten Wettbewerbs wird ausdrücklich in Art. 3 Abs. 1 Buchst. g EG erwähnt, er liegt aber auch den Wettbewerbsregeln der Art. 81 EG bis 89 EG zugrunde.

( 22 ) Vgl. die vom Gerichtshof in Randnr. 51 des Urteils MOTOE angeführte Rechtsprechung und die Urteile Telekommunikations-Endgeräte (Randnr. 51), GB-Inno-BM (Randnr. 25) und in demselben Sinne ERT (Randnr. 37) sowie Raso u. a. (Randnrn. 29 bis 31).

( 23 ) Elliniki Leschi Aftokinitou kai Perigiseon (Griechischer Automobil- und Reiseclub, im Folgenden: ELPA).

( 24 ) Vgl. entsprechend die vom Gerichtshof angeführten Urteile Telekommunikations-Endgeräte (Randnr. 51) und GB‑Inno‑BM (Randnr. 25).

( 25 ) Vgl. Urteile Raso u. a. (Randnr. 31), MOTOE (Randnr. 49) und die in den Fn. 18 bis 20 und 22 dieser Schlussanträge angeführten Urteile.

( 26 ) Der Gerichtshof hat in mehreren Rechtssachen entschieden, dass zwar der bloße Umstand, dass ein Mitgliedstaat durch die Einräumung ausschließlicher Rechte eine beherrschende Stellung herbeiführt, an sich nicht mit Art. 86 EG unvereinbar ist, der Vertrag die Mitgliedstaaten aber dennoch verpflichtet, keine Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten, die die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmung ausschalten könnten. Vgl. z. B. Urteile ERT (Randnr. 35) und vom 10. Februar 2000, Deutsche Post (C-147/97 und 148/97, Slg. 2000, I-825, Randnr. 39). Wie Generalanwalt da Cruz Vilaça in Nr. 65 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Bodson (Urteil vom 4. Mai 1988, 30/87, Slg. 1988, Ι‑2497) zutreffend erläutert hat, soll Art. 86 Abs. 1 EG „verhindern, dass die öffentliche Hand die besondere hoheitliche Beziehung, die sie mit bestimmten Arten von Unternehmen verbindet, dazu benutzt, diese Unternehmen zu einem vom Vertrag verbotenen Verhalten zu nötigen oder ihnen Vorteile zu gewähren, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind“. Der Grund für die Aufnahme der Bestimmungen des Art. 86 EG in den Vertrag ist gerade in dem Einfluss zu sehen, den die öffentliche Hand auf die kaufmännischen Entscheidungen der öffentlichen Unternehmen ausüben kann. Deswegen betrifft Art. 86 EG nur die Unternehmen, für deren Verhalten die Staaten aufgrund des Einflusses, den sie auf dieses Verhalten ausüben können, besondere Verantwortung tragen. Es geht im Wesentlichen darum, sicherzustellen, dass die Eingriffe des Staates in den Betrieb dieser Unternehmen keine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs und keine Verzerrungen im Verhältnis zwischen diesen Unternehmen und privaten Unternehmen bezwecken oder bewirken.

( 27 ) Vgl. z. B. Urteil MOTOE (Randnrn. 49 bis 51).

( 28 ) Vgl. Urteile Telekommunikationsdienste (Randnr. 36) und Connect Austria (Randnrn. 80 bis 84). Vgl. auch Urteile Telekommunikations-Endgeräte (Randnr. 51), Dusseldorp u. a. (Randnrn. 61 ff.) und GB-Inno-BM (Randnrn. 20 f.). Vgl. auch Debegioti, S., „I paravasi ton arthron 106(1) kai 102 SynthLEE enopsei ton apofaseon tou Genikou Dikastiriou tis Enosis gia ton elliniko ligniti“ (Verstoß gegen Art. 106 Abs. 1 AEUV und Art. 102 AEUV im Hinblick auf das Urteil des Gerichts zur griechischen Braunkohle), Dikaio Epicheiriseon & Etairion (Unternehmens- und Gesellschaftsrecht), 2012, S. 900 bis 914. Nach Ansicht dieses Autors wurde im angefochtenen Urteil die Rechtsprechung des Gerichtshofs falsch ausgelegt.

( 29 ) Im Urteil Connect Austria hat der Gerichtshof potenzielle Praktiken des öffentlichen oder privilegierten Unternehmens geschildert, die jedoch nicht unbedingt rechtswidrig im Sinne des Art. 82 EG waren. Folglich stellt die Feststellung des Gerichts in Randnr. 111 am Ende des angefochtenen Urteils, wonach „der Gerichtshof [somit] auch das Marktverhalten des öffentlichen Unternehmens berücksichtigt [hat]“, einen Rechtsfehler dar, da im Connect Austria kein konkretes Verhalten festgestellt worden war.

( 30 ) Vgl. z. B. Urteile vom 13. Mai 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission (85/76, Slg. 1979, 461, Randnr. 91), und vom 10. Juli 1990, Tetra Pak/Kommission (T-51/89, Slg. 1990, II-309, Randnrn. 23 f.).

( 31 ) Die Hellenische Republik war seit Februar 2001 verpflichtet, Maßnahmen zur Liberalisierung des Strommarkts zu treffen, hatte dies aber versäumt (vgl. Erwägungsgründe 61 und 62, 85, 109, 136.3, 147, 150 und 235 der streitigen Entscheidung).

( 32 ) Das Gericht räumt in Randnr. 87 des angefochtenen Urteils selbst ein, dass die von der Hellenischen Republik getroffenen Maßnahmen, nämlich die DEI vor 2001 gewährten Privilegien, ihre Wirkungen nach 2001 weiter entfalteten.

( 33 ) Vgl. etwa Erwägungsgründe 164, 182, 188 und 189, 191, 193, 195 bis 197, 199, 214 und 215, Anmerkungen 237 und 255 sowie Erwägungsgründe 223 bis 225, 228 und 229, 233 und 238 der streitigen Entscheidung.

( 34 ) Vgl. etwa Erwägungsgründe 185, 225 und 237 der streitigen Entscheidung.

( 35 ) Das Gericht nennt diese Ursache für die Verstärkung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen in Randnr. 88 des angefochtenen Urteils.

( 36 ) Braunkohle kann nämlich, nachdem sie von dem Unternehmen, das privilegierte Abbaurechte innehat, als Erzeugnis gewonnen wurde, i) auf dem lokalen Markt verkauft oder vertrieben (oder exportiert) werden oder ii) von diesem Unternehmen als Brennstoff für die Erzeugung von Strom verwendet werden. DEI hat die zweite Option gewählt und verwendet Braunkohle ausschließlich, um selbst Strom zu erzeugen. Vgl. etwa die Erwägungsgründe 126 und 127 der streitigen Entscheidung.

( 37 ) Während des Verwaltungsverfahrens und des Verfahrens vor dem Gericht hat die Hellenische Republik nie vorgetragen, dass die Ausdehnung der beherrschenden Stellung von DEI vom primären Markt der Lieferung von Braunkohle auf den sekundären (nachgelagerten) Strommarkt für Großkunden objektiv begründet sei. Vgl. etwa den 240. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung.

( 38 ) Vgl. die Entscheidung Nr. 822/2012 der griechischen Regulierungsbehörde für Energie (RAE), in der hervorgehoben wird, dass „[es] in Anbetracht dessen, dass sämtliche Gas- und Braunkohlekraftwerke DEI gehören und diese einen Anteil von über 65 % am Markt für Stromerzeugung hat, während ihre Wettbewerber neuere, erdgasbetriebene Produktionsanlagen benutzen, … keinen rentabel funktionierenden Strommarkt [gibt]“. Daher stellt die RAE ganz einfach fest, dass ein natürlich funktionierender Markt weder auf der Seite der Produktion noch auf der Seite der Lieferung möglich sei.

( 39 ) Vgl. insbesondere die Entscheidung Nr. 822/2012 der RAE vom 17. Oktober 2012 über die Beschwerde RAE I‑153708/22.03.202 des Unternehmens G.M.M.LARKO AE gegen DEI, Randnr. 23: „offenkundig gibt es keinen effizient funktionierenden Strommarkt; dies wird, ohne dass es einer besonderen Analyse bedarf, daraus deutlich, dass [DEI] allein sämtliche Braunkohle- und Wasserkraftwerke des Landes besitzt und weiterhin einen Anteil von über 65 % am Strommarkt hat, während alle ihre Wettbewerber neue, nicht amortisierte Erdgaskraftwerke betreiben und sich älteren – d. h. amortisierten – Braunkohle-, Erdgas- oder Wasserkraftwerken gegenübersehen. Es kann also im Lieferungssektor keinen funktionierenden Markt geben, da der gesamte Markt tatsächlich im Wesentlichen von [DEI] kontrolliert wird“ (Hervorhebung nur hier). Vgl. informationshalber auch die Entscheidung Nr. 831/2012 sowie die Entscheidungen Nrn. 346/2012 und 822/2012 der RAE (Letztere werfen ein Licht auf die missbräuchliche Ausnutzung ihrer beherrschenden Stellung durch DEI, vor allem zum Nachteil ihrer industriellen Kunden).

( 40 ) Vgl. die Erwägungsgründe 255, 215 und 244 der streitigen Entscheidung, die sich auf das Funktionieren des Marktes für die Lieferung von Strom und auf die Situation der kleinen Produzenten beziehen.

( 41 ) Vgl. die Erwägungsgründe 83 bis 90 der streitigen Entscheidung und Randnr. 90 des angefochtenen Urteils.

( 42 ) Vgl. die Erwägungsgründe 84 bis 98, 199, 215 (sowie die Anmerkungen 237 und 255), 222 bis 225, 228, 229 und 237 der streitigen Entscheidung. Vgl. auch die schriftlichen Erklärungen der Kommission vom 7. März 2011, die beim Gericht auf dessen besondere Aufforderung, die in Randnr. 49 des angefochtenen Urteils erwähnt ist, eingereicht wurden. Dies ergibt sich auch aus der Antwort der Hellenischen Republik vom 1. Februar 2011 auf die Fragen des Gerichts.

( 43 ) Ein Rechtsmittel ist zulässig, wenn das Urteil eine widersprüchliche oder unzureichende Begründung enthält. Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission (C-185/95 P, Slg. 1998, I-8417, Randnr. 25), vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission (C-403/04 P und C-405/04 P, Slg. 2007, I-729, Randnr. 77), und vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission (C-120/06 P und C-121/06 P, Slg. 2008, Ι‑6513, Randnr. 90), sowie vom 16. Juli 2009, Der grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission (C-385/07 P, Slg. 2009, Ι‑6155, Randnr. 71). Außerdem muss das Gericht seine Urteile so begründen, dass dem Gerichtshof eine Kontrolle bezüglich einer etwaigen Verfälschung der dem Gericht vorgelegten Beweismittel möglich ist. Vgl. Urteile vom 15. Juni 2000, Dorsch Consult/Rat und Kommission (C-237/98 P, Slg. 2000, I-4549, Randnrn. 50 f.), sowie vom 12. Juli 2005, Kommission/CEVA und Pfizer (C-198/03 P, Slg. 2005, I-6392, Randnr. 50).

( 44 ) Vgl. u. a. Urteil vom 9. November 1983, Michelin/Kommission (322/81, Slg. 1983, 3461, Randnr. 57). Vgl. auch Urteile vom 16. März 2000, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission (C-395/96 P und C-396/96 P, Slg. 2000, I-1365, Randnr. 34), und ERT (Randnr. 35).

( 45 ) Vgl. seine Schlussanträge in der Rechtssache, in der das Urteil Bodson ergangen ist (Nrn. 67 f.).