URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

13. Juni 2013 ( *1 )

„Öffentliche Aufträge — Richtlinie 2004/18/EG — Begriff ‚öffentlicher Auftrag‘ — Art. 1 Abs. 2 Buchst. a — Vereinbarung zwischen zwei Gebietskörperschaften — Übertragung der Aufgabe der Reinigung bestimmter Räumlichkeiten durch eine Körperschaft auf eine andere gegen finanzielle Entschädigung“

In der Rechtssache C-386/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. Juli 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 2011, in dem Verfahren

Piepenbrock Dienstleistungen GmbH & Co. KG

gegen

Kreis Düren,

weitere Verfahrensbeteiligte:

Stadt Düren,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász, D. Šváby (Berichterstatter) und C. Vajda,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Piepenbrock Dienstleistungen GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt L. Wionzeck,

des Kreises Düren, vertreten durch die Rechtsanwälte R. Gruneberg und A. Wilden,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,

der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Tokár, G. Wilms und C. Zadra als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Piepenbrock Dienstleistungen GmbH & Co. KG (im Folgenden: Piepenbrock) und dem Kreis Düren (Deutschland) über den Entwurf eines Vertrags, mit dem der Kreis Düren gegen eine finanzielle Entschädigung die Aufgabe der Reinigung seiner im Gebiet der Stadt Düren gelegenen, aber in seinem Besitz befindlichen und von ihm genutzten Gebäude auf die Stadt Düren übertrug.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 heißt es:

„Die Vergabe von Aufträgen in den Mitgliedstaaten auf Rechnung des Staates, der Gebietskörperschaften und anderer Einrichtungen des öffentlichen Rechts ist an die Einhaltung der im [EG-]Vertrag niedergelegten Grundsätze gebunden, insbesondere des Grundsatzes des freien Warenverkehrs, des Grundsatzes der Niederlassungsfreiheit und des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit sowie der davon abgeleiteten Grundsätze wie z. B. des Grundsatzes der Gleichbehandlung, des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der Transparenz. Für öffentliche Aufträge, die einen bestimmten Wert überschreiten, empfiehlt sich indessen die Ausarbeitung von auf diesen Grundsätzen beruhenden Bestimmungen zur gemeinschaftlichen Koordinierung der nationalen Verfahren für die Vergabe solcher Aufträge, um die Wirksamkeit dieser Grundsätze und die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für den Wettbewerb zu garantieren. …“

4

Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„…

a)

‚Öffentliche Aufträge‘ sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie.

d)

‚Öffentliche Dienstleistungsaufträge‘ sind öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind.

(8)   Die Begriffe ‚Unternehmer‘, ‚Lieferant‘ und ‚Dienstleistungserbringer‘ bezeichnen natürliche oder juristische Personen, öffentliche Einrichtungen oder Gruppen dieser Personen und/oder Einrichtungen, die auf dem Markt die Ausführung von Bauleistungen, die Errichtung von Bauwerken, die Lieferung von Waren bzw. die Erbringung von Dienstleistungen anbieten.

Der Begriff ‚Wirtschaftsteilnehmer‘ umfasst sowohl Unternehmer als auch Lieferanten und Dienstleistungserbringer. Er dient ausschließlich der Vereinfachung des Textes.

…“

5

Dienstleistungen der Gebäudereinigung sind gemäß Anhang II Teil A Kategorie 14 der Richtlinie 2004/18 Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie.

Deutsches Recht

6

Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland lautet:

„Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. …“

7

§ 23 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: GkG NRW) hat folgenden Wortlaut:

„(1)   Gemeinden und Gemeindeverbände können vereinbaren, dass einer der Beteiligten einzelne Aufgaben der übrigen Beteiligten in seine Zuständigkeit übernimmt oder sich verpflichtet, solche Aufgaben für die übrigen Beteiligten durchzuführen.

(2)   Übernimmt ein Beteiligter eine Aufgabe der Übrigen in seine Zuständigkeit, so gehen das Recht und die Pflicht zur Erfüllung der Aufgabe auf ihn über. Verpflichtet sich einer der Beteiligten, eine Aufgabe für die Übrigen durchzuführen, so bleiben deren Rechte und Pflichten als Träger der Aufgabe unberührt.

(3)   In der Vereinbarung kann den übrigen Beteiligten ein Mitwirkungsrecht bei der Erfüllung oder Durchführung der Aufgaben eingeräumt werden; das gilt auch für die Bestellung von Dienstkräften.

(4)   In der Vereinbarung soll eine angemessene Entschädigung vorgesehen werden, die in der Regel so zu bemessen ist, dass die durch die Übernahme oder Durchführung entstehenden Kosten gedeckt werden.

(5)   Ist die Geltungsdauer der Vereinbarung nicht befristet oder beträgt die Frist mehr als 20 Jahre, so muss die Vereinbarung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form sie von einem Beteiligten gekündigt werden kann.“

8

In der Vorlageentscheidung wird hervorgehoben, dass zum einen im GkG NRW zwischen sogenannten mandatierenden Vereinbarungen, durch die sich eine Einrichtung verpflichtet, einzelne Aufgaben für eine andere durchzuführen, und sogenannten delegierenden Vereinbarungen unterschieden wird, bei denen mit der Folge eines Zuständigkeitswechsels eine Einrichtung die Aufgabe einer anderen übernimmt. Zum anderen wird in der nationalen Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die sogenannten mandatierenden Vereinbarungen dem Vergaberecht unterfallen, wenn sie entgeltlichen Charakter haben.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

9

Der Kreis Düren ist ein Gemeindeverband, zu dem die Stadt Düren gehört. Auf der Grundlage mehrerer Verträge führte Piepenbrock die Reinigungsarbeiten an den Gebäuden dieses Kreises durch.

10

Der Kreis erstellte zusammen mit der Stadt Düren den Entwurf einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung, wonach er zunächst für eine Pilotphase von zwei Jahren die Aufgabe der Reinigung seiner im Gebiet der Stadt Düren gelegenen Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäude auf die Stadt Düren übertrug.

11

§ 1 des Vertragsentwurfs lautet:

„1.   Der Kreis Düren übertragt die ihm obliegende Aufgabe der Reinigung seiner im Stadtgebiet Düren gelegenen und in seinem Besitz befindlichen Gebäude mit befreiender Wirkung auf die Stadt Düren.

2.   Die Aufgabe der Reinigung umfasst die Gebäude- und Glasreinigung in Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäuden des Kreises Düren.

3.   Die unter Abs. 1 und 2 beschriebene Aufgabe übernimmt die Stadt Düren in ihre alleinige Zuständigkeit. Das Recht und die Pflicht zur Erfüllung dieser Aufgabe gehen auf die Stadt Düren über (§ 23 Abs. 1, erste Alt., Abs. 2 S. 1 GkG NRW). Die Stadt Düren übernimmt die Pflichten des Kreises und ist insoweit allein verantwortlich.

4.   Die Stadt Düren darf sich zur Erfüllung der ihr nach Abs. 1 übertragenen Aufgaben Dritter bedienen.“

12

Der Vertragsentwurf sieht entsprechend § 23 Abs. 4 GkG NRW für die der Stadt Düren entstehenden Kosten eine finanzielle Entschädigung vor, die auf der Grundlage eines Stundensatzes festgesetzt wird.

13

Überdies geht aus den Akten, die dem Gerichtshof zugänglich waren, hervor, dass sich der Kreis Düren in dem Entwurf das Recht vorbehält, im Fall der Schlechterfüllung durch die Stadt Düren den Vertrag zu kündigen.

14

Wie der Vorlageentscheidung schließlich zu entnehmen ist, sollten die betreffenden Reinigungsaufgaben von der Dürener Reinigungsgesellschaft mbH, einer Gesellschaft, deren Eigner die Stadt Düren ist, erbracht werden.

15

Piepenbrock hat einen Nachprüfungsantrag eingereicht mit dem Ziel, dem Kreis Düren zu untersagen, den Vertrag ohne ein Vergabeverfahren abzuschließen, da nach Ansicht von Piepenbrock die Erledigung dieser Aufgabe gegen Entgelt eine marktgängige Leistung darstellt und von privaten Dienstleistern erbracht werden kann. Im Übrigen handele es sich in diesem Zusammenhang nicht um eine In-House-Vergabe, auf die nach dem Urteil vom 18. November 1999, Teckal (C-107/98, Slg. 1999, I-8121), das Vergaberecht nicht anzuwenden sei, denn die Voraussetzungen für die Annahme eines derartigen Ausnahmefalls seien nicht gegeben; auch ein Verweis auf das Urteil vom 9. Juni 2009, Kommission/Deutschland (C-480/06, Slg. 2009, I-4747), gehe wegen der fehlenden „horizontalen Zusammenarbeit“ zwischen den beiden beteiligten öffentlichen Einrichtungen fehl.

16

In erster Instanz wurde der Antrag von Piepenbrock mit der Begründung zurückgewiesen, dass der im Ausgangsverfahren streitige Vertragsentwurf eine sogenannte delegierende Vereinbarung im Sinne von § 23 GkG NRW betreffe, die nicht dem Vergaberecht unterliege. Piepenbrock hat daher vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass eine derartige Qualifizierung als delegierende Vereinbarung wegen der Merkmale des im Ausgangsverfahren streitigen Vertragsentwurfs unerheblich sei.

17

Der Kreis Düren hält dem entgegen, dass eine solche öffentlich-rechtliche Aufgabenübertragung als Entscheidung über die innerstaatliche Organisation nicht dem Vergaberecht unterliege.

18

Ausgehend von diesem Merkmal des im Ausgangsverfahren streitigen Vertragsentwurfs wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, welche Auswirkung der öffentlich-rechtliche Charakter dieser Vereinbarung im Hinblick auf die Anwendung der Vorschriften über öffentliche Aufträge habe.

19

Es stellt erstens fest, dass die fragliche Aufgabe nicht dem Bereich der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne der Art. 51 Abs. 1 AEUV und 62 AEUV zuzurechnen sei und deshalb von den Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit sowie den sekundärrechtlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Freiheiten, wie z. B. der Richtlinie 2004/18, erfasst werde.

20

Zweitens ist es der Auffassung, dass der dem Urteil Teckal zugrunde liegende Ausnahmefall nicht den im Ausgangsverfahren streitigen Vertragsentwurf betreffe, da der Kreis Düren über die Stadt Düren wie auch über die Dürener Reinigungsgesellschaft keine ähnliche Kontrolle ausübe wie über seine eigenen Dienststellen.

21

Drittens stellt es fest, dass der Rechtssache, über die es zu befinden habe, ein anderer Sachverhalt zugrunde liege als dem Urteil Kommission/Deutschland, da der hier im Ausgangsverfahren streitige Vertragsentwurf nicht durch eine Zusammenarbeit der fraglichen öffentlichen Einrichtungen gekennzeichnet sei, sondern die eine Einrichtung, was nach dem GkG NRW zulässig sei, schlicht eine ihrer Aufgaben auf eine andere delegiere.

22

Das vorlegende Gericht wirft jedoch die Frage auf, ob sich dem Urteil Kommission/Deutschland entnehmen lasse, dass auch andere Arten von Vereinbarungen zwischen Gebietskörperschaften als die in diesem Urteil behandelten vergaberechtsfrei seien. Fraglich sei somit, ob zwischen Vereinbarungen, die wie z. B. die Abfallbeseitigung Gemeinwohlaufgaben als solche beträfen, und Vereinbarungen, die die Erfüllung derartiger Aufgaben nur mittelbar beträfen, wie im vorliegenden Fall die Reinigung von Räumlichkeiten, die zur Erfüllung einer solchen Aufgabe genutzt würden, zu unterscheiden sei.

23

Außerdem stelle sich die Frage, ob nicht Vereinbarungen über eine interkommunale Zusammenarbeit als „innerstaatliche Verwaltungsorganisationsakte“ generell dem Vergaberecht entzogen seien. Die Verwaltungsorganisation der Mitgliedstaaten sei nicht Sache der Europäischen Union, und des Weiteren sei die Selbstverwaltung der Gemeinden und damit die Möglichkeit einer freiwilligen Zusammenarbeit zwischen Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland gewährleistet.

24

Demgegenüber sei darauf hinzuweisen, dass der Gegenstand des im Ausgangsverfahren streitigen Vertragsentwurfs mit einer der Richtlinie 2004/18 unterliegenden Beauftragung der Stadt Düren mit Reinigungsdienstleistungen gegen Entgelt praktisch identisch sei. Fraglich sei insofern, ob die Unterscheidung im Sinne des GkG NRW zwischen den sogenannten mandatierenden und den sogenannten delegierenden Vereinbarungen – wobei der fragliche Vertrag zur letztgenannten Kategorie gehöre – entscheidend sei, da im Fall einer Vereinbarung über Hilfsgeschäfte, die nicht unmittelbar die Tätigkeit der Kommunen nach außen hin beträfen, die Zuständigkeitsverschiebung rein formal sei und konkret die Wahl der einen oder der anderen Variante möglicher Vereinbarungen wirtschaftlich dieselben Auswirkungen habe. Deshalb könnte im Kontext des Ausgangsverfahrens die Wahl einer sogenannten delegierenden Vereinbarung als „Gestaltung …, mit der das Vergaberecht umgangen werden sollte“, im Sinne von Randnr. 48 des Urteils Kommission/Deutschland angesehen werden.

25

In diesem Zusammenhang hat das Oberlandesgericht Düsseldorf das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist unter einem „öffentlichen Auftrag“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 auch ein Vertrag zwischen zwei Gebietskörperschaften zu verstehen, durch den eine von ihnen der anderen eine eng begrenzte Zuständigkeit gegen Kostenerstattung überträgt, insbesondere dann, wenn die übertragene Aufgabe nicht die hoheitliche Tätigkeit als solche, sondern nur Hilfsgeschäfte betrifft?

Zur Vorlagefrage

26

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Vertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit dem eine öffentliche Einrichtung eine andere öffentliche Einrichtung mit der Aufgabe betraut, gegen eine finanzielle Entschädigung, die den bei der Durchführung dieser Aufgabe entstehenden Kosten entsprechen soll, bestimmte Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäude zu reinigen, wobei die letztgenannte Einrichtung sich zur Erfüllung dieser Aufgabe Dritter bedienen darf und die erstgenannte Einrichtung sich die Befugnis vorbehält, die ordnungsgemäße Erfüllung der fraglichen Aufgabe zu kontrollieren, ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2004/18 ist und als solcher den Bestimmungen dieser Richtlinie unterliegt.

27

Insoweit ist nämlich davon auszugehen, dass sich der Kreis Düren in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertragsentwurf eine derartige Kontrollbefugnis vorbehält, da der Vertrag vorsieht, dass der Kreis ihn im Fall der Schlechterfüllung durch die Stadt Düren kündigen kann.

28

Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 ein zwischen einem Wirtschaftsteilnehmer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossener schriftlicher entgeltlicher Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II Teil A dieser Richtlinie ein öffentlicher Auftrag ist.

29

Erstens ist dabei ohne Bedeutung, dass dieser Wirtschaftsteilnehmer selbst ein öffentlicher Auftraggeber ist und dass die betreffende Einrichtung nicht in erster Linie Gewinnerzielung anstrebt, nicht unternehmerisch strukturiert ist oder nicht ständig auf dem Markt tätig ist (Urteil vom 19. Dezember 2012, Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a., C-159/11, Randnr. 26).

30

Zweitens sind Tätigkeiten wie diejenigen, die Gegenstand des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertragsentwurfs sind, Dienstleistungen der Gebäudereinigung im Sinne von Anhang II Teil A Kategorie 14 der Richtlinie 2004/18.

31

Drittens ist ein Vertrag auch dann als „entgeltlich“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 anzusehen, wenn sich die vorgesehene Vergütung auf den Ersatz der Kosten beschränkt, die durch die Erbringung der vereinbarten Dienstleistung entstehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a., Randnr. 29).

32

Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht anzustellenden Prüfung dürfte ein Vertrag wie der im Ausgangsverfahren entworfene alle vorgenannten Merkmale aufweisen und daher grundsätzlich ein öffentlicher Auftrag sein.

33

Zum anderen dürfte ein solcher Vertrag nicht zu den zwei Arten von Aufträgen gehören, die, obwohl sie von öffentlichen Einrichtungen vergeben werden, nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union fallen.

34

Erstens handelt es sich um Verträge zwischen einer öffentlichen Einrichtung und einer rechtlich von dieser verschiedenen Person, wenn die Einrichtung über die betreffende Person eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und die genannte Person zugleich im Wesentlichen für die Einrichtung oder die Einrichtungen tätig ist, die ihre Anteile innehat bzw. innehaben (vgl. in diesem Sinne Urteile Teckal, Randnr. 50, und Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a., Randnr. 32).

35

Insoweit steht fest, dass bei einem Vertrag wie dem im Ausgangsverfahren entworfenen keine dieser Bedingungen erfüllt ist. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich nämlich, dass im Kontext des Ausgangsverfahrens zunächst keine Einrichtung Inhaber von Anteilen der anderen ist. Sodann übt die Einrichtung, die die andere mit der Durchführung einer Aufgabe betraut – auch wenn sie sich das Recht zur Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung dieser Aufgabe vorbehält –, über die andere Einrichtung keine Kontrolle aus, die als derjenigen, die sie über ihre eigenen Dienststellen ausübt, ähnlich eingestuft werden könnte. Schließlich ist die betraute Einrichtung nicht im Wesentlichen für die betrauende Einrichtung tätig.

36

Zweitens handelt es sich um Verträge, mit denen eine Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden Gemeinwohlaufgabe vereinbart wird (vgl. Urteil Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a., Randnr. 34).

37

In einem solchen Fall sind die unionsrechtlichen Vergabevorschriften nicht anwendbar, sofern solche Verträge ausschließlich zwischen öffentlichen Einrichtungen ohne Beteiligung Privater geschlossen werden, kein privater Dienstleistungserbringer besser gestellt wird als seine Wettbewerber und die darin vereinbarte Zusammenarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen (Urteil Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a., Randnr. 35).

38

Alle vorgenannten Kriterien sind kumulativ, so dass ein zwischen öffentlichen Einrichtungen zustande gekommener Auftrag aufgrund dieser Ausnahme nur dann nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union fällt, wenn der Vertrag, der ihm zugrunde liegt, alle diese Kriterien erfüllt (vgl. in diesem Sinne Urteil Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a., Randnr. 36).

39

Aus den Feststellungen des vorlegenden Gerichts geht aber hervor, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertragsentwurf nicht die Vereinbarung einer Zusammenarbeit zwischen den beiden vertragschließenden öffentlichen Einrichtungen zur Wahrnehmung einer gemeinsamen Gemeinwohlaufgabe zum Gegenstand zu haben scheint.

40

Im Übrigen geht aus diesen Feststellungen auch hervor, dass dieser Vertrag zur Erfüllung der darin vorgesehenen Aufgabe den Rückgriff auf einen Dritten gestattet, so dass dieser Dritte gegenüber den übrigen auf demselben Markt tätigen Unternehmen begünstigt werden könnte.

41

Nach alledem ist auf die gestellte Frage zu antworten, dass ein Vertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit dem, ohne eine Zusammenarbeit zwischen den vertragschließenden öffentlichen Einrichtungen zur Wahrnehmung einer gemeinsamen Gemeinwohlaufgabe vorzusehen, eine öffentliche Einrichtung eine andere öffentliche Einrichtung mit der Aufgabe betraut, gegen eine finanzielle Entschädigung, die den bei der Durchführung dieser Aufgabe entstehenden Kosten entsprechen soll, bestimmte Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäude zu reinigen, wobei die erstgenannte Einrichtung sich die Befugnis vorbehält, die ordnungsgemäße Erfüllung der fraglichen Aufgabe zu kontrollieren, und die letztgenannte Einrichtung sich zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgabe Dritter bedienen darf, die unter Umständen in der Lage sind, zur Durchführung dieser Aufgabe auf dem Markt tätig zu werden, ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2004/18 ist.

Kosten

42

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

Ein Vertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit dem, ohne eine Zusammenarbeit zwischen den vertragschließenden öffentlichen Einrichtungen zur Wahrnehmung einer gemeinsamen Gemeinwohlaufgabe vorzusehen, eine öffentliche Einrichtung eine andere öffentliche Einrichtung mit der Aufgabe betraut, gegen eine finanzielle Entschädigung, die den bei der Durchführung dieser Aufgabe entstehenden Kosten entsprechen soll, bestimmte Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäude zu reinigen, wobei die erstgenannte Einrichtung sich die Befugnis vorbehält, die ordnungsgemäße Erfüllung der fraglichen Aufgabe zu kontrollieren, und die letztgenannte Einrichtung sich zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgabe Dritter bedienen darf, die unter Umständen in der Lage sind, zur Durchführung dieser Aufgabe auf dem Markt tätig zu werden, ist ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.


Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In der Rechtssache C-386/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. Juli 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 2011, in dem Verfahren

Piepenbrock Dienstleistungen GmbH & Co. KG

gegen

Kreis Düren,

weitere Verfahrensbeteiligte:

Stadt Düren,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász, D. Šváby (Berichterstatter) und C. Vajda,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Piepenbrock Dienstleistungen GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt L. Wionzeck,

– des Kreises Düren, vertreten durch die Rechtsanwälte R. Gruneberg und A. Wilden,

– der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,

– der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Tokár, G. Wilms und C. Zadra als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Piepenbrock Dienstleistungen GmbH & Co. KG (im Folgenden: Piepenbrock) und dem Kreis Düren (Deutschland) über den Entwurf eines Vertrags, mit dem der Kreis Düren gegen eine finanzielle Entschädigung die Aufgabe der Reinigung seiner im Gebiet der Stadt Düren gelegenen, aber in seinem Besitz befindlichen und von ihm genutzten Gebäude auf die Stadt Düren übertrug.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3. Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 heißt es:

„Die Vergabe von Aufträgen in den Mitgliedstaaten auf Rechnung des Staates, der Gebietskörperschaften und anderer Einrichtungen des öffentlichen Rechts ist an die Einhaltung der im [EG-]Vertrag niedergelegten Grundsätze gebunden, insbesondere des Grundsatzes des freien Warenverkehrs, des Grundsatzes der Niederlassungsfreiheit und des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit sowie der davon abgeleiteten Grundsätze wie z. B. des Grundsatzes der Gleichbehandlung, des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der Transparenz. Für öffentliche Aufträge, die einen bestimmten Wert überschreiten, empfiehlt sich indessen die Ausarbeitung von auf diesen Grundsätzen beruhenden Bestimmungen zur gemeinschaftlichen Koordinierung der nationalen Verfahren für die Vergabe solcher Aufträge, um die Wirksamkeit dieser Grundsätze und die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für den Wettbewerb zu garantieren. …“

4. Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„…

(2) a) ‚Öffentliche Aufträge‘ sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie.

d) ‚Öffentliche Dienstleistungsaufträge‘ sind öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind.

(8) Die Begriffe ‚Unternehmer‘, ‚Lieferant‘ und ‚Dienstleistungserbringer‘ bezeichnen natürliche oder juristische Personen, öffentliche Einrichtungen oder Gruppen dieser Personen und/oder Einrichtungen, die auf dem Markt die Ausführung von Bauleistungen, die Errichtung von Bauwerken, die Lieferung von Waren bzw. die Erbringung von Dienstleistungen anbieten.

Der Begriff ‚Wirtschaftsteilnehmer‘ umfasst sowohl Unternehmer als auch Lieferanten und Dienstleistungserbringer. Er dient ausschließlich der Vereinfachung des Textes.

…“

5. Dienstleistungen der Gebäudereinigung sind gemäß Anhang II Teil A Kategorie 14 der Richtlinie 2004/18 Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie.

Deutsches Recht

6. Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland lautet:

„Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. …“

7. § 23 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: GkG NRW) hat folgenden Wortlaut:

„(1) Gemeinden und Gemeindeverbände können vereinbaren, dass einer der Beteiligten einzelne Aufgaben der übrigen Beteiligten in seine Zuständigkeit übernimmt oder sich verpflichtet, solche Aufgaben für die übrigen Beteiligten durchzuführen.

(2) Übernimmt ein Beteiligter eine Aufgabe der Übrigen in seine Zuständigkeit, so gehen das Recht und die Pflicht zur Erfüllung der Aufgabe auf ihn über. Verpflichtet sich einer der Beteiligten, eine Aufgabe für die Übrigen durchzuführen, so bleiben deren Rechte und Pflichten als Träger der Aufgabe unberührt.

(3) In der Vereinbarung kann den übrigen Beteiligten ein Mitwirkungsrecht bei der Erfüllung oder Durchführung der Aufgaben eingeräumt werden; das gilt auch für die Bestellung von Dienstkräften.

(4) In der Vereinbarung soll eine angemessene Entschädigung vorgesehen werden, die in der Regel so zu bemessen ist, dass die durch die Übernahme oder Durchführung entstehenden Kosten gedeckt werden.

(5) Ist die Geltungsdauer der Vereinbarung nicht befristet oder beträgt die Frist mehr als 20 Jahre, so muss die Vereinbarung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form sie von einem Beteiligten gekündigt werden kann.“

8. In der Vorlageentscheidung wird hervorgehoben, dass zum einen im GkG NRW zwischen sogenannten mandatierenden Vereinbarungen, durch die sich eine Einrichtung verpflichtet, einzelne Aufgaben für eine andere durchzuführen, und sogenannten delegierenden Vereinbarungen unterschieden wird, bei denen mit der Folge eines Zuständigkeitswechsels eine Einrichtung die Aufgabe einer anderen übernimmt. Zum anderen wird in der nationalen Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die sogenannten mandatierenden Vereinbarungen dem Vergaberecht unterfallen, wenn sie entgeltlichen Charakter haben.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

9. Der Kreis Düren ist ein Gemeindeverband, zu dem die Stadt Düren gehört. Auf der Grundlage mehrerer Verträge führte Piepenbrock die Reinigungsarbeiten an den Gebäuden dieses Kreises durch.

10. Der Kreis erstellte zusammen mit der Stadt Düren den Entwurf einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung, wonach er zunächst für eine Pilotphase von zwei Jahren die Aufgabe der Reinigung seiner im Gebiet der Stadt Düren gelegenen Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäude auf die Stadt Düren übertrug.

11. § 1 des Vertragsentwurfs lautet:

„1. Der Kreis Düren übertragt die ihm obliegende Aufgabe der Reinigung seiner im Stadtgebiet Düren gelegenen und in seinem Besitz befindlichen Gebäude mit befreiender Wirkung auf die Stadt Düren.

2. Die Aufgabe der Reinigung umfasst die Gebäude- und Glasreinigung in Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäuden des Kreises Düren.

3. Die unter Abs. 1 und 2 beschriebene Aufgabe übernimmt die Stadt Düren in ihre alleinige Zuständigkeit. Das Recht und die Pflicht zur Erfüllung dieser Aufgabe gehen auf die Stadt Düren über (§ 23 Abs. 1, erste Alt., Abs. 2 S. 1 GkG NRW). Die Stadt Düren übernimmt die Pflichten des Kreises und ist insoweit allein verantwortlich.

4. Die Stadt Düren darf sich zur Erfüllung der ihr nach Abs. 1 übertragenen Aufgaben Dritter bedienen.“

12. Der Vertragsentwurf sieht entsprechend § 23 Abs. 4 GkG NRW für die der Stadt Düren entstehenden Kosten eine finanzielle Entschädigung vor, die auf der Grundlage eines Stundensatzes festgesetzt wird.

13. Überdies geht aus den Akten, die dem Gerichtshof zugänglich waren, hervor, dass sich der Kreis Düren in dem Entwurf das Recht vorbehält, im Fall der Schlechterfüllung durch die Stadt Düren den Vertrag zu kündigen.

14. Wie der Vorlageentscheidung schließlich zu entnehmen ist, sollten die betreffenden Reinigungsaufgaben von der Dürener Reinigungsgesellschaft mbH, einer Gesellschaft, deren Eigner die Stadt Düren ist, erbracht werden.

15. Piepenbrock hat einen Nachprüfungsantrag eingereicht mit dem Ziel, dem Kreis Düren zu untersagen, den Vertrag ohne ein Vergabeverfahren abzuschließen, da nach Ansicht von Piepenbrock die Erledigung dieser Aufgabe gegen Entgelt eine marktgängige Leistung darstellt und von privaten Dienstleistern erbracht werden kann. Im Übrigen handele es sich in diesem Zusammenhang nicht um eine In-House-Vergabe, auf die nach dem Urteil vom 18. November 1999, Teckal (C-107/98, Slg. 1999, I-8121), das Vergaberecht nicht anzuwenden sei, denn die Voraussetzungen für die Annahme eines derartigen Ausnahmefalls seien nicht gegeben; auch ein Verweis auf das Urteil vom 9. Juni 2009, Kommission/Deutschland (C-480/06, Slg. 2009, I-4747), gehe wegen der fehlenden „horizontalen Zusammenarbeit“ zwischen den beiden beteiligten öffentlichen Einrichtungen fehl.

16. In erster Instanz wurde der Antrag von Piepenbrock mit der Begründung zurückgewiesen, dass der im Ausgangsverfahren streitige Vertragsentwurf eine sogenannte delegierende Vereinbarung im Sinne von § 23 GkG NRW betreffe, die nicht dem Vergaberecht unterliege. Piepenbrock hat daher vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass eine derartige Qualifizierung als delegierende Vereinbarung wegen der Merkmale des im Ausgangsverfahren streitigen Vertragsentwurfs unerheblich sei.

17. Der Kreis Düren hält dem entgegen, dass eine solche öffentlich-rechtliche Aufgabenübertragung als Entscheidung über die innerstaatliche Organisation nicht dem Vergaberecht unterliege.

18. Ausgehend von diesem Merkmal des im Ausgangsverfahren streitigen Vertragsentwurfs wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, welche Auswirkung der öffentlich-rechtliche Charakter dieser Vereinbarung im Hinblick auf die Anwendung der Vorschriften über öffentliche Aufträge habe.

19. Es stellt erstens fest, dass die fragliche Aufgabe nicht dem Bereich der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne der Art. 51 Abs. 1 AEUV und 62 AEUV zuzurechnen sei und deshalb von den Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit sowie den sekundärrechtlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Freiheiten, wie z. B. der Richtlinie 2004/18, erfasst werde.

20. Zweitens ist es der Auffassung, dass der dem Urteil Teckal zugrunde liegende Ausnahmefall nicht den im Ausgangsverfahren streitigen Vertragsentwurf betreffe, da der Kreis Düren über die Stadt Düren wie auch über die Dürener Reinigungsgesellschaft keine ähnliche Kontrolle ausübe wie über seine eigenen Dienststellen.

21. Drittens stellt es fest, dass der Rechtssache, über die es zu befinden habe, ein anderer Sachverhalt zugrunde liege als dem Urteil Kommission/Deutschland, da der hier im Ausgangsverfahren streitige Vertragsentwurf nicht durch eine Zusammenarbeit der fraglichen öffentlichen Einrichtungen gekennzeichnet sei, sondern die eine Einrichtung, was nach dem GkG NRW zulässig sei, schlicht eine ihrer Aufgaben auf eine andere delegiere.

22. Das vorlegende Gericht wirft jedoch die Frage auf, ob sich dem Urteil Kommission/Deutschland entnehmen lasse, dass auch andere Arten von Vereinbarungen zwischen Gebietskörperschaften als die in diesem Urteil behandelten vergaberechtsfrei seien. Fraglich sei somit, ob zwischen Vereinbarungen, die wie z. B. die Abfallbeseitigung Gemeinwohlaufgaben als solche beträfen, und Vereinbarungen, die die Erfüllung derartiger Aufgaben nur mittelbar beträfen, wie im vorliegenden Fall die Reinigung von Räumlichkeiten, die zur Erfüllung einer solchen Aufgabe genutzt würden, zu unterscheiden sei.

23. Außerdem stelle sich die Frage, ob nicht Vereinbarungen über eine interkommunale Zusammenarbeit als „innerstaatliche Verwaltungsorganisationsakte“ generell dem Vergaberecht entzogen seien. Die Verwaltungsorganisation der Mitgliedstaaten sei nicht Sache der Europäischen Union, und des Weiteren sei die Selbstverwaltung der Gemeinden und damit die Möglichkeit einer freiwilligen Zusammenarbeit zwischen Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland gewährleistet.

24. Demgegenüber sei darauf hinzuweisen, dass der Gegenstand des im Ausgangsverfahren streitigen Vertragsentwurfs mit einer der Richtlinie 2004/18 unterliegenden Beauftragung der Stadt Düren mit Reinigungsdienstleistungen gegen Entgelt praktisch identisch sei. Fraglich sei insofern, ob die Unterscheidung im Sinne des GkG NRW zwischen den sogenannten mandatierenden und den sogenannten delegierenden Vereinbarungen – wobei der fragliche Vertrag zur letztgenannten Kategorie gehöre – entscheidend sei, da im Fall einer Vereinbarung über Hilfsgeschäfte, die nicht unmittelbar die Tätigkeit der Kommunen nach außen hin beträfen, die Zuständigkeitsverschiebung rein formal sei und konkret die Wahl der einen oder der anderen Variante möglicher Vereinbarungen wirtschaftlich dieselben Auswirkungen habe. Deshalb könnte im Kontext des Ausgangsverfahrens die Wahl einer sogenannten delegierenden Vereinbarung als „Gestaltung …, mit der das Vergaberecht umgangen werden sollte“, im Sinne von Randnr. 48 des Urteils Kommission/Deutschland angesehen werden.

25. In diesem Zusammenhang hat das Oberlandesgericht Düsseldorf das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist unter einem „öffentlichen Auftrag“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 auch ein Vertrag zwischen zwei Gebietskörperschaften zu verstehen, durch den eine von ihnen der anderen eine eng begrenzte Zuständigkeit gegen Kostenerstattung überträgt, insbesondere dann, wenn die übertragene Aufgabe nicht die hoheitliche Tätigkeit als solche, sondern nur Hilfsgeschäfte betrifft?

Zur Vorlagefrage

26. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Vertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit dem eine öffentliche Einrichtung eine andere öffentliche Einrichtung mit der Aufgabe betraut, gegen eine finanzielle Entschädigung, die den bei der Durchführung dieser Aufgabe entstehenden Kosten entsprechen soll, bestimmte Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäude zu reinigen, wobei die letztgenannte Einrichtung sich zur Erfüllung dieser Aufgabe Dritter bedienen darf und die erstgenannte Einrichtung sich die Befugnis vorbehält, die ordnungsgemäße Erfüllung der fraglichen Aufgabe zu kontrollieren, ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2004/18 ist und als solcher den Bestimmungen dieser Richtlinie unterliegt.

27. Insoweit ist nämlich davon auszugehen, dass sich der Kreis Düren in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertragsentwurf eine derartige Kontrollbefugnis vorbehält, da der Vertrag vorsieht, dass der Kreis ihn im Fall der Schlechterfüllung durch die Stadt Düren kündigen kann.

28. Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 ein zwischen einem Wirtschaftsteilnehmer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossener schriftlicher entgeltlicher Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II Teil A dieser Richtlinie ein öffentlicher Auftrag ist.

29. Erstens ist dabei ohne Bedeutung, dass dieser Wirtschaftsteilnehmer selbst ein öffentlicher Auftraggeber ist und dass die betreffende Einrichtung nicht in erster Linie Gewinnerzielung anstrebt, nicht unternehmerisch strukturiert ist oder nicht ständig auf dem Markt tätig ist (Urteil vom 19. Dezember 2012, Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a., C-159/11, Randnr. 26).

30. Zweitens sind Tätigkeiten wie diejenigen, die Gegenstand des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertragsentwurfs sind, Dienstleistungen der Gebäudereinigung im Sinne von Anhang II Teil A Kategorie 14 der Richtlinie 2004/18.

31. Drittens ist ein Vertrag auch dann als „entgeltlich“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 anzusehen, wenn sich die vorgesehene Vergütung auf den Ersatz der Kosten beschränkt, die durch die Erbringung der vereinbarten Dienstleistung entstehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a., Randnr. 29).

32. Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht anzustellenden Prüfung dürfte ein Vertrag wie der im Ausgangsverfahren entworfene alle vorgenannten Merkmale aufweisen und daher grundsätzlich ein öffentlicher Auftrag sein.

33. Zum anderen dürfte ein solcher Vertrag nicht zu den zwei Arten von Aufträgen gehören, die, obwohl sie von öffentlichen Einrichtungen vergeben werden, nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union fallen.

34. Erstens handelt es sich um Verträge zwischen einer öffentlichen Einrichtung und einer rechtlich von dieser verschiedenen Person, wenn die Einrichtung über die betreffende Person eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und die genannte Person zugleich im Wesentlichen für die Einrichtung oder die Einrichtungen tätig ist, die ihre Anteile innehat bzw. innehaben (vgl. in diesem Sinne Urteile Teckal, Randnr. 50, und Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a., Randnr. 32).

35. Insoweit steht fest, dass bei einem Vertrag wie dem im Ausgangsverfahren entworfenen keine dieser Bedingungen erfüllt ist. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich nämlich, dass im Kontext des Ausgangsverfahrens zunächst keine Einrichtung Inhaber von Anteilen der anderen ist. Sodann übt die Einrichtung, die die andere mit der Durchführung einer Aufgabe betraut – auch wenn sie sich das Recht zur Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung dieser Aufgabe vorbehält –, über die andere Einrichtung keine Kontrolle aus, die als derjenigen, die sie über ihre eigenen Dienststellen ausübt, ähnlich eingestuft werden könnte. Schließlich ist die betraute Einrichtung nicht im Wesentlichen für die betrauende Einrichtung tätig.

36. Zweitens handelt es sich um Verträge, mit denen eine Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden Gemeinwohlaufgabe vereinbart wird (vgl. Urteil Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a., Randnr. 34).

37. In einem solchen Fall sind die unionsrechtlichen Vergabevorschriften nicht anwendbar, sofern solche Verträge ausschließlich zwischen öffentlichen Einrichtungen ohne Beteiligung Privater geschlossen werden, kein privater Dienstleistungserbringer besser gestellt wird als seine Wettbewerber und die darin vereinbarte Zusammenarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen (Urteil Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a., Randnr. 35).

38. Alle vorgenannten Kriterien sind kumulativ, so dass ein zwischen öffentlichen Einrichtungen zustande gekommener Auftrag aufgrund dieser Ausnahme nur dann nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union fällt, wenn der Vertrag, der ihm zugrunde liegt, alle diese Kriterien erfüllt (vgl. in diesem Sinne Urteil Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a., Randnr. 36).

39. Aus den Feststellungen des vorlegenden Gerichts geht aber hervor, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertragsentwurf nicht die Vereinbarung einer Zusammenarbeit zwischen den beiden vertragschließenden öffentlichen Einrichtungen zur Wahrnehmung einer gemeinsamen Gemeinwohlaufgabe zum Gegenstand zu haben scheint.

40. Im Übrigen geht aus diesen Feststellungen auch hervor, dass dieser Vertrag zur Erfüllung der darin vorgesehenen Aufgabe den Rückgriff auf einen Dritten gestattet, so dass dieser Dritte gegenüber den übrigen auf demselben Markt tätigen Unternehmen begünstigt werden könnte.

41. Nach alledem ist auf die gestellte Frage zu antworten, dass ein Vertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit dem, ohne eine Zusammenarbeit zwischen den vertragschließenden öffentlichen Einrichtungen zur Wahrnehmung einer gemeinsamen Gemeinwohlaufgabe vorzusehen, eine öffentliche Einrichtung eine andere öffentliche Einrichtung mit der Aufgabe betraut, gegen eine finanzielle Entschädigung, die den bei der Durchführung dieser Aufgabe entstehenden Kosten entsprechen soll, bestimmte Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäude zu reinigen, wobei die erstgenannte Einrichtung sich die Befugnis vorbehält, die ordnungsgemäße Erfüllung der fraglichen Aufgabe zu kontrollieren, und die letztgenannte Einrichtung sich zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgabe Dritter bedienen darf, die unter Umständen in der Lage sind, zur Durchführung dieser Aufgabe auf dem Markt tätig zu werden, ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2004/18 ist.

Kosten

42. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Ein Vertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit dem, ohne eine Zusammenarbeit zwischen den vertragschließenden öffentlichen Einrichtungen zur Wahrnehmung einer gemeinsamen Gemeinwohlaufgabe vorzusehen, eine öffentliche Einrichtung eine andere öffentliche Einrichtung mit der Aufgabe betraut, gegen eine finanzielle Entschädigung, die den bei der Durchführung dieser Aufgabe entstehenden Kosten entsprechen soll, bestimmte Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäude zu reinigen, wobei die erstgenannte Einrichtung sich die Befugnis vorbehält, die ordnungsgemäße Erfüllung der fraglichen Aufgabe zu kontrollieren, und die letztgenannte Einrichtung sich zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgabe Dritter bedienen darf, die unter Umständen in der Lage sind, zur Durchführung dieser Aufgabe auf dem Markt tätig zu werden, ist ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge.