URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

31. Januar 2013 ( *1 )

„Richtlinie 98/70/EG — Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen — Art. 3 bis 5 — Umweltbezogene Kraftstoffspezifikationen — Richtlinie 98/34/EG — Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft — Art. 1 und 8 — Begriff der ‚technischen Vorschrift‘ — Übermittlungspflicht für Entwürfe technischer Vorschriften — Nationale Regelung, wonach Erdölgesellschaften, die Otto- und/oder Dieselkraftstoffe auf den Markt bringen, in demselben Kalenderjahr ebenfalls eine bestimmte Menge Biokraftstoffe auf den Markt bringen müssen“

In der Rechtssache C-26/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Grondwettelijk Hof (Belgien) mit Entscheidung vom 22. Dezember 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Januar 2011, in dem Verfahren

Belgische Petroleum Unie VZW,

Continental Tanking Company NV,

Belgische Olie Maatschappij NV,

Octa NV,

Van Der Sluijs Group Belgium NV,

Belgomazout Liège NV,

Martens Energie NV,

Transcor Oil Services NV,

Mabanaft BV,

Belgomine NV,

Van Raak Distributie NV,

Bouts NV,

Gabriels & Co NV,

Joassin René NV,

Orion Trading Group NV,

Petrus NV,

Argosoil Belgium BVBA

gegen

Belgische Staat,

Beteiligte:

Belgian Bioethanol Association VZW,

Belgian Biodiesel Board VZW,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts, G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Gesellschaften Belgische Petroleum Unie VZW, Continental Tanking Company NV, Belgische Olie Maatschappij NV, Octa NV, Van Der Sluijs Group Belgium NV, Belgomazout Liège NV, Martens Energie NV, Transcor Oil Services NV, Mabanaft BV, Belgomine NV, Van Raak Distributie NV, Bouts NV, Gabriels & Co NV, Joassin René NV, Orion Trading Group NV, Petrus NV und Argosoil Belgium BVBA, vertreten durch P. Mallien und M. Deketelaere, advocaten,

des belgischen Staates, vertreten durch J.-F. De Bock, advocaat,

der Belgian Bioethanol Association VZW und der Belgian Biodiesel Board VZW, vertreten durch P. De Bandt, avocat,

der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet als Bevollmächtigte im Beistand von J.-F. De Bock, advocaat,

der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und B. Koopman als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Alcover San Pedro, K. Herrmann und E. Manhaeve als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 19. Juli 2012

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 3 bis 5 der Richtlinie 98/70/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 93/12/EWG des Rates (ABl. L 350, S. 58) in der durch die Richtlinie 2009/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 (ABl. L 140, S. 88) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 98/70), des Art. 4 Abs. 3 EUV, der Art. 26 Abs. 2 AEUV, 28 AEUV und 34 AEUV bis 36 AEUV sowie des Art. 8 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204, S. 37) in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. L 217, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 98/34).

2

Dieses Ersuchen erging im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Belgische Petroleum Unie VZW, Continental Tanking Company NV, Belgische Olie Maatschappij NV, Octa NV, Van Der Sluijs Group Belgium NV, Belgomazout Liège NV, Martens Energie NV, Transcor Oil Services NV, Mabanaft BV, Belgomine NV, Van Raak Distributie NV, Bouts NV, Gabriels & Co NV, Joassin René NV, Orion Trading Group NV, Petrus NV und Argosoil Belgium BVBA (im Folgenden zusammen: BPU u. a.) einerseits und dem belgischen Staat andererseits über das Gesetz vom 22. Juli 2009 über die Verpflichtung zur Beimischung von Biokraftstoff in die in den steuerrechtlich freien Verkehr überführten fossilen Kraftstoffe (Belgisch Staatsblad vom 3. August 2009, S. 51920, im Folgenden: Gesetz über die Verpflichtung zur Beimischung).

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 98/34

3

Art. 1 der Richtlinie 98/34 lautet:

„Für diese Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1.

‚Erzeugnis‘: Erzeugnisse, die gewerblich hergestellt werden, und landwirtschaftliche Erzeugnisse, einschließlich Fischprodukte;

3.

‚technische Spezifikation‘: Spezifikation, die in einem Schriftstück enthalten ist, das Merkmale für ein Erzeugnis vorschreibt, wie Qualitätsstufen, Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit oder Abmessungen, einschließlich der Vorschriften über Verkaufsbezeichnung, Terminologie, Symbole, Prüfungen und Prüfverfahren, Verpackung, Kennzeichnung und Beschriftung des Erzeugnisses sowie über Konformitätsbewertungsverfahren.

4.

‚sonstige Vorschrift‘: eine Vorschrift für ein Erzeugnis, die keine technische Spezifikation ist und insbesondere zum Schutz der Verbraucher oder der Umwelt erlassen wird und den Lebenszyklus des Erzeugnisses nach dem Inverkehrbringen betrifft, wie Vorschriften für Gebrauch, Wiederverwertung, Wiederverwendung oder Beseitigung, sofern diese Vorschriften die Zusammensetzung oder die Art des Erzeugnisses oder seine Vermarktung wesentlich beeinflussen können;

11.

‚Technische Vorschrift‘: Technische Spezifikationen oder sonstige Vorschriften oder Vorschriften betreffend Dienste, einschließlich der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, deren Beachtung rechtlich oder de facto für das Inverkehrbringen, die Erbringung des Dienstes, die Niederlassung eines Erbringers von Diensten oder die Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, sowie – vorbehaltlich der in Artikel 10 genannten Bestimmungen – die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, mit denen Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses oder Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder die Niederlassung als Erbringer von Diensten verboten werden.

…“

4

Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Vorbehaltlich des Artikels 10 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt; in diesem Fall reicht die Mitteilung aus, um welche Norm es sich handelt. Sie unterrichten die Kommission gleichzeitig in einer Mitteilung über die Gründe, die die Festlegung einer derartigen technischen Vorschrift erforderlich machen, es sei denn, die Gründe gehen bereits aus dem Entwurf hervor.“

5

Art. 10 Abs. 1 der genannten Richtlinie sieht vor:

„Die Artikel 8 und 9 gelten nicht für Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten oder für freiwillige Vereinbarungen, durch die die Mitgliedstaaten

den verbindlichen Gemeinschaftsrechtsakten, mit denen technische Spezifikationen oder Vorschriften betreffend Dienste in Kraft gesetzt werden, nachkommen;

lediglich eine technische Vorschrift im Sinne des Artikels 1 Nummer 11 zum Zweck der Beseitigung eines Handelshemmnisses oder – in Bezug auf Vorschriften betreffend Dienste – eines Hemmnisses für den freien Dienstleistungsverkehr oder die Niederlassungsfreiheit von Betreibern entsprechend einem Antrag der Kommission ändern.“

Richtlinie 98/70

6

Art. 3 („Ottokraftstoff“) der Richtlinie 98/70 bestimmt in den Abs. 1 bis 3:

„(1)   Die Mitgliedstaaten untersagen in ihrem Hoheitsgebiet spätestens ab dem 1. Januar 2000 das Inverkehrbringen von verbleitem Ottokraftstoff.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Ottokraftstoff in ihrem Hoheitsgebiet nur in Verkehr gebracht werden darf, wenn er die umweltbezogenen Spezifikationen des Anhangs I erfüllt.

Für Gebiete in äußerster Randlage können die Mitgliedstaaten jedoch besondere Vorschriften für die Einführung von Ottokraftstoff mit einem Schwefelhöchstgehalt von 10 mg/kg vorsehen. Mitgliedstaaten, die diese Bestimmung anwenden, unterrichten die Kommission entsprechend.

(3)   Die Mitgliedstaaten verpflichten die Anbieter sicherzustellen, dass bis 2013 Ottokraftstoff mit einem maximalen Sauerstoffgehalt von 2,7 % und einem maximalen Ethanolgehalt von 5 % in Verkehr gebracht wird, und können die Anbieter verpflichten, dass solcher Ottokraftstoff für einen längeren Zeitraum in Verkehr gebracht wird, falls sie dies für notwendig erachten. Sie stellen sicher, dass die Verbraucher über den Biokraftstoffanteil des Ottokraftstoffs, und insbesondere über den geeigneten Einsatz der verschiedenen Ottokraftstoffmischungen, angemessen unterrichtet werden.“

7

Anhang I („Umweltbezogene Spezifikationen für handelsübliche Kraftstoffe zur Verwendung in Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor“) der Richtlinie 98/70 legt für Ottokraftstoff den maximalen Grenzwert für Ethanol bei 10 v/v % fest.

8

Art. 4 („Dieselkraftstoff“) dieser Richtlinie sieht in Abs. 1 vor:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Dieselkraftstoff in ihrem Hoheitsgebiet nur in Verkehr gebracht werden darf, wenn er den Spezifikationen des Anhangs II entspricht.

Unbeschadet der Anforderungen des Anhangs II können die Mitgliedstaaten zulassen, dass Dieselkraftstoff mit einem Gehalt an Fettsäuremethylester (FAME) von mehr als 7 % in Verkehr gebracht wird.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verbraucher über den Biokraftstoffanteil im Dieselkraftstoff, insbesondere dessen FAME-Gehalt, angemessen unterrichtet werden.“

9

Nach Anhang II („Umweltbezogene Spezifikationen für handelsübliche Kraftstoffe zur Verwendung in Fahrzeugen mit Kompressionszündungsmotor“) wird der maximale Grenzwert für den FAME-Gehalt des Dieselkraftstoffs bei 7 v/v % festgesetzt.

10

Art. 5 („Freier Verkehr“) dieser Richtlinie hat folgenden Wortlaut:

„Die Mitgliedstaaten dürfen das Inverkehrbringen von Kraftstoffen, die den Vorschriften dieser Richtlinie entsprechen, weder untersagen noch beschränken noch verhindern.“

Richtlinie 2003/30/EG

11

Die Erwägungsgründe 19 und 21 der Richtlinie 2003/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Mai 2003 zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor (ABl. L 123, S. 42) lauten:

„(19)

In seiner Entschließung vom 18. Juni 1998 [ABl. C 210, S. 215] forderte das Europäische Parlament, den Marktanteil der Biokraftstoffe durch ein Maßnahmenpaket, das unter anderem Steuerbefreiungen, Beihilfen für die Verarbeitungsindustrie und die Festlegung einer obligatorischen Biokraftstoffquote für Mineralölunternehmen vorsieht, innerhalb von fünf Jahren auf 2 % zu erhöhen.

(21)

Die Politik der Mitgliedstaaten zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen sollte nicht dazu führen, dass der freie Warenverkehr mit Kraftstoffen, die den harmonisierten Umweltvorschriften der Gemeinschaft genügen, untersagt wird.“

12

Ziel dieser Richtlinie ist gemäß ihrem Art. 1 die Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen als Ersatz für Otto- und Dieselkraftstoffe im Verkehrssektor in den einzelnen Mitgliedstaaten; hierdurch soll dazu beigetragen werden, dass bestimmte Ziele, wie die Erfüllung der Verpflichtungen in Bezug auf die Klimaänderungen, die umweltgerechte Versorgungssicherheit und die Förderung erneuerbarer Energiequellen, erreicht werden.

13

Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie hat folgenden Wortlaut:

„a)

Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass ein Mindestanteil an Biokraftstoffen und anderen erneuerbaren Kraftstoffen auf ihren Märkten in Verkehr gebracht wird, und legen hierfür nationale Richtwerte fest.

b)

i)

Als Bezugswert für diese Richtwerte gilt, gemessen am Energieinhalt, ein Anteil von 2 % aller Otto- und Dieselkraftstoffe für den Verkehrssektor, die auf ihren Märkten bis zum 31. Dezember 2005 in Verkehr gebracht werden.

ii)

Als Bezugswert für diese Richtwerte gilt, gemessen am Energieinhalt, ein Anteil von 5,75 % aller Otto- und Dieselkraftstoffe für den Verkehrssektor, die auf ihren Märkten bis zum 31. Dezember 2010 in Verkehr gebracht werden.“

Richtlinie 2009/28/EG

14

Im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl. L 140, S. 16) heißt es:

„Auf der Tagung des Europäischen Rates vom März 2007 wurde die Verpflichtung der Gemeinschaft zum gemeinschaftsweiten Ausbau der Energie aus erneuerbaren Quellen über das Jahr 2010 hinaus erneut bekräftigt. Der Rat billigte ein verbindliches Ziel von 20 % für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Gesamtenergieverbrauch in der Gemeinschaft bis 2020 und ein von allen Mitgliedstaaten zu erreichendes verbindliches Mindestziel von 10 % für den Anteil von Biokraftstoffen am Benzin- und Dieselkraftstoffverbrauch bis 2020, das kosteneffizient verwirklicht werden sollte. Er erklärte, der verbindliche Charakter des Biokraftstoffziels sei angemessen, sofern die Herstellung auf nachhaltige Weise erfolge, Biokraftstoffe der zweiten Generation kommerziell zur Verfügung stünden und die [Richtlinie 98/70] geändert würde, um geeignete Beimischungsverhältnisse zu ermöglichen. …“

15

In Art. 1 der Richtlinie 2009/29 heißt es:

„Mit dieser Richtlinie wird ein gemeinsamer Rahmen für die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen vorgeschrieben. In ihr werden verbindliche nationale Ziele für den Gesamtanteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch und für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen im Verkehrssektor festgelegt. …“

16

Art. 3 Abs. 4 Unterabs. 1 der genannten Richtlinie bestimmt:

„Jeder Mitgliedstaat gewährleistet, dass sein Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen bei allen Verkehrsträgern im Jahr 2020 mindestens 10 % seines Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor entspricht.“

17

Art. 26 Abs. 2 und 3 der Richtlinie sieht vor:

„(2)   In der Richtlinie 2003/30/EG werden Artikel 2, Artikel 3 Absätze 2, 3 und 5 und die Artikel 5 und 6 mit Wirkung vom 1. April 2010 aufgehoben.

(3)   Die Richtlinie 2001/77/EG und die Richtlinie 2003/30/EG werden mit Wirkung vom 1. Januar 2012 aufgehoben.“

Belgisches Recht

18

Art. 4 § 1 des Gesetzes über die Verpflichtung zur Beimischung bestimmt:

„Registrierte Erdölgesellschaften, die Benzin- und/oder Dieselerzeugnisse in den steuerrechtlich freien Verkehr überführen, sind verpflichtet, in demselben Kalenderjahr ebenfalls eine wie folgt bestimmte Menge nachhaltiger Biokraftstoffe in den steuerrechtlich freien Verkehr zu überführen:

FAME von mindestens 4 v/v % der Menge in den steuerrechtlich freien Verkehr überführter Dieselerzeugnisse,

Bioethanol, pur oder in der Form von Bio-ETBE, von mindestens 4 v/v % der Menge in den steuerrechtlich freien Verkehr überführter Benzinerzeugnisse.“

19

In Art. 5 des Gesetzes über die Verpflichtung zur Beimischung heißt es:

„Die Überführung von nachhaltigen Biokraftstoffen in den steuerrechtlich freien Verkehr, wie in Art. 4 erwähnt, erfolgt über Mischungen mit den in den steuerrechtlich freien Verkehr überführten Benzin- und/oder Dieselerzeugnissen, unter Einhaltung der Produktnormen NBN EN 590 für Dieselerzeugnisse und NBN EN 228 für Benzinerzeugnisse.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

20

Mit Klageschrift, die am 15. Oktober 2009 bei dem vorlegenden Gericht eingereicht wurde, beantragten BPU u. a. die Aufhebung des Gesetzes über die Verpflichtung zur Beimischung.

21

Unter diesen Umständen hat der Grondwettelijk Hof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Sind die Art. 3, 4 und 5 der Richtlinie 98/70 sowie gegebenenfalls Art. 4 Abs. 3 EUV und die Art. 26 Abs. 2 AEUV, 28 AEUV und 34 AEUV bis 36 AEUV in dem Sinne auszulegen, dass sie eine Gesetzesbestimmung verbieten, aufgrund deren registrierte Erdölgesellschaften, die Benzin- und/oder Dieselerzeugnisse in den steuerrechtlich freien Verkehr überführen, verpflichtet sind, in demselben Kalenderjahr ebenfalls eine bestimmte Menge nachhaltiger Biokraftstoffe in den steuerrechtlich freien Verkehr zu überführen, und zwar Bioethanol, pur oder in der Form von Bio-ETBE, in Höhe von mindestens 4 v/v % der Menge in den steuerrechtlich freien Verkehr überführter Benzinerzeugnisse, und FAME in Höhe von mindestens 4 v/v % der Menge in den steuerrechtlich freien Verkehr überführter Dieselerzeugnisse?

2.

Ist, falls die erste Vorabentscheidungsfrage verneinend beantwortet wird, Art. 8 der Richtlinie 98/34 in dem Sinne auszulegen, dass er ungeachtet des Art. 10 Abs. 1 erster Gedankenstrich derselben Richtlinie vorschreibt, dass der Kommission der Entwurf einer Norm übermittelt wird, aufgrund deren registrierte Erdölgesellschaften, die Benzin- und/oder Dieselerzeugnisse in den steuerrechtlich freien Verkehr überführen, verpflichtet sind, in demselben Kalenderjahr ebenfalls eine bestimmte Menge nachhaltiger Biokraftstoffe in den steuerrechtlich freien Verkehr zu überführen, und zwar Bioethanol, pur oder in der Form von Bio-ETBE, in Höhe von mindestens 4 v/v % der Menge in den steuerrechtlich freien Verkehr überführter Benzinerzeugnisse, und FAME in Höhe von mindestens 4 v/v % der Menge in den steuerrechtlich freien Verkehr überführter Dieselerzeugnisse?

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

22

Die Belgian Bioethanol Association VZW und die Belgian Biodiesel Board VZW machen geltend, das Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig, da sich BPU u. a. im Rahmen des Verfahrens vor dem vorlegenden Gericht nie auf einen Verstoß gegen die Richtlinien 98/34 und 98/70 berufen hätten, so dass die vom vorlegenden Gericht begehrte Auslegung des Unionsrechts offensichtlich überhaupt keinen Bezug zum Gegenstand des Ausgangsverfahrens habe.

23

Insoweit ist darauf zu verweisen, dass der Umstand, dass die Parteien des Ausgangsverfahrens vor dem vorlegenden Gericht keine unionsrechtlichen Probleme aufgeworfen haben, der Anrufung des Gerichtshofs durch das nationale Gericht nicht entgegensteht. Wenn Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV die Anrufung des Gerichtshofs für den Fall vorsieht, dass „eine solche Frage einem nationalen Gericht gestellt wird“, soll diese Anrufung damit nicht allein auf die Fälle beschränkt werden, in denen auf Initiative der einen oder der anderen Partei eine Frage nach der Auslegung oder Gültigkeit des Unionsrechts gestellt wird, sondern sollen vielmehr auch Fälle erfasst werden, in denen das nationale Gericht selbst eine solche Frage aufwirft und eine Entscheidung darüber „zum Erlass seines Urteils für erforderlich“ hält (Urteile vom 16. Juni 1981, Salonia, 126/80, Slg. 1981, 1563, Randnr. 7, und vom 8. März 2012, Huet, C-251/11, Randnr. 23).

24

Außerdem hat nach ständiger Rechtsprechung in einem Verfahren nach Art. 267 AEUV nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteile vom 18. Dezember 2007, Laval un Partneri, C-341/05, Slg. 2007, I-11767, Randnr. 45, und vom 18. März 2010, Alassini u. a., C-317/08 bis C-320/08, Slg. 2010, I-2213, Randnr. 25).

25

Da die Richtlinie 98/70 zudem Bestimmungen enthält, die umweltbezogene Spezifikationen über die Zusammensetzung von Otto- und Dieselkraftstoffen vorsehen, deren freien Verkehr innerhalb der Europäischen Union diese Richtlinie sicherstellen soll, und da das vorlegende Gericht der Ansicht ist, dass ein Verstoß der belgischen Rechtsvorschriften gegen diese Bestimmungen nicht mit der Handels- und Gewerbefreiheit und den Grundsätzen der Gleichheit und der Nichtdiskriminierung vereinbar wäre, kann nicht behauptet werden, dass die von dem vorlegenden Gericht begehrte Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht.

26

Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher zulässig.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

27

Vorab ist daran zu erinnern, dass alle nationalen Maßnahmen in einem Bereich, für den auf Unionsebene eine harmonisierte Regelung geschaffen worden ist, anhand dieser Harmonisierungsmaßnahme zu beurteilen sind (vgl. Urteile vom 12. Oktober 1993, Vanacker und Lesage, C-37/92, Slg. 1993, I-4947, Randnr. 9, vom 13. Dezember 2001, DaimlerChrysler, C-324/99, Slg. 2001, I-9897, Randnr. 32, sowie vom 30. April 2009, Lidl Magyarország, C-132/08, Slg. 2009, I-3841, Randnrn. 42 und 46).

28

Daher ist die erste Frage so zu verstehen, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob die Art. 3 bis 5 der Richtlinie 98/70 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach Erdölgesellschaften, die Otto- und/oder Dieselkraftstoffe auf den Markt bringen, in demselben Kalenderjahr ebenfalls eine bestimmte Menge Biokraftstoffe auf den Markt bringen müssen, die in Prozenten der Gesamtmenge dieser jährlich von ihnen auf den Markt gebrachten Produkte berechnet wird.

29

Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 98/70 in Verbindung mit deren Anhang I setzt für Ottokraftstoffe den maximalen Ethanolgrenzwert auf 10 v/v % fest.

30

Nach Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie in Verbindung mit deren Anhang II wird der maximale Grenzwert für den FAME-Gehalt der Dieselkraftstoffe vorbehaltlich der in diesem Abs. 1 Unterabs. 2 vorgesehenen Genehmigung auf 7 v/v % festgesetzt.

31

Indem es Erdölgesellschaften die Vermarktung einer Mindestmenge Bioethanol und FAME vorschreibt, und zwar 4 v/v % der Menge der von ihnen auf den Markt gebrachten Otto- bzw. Dieselkraftstoffe, sieht das Gesetz über die Verpflichtung zur Beimischung somit verpflichtende Mindestanteile von Biokraftstoffen vor, die niedriger sind als die in den Art. 3 und 4 der Richtlinie 98/70 vorgesehenen maximalen Grenzwerte.

32

Daraus folgt, dass diese Prozentsätze mit den Art. 3 und 4 vereinbar sind und diese Bestimmungen nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen.

33

Demgegenüber ist festzustellen, dass die Richtlinie 98/70 keine Mindestgrenzwerte für den Biokraftstoffgehalt der Otto- und Dieselkraftstoffe festsetzt und dass gemäß Art. 5 dieser Richtlinie das Inverkehrbringen von Kraftstoffen, die den Vorschriften dieser Richtlinie entsprechen, weder untersagt noch beschränkt noch verhindert werden darf.

34

Das Gesetz über die Verpflichtung zur Beimischung sieht jedoch verpflichtende Mindestanteile Biokraftstoff vor, die gemäß dessen Art. 5 mittels Mischungen mit Otto- und Dieselkraftstoffen auf den Markt gebracht werden müssen.

35

Die von dem Gesetz über die Verpflichtung zur Beimischung vorgesehenen verpflichtenden Mindestanteile Biokraftstoff gelten nicht für jeden auf den Markt gebrachten Liter Kraftstoff, sondern für die jährlich auf den Markt gebrachte Gesamtmenge an Kraftstoffen.

36

Eine solche Verpflichtung kann, wie die Generalanwältin in den Nrn. 48 bis 52 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, die Vermarktung von Kraftstoffen, die den Anforderungen der Richtlinie 98/70 genügen, beschränken.

37

Gleichwohl können die Bestimmungen der Richtlinie 98/70 und insbesondere deren Art. 5 nicht unabhängig von denen der Richtlinien 2003/30 und 2009/28, die zum Zeitpunkt des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens und des Eingangs des Vorabentscheidungsersuchens in Kraft waren, ausgelegt werden.

38

Der Umstand nämlich, dass die Richtlinie 2009/28 und die Richtlinie 2009/30 zur Änderung der Richtlinie 98/70 zum selben Zeitpunkt verabschiedet wurden und in Kraft traten, und die Tatsache, dass sie mit der Richtlinie 2003/30 Teil eines umfassenden Bündels von Maßnahmen sind, deren Ziel die Förderung der Herstellung und der Verwendung von erneuerbaren Energien ist, weisen darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber eine notwendige Kohärenz zwischen diesen Richtlinien sicherstellen wollte.

39

In dieser Hinsicht ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie 2003/30, deren Ziel gemäß ihrem Art. 1 die Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen als Ersatz für Otto- und Dieselkraftstoffe im Verkehrssektor in den einzelnen Mitgliedstaaten ist, den Mitgliedstaaten nicht die Mittel zur Erreichung der in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten nationalen Richtwerte vorschrieb, sondern ihnen insoweit die freie Wahl der zu ergreifenden Maßnahmen überließ (vgl. Urteil vom 10. September 2009, Plantanol, C-201/08, Slg. 2009, I-8343, Randnr. 35).

40

So ist dem 19. Erwägungsgrund dieser Richtlinie zu entnehmen, dass die Mitgliedstaaten über verschiedene Mittel zur Erreichung der in ihr vorgesehenen Ziele verfügten, wie z. B. ein Steuerbefreiungsregime, Beihilfen für die Verarbeitungsindustrie oder die Festlegung einer obligatorischen Biokraftstoffquote für Mineralölunternehmen (vgl. Urteil Plantanol, Randnr. 36).

41

Daraus folgt, dass Art. 5 der Richtlinie 98/70 in Verbindung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2003/30 einen Mitgliedstaat nicht daran hinderte, Mineralölunternehmen vorzuschreiben, einen Pflichtanteil von Biokraftstoffen im Verkehrssektor auf ihrem Markt in den Verkehr zu bringen, um die nationalen Richtwerte zu erreichen, die er gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2003/30 festgelegt hat.

42

Eine solche Schlussfolgerung drängt sich umso mehr auf, wenn dieser Art. 5 in Verbindung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2009/28 gelesen wird, die, wie aus ihrem neunten Erwägungsgrund und ihrem Art. 1 hervorgeht, verbindliche nationale Ziele für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen im Verkehrssektor festgelegt hat.

43

Insoweit ruft dieser Erwägungsgrund das vom Europäischen Rat im März 2007 gebilligte, von allen Mitgliedstaaten zu erreichende Mindestziel von 10 % für den Anteil von Biokraftstoffen am Benzin- und Dieselkraftstoffverbrauch bis 2020, das kosteneffizient verwirklicht werden sollte, in Erinnerung.

44

Dieses Ziel wird in Art. 3 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 2009/28 bestätigt, der vorsieht, dass jeder Mitgliedstaat gewährleistet, dass sein Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen bei allen Verkehrsträgern im Jahr 2020 mindestens 10 % seines Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor entspricht.

45

In diesem Zusammenhang wurde die Richtlinie 98/70 durch die Richtlinie 2009/30 geändert, um gemäß dem Ziel, das den Mitgliedstaaten in der letztgenannten Richtlinie und den Richtlinien 2003/30 und 2009/28 aufgegeben wurde, u. a. geeignete Beimischungsverhältnisse wie die, die sich aus den Vorgaben der Art. 3 Abs. 2 und 4 Abs. 1 der Richtlinie 98/70 in Verbindung mit den Anhängen I bzw. II dieser Richtlinie ergeben, zwischen Biokraftstoffen und fossilen Brennstoffen vorzusehen.

46

Folglich kann eine nationale Rechtsvorschrift, die Erdölgesellschaften zur Erreichung der von den Richtlinien 2003/30 und 2009/28 vorgesehenen nationalen Ziele Pflichtanteile von Biokraftstoffen vorschreibt, nicht als gegen die Art. 3 bis 5 der Richtlinie 98/70 verstoßend angesehen werden, wenn diese Anteile mit den von der letztgenannten Richtlinie festgesetzten maximalen Grenzwerten vereinbar sind und nicht für jeden auf den Markt gebrachten Liter Kraftstoff gelten, sondern für die jährlich von diesen Gesellschaften auf den Markt gebrachte Gesamtmenge an Kraftstoffen.

47

Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Art. 3 bis 5 der Richtlinie 98/70 so auszulegen sind, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, wonach gemäß dem den Mitgliedstaaten von den Richtlinien 2003/30, 2009/28 und 2009/30 aufgegebenen Ziel der Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen im Verkehrssektor Erdölgesellschaften, die Otto- und/oder Dieselkraftstoffe auf den Markt bringen, in demselben Kalenderjahr ebenfalls eine bestimmte Menge Biokraftstoffe durch Beimischung zu diesen Produkten auf den Markt bringen müssen, nicht entgegensteht, wenn diese Menge in Prozenten der Gesamtmenge dieser von ihnen jährlich auf den Markt gebrachten Produkte berechnet wird und diese Prozentsätze mit den von der Richtlinie 98/70 festgesetzten maximalen Grenzwerten in Einklang stehen.

Zur zweiten Frage

48

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 der Richtlinie 98/34 so auszulegen ist, dass er die Mitteilung des Entwurfs einer nationalen Rechtsvorschrift vorschreibt, wonach Erdölgesellschaften, die Otto- und/oder Dieselkraftstoffe auf den Markt bringen, in demselben Kalenderjahr ebenfalls bestimmte Mengen Biokraftstoffe auf den Markt bringen müssen.

49

Nach ständiger Rechtsprechung soll die Richtlinie 98/34 den freien Wettbewerb, der zu den Grundlagen der Europäischen Union gehört, durch eine vorbeugende Kontrolle schützen, die insofern sinnvoll ist, als unter die Richtlinie fallende technische Vorschriften möglicherweise Behinderungen des Warenaustauschs zwischen Mitgliedstaaten darstellen, die nur zugelassen werden können, wenn sie notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen zu genügen, die ein im allgemeinen Interesse liegendes Ziel verfolgen (vgl. Urteile vom 8. September 2005, Lidl Italia, C-303/04, Slg. 2005, I-7865, Randnr. 22, vom 15. April 2010, Sandström, C-433/05, Slg. 2010, I-2885, Randnr. 42, sowie vom 9. Juni 2011, Intercommunale Intermosane und Fédération de l’industrie et du gaz, C-361/10, Slg. 2011, I-5079, Randnr. 10).

50

Da die in Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34 vorgesehene Mitteilungspflicht ein wesentliches Mittel zur Verwirklichung dieser Kontrolle darstellt, wird die Wirksamkeit dieser Kontrolle durch eine Auslegung dieser Richtlinie dahin erhöht, dass der Verstoß gegen die Mitteilungspflicht einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt, der zur Unanwendbarkeit der fraglichen technischen Vorschriften führen kann, so dass diese dem Einzelnen nicht entgegengehalten werden können (vgl. Urteile Lidl Italia, Randnr. 23, und Sandström, Randnr. 43).

51

In diesem Zusammenhang ergibt sich aus Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34, dass der Begriff der „technischen Vorschrift“ dreierlei bezeichnet, nämlich erstens die „technische Spezifikation“ im Sinne von Art. 1 Nr. 3 dieser Richtlinie, zweitens die „sonstige Vorschrift“ im Sinne von Art. 1 Nr. 4 dieser Richtlinie und drittens das Verbot von Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses im Sinne von Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie (vgl. Urteile vom 21. April 2005, Lindberg, C-267/03, Slg. 2005, I-3247, Randnr. 54, vom 8. November 2007, Schwibbert, C-20/05, Slg. 2007, I-9447, Randnr. 34, sowie Intercommunale Intermosane und Fédération de l’industrie et du gaz, Randnr. 11).

52

Selbst wenn die Vorschriften des Gesetzes über die Verpflichtung zur Beimischung unter eine dieser drei Kategorien fallen, ist zunächst zu prüfen, ob in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren fraglichen die in Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34 vorgesehene Übermittlungspflicht anwendbar ist.

53

Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach Art. 10 Abs. 1 sechster Gedankenstrich der Richtlinie 98/34 deren Art. 8 nicht für Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten gilt, durch die diese lediglich eine technische Vorschrift im Sinne des Art. 1 Nr. 11 zum Zweck der Beseitigung eines Handelshemmnisses entsprechend einem Antrag der Kommission ändern.

54

Was jedoch das Ausgangsverfahren betrifft, so ergibt sich aus den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Akten, dass das Königreich Belgien 2007 in Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34 der Kommission einen Entwurf zur Einführung einer Verpflichtung zum Inverkehrbringen von Biokraftstoffen übermittelte, der zu einer ausführlichen Stellungnahme und Bemerkungen der Kommission nach den Art. 9 Abs. 2 bzw. 8 Abs. 2 dieser Richtlinie und zu den von diesem Entwurf vorgeschriebenen Mindestanteilen von Biokraftstoffen und deren Anwendungsmodalitäten führte.

55

Außerdem geht aus diesen Akten hervor, dass infolge dieser ausführlichen Stellungnahme und diesen Bemerkungen das Königreich Belgien 2009 den Vorentwurf eines Gesetzes zur Verpflichtung der Beimischung mitteilte, dessen Bestimmungen über die verpflichtenden Mindestanteile von Biokraftstoffen und die Anwendungsmodalitäten dieser Anteile abgeändert worden waren, um die ausführliche Stellungnahme und die Bemerkungen zu berücksichtigen.

56

Demzufolge hat das Königreich unter diesen Umständen lediglich die Bestimmungen eines Regelungsentwurfs entsprechend einem Antrag der Kommission abgeändert, um eine Behinderung des Warenaustauschs zu beseitigen, so dass nach Art. 10 Abs. 1 sechster Gedankenstrich der Richtlinie 98/34 die in Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie vorgesehene Verpflichtung zur Mitteilung für den Gesetzentwurf über die Verpflichtung zur Beimischung nicht gilt.

57

Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 8 der Richtlinie 98/34 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 sechster Gedankenstrich dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er nicht die Mitteilung des Entwurfs einer nationalen Regelung verlangt, wonach Erdölgesellschaften, die Otto- und/oder Dieselkraftstoffe auf den Markt bringen, in demselben Kalenderjahr ebenfalls bestimmte Mengen Biokraftstoffe auf den Markt bringen müssen, wenn dieser Entwurf, nachdem er in Anwendung dieses Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 mitgeteilt worden war, geändert worden ist, um die Stellungnahme der Kommission zu diesem Entwurf zu berücksichtigen, und der so geänderte Entwurf anschließend der Kommission übermittelt worden ist.

Kosten

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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Die Art. 3 bis 5 der Richtlinie 98/70/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 93/12/EWG des Rates in der durch die Richtlinie 2009/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, wonach gemäß dem Ziel der Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen im Verkehrssektor, das den Mitgliedstaaten von den Richtlinien 2003/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Mai 2003 zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor, 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG und der Richtlinie 2009/30 aufgegeben wurde, Erdölgesellschaften, die Otto- und/oder Dieselkraftstoffe auf den Markt bringen, in demselben Kalenderjahr ebenfalls eine bestimmte Menge Biokraftstoffe durch Beimischung zu diesen Produkten auf den Markt bringen müssen, nicht entgegenstehen, wenn diese Menge in Prozenten der Gesamtmenge dieser jährlich von ihnen auf den Markt gebrachten Produkte berechnet wird und diese Prozentsätze mit den von der Richtlinie 98/70 in der durch die Richtlinie 2009/30 geänderten Fassung festgesetzten maximalen Grenzwerten in Einklang stehen.

 

2.

Art. 8 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 sechster Gedankenstrich dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er nicht die Mitteilung des Entwurfs einer nationalen Regelung verlangt, wonach Erdölgesellschaften, die Otto- und/oder Dieselkraftstoffe auf den Markt bringen, in demselben Kalenderjahr ebenfalls bestimmte Mengen Biokraftstoffe auf den Markt bringen müssen, wenn dieser Entwurf, nachdem er in Anwendung dieses Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 mitgeteilt worden war, geändert worden ist, um die Stellungnahme der Kommission zu diesem Entwurf zu berücksichtigen, und der so geänderte Entwurf anschließend der Kommission übermittelt worden ist.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.