URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

20. September 2012 ( *1 )

„Wettbewerb — Missbrauch einer beherrschenden Stellung — Griechischer Markt für die Lieferung von Braunkohle und griechischer Strommarkt für Großkunden — Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG festgestellt wird — Erteilung oder Aufrechterhaltung von Genehmigungen zur Braunkohlegewinnung zugunsten eines öffentlichen Unternehmens durch die Hellenische Republik“

In der Rechtssache T-169/08

Dimosia Epicheirisi Ilektrismou AE (DEI) mit Sitz in Athen (Griechenland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt P. Anestis,

Klägerin,

unterstützt durch

Hellenische Republik, vertreten durch K. Boskovits und P. Mylonopoulos als Bevollmächtigte im Beistand zunächst der Rechtsanwälte A. Komninos und M. Marinos, sodann von Rechtsanwalt M. Marinos,

Streithelferin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch T. Christoforou, A. Bouquet und A. Antoniadis als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Oikonomou,

Beklagte,

unterstützt durch

Energeiaki Thessalonikis AE mit Sitz in Echedoros (Griechenland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte P. Skouris und E. Trova,

und

Elliniki Energeia kai Anaptyxi AE (HE & DSA) mit Sitz in Kifissia (Griechenland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte P. Skouris und E. Trova,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C (2008) 824 endg. der Kommission vom 5. März 2008 zur Erteilung bzw. Aufrechterhaltung von Genehmigungen zur Braunkohlegewinnung zugunsten der DEI durch die Hellenische Republik,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen (Berichterstatter) sowie der Richter N. Wahl und S. Soldevila Fragoso,

Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündlichen Verhandlungen vom 6. April 2011 und 2. Februar 2012

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Die Klägerin, die Dimosia Epicheirisi Ilektrismou AE (DEI), wurde durch das griechische Gesetz Nr. 1468 vom 2./7. August 1950 (FEK A’ 169) als öffentliches Unternehmen im Besitz der Hellenischen Republik gegründet; ihr wurde das ausschließliche Recht eingeräumt, in Griechenland Strom zu erzeugen, zu transportieren und zu liefern.

2

1996 ermöglichte das griechische Gesetz Nr. 2414/1996 über die Modernisierung der öffentlichen Unternehmen (FEK A’ 135) die Umwandlung der Klägerin in eine Aktiengesellschaft, allerdings nach wie vor mit dem Staat als Alleinaktionär.

3

Die Klägerin wurde am 1. Januar 2001 gemäß dem griechischen Gesetz Nr. 2773/1999 über die Liberalisierung des Strommarkts (FEK A’ 286), mit dem insbesondere die Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften über den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 1997, L 27, S. 20) umgesetzt wurde, und gemäß dem griechischen Präsidentialdekret Nr. 333/2000 (FEK A’ 278) in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.

4

Die Hellenische Republik hält 51,12 % der Aktien der Klägerin. Nach Art. 43 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2773/1999 darf die Beteiligung des Staates am Kapital der Klägerin auch nach einer Kapitalerhöhung keinesfalls weniger als 51 % der stimmberechtigten Aktien betragen. Seit dem 12. Dezember 2001 werden ihre Aktien an der Börse in Athen (Griechenland) und an der Börse in London (Vereinigtes Königreich) notiert.

5

Braunkohle ist ein Kohletyp. Dieser feste Brennstoff wird hauptsächlich zur Stromerzeugung eingesetzt.

6

Griechenland ist weltweit der fünftgrößte und in der Europäischen Union nach Deutschland der zweitgrößte Braunkohleerzeuger. Nach Angaben des Institouto geologikon kai metallourgikon erevnon (griechisches Institut für Geologie und Suchbohrungen) wurden die bekannten Reserven aller Braunkohlevorkommen in Griechenland zum 1. Januar 2005 auf 4415 Mio. t geschätzt. Nach Ansicht der Europäischen Kommission belaufen sich die Braunkohlereserven in Griechenland auf 4590 Mio. t.

7

Die Hellenische Republik räumte der Klägerin Schürf- und Abbaurechte für Braunkohlelagerstätten mit Reserven von etwa 2200 Mio. t ein; 85 Mio. t Reserven gehören privaten Dritten, und etwa 220 Mio. t Reserven entsprechen öffentlichen Lagerstätten, die zwar von privaten Dritten prospektiert und abgebaut werden, jedoch zum Teil die Kraftwerke der Klägerin versorgen. Für etwa 2000 Mio. t Braunkohlereserven sind noch keine Abbaurechte eingeräumt worden.

8

Die mit Braunkohle betriebenen griechischen Kraftwerke gehören sämtlich der Klägerin.

9

Im Anschluss an das Inkrafttreten der Richtlinie 96/92 wurde der griechische Strommarkt für den Wettbewerb geöffnet.

10

Die Erteilung von Genehmigungen zur Stromerzeugung und zum Bau von Kraftwerken ist im Gesetz Nr. 2773/1999 in dessen geänderter Fassung geregelt.

11

Das griechische Gesetz Nr. 3175/2003 (FEK A’ 207) sah die Schaffung eines obligatorischen Tagesmarkts für alle Anbieter und Abnehmer von Elektrizität im griechischen Verbundnetz vor, das das griechische Festland und einige griechische Inseln umfasst. Dieser Markt wurde im Mai 2005 realisiert.

12

Auf diesem obligatorischen Tagesmarkt speisen die Stromerzeuger und -importeure ihre erzeugten bzw. eingeführten Strommengen auf täglicher Basis ein und setzen sie dort täglich ab. Konkret legen sie schon am Vortag (unter Angabe eines Preises und einer Strommenge) Angebote vor, während die Lieferanten und Abnehmer Lastvorausschätzungen vorlegen. Unter Berücksichtigung dieser Angaben, der Angebotspreise, der Mengen und der Zahl der Betriebsstunden jedes Kraftwerks arbeitet die Verwaltungsstelle für die Stromdurchleitungsnetze, die Hellenic Transmission System Operator SA (HTSO) den Stundenplan für die Belastung der Kraftwerke am folgenden Tag aus.

13

Bei der Ausarbeitung dieses Stundenplans bringt die HTSO die Vorausschätzung bestimmter Pflichteinspeisungen (wie die Einspeisungen durch mit erneuerbaren Energien betriebene Kraftwerke, die von den Heizkraftwerken erzeugten Mengen und die von den Wasserkraftwerken erzeugten Pflichtmengen sowie die Ein- und Ausfuhren) in Ansatz. Somit wird diesen Anbietern auf dem Strommarkt für Großkunden der Vorrang vor allen anderen Anbietern (alle Wärmekraftwerke, darunter die mit Braunkohle, Gas und Mineralöl betriebenen) eingeräumt.

14

Der Marktpreis wird anhand des teuersten berücksichtigten Angebots ermittelt. Es gilt folgendes System: Das Grundprinzip besteht darin, dass die von den Erzeugern angebotenen Stundentarife mindestens den variablen Kosten des jeweiligen Kraftwerks entsprechen müssen; die Angebote der Kraftwerke mit den niedrigsten variablen Kosten – mit Ausnahme der mit erneuerbaren Energien betriebenen Kraftwerke, die vorrangig berücksichtigt werden – werden als erste für das Verbundnetz berücksichtigt; der Preis, zu dem der Strom ge- und verkauft wird, wird jeweils durch das letzte (das teuerste) stromerzeugende Kraftwerk, das in den Verteilungsplan zur Deckung der betreffenden Nachfrage aufgenommen wurde, das sogenannte Grenznetzkraftwerk (System Marginal Unit), bestimmt; der am Gleichgewichtspunkt, also dort, wo das Angebot der Nachfrage entspricht, angebotene Preis ist der Marktregulierungspreis, der sogenannte Systemgrenzpreis.

15

Im Jahr 2003 ging bei der Kommission eine Beschwerde ein, die von einer Einzelperson, die ungenannt bleiben wollte, eingereicht worden war und mit der die Kommission darauf hingewiesen wurde, dass die Hellenische Republik der Klägerin nach dem griechischen Gesetzesdekret Nr. 4029/1959 vom 12./13. November 1959 (FEK A’ 250) und dem griechischen Gesetz Nr. 134/1975 vom 23./29. August 1975 (FEK A’ 180) ausschließliche Schürf- und Abbraurechte für Braunkohle in Griechenland bewilligt habe. Nach Ansicht des Beschwerdeführers verstießen diese staatlichen Maßnahmen gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG.

16

Die Kommission prüfte den Sachverhalt und richtete Auskunftsverlangen an die Klägerin sowie an die Rythmistiki Archi Energias (RAE, Regulierungsbehörde für Energie). Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 23. und 30. Mai sowie vom 11. Juli 2003, die RAE mit Schreiben vom 25. Juni 2003.

17

Am 1. April 2004 sandte die Kommission ein Mahnschreiben an die Hellenische Republik, um sie über die von ihr bisher berücksichtigten Beschwerdepunkte zu unterrichten. Insbesondere bezog sie sich dabei auf die nach dem Gesetzesdekret Nr. 4029/1959 und dem Gesetz Nr. 134/1975 getroffenen Maßnahmen, mit denen die Klägerin Schürf- und Abbaurechte für die Braunkohlelagerstätten von Megalopoli, der Region von Ptolemais und in den Becken von Amynteon und Florina eingeräumt worden waren, die in den Jahren 2026, 2024 bzw. 2018 auslaufen sollten. Die Kommission führte weiter entsprechende Rechte für die Lagerstätten von Drama und Elassona an. Sie fügte hinzu, dass diese Maßnahmen zugunsten der Klägerin ohne jede finanzielle Gegenleistung getroffen worden seien, während andere Körperschaften als die Klägerin, denen solche Rechte eingeräumt würden, eine solche Gegenleistung zu erbringen hätten. Wegen dieser Maßnahmen, mit denen der Klägerin ein privilegierter Zugang zu dem für die Stromerzeugung attraktivsten Brennstoff eingeräumt worden sei, habe die Hellenische Republik es der Klägerin ermöglicht, ihre beherrschende Stellung als Anbieter von Braunkohle unter Verstoß gegen Art. 86 EG in Verbindung mit Art. 82 EG auf dem Strommarkt für Großkunden aufrechtzuerhalten oder auf diesen auszuweiten. Die Kommission gelangte zu dem Ergebnis, dass gegen diese Bestimmungen mindestens seit Februar 2001 verstoßen werde, dem Zeitpunkt, zu dem der griechische Staat den Strommarkt nach der Richtlinie 96/92 hätte liberalisieren müssen.

18

Eine Abschrift dieses Schreibens sandte die Kommission am 3. Mai 2004 an die Klägerin und gab ihr Gelegenheit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die Hellenische Republik und die Klägerin antworteten mit Schreiben vom 2. Juli 2004. In ihren Antworten wiesen die Hellenische Republik und die Klägerin u. a. auf neuere Entwicklungen in der Gesetzgebung hin, die sich auf den Erlass des Gesetzes Nr. 3175/2003 bezögen, auf Entwicklungen auf dem Strommarkt, bei denen anderen Körperschaften als der Klägerin Genehmigungen zum Bau neuer Kraftwerke erteilt würden, und darauf, dass die griechischen Rechtsvorschriften der Klägerin kein ausschließliches Recht, und zwar weder zum Braunkohlenabbau noch zur Stromerzeugung aus diesem Brennstoff, gewährten.

19

Mit Schreiben vom 21. September 2005 bat die Kommission die Hellenische Republik um einige Erläuterungen; Letztere antwortete mit Schreiben vom 22. und 28. November 2005 sowie vom 19. Juni 2006. Die Schreiben enthielten eine Reihe von Informationen und neue Tatsachen. Die Hellenische Republik führte den Erlass des griechischen Gesetzes Nr. 3426/2005 (FEK A’ 309) an, benannte erstmals die sieben kleineren Braunkohlelagerstätten, für die nach 1985 Schürf- und Abbaurechte an juristische Personen des Privatrechts und natürliche Personen vergeben worden seien, legte eine Liste der erteilten oder abgelehnten Genehmigungen für den Bau neuer Kraftwerke vor und gab ihre Absicht bekannt, erstens das Gesetzesdekret Nr. 4029/1959 und das Gesetz Nr. 134/1975 zu ändern, zweitens die Lagerstätten von Vevi und danach die von Vegora auf dem Ausschreibungswege neu zuzuteilen und drittens Abbaurechte für die Lagerstätten von Drama und Elassona zu vergeben.

20

Am 18. Oktober 2006 sandte die Kommission der Hellenischen Republik ein ergänzendes Mahnschreiben, in dem sie ihre Schlussfolgerungen aus den ihr mitgeteilten neuen Informationen näher darlegte. Insbesondere wies sie darauf hin, dass diese neuen Angaben nichts an den Beschwerdepunkten änderten, die sie in ihrem ersten Mahnschreiben vom 1. April 2004 dargelegt habe. So wiederholte die Kommission ihren Standpunkt, dass die Hellenische Republik der Klägerin durch die Aufrechterhaltung und die Gewährung von Quasimonopolrechten, mit denen diesem Unternehmen ein privilegierter Zugang zur Braunkohle eingeräumt worden sei, ermöglicht habe, eine beherrschende Stellung auf dem Markt der Stromerzeugung als Quasimonopolist aufrechtzuerhalten, und den Zugang neuer Wettbewerber zum Markt verhindert oder behindert habe.

21

Mit Schreiben vom 19. Januar 2007 übermittelte die Klägerin der Kommission ihre Stellungnahme zum ergänzenden Mahnschreiben und gleichzeitig einige Informationen insbesondere über die Abbaurechte für bestimmte Braunkohlelagerstätten, über die Produktionskosten von Braunkohle- oder Gaskraftwerken, über den Markt für die Lieferung von Braunkohle, der sich über das Inland hinaus erstrecke, und über die mögliche Aufhebung der Bestimmungen des Gesetzesdekrets Nr. 4029/1959 und des Gesetzes Nr. 134/1975. In diesem Schreiben brachte die Klägerin auch ihre Einwände gegenüber der Argumentation der Kommission zum Ausdruck und verneinte jede Zuwiderhandlung gegen Unionsrecht. Sie sandte der Kommission am 4. April 2007 ein weiteres Schreiben, in dem sie ihr weitere Angaben insbesondere zum Abbau und zu potenziellen Einfuhren von Braunkohle übermittelte.

22

Die Hellenische Republik beantwortete das ergänzende Mahnschreiben mit Schreiben vom 24. Januar 2007. Darin legte sie die gegenwärtige Situation der von der Klägerin und anderen Körperschaften ausgebeuteten Braunkohlelagerstätten dar. In der Sache wies sie die rechtliche Beurteilung der Kommission über die Anwendung der „Theorie der Ausdehnung der beherrschenden Stellung“ zurück.

23

Am 8. Februar 2008 legte die Klägerin der Kommission für den Zeitraum 2006–2007 aktualisierte Daten über den griechischen Strommarkt vor.

24

Am 5. März 2008 erließ die Kommission die Entscheidung C (2008) 824 endg. zur Erteilung bzw. Aufrechterhaltung von Genehmigungen zur Braunkohlegewinnung zugunsten der Klägerin durch die Hellenische Republik (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

25

Die Kommission legt in dieser Entscheidung dar, die Hellenische Republik habe seit dem Erlass der Richtlinie 96/92, deren Umsetzung für spätestens 19. Februar 2001 vorgesehen gewesen sei, gewusst, dass der Strommarkt liberalisiert werden müsse (Erwägungsgründe 61 und 150).

26

Nach Ansicht der Kommission hat die Hellenische Republik eine Reihe staatlicher Maßnahmen für zwei getrennte Produktmärkte getroffen. Der erste sei der Markt für die Lieferung von Braunkohle und der zweite der Strommarkt für Großkunden gewesen, der die Erzeugung und die Lieferung von Elektrizität in bzw. aus Kraftwerken sowie die Einfuhr von Elektrizität über Verbindungsleitungen betroffen habe. Bis Mai 2005, als der obligatorische Tagesmarkt eingeführt worden sei, sei der zweite dieser Märkte derjenige für die Lieferung von im Inland erzeugtem oder von eingeführtem Strom an zugelassene Kunden gewesen; die den Zeitraum bis Mai 2004 erfassende Untersuchung dieses Marktes habe zu den gleichen Schlussfolgerungen geführt wie die Untersuchung des Strommarkts für Großkunden, einem zu diesem Zeitpunkt potenziellen Markt. Berücksichtige man diese von der Hellenischen Republik in ihrem Schreiben vom 24. Januar 2007 mitgeteilte Entwicklung des griechischen Marktes, sei demnach zwar der zweite Markt als der Strommarkt für Großkunden anzusehen, gleichwohl seien jedoch die von der Hellenischen Republik auf der Grundlage der ursprünglichen Definition des Marktes vorgetragenen Argumente zu beachten (Erwägungsgründe 158 ff.). Was die maßgeblichen räumlichen Märkte angehe, so sei der Markt für die Lieferung von Braunkohle der nationale Markt, während sich der Strommarkt für Großkunden auf das „Gebiet des Verbundnetzes“ erstrecke (Erwägungsgründe 167 bis 172).

27

Des Weiteren habe die Klägerin eine beherrschende Stellung auf dem Markt für die Lieferung von Braunkohle inne. Der Anteil der Klägerin an der gesamten in Griechenland abgebauten Braunkohle habe seit 2000 stets über 97 % gelegen. Auch auf dem Strommarkt für Großkunden habe die Klägerin eine beherrschende Stellung inne, da ihr Anteil an diesem Markt nach wie vor bei über 85 % liege. Es bestehe keine Aussicht auf Marktzugang neuer Wettbewerber, die der Klägerin einen signifikanten Anteil am Strommarkt für Großkunden wegnehmen könnten; die Einfuhren, die 7 % des Gesamtverbrauchs ausmachten, übten keinen echten Wettbewerbsdruck auf diesem Markt aus (177. Erwägungsgrund). Zudem stelle der Strommarkt für Großkunden im griechischen Verbundnetz, der über 90 % des gesamten Stromverbrauchs in Griechenland entspreche, einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes dar (179. Erwägungsgrund).

28

Zu den fraglichen staatlichen Maßnahmen führt die Kommission aus, der Klägerin seien nach dem Gesetzesdekret Nr. 4029/1959 und dem Gesetz Nr. 134/1975 Abbaurechte für 91 % sämtlicher öffentlicher Braunkohlelagerstätten, für die entsprechende Rechte vergeben worden seien, eingeräumt worden. Diese Maßnahmen seien aufrechterhalten worden, da trotz der Möglichkeiten, die das Bergbaugesetzbuch, das durch das griechische Gesetzesdekret Nr. 210/1973 (FEK A’ 277) in Griechenland eingeführt und später durch das griechische Gesetz Nr. 274/1976 (FEK A’ 50) geändert worden sei, geboten habe, keine Rechte für signifikante Lagerstätten vergeben worden seien. Außerdem seien der Klägerin ohne Ausschreibung Schürfrechte für ausbeutungsfähige Lagerstätten, im Wesentlichen für Drama und Elassona eingeräumt worden, für die Abbaurechte noch nicht vergeben worden seien. Schließlich seien Braunkohlekraftwerke der kostengünstigste und der am intensivsten genutzte Kraftwerkstyp in Griechenland, da sie 60 % des zur Versorgung des Verbundnetzes eingesetzten Stroms erzeugten (Erwägungsgründe 185 bis 187).

29

Folglich habe die Hellenische Republik dadurch, dass sie zugunsten der Klägerin Abbaurechte für Braunkohle im Rahmen eines Quasimonopols eingeräumt und aufrechterhalten habe, ungleiche Chancen für die Wirtschaftsteilnehmer auf dem Strommarkt für Großkunden herbeigeführt und damit den Wettbewerb verfälscht und die beherrschende Stellung der Klägerin gestärkt (190. Erwägungsgrund).

30

Die Kommission gelangt zu der Schlussfolgerung, dass die Hellenische Republik dem öffentlichen Unternehmen – der Klägerin – durch die Gewährung und Aufrechterhaltung von Quasimonopolrechten für den Braunkohlenabbau einen privilegierten Zugang zu dem für die Stromerzeugung in Griechenland attraktivsten verfügbaren Brennstoff garantiert habe. Damit habe die Hellenische Republik diesem Unternehmen ermöglicht, eine beherrschende Stellung auf dem Strommarkt für Großkunden in Gestalt eines Quasimonopols aufrechtzuerhalten, und den Zugang neuer Wettbewerber zum Markt verhindert oder behindert. Sie habe der Klägerin somit ermöglicht, ihre Quasimonopolstellung auf dem Markt trotz der Liberalisierung des Strommarkts für Großkunden zu bewahren, und damit ihre beherrschende Stellung auf diesem Markt aufrechterhalten und gestärkt (238. Erwägungsgrund).

31

Schließlich stellt die Kommission fest, dass sich die Hellenische Republik nicht auf Art. 86 Abs. 2 EG berufen habe, um die getroffenen Maßnahmen zu rechtfertigen, mit denen der Klägerin Rechte zum Braunkohlenabbau eingeräumt worden seien (Erwägungsgründe 239 und 240). Außerdem wirkten sich die staatlichen Maßnahmen auf den zwischenstaatlichen Handel aus, da sie potenzielle Wettbewerber davon abhielten, Investitionen in die Erzeugung und die Lieferung von Elektrizität in Griechenland vorzunehmen (Erwägungsgründe 241 bis 244).

32

Nach Art. 1 der angefochtenen Entscheidung stehen Art. 22 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 4029/1959, Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 134/1975 und die Entscheidungen des griechischen Ministers für Industrie, Energie und Technologien von 1976 (FEK B’ 282), 1988 (FEK B’ 596) und 1994 (FEK B’ 633) insoweit im Widerspruch zu Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG, als sie zugunsten der Klägerin Vorzugsrechte für die Braunkohlegewinnung in Griechenland gewähren und aufrechterhalten und dadurch eine Ungleichheit der Chancen von Wirtschaftsteilnehmern hinsichtlich des Zugangs zu Primärbrennstoffen für die Stromerzeugung herbeiführen und die Klägerin in die Lage versetzen, ihre beherrschende Stellung auf dem griechischen Strommarkt für Großkunden aufrechtzuerhalten oder zu stärken, indem sie den Zugang neuer Wettbewerber zum Markt verhindern oder behindern.

33

Zu beachten ist, dass Art. 1 der angefochtenen Entscheidung einen sachlichen Fehler enthält, da er auf Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 134/1975 Bezug nimmt. Aus den Akten geht indessen hervor, dass es in der angefochtenen Entscheidung um Abs. 3 dieses Artikels geht.

34

In Art. 2 der angefochtenen Entscheidung fordert die Kommission die Hellenische Republik auf, ihr binnen zwei Monaten nach Notifizierung dieser Entscheidung die Maßnahmen mitzuteilen, die sie zu treffen beabsichtigt, um die wettbewerbswidrigen Auswirkungen der in Art. 1 genannten staatlichen Maßnahmen abzustellen. Darüber hinaus weist die Kommission darauf hin, dass diese Maßnahmen innerhalb von acht Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung verabschiedet und umgesetzt werden sollen.

Verfahren und Anträge der Parteien

35

Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 13. Mai 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

36

Mit Schriftsatz, der am 5. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Hellenische Republik beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden.

37

Mit Schriftsätzen, die am 9. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Elliniki Energeia kai Anaptyxi AE (HE & DSA) und die Energeiaki Thessalonikis AE, bei denen es sich um im Bereich der Stromerzeugung in Griechenland tätige Aktiengesellschaften handelt (im Folgenden: Streithelferunternehmen), beantragt, als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Diese Anträge sind den Parteien gemäß Art. 116 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts zugestellt worden. Die Kommission hat ihre Stellungnahme am 23. Oktober 2008 eingereicht. Mit am 7. und 10. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsätzen hat die Klägerin gegen jeden dieser beiden Streithilfeanträge Einwände erhoben.

38

Mit Beschluss des Präsidenten der Siebten Kammer des Gerichts vom 3. Dezember 2008 ist die Hellenische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit zugelassen worden.

39

Mit Schriftsatz, der am 19. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin beantragt, im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung anzuordnen, dass eine bestimmte Formulierung in der Klagebeantwortung ersetzt wird, sofern nicht die Kommission von sich aus zur Änderung der Klagebeantwortung bereit ist.

40

In ihrer am 23. Januar 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahme zum Antrag der Klägerin auf prozessleitende Maßnahmen hat sich die Kommission entsprechend dem Antrag der Klägerin bereit erklärt, eine bestimmte Formulierung in der Klagebeantwortung abzuändern.

41

Die Hellenische Republik hat ihren Streithilfeschriftsatz am 18. Februar 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht. Darin hat sie insbesondere darauf hingewiesen, dass der in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung fragliche Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 134/1975 durch Art. 36 Abs. 3 des griechischen Gesetzes Nr. 3734/2009 (FEK A’ 8) aufgehoben worden sei.

42

Mit Beschlüssen des Präsidenten der Siebten Kammer des Gerichts vom 18. September 2009 sind die Streithelferunternehmen als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission im vorliegenden Rechtsstreit zugelassen worden.

43

Die Streithelferunternehmen haben ihren Streithilfeschriftsatz am 13. November 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

44

Die Kommission und die Klägerin haben mit Schriftsätzen vom 23. Oktober 2008, 19. Februar und 16. März 2009 bzw. vom 7. und 10. November 2008, 8. Januar und 23. Juni 2009 sowie vom 28. Januar 2010 beantragt, einige vertrauliche Angaben in der Klageschrift, der Klagebeantwortung, der Erwiderung, der Gegenerwiderung, den Stellungnahmen zu den Streithilfeschriftsätzen der Hellenischen Republik und den Stellungnahmen zum Streithilfeschriftsatz der Streithelferunternehmen Letzteren nicht zu übermitteln. Den Streithelferunternehmen ist nur die nichtvertrauliche Fassung dieser Schriftsätze übermittelt worden, was von ihnen nicht beanstandet wurde.

45

Die Klägerin, unterstützt durch die Hellenische Republik, beantragt,

die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

46

Die Kommission, unterstützt durch die Streithelferunternehmen, beantragt,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

47

Im Zuge einer Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter als Präsident der Sechsten Kammer zugeteilt worden, der die Rechtssache dementsprechend zugewiesen worden ist.

48

Das Gericht (Sechste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

49

Im Rahmen einer nach Art. 64 der Verfahrensordnung beschlossenen prozessleitenden Maßnahme hat das Gericht die Parteien und die Hellenische Republik mit Schreiben vom 14. Dezember 2010 aufgefordert, Statistiken und Tabellen zum obligatorischen Tagesmarkt für den Zeitraum von 2005 bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung vorzulegen. Die Klägerin und die Hellenische Republik sind dieser Aufforderung mit Schriftsätzen, die am 1. Februar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, nachgekommen. Mit am 7. März 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Kommission der Aufforderung des Gerichts Folge geleistet, indem sie zwei Fassungen, eine vertrauliche für die Klägerin und die Hellenische Republik und eine nichtvertrauliche für die Streithelferunternehmen, eingereicht hat. Die Verfahrensbeteiligten sind aufgefordert worden, in der mündlichen Verhandlung zum Inhalt dieser Antworten Stellung zu nehmen.

50

Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 6. April 2011 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

51

Da der Berichterstatter an der weiteren Mitwirkung am Verfahren gehindert war, hat der Präsident des Gerichts gemäß Art. 32 § 3 der Verfahrensordnung sich selbst dazu bestimmt, die Sechste Kammer als Berichterstatter zu vervollständigen.

52

Mit Beschluss vom 18. November 2011 hat das Gericht (Sechste Kammer) in seiner neuen Besetzung die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung angeordnet und den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt, dass sie in einer erneuten Sitzung gehört würden.

53

Anschließend hat der Präsident des Gerichts die Rechtssache dem neuen Präsidenten der Sechsten Kammer zugewiesen und ihn zum Berichterstatter bestimmt.

54

Die Verfahrensbeteiligten haben in einer Sitzung vom 2. Februar 2012 erneut mündlich verhandelt.

Rechtliche Würdigung

55

Die Klägerin macht für ihre Klage vier Klagegründe geltend: erstens eine rechtsfehlerhafte Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG sowie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, zweitens eine Verletzung der Begründungspflicht aus Art. 253 EG, drittens eine Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und des Schutzes des Privateigentums sowie einen Ermessensmissbrauch und viertens eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

56

Der erste Klagegrund gliedert sich in fünf Teile: Erstens liege ein offensichtlicher Beurteilungsfehler bei der Definition der relevanten Märkte vor; zweitens habe die Klägerin, soweit es um die Auslegung der Voraussetzung ausschließlicher oder besonderer Rechte für eine Verletzung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG gehe, ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für die Lieferung von Braunkohle nicht auf den Strommarkt für Großkunden ausgedehnt; drittens hätten die griechischen Rechtsvorschriften, durch die der Klägerin Abbaurechte für Braunkohle verliehen worden seien, nicht zu ungleichen Chancen zum Nachteil neuer Wettbewerber geführt; viertens habe die Klägerin, soweit es um den angeblich privilegierten Zugang zu einem Primärbrennstoff gehe, ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für die Lieferung von Braunkohle nicht auf den Strommarkt für Großkunden ausgedehnt; fünftens liege ein offensichtlicher Beurteilungsfehler bei der Berücksichtigung der Entwicklungen auf dem griechischen Strommarkt vor.

57

Die Kommission ist in der angefochtenen Entscheidung zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die fraglichen staatlichen Maßnahmen zwei Märkte beträfen, einen – vorgelagerten – Markt für die Lieferung von Braunkohle, von dem andere Brennstoffe ausgeschlossen seien, und einen – nachgelagerten – Strommarkt für Großkunden, d. h. den Markt für die Erzeugung und Lieferung von Strom an Großkunden, von dem die Märkte für die Übertragung und die Verteilung des Stroms ausgeschlossen seien (Erwägungsgründe 158 bis 166). Was die relevanten räumlichen Märkte angehe, sei der Markt für die Lieferung von Braunkohle der nationale Markt, während sich der Strommarkt für Großkunden auf das Gebiet des griechischen Verbundnetzes erstrecke (Erwägungsgründe 167 bis 171).

58

Nach Ansicht der Kommission versetzen die von der Hellenischen Republik getroffenen Maßnahmen, dadurch, dass sie der Klägerin Rechte für den Braunkohlenabbau gewährten und den Zugang neuer Wettbewerber zum Markt verhinderten oder behinderten, die Klägerin in die Lage, ihre beherrschende Stellung auf dem nachgelagerten Markt, d. h. dem Strommarkt für Großkunden, aufrechtzuerhalten oder zu stärken.

59

Nach Auffassung des Gerichts sind zunächst der zweite und der vierte Teil des ersten Klagegrundes zu prüfen, ohne dass in diesem Stadium zur Stichhaltigkeit der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Definition der relevanten Märkte und mithin zu der Voraussetzung Stellung genommen werden müsste, dass diese Definition frei von Beurteilungsfehlern ist, was von der Klägerin bestritten wird.

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

60

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung der Kommission, sie habe durch die Ausübung ihrer Abbaurechte für Braunkohle ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für die Lieferung von Braunkohle auf den Strommarkt für Großkunden ausgedehnt und damit gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG verstoßen.

61

Erstens sei, auch wenn es in Bezug auf den allgemeinen Anwendungsbereich von Art. 86 Abs. 1 EG genüge, dass das Unternehmen ein öffentliches Unternehmen sei, das Bestehen ausschließlicher oder besonderer Rechte eine zwingende Voraussetzung dafür, um einen Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG mit der Ausdehnung der beherrschenden Stellung eines öffentlichen Unternehmens auf einen anderen, benachbarten, aber getrennten Markt begründen zu können. In allen Urteilen, in denen der Gerichtshof einen Verstoß gegen die eine Bestimmung in Verbindung mit der anderen durch die Ausdehnung einer beherrschenden Stellung festgestellt habe, habe das betreffende Unternehmen sein Verhalten nämlich auf ein besonderes oder ausschließliches Recht gestützt, dessen Bestehen ausschlaggebend gewesen sei.

62

Die Klägerin trägt vor, sie sei weder Inhaberin eines ausschließlichen Rechts, da sie nicht allein zum Abbau von Braunkohle berechtigt sei, noch eines besonderen Rechts, da keine staatliche Entscheidung die Zahl der Berechtigten festlege, auch wenn diese Zahl diejenige der im griechischen Hoheitsgebiet vorhandenen Lagerstätten zwangsläufig nicht übersteigen könne.

63

Zweitens habe die Klägerin keine Regulierungsbefugnis, die es ihr ermögliche, die Tätigkeit ihrer Mitbewerber nach Belieben zu bestimmen und sie in eine von ihr abhängige Position zu zwingen. Auch liege keine Beeinträchtigung des Wettbewerbs vor, da die Klägerin ihren Wettbewerbern beispielsweise keine höheren Kosten auferlege und ihnen auch nicht einen für ihre Tätigkeit weniger geeigneten Rohstoff liefere. Die Kommission habe zu Unrecht angenommen, nicht erläutern zu müssen, welcher Art das missbräuchliche Verhalten gewesen sei, zu dem die Klägerin durch die angebliche Ungleichheit der Chancen veranlasst worden sein solle.

64

Drittens hätte die Kommission erläutern oder zumindest prüfen müssen, inwieweit der angebliche Verstoß gegen Art. 82 EG die Interessen der Verbraucher verletzt habe. In Urteilen, in denen es um einen Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 EG und gegen Art. 82 EG gegangen sei, habe der Gerichtshof geprüft, inwieweit der innerstaatliche rechtliche Rahmen zu einer für die Interessen der Verbraucher schädlichen Situation im Sinne von Art. 82 Abs. 2 Buchst. b EG geführt habe. Im vorliegenden Fall gebe es im Hinblick darauf, dass die Endkundenentgelte durch den Staat aus sozialen Gründen in geringer Höhe festgelegt seien, keinen aktuellen oder potenziellen Nachteil für die Interessen der Verbraucher.

65

Viertens bezeichne die Kommission Braunkohle als unbedingt notwendigen Produktionsfaktor („essential facility“), ohne aber nachgewiesen zu haben, dass Braunkohle unbedingt notwendig sei, um auf dem Strommarkt für Großkunden tätig zu sein.

66

Die Kommission hätte zumindest dartun müssen, dass Braunkohle so viel billiger als alle anderen Brennstoffe sei, dass ohne einen Zugang zur Braunkohle die Möglichkeit eines Zugangs zum Strommarkt für Großkunden ausgeschlossen sei.

67

Gestützt auf das Urteil des Gerichtshofs vom 23. April 1991, Höfner und Elser (C-41/90, Slg. 1991, I-1979), und die nachfolgende Rechtsprechung macht die Hellenische Republik geltend, die Kommission führe keinerlei Missbrauch einer vorhandenen oder selbst potenziellen beherrschenden Stellung durch die Klägerin an. Ein solcher Missbrauch wäre aber im vorliegenden Fall eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG. Es genüge nicht, dass die Kommission dartue, dass eine staatliche Maßnahme ungleiche Chancen auf dem Markt schaffe. Überdies habe die Kommission nicht nachgewiesen, dass zwischen der Stellung der Klägerin auf dem vorgelagerten Markt und der behaupteten Zuwiderhandlung auf dem nachgelagerten Markt ein enger ursächlicher Zusammenhang bestehe.

68

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin und der Hellenischen Republik entgegen.

69

Nach Ansicht der Kommission findet das Vorbringen der Klägerin, wonach zum einen das beherrschende Unternehmen auch über besondere oder ausschließliche Rechte verfügen müsse, damit ein Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG festgestellt werden könne, und ihr zum anderen im vorliegenden Fall solche besonderen oder ausschließlichen Rechte nicht gewährt worden seien, im Recht keine Grundlage. Zum einen sei der Anwendungsbereich dieser Bestimmungen nämlich nicht auf staatliche Maßnahmen beschränkt, die besondere oder ausschließliche Rechte gewährten, und zum anderen seien der Klägerin solche ausschließlichen Rechte durch die Einräumung der Abbaurechte für eine Braunkohlelagerstätte gewährt worden.

70

Auch wenn in den von der Klägerin angeführten Urteilen die Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte bei der Beurteilung des Verstoßes eine Rolle gespielt habe, schließe dies nicht aus, dass im Fall eines öffentlichen Unternehmens eine oder mehrere staatliche Maßnahmen gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG verstießen, obwohl keine besonderen oder ausschließlichen Rechte bestünden. Dies habe im Übrigen der Gerichtshof im Urteil vom 22. Mai 2003, Connect Austria (C-462/99, Slg. 2003, I-5197), festgestellt. Zudem wiesen die von der Klägerin herangezogenen Rechtssachen nicht die gleichen Merkmale auf wie die hier in Rede stehende Rechtssache.

71

Die Kommission wiederholt, dass die aufgrund der streitigen gesetzlichen Bestimmungen und Ministerialerlasse erlangten Rechte zum Abbau der Braunkohlereserven in einer bestimmten Region der Klägerin ein ausschließliches Recht zum Abbau dieser Reserven verliehen. Auch wenn die Gewährung eines ausschließlichen Rechts zum Abbau der Braunkohle, allein betrachtet, an sich noch keinen Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 EG und Art. 82 EG darstelle, verschafften diese Rechte – zusammengenommen – der Klägerin einen privilegierten und ausschließlichen Zugang zu fast allen ausbeutbaren öffentlichen Braunkohlereserven in Griechenland. Dieses Ergebnis habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung als „privilegierten Zugang“ und „Quasimonopolrechte“ bezeichnet, um die Lage der Klägerin zu beschreiben, die auf dem in Rede stehenden Markt eine beherrschende Stellung einnehme.

72

In der Sitzung vom 2. Februar 2012 hat die Kommission in Beantwortung einer Frage des Gerichts vorgetragen, dass die Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG im vorliegenden Fall auf das Kriterium „öffentliches Unternehmen“ gegründet worden sei.

73

Gestützt auf das Urteil Connect Austria vertritt sie die Ansicht, dass es für eine Anwendung der Theorie der Ausdehnung der beherrschenden Stellung nicht erforderlich sei, dass das beherrschende Unternehmen eine regulierende Funktion auf einem benachbarten Markt ausübe.

74

Die Behauptung der Klägerin, wonach die Kommission die potenzielle Schädigung der Verbraucher durch den Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG hätte prüfen müssen, sei haltlos. Eine Praxis, die die Wettbewerbsstruktur auf dem Strommarkt für Großkunden in Griechenland beeinträchtige, müsse als für die Verbraucher mittelbar nachteilig angesehen werden.

75

Die Kommission weist darauf hin, dass sie ihre Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG im Ergebnis auf die Urteile des Gerichtshofs vom 19. März 1991, Frankreich/Kommission (C-202/88, Slg. 1991, I-1223), vom 13. Dezember 1991, GB-Inno-BM (C-18/88, Slg. 1991, I-5941), vom 12. Februar 1998, Raso u. a. (C-163/96, Slg. 1998, I-533), und Connect Austria gestützt habe. Nach dieser Rechtsprechung liege ein Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG vor, wenn staatliche Maßnahmen den Wettbewerb verfälschten, indem sie eine Chancenungleichheit zwischen Wirtschaftsteilnehmern herbeiführten, ohne dass zugleich die Definition einer konkreten – tatsächlichen oder potenziellen – missbräuchlichen Praxis verlangt werde. Dementsprechend weist die Kommission das Vorbringen der Klägerin zurück, wonach sie über die Chancenungleichheit hinaus auch eine konkrete missbräuchliche Praxis der Klägerin hätte nachweisen müssen.

76

Entgegen dem Vorbringen der Hellenischen Republik sind nach Ansicht der Kommission die Bezugnahme im Urteil Connect Austria auf die Chancenungleichheit und die vom Gerichtshof im Urteil Höfner und Elser herausgearbeiteten Kriterien keine kumulativ aufgestellten Voraussetzungen.

77

Die Kommission bestreitet die Behauptung der Klägerin, dass sie deren Quasimonopolzugang zur Braunkohle als Form einer „essential facility“ angesehen habe, da sie diesen Ausdruck gar nicht benutzt habe.

78

Was die angeblich fehlende Attraktivität von Braunkohle als Brennstoff für die Stromerzeugung betrifft, weist die Kommission darauf hin, dass im Rahmen der Ausschreibung der Abbaurechte für die Lagerstätte von Vevi einige Unternehmen Anträge eingereicht hätten. Außerdem habe die Klägerin ein beständiges Interesse am Bau neuer Braunkohlekraftwerke oder an einer Ersetzung der bestehenden gezeigt. Dies sei ausreichend, um das Vorbringen der Klägerin zu diesem Punkt zu widerlegen.

Würdigung durch das Gericht

79

Art. 86 Abs. 1 EG sieht vor, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, – vorbehaltlich des Art. 86 Abs. 2 EG – keine dem EG-Vertrag und insbesondere den Wettbewerbsvorschriften widersprechenden Maßnahmen treffen oder beibehalten. Dieser Artikel findet nicht allein, sondern nur in Verbindung mit anderen Vertragsbestimmungen Anwendung.

80

Im vorliegenden Fall hat die Kommission Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG angewandt. Die letztgenannte Bestimmung verbietet Unternehmen die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

81

Die Kommission hat in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung den Standpunkt vertreten, dass die in Rede stehenden staatlichen Maßnahmen insoweit im Widerspruch zu der einen Bestimmung in Verbindung mit der anderen ständen, als sie der Klägerin Vorzugsrechte für die Braunkohlegewinnung in Griechenland gewährten und aufrechterhielten. Diese Maßnahmen führten eine Ungleichheit der Chancen von Wirtschaftsteilnehmern hinsichtlich des Zugangs zu Primärbrennstoffen für die Stromerzeugung herbei und versetzten die Klägerin in die Lage, ihre beherrschende Stellung auf dem Strommarkt für Großkunden aufrechtzuerhalten oder zu stärken, indem sie den Zugang neuer Marktteilnehmer zum Markt verhinderten oder behinderten.

82

Gegen diese Schlussfolgerung der Kommission macht die Klägerin im Kern zwei Rügen geltend.

83

Mit der ersten wendet sie ein, dass Art. 86 Abs. 1 EG zwar grundsätzlich auf öffentliche Unternehmen, denen die Mitgliedstaaten keine besonderen oder ausschließlichen Rechte verliehen hätten, anwendbar sei, dass es nach der Rechtsprechung für den Nachweis eines Verstoßes gegen diese Bestimmung in Verbindung mit Art. 82 EG wegen Ausdehnung einer beherrschenden Stellung jedoch erforderlich sei, dass das betreffende Unternehmen über ein ausschließliches oder besonderes Recht im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EG verfüge. Die ihr erteilten Genehmigungen zum Abbau von Braunkohle stellten aber kein solches Recht dar.

84

Ihre zweite Rüge geht dahin, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung keinen tatsächlichen oder potenziellen Missbrauch der beherrschenden Stellung der Klägerin auf den betreffenden Märkten festgestellt habe, obwohl sie für die Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG hierzu verpflichtet gewesen wäre. Diese Rüge ist als Erstes zu prüfen.

85

Insoweit spitzt sich im vorliegenden Fall der Streit hauptsächlich auf die Frage zu, ob die Kommission einen tatsächlichen oder potenziellen Missbrauch der beherrschenden Stellung der Klägerin feststellen musste oder ob sie sich mit dem Nachweis begnügen durfte, dass die in Rede stehenden staatlichen Maßnahmen den Wettbewerb verfälschten, indem sie ungleiche Chancen für die Wirtschaftsteilnehmer zugunsten der Klägerin schufen. Die Parteien ziehen in dieser Frage unterschiedliche Schlüsse aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung von Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG.

86

Zunächst ist festzustellen, dass die Verbote nach Art. 86 Abs. 1 EG an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, während sich Art. 82 EG an die Unternehmen richtet, indem er ihnen die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung untersagt. Bei Anwendung der einen Bestimmung in Verbindung mit der anderen kann der Verstoß eines Mitgliedstaats gegen Art. 86 Abs. 1 EG nur festgestellt werden, wenn die staatliche Maßnahme gegen Art. 82 EG verstößt. Daher stellt sich die Frage, inwieweit ein – und sei es nur ein potenzieller – Missbrauch der beherrschenden Stellung eines Unternehmens festgestellt werden muss, der in Zusammenhang mit der staatlichen Maßnahme steht.

87

Was den Markt für die Lieferung von Braunkohle angeht, geht aus den Akten hervor, dass die Hellenische Republik der Klägerin aufgrund von Art. 22 des Gesetzesdekrets Nr. 4029/1959 und Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 134/1975 bei Braunkohlereserven in Griechenland von insgesamt etwa 4500 Mio. t Genehmigungen zum Abbau von Braunkohlelagerstätten mit Reserven von etwa 2200 Mio. t erteilt hat. Diese aus der Zeit vor der Liberalisierung des Strommarkts stammenden staatlichen Maßnahmen sind aufrechterhalten worden und beeinträchtigen den Markt für die Lieferung von Braunkohle weiterhin.

88

Ferner ergibt sich aus den Akten, dass trotz des von den Wettbewerbern der Klägerin bekundeten Interesses kein Wirtschaftsteilnehmer von der Hellenischen Republik Genehmigungen zum Abbau von Braunkohlelagerstätten erhalten hat, obwohl Griechenland über etwa 2000 Mio. t noch nicht ausgebeuteter Braunkohlevorkommen verfügt.

89

Die fehlende Möglichkeit für andere Wirtschaftsteilnehmer, Zugang zu den noch verfügbaren Braunkohlevorkommen zu erhalten, kann jedoch nicht der Klägerin angelastet werden. Wie sie in der Sitzung vom 2. Februar 2012 zu Recht ausgeführt hat, lag es allein an der fehlenden Bereitschaft der Hellenischen Republik, dass keine Genehmigungen zum Abbau von Braunkohle erteilt wurden. Auf dem Markt für die Lieferung von Braunkohle hat sich die Klägerin auf den Abbau von Vorkommen beschränkt, an denen sie die Rechte besitzt, und die Kommission hat nicht vorgetragen, dass die Klägerin ihre beherrschende Stellung auf diesem Markt hinsichtlich des Zugangs zu den Vorkommen missbraucht hätte.

90

Nach Ansicht der Kommission hat die fehlende Möglichkeit der Wettbewerber der Klägerin, Zugang zum Markt für die Lieferung von Braunkohle zu erhalten, Auswirkungen auf den Strommarkt für Großkunden. Da Braunkohle der in Griechenland wirtschaftlich attraktivste Brennstoff sei, ermögliche ihr Abbau die Erzeugung von Strom zu niedrigen variablen Kosten, was – so die Kommission – gewährleiste, dass der so erzeugte Strom mit einer höheren Gewinnspanne auf den obligatorischen Tagesmarkt gelangen könne als aus anderen Brennstoffen erzeugter Strom. Die Folge davon sei, dass die Klägerin in der Lage sei, ihre beherrschende Stellung auf dem Strommarkt für Großkunden aufrechtzuerhalten oder zu stärken, indem sie den Zugang neuer Marktteilnehmer zu diesem Markt verhindere oder behindere.

91

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass im Anschluss an die Liberalisierung des Strommarkts für Großkunden ein obligatorischer Tagesmarkt geschaffen wurde und dass die Regeln über dessen Funktionsweise in der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage gestellt wurden. Wie aus den vorstehenden Randnrn. 11 bis 14 hervorgeht, müssen sich die Lieferanten auf dem Strommarkt für Großkunden, also die Klägerin und ihre Wettbewerber, an dieses System halten. Außerdem war die Klägerin auf diesem Markt bereits vor dessen Liberalisierung tätig.

92

Die Kommission hat nicht nachgewiesen, dass der privilegierte Zugang zur Braunkohle geeignet gewesen sei, eine Lage herbeizuführen, in der die Klägerin bereits durch die Ausübung ihrer Abbaurechte ihre Stellung auf dem Strommarkt für Großkunden hätte missbrauchen oder zu einem solchen Marktmissbrauch hätte verleitet werden können. Ebenso wenig wirft die Kommission der Klägerin vor, ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für die Lieferung von Braunkohle ohne objektive Rechtfertigung auf den Strommarkt für Großkunden ausgedehnt zu haben.

93

Mit der bloßen Feststellung, dass die Klägerin, ein ehemaliges Monopolunternehmen, dank des Vorteils, den ihr der privilegierte Zugang zur Braunkohle verschaffe, weiterhin eine beherrschende Stellung auf dem Strommarkt für Großkunden habe und dadurch die Chancen zwischen der Klägerin und den übrigen Unternehmen auf diesem Markt ungleich verteilt seien, hat die Kommission weder angegeben noch rechtlich hinreichend nachgewiesen, zu welchem Missbrauch im Sinne von Art. 82 EG die in Rede stehende staatliche Maßnahme die Klägerin veranlasst hat oder hätte veranlassen können.

94

Hinzu kommt, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zunächst unter Hinweis auf das Urteil Raso u. a. (Randnr. 27) die Rechtsprechung des Gerichtshofs erwähnt hat, wonach ein Mitgliedstaat gegen die in Art. 86 Abs. 1 EG und Art. 82 EG enthaltenen Verbote verstößt, wenn das betreffende Unternehmen bereits durch die Ausübung der ihm übertragenen ausschließlichen oder besonderen Rechte dazu gebracht wird, seine beherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen, oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen zur Begehung eines solchen Missbrauchs gebracht wird. Dies ist ständige Rechtsprechung, auf die u. a. in den Urteilen des Gerichtshofs Höfner und Elser (Randnr. 29), vom 10. Dezember 1991, Merci convenzionali porto di Genova (C-179/90, Slg. 1991, I-5889, Randnr. 17), vom 11. Dezember 1997, Job Centre (C-55/96, Slg. 1997, I-7119, Randnr. 31), und vom 1. Juli 2008, MOTOE (C-49/07, Slg. 2008, I-4863, Randnrn. 50 und 51), Bezug genommen wird.

95

Aus diesen Urteilen, die vor dem Gericht erörtert wurden, ergibt sich, dass der Gerichtshof nach dem Hinweis, dass die bloße Schaffung oder Stärkung einer beherrschenden Stellung durch eine staatliche Maßnahme im Sinne von Art. 86 Abs. 1 EG als solche nicht mit Art. 82 EG unvereinbar ist, in jedem Einzelfall geprüft hat, ob das betreffende Unternehmen bereits durch die Ausübung des ihm mit der staatlichen Maßnahme übertragenen ausschließlichen oder besonderen Rechts dazu gebracht werden konnte, seine beherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen.

96

Im Urteil Raso u. a. hat der Gerichtshof anerkannt, dass sich für eine Hafenbetriebsgesellschaft insofern ein Interessenkonflikt ergab, als ihr durch die in Rede stehende nationale Maßnahme nicht nur das ausschließliche Recht verliehen worden war, den zur Tätigkeit im Hafen zugelassenen Unternehmen Arbeitskräfte zu überlassen, sondern auch gestattetet worden war, auf dem Markt für Hafenarbeiten mit diesen Unternehmen in Wettbewerb zu treten. Diese Gesellschaft missbrauchte ihr ausschließliches Recht, indem sie von ihren Konkurrenten auf dem Markt für Hafenarbeiten für die Überlassung von Arbeitskräften überhöhte Preise verlangte oder ihnen für diese Arbeiten weniger geeignete Arbeitskräfte zur Verfügung stellte (Urteil Raso u. a., Randnrn. 28 und 30).

97

Im Urteil MOTOE ging es um die Frage, ob die Art. 82 EG und 86 Abs. 1 EG einer nationalen Regelung entgegenstanden, die einer juristischen Person, die selbst Motorradrennen durchführen und sie kommerziell nutzen konnte, die Befugnis verlieh, ihr Einverständnis zu Anträgen auf Genehmigung der Durchführung solcher Rennen zu erklären, ohne dass diese Befugnis Beschränkungen, Bindungen oder einer Kontrolle unterlag. Nach Auffassung des Gerichtshofs lief die Übertragung der betreffenden Rechte durch eine staatliche Maßnahme auf diese Einrichtung tatsächlich darauf hinaus, ihr die Befugnis zu verleihen, die Personen zu bestimmen, die solche Wettbewerbe durchführen durften, und die Bedingungen festzulegen, unter denen die Rennen durchgeführt wurden, und damit dieser Einrichtung einen eindeutigen Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern zu verschaffen, aufgrund dessen sie den Zugang der anderen Beteiligten zu dem betreffenden Markt verhindern konnte (Urteil MOTOE, Randnr. 51).

98

Im Urteil Höfner und Elser hatte der Gerichtshof zu prüfen, ob die Aufrechterhaltung eines Monopols für die Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft, die im Wesentlichen darin bestand, Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zusammenzuführen, und von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt für Arbeit aufgrund eines Monopols ausgeübt wurde, einen Verstoß gegen Art. 90 Abs. 1 EG-Vertrag (jetzt Art. 86 Abs. 1 EG) in Verbindung mit Art. 86 EG-Vertrag (jetzt Art. 82 EG) darstellte. Der Gerichtshof stellte fest, dass ein Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 EG vorliegt, wenn die öffentlich-rechtliche Anstalt zwangsläufig durch die bloße Ausübung des ihr übertragenen ausschließlichen Rechts ihre beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt, was der Fall ist, wenn die öffentlich-rechtliche Anstalt offenkundig nicht in der Lage ist, die Nachfrage auf dem Markt nach solchen Leistungen zu befriedigen, und die tatsächliche Ausübung dieser Vermittlungstätigkeiten durch private Personalberatungsunternehmen durch die Beibehaltung einer Gesetzesbestimmung unmöglich gemacht wird, die diese Tätigkeiten bei Strafe der Nichtigkeit der entsprechenden Verträge verbietet (Urteil Höfner und Elser, Randnrn. 30, 31 und 34).

99

Der Gerichtshof hat in diesem Urteil festgestellt, dass eine staatliche Maßnahme vorlag, die die öffentlich-rechtliche Anstalt zu einem missbräuchlichen Verhalten im Sinne von Art. 86 Abs. 2 Buchst. b EG-Vertrag (jetzt Art. 82 Abs. 2 Buchst. b EG) brachte, da die Tätigkeit dieser Anstalt in einer Beschränkung der angebotenen Leistung zum Schaden derjenigen, die die betreffende Dienstleistung in Anspruch nehmen wollten, bestehen konnte.

100

Auch im Urteil Job Centre hat der Gerichtshof festgestellt, dass die nationale Maßnahme eine Lage schaffen konnte, in der die Leistung im Sinne von Art. 82 Abs. 2 Buchst. b EG eingeschränkt war. Untersagt nämlich – so der Gerichtshof – ein Mitgliedstaat unter Androhung von strafrechtlichen und Verwaltungssanktionen jede Tätigkeit der Vermittlung und Einschaltung von Mittelspersonen bei Stellengesuchen und -angeboten, wenn sie nicht durch staatliche Vermittlungsstellen erfolgt, so schafft er eine Lage, in der die Dienstleistung im Sinne von Art. 82 Abs. 2 Buchst. b EG eingeschränkt wird, wenn diese Stellen offenkundig nicht in der Lage sind, für alle Arten von Tätigkeiten die auf dem Arbeitsmarkt bestehende Nachfrage zu befriedigen (Urteil Job Centre, Randnrn. 32 und 35).

101

Das Urteil Merci convenzionali porto di Genova betrifft nationale Rechtsvorschriften, durch die ein Unternehmen ein Ausschließlichkeitsrecht für Hafenarbeiten, insbesondere die Be-, Ent- und Umladung sowie allgemein den Umschlag von Waren oder anderen Gütern im Hafen hatte.

102

In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Mitgliedstaat gegen Art. 86 Abs. 1 EG verstößt, wenn er eine Lage schafft, in der das mit ausschließlichen Rechten ausgestattete Unternehmen sich durch diese Rechte dazu verleiten lässt, die Bezahlung nicht verlangter Dienstleistungen zu fordern, unverhältnismäßige Preise in Rechnung zu stellen, den Einsatz moderner Technologie abzulehnen oder bestimmten Benutzern Preisnachlässe zu gewähren, die gleichzeitig durch eine Erhöhung der anderen Benutzern in Rechnung gestellten Preise ausgeglichen werden (Randnrn. 19 und 20). Hierfür hat der Gerichtshof ausdrücklich auf Art. 86 Abs. 2 Buchst. a bis c EG-Vertrag (jetzt Art. 82 Abs. 2 Buchst. a bis c EG) Bezug genommen.

103

Diesen, vorstehend in den Randnrn. 96 bis 102 angeführten Urteilen ist zu entnehmen, dass sich der Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch ein Unternehmen, das über ausschließliche oder besondere Rechte verfügt, entweder aus der Möglichkeit, dieses Recht in missbräuchlicher Weise auszuüben, ergeben oder eine unmittelbare Folge dieses Rechts sein kann. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich jedoch nicht, dass allein die Tatsache, dass das betreffende Unternehmen sich aufgrund einer staatlichen Maßnahme in einer gegenüber seinen Wettbewerbern vorteilhaften Lage befindet, an sich schon einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellt.

104

Unter Hinweis insbesondere auf die Urteile Frankreich/Kommission, GB-Inno-BM und Connect Austria macht die Kommission jedoch geltend, sie habe ihre Schlussfolgerung, dass ein Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG vorliege, genau genommen auf die Rechtsprechung gestützt, wonach ein System nicht verfälschten Wettbewerbs, wie es der Vertrag vorsehe, nur gewährleistet werden könne, wenn die Chancengleichheit zwischen den einzelnen Wirtschaftsteilnehmern sichergestellt sei. Eine staatliche Maßnahme verstoße gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG, wenn sie zur Ungleichheit der Chancen von Wirtschaftsteilnehmern, also zu verfälschtem Wettbewerb, führe.

105

Diesen Urteilen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass für die Annahme der Verwirklichung eines Verstoßes gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG nur dargetan werden muss, dass eine staatliche Maßnahme den Wettbewerb dadurch verfälscht, dass sie die Chancen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern ungleich verteilt, und es nicht erforderlich ist, einen Missbrauch der beherrschenden Stellung des Unternehmens festzustellen.

106

Im Urteil GB-Inno-BM verfügte nämlich die Klägerin, die Régie des télégraphes et des téléphones (RTT), nach belgischem Recht über das Monopol für die Einrichtung und den Betrieb des öffentlichen Fernmeldenetzes und vereinigte aufgrund des Gesetzes in ihrer Hand auch die Befugnisse zur Genehmigung oder Verweigerung des Anschlusses von Fernsprechgeräten an das Netz, zur Festlegung technischer Normen, denen diese Anlagen genügen mussten, und zur Prüfung, ob die nicht von ihr hergestellten Geräte den von ihr erlassenen Spezifikationen entsprachen. Der Gerichtshof hat zunächst festgestellt, dass der Umstand, dass ein Unternehmen mit einem Monopol auf dem Markt für die Einrichtung und den Betrieb des Netzes sich ohne objektives Bedürfnis einen benachbarten, aber getrennten Markt – im genannten Fall den Markt der Einfuhr, des Vertriebs, des Anschlusses, der Inbetriebsetzung und der Wartung von Geräten, die zum Anschluss an dieses Netz bestimmt sind – vorbehält und auf diese Weise jeden Wettbewerb durch andere Unternehmen ausschaltet, gegen Art. 82 EG verstößt (Urteil GB-Inno-BM, Randnrn. 15 und 19).

107

Nach dem Hinweis, dass Art. 82 EG nur für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen der Unternehmen selbst und nicht für staatliche Maßnahmen gilt, hat er sodann ausgeführt, dass eine staatliche Maßnahme, wenn die Ausdehnung der beherrschenden Stellung des öffentlichen Unternehmens oder des Unternehmens, dem der Staat besondere oder ausschließliche Rechte gewährt hat, auf eine solche Maßnahme zurückgeht, einen Verstoß gegen Art. 90 EG-Vertrag (jetzt Art. 86 EG) in Verbindung mit Art. 82 EG darstellt. Nach Auffassung des Gerichtshofs untersagt es Art. 86 EG den Mitgliedstaaten nämlich, diese Unternehmen durch Rechtsetzungsakte oder Verwaltungsmaßnahmen in eine Situation zu versetzen, in die sich diese Unternehmen durch selbständige Verhaltensweisen nicht ohne Verstoß gegen Art. 82 EG versetzen könnten (Randnr. 20).

108

In der Sitzung vom 2. Februar 2012 hat die Kommission vorgetragen, dass der Gerichtshof in Randnr. 24 des besagten Urteils auf ein Argument von RTT hin entschieden habe, dass es nicht erforderlich sei, einen Missbrauch durch das Unternehmen festzustellen.

109

Der Gerichtshof hat jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass einem Unternehmen, das Endgeräte vertreibt, durch die Übertragung der Aufgabe, die Spezifikationen, denen die Endgeräte entsprechen müssen, festzuschreiben, deren Anwendung zu kontrollieren und diese Apparate zuzulassen, letztlich die Befugnis übertragen wird, frei zu bestimmen, welche Endgeräte an das öffentliche Netz angeschlossen werden können, und ihm damit ein eindeutiger Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern verschafft wird (Randnr. 25). Die Ausdehnung des Monopols für die Einrichtung und den Betrieb des Fernsprechnetzes auf den Markt für Fernsprechgeräte ohne objektive Rechtfertigung als solche hat der Gerichtshof als durch Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG verboten angesehen, wenn diese Ausdehnung auf eine staatliche Maßnahme zurückgeht (Urteil GB-Inno-BM, Randnrn. 23 bis 25).

110

Im Urteil Connect Austria waren einem öffentlichen Unternehmen, das über das ausschließliche Recht zum Betrieb eines analogen Mobiltelefonnetzes verfügte, entgeltfrei DCS-1800-Frequenzen zugeteilt worden, wodurch es als einziger Anbieter die Möglichkeit erhielt, alle technisch verfügbaren Mobilfunkdienste aus einer Hand anbieten zu können, während einem seiner Wettbewerber, der Connect Austria, eine Lizenz zur Erbringung von Mobilfunkdiensten im DCS-1800-Frequenzbereich gegen eine Gebühr erteilt wurde (Randnrn. 43 bis 45).

111

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass eine nationale Regelung, die es erlaubt, einem öffentlichen Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung ohne gesonderte Gebühr zusätzliche Frequenzen aus dem für DCS 1800 reservierten Frequenzbereich zuzuteilen, während das neu auf den fraglichen Markt tretende Unternehmen für seine DCS-1800-Lizenz eine Gebühr entrichten muss, das öffentliche Unternehmen mit beherrschender Stellung dazu bringen kann, seine beherrschende Stellung auszudehnen oder zu stärken und dadurch gegen Art. 82 EG zu verstoßen. Da in diesem Fall der verfälschte Wettbewerb auf einer staatlichen Maßnahme beruhen würde, die eine Situation schafft, in der die Chancengleichheit der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer nicht sichergestellt wäre, verstieß diese Maßnahme gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG (Urteil Connect Austria, Randnr. 87). Hierzu hat der Gerichtshof erläutert, dass sich das öffentliche Unternehmen in einer Situation befinden könnte, in der es insbesondere versucht wäre, namentlich den potenziellen Nutzern des Systems nach dem DCS-1800-Standard niedrige Tarife anzubieten und intensive Werbekampagnen unter Bedingungen zu führen, mit denen Connect Austria kaum konkurrieren könnte (Randnr. 86). Somit hat der Gerichtshof auch das Marktverhalten des öffentlichen Unternehmens berücksichtigt.

112

Auch im Urteil Frankreich/Kommission (Randnr. 51) hat der Gerichtshof zunächst darauf hingewiesen, dass ein System nicht verfälschten Wettbewerbs, wie es der Vertrag vorsieht, nur gewährleistet werden kann, wenn die Chancengleichheit der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer sichergestellt ist, und dann weiter ausgeführt, dass einem Unternehmen, das Endgeräte vertreibt, durch die Übertragung der Aufgabe, die Spezifikationen festzuschreiben, denen die Endgeräte entsprechen müssen, deren Anwendung zu kontrollieren und diese Apparate zuzulassen, letztlich die Befugnis übertragen wird, frei zu bestimmen, welche Endgeräte an das öffentliche Netz angeschlossen werden können, und ihm damit ein eindeutiger Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern verschafft wird.

113

Somit hat der Gerichtshof die von der Kommission angeführten und oben in Randnr. 104 wiedergegebenen Formulierungen zwar tatsächlich verwendet, doch kann sich die Kommission nicht allein auf diese Formulierungen stützen, die sie vereinzelt und losgelöst von ihrem Kontext in diesen Urteilen herausgegriffen hat.

114

In der Sitzung vom 2. Februar 2012 hat sich die Kommission zur Stützung ihrer Ansicht ferner auf das Urteil des Gerichtshofs vom 25. Juni 1998, Dusseldorp u. a. (C-203/96, Slg. 1998, I-4075), berufen.

115

In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, hatten die niederländischen Behörden die Gesellschaft AVR Chemie CV zum einzigen Endverarbeiter für die Verbrennung gefährlicher Abfälle in einem hochwertigen Drehtrommelofen bestimmt. Der Gesellschaft Chemische Afvalstoffen Dusseldorp BV wurde die Genehmigung für die Ausfuhr ihrer Ölfilter, also gefährlicher Abfälle, nach Deutschland mit der Begründung versagt, dass die Behandlung dieser Abfälle nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften durch AVR Chemie sichergestellt werde. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass das an Chemische Afvalstoffen Dusseldorp gerichtete Verbot der Ausfuhr ihrer Ölfilter in der Praxis darauf hinauslief, ihr die Verpflichtung aufzuerlegen, ihre zur Verwertung bestimmten Abfälle dem inländischen Unternehmen, dem das ausschließliche Recht zur Verbrennung gefährlicher Abfälle zustand, zu überlassen, obwohl die in einem anderen Mitgliedstaat angebotene Qualität der Verwertung mit der des inländischen Unternehmens vergleichbar war.

116

Der Gerichtshof hat entschieden, dass eine solche Verpflichtung, die eine Begünstigung des inländischen Unternehmens bewirkt, da sie ihm die Verwertung von Abfällen ermöglicht, die durch ein drittes Unternehmen verwertet werden sollten, zu einer gegen Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 82 EG verstoßenden Beschränkung der Absatzmärkte führt (Urteil Dusseldorp u. a., Randnr. 63).

117

Zuvor war, wie die Kommission ausgeführt hat, die in dieser Rechtssache festgestellte Beschränkung der Absatzmärkte dadurch bedingt, dass das niederländische Gesetz dem Unternehmen AVR Chemie ein ausschließliches Recht zur Behandlung gefährlicher Abfälle gewährt hatte, was jede anderweitige Behandlung des in Rede stehenden Erzeugnisses ausschloss, und beruhte nicht auf der Art und Weise, wie dieses Unternehmen dieses ausschließliche Recht ausübte. Gleichwohl hat der Gerichtshof aber einen Missbrauch festgestellt, zu dem das Unternehmen in beherrschender Stellung durch das niederländische Gesetz gebracht wurde, nämlich die Beschränkung der Absatzmärkte zum Nachteil der Verbraucher im Sinne von Art. 82 Satz 2 Buchst. b EG. Im Übrigen hat der Gerichtshof in diesem Urteil angegeben, dass er seine Erwägungen auf die Rechtsprechung gestützt hat, wonach ein Mitgliedstaat gegen das in Art. 86 EG in Verbindung mit Art. 82 EG aufgestellte Verbot verstößt, wenn er eine Maßnahme trifft, die ein Unternehmen, dem er ausschließliche Rechte eingeräumt hat, dazu bringt, seine beherrschende Stellung zu missbrauchen (Randnr. 61).

118

Somit erlauben die von der Kommission herangezogenen Urteile nicht, die oben in Randnr. 94 angeführte Rechtsprechung außer Betracht zu lassen und ausschließlich auf die Frage abzustellen, ob die Ungleichheit der Chancen von Wirtschaftsteilnehmern, also der verfälschte Wettbewerb, auf eine staatliche Maßnahme zurückzuführen ist. Die Kommission kann daher nicht geltend machen, sie sei nicht verpflichtet, den Missbrauch der beherrschenden Stellung, zu dem die Klägerin durch die betreffende staatliche Maßnahme gebracht worden ist oder hätte gebracht werden können, festzustellen und nachzuweisen. Wie oben in den Randnrn. 87 bis 93 festgestellt worden ist, fehlt es in der angefochtenen Entscheidung an einem entsprechenden Nachweis.

119

Folglich ist die oben in Randnr. 84 genannte Rüge, die die Klägerin im Rahmen des zweiten und des vierten Teils des ersten Klagegrundes erhoben hat, begründet. Die angefochtene Entscheidung ist daher für nichtig zu erklären, ohne dass die weiteren von der Klägerin vorgetragenen Rügen, Teile und Klagegründe geprüft zu werden brauchen.

Kosten

120

Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr außer ihren eigenen Kosten die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

121

Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Hellenische Republik trägt daher ihre eigenen Kosten. Außerdem sind nach Art. 87 § 4 Unterabs. 2 der Verfahrensordnung den als Streithelferinnen zugelassenen Unternehmen ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Entscheidung C (2008) 824 endg. der Kommission vom 5. März 2008 zur Erteilung bzw. Aufrechterhaltung von Genehmigungen zur Braunkohlegewinnung zugunsten der Dimosia Epicheirisi Ilektrismou AE (DEI) durch die Hellenische Republik wird für nichtig erklärt.

 

2.

Die Europäische Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der DEI.

 

3.

Die Hellenische Republik, die Elliniki Energeia kai Anaptyxi AE (HE & DSA) und die Energeiaki Thessalonikis AE tragen ihre eigenen Kosten.

 

Kanninen

Wahl

Soldevila Fragoso

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. September 2012.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Griechisch.