Rechtssache C-381/08

Car Trim GmbH

gegen

KeySafety Systems Srl

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs)

„Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Art. 5 Nr. 1 Buchst. b – Zuständigkeit, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden – Bestimmung des Erfüllungsorts der Verpflichtung – Kriterien zur Abgrenzung zwischen ‚Verkauf beweglicher Sachen‘ und ‚Erbringung von Dienstleistungen‘“

Leitsätze des Urteils

1.        Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Verordnung Nr. 44/2001 – Besondere Zuständigkeiten – Zuständigkeit für Klagen aus Vertrag oder Ansprüchen aus einem Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b

(Verordnung Nr. 44/2001 des Rates, Art. 5 Nr. 1 Buchst. b)

2.        Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Verordnung Nr. 44/2001 – Besondere Zuständigkeiten – Zuständigkeit für Klagen aus Vertrag oder Ansprüchen aus einem Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich

(Verordnung Nr. 44/2001, Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich)

1.        Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware auch bei bestimmten Vorgaben des Auftraggebers zu Beschaffung, Verarbeitung und Lieferung der Ware, ohne dass die Stoffe von diesem zur Verfügung gestellt wurden, und auch wenn der Lieferant für die Qualität und die Vertragsgemäßheit der Ware haftet, als „Verkauf beweglicher Sachen“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich dieser Verordnung einzustufen sind.

Da die Verordnung Nr. 44/2001 dazu bei Verträgen über den Verkauf beweglicher Sachen und solchen über die Erbringung von Dienstleistungen die für diese Verträge charakteristische Verpflichtung als Anknüpfungskriterium für das zuständige Gericht zugrunde legt, werden diese Verträge, wenn die charakteristische Verpflichtung die Lieferung eines Gegenstands ist, als „Verkauf beweglicher Sachen“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung, und wenn die charakteristische Verpflichtung die Erbringung von Dienstleistungen ist, als „Erbringung von Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich dieser Verordnung einzustufen sein.

Für die Ermittlung der Verpflichtung, die für einen Vertrag über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware bei bestimmten Vorgaben des Auftraggebers zu Beschaffung, Verarbeitung und Lieferung der Ware charakteristisch ist, ändert die Tatsache, dass die zu liefernde Ware zuvor hergestellt oder erzeugt werden muss, nichts an der Einstufung des fraglichen Vertrags als Kaufvertrag. Außerdem sind andere Umstände, wie zum einen, dass der Käufer keine Stoffe zur Verfügung gestellt hat, und zum anderen, dass der Lieferant für die Qualität und Vertragsgemäßheit der Ware haftet, Anhaltspunkte für eine Einstufung eines solchen Vertrags als „Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen“.

(vgl. Randnrn. 31-33, 38, 40, 42-43, Tenor 1)

2.        Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass bei Versendungskäufen der Ort, an dem die beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Vertrags zu bestimmen ist.

Lässt sich der Lieferort auf dieser Grundlage ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht nicht bestimmen, ist dieser Ort derjenige der körperlichen Übergabe der Waren, durch die der Käufer am endgültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Dieses Kriterium als „Lieferort“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung entspricht nämlich am besten der Entstehungsgeschichte, den Zielen und der Systematik dieser Verordnung. Es ist dazu in hohem Maße vorhersehbar und entspricht dem Ziel der räumlichen Nähe, da es eine enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zur Entscheidung berufenen Gericht gewährleistet. Ferner ist das grundlegende Ziel eines Vertrags über den Verkauf beweglicher Sachen ihre Übertragung vom Verkäufer an den Käufer; dieser Vorgang ist erst bei der Ankunft dieser beweglichen Sachen an ihrem endgültigen Bestimmungsort vollständig abgeschlossen.

(vgl. Randnrn. 46, 55-57, 60-62, Tenor 2)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

25. Februar 2010(*)

„Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Art. 5 Nr. 1 Buchst. b – Zuständigkeit, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden – Bestimmung des Erfüllungsorts der Verpflichtung – Kriterien zur Abgrenzung zwischen ‚Verkauf beweglicher Sachen‘ und ‚Erbringung von Dienstleistungen‘“

In der Rechtssache C‑381/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 9. Juli 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 22. August 2008, in dem Verfahren

Car Trim GmbH

gegen

KeySafety Systems Srl

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis und T. von Danwitz,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der KeySafety Systems Srl, vertreten durch Rechtsanwalt C. von Mettenheim,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Kemper als Bevollmächtigte,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch H. Walker als Bevollmächtigte im Beistand von A. Henshaw, Barrister,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.‑M. Rouchaud-Joët und S. Grünheid als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. September 2009

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1, im Folgenden: Verordnung), insbesondere die Frage, wie Verträge über den „Verkauf beweglicher Sachen“ und Verträge über die „Erbringung von Dienstleistungen“ voneinander abzugrenzen sind, sowie die Frage, wie bei Versendungskäufen der Erfüllungsort zu ermitteln ist.

2        Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Car Trim GmbH (im Folgenden: Car Trim) und der KeySafety Systems Srl (im Folgenden: KeySafety) über die vertraglichen Verpflichtungen der Parteien betreffend die Lieferung von Komponenten für die Herstellung von Airbagsystemen.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

3        Nach Art. 68 Abs. 1 der am 1. März 2002 in Kraft getretenen Verordnung ersetzt diese im Verhältnis zwischen allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks das Brüsseler Übereinkommen aus 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die nachfolgenden Übereinkommen über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen geänderten Fassung.

4        Nach ihrem zweiten Erwägungsgrund bezweckt die Verordnung, im Interesse eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts „die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen“.

5        Im elften und im zwölften Erwägungsgrund wird zum Verhältnis zwischen den verschiedenen Zuständigskeitsregeln und zu ihren Regelungszwecken Folgendes ausgeführt:

„(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. …

(12)      Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.“

6        Art. 2 Abs. 1 in Abschnitt 1 („Allgemeine Vorschriften“) des Kapitels II der Verordnung bestimmt:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“

7        Der in Abschnitt 2 („Besondere Zuständigkeiten“) des Kapitels II der Verordnung enthaltene Art. 5 sieht vor:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1.      a)     wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;

b)      im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung

–        für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;

–        für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;

c)      ist Buchstabe b) nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a);

…“

8        Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. L 171, S. 12) bestimmt:

„Als Kaufverträge im Sinne dieser Richtlinie gelten auch Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Verbrauchsgüter.“

 Internationales Recht

9        Das am 11. April 1980 in Wien unterzeichnete Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (im Folgenden: CISG) trat in Italien am 1. Januar 1988 und in Deutschland am 1. Januar 1991 in Kraft.

10      In Abs. 3 der Präambel der CISG heißt es:

„[D]ie Annahme einheitlicher Bestimmungen, die auf Verträge über den internationalen Warenkauf Anwendung finden und die verschiedenen Gesellschafts-, Wirtschafts- und Rechtsordnungen berücksichtigen, [würde] dazu beitragen …, die rechtlichen Hindernisse im internationalen Handel zu beseitigen und seine Entwicklung zu fördern“.

11      Nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a CISG ist

„[d]ieses Übereinkommen … auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben,

a)      wenn diese Staaten Vertragsstaaten sind …“

12      Art. 3 CISG sieht zum sachlichen Anwendungsbereich dieses Übereinkommens vor:

„(1)      Den Kaufverträgen stehen Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware gleich, es sei denn, dass der Besteller einen wesentlichen Teil der für die Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung zu stellen hat.

(2)      Dieses Übereinkommen ist auf Verträge nicht anzuwenden, bei denen der überwiegende Teil der Pflichten der Partei, welche die Ware liefert, in der Ausführung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen besteht.“

13      Nach Art. 30 CISG ist „[d]er Verkäufer … nach Maßgabe des Vertrags und dieses Übereinkommens verpflichtet, die Ware zu liefern, die sie betreffenden Dokumente zu übergeben und das Eigentum an der Ware zu übertragen“.

14      Art. 31 CISG bestimmt:

„Hat der Verkäufer die Ware nicht an einem anderen bestimmten Ort zu liefern, so besteht seine Lieferpflicht in Folgendem:

a)      Erfordert der Kaufvertrag eine Beförderung der Ware, so hat sie der Verkäufer dem ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer zu übergeben;

…“

15      Art. 6 des am 14. Juni 1974 in New York unterzeichneten Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Verjährung beim internationalen Warenkauf lautet:

„(1)      Dieses Übereinkommen ist auf Verträge nicht anzuwenden, bei denen der überwiegende Teil der Pflichten des Verkäufers in der Ausführung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen besteht.

(2)      Den Kaufverträgen stehen Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher körperlicher Sachen gleich, es sei denn, dass der Besteller einen wesentlichen Teil der für diese Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfugung zu stellen hat.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16      KeySafety mit Sitz in Italien liefert Airbagsysteme an italienische Autohersteller und kaufte von Juli 2001 bis Dezember 2003 bei Car Trim im Rahmen von fünf Lieferverträgen (im Folgenden: Verträge) Komponenten, die in die Herstellung dieser Systeme eingingen.

17      KeySafety kündigte diese Verträge zum Jahresende 2003. Car Trim, die von Vertragslaufzeiten bis teilweise Sommer 2007 ausgeht, wertet die Kündigungen als Vertragsverletzung und verlangt Schadensersatz, den sie bei dem für den Produktionsort der Komponenten zuständigen Landgericht Chemnitz gerichtlich geltend machte. Dieses erklärte sich wegen fehlender internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte für unzuständig.

18      Das Oberlandesgericht wies die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurück.

19      Das letztgenannte Gericht führte aus, dass die Klägerin nach den Verträgen dazu verpflichtet gewesen sei, in einer für Zulieferer in der Autoindustrie typischen Weise aus den von vorgegebenen Lieferanten bezogenen Vorprodukten Airbags in vorgegebener Gestalt herzustellen, um sie in Anpassung an den Produktionsprozess von KeySafety und nach weitgehenden Vorgaben zu Arbeitsorganisation, Qualitätssicherung, Verpackung, Etikettierung, Lieferscheinen und Rechnung auf Abruf liefern zu können.

20      Car Trim legte beim Bundesgerichtshof Revision ein.

21      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts geht es bei der Entscheidung über diese Revision um die Frage, ob das Landgericht Chemnitz seine internationale Zuständigkeit, die es auf der Grundlage der Verordnung zu prüfen hatte, zu Unrecht verneint hat.

22      Die Antwort auf diese Frage hängt von der Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b dieser Verordnung ab, da die Beklagte ihren Sitz, der nach Art. 2 der Verordnung als Zuständigkeitskriterium dienen kann, in Italien hat und das Oberlandesgericht feststellte, dass weder eine ausschließliche Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 22 der Verordnung bestehe noch eine ausdrückliche oder stillschweigende Gerichtsstandsvereinbarung nach den Art. 23 und 24 dieser Verordnung geschlossen worden sei.

23      Folglich können die deutschen Gerichte nur dann für die Schadensersatzklage zuständig sein, wenn der Ort der Herstellung als Erfüllungsort der Verpflichtung angesehen wird, die nach Art. 5 Nr. 1 der Verordnung den „Gegenstand des Verfahrens“ bildet.

24      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist jenes Gericht zuständig, zu dem über den Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Leistung die engste räumliche Verbindung besteht. Diese werde mangels anderer tauglicher Anknüpfungskriterien durch den jeweiligen Schwerpunkt der nach wirtschaftlichen Kriterien zu bestimmenden vertraglichen Leistungspflichten bestimmt. Dieses Kriterium des Schwerpunkts der vertraglichen Leistungspflichten sei auch Art. 3 Abs. 2 CISG oder Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 14. Juni 1974 zu entnehmen.

25      Für den Fall, dass der Gerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung zu bestimmen sei, sei der Ort zu definieren, an dem die verkauften beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden seien oder hätten geliefert werden müssen. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist dieser Erfüllungsort auch bei Versendungskäufen der Ort, an dem der Käufer die tatsächliche Verfügungsgewalt über die gelieferte Sache erlangt oder sie nach den Verträgen hätte erlangen müssen.

26      Nach alledem hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung … dahin auszulegen, dass Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware trotz bestimmter Vorgaben des Auftraggebers zu Beschaffung, Verarbeitung und Lieferung der herzustellenden Gegenstände einschließlich einer Sicherung der Herstellungsqualität, der Lieferzuverlässigkeit und der reibungslosen administrativen Auftragsabwicklung als Verkauf beweglicher Sachen (erster Spiegelstrich) und nicht als Erbringung von Dienstleistungen (zweiter Spiegelstrich) zu qualifizieren sind? Welche Kriterien sind für die Abgrenzung maßgeblich?

2.      Wenn ein Verkauf beweglicher Sachen anzunehmen ist: Bestimmt sich der Ort, an dem die verkauften Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, bei Versendungskäufen nach dem Ort der körperlichen Übergabe an den Käufer oder nach dem Ort, an dem die Sachen dem ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer übergeben werden?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

27      Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, wie Verträge über den „Verkauf beweglicher Sachen“ und „Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung im Fall eines Vertrags über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Waren voneinander abzugrenzen sind, wenn der Käufer bestimmte Vorgaben zur Beschaffung, Verarbeitung und Lieferung dieser Gegenstände gemacht hat.

28      Dazu ist zunächst hervorzuheben, dass sich diese Frage in einem Rechtsstreit zwischen zwei Herstellern aus der Automobilbranche stellt. Diese Branche ist durch eine enge Zusammenarbeit zwischen den Herstellern gekennzeichnet. Die angebotene fertige Ware muss den genauen Vorgaben und individuellen Spezifikationen des Käufers entsprechen. Im Allgemeinen bestimmt dieser seine Bedürfnisse genau und erteilt Anweisungen für die Herstellung, die der Lieferant zu befolgen hat.

29      Bei einem solchen Verfahren, das auch in anderen Branchen der modernen Wirtschaft angewandt wird, kann die Herstellung der Waren auch eine Erbringung von Dienstleistungen umfassen, die, zusammen mit der anschließenden Lieferung der fertigen Ware, zur Verwirklichung des Endziels des fraglichen Vertrags beiträgt.

30      Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung enthält weder eine Definition der beiden Vertragskategorien noch Merkmale zur Unterscheidung dieser beiden Kategorien bei Warenverkäufen, die zugleich eine Erbringung von Dienstleistungen umfassen. Insbesondere wird im ersten Gedankenstrich dieser Bestimmung betreffend den Verkauf von beweglichen Sachen nicht ausgeführt, ob er auch dann anzuwenden ist, wenn die fragliche Ware vom Verkäufer unter Beachtung bestimmter Vorgaben des Käufers hergestellt oder erzeugt werden soll, dies in Anbetracht der Tatsache, dass eine solche Herstellung oder Erzeugung oder ein Teil von ihr als „Dienstleistung“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung eingestuft werden könnte.

31      Dazu ist daran zu erinnern, dass Art. 5 Nr. 1 der Verordnung bei Verträgen über den Verkauf beweglicher Sachen und solchen über die Erbringung von Dienstleistungen die für diese Verträge charakteristische Verpflichtung als Anknüpfungskriterium für das zuständige Gericht zugrunde legt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. April 2009, Falco Privatstiftung und Rabitsch, C‑533/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 54).

32      Aufgrund dieser Erwägung ist daher auf die für die fraglichen Verträge charakteristische Verpflichtung abzustellen. Ein Vertrag, dessen charakteristische Verpflichtung die Lieferung eines Gegenstands ist, wird als „Verkauf beweglicher Sachen“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung einzustufen sein. Ein Vertrag, dessen charakteristische Verpflichtung die Erbringung von Dienstleistungen ist, wird als „Erbringung von Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich einzustufen sein.

33      Für die Ermittlung der Verpflichtung, die für die fraglichen Verträge charakteristisch ist, sind folgende Umstände zu berücksichtigen.

34      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Einstufung eines Vertrags über den Verkauf von Waren, die vom Verkäufer erst hergestellt oder erzeugt werden müssen, durch einige Bestimmungen des Unionsrechts und des internationalen Rechts geregelt ist, die Anhaltspunkte für die Auslegung der Begriffe „Verkauf beweglicher Sachen“ und „Erbringung von Dienstleistungen“ bieten können.

35      Zunächst gelten nach Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 1999/44 Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Verbrauchsgüter als Kaufverträge, und nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie gelten bewegliche körperliche Gegenstände mit bestimmten Ausnahmen, die in einer Rechtssache wie der des Ausgangsverfahrens nicht einschlägig sind, als „Verbrauchsgüter“.

36      Darüber hinaus stehen nach Art. 3 Abs. 1 CISG Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware den Kaufverträgen gleich, es sei denn, dass der Besteller einen wesentlichen Teil der für diese Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung zu stellen hat.

37      Zudem sieht auch Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 14. Juni 1974 über die Verjährung beim internationalen Warenkauf vor, dass Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware den Kaufverträgen gleichstehen, es sei denn, dass der Besteller einen wesentlichen Teil der für die Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung zu stellen hat.

38      Die erwähnten Bestimmungen sind daher ein Anhaltspunkt dafür, dass die Tatsache, dass die zu liefernde Ware zuvor hergestellt oder erzeugt werden muss, nichts an der Einstufung des fraglichen Vertrags als Kaufvertrag ändert.

39      Der Gerichtshof ist im Übrigen auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge zum selben Ergebnis gelangt. Im Urteil vom 11. Juni 2009, Hans & Christophorus Oymanns (C‑300/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), hat der Gerichtshof in Randnr. 64 festgestellt, dass der Begriff „öffentliche Lieferaufträge“ in Art. 1 Abs. 2 Buchst. c Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) den Kauf von Waren unabhängig davon einschließt, ob die betreffende Ware den Verbrauchern bereits in fertigem Zustand zur Verfügung gestellt oder nach deren Anforderungen hergestellt wurde. In Randnr. 66 dieses Urteils ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Zurverfügungstellung von Waren, die individuell nach den Bedürfnissen des jeweiligen Kunden hergestellt und angepasst werden, die Anfertigung dieser Waren ein Teil der Lieferung der betreffenden Waren ist.

40      Zweitens ist das von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften erwähnte Kriterium der Herkunft der zu verarbeitenden Stoffe zu berücksichtigen. Im Rahmen der Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung kann auch der Umstand berücksichtigt werden, ob diese vom Käufer zur Verfügung gestellt wurden oder nicht. Hat der Käufer alle oder die Mehrzahl der Stoffe, aus denen die Ware hergestellt wird, zur Verfügung gestellt, kann dieser Umstand einen Anhaltspunkt für eine Einstufung des Vertrags als „Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen“ darstellen. Hingegen liegt im umgekehrten Fall, dass der Käufer keine Stoffe zur Verfügung gestellt hat, ein deutlicher Hinweis für eine Einstufung des Vertrags als „Vertrag über die Lieferung beweglicher Sachen“ vor.

41      Aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte geht hervor, dass im Ausgangsverfahren KeySafety zwar die Lieferanten bestimmte, bei denen sich Car Trim bestimmte Teile beschaffen musste, dieser jedoch selbst kein Material zur Verfügung stellte.

42      Drittens ist darauf hinzuweisen, dass bei der Einstufung der charakteristischen Verpflichtung aus dem fraglichen Vertrag, obwohl das vorlegende Gericht dazu keine Angaben macht, auch die Haftung des Lieferanten ein zu beachtender Umstand sein kann. Haftet der Verkäufer für die Qualität und Vertragsgemäßheit der Ware, die das Ergebnis seiner Tätigkeit ist, wird diese Haftung den Ausschlag für eine Einstufung als „Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen“ geben. Haftet er hingegen nur für eine korrekte Ausführung nach den Anweisungen des Käufers, spricht dieser Umstand eher für eine Einstufung als Vertrag über eine „Erbringung von Dienstleistungen“.

43      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware auch bei bestimmten Vorgaben des Auftraggebers zu Beschaffung, Verarbeitung und Lieferung der Ware, ohne dass die Stoffe von diesem zur Verfügung gestellt wurden, und auch wenn der Lieferant für die Qualität und die Vertragsgemäßheit der Ware haftet, als „Verkauf beweglicher Sachen“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung einzustufen sind.

 Zur zweiten Frage

44      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob bei einem Vertrag über einen Versendungskauf der Ort, an dem die Waren im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung nach dem Vertrag „geliefert“ worden sind oder hätten „geliefert“ werden müssen, nach dem Ort der körperlichen Übergabe an den Käufer zu bestimmen ist.

45      Zunächst ist hervorzuheben, dass die Vertragsparteien nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung den Lieferort der Waren nach ihrem freien Willen bestimmen können.

46      Der Ausdruck „sofern nichts anderes vereinbart worden ist“ in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung zeigt nämlich, dass die Parteien im Hinblick auf die Anwendung dieser Bestimmung eine Vereinbarung über den Erfüllungsort der Verpflichtung schließen können. Ferner ist nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung, der den Ausdruck „nach dem Vertrag“ enthält, der Lieferort der Waren grundsätzlich der Ort, den die Parteien im Vertrag festgehalten haben.

47      Der Gerichtshof stützt sich zur Beantwortung der Frage auf die Entstehungsgeschichte, die Ziele und die Systematik der Verordnung (vgl. Urteile vom 3. Mai 2007, Color Drack, C-386/05, Slg. 2007, I‑3699, Randnr. 18, und vom 9. Juli 2009, Rehder, C‑204/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 31).

48      Nach ständiger Rechtsprechung entspricht die in Art. 5 Nr. 1 der Verordnung für vertragliche Streitigkeiten vorgesehene besondere Zuständigkeitsregel, die die Grundregel der Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Beklagten ergänzt, dem Ziel der räumlichen Nähe und ist durch die enge Verknüpfung von Vertrag und zur Entscheidung berufenem Gericht begründet (vgl. Urteile Color Drack, Randnr. 22, und Rehder, Randnr. 32).

49      Was den Erfüllungsort der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Verpflichtung betrifft, definiert die Verordnung in ihrem Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich dieses Anknüpfungskriterium für den Verkauf beweglicher Sachen autonom, um das Hauptziel der Vereinheitlichung der Gerichtsstandsregeln im Bestreben nach Vorhersehbarkeit zu stärken (vgl. in diesem Sinne Urteile Color Drack, Randnr. 24, und Rehder, Randnr. 33).

50      Im Rahmen der Verordnung wird somit mit dieser Regel eines besonderen Gerichtsstands für vertragliche Streitigkeiten der Lieferort als autonomes Anknüpfungskriterium festgelegt, das auf sämtliche Klagen aus ein und demselben Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen und nicht nur auf diejenige aus der Lieferverpflichtung an sich anwendbar ist (Urteil Color Drack, Randnr. 26).

51      Gleichwohl werden in keiner Bestimmung der Verordnung die Begriffe „Lieferung“ und „Lieferort“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung definiert.

52      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im Zuge der Entstehung dieser Bestimmung in ihrem Vorschlag vom 14. Juli 1999 für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (KOM[1999] 348 endg., S. 15) betonte, dass diese Bestimmung dazu diene, „Nachteile durch den Rückgriff auf Regeln des Internationalen Privatrechts des Staats des angerufenen Gerichts zu vermeiden“, und dass diese „pragmatische Bestimmung des Erfüllungsorts“ auf einem rein faktischen Kriterium beruhe.

53      Zunächst ist festzustellen, dass die Autonomie der in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung vorgesehenen Anknüpfungskriterien einen Rückgriff auf das internationale Privatrecht des Mitgliedstaats des zuständigen Gerichts sowie auf das materielle Recht, das danach anwendbar wäre, ausschließt.

54      Vor diesem Hintergrund ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zunächst zu prüfen, ob der Lieferort aus den Vertragsbestimmungen hervorgeht.

55      Kann so der Lieferort ermittelt werden, ohne auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht Bezug zu nehmen, ist dieser Ort als der Ort anzusehen, an dem im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung die beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen.

56      Hingegen kann es Situationen geben, in denen der Vertrag keine Bestimmung enthält, die den Willen der Parteien hinsichtlich des Lieferorts der Waren ohne Rückgriff auf das anwendbare materielle Recht erkennen ließe.

57      In solchen Situationen ist dieser Ort aufgrund der autonomen Natur der in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung vorgesehenen Zuständigkeitsregel anhand eines anderen Kriteriums zu bestimmen, das mit der Entstehungsgeschichte, den Zielen und der Systematik der Verordnung im Einklang steht.

58      Das vorlegende Gericht fasst zwei Orte ins Auge, die für die Festlegung eines solchen autonomen, bei Fehlen einer vertraglichen Bestimmung anwendbaren Kriteriums als Lieferort dienen könnten. Der erste ist der Ort der körperlichen Übergabe der Ware an den Käufer und der zweite derjenige der Übergabe der Ware an den ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer.

59      In Übereinstimmung mit dem vorlegenden Gericht ist davon auszugehen, dass diese beiden Orte bei Fehlen einer vertraglichen Regelung für die Bestimmung des Erfüllungsorts, an dem die Waren geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, am geeignetsten erscheinen.

60      Es ist festzustellen, dass der endgültige Bestimmungsort, an dem die Waren dem Käufer körperlich übergeben wurden oder hätten übergeben werden müssen, als „Lieferort“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung der Entstehungsgeschichte, den Zielen und der Systematik dieser Verordnung am besten entspricht.

61      Dieses Kriterium ist in hohem Maße vorhersehbar. Es entspricht auch dem Ziel der räumlichen Nähe, da es eine enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zur Entscheidung berufenen Gericht gewährleistet. Insbesondere ist hervorzuheben, dass die Waren, die den materiellen Gegenstand des Vertrags bilden, sich nach der Erfüllung dieses Vertrags grundsätzlich an diesem Ort befinden müssen. Ferner ist das grundlegende Ziel eines Vertrags über den Verkauf beweglicher Sachen ihre Übertragung vom Verkäufer an den Käufer; dieser Vorgang ist erst bei der Ankunft dieser beweglichen Sachen an ihrem endgültigen Bestimmungsort vollständig abgeschlossen.

62      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung dahin auszulegen ist, dass bei Versendungskäufen der Ort, an dem die beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Vertrags zu bestimmen ist. Lässt sich der Lieferort auf dieser Grundlage ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht nicht bestimmen, ist dieser Ort derjenige der körperlichen Übergabe der Waren, durch die der Käufer am endgültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

 Kosten

63      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware auch bei bestimmten Vorgaben des Auftraggebers zu Beschaffung, Verarbeitung und Lieferung der Ware, ohne dass die Stoffe von diesem zur Verfügung gestellt wurden, und auch wenn der Lieferant für die Qualität und die Vertragsgemäßheit der Ware haftet, als „Verkauf beweglicher Sachen“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich dieser Verordnung einzustufen sind.

2.      Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass bei Versendungskäufen der Ort, an dem die beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Vertrags zu bestimmen ist. Lässt sich der Lieferort auf dieser Grundlage ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht nicht bestimmen, ist dieser Ort derjenige der körperlichen Übergabe der Waren, durch die der Käufer am endgültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.