Rechtssache C‑88/07

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Königreich Spanien

„Art. 28 EG und 30 EG – Freier Warenverkehr – Richtlinie 2001/83/EG – Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen – Erzeugnisse, die als Arzneimittel eingestuft werden – Erzeugnisse, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig als Nahrungsergänzungsmittel oder diätetische Erzeugnisse hergestellt oder auf den Markt gebracht worden sind – Begriff des Arzneimittels – Genehmigung für das Inverkehrbringen – Beschränkung – Rechtfertigung – Gesundheit der Bevölkerung – Verbraucherschutz – Verhältnismäßigkeit – Entscheidung Nr. 3052/95/EG – Verfahren der gegenseitigen Unterrichtung über einzelstaatliche Maßnahmen, die vom Grundsatz des freien Warenverkehrs in der Gemeinschaft abweichen“

Leitsätze des Urteils

1.        Rechtsangleichung – Humanarzneimittel – Richtlinie 2001/83

(Richtlinie 2001/83 des Europäischen Parlaments und des Rates in der durch die Richtlinie 2004/27 geänderten Fassung, Art. 1 Nr. 2 Buchst. b)

2.        Freier Warenverkehr – Mengenmäßige Beschränkungen – Maßnahmen gleicher Wirkung

(Art. 28 EG und 30 EG)

3.        Freier Warenverkehr – Ausnahmen – Verfahren der gegenseitigen Unterrichtung über nationale Maßnahmen, die vom Grundsatz des freien Warenverkehrs abweichen – Begriff der Maßnahme, die den freien Verkehr oder das Inverkehrbringen von Waren verhindert

(Art. 10 EG; Entscheidung Nr. 3052/95 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 1 und 4)

1.        Die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Funktionsarzneimittels im Sinne der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27 geänderten Fassung fällt, müssen die nationalen Behörden, die dabei der Kontrolle der Gerichte unterliegen, von Fall zu Fall treffen und hierfür alle Merkmale des Erzeugnisses berücksichtigen, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen, immunologischen und metabolischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen –, die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann.

Die Tatsache allein, dass eine oder mehrere Arzneipflanzen in einem Erzeugnis enthalten sind, lässt jedoch noch nicht den Schluss zu, dass dieses Erzeugnis es ermöglicht, im Sinne von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.

Es ist nämlich möglich, dass sich ein Erzeugnis auf der Basis von Arzneipflanzen z. B. aufgrund seiner geringen Menge an Wirkstoffen und/oder der Modalitäten seines Gebrauchs nicht oder zu wenig auf die physiologischen Funktionen auswirkt, um ein Funktionsarzneimittel zu sein.

Die Verwaltungspraxis eines Mitgliedstaats, alle Erzeugnisse auf der Basis von nicht im speziellen Register für Zubereitungen auf der Basis von Arzneipflanzenarten aufgeführten Arzneipflanzen systematisch als Arzneimittel einzuordnen, kann daher zur Folge haben, dass einige dieser Erzeugnisse als Arzneimittel eingestuft werden, obwohl sie die physiologischen Funktionen beim Menschen nicht wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen können.

(vgl. Randnrn. 72,74-76)

2.        Ein Mitgliedstaat, der, weil er Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und/oder auf den Markt gebracht worden sind, als Arzneimittel ansieht, die ohne die vorgeschriebene Genehmigung für das Inverkehrbringen auf den Markt gebracht werden, jedes Erzeugnis, das Arzneipflanzen enthält, die weder im speziellen Register dieses Mitgliedstaats für Zubereitungen auf der Basis von Arzneipflanzenarten noch in der Liste der Pflanzen, deren öffentlicher Verkauf aufgrund ihrer Giftigkeit verboten oder beschränkt ist, aufgeführt sind, und das keine Zubereitung ist, die ausschließlich aus einer oder mehreren Arzneipflanzen, ganzen Teilen, Stücken oder Pulvern hieraus besteht, aufgrund einer Verwaltungspraxis vom Markt nimmt, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 28 EG und 30 EG.

Auch wenn nämlich das Gemeinschaftsrecht einen Mitgliedstaat grundsätzlich nicht daran hindert, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen zu verlangen, bevor in seinem Hoheitsgebiet Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen vermarktet werden können, da es mangels Harmonisierung Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, in welchem Umfang sie den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gewährleisten wollen, muss dieses Ermessen doch unter Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgeübt werden. Eine solche Genehmigung muss tatsächlich in jedem Einzelfall erforderlich sein, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, was eine eingehende einzelfallbezogene Prüfung der Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung einschließt, die mit dem Inverkehrbringen eines Erzeugnisses auf der Basis von Arzneipflanzen möglicherweise verbunden sind.

Der systematische Charakter der betreffenden Verwaltungspraxis, der darin besteht, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen allein deshalb zu verlangen, weil die Arzneipflanze, auf deren Basis das Erzeugnis hergestellt wird, in den nationalen Rechtsvorschriften über die Zubereitungen auf der Basis von Arzneipflanzenarten fehlt, erlaubt es aber nicht, die Gefahr, die von diesen Erzeugnissen für die Gesundheit der Bevölkerung tatsächlich ausgeht, nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu berücksichtigen, und erfüllt deshalb nicht die Voraussetzung einer eingehenden einzelfallbezogenen Prüfung der behaupteten Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung.

(vgl. Randnrn. 91-95, 116 und Tenor)

3.        Ein Mitgliedstaat, der die Kommission von einer solchen Maßnahme nicht in Kenntnis setzt, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 1 und 4 der Entscheidung Nr. 3052/95 zur Einführung eines Verfahrens der gegenseitigen Unterrichtung über einzelstaatliche Maßnahmen, die vom Grundsatz des freien Warenverkehrs in der Gemeinschaft abweichen.

Die in Art. 1 der Entscheidung Nr. 3052/95 vorgesehene Mitteilungspflicht trifft den betreffenden Mitgliedstaat nicht nur dann, wenn Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder auf den Markt gebracht worden sind, vom Markt genommen werden, sondern auch, wenn Waren, die in seinem eigenen Hoheitsgebiet hergestellt worden sind, vom Markt genommen werden und Waren desselben Musters oder derselben Art in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und/oder auf den Markt gebracht werden, die bei ihrer Einfuhr in den betreffenden Mitgliedstaat gleichermaßen vom Markt genommen würden.

Das bloße Bestehen einer Regelung oder Praxis eines Mitgliedstaats, die unterschiedslos für inländische und eingeführte Erzeugnisse gilt, kann nämlich die Wirtschaftsteilnehmer davon abhalten, in diesen Mitgliedstaat Waren einzuführen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder auf den Markt gebracht worden sind, und bewirkt daher, dass der freie Verkehr dieser Waren beschränkt wird.

Eine solche Pflicht trifft den betreffenden Mitgliedstaat aber nur dann, wenn er weiß oder wissen müsste, dass die Maßnahme, die er ergreift, die Vermarktung von Erzeugnissen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder auf den Markt gebracht worden sind, in seinem Hoheitsgebiet behindert. Den Nachweis dafür muss die Kommission erbringen.

Da die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats davon Kenntnis hatten, dass die Erzeugnisse auf der Basis von nicht im nationalen Register aufgeführten Arzneipflanzen aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführt worden waren, hätten sie, wenn sie den Nachweis, dass diese Erzeugnisse in diesem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und/oder auf den Markt gebracht worden waren, für unzureichend hielten, dies gemäß der in Art. 10 EG verankerten Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit Hilfe der Behörden dieses Mitgliedstaats nachprüfen müssen.

(vgl. Randnrn. 107-109, 114, 116 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

5. März 2009(*)

„Art. 28 EG und 30 EG – Freier Warenverkehr – Richtlinie 2001/83/EG – Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen – Erzeugnisse, die als Arzneimittel eingestuft werden – Erzeugnisse, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig als Nahrungsergänzungsmittel oder diätetische Erzeugnisse hergestellt oder auf den Markt gebracht worden sind – Begriff des Arzneimittels – Genehmigung für das Inverkehrbringen – Beschränkung – Rechtfertigung – Gesundheit der Bevölkerung – Verbraucherschutz – Verhältnismäßigkeit – Entscheidung Nr. 3052/95/EG – Verfahren der gegenseitigen Unterrichtung über einzelstaatliche Maßnahmen, die vom Grundsatz des freien Warenverkehrs in der Gemeinschaft abweichen“

In der Rechtssache C‑88/07

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 15. Februar 2007,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch S. Pardo Quintillán und A. Alcover San Pedro als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Spanien, vertreten durch J. Rodríguez Cárcamo als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter), A. Tizzano, A. Borg Barthet und E. Levits,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2008,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Oktober 2008

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 28 EG und 30 EG sowie aus den Art. 1 und 4 der Entscheidung Nr. 3052/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1995 zur Einführung eines Verfahrens der gegenseitigen Unterrichtung über einzelstaatliche Maßnahmen, die vom Grundsatz des freien Warenverkehrs in der Gemeinschaft abweichen (ABl. L 321, S. 1), verstoßen hat, dass es

–        zahlreiche auf pflanzlicher Basis hergestellte Erzeugnisse, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und/oder auf den Markt gebracht worden sind, aufgrund einer Verwaltungspraxis vom Markt genommen hat, der zufolge jedes Erzeugnis, das Pflanzenarten enthält, die nicht im Anhang der Ministerialverordnung zur Schaffung eines speziellen Registers für Zubereitungen auf der Basis von Arzneipflanzenarten (Orden Ministerial por la que se establece el registro especial para preparados a base de especies vegetales medicinales) vom 3. Oktober 1973 (BOE Nr. 247 vom 15. Oktober 1973, S. 19866) in ihrer geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung von 1973) aufgeführt sind, vom Markt genommen wird, weil es als Arzneimittel angesehen wird, das ohne die vorgeschriebene Genehmigung auf den Markt gebracht wird,

–        und die Kommission über diese Maßnahme nicht in Kenntnis gesetzt hat.

2        Die Kommission führt aus, dass ihre Klage das Inverkehrbringen von Erzeugnissen auf der Basis von Arzneipflanzen betreffe, d. h. von Erzeugnissen, die eine oder mehrere Pflanzenarten enthielten, die aufgrund ihrer Eigenschaften und ihrer physiologischen Wirkung als Inhaltsstoffe von Arzneimitteln oder anderen Arten von Erzeugnissen, insbesondere Nahrungsergänzungsmitteln, Verwendung finden könnten.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

 Richtlinie 2001/83/EG

3        Art. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. L 136, S. 34) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83) sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

2.      Arzneimittel:

a)      Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind, oder

b)      alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.

3.      Stoffe:

Alle Stoffe jeglicher Herkunft, und zwar

–        pflanzlicher Herkunft, wie z. B.:

Mikroorganismen, Pflanzen, Teile von Pflanzen, Pflanzensekrete, durch Extraktion gewonnene Stoffe;

29.      Traditionelles pflanzliches Arzneimittel:

Ein pflanzliches Arzneimittel, das die in Artikel 16a Absatz 1 festgelegten Bedingungen erfüllt.

30.      Pflanzliches Arzneimittel:

Alle Arzneimittel, die als Wirkstoff(e) ausschließlich einen oder mehrere pflanzliche Stoffe oder eine oder mehrere pflanzliche Zubereitungen oder eine oder mehrere solcher pflanzlichen Stoffe in Kombination mit einer oder mehreren solcher pflanzlichen Zubereitungen enthalten.

31.      Pflanzliche Stoffe:

Alle vorwiegend ganzen, zerkleinerten oder geschnittenen Pflanzen, Pflanzenteile, Algen, Pilze, Flechten in unverarbeitetem Zustand, gewöhnlich in getrockneter Form, aber zuweilen auch frisch. Bestimmte pflanzliche Ausscheidungen, die keiner speziellen Behandlung unterzogen wurden, werden ebenfalls als pflanzliche Stoffe angesehen. Pflanzliche Stoffe sind durch den verwendeten Pflanzenteil und die botanische Bezeichnung nach dem binomialen System (Gattung, Art, Varietät und Autor) genau definiert.

32.      Pflanzliche Zubereitungen:

Zubereitungen, die dadurch hergestellt werden, dass pflanzliche Stoffe Behandlungen wie Extraktion, Destillation, Pressung, Fraktionierung, Reinigung, Konzentrierung oder Fermentierung unterzogen werden. Diese umfassen zerriebene oder pulverisierte pflanzliche Stoffe, Tinkturen, Extrakte, ätherische Öle, Presssäfte und verarbeitete Ausscheidungen von Pflanzen.“

4        Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/83 lautet:

„(1)      Diese Richtlinie gilt für Humanarzneimittel, die in den Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht werden sollen und die entweder gewerblich zubereitet werden oder bei deren Zubereitung ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt.

(2)      In Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von ‚Arzneimittel‘ als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist, gilt diese Richtlinie.“

5        Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/83 sieht vor, dass „[e]in Arzneimittel … in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden [darf], wenn von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats nach dieser Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde oder wenn eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 [des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 214, S. 1)] erteilt wurde“.

6        Titel III der Richtlinie 2001/83 enthält ein Kapitel 2a („Besondere auf traditionelle pflanzliche Arzneimittel anzuwendende Bestimmungen“), in dem sich die Art. 16a bis 16i befinden. Darin wird unter bestimmten Bedingungen ein vereinfachtes Registrierungsverfahren für traditionelle pflanzliche Arzneimittel eingeführt.

7        Um für ein solches Verfahren in Frage zu kommen, muss ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel u. a. zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Registrierung seit mindestens 30 Jahren, davon mindestens 15 Jahre in der Europäischen Gemeinschaft, medizinisch verwendet worden sein (Art. 16a Abs. 1 Buchst. d und Art. 16c Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2001/83).

8        Zudem müssen die Angaben über die traditionelle Verwendung des Arzneimittels ausreichend sein, und insbesondere ist nachzuweisen, dass das Produkt unter den angegebenen Anwendungsbedingungen unschädlich ist und dass die pharmakologischen Wirkungen oder die Wirksamkeit des Arzneimittels aufgrund langjähriger Anwendung und Erfahrung plausibel sind (Art. 16a Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2001/83).

9        Art. 16f Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/83 bestimmt:

„(1)      Nach dem in Artikel 121 Absatz 2 genannten Verfahren wird eine Liste pflanzlicher Stoffe, pflanzlicher Zubereitungen und Kombinationen davon zur Verwendung in traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln erstellt. Die Liste muss für jeden pflanzlichen Stoff das Anwendungsgebiet, die spezifizierte Stärke und Dosierung, den Verabreichungsweg und alle anderen für die sichere Anwendung des pflanzlichen Stoffes als traditionelles pflanzliches Arzneimittel erforderlichen Informationen enthalten.

(2)      Betrifft ein Antrag auf Registrierung als traditionelles Arzneimittel einen pflanzlichen Stoff, eine pflanzliche Zubereitung oder eine Kombination davon, die in der in Absatz 1 genannten Liste enthalten ist, so brauchen die in Artikel 16c Absatz 1 Buchstaben b), c) und d) aufgeführten Angaben nicht vorgelegt zu werden. Artikel 16e Absatz 1 Buchstaben c) und d) kommen nicht zur Anwendung.“

 Entscheidung Nr. 3052/95

10      Der dritte bis sechste Erwägungsgrund der Entscheidung Nr. 3052/95 lauten:

„Die Transparenz bei den einzelstaatlichen Warenverbotsmaßnahmen kann insbesondere durch eine rechtzeitige Angleichung oder Änderung gemäß [Art. 28 EG] die zügige Behandlung der Probleme auf der geeigneten Ebene erleichtern, die den freien Warenverkehr beeinträchtigen können.

Zur Förderung dieser Transparenz ist ein einfaches und praktisches Verfahren der gegenseitigen Unterrichtung zwischen den Mitgliedstaaten und mit der Kommission einzuführen, um die Voraussetzungen für eine zufriedenstellende Regelung der Probleme zu schaffen, die für die Wirtschaft und die Verbraucher im Rahmen des Funktionierens des Binnenmarkts entstehen können.

Mit diesem Verfahren wird im Wesentlichen bezweckt, eine bessere Kenntnis der Durchführung des freien Warenverkehrs in den nichtharmonisierten Bereichen zu erlangen und die aufgetretenen Probleme zu ermitteln, um dafür sachgerechte Lösungen zu finden.

Dieses Verfahren darf sich nur auf die Fälle erstrecken, in denen ein Mitgliedstaat wegen Nichtübereinstimmung mit seinen innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften den freien Verkehr und/oder das Inverkehrbringen von Waren verhindert, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und vermarktet wurden.“

11      Art. 1 der Entscheidung Nr. 3052/95 bestimmt:

„Wenn ein Mitgliedstaat den freien Verkehr oder das Inverkehrbringen eines Musters oder einer bestimmten Art von Waren verhindert, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder auf den Markt gebracht worden sind, so teilt er der Kommission diese Maßnahme mit, sofern diese unmittelbar oder mittelbar folgendes bewirkt:

–        ein grundsätzliches Verbot,

–        die Verweigerung der Genehmigung zum Inverkehrbringen,

–        …, oder

–        die Rücknahme vom Markt.“

12      In Art. 4 Abs. 2 der Entscheidung Nr. 3052/95 heißt es, dass „[d]ie Mitteilung der Informationen nach Absatz 1 … innerhalb von 45 Tagen ab dem Tag, an dem die Maßnahme nach Artikel 1 getroffen wurde“, erfolgt.

 Nationales Recht

13      Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 25/1990 über Arzneimittel (Ley 25/1990 del Medicamento) vom 20. Dezember 1990 (BOE Nr. 306 vom 22. Dezember 1990, S. 38228) bestimmt:

„Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet … Arzneimittel: Alle heilkräftigen Stoffe und Stoffverbindungen oder Stoffzusammensetzungen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper als Mittel mit Eigenschaften zur Vorbeugung, Diagnose, Behandlung, Linderung oder Heilung von Krankheiten und Leiden oder zur Beeinflussung körperlicher Funktionen oder seelischer Zustände bestimmt sind. Als Arzneimittel gelten auch heilkräftige Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die Menschen oder Tieren zu den vorgenannten Zwecken verabreicht werden können, auch wenn sie ohne ausdrücklichen Hinweis auf diese Zwecke angeboten werden.“

14      Nach Art. 9 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 25/1990 dürfen „Arzneispezialitäten oder andere gewerblich hergestellte Humanarzneimittel … nicht ohne die vorherige Genehmigung für das Inverkehrbringen der spanischen Arzneimittelagentur und Eintragung in das Register für Arzneispezialitäten oder ohne die Genehmigung der Gemeinschaft nach den Bestimmungen der Verordnung … Nr. 2309/93 … in den Verkehr gebracht werden“.

15      Art. 42 des Gesetzes Nr. 25/1990 („Pflanzliche Arzneimittel“) sieht vor:

„1.      Pflanzen und Pflanzenmischungen sowie Zubereitungen aus Pflanzen in Form von Extrakten, gefriergetrocknetem Substrat, Destillaten, Tinkturen, Absud oder jeder anderen galenischen Zubereitung, die therapeutischen, diagnostischen oder vorbeugenden Zwecken zu dienen bestimmt sind, fallen je nach Verfahren und Merkmalen, die durch Verordnung festgelegt werden, unter die Regelung über die magistrale oder offizinale Zubereitung oder Arzneispezialitäten.

2.      Das Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz erstellt eine Liste der Pflanzen, deren öffentlicher Verkauf wegen ihrer Giftigkeit eingeschränkt oder verboten ist.

3.      Pflanzen, die traditionell als Arzneipflanzen angesehen werden und ohne Hinweis auf therapeutische, diagnostische oder vorbeugende Eigenschaften dargeboten werden, können frei, aber nicht im ambulanten Handel verkauft werden.“

16      Die in Art. 42 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 25/1990 genannte Liste befindet sich im Anhang der Verordnung SCO/190/2004 des Ministeriums für Gesundheit und Verbraucherschutz zur Erstellung der Liste der Pflanzen, deren öffentlicher Verkauf aufgrund ihrer Giftigkeit verboten oder beschränkt ist (Orden SCO/190/2004 por la que se establece la lista de plantas cuya venta al público queda prohibida o restringida por razón de su toxicidad) vom 28. Januar 2004 (BOE Nr. 32 vom 6. Februar 2004, S. 5061, im Folgenden: Verordnung von 2004).

17      Nach Art. 1 dieser Verordnung ist „der öffentliche Verkauf [der in diese Liste aufgenommenen Pflanzen] und der Zubereitungen aus diesen Pflanzen … aufgrund ihrer Giftigkeit verboten“ und „ihre Verwendung und ihr Inverkehrbringen auf die Zubereitung von Arzneispezialitäten, auf magistrale und offizinale Zubereitungen, auf die Herstellung homöopathischer Ursubstanzen und auf die Forschung beschränkt“. Der genannte Anhang umfasst 197 Pflanzenarten.

18      Art. 1 der Verordnung von 1973 bestimmt:

„Zubereitungen, die ausschließlich aus einer oder mehreren Arzneipflanzenarten, ganzen Teilen, Stücken oder Pulvern aus diesen Pflanzen bestehen, werden in ein spezielles Register der entsprechenden Dienststellen der Dirección General de Sanidad aufgenommen.“

19      Art. 2 dieser Verordnung sieht vor:

„In dieses spezielle Register werden nicht aufgenommen:

a)      Zubereitungen zur sofortigen Verwendung, die nur eine einzige im Anhang genannte Art von Arzneipflanzen oder ihrer Teile enthalten und bei denen dies auf der äußeren Verpackung des Erzeugnisses deutlich angegeben ist;

b)      Zubereitungen zur sofortigen Verwendung auf der Basis von Extrakten, gefriergetrocknetem Substrat, Destillaten, Tinkturen, Absud oder anderen galenischen Zubereitungen, die aus Arzneipflanzen gewonnen werden und dann für alle Zwecke als Arzneispezialitäten gelten.“

20      Im Anhang der Verordnung von 1973 findet sich die Liste der in Art. 2 Buchst. a dieser Verordnung genannten Arzneipflanzenarten. Diese Liste wurde zuletzt 1976 aktualisiert und umfasst 119 Pflanzenarten.

21      Es steht fest, dass die zuständigen spanischen Behörden die Pflanzen, die im Sinne von Art. 42 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 25/1990 „traditionell als Arzneipflanzen angesehen werden“, mit den Arzneipflanzen im Anhang der Verordnung von 1973 gleichgesetzt haben, so dass Zubereitungen, die sowohl die Voraussetzungen des Art. 2 Buchst. a der Verordnung von 1973 erfüllen als auch ohne Hinweis auf therapeutische, diagnostische oder vorbeugende Eigenschaften dargeboten werden, nach Art. 42 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 25/1990 frei verkäuflich sind.

22      Das Gesetz Nr. 25/1990 wurde durch das Gesetz Nr. 29/2006 über Garantien und die sachgemäße Verwendung von Arzneimitteln und Medizinprodukten (Ley 29/2006 de garantías y uso racional de los medicamentos y productos sanitarios) vom 26. Juli 2006 (BOE Nr. 178 vom 27. Juli 2006, S. 28122) aufgehoben, das am 28. Juli 2006 in Kraft trat. In Art. 51 dieses Gesetzes wurde der Inhalt des Art. 42 des Gesetzes Nr. 25/1990 im Wesentlichen übernommen.

 Vorverfahren

23      In mehreren Schreiben an die Dienststellen der Kommission beschwerten sich 2004 drei spanische Unternehmen, die Ynsadiet SA (im Folgenden: Ynsadiet), die Laboratorios Tregor SL (im Folgenden: Tregor) und die Laboratorios Taxón SL (im Folgenden: Taxón) darüber, dass die Agencia española de medicamentos y productos sanitarios (spanische Agentur für Arzneimittel und Medizinprodukte, im Folgenden: AEMPS) zwischen 2002 und 2003 mehr als 200 Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen mit der Begründung vom spanischen Markt genommen habe, dass es sich um Arzneimittel handele, für die keine Genehmigung für das Inverkehrbringen (im Folgenden auch: Zulassung) vorliege; diese Erzeugnisse seien aber in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig als Nahrungsergänzungsmittel oder diätetische Erzeugnisse auf den Markt gebracht worden. Weitere gleichlautende Beschwerden gingen bei der Kommission 2005 und 2006 ein.

24      Den Beschwerden zufolge begründete die AEMPS die Einstufung dieser Erzeugnisse als Arzneimittel oftmals damit, dass die vom Markt genommenen Erzeugnisse aus Arzneipflanzen bestanden hätten, die nicht im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführt seien.

25      Die Kommission war der Auffassung, dass die Entscheidungen über die Marktrücknahme gegen Art. 28 EG und das Unterlassen ihrer Mitteilung gegen die Art. 1 und 4 der Entscheidung Nr. 3052/95 verstießen, und ersuchte daher die spanischen Behörden mit am 21. März 2005 zugestellten Mahnschreiben um nähere Informationen hierzu.

26      Da die Antwort dieser Behörden die Kommission nicht überzeugte, forderte sie das Königreich Spanien mit einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 10. April 2006 auf, dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen.

27      Da die spanischen Behörden die Vorwürfe der Kommission für unbegründet halten, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

 Zur Rüge des Verstoßes gegen die Art. 28 EG und 30 EG

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

28      Die Kommission trägt vor, dass es derzeit auf Gemeinschaftsebene weder für die in Nahrungsergänzungsmitteln verwendeten Pflanzen und Pflanzenextrakte noch für die Einstufung von Erzeugnissen aus Arzneipflanzen als Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel eine Harmonisierung gebe. Die Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel (ABl. L 183, S. 51) habe den Erlass spezifischer Vorschriften über andere Nährstoffe als Vitamine und Mineralstoffe oder über andere Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung wie z. B. verschiedene Pflanzen und Kräuterextrakte auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

29      Mangels einer solchen Harmonisierung müssten in einem Mitgliedstaat rechtmäßig auf den Markt gebrachte Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen wegen des in Art. 28 EG festgeschriebenen freien Warenverkehrs grundsätzlich frei zirkulieren können, es sei denn, es werde hinreichend nachgewiesen, dass sie gemäß Art. 30 EG eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellten.

30      Die Kommission trägt erstens vor, dass die spanischen Behörden eine ständige Verwaltungspraxis entwickelt hätten, der zufolge Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen, die nicht im Anhang der Verordnung von 1973 enthalten seien, ohne vorherige detaillierte Analyse des einzelnen Erzeugnisses systematisch als Funktionsarzneimittel eingestuft würden und folglich wegen fehlender Zulassung vom spanischen Markt genommen würden.

31      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs seien für die Frage, ob ein Erzeugnis ein Funktionsarzneimittel sei, seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen könne, zu berücksichtigen. Ein Erzeugnis könne nur von Fall zu Fall anhand seiner pharmakologischen Eigenschaften als Funktionsarzneimittel eingestuft werden.

32      So reiche das bloße Vorhandensein von nicht im Anhang der Verordnung von 1973 enthaltenen Arzneipflanzen in einem Erzeugnis, das in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder auf den Markt gebracht worden sei, nicht aus, um ein solches Erzeugnis als Arzneimittel anzusehen und es mangels Zulassung vom spanischen Markt zu nehmen.

33      Deshalb stelle die Praxis der spanischen Behörden eine durch Art. 28 EG verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung dar.

34      Die Kommission bestreitet die Behauptung des Königreichs Spanien, jedes einzelne Erzeugnis werde vor der Entscheidung, es vom Markt zu nehmen, eingehend untersucht. Die beanstandete Praxis werde belegt durch die Beschwerden, die sie von den Wirtschaftsteilnehmern erhalten habe, deren auf Arzneipflanzen basierende Erzeugnisse vom Markt genommen worden seien, aber auch durch den Bericht der AEMPS vom 26. März 2004 über das Inverkehrbringen verschiedener Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen (Informe sobre la comercialización de diversos productos a base de plantas medicinas) sowie durch die Gerichtsentscheidungen, mit denen die Klagen dieser Wirtschaftsteilnehmer gegen die Entscheidungen über die Rücknahme ihrer Erzeugnisse vom Markt abgewiesen worden seien, u. a. durch das Urteil der Kammer für Verwaltungsstreitsachen der Audiencia Nacional vom 30. Juni 2004 über die von Tregor erhobene Klage. Das Königreich Spanien gebe außerdem keinen Hinweis auf individuelle Rücknahmeentscheidungen und ihre Begründung, so dass es nicht nachgewiesen habe, dass vor der Einstufung eines Erzeugnisses auf der Basis von Arzneipflanzen als Arzneimittel eine einzelfallbezogene Prüfung stattfinde.

35      Zweitens könne die Praxis der spanischen Behörden nicht nach Art. 30 EG gerechtfertigt werden.

36      Entgegen den Anforderungen, die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei Art. 30 EG gestellt würden, lasse nämlich der systematische Charakter der spanischen Verwaltungspraxis eine Ermittlung und Bewertung der tatsächlichen Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung nicht zu, weil es an einer eingehenden einzelfallbezogenen Prüfung der mit der Anwendung der betreffenden Erzeugnisse möglicherweise verbundenen negativen Folgen für die menschliche Gesundheit fehle. Diese Praxis gründe sich auf eine Gefahrenvermutung, die über das hinausgehe, was für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung erforderlich und verhältnismäßig sei.

37      Das Königreich Spanien bestreitet erstens, dass es eine Praxis wie die von der Kommission beschriebene gebe.

38      Die Entscheidung, das Inverkehrbringen eines auf Arzneipflanzen basierenden Erzeugnisses der Regelung für Arzneimittel zu unterwerfen, sei das Ergebnis einer Analyse dieses Erzeugnisses hinsichtlich seiner Zusammensetzung, der Eigenschaften, die der Hersteller ihm zuschreibe, und der Aufmachung. Im Rahmen dieser Analyse werde ebenfalls geprüft, ob in dem Erzeugnis Pflanzen enthalten seien, die nach der Verordnung von 2004 verboten oder nach der Verordnung von 1973 erlaubt seien. Erst wenn sich nach Abschluss dieser Analyse herausstelle, dass das Inverkehrbringen des betreffenden Erzeugnisses der Kontrolle hätte unterworfen werden müssen, die für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln vorgesehen sei, werde dieses Erzeugnis vom Markt genommen.

39      Eine solche Rücknahme erfolge also nicht systematisch, sondern sei durch die Gefährlichkeit des untersuchten Erzeugnisses begründet. Im Übrigen gebe es zahlreiche pflanzliche Erzeugnisse, die in Spanien unter der Bezeichnung „Nahrungsergänzungsmittel“ frei vertrieben würden.

40      Was insbesondere die Erzeugnisse angehe, deren Rücknahme vom Markt zu den Beschwerden und damit zum Vorverfahren geführt habe, so sei jedes dieser Erzeugnisse einzeln eingehend analysiert worden. Dabei seien die in ihnen enthaltenen Substanzen bestimmt und ihre Aufmachung sowie die diesen Substanzen zugeschriebenen Eigenschaften untersucht worden. Bei der Analyse sei es in erster Linie darauf angekommen, die Eignung dieser Erzeugnisse für die Verbesserung oder Beeinflussung der physiologischen Funktionen sowie die tatsächliche oder potenzielle Gesundheitsgefahr zu bewerten, die mit ihrer Anwendung verbunden sei.

41      Bei jedem der betreffenden Erzeugnisse sei die Rücknahmeentscheidung nicht ausschließlich darauf gestützt worden, dass in ihnen Arzneipflanzen enthalten seien, die nicht im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführt seien, sondern auf die Ergebnisse dieser Analyse.

42      Alle Erzeugnisse, deren Rücknahme vom Markt zu den Beschwerden und damit zum Vorverfahren geführt habe, fielen unter den harmonisierten Begriff „pflanzliches Arzneimittel“ im Sinne der Richtlinie 2001/83, denn es handele sich entweder um Erzeugnisse, denen therapeutische, heilende oder vorbeugende Eigenschaften in Bezug auf die menschliche Gesundheit zugeschrieben würden, oder um Erzeugnisse für andere, nicht mit der Gesundheit zusammenhängende Zwecke, die aber jedenfalls beim Menschen durch pharmakologische Vorgänge bestimmte Änderungen physiologischer Funktionen hervorrufen könnten.

43      Alle diese Erzeugnisse hätten nämlich eine oder mehrere Substanzen aus Arzneipflanzen enthalten, die einer wissenschaftlichen Studie der AEMPS zufolge sich sowohl auf die menschliche Gesundheit auswirken könnten als auch von anderen europäischen Gesundheitsbehörden zur Anwendung in der Medizin zugelassen seien.

44      Ein großer Teil dieser Substanzen sei außerdem in einer provisorischen Liste von Arzneipflanzen vom 11. Januar 2007 aufgeführt, die von der Arbeitsgruppe für gemeinschaftliche Monografien und Listen des durch Art. 16h der Richtlinie 2001/83 eingesetzten Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel veröffentlicht worden sei, was zeige, dass dieser Ausschuss bereits entschieden habe, diese Substanzen als Arzneipflanzen einzustufen. Somit fielen die aus diesen Substanzen bestehenden Erzeugnisse zwangsläufig unter die Definition der pflanzlichen Arzneimittel im Sinne dieser Richtlinie.

45      Nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 müsse zudem in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis sowohl unter die Definition des Arzneimittels im Sinne dieser Richtlinie als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen könne, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt sei, die Einstufung als Arzneimittel vorgehen.

46      Die spanische Regelung und Praxis seien mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Arzneimittelrecht vereinbar, aus der sich u. a. ergebe, dass die nationalen Behörden bei der Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel über einen Wertungsspielraum verfügten.

47      Das Königreich Spanien macht zweitens für den Fall, dass der Gerichtshof annehmen sollte, dass es die von der Kommission beanstandete Praxis gebe, die vom Markt genommenen Erzeugnisse keine Arzneimittel seien und die Rücknahmen eine Beschränkung des freien Warenverkehrs im Sinne von Art. 28 EG darstellten, geltend, dass eine solche Rücknahme durch die in Art. 30 EG vorgesehene Ausnahme zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt sei.

48      Zum einen bestünden beim gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung Unsicherheiten bezüglich der Unschädlichkeit der vom Markt genommenen Erzeugnisse, die ihre Rücknahme nach dem Vorsorgeprinzip gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs und insbesondere gemäß dem Urteil vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich (C‑24/00, Slg. 2004, I‑1277, Randnr. 56), rechtfertigten.

49      Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen seien nämlich fast immer Erzeugnisse, deren Unbedenklichkeit nicht genauer untersucht worden sei. Zubereitungen auf der Basis von Arzneipflanzen hätten wiederholt unerwünschte – manchmal schwerwiegende – Auswirkungen gehabt. Zudem bestehe die Gefahr von Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln.

50      Das Vorhandensein von Substanzen in einem Erzeugnis, von denen eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung ausgehe, sei für die Gesundheitsbehörden allein schon ein zwingender Grund, dieses Erzeugnis auf der Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse und verfügbaren Techniken vom Markt zu nehmen.

51      Im Übrigen sei die Analyse des Gerichtshofs im Urteil vom 29. April 2004, Kommission/Österreich (C‑150/00, Slg. 2004, I‑3887), nicht auf die vorliegende Rechtssache übertragbar. In diesem Urteil, in dem es um eine ständige und allgemeine Praxis der Einstufung von Lebensmittelzubereitungen, die Vitamine enthielten, als Arzneimittel gegangen sei, habe der Gerichtshof die Feststellung einer Vertragsverletzung nämlich mit der prinzipiellen Unbedenklichkeit von Vitaminen begründet. In der vorliegenden Rechtssache hingegen könnte der Großteil der betreffenden Erzeugnisse schwerwiegende Folgen für die menschliche Gesundheit haben, zumal die Kommission nichts vorgelegt habe, was die Annahme rechtfertigte, die Unbedenklichkeit dieser Erzeugnisse sei bewiesen.

52      Zum anderen träfen die spanischen Behörden eine Entscheidung über die Marktrücknahme immer punktuell im Einzelfall unter Berücksichtigung einer komplexen Gesamtheit von Umständen, von denen die Verordnung von 1973 eine untergeordnete Rolle spiele. Die betroffenen Unternehmen hätten stets die Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, die über die Rücknahmeentscheidung eine vollständige Kontrolle ausübten. Die Unternehmen könnten außerdem jederzeit eine Zulassung als Arzneimittel beantragen. Daher erschienen die Rücknahmeentscheidungen verhältnismäßig.

53      Hilfsweise trägt das Königreich Spanien vor, dass die Rücknahme der betreffenden Erzeugnisse vom Markt durch das in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannte zwingende Erfordernis des Verbraucherschutzes gerechtfertigt gewesen sei.

 Würdigung durch den Gerichtshof

 Zum Vorliegen einer Verwaltungspraxis

54      Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Gegenstand einer Vertragsverletzungsklage auch eine Verwaltungspraxis sein kann, wenn es sich um eine in bestimmtem Grad verfestigte und allgemeine Praxis handelt (vgl. u. a. Urteil vom 26. April 2007, Kommission/Italien, C‑135/05, Slg. 2007, I‑3475, Randnr. 21).

55      Aus den Schriftsätzen der Kommission geht hervor, dass sie den spanischen Behörden eine Verwaltungspraxis vorwirft, der zufolge Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig als Nahrungsergänzungsmittel oder diätetische Erzeugnisse hergestellt und/oder auf den Markt gebracht worden seien, systematisch als Funktionsarzneimittel eingestuft und mangels Zulassung vom spanischen Markt genommen würden, wenn – und allein aus diesem Grund – die in ihnen enthaltenen Pflanzen nicht im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführt seien.

56      Das Königreich Spanien bestreitet, dass es eine solche Verwaltungspraxis gibt.

57      Hierzu ist erstens festzustellen, dass das Königreich Spanien zu Recht darauf hinweist, dass einige der Erzeugnisse, deren Rücknahme vom spanischen Markt zu den Beschwerden bei der Kommission Anlass gegeben haben, nicht deshalb vom Markt genommen wurden, weil die in ihnen enthaltenen Arzneipflanzen nicht im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführt waren, sondern weil sich diese Arzneipflanzen im Anhang der Verordnung von 2004 befanden. In diesem Anhang, bei dem es sich um die in Art. 42 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 25/1990 genannte Liste handelt, sind die Pflanzen aufgeführt, die wegen ihrer Giftigkeit nach Ansicht der spanischen Behörden eine Verwendung in anderen Erzeugnissen als Arzneimitteln nicht zulassen.

58      Die Rücknahme der Erzeugnisse auf der Basis solcher Pflanzen erfolgt also aufgrund von Art. 42 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 25/1990 in Verbindung mit der Verordnung von 2004. Diese Bestimmungen des nationalen Rechts verbieten es wegen der Giftigkeit dieser Pflanzen, sie selbst oder Zubereitungen, in denen sie enthalten sind, anders als in Form von Arzneimitteln öffentlich zu verkaufen.

59      Die Kommission, die die Verordnung von 2004 weder im Mahnschreiben noch in der mit Gründen versehenen Stellungnahme oder in ihren Schriftsätzen vor dem Gerichtshof erwähnt, trägt nicht vor, dass diese Bestimmungen eventuell mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar seien.

60      Zweitens ist, wie das Königreich Spanien ebenfalls geltend macht und das in Randnr. 34 des vorliegenden Urteils angeführte Urteil der Audiencia Nacional vom 30. Juni 2004 bestätigt, das Inverkehrbringen eines Teils der Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen, die weder im Anhang der Verordnung von 1973 noch im Anhang der Verordnung von 2004 enthalten sind, zulassungsfrei. Nach Art. 1 der Verordnung von 1973 ist nämlich für das Inverkehrbringen von Zubereitungen, die ausschließlich aus Arzneipflanzen, ganzen Teilen, Stücken oder Pulvern hieraus bestehen, nur die Eintragung der Zubereitungen in das von der Verordnung vorgesehene spezielle Register erforderlich.

61      Hinsichtlich der anderen Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen, die nicht im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführt sind, ergibt sich ihre systematische und fortdauernde Einstufung als Arzneimittel und das Erfordernis ihrer Zulassung hingegen aus dem in Randnr. 34 des vorliegenden Urteils erwähnten Bericht der AEMPS. Daraus geht nämlich hervor, dass Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen – abgesehen von solchen, die aus Pflanzen hergestellt werden, die traditionell als Arzneipflanzen angesehen werden und im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführt sind – hinsichtlich ihrer Herstellung, ihres Inverkehrbringens, ihres Vertriebs und ihres Verkaufs den Arzneimittelvorschriften unterliegen.

62      Diese Praxis wird von den nationalen Gerichten bestätigt. Die Kammer für Verwaltungsstreitsachen der Audiencia Nacional stellt in dem in Randnr. 34 des vorliegenden Urteils angeführten Urteil vom 30. Juni 2004 nämlich fest, dass sich die Arzneimitteleigenschaft der von Tregor vermarkteten Erzeugnisse, die auf Arzneipflanzen basierten, daraus ergebe, dass „sie Pflanzenarten [enthielten], die nicht im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführt“ seien.

63      Im Übrigen ist zunächst festzustellen, dass das Königreich Spanien nicht z. B. durch die Vorlage individueller Rücknahmeentscheidungen den Nachweis erbracht hat, dass vor der Einstufung eines bestimmten Erzeugnisses als Arzneimittel eine einzelfallbezogene Prüfung stattfindet, die über die bloße Feststellung, ob die in ihm enthaltenen Arzneipflanzen im Anhang der Verordnung von 1973 oder im Anhang der Verordnung von 2004 aufgeführt sind, hinausgeht. Ferner hat es kein Beispiel für ein frei verkäufliches Erzeugnis auf der Basis von nicht im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführten Arzneipflanzen genannt. Schließlich behauptet es auch nicht, dass die nationale Regelung oder die Praxis der AEMPS zwischen 2004 und dem Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, geändert worden sei.

64      Außerdem hat das Königreich Spanien nicht vorgetragen – und ergibt sich auch nicht aus den Akten –, dass sich die Praxis, Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen, die nicht im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführt sind, systematisch als Arzneimittel einzustufen, nicht auf Erzeugnisse erstrecken würde, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt oder auf den Markt gebracht wurden. Somit ist festzustellen, dass keine Unterscheidung nach der Herkunft der Erzeugnisse getroffen wird.

65      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass es bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, die beanstandete Verwaltungspraxis in Bezug auf Erzeugnisse, die auf Arzneipflanzen basieren, die weder im Anhang der Verordnung von 1973 noch im Anhang der Verordnung von 2004 enthalten sind, und die keine Zubereitungen sind, die ausschließlich aus Arzneipflanzen, ganzen Teilen, Stücken oder Pulvern hieraus bestehen, tatsächlich gab und dass diese Praxis hinreichend verfestigt und allgemein war, um Gegenstand einer Vertragsverletzungsklage sein zu können.

66      Im Folgenden wird die Bezeichnung „Erzeugnisse auf der Basis von im Anhang der Verordnung von 1973 nicht aufgeführten Arzneipflanzen“ ausschließlich für Erzeugnisse verwendet, die auf Arzneipflanzen basieren, die weder im Anhang der Verordnung von 1973 noch im Anhang der Verordnung von 2004 enthalten sind, und die keine Zubereitungen sind, die ausschließlich aus Arzneipflanzen, ganzen Teilen, Stücken oder Pulvern hieraus bestehen.

 Zur Einstufung als Funktionsarzneimittel

67      Aus den Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 ergibt sich, dass ein gewerblich zubereitetes Arzneimittel in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden darf, wenn von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats eine Zulassung erteilt wurde oder wenn eine Genehmigung nach der Verordnung Nr. 2309/93 erteilt wurde.

68      Folglich stellt es, wenn ein gewerblich hergestelltes Erzeugnis unter die Definition des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 fällt, jedenfalls keine durch Art. 28 EG verbotene Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels dar, dass der Importeur verpflichtet ist, vor der Vermarktung des Erzeugnisses im Einfuhrmitgliedstaat gemäß dieser Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen einzuholen (Urteil vom 15. November 2007, Kommission/Deutschland, C‑319/05, Slg. 2007, I‑9811, Randnr. 35).

69      Die Einstufung eines Erzeugnisses in einem anderen Mitgliedstaat als Lebensmittel hindert beim gegenwärtigen Stand der Harmonisierung der nationalen Regelungen für die Herstellung und den Vertrieb von Arzneimitteln zudem nicht daran, ihm im Einfuhrmitgliedstaat die Eigenschaft eines Arzneimittels zuzuerkennen, wenn es die entsprechenden Merkmale aufweist (vgl. Urteile vom 9. Juni 2005, HLH Warenvertrieb und Orthica, C‑211/03, C‑299/03 und C‑316/03 bis C‑318/03, Slg. 2005, I‑5141, Randnr. 56, und Kommission/Deutschland, Randnrn. 36 und 37).

70      Was nun die Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen angeht, so ist ihre Einstufung als Arzneimittel oder Lebensmittel, worauf die Kommission hingewiesen hat, gemeinschaftsrechtlich nicht harmonisiert.

71      Es ist demnach erstens zu prüfen, ob Erzeugnisse auf der Basis von im Anhang der Verordnung von 1973 nicht aufgeführten Arzneipflanzen zwangsläufig Funktionsarzneimittel im Sinne von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 sind.

72      Die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Funktionsarzneimittels im Sinne der Richtlinie 2001/83 fällt, müssen die nationalen Behörden, die dabei der Kontrolle der Gerichte unterliegen, von Fall zu Fall treffen und hierfür alle Merkmale des Erzeugnisses berücksichtigen, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen, immunologischen und metabolischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen –, die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann (Urteile HLH Warenvertrieb und Orthica, Randnr. 51, Kommission/Deutschland, Randnr. 55, und vom 15. Januar 2009, Hecht-Pharma, C‑140/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 32).

73      Nach den eigenen Ausführungen der Kommission sind Arzneipflanzen Pflanzenarten, die aufgrund ihrer Eigenschaften und ihrer physiologischen Wirkung als Inhaltsstoffe von Arzneimitteln oder anderen Arten von Erzeugnissen, insbesondere Nahrungsergänzungsmitteln, Verwendung finden können.

74      Die Tatsache allein, dass eine oder mehrere Arzneipflanzen in einem Erzeugnis enthalten sind, lässt jedoch noch nicht den Schluss zu, dass dieses Erzeugnis es ermöglicht, im Sinne von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.

75      Es ist nämlich möglich, dass sich ein Erzeugnis auf der Basis von Arzneipflanzen z. B. aufgrund seiner geringen Menge an Wirkstoffen und/oder der Modalitäten seines Gebrauchs nicht oder zu wenig auf die physiologischen Funktionen auswirkt, um ein Funktionsarzneimittel zu sein (vgl. entsprechend für Vitamin- und Mineralstoffpräparate Urteil Kommission/Österreich, Randnr. 63; vgl. in diesem Sinne auch Urteil Hecht-Pharma, Randnr. 42). Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass Stoffe, die zwar auf den menschlichen Körper einwirken, sich aber nicht nennenswert auf den Stoffwechsel auswirken und somit dessen Funktionsbedingungen nicht wirklich beeinflussen, nicht als Funktionsarzneimittel eingestuft werden dürfen (vgl. Urteile Kommission/Deutschland, Randnr. 60, und Hecht-Pharma, Randnr. 41).

76      Die beanstandete spanische Verwaltungspraxis kann daher, soweit sie sich systematisch auf alle Erzeugnisse auf der Basis von nicht im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführten Arzneipflanzen erstreckt, zur Folge haben, dass einige dieser Erzeugnisse als Arzneimittel eingestuft werden, obwohl sie die physiologischen Funktionen beim Menschen nicht wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen können.

77      Dem stehen nicht die Ergebnisse der in Randnr. 43 des vorliegenden Urteils angeführten wissenschaftlichen Studie entgegen, aus der sich nach Ansicht des Königreichs Spanien ergibt, dass alle 2002 und 2003 vom Markt genommenen Erzeugnisse von Ynsadiet, Tregor und Taxón Pflanzen enthielten, die sich schädlich auf die menschliche Gesundheit auswirken können. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 40 bis 42 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, beschäftigt sich diese wissenschaftliche Studie mit der Schädlichkeit von Arzneipflanzen selbst, aber nicht mit den pharmakologischen, immunologischen und metabolischen Eigenschaften der vom Markt genommenen Erzeugnisse oder mit den Gefahren, die mit ihrer Anwendung verbunden sein können. Die Studie behandelt außerdem nur 34 Pflanzenarten, während sich die beanstandete Praxis auf alle Erzeugnisse auf der Basis von nicht im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführten Arzneipflanzen erstreckt, deren Zahl potenziell unbegrenzt ist.

78      Das Vorbringen des Königreichs Spanien, angesichts der Zweifel bezüglich ihrer Einordnung seien die Erzeugnisse, die auf anderen als den im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführten Arzneipflanzen basierten, nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 als Funktionsarzneimittel einzustufen, ist ebenfalls zurückzuweisen.

79      Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 ist nämlich dahin auszulegen, dass diese Richtlinie nicht auf ein Erzeugnis anzuwenden ist, dessen Eigenschaft als Funktionsarzneimittel wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist, ohne dass sie ausgeschlossen werden kann (Urteil Hecht-Pharma, Randnr. 29). Im Übrigen ist es aufgrund des systematischen Charakters der spanischen Verwaltungspraxis möglich, dass Erzeugnisse, die auf anderen als den im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführten Arzneipflanzen basieren, als Funktionsarzneimittel eingestuft werden, obwohl feststeht, dass sie es nicht sind.

80      Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die von der vorliegenden Rüge erfasste spanische Verwaltungspraxis nicht auf der Grundlage der Richtlinie 2001/83 gerechtfertigt werden kann.

 Zum Vorliegen eines Hindernisses

81      Daher ist zweitens zu prüfen, ob das nach der spanischen Verwaltungspraxis bestehende Erfordernis einer Zulassung für Erzeugnisse auf der Basis von nicht im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführten Arzneipflanzen eine durch Art. 28 EG verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung darstellt.

82      Das in Art. 28 EG aufgestellte Verbot der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen erfasst jede Maßnahme, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (vgl. insbesondere Urteile vom 11. Juli 1974, Dassonville, 8/74, Slg. 1974, 837, Randnr. 5, vom 23. September 2003, Kommission/Dänemark, C‑192/01, Slg. 2003, I‑9693, Randnr. 39, Kommission/Frankreich, Randnr. 22, und Kommission/Deutschland, Randnr. 80).

83      Im vorliegenden Fall begründet die spanische Verwaltungspraxis dadurch ein Hindernis für den innergemeinschaftlichen Handel, dass ein Erzeugnis auf der Basis von nicht im Anhang der Verordnung von 1973 aufgeführten Arzneipflanzen, das in einem anderen Mitgliedstaat als Nahrungsergänzungsmittel oder diätetisches Erzeugnis rechtmäßig hergestellt und/oder auf den Markt gebracht worden ist, in Spanien erst vermarktet werden darf, nachdem es das Zulassungsverfahren durchlaufen hat (vgl. entsprechend Urteile Kommission/Österreich, Randnr. 82, und Kommission/Deutschland, Randnr. 81).

84      Die von der vorliegenden Rüge erfasste spanische Verwaltungspraxis stellt also eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Art. 28 EG dar.

 Zum Vorliegen einer Rechtfertigung

85      Daher ist drittens zu prüfen, ob diese Praxis, wie das Königreich Spanien vorträgt, durch den in Art. 30 EG erwähnten Schutz der Gesundheit von Menschen oder durch das in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannte zwingende Erfordernis des Verbraucherschutzes gerechtfertigt werden kann.

86      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es, soweit beim gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung noch Unsicherheiten bestehen, mangels Harmonisierung Sache der Mitgliedstaaten, unter Berücksichtigung der Erfordernisse des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft zu bestimmen, in welchem Umfang sie den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gewährleisten wollen und ob sie für das Inverkehrbringen der Lebensmittel eine vorherige Genehmigung verlangen (vgl. Urteile Kommission/Dänemark, Randnr. 42, Kommission/Frankreich, Randnr. 49, und Kommission/Deutschland, Randnr. 86).

87      Es läuft daher grundsätzlich nicht dem Gemeinschaftsrecht zuwider, dass ein Mitgliedstaat verbietet, Lebensmittel ohne vorherige Genehmigung in den Verkehr zu bringen, wenn ihnen Nährstoffe wie z. B. andere als die durch die gemeinschaftliche Regelung als Zusatz zugelassenen Vitamine oder Mineralstoffe hinzugefügt worden sind (Urteile Kommission/Dänemark, Randnr. 44, Kommission/Frankreich, Randnr. 51, und Kommission/Österreich, Randnr. 87).

88      Allerdings müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihres Ermessens im Bereich des Gesundheitsschutzes den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einhalten. Die von ihnen gewählten Maßnahmen sind daher auf das Maß dessen zu beschränken, was zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung oder zur Erfüllung der zwingenden Anforderungen beispielsweise des Verbraucherschutzes tatsächlich erforderlich ist. Sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen, das nicht durch Maßnahmen zu erreichen sein darf, die den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr weniger beschränken (vgl. Urteile Kommission/Dänemark, Randnr. 45, Kommission/Frankreich, Randnr. 52, Kommission/Österreich, Randnr. 88, und Kommission/Deutschland, Randnr. 87).

89      Da Art. 30 EG eine – eng auszulegende – Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft darstellt, haben die nationalen Behörden, die sich hierauf berufen, außerdem in jedem Einzelfall im Licht der nationalen Ernährungsgewohnheiten und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der internationalen wissenschaftlichen Forschung darzutun, dass ihre Regelung zum wirksamen Schutz der in dieser Bestimmung erfassten Interessen erforderlich ist, und insbesondere, dass das Inverkehrbringen der in Frage stehenden Erzeugnisse eine tatsächliche Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellt (Urteile Kommission/Dänemark, Randnr. 46, Kommission/Frankreich, Randnr. 53, Kommission/Österreich, Randnr. 89, und Kommission/Deutschland, Randnr. 88).

90      Diese Rechtsprechung, die zu Lebensmitteln ergangen ist, die mit Nährstoffen wie Vitaminen und Mineralien angereichert sind, ist auch auf Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen übertragbar, die für die Anwendung beim Menschen bestimmt sind.

91      Auch wenn das Gemeinschaftsrecht, wie in Randnr. 87 des vorliegenden Urteils ausgeführt, einer Regelung der vorherigen Genehmigung grundsätzlich nicht entgegensteht, ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Art. 8 der Richtlinie 2001/83 besonders strengen Anforderungen unterliegt (Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 89). Das Königreich Spanien hat nicht vorgetragen, dass es für alle oder einen Teil der 2002 und 2003 vom Markt genommenen Erzeugnisse ein vereinfachtes Registrierungsverfahren, wie es in Art. 16a bis 16i dieser Richtlinie für traditionelle pflanzliche Arzneimittel geschaffen wurde, zuließe.

92      Unter diesen Umständen kann die Verpflichtung, vor der Vermarktung von Erzeugnissen auf der Basis von Arzneipflanzen im spanischen Hoheitsgebiet eine Genehmigung für das Inverkehrbringen einzuholen, nur dann als mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehend angesehen werden, wenn sie tatsächlich in jedem Einzelfall erforderlich ist, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Österreich, Randnr. 94, und Kommission/Deutschland, Randnr. 90).

93      Eine solche Beschränkung des freien Warenverkehrs muss daher notwendig auf eine eingehende einzelfallbezogene Prüfung des Risikos gestützt werden, das der sich auf Art. 30 EG berufende Mitgliedstaat geltend macht (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Österreich, Randnr. 96, und Kommission/Deutschland, Randnr. 91).

94      Das Kriterium, aufgrund dessen die spanischen Behörden eine Zulassung verlangen, nämlich das Fehlen der Arzneipflanze, auf deren Basis das Erzeugnis hergestellt wird, in der Liste im Anhang der Verordnung von 1973, erlaubt es aber nicht, die Gefahr, die von diesen Erzeugnissen für die Gesundheit der Bevölkerung tatsächlich ausgeht, nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu berücksichtigen.

95      Demnach entspricht die von der vorliegenden Rüge erfasste spanische Verwaltungspraxis nicht den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts, wie sie sich aus der in den Randnrn. 89 bis 93 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben, insbesondere nicht dem Erfordernis einer eingehenden einzelfallbezogenen Prüfung der Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung, die mit dem Inverkehrbringen eines Erzeugnisses auf der Basis von Arzneipflanzen möglicherweise verbunden sind.

96      Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die Wirtschaftsteilnehmer könnten die Eintragung der in ihrem Erzeugnis enthaltenen Pflanze in den Anhang der Verordnung von 1973 beantragen. Nach den eigenen Ausführungen des Königreichs Spanien kann ein Wirtschaftsteilnehmer die Eintragung einer Pflanze in diesen Anhang nämlich nur erreichen, wenn er ihre traditionelle Verwendung nachweist. Dass in einem Erzeugnis eine Arzneipflanze enthalten ist, die nicht traditionell verwendet wird, bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass dieses Erzeugnis eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellt.

97      Was ferner den wirksamen Schutz der Verbraucher betrifft, auf den sich das Königreich Spanien gleichfalls beruft, ist es zwar legitim, auf eine korrekte Information der Verbraucher über die von ihnen konsumierten Erzeugnisse achten zu wollen (Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 74).

98      Das Königreich Spanien hat jedoch nicht erläutert, warum eine geeignete Kennzeichnung, mit der die Verbraucher über die Art, die Inhaltsstoffe und die Eigenschaften von Erzeugnissen auf der Basis von Arzneipflanzen informiert werden, hierfür nicht ausreicht, wenn die Einstufung dieser Erzeugnisse als Arzneimittel nicht aus Gründen der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt ist (vgl. entsprechend Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 75).

99      Daher ist die erste Rüge, die auf einen Verstoß gegen die Art. 28 EG und 30 EG gestützt wird, begründet.

 Zur Rüge eines Verstoßes gegen die Art. 1 und 4 der Entscheidung Nr. 3052/95

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

100    Die Kommission ist der Auffassung, das Königreich Spanien hätte sie von der Rücknahme der Erzeugnisse von Ynsadiet, Tregor und Taxón vom Markt in den Jahren 2002 und 2003 innerhalb von 45 Tagen ab dem Tag, an dem die jeweilige Maßnahme getroffen worden sei, in Kenntnis setzen müssen. Indem es das nicht getan habe, habe es gegen die Art. 1 und 4 der Entscheidung Nr. 3052/95 verstoßen.

101    Die von den spanischen Behörden vom Markt genommenen Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen seien in anderen Mitgliedstaaten in der Regel als Nahrungsergänzungsmittel oder diätetische Erzeugnisse rechtmäßig auf den Markt gebracht worden.

102    Die spanischen Behörden hätten von diesem Umstand Kenntnis gehabt. Zum einen hätten nämlich die Unternehmen, deren Erzeugnisse betroffen gewesen seien, die Behörden davon unterrichtet, dass einige dieser Erzeugnisse in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt oder auf den Markt gebracht worden seien. Zum anderen habe die Kommission in ihrer an das Königreich Spanien gerichteten mit Gründen versehenen Stellungnahme auf diesen Umstand hingewiesen, ohne dass das Königreich Spanien dies bestritten hat.

103    Das Königreich Spanien macht zum einen geltend, dass ein Teil der vom Markt genommenen Erzeugnisse in Spanien hergestellt worden seien und Ynsadiet, Tregor und Taxón den spanischen Behörden zu keinem Zeitpunkt Dokumente vorgelegt hätten, die bewiesen, dass diese Erzeugnisse in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig auf den Markt gebracht worden seien. Zum anderen sei das Königreich Spanien nicht darüber informiert worden, dass einige der vom Markt genommenen Erzeugnisse aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführt worden seien, in dem sie rechtmäßig hergestellt worden seien. Zudem habe die Kommission bis heute keine präzisen Angaben zu dieser Frage gemacht.

104    Daher sei das von der Entscheidung Nr. 3052/95 vorgesehene Verfahren nach Art. 1 dieser Entscheidung nicht anwendbar gewesen, so dass das Königreich Spanien nicht verpflichtet gewesen sei, die genannten Rücknahmeentscheidungen mitzuteilen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

105    Nach Art. 1 der Entscheidung Nr. 3052/95 teilt ein Mitgliedstaat, wenn er „den freien Verkehr oder das Inverkehrbringen eines Musters oder einer bestimmten Art von Waren verhindert, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder auf den Markt gebracht worden sind, … der Kommission diese Maßnahme mit, sofern diese unmittelbar oder mittelbar“ u. a. ein „grundsätzliches Verbot“, die „Verweigerung der Genehmigung zum Inverkehrbringen“ oder die „Rücknahme vom Markt“ bewirkt.

106    Unter „Maßnahmen“ werden in der Entscheidung Nr. 3052/95 mit Ausnahme von Gerichtsentscheidungen, unabhängig von ihrer Form oder davon, von welcher Behörde sie ausgehen, alle von einem Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen verstanden, die bewirken, dass der freie Verkehr von Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder auf den Markt gebracht worden sind, beschränkt wird (Urteile vom 20. Juni 2002, Radiosistemi, C‑388/00 und C‑429/00, Slg. 2002, I‑5845, Randnr. 68, und vom 10. November 2005, Kommission/Portugal, C‑432/03, Slg. 2005, I‑9665, Randnr. 57).

107    Der in Art. 1 der Entscheidung Nr. 3052/95 verwendete Ausdruck „eines Musters oder einer bestimmten Art von Waren …, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder auf den Markt gebracht worden sind“ zeigt, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Mitteilungspflicht den fraglichen Mitgliedstaat nicht nur trifft, wenn Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder auf den Markt gebracht worden sind, vom Markt genommen werden, sondern auch, wenn Waren, die in seinem eigenen Hoheitsgebiet hergestellt worden sind, vom Markt genommen werden und Waren desselben Musters oder derselben Art in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und/oder auf den Markt gebracht werden, die bei ihrer Einfuhr in den fraglichen Mitgliedstaat gleichermaßen vom Markt genommen würden.

108    Diese Auslegung stimmt auch mit dem Zweck der Entscheidung Nr. 3052/95 überein. Das bloße Bestehen einer Regelung oder Praxis eines Mitgliedstaats, die unterschiedslos für inländische und eingeführte Erzeugnisse gilt, kann die Wirtschaftsteilnehmer davon abhalten, in diesen Mitgliedstaat Waren einzuführen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder auf den Markt gebracht worden sind, und bewirkt daher, dass der freie Verkehr dieser Waren beschränkt wird.

109    Die in Art. 1 der Entscheidung Nr. 3052/95 vorgesehene Mitteilungspflicht trifft den fraglichen Mitgliedstaat aber nur dann, wenn er weiß oder wissen müsste, dass die Maßnahme, die er ergreift, die Vermarktung von Erzeugnissen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder auf den Markt gebracht worden sind, in seinem Hoheitsgebiet behindert. Den Nachweis dafür muss die Kommission erbringen.

110    Im vorliegenden Fall ist also zum einen zu prüfen, ob es, als die spanischen Behörden 2002 und 2003 die Erzeugnisse von Ynsadiet, Tregor und Taxón vom spanischen Markt nahmen, Erzeugnisse auf der Basis von nicht im Anhang der Verordnung von 1973 enthaltenen Arzneipflanzen gab, die rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat hergestellt und/oder auf den Markt gebracht worden waren, und zum anderen, ob die spanischen Behörden davon wussten.

111    Das Königreich Spanien trägt hierzu vor, dass es von der Kommission selbst durch die mit Gründen versehene Stellungnahme darüber informiert worden sei, dass einige der von Ynsadiet in Spanien vertriebenen und dort vom Markt genommenen Erzeugnisse von der Biover NV rechtmäßig in Belgien hergestellt worden seien, wo sie über eine Zertifizierung durch das belgische Ministerium für Gesundheit und soziale Angelegenheiten verfügten.

112    Wie jedoch die Kommission zutreffend geltend macht, hat die Ynsadiet die spanischen Behörden sofort im Anschluss an die Inspektion in ihren Geschäftsräumen am 15. und 16. Juli 2003 davon in Kenntnis gesetzt, dass die Erzeugnisse der Marke Biover aus Belgien eingeführt worden seien, wo sie rechtmäßig hergestellt und auf den Markt gebracht worden seien. In ihrer Klage gegen die Entscheidung, ihre Erzeugnisse vom spanischen Markt zu nehmen, hat sie noch einmal darauf hingewiesen.

113    Die Kommission hat ferner zu Recht hervorgehoben, dass die Herkunft dieser Erzeugnisse aus Belgien von den spanischen Behörden nicht bestritten worden sei, da sie in einem Telefax der AEMPS an Ynsadiet vom 21. November 2003 erwähnt sei.

114    Zudem dient das durch die Entscheidung Nr. 3052/95 eingeführte Verfahren der gegenseitigen Unterrichtung zwischen den Mitgliedstaaten und mit der Kommission nicht dem Schutz der Rechte dieses oder jenes bestimmten Marktteilnehmers, sondern es bezweckt, wie sich aus dem fünften Erwägungsgrund der Entscheidung ergibt, die im Rahmen des freien Warenverkehrs aufgetretenen Probleme zu ermitteln, um dafür sachgerechte Lösungen zu finden. Da die spanischen Behörden davon Kenntnis hatten, dass die Erzeugnisse der Marke Biover aus Belgien eingeführt worden waren, hätten sie außerdem, wenn sie den Nachweis, dass diese Erzeugnisse in Belgien rechtmäßig hergestellt und/oder auf den Markt gebracht worden waren, für unzureichend hielten, dies gemäß der in Art. 10 EG verankerten Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit Hilfe der belgischen Behörden nachprüfen müssen, ohne sich hinter der eventuellen Untätigkeit von Ynsadiet verschanzen zu können.

115    Daher ist die zweite Rüge, die auf einen Verstoß gegen die Art. 1 und 4 der Entscheidung Nr. 3052/95 gestützt wird, ebenfalls begründet.

116    Nach alledem ist festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 28 EG und 30 EG sowie aus den Art. 1 und 4 der Entscheidung Nr. 3052/95 verstoßen hat, dass es

–        auf der Basis von Arzneipflanzen hergestellte Erzeugnisse, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und/oder auf den Markt gebracht worden sind, aufgrund einer Verwaltungspraxis vom Markt genommen hat, der zufolge jedes Erzeugnis, das Arzneipflanzen enthält, die weder im Anhang der Verordnung von 1973 noch im Anhang der Verordnung von 2004 aufgeführt sind, und das keine Zubereitung ist, die ausschließlich aus einer oder mehreren Arzneipflanzen, ganzen Teilen, Stücken oder Pulvern hieraus besteht, vom Markt genommen wird, weil es als Arzneimittel angesehen wird, das ohne die vorgeschriebene Zulassung auf den Markt gebracht wird,

–        und die Kommission über diese Maßnahme nicht in Kenntnis gesetzt hat.

 Kosten

117    Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Spanien mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem entsprechenden Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 28 EG und 30 EG sowie aus den Art. 1 und 4 der Entscheidung Nr. 3052/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1995 zur Einführung eines Verfahrens der gegenseitigen Unterrichtung über einzelstaatliche Maßnahmen, die vom Grundsatz des freien Warenverkehrs in der Gemeinschaft abweichen, verstoßen, dass es

–        auf der Basis von Arzneipflanzen hergestellte Erzeugnisse, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und/oder auf den Markt gebracht worden sind, aufgrund einer Verwaltungspraxis vom Markt genommen hat, der zufolge jedes Erzeugnis, das Arzneipflanzen enthält, die weder im Anhang der Ministerialverordnung zur Schaffung eines speziellen Registers für Zubereitungen auf der Basis von Arzneipflanzen (Orden Ministerial por la que se establece el registro especial para preparados a base de especies vegetales medicinales) vom 3. Oktober 1973 in ihrer geänderten Fassung noch im Anhang der Verordnung SCO/190/2004 des Ministeriums für Gesundheit und Verbraucherschutz zur Erstellung der Liste der Pflanzen, deren öffentlicher Verkauf aufgrund ihrer Giftigkeit verboten oder beschränkt ist (Orden SCO/190/2004 por la que se establece la lista de plantas cuya venta al público queda prohibida o restringida por razón de su toxicidad) vom 28. Januar 2004 aufgeführt sind, und das keine Zubereitung ist, die ausschließlich aus einer oder mehreren Arzneipflanzen, ganzen Teilen, Stücken oder Pulvern hieraus besteht, vom Markt genommen wird, weil es als Arzneimittel angesehen wird, das ohne die vorgeschriebene Genehmigung für das Inverkehrbringen auf den Markt gebracht wird,

–        und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften über diese Maßnahme nicht in Kenntnis gesetzt hat.

2.      Das Königreich Spanien trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Spanisch.