Schlußanträge des Generalanwalts

Schlußanträge des Generalanwalts

I – Einleitung

1. Das vorlegende Gericht möchte in dieser Rechtssache erfahren, ob die Art. 28 EG bis 30 EG der Vorschrift des belgischen Gesetzes vom 14. Juli 1991 über die Handelspraktiken sowie die Aufklärung und den Schutz der Verbraucher (im Folgenden: belgisches Verbraucherschutzgesetz) entgegenstehen, wonach der Verkäufer bei Fernabsatzverträgen vom Verbraucher vor Ablauf der Rücktrittsfrist von sieben Werktagen keine Anzahlung oder Zahlung fordern kann. Im Rahmen dieser Prüfung ist auch zu klären, ob die genannten Artikel des Vertrags einer spezifischen Auslegung der fraglichen Vorschrift des belgischen Verbraucherschutzgesetzes durch die belgischen Stellen entgegenstehen, wonach der Verkäufer beim Vertragsabschluss im Fernabsatz vom Verbraucher nicht dessen Kreditkartennummer verlangen kann, auch wenn er sich verpflichtet, sie nicht vor Ablauf der Rücktrittsfrist zu nutzen, um die Zahlung zu erlangen. Die vorliegende Rechtssache wirft folglich die wichtigen Fragen des Vertriebs über das Internet und der damit verbundenen Kreditkartenzahlungen auf, durch die der Internetvertrieb erleichtert und auch gefördert wird.

2. Allgemeiner betrachtet macht die vorliegende Rechtssache anschaulich, dass sich der Entwicklung des Kaufvertrags auch die Modalitäten und Bedingungen der Kaufpreiszahlung anpassen müssen. Nach römischem Recht z. B. wurde ein Kaufvertrag erfüllt, indem der Verkäufer dem Käufer die Ware übergab und zugleich den Kaufpreis von ihm erhielt(2) ; beide Verpflichtungen waren somit gleichzeitig zu erfüllen. Mit der Weiterentwicklung des Kaufvertrags änderten sich die Modalitäten und Bedingungen der Zahlung erheblich, und diese Änderungen sind mit der Entwicklung neuer Technologien noch deutlicher geworden. Der Entwicklung von Technologien, die den Geschäftsverkehr und den Handel über das Internet ermöglichen, sind daher auch die Zahlungsmodalitäten anzupassen, die auf Sicherheit, Einfachheit und, soweit möglich, den Schutz aller Beteiligten gerichtet sein müssen. Im Rahmen der Prüfung der vorliegenden Rechtssache ist deshalb auch zu bedenken, dass der Geschäftsverkehr und der Handel über das Internet und die damit verbundenen Kreditkartenzahlungen in Zukunft noch viel verbreiteter sein werden, als dies heute der Fall ist.

3. Im Rahmen der Prüfung anhand von Art. 29 EG geht es in der vorliegenden Rechtssache um die wichtige Frage der Definition des Begriffs der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen, worunter nach der bestehenden Rechtsprechung nur solche Maßnahmen der Mitgliedstaaten fallen, die spezifisch die Ausfuhr beschränken sowie rechtlich oder tatsächlich den Binnenhandel und die Ausfuhrströme unterschiedlich behandeln und dadurch dem Binnenhandel Vorteile verschaffen.

II – Rechtlicher Rahmen

A – Gemeinschaftsrecht

4. Der 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (im Folgenden: Richtlinie 97/7) lautet:

„Der Verbraucher hat in der Praxis keine Möglichkeit, vor Abschluss des Vertrags das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen. Daher sollte ein Widerrufsrecht bestehen, sofern in dieser Richtlinie nicht etwas anderes bestimmt ist …“

5. Art. 6 der Richtlinie 97/7 bestimmt:

„(1) Der Verbraucher kann jeden Vertragsabschluss im Fernabsatz innerhalb einer Frist von mindestens sieben Werktagen ohne Angabe von Gründen und ohne Strafzahlung widerrufen. Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.

Die Frist für die Wahrnehmung dieses Rechts beginnt

– bei Waren mit dem Tag ihres Eingangs beim Verbraucher, wenn die Verpflichtungen im Sinne des Artikels 5 erfüllt sind;

(2) Übt der Verbraucher das Recht auf Widerruf gemäß diesem Artikel aus, so hat der Lieferer die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen kostenlos zu erstatten. Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Die Erstattung hat so bald wie möglich, in jedem Fall jedoch binnen 30 Tagen zu erfolgen.

(3) Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, kann der Verbraucher das in Absatz 1 vorgesehene Widerrufsrecht nicht ausüben bei

– Verträgen zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind oder die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfallsdatum überschritten würde;

…“

6. Art. 8 der Richtlinie 97/7 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass geeignete Vorkehrungen bestehen, damit

– der Verbraucher im Fall einer betrügerischen Verwendung seiner Zahlungskarte im Rahmen eines unter diese Richtlinie fallenden Vertragsabschlusses im Fernabsatz die Stornierung einer Zahlung verlangen kann;

– dem Verbraucher im Fall einer solchen betrügerischen Verwendung die Zahlungen gutgeschrieben oder erstattet werden.“

7. Art. 14 der Richtlinie 97/7 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten können in dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich mit dem EG-Vertrag in Einklang stehende strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen. Durch solche Bestimmungen können sie im Interesse der Allgemeinheit den Vertrieb im Fernabsatz für bestimmte Waren und Dienstleistungen, insbesondere Arzneimittel, in ihrem Hoheitsgebiet unter Beachtung des EG-Vertrags verbieten.“

B – Übereinkommen von Rom

8. Art. 5 („Verbraucherverträge“) des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom (im Folgenden: Übereinkommen von Rom), bestimmt:

„(1) Dieser Artikel gilt für Verträge über die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen an eine Person, den Verbraucher, zu einem Zweck, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Verbrauchers zugerechnet werden kann, sowie für Verträge zur Finanzierung eines solchen Geschäfts.

(2) Ungeachtet des Artikels 3 darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährte Schutz entzogen wird:

– wenn dem Vertragsabschluss ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in diesem Staat vorausgegangen ist und wenn der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat

oder

– wenn der Vertragspartner des Verbrauchers oder sein Vertreter die Bestellung des Verbrauchers in diesem Staat entgegengenommen hat

oder

– wenn der Vertrag den Verkauf von Waren betrifft und der Verbraucher von diesem Staat ins Ausland gereist ist und dort seine Bestellung aufgegeben hat, sofern diese Reise vom Verkäufer mit dem Ziel herbeigeführt worden ist, den Verbraucher zum Vertragsabschluss zu veranlassen.

(3) Abweichend von Artikel 4 ist mangels einer Rechtswahl nach Artikel 3 für Verträge, die unter den in Absatz 2 bezeichneten Umständen zustande gekommen sind, das Recht des Staates maßgebend, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.“

C – Belgisches Recht

9. In Belgien ist das Recht des Verbrauchers auf Rücktritt von Vertragsabschlüssen im Fernabsatz in Art. 80 des belgischen Verbraucherschutzgesetzes geregelt.

10. Art. 80 § 3 des belgischen Verbraucherschutzgesetzes bestimmt:

„Unbeschadet der Anwendung von Artikel 45 § 1 des Gesetzes vom 12. Juni 1991 über den Verbraucherkredit kann vor Ablauf der in § 1 erwähnten Rücktrittsfrist von sieben Werktagen vom Verbraucher keine Anzahlung oder Zahlung gefordert werden.

Wird das in den Paragrafen 1 und 2 erwähnte Rücktrittsrecht ausgeübt, so hat der Verkäufer die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen kostenlos zu erstatten. Die Erstattung hat spätestens innerhalb dreißig Tagen nach dem Rücktritt zu erfolgen.

…“

III – Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

11. Die Santurel Inter BVBA (im Folgenden: Santurel), deren Geschäfte von L. Gysbrechts geführt werden, ist ein auf den Verkauf von Lebensmittelzusätzen im Groß- und im Einzelhandel spezialisiertes Unternehmen. Der Absatz erfolgt größtenteils über die Website des Unternehmens, und die bestellten Erzeugnisse werden auf dem Postweg versandt.

12. Auf die Anzeige eines französischen Käufers hin leitete die belgische Verwaltung der Wirtschaftsinspektion (Belgisch Bestuur Eonomische Inspectie) Ermittlungen ein, auf deren Grundlage das Unternehmen Santurel und L. Gysbrechts wegen Verstoßes gegen die den Fernabsatz betreffenden Bestimmungen des belgischen Verbraucherschutzgesetzes angeklagt wurden. Bei den Verstößen ging es u. a. um die Verletzung des Verbots, vor Ablauf der in Art. 80 § 3 des belgischen Verbraucherschutzgesetzes festgelegten Rücktrittsfrist von sieben Werktagen eine Anzahlung oder Zahlung vom Verbraucher zu fordern. Genauer gesagt ging es um die Nichtbeachtung der von den belgischen Stellen vorgenommenen Auslegung dieser Vorschrift, wonach es untersagt ist, vom Verbraucher vor Ablauf der Rücktrittsfrist von sieben Werktagen eine Kreditkartennummer zu verlangen.

13. Das erstinstanzliche Gericht in Dendermonde verurteilte die Angeklagten im Strafverfahren zu Geldstrafen von jeweils 1 250 Euro. Die Beteiligten legten gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim Hof van Beroep te Gent ein, der dem Gerichtshof eine Frage nach der Vereinbarkeit der genannten belgischen Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.

14. Das vorlegende Gericht führt aus, das Verbot nach Art. 80 § 3 des belgischen Verbraucherschutzgesetzes berge für den Verkäufer eine Gefahr, weil es für ihn schwierig sein werde, die Bezahlung von Lieferungen an Kunden in anderen Mitgliedstaaten zu erlangen, zumal im Fall der niedrigen Kaufpreise von Lebensmittelzusätzen. Das vorlegende Gericht stimmt der Auffassung der Angeklagten zu, dass das Verbot eine unzulässige Behinderung des freien Warenverkehrs darstelle.

15. Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht das Verfahren mit Beschluss vom 20. März 2007 ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt das belgische Gesetz vom 14. Juli 1991 über die Handelspraktiken sowie die Aufklärung und den Schutz der Verbraucher eine durch die Art. 28 EG bis 30 EG verbotene Maßnahme gleicher Wirkung dar, soweit dieses nationale Gesetz in Art. 80 § 3 ein Verbot aufstellt, während der zwingend vorgeschriebenen Rücktrittsfrist eine Anzahlung oder eine Zahlung vom Verbraucher zu verlangen, was dazu führt, dass der tatsächliche Einfluss des Gesetzes vom 14. Juli 1991 über die Handelspraktiken sowie die Aufklärung und den Schutz der Verbraucher beim Absatz von Waren im eigenen Land verglichen mit dem Handel, der mit Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats betrieben wird, nicht der gleiche ist, und entsteht dadurch eine tatsächliche Behinderung des durch Art. 23 EG geschützten freien Warenverkehrs?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

16. Die Vorlageentscheidung ist am 19. April 2007 beim Gerichtshof eingegangen. Im schriftlichen Verfahren haben Santurel, die belgische Regierung und die Kommission Erklärungen eingereicht. In der Sitzung vom 20. Mai 2008 haben die belgische Regierung und die Kommission mündliche Ausführungen gemacht und Fragen des Gerichtshofs beantwortet.

V – Vorbringen der Beteiligten

17. Santurel ist der Auffassung, Art. 80 § 3 des belgischen Verbraucherschutzgesetzes sei dahin auszulegen, dass der Verkäufer im Fernabsatz eine Kreditkartennummer des Käufers verlangen könne, wenn er sich dabei verpflichte, diese Nummer nicht vor Ablauf der Rücktrittsfrist zu nutzen, um die Zahlung zu erlangen. Eine Auslegung, wonach es untersagt sei, im Fernabsatz eine Kreditkartennummer zu verlangen, stehe im Widerspruch zu den Art. 28 EG bis 30 EG. Santurel beruft sich hierfür auf das Urteil Dassonville(3) sowie das Urteil Keck und Mithouard(4) und macht geltend, der Umstand, dass der Verkäufer gemäß der Auslegung des belgischen Verbraucherschutzgesetzes keine Kreditkartennummer vom Verbraucher verlangen dürfe, habe auf die Ausfuhr andere tatsächliche Auswirkungen als auf den Verkauf innerhalb Belgiens. Diese Auslegung des belgischen Gesetzes stelle eine tatsächliche Behinderung des freien Warenverkehrs dar und folglich eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung, die nach dem EG-Vertrag untersagt sei.

18. Die belgische Regierung führt in ihren schriftlichen Erklärungen aus, dass Art. 80 § 3 des belgischen Verbraucherschutzgesetzes im Einklang mit dem Vertrag stehe, da es sich um eine Maßnahme zur Verstärkung des Verbraucherschutzes nach Art. 14 der Richtlinie 97/7 handele. Die belgische Regierung räumt allerdings ein, dass diese Vorschrift für einen belgischen Verkäufer eine gewisse Gefahr berge, dass er für ins Ausland versandte Waren keine Zahlung erhalte. Dies stehe aber nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht. Sollte der Gerichtshof dennoch feststellen, dass die in Rede stehende belgische Vorschrift eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 28 EG sei, sei diese Maßnahme zum Schutz der Verbraucher gerechtfertigt. Sie solle den Verbrauchern die Möglichkeit sichern, von ihrem Rücktrittsrecht wirksam Gebrauch zu machen. Die betreffende Vorschrift sei im Hinblick auf die Erreichung des Ziels des Verbraucherschutzes verhältnismäßig.

19. In der Sitzung hat die belgische Regierung außerdem erläutert, dass in Belgien ein Verfahren zum Erlass einer Königlichen Verordnung mit einem Zahlungssystem für den Fernabsatz laufe, das dem Verbraucher Sicherheit biete, gleichzeitig aber auch den Verkäufer schütze. Im Rahmen dieses Zahlungssystems zahle der Verbraucher den Kaufpreis auf das Konto eines unabhängigen Dritten ein, und nach Ablauf der Rücktrittsfrist werde der Kaufpreis an den Verkäufer überwiesen. Die belgische Regierung ergänzt, dass der Verkäufer im Fernabsatz nicht die Befugnis des Verbrauchers einschränken dürfe, zwischen mehreren Zahlungsmodalitäten zu wählen.

20. Die Kommission trägt zum Einfluss von Art. 80 § 3 des belgischen Verbraucherschutzgesetzes auf die Einfuhren vor, dass sich diese Vorschrift auch auf Kaufverträge auswirken könne, die Verkäufer aus anderen Mitgliedstaaten mit Käufern aus Belgien abschlössen, da Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom zulasse, dass sich die Verbraucher auf das Schutzniveau Belgiens beriefen, wenn dies höher sei als das Schutzniveau in den Mitgliedstaaten der Verkäufer. In ihrer Prüfung geht die Kommission von der Definition der Maßnahmen gleicher Wirkung im Urteil Dassonville(5) aus und prüft den Fall sodann auf der Grundlage des Urteils Keck und Mithouard(6) . Im Zusammenhang mit dem letztgenannten Urteil vertritt sie die Auffassung, dass sich die belgische Vorschrift auf alle Händler beziehe und inländische wie eingeführte Erzeugnisse rechtlich gleichermaßen berühre. Der tatsächliche Einfluss der in Rede stehenden belgischen Vorschrift sei vom nationalen Gericht zu beurteilen. Sollte sich herausstellen, dass der tatsächliche Nachteil für eingeführte Erzeugnisse größer und die belgische Vorschrift daher eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie ein mengenmäßige Beschränkung sei, lasse sich diese Maßnahme mit dem Verbraucherschutz rechtfertigen und sei verhältnismäßig.

21. Zum Einfluss auf die Ausfuhren meint die Kommission, dass Art. 80 § 3 des belgischen Verbraucherschutzgesetzes keine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 29 EG sei. Obwohl sich die in Rede stehende Vorschrift stärker auf den Handel mit anderen Mitgliedstaaten als auf den Handel innerhalb Belgiens auswirken könne, gehe es im vorliegenden Fall nicht um eine Maßnahme, die spezifisch eine Beschränkung der Ausfuhrströme im Sinne des Urteils Groenveld(7) und der darauf folgenden Rechtsprechung bezwecke oder bewirke. In der Sitzung hat die Kommission dem Gerichtshof vorgeschlagen, die Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen abzuändern und diese Maßnahmen als solche zu definieren, „die eine Beschränkung der Ausfuhr zur Folge haben und den Handel innerhalb eines Mitgliedstaats und die Ausfuhr unterschiedlich behandeln“. Unter Zugrundelegung dieser neuen Definition stellt die Kommission fest, dass die in Rede stehende belgische Vorschrift eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 29 EG sei. Diese Maßnahme lasse sich zwar mit dem Verbraucherschutz begründen, stehe aber mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht im Einklang.

VI – Würdigung durch die Generalanwältin

A – Einleitung

22. Das vorlegende Gericht möchte in dieser Rechtssache wissen, ob die Art. 28 EG, 29 EG und 30 EG der Vorschrift des belgischen Verbraucherschutzgesetzes entgegenstehen, wonach es im Fall von Fernabsatzverträgen untersagt ist, vom Verbraucher vor Ablauf der in der Richtlinie 97/7 festgelegten Rücktrittsfrist von sieben Werktagen eine Anzahlung oder Zahlung zu fordern. Obwohl das nationale Gericht seine Frage dahin formuliert hat, ob Art. 29 EG der wörtlichen Bedeutung der belgischen Vorschrift entgegensteht, geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass es erfahren möchte, ob die genannten Artikel des EG-Vertrags der in der Praxis vorgenommenen Auslegung der Vorschrift des belgischen Verbraucherschutzgesetzes entgegenstehen, wonach der Verkäufer vom Verbraucher keine Kreditkartennummer verlangen kann, auch wenn er sich verpflichtet, sie nicht vor Ablauf der Rücktrittsfrist von sieben Werktagen zu nutzen, um die Zahlung zu erlangen. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung dem vorlegenden Gericht unabhängig davon, worauf dieses bei der Darlegung seiner Frage Bezug genommen hat, alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben hat, die dem Gericht bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können(8) . Wenn der Gerichtshof prüft, ob das Gemeinschaftsrecht einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, muss er daher denjenigen Inhalt berücksichtigen, den die nationale Rechtsvorschrift in ihrer Auslegung durch die nationalen Stellen hat(9) .

23. Zunächst ist hervorzuheben, dass Belgien mit dem Erlass der in Rede stehenden Vorschrift von seiner Befugnis nach Art. 14 der Richtlinie 97/7 Gebrauch gemacht hat, wonach die Mitgliedstaaten in dem von der Richtlinie geregelten Bereich strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten können. Diese strengeren Bestimmungen müssen jedoch, wie Art. 14 der Richtlinie 97/7 ausdrücklich vorgibt, mit dem EG-Vertrag im Einklang stehen(10) . In der vorliegenden Rechtssache stellt sich deshalb die Frage, ob die Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr der belgischen Vorschrift entgegenstehen.

24. In meinen Schlussanträgen werde ich die Vorlagefrage zunächst im Hinblick auf Art. 28 EG und dann im Hinblick auf Art. 29 EG prüfen. Im Rahmen der Prüfung anhand von Art. 29 EG werde ich die Frage erst auf der Grundlage der derzeit geltenden Rechtsprechung untersuchen, danach die möglichen Gründe für eine Änderung dieser Rechtsprechung erörtern und beurteilen und schließlich unter Zugrundelegung neuer, geänderter Kriterien für eine Prüfung anhand von Art. 29 EG eine Antwort auf die Vorlagefrage vorschlagen.

B – Prüfung der Vorlagefrage anhand von Art. 28 EG

25. Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Vorlagefrage als Erstes erfahren, ob Art. 28 EG der fraglichen Vorschrift des belgischen Verbraucherschutzgesetzes entgegensteht. Die Kommission trägt hierzu vor, dass Art. 80 § 3 des belgischen Verbraucherschutzgesetzes dann, wenn ein belgischer Käufer eine Ware von einem Verkäufer aus einem anderen Mitgliedstaat erwerbe, die Einfuhr der Ware nach Belgien berühren könne. In diesem Fall könne sich der belgische Verbraucher nämlich auf Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom berufen, auf dessen Grundlage er erreiche, dass für den Vertrag das Recht des Staates gelte, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Ich stimme der Kommission darin zu, dass ein solches Problem in der Praxis auftreten kann – auch nach Inkrafttreten der sogenannten Verordnung Rom I(11) –, doch stehen die Ausführungen der Kommission in keinem Zusammenhang mit dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens.

26. Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens betrifft nämlich nicht die Einfuhr von Waren nach Belgien, sondern die Ausfuhr von Waren von Belgien ins Ausland. Art. 28 EG ist deshalb in Bezug auf die Umstände, um die es im Ausgangsverfahren geht, nicht relevant. Wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder wenn das Problem hypothetischer Natur ist, kann der Gerichtshof die Entscheidung über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts ablehnen(12) .

27. Aus diesem Grund bin ich der Ansicht, dass der Gerichtshof die Vorlagefrage nicht unter dem Gesichtspunkt von Art. 28 EG zu beantworten braucht.

C – Prüfung der Vorlagefrage anhand von Art. 29 EG

1. Prüfung auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung

28. In der vorliegenden Rechtssache ist zu klären, ob Art. 80 § 3 des belgischen Verbraucherschutzgesetzes eine Maßnahme gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen ist. Wie bereits erläutert, werde ich in dieser Prüfung sowohl das schon aus dem Wortlaut der Vorschrift hervorgehende Verbot, bei Fernabsatzverträgen vor Ablauf der Rücktrittsfrist eine Anzahlung oder Zahlung zu fordern, als auch die von den nationalen Stellen vorgenommene spezifische Auslegung dieser Vorschrift im Zusammenhang mit Kreditkarten erörtern, wonach der Verkäufer vom Verbraucher vor Ablauf der Rücktrittsfrist von sieben Werktagen auf keinen Fall eine Kreditkartennummer verlangen kann.

29. Anders als die mengenmäßigen Beschränkungen selbst, die der Gerichtshof im Rahmen von Art. 28 EG und Art. 29 EG einheitlich definiert hat(13), werden die Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen in der Rechtsprechung wesentlich enger definiert als die Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen.

30. In seiner früheren Rechtsprechung hat der Gerichtshof die Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen genauso wie die Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen ausgelegt. In der Rechtssache Bouhelier(14), die der Gerichtshof 1977 entschieden hat, werden die Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen definiert als Maßnahmen, die „geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern“(15) . Mit dieser Definition hat sich der Gerichtshof somit an die Definition der Maßnahmen gleicher Wirkung im Rahmen von Art. 28 EG im Urteil Dassonville(16) angelehnt, in dem er entschieden hat, dass eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen „jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten [ist], die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern“(17) .

31. Zwei Jahre nach der Entscheidung in der Rechtssache Bouhelier, im Jahr 1979, hat der Gerichtshof die Definition im Rahmen von Art. 29 EG in seinem Urteil in der Rechtssache Groenveld(18) sehr viel enger gefasst und entschieden, dass Art. 29 EG (früher Art. 34 EG-Vertrag) „Maßnahmen [erfasst], die spezifische Beschränkungen der Ausfuhrströme bezwecken oder bewirken und damit unterschiedliche Bedingungen für den Binnenhandel innerhalb eines Mitgliedstaats und seinen Außenhandel schaffen, so dass die nationale Produktion oder der Binnenmarkt des betroffenen Staates zum Nachteil der Produktion oder des Handels anderer Mitgliedstaaten einen besonderen Vorteil erlangt“(19) .

32. In der Rechtsprechung aus der Zeit nach dem Urteil Groenveld hat der Gerichtshof diese Definition (die Groenveld-Formel) wiederholt bestätigt(20) . Von der Formulierung im Urteil Groenveld ist der Gerichtshof nur in einigen Rechtssachen abgewichen, in denen er die Hälfte des dritten Teils der Groenveld-Formel („zum Nachteil der Produktion oder des Handels anderer Mitgliedstaaten“) weggelassen hat. Als Beispiele seien die Urteile Delhaize(21), Kommission/Belgien(22) und Sydhavnens Sten & Grus(23) genannt. Ungeachtet dessen gelten die wesentlichen Bestandteile der Groenveld-Formel bis heute.

33. Die Groenveld-Formel umfasst demnach drei miteinander verbundene Voraussetzungen: Erstens muss die Maßnahme spezifische Beschränkungen der Ausfuhrströme bezwecken oder bewirken, zweitens muss sie unterschiedliche Bedingungen für den Binnenhandel innerhalb eines Mitgliedstaats und dessen Außenhandel schaffen, und drittens muss die nationale Produktion oder der Binnenmarkt des betroffenen Staates zum Nachteil des Handels oder der Produktion anderer Mitgliedstaaten einen besonderen Vorteil erlangen.

34. Meines Erachtens sind diese Voraussetzungen in der vorliegenden Rechtssache nicht erfüllt.

35. Weder bezwecken noch bewirken die in Rede stehende belgische Vorschrift und deren Auslegung spezifische Beschränkungen der Ausfuhrströme, denn diese Vorschrift und ihre Auslegung betreffen nicht spezifisch die Ausfuhr, sondern allgemein das Verbot, eine Zahlung zu fordern, sowie das Fehlen einer Möglichkeit, vor Ablauf der Rücktrittsfrist eine Kreditkartennummer zu verlangen.

36. Die genannte Vorschrift und ihre Auslegung schaffen auch keine rechtlich oder tatsächlich unterschiedlichen Bedingungen für den Binnenhandel innerhalb eines Mitgliedstaats und dessen Außenhandel. Rechtlich betrachtet betrifft die Vorschrift nämlich im selben Maß und in derselben Weise alle Verkäufer, unabhängig davon, ob sie ihre Waren in Belgien oder im Ausland vertreiben. Auch in tatsächlicher Hinsicht haben die Vorschrift und ihre Auslegung auf den Verkauf in Belgien und den Verkauf im Ausland dieselben Auswirkungen. Meines Erachtens kann daher dem Argument des vorlegenden Gerichts, dass sich diese Maßnahme in tatsächlicher Hinsicht anders auf den Absatz von Waren im eigenen Land auswirke als auf die Handelsbeziehungen mit Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats, nicht gefolgt werden.

37. Das vorlegende Gericht führt aus, dass es schwieriger und teurer sei, Beträge von Verbrauchern aus anderen Mitgliedstaaten beizutreiben, wenn diese die empfangenen Waren nicht bezahlten. Dieses Argument ist meines Erachtens nicht stichhaltig. Ohne konkrete Beweise kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Beitreibung dieser Beträge bereits deswegen schwieriger und teurer ist, weil der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hat. Dass der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hat, bedeutet auch nicht zwangsläufig, dass der Verkäufer den Verbraucher stets in dem Staat verklagen muss, in dem dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat(24) .

38. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Gemeinschaft bereits zahlreiche Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen erlassen hat, die zum reibungslosen und wirksamen Funktionieren des Binnenmarkts beitragen(25) . Diese Maßnahmen umfassen im Einklang mit Art. 65 EG die Verbesserung und Vereinfachung der grenzüberschreitenden Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke, der Zusammenarbeit bei der Erhebung von Beweismitteln sowie der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; zugleich werden mit diesen Maßnahmen die Vereinbarkeit der Kollisionsnormen gefördert und die Hindernisse für eine reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren beseitigt. In Anbetracht all dieser Maßnahmen der Gemeinschaft kann die Aussage, dass ein Verfahren, das ein Verkäufer aus einem bestimmten Mitgliedstaat gegen einen Verbraucher aus einem anderen Mitgliedstaat betreibe, für den Verkäufer mit mehr Schwierigkeiten verbunden sei, nicht als zutreffend angesehen werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass in Fällen wie den hier erörterten, in denen es um kleine Beträge geht, in grenzüberschreitenden Streitigkeiten zukünftig die Verordnung über das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen gelten wird(26) .

39. Da die belgische Vorschrift keine spezifischen Beschränkungen der Ausfuhrströme bezweckt oder bewirkt und keine unterschiedlichen Bedingungen für den Binnenhandel innerhalb eines Mitgliedstaats und dessen Außenhandel schafft, führt sie folglich auch nicht dazu, dass die nationale Produktion oder der Binnenmarkt des betroffenen Staates zum Nachteil der Produktion oder des Handels anderer Mitgliedstaaten einen besonderen Vorteil erlangt. Die dritte Voraussetzung der Groenveld-Formel ist somit nicht erfüllt.

40. Daher kann festgestellt werden, dass eine Vorschrift wie Art. 80 § 3 des belgischen Verbraucherschutzgesetzes und ihre Auslegung, wonach der Verkäufer vom Verbraucher während der Rücktrittsfrist von sieben Werktagen keine Kreditkartennummer verlangen kann, auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung keine Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne von Art. 29 EG sind.

41. Zu prüfen ist allerdings, ob es angesichts der allgemeinen Entwicklung der Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten und in Anbetracht der verbreiteten Kritik, die im Schrifttum(27) an der Rechtsprechung zu den Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen geübt wurde, noch angebracht ist, die vorstehend erörterte Groenveld-Formel weiterhin anzuwenden.

2. Argumente für eine Änderung der Rechtsprechung

42. Für eine Änderung der bestehenden Rechtsprechung zur Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen sprechen mehrere Argumente.

43. Als erstes Argument ist im Rahmen dieser Prüfung zu berücksichtigen, dass wegen der Enge der gegenwärtig geltenden Definition einige Maßnahmen der Mitgliedstaaten nie als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen angesehen werden können, da die Prüfung des Vorliegens einer Ungleichbehandlung unbedingt einen Vergleich zwischen den Auswirkungen einer Maßnahme auf innerhalb eines Mitgliedstaats verkaufte Waren und auf ausgeführte Waren erfordert. Man stelle sich vor, dass eine bestimmte Ware in einem Mitgliedstaat hergestellt wird, jedoch nur zur Ausfuhr bestimmt ist und im Binnenhandel nicht vertrieben wird. In diesem Fall ließe sich nie feststellen, ob unterschiedliche Bedingungen für den Binnenhandel und den Außenhandel bestehen, da kein Binnenhandel mit dieser Ware getrieben wird; ebenso wenig ließe sich daher feststellen, ob eine bestimmte Maßnahme der nationalen Produktion oder dem Binnenmarkt des betroffenen Mitgliedstaats einen Vorteil verschafft(28) . Ungeachtet dessen kann aber die Ausfuhr dieser Ware stark eingeschränkt sein, doch die Maßnahmen, die sie beschränken, können nie als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen angesehen werden.

44. Als zweites Argument ist im Hinblick auf eine Änderung der bestehenden Rechtsprechung der Umstand relevant, dass Art. 28 EG und Art. 29 EG denselben Zweck verfolgen(29) und auf demselben Grundsatz beruhen, nämlich der Beseitigung der Beeinträchtigungen der Handelsströme innerhalb der Gemeinschaft. Dass es sich um denselben Grundsatz handelt, wird aus den Urteilen Schmidberger(30) und Kommission/Österreich(31) deutlich, denen sich außerdem implizit entnehmen lässt, dass es notwendig ist, die Definitionen der Maßnahmen gleicher Wirkung bei der Einfuhr und der Ausfuhr zu vereinheitlichen. Nach Randnr. 67 des Urteils Kommission/Österreich „sind … die Artikel 28 EG und 29 EG nach ihrem Kontext dahin zu verstehen, dass sie auf die Beseitigung aller unmittelbaren oder mittelbaren, tatsächlichen oder potenziellen Beeinträchtigungen der Handelsströme innerhalb der Gemeinschaft abzielen“. Der Gerichtshof hat sich dabei auf das Urteil Schmidberger(32) bezogen, in dessen Randnr. 56 er die Definitionen der Maßnahmen gleicher Wirkung für Einfuhr und Ausfuhr einander entsprechend angeglichen hat. Natürlich können diese Passagen nicht als Abkehr von der vorherigen Rechtsprechung zu Art. 29 EG verstanden werden, denn im selben Zeitraum hat der Gerichtshof auch das Urteil in der Rechtssache Jersey Produce(33) erlassen, in dem er die Groenveld-Formel bestätigt hat, also die enge Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen. Gleichwohl zeigen die genannten Rechtssachen, dass im Bereich des freien Warenverkehrs – d. h. sowohl bei der Einfuhr als auch bei der Ausfuhr – vom Grundsatz der Beseitigung der Beeinträchtigungen der Handelsströme innerhalb der Gemeinschaft auszugehen ist(34) . Angesichts dieses Grundsatzes vermag ich keinen Grund dafür zu erkennen, dass sich die Definition der Maßnahmen gleicher Wirkung bei der Ausfuhr so stark wie möglich von der Definition der Maßnahmen gleicher Wirkung bei der Einfuhr unterscheiden sollte.

45. Als drittes Argument ist die Bedeutung einer kohärenten Auslegung aller vier Grundfreiheiten – freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr, Freizügigkeit und freier Kapitalverkehr – zu beachten. Die Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen bei der Ausfuhr ist der einzige Fall im Rahmen der Grundfreiheiten, in dem der Gerichtshof daran festhält, dass eine Beschränkung der jeweiligen Freiheit eine Ungleichbehandlung voraussetzt(35) .

46. Zum freien Warenverkehr habe ich bereits oben ausgeführt, dass Art. 28 EG und Art. 29 EG auf demselben Grundsatz beruhen und dass es deshalb nicht gerechtfertigt ist, bei der Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen danach zu differenzieren, ob es um die Einfuhr oder die Ausfuhr geht. Aus diesem Grund kann Generalanwalt Capotorti zugestimmt werden, der bereits in der Rechtssache Oebel darauf hingewiesen hat, dass zu befürchten sei, dass ein nicht einheitlicher Begriff der Maßnahmen mit gleicher Wirkung im Bereich des freien Warenverkehrs Verwirrung stiften würde(36) .

47. Zum freien Dienstleistungsverkehr ist zu bemerken, dass der Gerichtshof auch auf diesem Gebiet einen Verstoß gegen die betreffenden Bestimmungen eine Zeit lang von einer Ungleichbehandlung abhängig gemacht hat(37), sich jedoch später umorientiert hat(38) . Im Bereich der Freizügigkeit hat sich der Gerichtshof in seiner früheren Rechtsprechung ebenfalls auf ein Verbot diskriminierender Maßnahmen der Mitgliedstaaten beschränkt, später hat er aber entschieden, dass auch eine nicht diskriminierende Maßnahme die Freizügigkeit behindern kann(39) . Auch die Gewährleistung des freien Kapitalverkehrs umfasst mehr als nur ein Verbot diskriminierender Maßnahmen; aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht hervor, dass nicht lediglich diskriminierende Maßnahmen verboten sind, sondern dass auf den Begriff der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs abzustellen ist(40) .

48. Keine der Grundfreiheiten – mit Ausnahme der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Rahmen von Art. 29 EG – ist also auf ein Verbot allein diskriminierender Maßnahmen der Mitgliedstaaten beschränkt; abzustellen ist vielmehr auf die Beschränkung dieser Freiheiten. Unter diesem Aspekt weicht die ausgesprochen enge Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen stark von der Auslegung der übrigen Grundfreiheiten ab.

3. Vorschlag für eine Änderung der Rechtsprechung

49. Aufgrund der vorstehend dargelegten Argumente hielte ich es für gerechtfertigt, dass der Gerichtshof die Groenveld-Formel, d. h. die enge Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen, abändert.

50. Bei der Änderung dieser Definition hat der Gerichtshof grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit besteht darin, dass er die Definition, die er im Zusammenhang mit Art. 28 EG entwickelt hat, auf Art. 29 EG überträgt. Das bedeutet, dass er für die Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen die entsprechend angepasste Formulierung des Urteils Dassonville(41) heranzieht, dass er ausdrücklich eine Rechtfertigung dieser Maßnahmen durch die im Urteil Cassis de Dijon(42) genannten zwingenden Erfordernisse zulässt und dass er die Verkaufsmodalitäten unter den von ihm im Urteil Keck und Mithouard(43) aufgestellten Voraussetzungen von der Definition dieser Maßnahmen ausnimmt. Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass der Gerichtshof nur die Definition der Maßnahmen gleicher Wirkung enger fasst als im Urteil Dassonville, was eventuell auch rechtfertigen könnte, die Kriterien des Urteils Keck und Mithouard nicht auf Ausfuhrbeschränkungen anzuwenden. Auch im Rahmen der zweiten Möglichkeit kann eine nationale Maßnahme durch die im Urteil Cassis de Dijon genannten zwingenden Erfordernisse gerechtfertigt sein.

51. Beide Möglichkeiten haben Vor- und Nachteile. Der Vorteil der zweiten Möglichkeit liegt darin, dass dadurch eine weit gefasste Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen vermieden wird, die eine unüberschaubare Zahl von Maßnahmen der Mitgliedstaaten erfassen würde. Bei der Ausarbeitung dieser engeren Definition stellt sich allerdings wiederum die Frage nach geeigneten Kriterien, anhand deren eine solche engere Definition formuliert werden kann. Ein weiterer Nachteil der zweiten Möglichkeit besteht darin, dass die Formulierung einer neuen, besonderen Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen wiederum zu Widersprüchen in der Rechtsprechung zum freien Warenverkehr und zu den Grundfreiheiten im Allgemeinen führen würde.

52. Ich halte es daher für angemessener, auch im Rahmen der Auslegung von Art. 29 EG die Definitionen, die Einschränkungen und die Kriterien anzuwenden, die in den Urteilen Dassonville, Cassis de Dijon sowie Keck und Mithouard entwickelt wurden. Diese Rechtsprechung ist allerdings Art. 29 EG anzupassen. Im Folgenden werde ich deshalb darlegen, welche Kriterien der Gerichtshof anwenden sollte, wenn er prüft, ob es um eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung geht.

53. Zunächst schlage ich vor, dass der Gerichtshof die Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen definiert als alle Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern.

54. Dabei ist zu beachten, dass unter eine so weit gefasste Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen eine sehr große Zahl von Maßnahmen fällt(44) . In der Praxis bedeutet dies, dass Maßnahmen gleicher Wirkung z. B. auch alle Herstellungsbedingungen und die entsprechenden Beschränkungen sein könnten, alle Maßnahmen, die auf irgendeine Weise die Herstellungskosten erhöhen(45), oder Maßnahmen, die die Arbeitsbedingungen betreffen. Dies könnte dazu führen, dass auch solche Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die nicht eng genug mit der Ausfuhr verbunden sind, angreifbar wären.

55. Im Fall der Einfuhr von Waren in einen bestimmten Mitgliedstaat besteht keine Möglichkeit eines Einflusses der genannten Faktoren, da die eingeführten Waren in einem anderen Mitgliedstaat hergestellt werden. Die betreffenden Faktoren können sich also allenfalls auf die Ausfuhr aus dem Mitgliedstaat beschränkend auswirken. Zu betonen ist aber, dass die beschränkenden Auswirkungen dieser Faktoren auf die Ausfuhr zu mittelbar sind, weshalb die Möglichkeit auszuschließen ist, dass sie als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen eingestuft werden.

56. Ich schlage deshalb vor, dass der Gerichtshof die Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen so einengt, dass von dieser Definition Maßnahmen ausgenommen sind, deren Einfluss auf die Ausfuhr zu ungewiss und zu mittelbar ist. Es sei daran erinnert, dass der Gerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung zu Art. 29 EG – ungeachtet der engen Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen – einige der vorstehend genannten Maßnahmen bereits aus dem Anwendungsbereich von Art. 29 EG ausgeschlossen hat. Im Urteil Oebel(46) hat der Gerichtshof z. B. entschieden, dass das Nachtbackverbot – also eine Maßnahme, die die Arbeitsbedingungen betrifft – keine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung ist. Im Urteil ED(47) hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Möglichkeit, dass sich die Vorschrift der italienischen Zivilprozessordnung, wonach kein Mahnbescheid erlassen werden darf, wenn die Zustellung an den Schuldner in einem anderen Mitgliedstaat zu erfolgen hätte, auf die Verkäufer in einem bestimmten Mitgliedstaat so auswirkt, dass sie zögern würden, Waren ins Ausland zu verkaufen, zu ungewiss und zu mittelbar (trop aléatoire et indirecte, too uncertain and indirect) ist, als dass sie geeignet wäre, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern(48) . Dieses Kriterium hat der Gerichtshof u. a. auch in einigen Rechtssachen im Zusammenhang mit Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen(49), mit der Freizügigkeit(50) und mit der Niederlassungsfreiheit(51) angewandt. Bei dem genannten Kriterium handelt es sich wohlgemerkt um den Kausalzusammenhang zwischen der Maßnahme und der Ausfuhrbeschränkung, nicht aber um die Frage der Intensität der Ausfuhrbeschränkung.

57. Weiter ist die Frage zu erörtern, wie die Kriterien des Urteils Keck und Mithouard(52), anhand deren nicht diskriminierende Verkaufsmodalitäten aus dem Anwendungsbereich von Art. 28 EG ausgeschlossen werden, auch im Rahmen der Auslegung von Art. 29 EG angewandt werden können. Meines Erachtens kann die Formel, die der Gerichtshof im Urteil Keck und Mithouard entwickelt hat, zwar auch im Rahmen der Prüfung nach Art. 29 EG herangezogen werden, sie ist jedoch den Merkmalen der Ausfuhr anzupassen.

58. Im Zusammenhang mit dieser Frage schlage ich zunächst vor, dass der Gerichtshof für Maßnahmen, die die Ausfuhr betreffen, die Formulierung aus Randnr. 16 des Urteils Keck und Mithouard dahin anpasst, dass die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse, die in andere Mitgliedstaaten ausgeführt werden, nicht geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und denjenigen der Erzeugnisse, die in andere Mitgliedstaaten ausgeführt werden , rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren.

59. Zu berücksichtigen ist meines Erachtens allerdings, dass bestimmte Verkaufsmodalitäten den Marktaustritt verhindern oder beschränken, obwohl sie weder rechtlich noch tatsächlich diskriminieren. Es gibt mehrere Gründe für eine entsprechende Anpassung der Keck-Formel.

60. Der erste Grund besteht darin, dass eine entsprechende Auslegung von Art. 29 EG Sinn und Zweck des freien Warenverkehrs stärker berücksichtigt. Bereits in den Rechtssachen im Zusammenhang mit Art. 28 EG hat sich herausgestellt, dass einige Verkaufsmodalitäten, die sich stark einschränkend auf die Einfuhr auswirken, durch eine strenge Anwendung der Keck-Formel unberechtigterweise ausgeschlossen werden könnten. In einigen Schlussanträgen(53) und im Schrifttum(54) wurde daher bereits mehrfach betont, dass diejenigen Verkaufsmodalitäten, die den Markt zugang verhindern oder beschränken, als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie Einfuhrbeschränkungen anzusehen seien. Zur Begründung wird angeführt, die Kriterien des Urteils Keck und Mithouard griffen grundsätzlich erst, nachdem die Ware bereits in den Markt eines bestimmten Mitgliedstaats eingeführt worden sei(55) . So wie im Fall der Einfuhr bestimmte Verkaufsmodalitäten den Marktzugang beschränken können, können im Fall der Ausfuhr bestimmte Verkaufsmodalitäten den Marktaustritt beschränken.

61. Tatsächlich wirken sich die meisten nationalen Bestimmungen, die die Verkaufsmodalitäten betreffen, nicht so unmittelbar beschränkend auf den freien Warenverkehr aus, dass sie als Beschränkung des Marktaustritts angesehen werden könnten. Dazu gehören z. B. gewisse Vorschriften über die Ladenöffnungszeiten(56) sowie über die Beschränkung des Vertriebs bestimmter Erzeugnisse auf bestimmte Geschäfte(57) oder bestimmte Händler(58) . Diese Verkaufsmodalitäten(59) sind auf jeden Fall nach der Keck-Formel zu prüfen, weil man sonst zum Stand vor dem Urteil Keck und Mithouard zurückkehren würde, als die Wirtschaftsteilnehmer jede Regelung beanstandeten, „die sich als Beschränkung ihrer geschäftlichen Freiheit auswirkt[e]“(60) . Bestimmte Verkaufsmodalitäten können die Ausfuhr jedoch unmittelbarer beschränken, da sie enger mit dem Grenzübertritt der Ware als solchem zusammenhängen(61) . Dies sind z. B. Vorschriften, die den Vertrieb bestimmter Erzeugnisse über das Internet verbieten(62) . Anhand der Merkmale dieser Verkaufsmodalitäten lassen sich jedoch schwer zwei im Voraus bestimmte und klar voneinander abgegrenzte Kategorien von Verkaufsmodalitäten bilden, weshalb ich an dieser Stelle nur einige veranschaulichende Beispiele nenne. Sachgerechter ist es, die Verkaufsmodalitäten nach ihren Auswirkungen zu unterscheiden, also danach, ob sie sich auf den Markteintritt oder den Marktaustritt auswirken können.

62. Der zweite Grund dafür, diejenigen Verkaufsmodalitäten, die den Marktaustritt beschränken, von der Keck-Formel auszunehmen, besteht darin, dass bei der praktischen Anwendung der Grundsätze der Keck-Formel die Merkmale der Ausfuhr zu berücksichtigen sind. Die ursprünglichen Kriterien des Urteils Keck und Mithouard, die unter dem Gesichtspunkt der Einfuhr formuliert wurden, beruhen auf dem Grundsatz, dass Verkaufsmodalitäten die Einfuhr dann nicht beschränken, wenn für den Verkauf von inländischen und von eingeführten Waren auf dem Markt, auf dem sie vertrieben werden, dieselben rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen gelten. Ein vergleichbarer Grundsatz lässt auf die Ausfuhr übertragen: Für Waren, die auf dem Markt eines bestimmten Mitgliedstaats vertrieben werden, und für Waren, die zur Ausfuhr aus diesem Markt bestimmt sind, müssen dieselben tatsächlichen und rechtlichen Bedingungen gelten, so dass sich die nationale Maßnahme nicht stärker auf die ausgeführten Waren als auf die im Inland verkauften Waren auswirkt.

63. Die praktischen Auswirkungen dieses Grundsatzes können jedoch für die Ausfuhr andere Folgen haben als für die Einfuhr. Im Fall der Einfuhr wird nach der Keck-Formel das Fehlen einer Ungleichbehandlung des inländischen und des ausländischen Erzeugnisses auf dem Inlandsmarkt geprüft, während im Fall der Ausfuhr das Fehlen einer Ungleichbehandlung zweier inländischer Erzeugnisse – von denen eines ausgeführt wird – auf dem Inlandsmarkt geprüft wird. Wenn die nationale Maßnahme nicht rechtlich zwischen dem ausgeführten und dem im Inland verkauften Erzeugnis unterscheidet, kann eine tatsächliche Ungleichbehandlung bei der Ausfuhr möglicherweise in den meisten Fällen nur anhand von Umständen festgestellt werden, die nicht auf dem Markt vorliegen, auf dem das Erzeugnis verkauft wird, sondern außerhalb dieses Marktes. Der tatsächliche Einfluss derartiger ausländischer Faktoren lässt sich jedoch sehr häufig nur schwer mit Gewissheit feststellen. Allerdings trifft zu, dass rein theoretisch nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine nationale Maßnahme auf ein ausgeführtes und ein im Inland verkauftes Erzeugnis auch aufgrund von Faktoren, die auf dem Markt gegeben sind, auf dem das Erzeugnis verkauft wird, unterschiedliche tatsächliche Auswirkungen hat.

64. Auch der dritte Grund hängt speziell mit der Ausfuhr zusammen, da diese am häufigsten gerade durch Verkaufsmodalitäten und nicht durch Produktanforderungen behindert wird. Insoweit verhält es sich somit anders als im Fall der Einfuhr, in dem vor allem die von einem bestimmten Mitgliedstaat vorgeschriebenen Produktanforderungen beschränkende Auswirkungen haben. Auf Waren, die ausgeführt werden, wirken sich Produktanforderungen nämlich anders aus als auf Waren, die eingeführt werden. Eine Ware, die von einem Mitgliedstaat in einen anderen eingeführt wird, hat zwei Arten von Produktanforderungen zu genügen – erstens den Anforderungen, die der Mitgliedstaat, in dem die Herstellung erfolgt, vorgibt, und zweitens den Anforderungen des Einfuhrmitgliedstaats. Indem Produktanforderungen als Maßnahmen gleicher Wirkung bei der Einfuhr definiert werden, soll vermieden werden, dass der Zugang von Waren in den Einfuhrmitgliedstaat dadurch ver- oder behindert wird, dass sich die Produktanforderungen des Einfuhrmitgliedstaats von den Produktanforderungen des Mitgliedstaats, in dem die Herstellung erfolgt, unterscheiden. Werden Waren aus einem bestimmten Mitgliedstaat ausgeführt, sind bei der Prüfung der Frage, ob ein Ausfuhrhindernis besteht, nur die Produktanforderungen dieses Mitgliedstaats zu berücksichtigen, nicht hingegen auch diejenigen, denen die Waren in dem Mitgliedstaat zu genügen haben, in den sie ausgeführt werden. Da die Verkaufsmodalitäten mithin am häufigsten die Ausfuhr behindern, ist es gerechtfertigt, von der Keck-Formel diejenigen Verkaufsmodalitäten auszunehmen, die den Marktaustritt verhindern oder unmittelbar behindern.

65. Aus den vorstehend genannten Gründen schlage ich vor, dass der Gerichtshof diejenigen Vorschriften der Mitgliedstaaten über Verkaufsmodalitäten, die den Marktaustritt verhindern oder unmittelbar behindern, als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen einstuft.

66. Im Folgenden werde ich die Rechtssache Gysbrechts anhand der geänderten Auslegung von Art. 29 EG prüfen.

4. Prüfung auf der Grundlage der geänderten Auslegung von Art. 29 EG

67. Aus den vorstehend dargelegten Argumenten ergibt sich, dass es beim derzeitigen Stand der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts angebracht ist, die Auslegung von Art. 29 EG zu ändern. Im Folgenden werde ich deshalb die Rechtssache Gysbrechts anhand dieser geänderten Auslegung prüfen.

68. Im Rahmen der Prüfung von Art. 80 § 3 des belgischen Verbraucherschutzgesetzes sind zwei Gesichtspunkte zu unterscheiden. Zum einen ist zu prüfen, ob Art. 29 EG der Vorschrift selbst entgegensteht, d. h. dem Verbot, vom Verbraucher während der Rücktrittsfrist von sieben Werktagen eine Anzahlung oder Zahlung zu fordern. Zum anderen ist unter dem Gesichtspunkt von Art. 29 EG auch die spezifische Auslegung der belgischen Vorschrift zu untersuchen, die in der Praxis so angewandt wird, dass der Verkäufer vom Verbraucher keine Kreditkartennummer verlangen kann, auch wenn er sich verpflichtet, sie nicht während der Rücktrittsfrist von sieben Werktagen zu nutzen, um die Zahlung zu erlangen.

69. Die Prüfung auf der Grundlage der vorgeschlagenen geänderten Auslegung von Art. 29 EG umfasst mehrere Schritte.

70. Einleitend ist festzustellen, dass die in Rede stehende belgische Vorschrift und ihre Auslegung unter die Verkaufsmodalitäten fallen, weshalb in der Prüfung zunächst die Kriterien des Urteils Keck und Mithouard anzuwenden sind. Obwohl die belgische Vorschrift die Zahlungsbedingungen regelt und die Auslegung dieser Vorschrift eine bestimmte Zahlungsmodalität betrifft, handelt es sich um einen wesentlichen Aspekt des Verkaufsvertrags bzw. konkret des Internetvertriebs, der daher als Verkaufsmodalität einzustufen ist. Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu Art. 28 EG bereits festgestellt, dass der Internetvertrieb unter die Verkaufsmodalitäten fällt(63) .

71. Im Rahmen der vorliegenden Prüfung ist zunächst die Frage zu beantworten, ob die betreffende Vorschrift und ihre Auslegung erstens für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und ob sie zweitens den Absatz der inländischen Erzeugnisse und denjenigen der in andere Mitgliedstaaten ausgeführten Erzeugnisse rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren.

72. Das erste Kriterium des Urteils Keck und Mithouard ist erfüllt, da sowohl die Vorschrift als auch ihre Auslegung für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten, die in Belgien im Fernabsatz Waren verkaufen.

73. Zum zweiten Kriterium ist zunächst festzustellen, dass sowohl die Vorschrift als auch ihre Auslegung den Absatz der inländischen Erzeugnisse und denjenigen der ausgeführten Erzeugnisse rechtlich in gleicher Weise berühren, da sie keine besonderen Regeln für den Verkauf inländischer Waren oder den Verkauf ausgeführter Waren enthalten. Zu den tatsächlichen Auswirkungen auf die Ausfuhr habe ich bereits in der Prüfung auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung ausgeführt, dass sowohl die in Rede stehende belgische Vorschrift als auch ihre Auslegung den Inlandsverkauf und die Ausfuhr tatsächlich in gleicher Weise berühren. Im Einklang mit der vorgeschlagenen geänderten Auslegung von Art. 29 EG ist allerdings zu prüfen, ob entweder die belgische Vorschrift oder ihre Auslegung – ungeachtet dessen, dass sie weder rechtlich noch tatsächlich diskriminieren – den Marktaustritt behindern.

74. Aufgrund des Verbots, während der Rücktrittsfrist von sieben Werktagen eine Zahlung zu fordern, schickt der Verkäufer dem Verbraucher die Ware, ohne im Geringsten zu wissen, ob er dafür jemals die Zahlung erhalten wird. Dieser Zustand der Ungewissheit, in dem sich der Verkäufer bezüglich der Zahlung befindet, kann ihn davon abhalten, Waren im Fernabsatz zu verkaufen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich die Gefahr bezüglich des Erhalts der Zahlung beim Vertrieb im Ausland von derjenigen beim Vertrieb innerhalb Belgiens unterscheidet. Die Auslegung der belgischen Vorschrift, wonach der Verkäufer vom Verbraucher keine Kreditkartennummer verlangen kann, bedeutet für den Verkäufer dieselbe Ungewissheit, da er keine Garantie hat, dass er jemals die Zahlung erhalten wird. Diese Ungewissheit des Verkäufers kann dazu führen, dass er aus Furcht, keine Zahlungen zu erhalten, die Warenausfuhren über das Internet einstellt oder den Umfang dieser Ausfuhren verringert. Genau wegen dieser Befürchtung hat das Unternehmen Santurel von seinen Käufern im Ausland eine Kreditkartennummer verlangt.

75. Daher lässt sich feststellen, dass auf der Grundlage der vorgeschlagenen geänderten Auslegung von Art. 29 EG eine Vorschrift wie Art. 80 § 3 des belgischen Verbraucherschutzes und eine Auslegung dieser Vorschrift, wonach der Verkäufer vom Verbraucher keine Kreditkartennummer verlangen kann, den Marktaustritt behindern und somit Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen sind.

76. Nach ständiger Rechtsprechung zu Art. 28 EG – die ich aus den bereits genannten Gründen auf Art. 29 EG übertragen habe – kann jedoch eine nationale Regelung, die eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung darstellt, durch einen der in Art. 30 EG genannten Gründe oder durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sein(64) . Auf jeden Fall muss die nationale Vorschrift zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was für die Erreichung dieses Ziels zwingend erforderlich ist(65) .

77. Als Nächstes ist somit die Frage zu beantworten, ob die belgische Maßnahme durch einen der in Art. 30 EG genannten Gründe oder eines der zwingenden Erfordernisse, die der Gerichtshof im Urteil Cassis de Dijon(66) und in der späteren Rechtsprechung entwickelt hat, gerechtfertigt sein kann. In der vorliegenden Rechtssache ist keiner der in Art. 30 EG angeführten Gründe relevant; es lässt sich aber der Verbraucherschutz anführen, der eines der zwingenden Erfordernisse ist.

78. Zweck des Verbots, während der Rücktrittsfrist von sieben Werktagen eine Zahlung oder Anzahlung zu fordern, sowie der damit verbundenen Auslegung, wonach der Verkäufer vor Ablauf dieser Frist vom Verbraucher keine Kreditkartennummer verlangen kann, ist zweifellos der Verbraucherschutz. Mit dem Verbot, während der Rücktrittsfrist eine Zahlung oder Anzahlung zu fordern, wollte Belgien das Widerrufsrecht des Verbrauchers im Fernabsatz stärken(67), das in Art. 6 der Richtlinie 97/7 gewährleistet ist, und für den Verbraucher Bedingungen schaffen, unter denen er von seinem Widerrufsrecht ohne jede Gefahr Gebrauch machen kann. Es ist verständlich, dass der Verbraucher im Fernabsatz stärker geschützt wird als im Fall des gewöhnlichen Absatzes; dem Widerrufsrecht des Verbrauchers liegt der Gedanke zugrunde, dass der Verbraucher das Erzeugnis im Fernabsatz in seiner tatsächlichen Gestalt erst sieht, nachdem er es bereits bestellt hat(68) . Der 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 9 7/7 bestimmt in diesem Zusammenhang, dass ein Widerrufsrecht bestehen sollte, „[weil der] Verbraucher … keine Möglichkeit [hat], vor Abschluss des Vertrags das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen“.

79. Belgien hat sich demnach mit Art. 80 § 3 des Verbraucherschutzgesetzes dafür entschieden, ein höheres Schutzniveau für den Verbraucher als das in der Richtlinie 97/7 vorgesehene zu gewährleisten. Damit wollte es verhindern, dass der Verbraucher im Fall des Rücktritts vom Vertragsabschluss auf die Erstattung geleisteter Zahlungen warten muss. Nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 97/7 hat eine Erstattung so bald wie möglich, in jedem Fall jedoch binnen 30 Tagen zu erfolgen. Belgien wollte den Verbraucher zugleich vor der Gefahr schützen, dass der Verkäufer ihm bereits geleistete Zahlungen nicht erstattet. Aus diesen Gründen kann festgestellt werden, dass die belgische Vorschrift und ihre Auslegung mit dem Verbraucherschutz gerechtfertigt werden können.

80. Schließlich ist noch zu prüfen, ob die in Rede stehende belgische Vorschrift und ihre Auslegung verhältnismäßig sind. Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist zu untersuchen, ob die Vorschrift und ihre Auslegung zur Erreichung des Ziels des Verbraucherschutzes geeignet und erforderlich sind oder ob es eine Maßnahme gibt, mit der sich das Ziel genauso wirksam, jedoch weniger einschränkend für den freien Warenverkehr erreichen lässt(69) . Zunächst werde ich unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit das allgemeine Verbot prüfen, vor Ablauf der Rücktrittsfrist eine Anzahlung oder Zahlungen zu fordern, und anschließend die Auslegung, wonach der Verkäufer vom Verbraucher vor Ablauf der Kündigungsfrist keine Kreditkartennummer verlangen kann.

81. Das allgemeine Verbot, vor Ablauf der Rücktrittsfrist eine Anzahlung oder Zahlung zu fordern, ist meines Erachtens eine Maßnahme, die im Hinblick auf das Ziel des Verbraucherschutzes verhältnismäßig ist. Belgien hat sich für ein Verbraucherschutzniveau entschieden, bei dem der Verbraucher im Fall des Rücktritts vom Vertragsabschluss im Fernabsatz keinerlei Gefahr trägt. Angesichts dessen, dass die Richtlinie 97/7 für den Widerruf eine Frist von sieben Werktagen vorsieht, ist es hinnehmbar, dass während dieser Zeit vom Verbraucher auch keine Zahlung für die von ihm empfangene Ware gefordert wird.

82. Art. 29 EG steht somit einer nationalen Vorschrift nicht entgegen, die im Fernabsatz ein Verbot aufstellt, während der zwingend vorgeschriebenen Rücktrittsfrist eine Anzahlung oder eine Zahlung vom Verbraucher zu verlangen.

83. Zuletzt ist zu prüfen, ob die Auslegung der belgischen Vorschrift, wonach der Verkäufer vom Verbraucher vor Ablauf der Rücktrittsfrist keine Kreditkartennummer verlangen kann, verhältnismäßig ist. In diesem Zusammenhang ist zu unterstreichen, dass bei der Prüfung, ob eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts einer Vorschrift des nationalen Rechts entgegensteht, nicht nur der Wortlaut der letztgenannten Vorschrift zu berücksichtigen ist, sondern auch deren Auslegung durch die nationalen Stellen(70) . Das Gemeinschaftsrecht kann nämlich sowohl der wörtlichen Bedeutung nationaler Vorschriften als auch deren Auslegung entgegenstehen, da diese Auslegung auf nationaler Ebene für alle Adressaten verbindlich ist. Die nationalen Stellen sind deshalb verpflichtet, das nationale Recht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht auszulegen(71) .

84. Zur Auslegung, wonach der Verkäufer vom Verbraucher vor Ablauf der Rücktrittsfrist keine Kreditkartennummer verlangen kann, ist meines Erachtens festzustellen, dass diese Auslegung das überschreitet, was zur Erreichung des Ziels eines hohen Verbraucherschutzes zwingend erforderlich ist. Zur Stützung dieser Feststellung lassen sich mehrere Argumente anführen.

85. Erstens verlangt der Verkäufer die Kreditkartennummer in diesem Fall nicht, um die Zahlung der Ware zu erlangen, sondern nur, um sich für den Fall zu schützen, dass der Verbraucher die Ware nicht bezahlt. Wenn er die Ware verschickt, ohne eine Kreditkartennummer zu verlangen, riskiert er, dass er die Zahlung für die Ware niemals erhält. Wenn der Verkäufer den zu zahlenden Betrag nicht von der Kreditkarte abbucht, ist das Verbraucherschutzniveau in keiner Weise beeinträchtigt. Natürlich ist die Befürchtung der belgischen Stellen verständlich, dass der Verkäufer die Kreditkarte missbräuchlich dazu nutzen könnte, die Zahlung vor Ablauf der Rücktrittsfrist zu erlangen, oder dass er sogar den zu zahlenden Betrag abbucht und die Ware gar nicht verschickt. Die Auslegung der in Rede stehenden belgischen Vorschrift, mit der die belgischen Stellen eine solche missbräuchliche Verwendung verhindern wollen, ist jedoch unverhältnismäßig. Die Mitteilung der Kreditkartennummer erlaubt einen angemessenen Ausgleich zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und dem Schutz des Verkäufers vor der Gefahr, dass der Verbraucher nicht zahlt. Der Verkäufer kann nämlich – wenn der Verbraucher nicht vom Vertrag zurücktritt und nicht zahlt – den Kaufpreis von der Kreditkarte abbuchen.

86. Zweitens ist in Belgien vorgesehen, dass der Verkäufer strafrechtlich haftet, wenn er gegen seine Verpflichtung verstößt, den zu zahlenden Betrag nicht während der Rücktrittsfrist abzubuchen. Lässt man die Mitteilung der Kreditkartennummer zu, nimmt man auch die Möglichkeit in Kauf, dass es in einigen Fällen zu einer missbräuchlichen Verwendung kommt, doch ist die Wahrscheinlichkeit weniger groß, wenn bei Verstößen eine wirksame Sanktion garantiert ist. Eine solche Regelung wird vielleicht nicht uneingeschränkt wirken, ist aber aufgrund der Garantie einer angemessenen Sanktion so wirksam, dass das von Belgien angestrebte hohe Verbraucherschutzniveau gewährleistet werden kann. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 8 der Richtlinie 97/7 dafür Sorge tragen müssen, dass der Verbraucher im Fall einer betrügerischen Verwendung seiner Zahlungskarte im Rahmen eines Vertragsabschlusses im Fernabsatz die Stornierung einer Zahlung verlangen kann und dass dem Verbraucher im Fall einer solchen betrügerischen Verwendung die Zahlungen gutgeschrieben oder erstattet werden. Neben der Bestrafung des Verkäufers ist im Fall der missbräuchlichen Verwendung einer Kreditkarte also auch ein besonderer Schutz des Käufers vorgesehen.

87. Drittens sind auch die wirtschaftliche Realität von Kreditkartenzahlungen, die zu den sogenannten „neuen Zahlungsmodalitäten“ gehören, und die Vorteile zu berücksichtigen, die diese Zahlungsmodalität bietet. Bei anderen, herkömmlichen Zahlungsmodalitäten, die dem Verkäufer im Fernabsatz zur Verfügung stehen (z. B. die Bankanweisung), ist dann, wenn der Verkäufer vor Ablauf der Rücktrittsfrist keine Zahlung verlangen kann, ein hohes Schutzniveau nur für den Verbraucher gewährleistet. Die Kreditkartenzahlung bietet insoweit einen großen Vorteil, da sie den gleichzeitigen Schutz beider Parteien, des Verbrauchers und des Verkäufers, ermöglicht, ohne dass damit das Verbraucherschutzniveau erheblich und grundsätzlich gesenkt würde. Das Verbraucherschutzniveau sinkt nur potenziell und nur in bestimmten Fällen. Ist die zum Schutz einer solchen Regelung vorgesehene Sanktion angemessen, kommen Fälle des Kreditkartenmissbrauchs selten vor. Würde dem Verbraucher absoluter Schutz gewährt, dem Verkäufer dagegen keinerlei Schutz, obwohl die Möglichkeit besteht, beide zugleich zu schützen, könnte dies als Fall des summum ius summa iniuria (größtes Recht ist größtes Unrecht) angesehen werden. Dass es bei anderen Zahlungsmodalitäten nicht möglich ist, Verbraucher und Verkäufer zugleich zu schützen, darf nicht zu der irrigen Annahme verleiten, dass nicht beide Parteien geschützt werden dürfen, wenn eine bestimmte Zahlungsart dies zulässt.

88. Aus diesen Gründen bin ich der Ansicht, dass die Auslegung der belgischen Vorschrift, wonach der Verkäufer vom Verbraucher im Fernabsatz während der zwingend vorgeschriebenen Rücktrittsfrist keine Kreditkartennummer verlangen kann, auch wenn er sich verpflichtet, sie nicht vor Ablauf der Rücktrittsfrist zu nutzen, um die Zahlung zu erlangen, unverhältnismäßig ist.

89. Demnach ist festzustellen, dass Art. 29 EG einer Auslegung einer nationalen Vorschrift in dem Sinne entgegensteht, dass der Verkäufer vom Verbraucher im Fernabsatz während der zwingend vorgeschriebenen Rücktrittsfrist keine Kreditkartennummer verlangen kann, auch wenn er sich verpflichtet, sie nicht vor Ablauf der Rücktrittsfrist zu nutzen, um die Zahlung zu erlangen.

5. Ergebnis

90. Aus der vorstehenden Prüfung ergibt sich somit, dass Art. 29 EG zwar der Bedeutung der belgischen Vorschrift nicht entgegensteht, die diese auf der Grundlage einer streng grammatikalischen Auslegung hat, dass er aber der von den nationalen Stellen vorgenommenen Auslegung dieser Vorschrift entgegensteht. Wie bereits betont, ist jeder verpflichtet, das nationale Recht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht auszulegen. Abschließend lässt sich daher feststellen, dass Art. 29 EG einer nationalen Vorschrift nicht entgegensteht, die im Fernabsatz ein Verbot aufstellt, während der zwingend vorgeschriebenen Rücktrittsfrist eine Anzahlung oder eine Zahlung vom Verbraucher zu fordern, sofern diese Vorschrift nicht dahin ausgelegt wird, dass der Verkäufer vom Verbraucher während der zwingend vorgeschriebenen Rücktrittsfrist keine Kreditkartennummer verlangen kann, auch wenn er sich verpflichtet, sie nicht während dieser Frist zu nutzen, um die Zahlung zu erlangen.

VII – Entscheidungsvorschlag

91. Aufgrund all dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Hof van Beroep te Gent zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Art. 29 EG steht einer nationalen Vorschrift nicht entgegen, die im Fernabsatz ein Verbot aufstellt, während der zwingend vorgeschriebenen Rücktrittsfrist eine Anzahlung oder eine Zahlung vom Verbraucher zu fordern, sofern diese Vorschrift nicht dahin ausgelegt wird, dass der Verkäufer vom Verbraucher während der zwingend vorgeschriebenen Rücktrittsfrist keine Kreditkartennummer verlangen kann, auch wenn er sich verpflichtet, sie nicht während dieser Frist zu nutzen, um die Zahlung zu erlangen.

(1) .

(2) – Watson, A., Roman Law & Comparative Law , The University of Georgia Press, Athen und London 1991, S. 45; Korošec, V., Rimsko pravo, I. del , Uradni list, Ljubljana 2005, S. 277.

(3) – Urteil vom 11. Juli 1974, Dassonville (8/74, Slg. 1974, 837).

(4) – Urteil vom 24. November 1993, Keck und Mithouard (C‑267/91 und C‑268/91, Slg. 1993, I‑6097).

(5) – Urteil Dassonville (angeführt in Fn. 3).

(6) – Urteil Keck und Mithouard (angeführt in Fn. 4).

(7) – Urteil vom 8. November 1979, Groenveld (C‑15/79, Slg. 1979, 3409).

(8) – Vgl. z. B. Urteile vom 12. Dezember 1990, SARPP (C‑241/89, Slg. 1990, I‑4695, Randnr. 8), vom 29. April 2004, Weigel (C‑387/01, Slg. 2004, I‑4981, Randnr. 44), und vom 11. September 2007, Céline (C‑17/06, Slg. 2007, I‑7041, Randnr. 29).

(9) – So hat der Gerichtshof z. B. im Urteil vom 19. November 1996, Siemens (C‑42/95, Slg. 1996, I‑6017), darüber entschieden, ob das Gemeinschaftsrecht einer bestimmten Rechtsprechung entgegensteht, die der Bundesgerichtshof (Deutschland) entwickelt hatte. Im Schrifttum vgl. zur Berücksichtigung einer von den nationalen Stellen vorgenommenen Auslegung einer nationalen Vorschrift Bieber, R., Epiney, A., Haag, M., Die Europäische Union , 6. Aufl., Nomos, Baden-Baden 2005, S. 280-281, Randnr. 128; im Zusammenhang mit der Berücksichtigung einer Auslegung des nationalen Rechts im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens vgl. Lenaerts, K., Arts, D., Maselis, I., Procedural Law of the European Union , 2. Aufl., Sweet & Maxwell, London 2006, S. 162, Nr. 5‑056.

(10) – Darauf hat auch der Gerichtshof im Urteil vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband (C‑322/01, Slg. 2003, I‑14887, Randnr. 64), hingewiesen.

(11) – Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. L 177, S. 6) gilt nach ihrem Art. 29 ab 17. Dezember 2009, mit Ausnahme des Art. 26, der ab 17. Juni 2009 gilt. Nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung unterliegt ein Verbrauchervertrag „dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer a) seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder b) eine solche Tätigkeit auf irgendeine Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt“. Nach Art. 6 Abs. 2 können die Parteien das anzuwendende Recht wählen; die Rechtswahl „darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Absatz 1 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf“.

(12) – Vgl. u. a. Urteile vom 16. Dezember 1981, Foglia (244/80, Slg. 1981, 3045, Randnr. 18), vom 15. Juni 1995, Zabala Erasun u. a. (C‑422/93 bis C‑424/93, Slg. 1995, I‑1567, Randnr. 29), vom 12. März 1998, Djabali (C‑314/96, Slg. 1998, I‑1149, Randnr. 19), und vom 17. April 2008, Quelle (C‑404/06, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 20).

(13) – Im Urteil vom 12. Juli 1973, Geddo (2/73, Slg. 1973, 865, Randnr. 7), hat der Gerichtshof entschieden: „Das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen erstreckt sich auf sämtliche Maßnahmen, die sich … als eine gänzliche oder teilweise Untersagung der Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr darstellen.“

(14) – Urteil vom 3. Februar 1977, Bouhelier (53/76, Slg. 1977, 197).

(15) – Urteil Bouhelier (angeführt in Fn. 14, Randnr. 16).

(16) – Urteil Dassonville (angeführt in Fn. 3, Randnr. 5).

(17) – Diese Definition hat der Gerichtshof im Zusammenhang mit Art. 28 EG später wiederholt bestätigt. Vgl. z. B. Urteile vom 9. Dezember 1981, Kommission/Italien (193/80, Slg. 1981, 3019, Randnr. 18), vom 22. Juni 1982, Robertson (220/81, Slg. 1982, 2349, Randnr. 9), vom 18. Mai 1993, Yves Rocher (C‑126/91, Slg. 1993, I‑2361, Randnr. 9), vom 16. November 2000, Kommission/Belgien (C‑217/99, Slg. 2000, I‑10251, Randnr. 16), vom 19. Juni 2003, Kommission/Italien (C‑420/01, Slg. 2003, I‑6445, Randnr. 25), vom 2. Dezember 2004, Kommission/Niederlande (C‑41/02, Slg. 2004, I‑11375, Randnr. 39), vom 26. Mai 2005, Burmanjer u. a. (C‑20/03, Slg. 2005, I‑4133, Randnr. 23), vom 10. Januar 2006, De Groot en Slot Allium und Bejo Zaden (C‑147/04, Slg. 2006, I‑245, Randnr. 71), vom 28. September 2006, Ahokainen und Leppik (C‑434/04, Slg. 2006, I‑9171, Randnr. 18), und vom 20. September 2007, Kommission/Niederlande (C‑297/05, Slg. 2007, I‑7467, Randnr. 53).

(18) – Urteil Groenveld (angeführt in Fn. 7).

(19) – Urteil Groenveld (angeführt in Fn. 7, Randnr. 7).

(20) – Vgl. z. B. Urteile vom 14. Juli 1981, Oebel (155/80, Slg. 1981, 1993, Randnr. 15), vom 7. Februar 1984, Jongeneel Kaas (237/82, Slg. 1984, 483, Randnr. 22), vom 27. März 1990, Spanien/Rat (C‑9/89, Slg. 1990, I‑1383, Randnr. 21), vom 24. Januar 1991, Alsthom Atlantique (C‑339/89, Slg. 1991, I‑107, Randnr. 14), vom 10. November 1992, Exportur (C‑3/91, Slg. 1992, I‑5529, Randnr. 21), vom 22. Juni 1999, ED (C‑412/97, Slg. 1999, I‑3845, Randnr. 10), vom 20. Mai 2003, Consorzio del Prosciutto di Parma (C‑108/01, Slg. 2003, I‑5121, Randnr. 54), vom 20. Mai 2003, Ravil (C‑469/00, Slg. 2003, I‑5053, Randnr. 40), vom 2. Oktober 2003, Grilli (C‑12/02, Slg. 2003, I‑11585, Randnr. 41), und vom 8. November 2005, Jersey Produce (C‑293/02, Slg. 2005, I‑9543, Randnr. 73).

(21) – Urteil vom 9. Juni 1992, Delhaize (C‑47/90, Slg. 1992, I‑3669, Randnr. 12).

(22) – Urteil vom 24. März 1994, Kommission/Belgien (C‑80/92, Slg. 1994, I‑1019, Randnr. 24).

(23) – Urteil vom 23. Mai 2000, Sydhavnens Sten & Grus (C‑209/98, Slg. 2000, I‑3743, Randnr. 34).

(24) – Eine solche Zuständigkeit kann nur nach Maßgabe der Art. 15 bis 17 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) bestehen.

(25) – Hierbei sind vor allem folgende Texte zu nennen: Verordnung Nr. 44/2001 (angeführt in Fn. 24), Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl. L 143, S. 15), Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. L 399, S. 1) sowie Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (KOM[2005] 87 endg. – COD 2005/0020). Im Schrifttum vgl. im Zusammenhang mit einigen der genannten Verordnungen z. B. Rijavec, V., „Postopek potrditve Evropskega izvršilnega naslova“, Podjetje in delo , Nr. 5/2007, S. 791; Stadler, A., „From the Brussels Convention to Regulation 44/2001: Cornerstones of a European law of civil procedure“, Common Market Law Review , Nr. 6/2005, S. 1639; Sujecki, B., „Das Europäische Mahnverfahren“, Neue Juristische Wochenschrift , Nr. 23/2007, S. 1623.

(26) – Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199, S. 1), die nach ihrem Art. 29 (Abs. 2) ab dem 1. Januar 2009 gelten wird.

(27) – Vgl. z. B. Alexander, W., „Case 15/79, P.B. Groenveld BV v Produktschap voor Vee en Vlees“, Common Market Law Review , Jg. 17, 1980, S. 285; Füller, J. T., Grundlagen und inhaltliche Reichweite der Warenverkehrsfreiheiten nach dem EG-Vertrag , Nomos, Baden-Baden 1998, S. 244; Oliver, P., „Some Further Reflections on the Scope of Articles 28-30 (Ex 30-36) EC“, Common Market Law Review , Nr. 4/1999, S. 799 ff.; Müller‑Graff, P.‑C., von der Groeben, H., Schwarze, J. (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl., Nomos, Baden-Baden 2003, Band 1, Kommentar zu Art. 29 EG, S. 1082 ff. Randnrn. 19 ff.; Tizzano, A., Trattati dell’Unione Europea e della Communità Europea , Giuffrè, Mailand 2004, S. 295; Oliver, P., Roth, W.‑H., „The Internal Market and the Four Freedoms“, Common Market Law Review , Nr. 2/2004, S. 419; Piska, C. in: Mayer, H. (Hrsg.), Kommentar zu EU- und EG-Vertrag, Manz, Wien 2005, Kommentar zu Art. 29 EG, Randnr. 4; Barnard, C., The Substantive Law of the EU , Oxford University Press, Oxford 2007, S. 171; Dawes, A., „Importing and exporting poor reasoning: worrying trends in relation to the case law on the free movement of goods“, German Law Journal , Nr. 8/2007, S. 761 ff.

(28) – So auch Füller, J. T., a. a. O. (Fn. 27), S. 245.

(29) – So unterstreicht Füller, J. T., a. a. O. (Fn. 27), S. 246, dass die beiden Artikel demselben rechtspolitischen Zweck dienen.

(30) – Urteil vom 12. Juni 2003, Schmidberger (C‑112/00, Slg. 2003, I‑5659).

(31) – Urteil vom 15. November 2005, Kommission/Österreich (C‑320/03, Slg. 2005, I‑9871).

(32) – Urteil Schmidberger (angeführt in Fn. 30).

(33) – Urteil vom 8. November 2005, Jersey Produce (C‑293/02, Slg. 2005, I‑9543, Randnr. 73).

(34) – Der Gerichtshof hat im Urteil Schmidberger ausdrücklich eine Formulierung verwendet, die sich auf Einfuhr und Ausfuhr bezieht: „[Beseitigung aller] Beeinträchtigungen der Handelsströme innerhalb der Gemeinschaft “ („l’élimination de toutes entraves … aux courants d’échanges dans le commerce intracommunautaire “, „to eliminate all barriers … to trade flows in intra-Community trade “). Urteil Schmidberger (angeführt in Fn. 30, Randnr. 56) und Urteil Kommission/Österreich (angeführt in Fn. 31, Randnr. 67).

(35) – Barnard führt aus, dass sich der Gerichtshof im Fall der Freizügigkeit und des freien Dienstleistungsverkehrs nicht auf die Prüfung der Frage beschränke, ob die Maßnahme diskriminierend sei: vgl. Barnard, C., a. a. O. (Fn. 27), S. 171 und 172. Behrens vertritt die Ansicht, dass sich die Auslegung der Grundfreiheiten der Gemeinschaft von einem Verbot der Diskriminierung hin zu einem Verbot von Beschränkungen entwickelt habe: vgl. Behrens, P., „Die Konvergenz der wirtschaftlichen Freiheiten im europäischen Gemeinschaftsrecht“, Europarecht , Nr. 2/1992, S. 148 ff.

(36) – Schlussanträge des Generalanwalts Capotorti vom 27. Mai 1981 in der Rechtssache Oebel (155/80, Slg. 1981, 2012, Nr. 3). Ähnlich hat Generalanwalt Gulmann in der Rechtssache Delhaize ausgeführt, dass diese Rechtssache die Frage aufwerfe, ob die Formel, die der Gerichtshof im Urteil Groenveld entwickelt habe, zu eng sei. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Gulmann vom 16. Januar 1992 in der Rechtssache Delhaize (C‑47/90, Slg. 1992, I‑3669).

(37) – Vgl. Urteil vom 14. Juli 1994, Peralta (C‑379/92, Slg. 1994, I‑3453, Randnr. 51). Im Urteil Peralta hat der Gerichtshof z. B. entschieden, dass die italienische Regelung, die die Einleitung schädlicher chemischer Stoffe ins Meer verbietet, nicht gegen die Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr verstößt, da sie für alle Schiffe gilt, ohne dass danach unterschieden wird, ob sie Transporte innerhalb Italiens oder Transporte nach anderen Mitgliedstaaten durchführen, und da sie keine unterschiedliche Dienstleistung für ausgeführte Erzeugnisse und für in Italien vermarktete Erzeugnisse vorsieht und weder dem italienischen Binnenmarkt noch den italienischen Transportunternehmen, noch den italienischen Erzeugnissen einen besonderen Vorteil verschafft.

(38) – Vgl. Urteile vom 25. Juli 1991, Säger (C‑76/90, Slg. 1991, I‑4221, Randnr. 12), und vom 10. Mai 1995, Alpine Investments (C‑384/93, Slg. 1995, I‑1141). Im Urteil Alpine Investments, das die „Ausfuhr“ von Dienstleistungen betrifft, hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Maßnahme eines Mitgliedstaats die Dienstleistungsfreiheit beschränken kann, selbst wenn sie allgemein anwendbar und nicht diskriminierend ist und weder bezweckt noch bewirkt, dem nationalen Markt einen Vorteil gegenüber den Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten zu verschaffen.

(39) – Zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer vgl. Urteil vom 15. Dezember 1995, Bosman (C‑415/93, Slg. 1995, I‑4921, Randnr. 104), wo der Gerichtshof von einer Behinderung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ausgegangen ist. Zur Niederlassungsfreiheit vgl. Urteile vom 7. Juli 1988, Wolf und Dorchain (154/87 und 155/87, Slg. 1988, 3897, Randnr. 9), und vom 31. März 1993, Kraus (C‑19/92, Slg. 1993, I‑1663, Randnr. 32). Im Schrifttum vgl. zur Problematik der Diskriminierung und der Freizügigkeit z. B. Bernard, N., „Discrimination and Free Movement in EC Law“, International and Comparative Law Quarterly , Nr. 1/1996, S. 83 ff.; Daniele, L., „Non-Discriminatory Restrictions to the Free Movement of Persons“, European Law Review , Nr. 3/1997, S. 191 ff.

(40) – Vgl. z. B. Urteile vom 4. Juni 2002, Kommission/Portugal (C‑367/98, Slg. 2002, I‑4731), und vom 28. September 2006, Kommission/Niederlande (C‑282/04 und C‑283/04, Slg. 2006, I‑9141). Im Schrifttum vgl. z. B. Lenaerts, K., Van Nuffel, P., Constitutional Law of the European Union , 2. Aufl., Sweet & Maxwell, London 2005, S. 240.

(41) – Urteil Dassonville (angeführt in Fn. 3).

(42) – Urteil vom 20. Februar 1979, Rewe-Zentral (Cassis de Dijon) (120/78, Slg. 1979, 649).

(43) – Urteil Keck und Mithouard (angeführt in Fn. 4).

(44) – Darauf wird auch im Schrifttum hingewiesen. Vgl. z. B. Füller, J. T., a. a. O. (Fn. 27), S. 245; Oliver, P., a. a. O. (Fn. 27), S. 800; Woods, L., Free Movement of Goods and Services within the European Community , Ashgate, Aldershot 2004, S. 108; Oliver, P., Enchelmaier, S., „Free movement of goods: Recent developments in the case law“, Common Market Law Review , Nr. 3/2007, S. 686; Enchelmaier, S., „The ECJ’s Recent Case Law on the Free Movement of Goods: Movement in All Sorts of Directions“, Yearbook of European Law , 2007, S. 144.

(45) – Dass eine so weite Definition auch Maßnahmen umfassen würde, die die Herstellungskosten erhöhen, erwähnt insbesondere Müller-Graff, P.‑C., in: von der Groeben, H., Schwarze, J. (Hrsg.), a. a. O. (Fn. 27), Kommentar zu Art. 29 EG, S. 1081, Randnr. 15.

(46) – Urteil Oebel (angeführt in Fn. 20).

(47) – Urteil vom 22. Juni 1999, ED (C‑412/97, Slg. 1999, I‑3845).

(48) – Urteil ED (angeführt in Fn. 47, Randnr. 11).

(49) – Vgl. Urteile vom 7. März 1990, Krantz (C‑69/88, Slg. 1990, I‑583, Randnr. 11), vom 13. Oktober 1993, CMC Motorradcenter (C‑93/92, Slg. 1992, I‑5009, Randnr. 12), sowie Burmanjer u. a. (angeführt in Fn. 17, Randnr. 31).

(50) – Vgl. Urteil vom 27. Januar 2000, Graf (C‑190/98, Slg. 2000, I‑493, Randnr. 25). Vgl. ferner Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 28. Juni 2007 in der Rechtssache Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon (C‑212/06, Urteil vom 1. April 2008, Slg. 2008, I‑0000, Nrn. 56, 59 ff.).

(51) – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano vom 25. März 2004 in der Rechtssache CaixaBank (C‑442/02, Urteil vom 5. Oktober 2004, Slg. 2004, I‑8961, Nr. 75).

(52) – Urteil Keck und Mithouard (angeführt in Fn. 4).

(53) – Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 11. März 2003 in der Rechtssache Deutscher Apothekerverband (angeführt in Fn. 10, Nr. 77) und der Generalanwältin Kokott vom 14. Dezember 2006 in der noch anhängigen Rechtssache Mickelsson (C‑142/05, Nr. 66).

(54) – Barnard, C., a. a. O. (Fn. 27), S. 159 ff.; Oliver, P., a. a. O. (Fn. 27), S. 795.

(55) – Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 11. März 2003 in der Rechtssache Deutscher Apothekerverband (angeführt in Fn. 10, Nr. 77). Vgl. ferner Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 14. Dezember 2006 in der noch anhängigen Rechtssache Mickelsson (C‑142/05, Nr. 53).

(56) – Vgl. z. B. Urteil vom 20. Juni 1996, Semeraro Casa (C‑418/93 bis C‑421/93, C‑460/93 bis C‑462/93, C‑464/93, C‑9/94 bis C‑11/94, C‑14/94, C‑15/94, C‑23/94, C‑24/94 und C‑332/94, Slg. 1996, I‑2975).

(57) – Vgl. z. B. Urteil vom 29. Juni 1995, Kommission/Griechenland (C‑391/92, Slg. 1995, I‑1621).

(58) – Vgl. z. B. Urteil vom 14. Dezember 1995, Banchero (C‑387/93, Slg. 1995, I‑4663).

(59) – Zwar beziehen sich die oben genannten Verkaufsmodalitäten darauf, wann , wo und durch wen ein bestimmtes Erzeugnis verkauft wird, doch kann nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass diese Verkaufsmodalitäten den Marktzugang oder den Marktaustritt nicht beschränken werden, so dass die angeführten Beispiele nicht im Sinne der Bildung einer abstrakten Kategorie von Verkaufsmodalitäten verstanden werden können, die im Voraus bestimmt und klar umrissen ist und die von der Keck-Formel auszunehmen ist.

(60) – Urteil Keck und Mithouard (angeführt in Fn. 4, Randnr. 14).

(61) – Es handelt sich somit vor allem um Verkaufsmodalitäten, die sich darauf beziehen, wie das Erzeugnis verkauft wird, doch auch hier lässt sich schwer von einer im Voraus bestimmten Kategorie sprechen; die Auswirkungen einer bestimmten Verkaufsmodalität sind in jedem konkreten Fall gesondert zu prüfen.

(62) – Der Gerichtshof ist zwar im Urteil Deutscher Apothekerverband (angeführt in Fn. 10, Randnr. 74) von der Feststellung ausgegangen, dass sich das deutsche Verbot des Vertriebs von Arzneimitteln über das Internet stärker auf ausländische als auf inländische Apotheken auswirkt, und hat somit am Kriterium der tatsächlichen Ungleichbehandlung festgehalten, er hat aber eine tatsächliche Ungleichbehandlung bezüglich des Markt zugangs festgestellt.

(63) – Urteil Deutscher Apothekerverband (angeführt in Fn. 10, Randnrn. 68 ff.).

(64) – Vgl. zu den zwingenden Erfordernissen Urteil Rewe-Zentral (Cassis de Dijon) (angeführt in Fn. 42, Randnr. 8).

(65) – Vgl. z. B. Urteile vom 20. Juni 2002, Radiosistemi (C‑388/00 und C‑429/00, Slg. 2002, I‑5845, Randnrn. 40 bis 42), vom 8. Mai 2003, ATRAL (C‑14/02, Slg. 2003, I‑4431, Randnr. 64), vom 8. September 2005, Yonemoto (C‑40/04, Slg. 2005, I‑7755, Randnr. 55), und vom 10. November 2005, Kommission/Portugal (C‑432/03, Slg. 2005, I‑9665, Randnr. 42).

(66) – Urteil Rewe-Zentral (Cassis de Dijon) (angeführt in Fn. 42).

(67) – Allgemein zum Widerrufsrecht des Verbrauchers im Fernabsatz vgl. z. B. Reich, N., „Die neue Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz“, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht , Nr. 19/1997, S. 584 ff.; Micklitz, H.‑W., „Die Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG“, Zeitschrift für europäisches Privatrecht , Nr. 4/1999, S. 884 ff.; Bernardeau, L., „La directive communautaire 97/7 en matière de contrats à distance“, Cahiers de droit européen , Nr. 1-2/2000, S. 129; Poillot, É., „Le droit comparé au service de la compréhension de l’acquis communautaire en droit privé: l’exemple du droit de rétractation dans la directive 97/7/CE concernant la protection des consommateurs en matière de contrats à distance“, Revue internationale de droit comparé , Nr. 4/2005, S. 1017; Knez, R., „Direktiva 97/7/ES Evropskega parlamenta in Sveta vom 20. Mai 1997 o varstvu potrošnikov glede sklepanja pogodb pri prodaji na daljavo“, in: Trstenjak, V., Evropsko pravo varstva potrošnikov , GV Založba, Ljubljana 2005, S. 113.

(68) – Vgl. in diesem Sinne Heinrichs, H., „Das Widerrufsrecht nach der Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz“, in: Beuthien, V., u. a. (Hrsg.), Festschrift für Dieter Medicus zum 70. Geburtstag , Heymanns, Köln 1999, S. 190; Pützhoven, A., Europäischer Verbraucherschutz im Fernabsatz. Die Richtlinie 97/7/EG und ihre Einbindung in nationales Verbraucherrecht , Beck, München 2001, S. 76; Reuter, M., Der Fernabsatz und seine rechtliche Ausgestaltung in der Europäischen Union , Peter Lang, Frankfurt 2002; Lodder, A., Kaspersen, H. W. K. (Hrsg.), eDirectives: Guide to European Union Law on E-Commerce. Commentary on the Directives on Distance Selling, Electronic Signatures, Electronic Commerce, Copyright in the Information Society, and Data Protection , Kluwer, Den Haag 2002.

(69)  – Vgl. z. B. Urteile vom 10. November 1994, Ortscheit (C‑320/93, Slg. 1994, I‑5243, Randnr. 16), vom 15. Juni 1999, Heinonen (C‑394/97, Slg. 1999, I‑3599, Randnr. 36), und Ahokainen und Leppik angeführt in Fn. 17, Randnr. 33). Im Schrifttum vgl. Lenaerts, K., und Van Nuffel, P., a. a. O. (Fn. 40).

(70)  – Im Schrifttum vgl. z. B. Bieber, R., Epiney, A., Haag, M., a. a. O. (Fn. 9), Randnr. 128. Lenaerts, K., Arts, D., und Maselis, I., a. a. O. (Fn. 9), Nr. 5‑056, betonen, dass die Reichweite der nationalen Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften unter Berücksichtigung der Auslegung dieser Vorschriften durch die nationalen Gerichte zu beurteilen ist. Wie bereits in Fn. 9 dieser Schlussanträge festgestellt, hat der Gerichtshof im Urteil Siemens die Frage entschieden, ob das Gemeinschaftsrecht einer bestimmten Auslegung entgegensteht, die der Bundesgerichtshof (Deutschland) entwickelt hatte.

(71)  – Allgemein zur Verpflichtung einer im Einklang mit dem Primärrecht der Gemeinschaft stehenden Auslegung vgl. Leible, S., Domröse, R., „Die primärrechtskonforme Auslegung“, in: Riesenhuber, K. (Hrsg.), Europäische Methodenlehre. Handbuch für Ausbildung und Praxis , De Gruyter Recht, Berlin 2006, S. 184 ff.; zur Verpflichtung zu einer mit den Gemeinschaftsrichtlinien im Einklang stehenden Auslegung vgl. Roth, W.‑H., „Die richtlinienkonforme Auslegung“, in: Riesenhuber, K. (Hrsg.), Europäische Methodenlehre. Handbuch für Ausbildung und Praxis, S. 308 ff.