Rechtssache T-120/04

Peróxidos Orgánicos, SA

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Wettbewerb – Kartelle – Organische Peroxide – Geldbußen – Artikel 81 EG – Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 – Verjährung – Dauer der Zuwiderhandlung – Beweislastverteilung – Gleichbehandlung“

Leitsätze des Urteils

1.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Befugnisse der Kommission

(Verordnung Nr. 2988/74 des Rates, Artikel 1 Absatz 1)

2.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Verfolgungsverjährung – Beginn

(Verordnung Nr. 2988/74 des Rates, Artikel 1 Absätze 1 Buchstabe b und 2 und Artikel 2 Absätze 1, 2 und 3)

3.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird

(Artikel 81 Absatz 1 EG)

4.      Wettbewerb – Kartelle – Beteiligung eines Unternehmens an einer wettbewerbswidrigen Initiative

5.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird

(Mitteilung 96/C 207/04 der Kommission)

6.      Wettbewerb – Geldbußen – Beurteilung anhand des individuellen Verhaltens des Unternehmens

(Artikel 81 Absatz 1 EG)

1.      Eine Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, bildet keine Sanktion im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2988/74 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Wettbewerbsrecht und fällt damit nicht unter die Verjährung im Sinne dieser Bestimmung. Daher kann die Verjährung der Befugnis der Kommission zur Verhängung von Geldbußen nicht ihre stillschweigende Befugnis berühren, die Zuwiderhandlung festzustellen. Die Ausübung dieser stillschweigenden Befugnis, nach Ablauf der Verjährungsfrist eine Entscheidung zu erlassen, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, ist jedoch von der Voraussetzung abhängig, dass die Kommission ein legitimes Interesse an einer solchen Feststellung dartut.

(vgl. Randnr. 18)

2.      Was die Verjährung nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 der Verordnung Nr. 2988/74 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Wettbewerbsrecht angeht, so ist bei dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen die Befugnis der Kommission zur Verhängung von Geldbußen dann verjährt, wenn seit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung beendet wurde, fünf Jahre verstrichen sind. Nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung wird die Verjährung durch jede auf Ermittlung der Zuwiderhandlung gerichtete Handlung der Kommission unterbrochen, insbesondere durch schriftliche Auskunftsverlangen, wobei die Unterbrechung an dem Tag eintritt, an dem das Auskunftsverlangen dem Adressaten zugestellt wurde, und nach Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung bewirkt, dass die Verjährung von diesem Tag an neu zu laufen beginnt.

3.      Insoweit hat die Unterbrechung der Verjährungsfrist nach Artikel 2 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/74, die durch die Versendung eines Auskunftsverlangens an Unternehmen, die an einer Nebenabrede eines Kartells beteiligt waren, herbeigeführt wurde, nach Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung auch Wirkung gegenüber einem anderen Unternehmen als Beteiligtem an derselben Nebenabrede, selbst wenn es nicht Adressat des Auskunftsverlangens war.

(vgl. Randnrn. 46-47)

4.      Es obliegt der Partei oder Behörde, die den Vorwurf einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln erhebt, die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend beweisen, und es ist Sache des Unternehmens, das sich gegenüber der Feststellung einer Zuwiderhandlung auf eine Rechtfertigung berufen möchte, den Nachweis zu erbringen, dass die Voraussetzungen für diese Rechtfertigung erfüllt sind, so dass die genannte Behörde dann auf andere Beweismittel zurückgreifen muss.

5.      Was die Dauer der Zuwiderhandlung anbelangt, so ist sie ein Tatbestandsmerkmal der Zuwiderhandlung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG, für das hauptsächlich die Kommission beweispflichtig ist. Soweit es an Beweismaterialien fehlt, mit denen die Dauer der Zuwiderhandlung direkt belegt werden kann, muss die Kommission nach der Rechtsprechung zumindest Beweismaterialien beibringen, die sich auf Fakten beziehen, die zeitlich so nahe beieinander liegen, dass sie vernünftigerweise den Schluss zulassen, dass die Zuwiderhandlung zwischen zwei konkreten Zeitpunkten ohne Unterbrechung erfolgt ist.

6.      Der allgemeine Grundsatz, wonach die Kommission alle die Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen einschließlich ihrer Dauer beweisen muss, die für ihre endgültige Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung von Einfluss sein können, wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass das in Frage stehende Unternehmen das Verteidigungsmittel einer Verjährung geltend gemacht hat, für die es die Beweislast grundsätzlich selbst trägt. Abgesehen davon, dass dieses Verteidigungsmittel nicht die Feststellung der Zuwiderhandlung betrifft, setzt die Geltendmachung eines solchen Verteidigungsmittels notwendig voraus, dass die Dauer der Zuwiderhandlung und das Datum ihrer Beendigung festgestellt worden sind. Diese Umstände können aber allein keinen Übergang der Beweislast für diesen Punkt zum Nachteil des fraglichen Unternehmens bewirken. Zum einen bildet die Dauer einer Zuwiderhandlung, deren Ermittlung die Kenntnis ihres Enddatums voraussetzt, eines ihrer wesentlichen Tatbestandsmerkmale, für deren Erfüllung die Beweislast die Kommission unabhängig davon trifft, ob das Bestreiten des Vorliegens dieser Tatbestandsmerkmale auch Teil des Verteidigungsmittels der Verjährung ist. Zum anderen wird dieser Schluss dadurch gerechtfertigt, dass die Unverjährtheit der Verfolgung durch die Kommission nach der Verordnung Nr. 2988/74 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Wettbewerbsrecht, wie durch deren zweite Begründungserwägung bestätigt wird, ein sich aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ergebendes objektives rechtliches Kriterium bildet und daher eine Gültigkeitsvoraussetzung jeder eine Sanktion enthaltenden Entscheidung ist. Diese Voraussetzung muss die Kommission nämlich auch dann einhalten, wenn das Unternehmen ein solches Verteidigungsmittel nicht geltend gemacht hat.

7.      Diese Beweislastverteilung kann allerdings Änderungen unterliegen, soweit die tatsächlichen Gesichtspunkte, auf die sich eine Partei beruft, die andere Partei deshalb zu einer Erläuterung oder Rechtfertigung zwingen können, weil sonst der Schluss zulässig ist, dass der Beweis erbracht wurde.

(vgl. Randnrn. 50-53)

8.      Dass es ein Unternehmen unterlässt, sich von einer wettbewerbswidrigen Initiative, an der es beteiligt war, offen zu distanzieren oder sie bei den Behörden anzuzeigen, hat zur Wirkung, dass die Fortsetzung der Zuwiderhandlung begünstigt und ihre Entdeckung verhindert wird, so dass diese stillschweigende Billigung als eine Komplizenschaft oder passive Form der Beteiligung an der Zuwiderhandlung angesehen werden kann.

(vgl. Randnr. 68)

9.      Auch wenn gegenüber den freiwilligen Angaben der Hauptteilnehmer an einem rechtswidrigen Kartell im Allgemeinen ein gewisses Misstrauen angebracht ist, da sie die Neigung haben können, die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darzustellen, entspricht doch das Vorbringen, solche Angaben seien deshalb nicht glaubhaft, weil sie gemacht worden seien, um in den Genuss einer Anwendung der Mitteilung über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen zu gelangen, und weil ihre Urheber deshalb ein gewisses Interesse daran gehabt hätten, die anderen Kartellteilnehmer zu belasten, nicht der inneren Logik des in der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehenen Verfahrens. Das Antragsbegehren nämlich, durch die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit eine Herabsetzung der eigenen Geldbuße zu erwirken, begründet nicht zwangsläufig einen Anreiz zur Vorlage verfälschter Beweise gegen die übrigen Beteiligten an dem inkriminierten Kartell. Im Übrigen ist jeder Versuch einer Irreführung der Kommission geeignet, die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit der Kooperation des Antragstellers in Frage zu stellen und damit die für ihn bestehende Möglichkeit zu gefährden, ungeschmälert in den Genuss der Mitteilung über Zusammenarbeit zu gelangen.

(vgl. Randnr. 70)

10.    Die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung muss mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden, woraus sich ergibt, dass sich niemand darauf berufen kann, das Recht sei zugunsten eines anderen fehlerhaft angewandt worden. Denn ein etwaiges rechtswidriges Handeln gegenüber einem anderen Unternehmen, das an dem Verfahren nicht beteiligt ist, kann nicht dazu führen, dass der Gemeinschaftsrichter eine Diskriminierung und damit ein rechtswidriges Handeln gegenüber dem Unternehmen feststellt, um das es in dem vor ihm anhängigen Verfahren geht. Eine solche Vorgehensweise liefe darauf hinaus, den Grundsatz der „Gleichbehandlung im Unrecht“ anzuerkennen, und würde die Kommission beispielsweise dazu verpflichten, die ihr vorliegenden Beweise für die Verhängung einer Sanktion gegen ein Unternehmen, das eine damit bedrohte Zuwiderhandlung begangen hat, allein deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil ein anderes Unternehmen in möglicherweise vergleichbarer Lage rechtswidrig einer solchen Sanktion entgangen ist. Hat ein Unternehmen durch sein Verhalten gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßen, so kann es im Übrigen nicht deshalb jeder Sanktion entgehen, weil gegen andere Wirtschaftsteilnehmer, mit deren Situation der Gemeinschaftsrichter nicht befasst ist, keine Geldbuße verhängt wurde.

(vgl. Randnr. 77)




URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

16. November 2006(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Organische Peroxide – Geldbußen – Artikel 81 EG – Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 –Verjährung – Dauer der Zuwiderhandlung – Beweislastverteilung – Gleichbehandlung“

In der Rechtssache T‑120/04

Peróxidos Orgánicos, SA mit Sitz in San Cugat del Vallés (Spanien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Creus Carreras und B. Uriarte Valiente,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Bouquet und F. Castillo de la Torre als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2005/349/EG der Kommission vom 10. Dezember 2003 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Vertrag (Sache COMP/E-2/37.857 – Organische Peroxide) (ABl. 2005, L 110, S. 44)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie des Richters J. Azizi und der Richterin E. Cremona,

Kanzler: K. Pocheć, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2005

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1        Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 319, S. 1, im Folgenden: Verjährungsverordnung) sieht unter der Überschrift „Verfolgungsverjährung“ vor:

„(1) Die Befugnis der Kommission, wegen Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des … Wettbewerbsrechts der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Geldbußen oder Sanktionen festzusetzen, verjährt

b) in fünf Jahren bei … Zuwiderhandlungen [gegen andere Vorschriften als die über Anträge oder Anmeldungen von Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, die Einholung von Auskünften oder die Vornahme von Nachprüfungen].

(2) Die Verjährung beginnt mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung begangen worden ist. Bei dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen beginnt die Verjährung jedoch erst mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung beendet ist.“

2        Artikel 2 der Verjährungsverordnung bestimmt unter der Überschrift „Unterbrechung der Verfolgungsverjährung“.

„(1) Die Verfolgungsverjährung wird durch jede auf Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlung gerichtete Handlung der Kommission … unterbrochen. Die Unterbrechung tritt mit dem Tag ein, an dem die Handlung mindestens einem an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen oder einer beteiligten Unternehmensvereinigung bekanntgegeben wird.

Die Verjährung wird insbesondere durch folgende Handlungen unterbrochen:

a)      schriftliche Auskunftsverlangen der Kommission …;

(2) Die Unterbrechung wirkt gegenüber allen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen.

(3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem …“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

3        Die Entscheidung 2005/349/EG der Kommission vom 10. Dezember 2003 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG‑Vertrag und Artikel 53 EWR‑Abkommen (Sache COMP/E‑2/37.857 – Organische Peroxide) (ABl. 2005, L 110, S. 44) (im Folgenden: Entscheidung) betrifft ein Kartell, das für den europäischen Markt der organischen Peroxide gegründet und durchgeführt wurde. Dabei handelt es sich um chemische Produkte, die in der Kunststoff‑ und Gummiindustrie verwendet werden. An dem Kartell waren u. a. der AKZO‑Konzern (im Folgenden: AKZO), die Atofina SA als Nachfolgerin von Atochem (im Folgenden: Atochem/Atofina) und die von der Laporte plc, inzwischen Degussa UK Holdings Ltd., kontrollierte Peroxid Chemie GmbH & Co. KG beteiligt. In Spanien wurde das Kartell durch eine Nebenvereinbarung umgesetzt, an der die Klägerin und – unmittelbar oder mittelbar – die genannten Unternehmen beteiligt waren.

4        Das Kartell begann 1971 mit dem Abschluss einer – im Jahr 1975 sodann geänderten – schriftlichen Vereinbarung zwischen AKZO, der später der Atochem/Atofina eingegliederten Luperox GmbH und der Peroxid Chemie (im Folgenden: Hauptvereinbarung). Es bestand ursprünglich aus mehreren Untervereinbarungen für verschiedene chemische Produkte wie Hochpolymere, Polyester‑Duroplaste und Vernetzungsmittel. Das Kartell war ferner in regionale Nebenvereinbarungen, darunter für Spanien (im Folgenden: spanische Nebenabrede), untergliedert, in denen im Wesentlichen die gleichen Regeln wie in der Hauptvereinbarung festgelegt waren. Es diente vor allem der Erhaltung der Marktanteile der beteiligten Unternehmen und der Abstimmung ihrer Preiserhöhungen. Um dieses Ziel zu erreichen, war insbesondere eine in der Schweiz ansässige Dienstleistungsfirma für Unternehmen – zunächst die Fides Trust AG, dann die AC Treuhand AG – mit der Sammlung und Verarbeitung detaillierter Absatzzahlen der beteiligten Unternehmen und mit der Weitergabe der verarbeiteten Zahlen an die Kartellunternehmen beauftragt. Die Funktionsfähigkeit der Hauptvereinbarung und ihrer Nebenvereinbarungen wurde durch regelmäßige Zusammenkünfte sichergestellt.

5        Die Klägerin, ein gemeinsam von der FMC Foret SA (im Folgenden: Foret) und der Degussa UK kontrolliertes Chemieunternehmen, war nur an der spanischen Nebenabrede beteiligt. Als Dauer dieser Beteiligung wird in der Entscheidung die Zeit vom 31. Dezember 1975 bis 31. Dezember 1999 zugrunde gelegt (Randnrn. 2 und 210 bis 219 sowie Artikel 1 Buchstabe e der Entscheidung).

6        Die Kommission nahm die Untersuchung des Kartells nach einem Treffen am 7. April 2000 mit Vertretern von AKZO auf, in der diese sie über eine Zuwiderhandlung gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln unterrichteten, um in den Genuss eines Sanktionserlasses nach der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) zu gelangen. Anschließend entschloss sich auch Atochem/Atofina zur Zusammenarbeit mit der Kommission und lieferte ihr ergänzende Informationen (Randnrn. 56 und 57 der Entscheidung).

7        Am 31. Januar und 20. März 2002 richtete die Kommission nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), Auskunftsverlangen an die wichtigsten an dem Verstoß beteiligten Unternehmen, darunter Laporte, AKZO und Atochem/Atofina (Randnrn. 61 und 64 der Entscheidung). An die Klägerin richtete sie hingegen erst am 29. November 2002 ein Auskunftsverlangen (Randnr. 72 der Entscheidung).

8        Am 27. März 2003 eröffnete die Kommission das förmliche Prüfverfahren und erließ eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die sie anschließend der Klägerin zustellte. Am 17. Juni 2003 übersandte die Klägerin ihre Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten, und am 26. Juni 2003 nahm sie an der Anhörung teil. Die Kommission erließ schließlich am 10. Dezember 2003 die der Klägerin am 13. Januar 2004 zugestellte Entscheidung, mit der sie gegen sie eine Geldbuße in Höhe von 0,5 Millionen Euro verhängte (Artikel 2 Buchstabe f der Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

9        Mit Klageschrift, die am 22. März 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

10      Mit Schreiben, das am 13. September 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin auf das Recht verzichtet, eine Erwiderung einzureichen, und bestimmte prozessleitende und Beweismaßnahmen beantragt. Die Beklagte hat dazu mit Schreiben vom 26. Oktober 2004 Stellung genommen.

11      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. In der Sitzung am 24. November 2005 haben die Parteien mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

12      Die Klägerin beantragt,

–        die Artikel 1, 2 und 4 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Klägerin betreffen;

–        hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße für nichtig zu erklären;

–        der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

13      Die Beklagte beantragt,

–        die Klage, soweit sie die Artikel 1 und 4 der Entscheidung betrifft, als unzulässig abweisen;

–        hilfsweise, die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

1.     Zur Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung der Artikel 1 und 4 der Entscheidung

 Vorbringen der Parteien

14      Die Beklagte erhebt gegen den Antrag auf Nichtigerklärung der Artikel 1 und 4 der Entscheidung eine Einrede der Unzulässigkeit. Sie macht geltend, das Vorbringen der Klägerin zu diesem Antrag sei, da der einzige von ihr geltend gemachte Klagegrund die Verjährung und nicht die Feststellung der Zuwiderhandlung betreffe, unerheblich und der Antrag auf Nichtigerklärung der Artikel 1 und 4 der Entscheidung dementsprechend unzulässig. Selbst wenn nämlich die Befugnis, der Klägerin wegen der ihr in der Entscheidung vorgeworfenen Zuwiderhandlung eine Geldbuße aufzuerlegen, verjährt wäre, wäre die Kommission doch gleichwohl befugt gewesen, die Zuwiderhandlung, die von der Klägerin nicht als solche, sondern allenfalls hinsichtlich der Dauer in Frage gestellt werde, festzustellen und an die Klägerin eine entsprechende Entscheidung zu richten. Die Anträge der Klägerin seien daher unzulässig, soweit sie die Nichtigerklärung von Artikel 1, der die von ihr begangene Zuwiderhandlung feststelle, und von Artikel 4 begehre, der nur die Adressaten der Entscheidung aufführe.

15      Unter Hinweis auf das Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 2005 in den Rechtssachen T‑22/02 und T–23/02 (Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission, Slg. 2005, II‑4065) tritt die Klägerin der Unzulässigkeitseinrede entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

16      Das Gericht stellt zunächst fest, dass die Unzulässigkeitseinrede der Beklagten entgegen ihrem Vorbringen nicht geeignet ist, die Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung der Artikel 1 und 4 der Entscheidung in Frage zu stellen. Die Beklagte macht im Wesentlichen nur geltend, dass die Klagegründe und Argumente der Klägerin, mit denen diese dartun möchte, dass die Befugnis der Kommission zur Verfolgung der Zuwiderhandlung verjährt sei, deshalb nicht die Nichtigerklärung der Artikel 1 und 4 der Entscheidung rechtfertigen könnten, weil sie in Wirklichkeit nicht gegen die in der Entscheidung getroffene Feststellung der Zuwiderhandlung als solche gerichtet seien. Zum einen aber ist mit dieser Frage nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit dieser Klagegründe und Argumente angesprochen, und zum anderen zieht es die Beklagte nicht in Zweifel, dass die Klägerin ein Interesse an der Klage gegen die Feststellung der Zuwiderhandlung als solche besitzt.

17      Selbst wenn es sich dabei um eine Frage der Zulässigkeit handelte, ist außerdem den oben in Randnummer 14 wiedergegebenen schriftlichen Darlegungen der Beklagten zumindest mittelbar zu entnehmen, dass ihrer Auffassung nach die bloße Feststellung der Zuwiderhandlung in der Entscheidung nicht unter den Begriff der „Sanktion“ im Sinne von Artikel 1 der Verjährungsverordnung fällt und sie sich selbst bei Eintritt der Verjährung für befugt hält, eine Entscheidung mit diesem Inhalt an die Klägerin zu richten.

18      Insoweit hat das Gericht zwar bereits entschieden, dass eine Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, keine Sanktion im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Verjährungsverordnung bildet und damit nicht unter die Verjährung im Sinne dieser Bestimmung fällt. Daher kann die Verjährung der Befugnis der Kommission zur Verhängung von Geldbußen nicht ihre stillschweigende Befugnis berühren, die Zuwiderhandlung festzustellen (oben in Randnr. 15 zitiertes Urteil Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission, Randnrn. 61 und 62). Die Ausübung dieser stillschweigenden Befugnis, nach Ablauf der Verjährungsfrist eine Entscheidung zu erlassen, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, ist jedoch von der Voraussetzung abhängig, dass die Kommission an einer solchen Feststellung ein legitimes Interesse im Sinne des Urteils des Gerichtshofes vom 2. März 1983 in der Rechtssache 7/82 (GVL/Kommission, Slg. 1983, 483, Randnr. 24) dartut (vgl. in diesem Sinne oben in Randnr. 15 zitiertes Urteil Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission, Randnrn. 130 bis 132).

19      Im Licht dieser Erwägungen kann die Unzulässigkeitseinrede der Beklagten nicht durchgreifen.

20      Wenn nämlich die Voraussetzungen der Verjährung im vorliegenden Fall erfüllt wären, hätte die Kommission nach der genannten Rechtsprechung, um eine von der Klägerin begangene Zuwiderhandlung rechtmäßig feststellen zu können, zum einen ein legitimes Interesse daran dartun müssen. Entgegen der Auffassung der Beklagten obläge es folglich in diesem Fall dem Gericht, den Nichtigkeitsantrag der Klägerin zu prüfen, um festzustellen, ob die Kommission in ihrer Entscheidung ein solches Interesse tatsächlich dargetan hat.

21      Zum anderen ist, wie die Beklagte selbst einräumt, die Ermittlung der Zuwiderhandlungsdauer sowohl ein integraler und untrennbarer Bestandteil der Feststellung einer Zuwiderhandlung als auch eine der Voraussetzungen, die für die Verjährung der Verfolgung einer dauernden Zuwiderhandlung maßgebend sind. Anders als die Beklagte offenbar meint, lässt sich der Antrag der Klägerin auf Nichtigerklärung der Artikel 1 und 4 der Entscheidung daher nicht von ihrem Klagegrund trennen, wonach die Kommission die Verjährungsvorschriften fehlerhaft angewandt habe. Die Einhaltung dieser Vorschriften durch die Kommission setzt vielmehr voraus, dass sie den Zeitraum, an dem sich die Klägerin an der Zuwiderhandlung beteiligt hat, fehlerfrei bestimmt hat.

22      Nach alledem ist die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

2.     Zum Klagegrund einer fehlerhaften Anwendung der Verjährungsvorschriften durch die Kommission

 Vorbringen der Parteien

 Vorbemerkung

23      Die Klägerin macht für ihre Klage als Nichtigkeitsgrund geltend, dass ihr die Kommission rechtswidrig eine Geldbuße auferlegt habe, obgleich in dem Verfahren, da zwischen ihrer letzten angeblichen Beteiligung an der spanischen Nebenabrede und den ersten Untersuchungsmaßnahmen der Kommission mehr als fünf Jahre verstrichen seien, nach der Verjährungsverordnung die Verjährung eingetreten sei. Die Kommission habe das Argument, die Verjährung sei bereits eingetreten, zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Klägerin die Hauptvereinbarung gekannt habe und außerdem unklar sei, wann genau die Klägerin ihre Beteiligung an der spanischen Nebenabrede definitiv eingestellt habe.

 Zur Kenntnis der Klägerin von der Hauptvereinbarung

24      Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, im Rahmen der Prüfung der Verjährung könne ihr die Existenz der Hauptvereinbarung nicht zugerechnet werden, weil sie an dieser weder teilgenommen noch von ihr Kenntnis gehabt habe.

25      Zur Begründung verweist die Klägerin erstens darauf, dass in der Entscheidung zwischen der Hauptvereinbarung und den regionalen Nebenabreden unterschieden werde und außerdem die Besonderheiten der spanischen Nebenabrede hervorgehoben würden, die vom Beginn bis zur endgültigen Beendigung des Kartells von der Hauptvereinbarung gesondert geblieben sei, ohne dieser wie die anderen Nebenabreden eingegliedert worden zu sein (Randnrn. 47, 80 a. E., 92, 203, 209 bis 267 und 268 der Entscheidung).

26      Zweitens habe die Kommission weder eindeutig dargelegt – sondern nur indirekt im Rahmen ihrer irrigen Auslegung der spanischen Nebenabrede – noch rechtlich hinreichend bewiesen, dass die Klägerin die Hauptvereinbarung gekannt habe. Die Begründung der Entscheidung in ihren Randnummern 217, 236 und 250 sei insoweit unstimmig und widersprüchlich. Daraus lasse sich schließen, dass die Kommission ihre Behauptung, die Klägerin habe eine Vereinbarung auf europäischer Ebene gekannt, ausschließlich aus Kontakten mit Mitarbeitern der an der Hauptvereinbarung beteiligten Unternehmen und dem möglichen Bestehen europaweiter Verträge – der Beteiligten an der Hauptvereinbarung mit den bedeutendsten Kunden – hergeleitet habe.

27      Drittens ergebe sich aus den Darlegungen in Randnummer 252 der Entscheidung, wonach „die anderen spanischen Teilnehmer [AKZO, Atochem/Atofina und Peroxid Chemie] den Eindruck [erweckten], dass [die Klägerin] von der Hauptvereinbarung wusste“, und die Hauptvereinbarung der Klägerin „genau bekannt [war], da sie einigen Vorstandsmitgliedern [der Klägerin] bekannt war“, kein stichhaltiger Beweis, zumal die in Frage stehenden Unternehmen einen Bußgelderlass nach der Mitteilung über Zusammenarbeit beantragt hätten. Auch dass die Mitglieder ihres Vorstands, die die beiden sie gemeinsam kontrollierenden Unternehmen verträten – Foret und Laporte, inzwischen Degussa UK –, die Hauptvereinbarung gekannt hätten, beweise nicht, dass sie der Klägerin Informationen über das europäische Kartell übermittelt hätten. Keines der beiden Unternehmen habe sich in diesem Sinne geäußert. Jedenfalls sei diese Kenntnis nicht der Klägerin zurechenbar.

28      Wenn die Kommission schließlich tatsächlich der Auffassung gewesen sei, dass die Klägerin nur als verlängerter Arm der Peroxid Chemie in Spanien fungiert habe, hätte sie gegen die Klägerin keine gesonderte Geldbuße verhängen dürfen, sondern lediglich eine einzige Geldbuße gegen die Klägerin und die Peroxid Chemie zusammen. Hätte die Klägerin hingegen eigenständig gehandelt (vgl. Randnr. 267 der Entscheidung), so hätte die Kommission keinerlei Grund für die Annahme gehabt, dass die Klägerin die Hauptvereinbarung gekannt habe oder hätte kennen müssen.

29      Aus alledem ergebe sich, dass die Kommission im vorliegenden Fall den an die Beweisführung zu stellenden Anforderungen, wie sie sich insbesondere aus dem „Urteil Karton“ ergäben, nicht genügt habe. Die Kommission habe insbesondere nicht bewiesen, dass die Klägerin im Sinne dieser Rechtsprechung um die Hauptvereinbarung „wusste oder zwangsläufig wissen musste“ (vgl. Randnr. 320 und Fußnote 231 der Entscheidung mit Bezugnahme auf die Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑295/94, Buchmann/Kommission, Slg. 1998, II‑813, Randnr. 121, und in der Rechtssache T‑310/94, Gruber + Weber/Kommission, Slg. 1998, II‑1043, Randnr. 140, und vom 20. März 2002 in der Rechtssache T‑9/99, HFB u. a./Kommission, Slg. 2002, II‑1487, Randnr. 231).

30      Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, dass die Klägerin als Hauptakteur auf dem spanischen Markt, der am Mechanismus des zentralisierten Informationsaustausches über eine schweizerische Dienstleistungsfirma beteiligt gewesen und von an der europäischen Vereinbarung beteiligten Mutterunternehmen kontrolliert worden sei, von der Hauptvereinbarung gewusst habe oder zwangsläufig hätte wissen müssen. Nach den Erklärungen der übrigen Beteiligten an der Hauptvereinbarung sei die spanische Nebenabrede außerdem ein Teil der Hauptvereinbarung gewesen und habe die Klägerin durch ihre Beteiligung an der spanischen Nebenabrede und die Durchführung europaweit geltender Verträge mit den Großkunden zu den gemeinsamen Zielen beigetragen, die alle Beteiligten an der Hauptvereinbarung verfolgt hätten.

 Zur Beendigung der Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede

31      Die Klägerin meint, dass die von der Kommission getroffene Feststellung, wonach ihre Beteiligung an der spanischen Nebenabrede erst 1999 – gleichzeitig mit der Hauptvereinbarung – beendet worden sei, unzutreffend sei. Sie habe bereits in ihrer Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass ihre Beteiligung an den Treffen zur spanischen Nebenabrede am 14. Januar 1997 – dem Datum der letzten Sitzung, an der Herr K., der die Klägerin im Rahmen der Nebenabrede vertreten habe, nachweislich teilgenommen habe – abgebrochen worden sei. Herr K. sei seit dem 14. Februar 1997 nicht mehr bei der Klägerin beschäftigt gewesen. Die tatsächlichen Feststellungen der Kommission zur spanischen Nebenabrede enthielten auch keinerlei Hinweis auf irgendeine Zusammenkunft nach dem Januar 1997, an der die Klägerin hätte teilnehmen können.

32      Die einzigen Beweise hinsichtlich der Beendigung der Zuwiderhandlung in Spanien seien im Wesentlichen allgemeine und vage Angaben von AKZO (Randnrn. 211, 213, 216 bis 219 der Entscheidung). Die Kommission habe fehlerhaft angenommen, obwohl sie dafür keine Beweise habe, dass die Beteiligung der Klägerin nicht im Jahr 1997 geendet habe.

33      Erstens habe die Kommission aus den Erklärungen von AKZO und Atochem/Atofina, wonach die spanische Nebenabrede bis 1999 bestanden habe, zu Unrecht den Schluss gezogen, es wäre unlogisch, anzunehmen, dass diese beiden Wirtschaftsteilnehmer des spanischen Marktes die Nebenabrede auch dann fortgeführt hätten, wenn sich die Klägerin, die einen bedeutenden Anteil am spanischen Markt gehalten habe, schon Anfang 1997 aus der Abrede zurückgezogen hätte. Ebenso sei der Schluss der Kommission verfehlt, es erscheine nicht plausibel, dass AKZO und Atochem/Atofina bis zum dritten Quartal 1999 die Abweichungen zwischen den theoretischen und den tatsächlichen Marktanteilen berechnet hätten, wenn die Klägerin schon vorher aus der Nebenabrede ausgeschieden wäre (Randnr. 258 der Entscheidung). Die Existenz der spanischen Nebenabrede nach 1997 könne nicht allein mit ihrer fortdauernden Beteiligung daran erklärt werden. Vielmehr habe ihr Rückzug aus der Nebenabrede nur dazu führen können, dass die Diskussionen über den spanischen Markt besser mit denen auf europäischer Ebene zwischen denselben Beteiligten abgestimmt worden seien. Außerdem sei die einzige Kontaktperson der Klägerin im Rahmen der spanischen Nebenabrede, Herr K., bereits im Februar 1997 aus seinem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden, was erkläre, dass die übrigen Teilnehmer an der spanischen Nebenabrede über ihren Rückzug daraus nicht unterrichtet worden seien. Es gebe auch keinen Beweis dafür, dass AKZO die Klägerin über ihre Absicht informiert habe, die Hauptvereinbarung oder die spanische Nebenabrede zu beenden, wie es AKZO gegenüber anderen Teilnehmern getan habe.

34      Zweitens habe die Kommission fehlerhaft angenommen, dass die fortdauernde Beteiligung der Klägerin durch eine von AKZO übermittelte Tabelle zum spanischen Markt bestätigt werde, in der die tatsächlichen Verkaufsmengen mit den für 1997 für die Klägerin vorgesehenen Quoten verglichen sowie Preise, Mengen und Kunden der Klägerin bis 1999 aufgeführt würden (Randnr. 259 der Entscheidung). Die Klägerin habe bereits in ihrer Stellungnahme und in der Anhörung bestritten, dass sie diese Zahlen vor AKZO, die eine Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit anstrebe, geliefert habe. Es habe daraufhin keine Reaktion oder weitere Erklärung gegeben, die die Klägerin belaste. Irgendwoher freilich hätten die Zahlen stammen müssen, und daher habe die Kommission einfach die Klägerin als die Quelle betrachtet. Außerdem habe die Klägerin hinsichtlich der Feststellung, dass die Peroxid Chemie zugegebenermaßen Druck auf sie ausgeübt habe, um sie an dem Export aus Spanien zu hindern (Randnr. 236 der Entscheidung), von der Kommission nicht bestrittene alternative Erklärungen vorgelegt. Gleiches gelte für die Feststellung, dass die Peroxid Chemie die Verkaufszahlen der Klägerin entgegengenommen, sie der AC Treuhand übermittelt und die von der AC Treuhand erstellten Tabellen mit den Absatzdaten für Spanien dann an die Klägerin zurückgeleitet habe (Randnr. 237 der Entscheidung). Die in den Tabellen enthaltenen Informationen könnten auch deshalb nicht als ordnungsgemäßer rechtlicher Beweis für eine fortdauernde Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede angesehen werden, weil die Quote der Klägerin auf der Grundlage der Anteile der anderen Beteiligten, also von AKZO und Atochem/Atofina, durch eine einfache Addition und anschließende Subtraktion errechenbar gewesen sei.

35      Drittens sei die von der Kommission getroffene Feststellung, „[j]edenfalls [seien] die Auswirkungen der angeblich letzten Sitzung vom 14. Januar 1997 bis über den Mai 1997 hinaus festzustellen“ (Randnrn. 257 und 330 der Entscheidung), unzutreffend und durch keinerlei Beweise untermauert.

36      Die Beklagte hält dieses Vorbringen der Klägerin für unerheblich. Sie trägt im Wesentlichen vor, dass sie die Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede bis 1999 nicht allein aufgrund der Erklärungen von AKZO, sondern auf der Grundlage eines Bündels von Beweisen festgestellt habe, zu denen u. a. eine Tabelle und handschriftliche Notizen über die Sitzung am 6. November 1997 gehörten, die von AKZO vorgelegt worden seien. Diese Dokumente bewiesen, dass die Konkurrenten der Klägerin bis 1999 zu sensiblen Daten der Klägerin Zugang gehabt hätten (Randnrn. 215, 218 und 258 bis 260 der Entscheidung), ohne dass die Klägerin ihre Richtigkeit und ihren Wahrheitsgehalt tatsächlich bestreiten könne. Außerdem wäre es Sache der Klägerin gewesen, nachzuweisen, dass sie sich – was sie aber gerade versäumt habe – nach Januar 1997 offen von dem Kartell distanziert und außerdem dafür Sorge getragen habe, dass ihre sensiblen Kundendaten nicht von den anderen Beteiligten zur Berechnung von Quoten genutzt würden. Schließlich habe die Klägerin eingeräumt, dass sie ihre Muttergesellschaften Foret und Degussa UK nicht über die Kündigung von Herrn K. und die Gründe hierfür unterrichtet habe.

 Zum Beginn des Laufs der Verjährungsfrist

37      Die Klägerin trägt vor, dass die erste Untersuchungshandlung der Kommission vom 31. Januar 2002 datiere, als die Kommission an Laporte und andere an dem europäischen Kartell beteiligte Unternehmen ein Auskunftsverlangen geschickt habe (Randnr. 61 der Entscheidung). Die Kommission habe sodann am 20. März 2002 Auskunftsverlangen auch an AKZO und Atochem/Atofina gesandt, die sowohl an der europäischen Vereinbarung als auch an der spanischen Nebenabrede beteiligt gewesen seien (Randnr. 64 der Entscheidung). Erst am 29. November 2002 habe die Klägerin ein Auskunftsverlangen an die Klägerin geschickt (Randnr. 72 der Entscheidung).

38      Daher sei der 29. November 2002 das maßgebliche Datum für die Unterbrechung der Verjährungsfrist, da es das Datum des ersten Kontakts zwischen der Kommission und ihr selbst im Rahmen der Untersuchung der Kartellsache gewesen sei. Damit sei aber, nämlich zwischen dem 14. Januar 1997 und dem 29. November 2002, ein Zeitraum von mehr als fünf Jahren verstrichen, der zur Verjährung führe. Dies ergebe sich auch aus dem Erfordernis, in einem Verfahren, in dem – wie im vorliegenden Fall – die Mitteilung über Zusammenarbeit angewandt werde, die Verjährungsverordnung restriktiv auszulegen, da diese an den herkömmlichen Untersuchungen der Kommission orientiert sei, in denen sich die Informationssammlung aber im Allgemeinen langsamer vollziehe und schwieriger und komplexer gestalte als in einem Verfahren, in dem ein Unternehmen die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit begehre. In einem solchen Verfahren besitze die Kommission nämlich von Anfang an vollständige Informationen. Selbst wenn im Übrigen der Stichtag der 20. März 2002 wäre, als dem ersten Beteiligten an der spanischen Nebenabrede ein Auskunftsverlangen übermittelt worden sei, wäre dennoch mit Ablauf der Frist von fünf Jahren seit dem 14. Januar 1997 Verjährung eingetreten.

39      Die Kommission habe in Randnummer 262 der Entscheidung ausgeführt, dass die Verjährung durch ihre Auskunftsverlangen vom 31. Januar 2002 unterbrochen worden sei, weil erstens „die spanische Nebenabrede Teil der Hauptvereinbarung“ gewesen sei, zweitens das Auskunftsverlangen auch die Klägerin betroffen habe, da darin Laporte zu ihrer eigenen Beteiligung und der ihrer Tochtergesellschaften an einer Vereinbarung über organische Peroxide befragt worden sei, und drittens selbst dann, wenn man die spanische Nebenabsprache als eigenständige Vereinbarung betrachte, das erste Auskunftsverlangen, das u. a. an Laporte gerichtet worden sei, die Verjährung unterbrochen habe. Die Kommission könne sich aber nicht auf die Versendung des ersten Auskunftsverlangens vom 31. Januar 2002 nur an die Beteiligten der Hauptvereinbarung, nicht auch an die der spanischen Nebenabrede, als Grund für eine Verjährungsunterbrechung nach Artikel 2 der Verjährungsverordnung berufen, weil sie dafür den – nicht geführten – Nachweis hätte erbringen müssen, dass die beiden Zuwiderhandlungen, d. h. das europaweite Kartell und die spanische Nebenabrede, ein untrennbares Ganzes gebildet hätten und die Klägerin von der Hauptvereinbarung gewusst habe.

40      Das Fehlen von Beweisen für ihre Beteiligung an der spanischen Nebenabrede nach dem 14. Januar 1997 könne nicht durch die vagen Behauptungen insbesondere von AKZO ausgeglichen werden, die im Übrigen nur angegeben habe, dass sie selbst ihre Beteiligung 1999 beendet habe, ohne sich auf die Klägerin zu beziehen. Dies gelte umso mehr, als AKZO und andere angeblich an den Zuwiderhandlungen beteiligte Unternehmen in der mehr als drei Jahre dauernden Untersuchung aktiv mit der Kommission zusammengearbeitet hätten, ohne dass diese Beweisaufnahme irgendein Beleg für die Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede nach Januar 1997 ergeben hätte.

41      Die Klägerin macht hilfsweise geltend, dass sie bei der Beurteilung der Verjährung im Vergleich zur Pergan GmbH ohne rechtfertigenden Grund ungleich behandelt worden sei. Im Fall von Pergan habe die Kommission in Randnummer 319 der Entscheidung festgestellt, es gebe keinen Beweis dafür, dass das Unternehmen über den 31. Januar 1997 hinaus an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei. Außer ihren eigenen Erklärungen gebe es aber andererseits auch keinen Beweis dafür, dass Pergan die übrigen Beteiligten von ihrem Rückzug aus dem Kartell in Kenntnis gesetzt habe. Wie sich aus Randnummer 172 der Entscheidung ergebe, habe die Peroxid Chemie vielmehr ein von Pergan stammendes Dokument vom 30. September 1998 mit Angaben zu den Preisen und Mengen im Jahr 1997 vorgelegt. Dabei sei die Peroxid Chemie nicht in der Lage gewesen, die Erklärung von Pergan zu bestätigen oder zu entkräften, wonach das fragliche Dokument nur für eine eingehende Bewertung des Unternehmens verwendet worden sei, aber habe diese Erklärung in Frage gestellt (Randnrn. 173 und 175 der Entscheidung). Anders als in ihrem eigenen Fall habe die Kommission jedoch im Fall von Pergan den Eintritt der Verjährung bejaht und die von Pergan – ähnlich wie von der Klägerin – abgegebene Erklärung akzeptiert, dass Pergan ihre Beteiligung im November 1996, also erst knapp zwei Monate vor dem 31. Januar 1997, als für die Beteiligung an der Hauptvereinbarung die Verjährung begonnen haben solle, beendet habe.

42      Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, dass die Verjährung spätestens am 31. Januar 2002 unterbrochen worden sei, als sie ein Auskunftsverlangen an Laporte gesandt habe, die an der spanischen Nebenabrede zum einen über ihre 100%ige Tochtergesellschaft Peroxid Chemie und zum anderen über ihren Kapitalanteil von 50 % an der Klägerin beteiligt gewesen sei (Randnrn. 262 und 328 der Entscheidung). Die Klägerin behaupte auch zu Unrecht, dass die Kommission sie bei der Anwendung der Verjährungsvorschriften anders als Pergan behandelt habe, da es im Gegensatz zum Fall der Klägerin keinen Beweis für eine Beteiligung von Pergan über den 31. Januar 1997 hinaus gebe.

 Zu den Anträgen auf prozessleitende und Beweismaßnahmen

43      Die Klägerin beantragt, zwei mit der Sache befasste Beamte der Kommission dazu als Zeugen zu hören, wie das Verfahren allgemein und insbesondere im Fall der Klägerin geführt worden sei. Dieser Antrag finde seine Grundlage in dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund, der tatsächlicher Art sei, und in den Unstimmigkeiten der Entscheidung, da die beiden Beamten dem Gericht näheren Aufschluss über den wirklichen Inhalt der Entscheidung geben und ihm damit seine Entscheidung erleichtern könnten. Die Klägerin beantragt ferner, der Kommission die Vorlage noch nicht zugänglicher Schriftstücke aufzugeben, die für sie von Interesse sein könnten. Auch diese Maßnahmen dienten der Erhebung entlastender Informationen, darunter von Beweisen dafür, dass die Klägerin ihre Beteiligung an der spanischen Nebenabrede schon im Januar 1997 eingestellt habe.

44      Die Kommission beantragt, die Anträge der Klägerin auf prozessleitende und Beweismaßnahmen für unzulässig zu erklären.

 Würdigung durch das Gericht

 Vorbemerkung

45      Es ist vorab daran zu erinnern, dass die Klägerin mit ihrem Klagegrund geltend macht, die Kommission habe die Artikel 1 und 2 der Verjährungsverordnung fehlerhaft angewandt.

46      Was die Verjährung nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 der Verjährungsverordnung angeht, so ist bei dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen die Befugnis der Kommission zur Verhängung von Geldbußen dann verjährt, wenn seit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung beendet wurde, fünf Jahre verstrichen sind. Nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung wird die Verjährung durch jede auf Ermittlung der Zuwiderhandlung gerichtete Handlung der Kommission unterbrochen, insbesondere durch schriftliche Auskunftsverlangen, wobei die Unterbrechung an dem Tag eintritt, an dem das Auskunftsverlangen dem Adressaten zugestellt wurde, und nach Artikel 2 Absatz 3 bewirkt, dass die Verjährung von diesem Tag an neu zu laufen beginnt.

47      Wie insoweit hervorzuheben ist, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die Versendung des Auskunftsverlangens vom 20. März 2002 an Unternehmen, die an der spanischen Nebenabrede beteiligt waren, geeignet war, die Verjährungsfrist nach Artikel 2 Absatz 1 Satz 2 der Verjährungsverordnung zu unterbrechen, und zwar nach Artikel 2 Absatz 2 auch mit Wirkung gegenüber der Klägerin als Beteiligte an dieser Nebenabrede.

48      Um dem Gericht die Feststellung zu ermöglichen, ob die Fünfjahresfrist vollendet wurde oder nicht, braucht folglich im vorliegenden Fall nur geprüft zu werden, ob die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass die Beteiligung der Klägerin mindestens bis zum 20. März 1997 andauerte. Wie sich aus dem Vorstehenden weiter ergibt, braucht das Gericht in diesem Zusammenhang nicht das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, dass zwischen der spanischen Nebenabrede und der Hauptvereinbarung kein Zusammenhang bestanden habe und dass sie von der Hauptvereinbarung nichts gewusst habe.

49      Demgemäß ist zunächst zu prüfen, zu welchem Datum die Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede endete.

 Zum Datum der Beendigung der Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede

–       Zur Verteilung der Beweislast zwischen der Klägerin und der Kommission

50      Hinsichtlich der Frage, zu welchem Datum die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung endete, ist zunächst an die ständige Rechtsprechung zu erinnern, wonach zum einen es der Partei oder Behörde, die den Vorwurf einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln erhebt, obliegt, die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend beweisen, und wonach zum anderen das Unternehmen, das sich gegenüber der Feststellung einer Zuwiderhandlung auf eine Rechtfertigung berufen möchte, den Nachweis zu erbringen hat, dass die Voraussetzungen für diese Rechtfertigung erfüllt sind, so dass die genannte Behörde dann auf andere Beweismittel zurückgreifen muss (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache C‑185/95 P, Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 58, und vom 7. Januar 2004 in den Rechtssachen C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Aalborg Portland u. a./Kommission, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 78).

51      Im Übrigen ist die Zuwiderhandlungsdauer ein Tatbestandsmerkmal der Zuwiderhandlung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG, für das hauptsächlich die Kommission beweispflichtig ist. Soweit es an Beweismaterialien fehlt, mit denen die Dauer der Zuwiderhandlung direkt belegt werden kann, muss die Kommission nach der Rechtsprechung zumindest Beweismaterialien beibringen, die sich auf Fakten beziehen, die zeitlich so nahe beieinander liegen, dass sie vernünftigerweise den Schluss zulassen, dass die Zuwiderhandlung zwischen zwei konkreten Zeitpunkten ohne Unterbrechung erfolgt ist (Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T‑43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II‑441, Randnr. 79).

52      Im vorliegenden Fall wird der allgemeine Grundsatz, wonach die Kommission alle die Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen einschließlich ihrer Dauer beweisen muss, die für ihre endgültige Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung von Einfluss sein können, nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass die Klägerin das Verteidigungsmittel einer Verjährung geltend gemacht hat, für die sie die Beweislast grundsätzlich selbst trägt. Abgesehen davon, dass dieses Verteidigungsmittel nicht die Feststellung der Zuwiderhandlung betrifft, setzt die Geltendmachung eines solchen Verteidigungsmittels notwendig voraus, dass die Dauer der Zuwiderhandlung und das Datum ihrer Beendigung festgestellt worden sind. Diese Umstände können aber allein keinen Übergang der Beweislast für diesen Punkt zum Nachteil der Klägerin bewirken. Zum einen bildet die Dauer einer Zuwiderhandlung, deren Ermittlung die Kenntnis ihres Enddatums voraussetzt, eines ihrer wesentlichen Tatbestandsmerkmale, für deren Erfüllung die Beweislast die Kommission unabhängig davon trifft, ob das Bestreiten des Vorliegens dieser Tatbestandsmerkmale auch Teil des Verteidigungsmittels der Verjährung ist (vgl. oben, Randnr. 21). Zum anderen wird dieser Schluss dadurch gerechtfertigt, dass die Unverjährtheit der Verfolgung durch die Kommission nach der Verjährungsverordnung, wie durch deren zweite Begründungserwägung bestätigt wird, ein sich aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ergebendes objektives rechtliches Kriterium bildet (vgl. in diesem Sinne oben in Randnr. 15 zitiertes Urteil Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission, Randnrn. 80 bis 82) und daher eine Gültigkeitsvoraussetzung jeder eine Sanktion enthaltenden Entscheidung ist. Diese Voraussetzung muss die Kommission nämlich auch dann einhalten, wenn das Unternehmen ein solches Verteidigungsmittel nicht geltend gemacht hat.

53      Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass diese Beweislastverteilung Änderungen unterliegen kann, soweit die tatsächlichen Gesichtspunkte, auf die sich eine Partei beruft, die andere Partei deshalb zu einer Erläuterung oder Rechtfertigung zwingen können, weil sonst der Schluss zulässig ist, dass der Beweis erbracht wurde (vgl. in diesem Sinne oben in Randnr. 50 zitiertes Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, Randnr. 79).

54      Anhand dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob die Kommission ordnungsgemäß die Tatsachen bewiesen hat, auf die sie ihre Beurteilung stützte, dass die Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede im Jahr 1999 endete. Angesichts der von der Klägerin eingeräumten Unterbrechung der Verjährungsfrist am 20. März 2002 genügt dabei die Prüfung der Frage, ob die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass diese Beteiligung zumindest bis zum 20. März 1997 fortdauerte.

–       Zum Beweiswert der Elemente, auf die die Kommission ihre Beurteilung stützt, dass die Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede zumindest bis zum 20. März 1997 fortdauerte

55      Es sind zunächst die wesentlichen Tatsachen in Erinnerung zu bringen, auf die die Kommission in der Entscheidung ihren Schluss stützte, dass die Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede bis 1999 fortdauerte. Insoweit hat sich die Kommission insbesondere auf die folgenden Elemente gestützt (Randnrn. 215, 218, 250 bis 267 und 320 bis 330 der Entscheidung). In der Entscheidung wird erstens auf eine von AKZO übermittelte Tabelle zum spanischen Markt verwiesen, die detailliert die Absatzzahlen und Marktanteile der Klägerin, von AKZO und von Atochem/Atofina bis zum dritten Quartal 1999 sowie die „theoretischen“, d. h. im Kartell vereinbarten Marktanteile sowie schließlich die „Abweichungen“ mindestens bis zum letzten Quartal 1998 angeben soll (Randnrn. 259 und 327 der Entscheidung). Zweitens werden in der Entscheidung handschriftliche Notizen über die Sitzung am 6. November 1997 erwähnt, in denen die Zahlen „1“, „2“ und „3“ Kodes für AKZO, die Klägerin und Atochem/Atofina sein sollen (Randnr. 218 der Entscheidung). Drittens hat die Kommission die Behauptungen von AKZO und der Peroxid Chemie als erwiesen betrachtet, wonach bestimmte Daten, darunter solche der Klägerin, bis 1999 über die Peroxid Chemie und die AC Treuhand ausgetauscht worden seien (Randnr. 215 und 237 der Entscheidung). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission einräumt, sie habe nicht vollständig nachweisen können, dass der Datenaustausch unmittelbar zwischen der Klägerin und den spanischen Tochtergesellschaften von AKZO und Atochem/Atofina stattgefunden habe.

56      Was zunächst die von AKZO übermittelte Tabelle angeht, so sind die darin enthaltenen Zahlen der Einheiten „MT“ („metric tonnes“) und „%“ horizontal den vier Rubriken „ACTUALS“, „THEORETICAL“, „DEVIATIONS“ und „CUMM. DEVIATIONS“ und vertikal den Jahren 1988 bis 1999 mit einer Unterteilung in Quartale für die Jahre 1998 und 1999 bis einschließlich zum dritten Quartal 1999 zugeordnet. Außerdem sind unter jeder Rubrik die Zahlen „2“, „1“ und „3“ aufgeführt, die nach den von AKZO gegebenen und zu den Akten genommenen Erläuterungen (S. 10214 der Kommissionsakte) für die Klägerin, AKZO und Atochem/Atofina als Teilnehmer am spanischen Markt stehen sollen. AKZO hat weiter erklärt, dass die Rubrik „ACTUALS“ die tatsächlichen Absatzmengen und Marktanteile dieser Beteiligten enthalte. Die Rubrik „THEORETICAL“ gebe die für jeden Beteiligten vereinbarte Absatzmenge an, während die Rubrik „DEVIATIONS“ die Abweichungen zwischen den tatsächlichen und den vorgesehenen Absatzmengen enthalte. Die Rubrik „CUMM. DEVIATIONS“ enthalte die kumulierten Abweichungen der vergangenen Jahre. Was speziell die Jahre 1998 und 1999 angeht, so hat AKZO ausgeführt, dass die Rubrik „THEORETICAL“ die zwischen den Beteiligten für den spanischen Markt vereinbarte Aufteilung der Marktanteile enthalte, nämlich 32,2 % für AKZO, 53,9 % für die Klägerin und 13,9 % für Atochem/Atofina.

57      Hinsichtlich dieser Tabelle ist festzustellen, dass die Klägerin weder die Ausführungen von AKZO noch die in Randnummer 259 a. E. der Entscheidung getroffene Feststellung substantiiert bestreitet, dass AKZO die von der Klägerin geplanten Preise für die Jahre 1997 bis 1999 gekannt habe. Die Klägerin hat auch weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren substantiiert die von AKZO gelieferten Daten über sie bestritten (Randnr. 260 der Entscheidung). Sie macht lediglich geltend, es sei ihr unmöglich, die Richtigkeit und den Wahrheitsgehalt dieser Daten nachzuprüfen, ohne die Relevanz der Gesamtheit dieser Daten in Abrede zu stellen (Punkt 4.12 der Stellungnahme der Klägerin zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, vgl. oben, Randnr. 8).

58      Was zweitens die handschriftlichen Notizen über die Sitzung am 6. November 1997 anbelangt, so ist festzustellen, dass sie die Erklärungen von AKZO zu der Tabelle bestätigen und stützen, da dieselben verschlüsselten Bezeichnungen zur Identifizierung der Beteiligten an der spanischen Nebenabrede verwandt wurden. Die Klägerin bestreitet aber weder den Inhalt dieser Notizen noch ihre Auslegung durch die Kommission, noch den Umstand, dass die Ziffer „2“ sie selbst bezeichnete.

59      Was drittens die Ausführungen von AKZO und der Peroxid Chemie zum Austausch von Daten der Klägerin über die Peroxid Chemie und die AC Treuhand bis 1999 betrifft, so hat die Klägerin die Richtigkeit der in Randnummer 237 der Entscheidung getroffenen Feststellungen eingeräumt, dass sie geschäftliche Daten an die Peroxid Chemie gegeben habe, die die Peroxid Chemie ihrerseits der AC Treuhand übermittelt, von dieser als Tabelle zum spanischen Markt zurückerhalten und schließlich wieder der Klägerin zugeteilt habe, und dass dieser Informationsaustausch bis mindestens Mitte 1997 fortgedauert haben könne (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, S. 2).

60      Das Gericht schließt daraus, dass die Klägerin, und wenn auch möglicherweise nur mittelbar, am zentralisierten Austausch sensibler Informationen über die AC Treuhand über den 20. März 1997 hinaus teilgenommen hat.

61      Was schließlich speziell den Datenaustausch mit der Peroxid Chemie als Tochter von Laporte, die 50 % ihrer Aktien hält, anbelangt, so bestreitet die Klägerin diesen Datenaustausch nicht, sondern macht nur geltend, er sei legitim gewesen und sie habe nicht davon gewusst, dass die Daten für wettbewerbswidrige Zwecke verwendet würden (Randnr. 246 der Entscheidung).

62      Nach Auffassung des Gerichts sind diese Elemente geeignet, die Beurteilung der Kommission zu stützen, dass die Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede über den 20. März 1997 hinaus fortdauerte, ohne dass in diesem Zusammenhang auf der Grundlage der vorhandenen Beweise zu prüfen ist, ob diese Beteiligung tatsächlich bis zum 31. Dezember 1999 fortgeführt wurde, wie es in der Entscheidung festgestellt wird.

63      Angesichts dieser Anhaltspunkte ist weiter die Frage zu prüfen, ob die Klägerin Argumente oder Tatsachen vorgetragen hat, die diese Indizien widerlegen oder ihren Beweiswert entkräften können.

–       Zu dem Vorbringen der Klägerin, dass für ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung zumindest bis zum 20. März 1997 keine Beweise vorlägen

64      Insoweit ist erstens festzustellen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin ordnungsgemäß zum dem Schluss gelangte, dass deren Beteiligung an der Zuwiderhandlung nicht mit dem genauen Datum der letzten Zusammenkunft unter Teilnahme eines ihrer Vertreter, Herrn K., am 14. Januar 1997 endete. Denn zum einen wurde der Informationsaustausch zwischen den Beteiligten über die AC Treuhand, auch wenn die Klägerin mit dieser nicht unmittelbar, sondern nur über die Peroxid Chemie in Kontakt stand, auch nach diesem Datum fortgeführt. Zum anderen erscheint die Kündigung von Herrn K. am 14. Februar 1997 als solche nicht geeignet, die Beendigung der Beteiligung der Klägerin vor dem 20. März 1997 zu begründen. Insoweit hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sie weiterhin einen anderen ihrer Vertreter beschäftigt habe, der Herrn K. zu bestimmten wettbewerbswidrigen Treffen begleitet hatte, Herrn V., und dass die Kündigung von Herrn K. nicht einmal ihren Muttergesellschaften mitgeteilt wurde und erst recht nicht den übrigen Beteiligten an der spanischen Nebenabrede (Randnr. 242 der Entscheidung). Laporte als Aktionärin der Klägerin und die Peroxid Chemie, eine andere Tochtergesellschaft von Laporte, die beide an der europäischen Absprache beteiligt waren, hatten jedoch an dem Erhalt dieser Informationen das größte Interesse, zumal Herr K. die Hauptkontaktperson der Klägerin im Rahmen der spanischen Nebenabrede war. Folglich kann auch nicht der Erklärung der Klägerin gefolgt werden, es gehe auf die Kündigung von Herrn K. zurück, dass sie die anderen Beteiligten von ihrem Rückzug aus der Zuwiderhandlung nicht unterrichtet habe, und sein Ausscheiden als Vertriebsleiter hätte jedenfalls von den anderen Beteiligten bemerkt werden müssen. Diese Erklärung bestätigt vielmehr, dass sich die Klägerin nicht im Einklang mit den in der Rechtsprechung gestellten Anforderungen (vgl. oben, Randnr. 68) offen von der Zuwiderhandlung distanzierte.

65      Zweitens werden die von der Kommission angeführten Indizien nach Auffassung des Gerichts entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht dadurch entkräftet, dass es keine Äußerungen der übrigen Beteiligten an der Zuwiderhandlung gibt, wonach die Beteiligung der Klägerin nicht Anfang 1997, sondern erst später beendet wurde. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es im vorliegenden Fall auch keine Informationen von Dritten gibt, denen zufolge die Klägerin ihre aktive Beteiligung an der Zuwiderhandlung zu den von ihr selbst genannten Daten tatsächlich einstellte oder zumindest erklärte, sie einzustellen. Ferner weist das Verhalten der anderen Beteiligten an der spanischen Nebenabrede, d. h. von AKZO und Atochem/Atofina, in den Jahren 1997 bis 1999 im Gegenteil gerade darauf hin, dass die Klägerin ihre Beteiligung über die von ihr genannten Daten hinaus fortsetzte. Zum einen hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass sie den anderen Beteiligten zur Zeit ihres angeblichen Ausscheidens aus der Zuwiderhandlung ihren Wunsch mitgeteilt hätte, ihre Beteiligung an der spanischen Nebenabrede, die bis 1999 fortbestand, einzustellen (Randnr. 258 der Entscheidung). Die Klägerin hat außerdem in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass es keine offizielle Erklärung in diesem Sinne, etwa in Form eines Schreibens, gegeben habe, die an die anderen Teilnehmer der Zuwiderhandlung gerichtet worden sei. Zum anderen hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht, dass sie hierüber oder über die Kündigung von Herrn K. und die dafür maßgebenden Gründe ihre Muttergesellschaften unterrichtet hätte. Das Vorbringen der Klägerin, dass die Kündigung Ausdruck ihres Willens gewesen sei, sich von der Zuwiderhandlung zu distanzieren (Randnr. 261 der Entscheidung), bleibt daher eine bloße Behauptung.

66      In diesem Zusammenhang erscheint, wie die Kommission in Randnummer 258 der Entscheidung zu Recht festgestellt hat, nämlich das Vorbringen nicht stichhaltig, dass AKZO und Atochem/Atofina die Zuwiderhandlung, obwohl die Klägerin ihr Ausscheiden daraus nicht kundgab und der größte Akteur auf dem spanischen Markt war, ohne Beteiligung der Klägerin fortführten. Vielmehr ist diese Hypothese ebenso wie das – rein spekulative – Argument der Klägerin, dass ihr Rückzug aus der spanischen Nebenabrede die Diskussionen zwischen AKZO und Atochem/Atofina über den spanischen Markt nur kohärenter hätte gestalten können, unvereinbar mit den Prinzipien eines oligopolistischen Kartells, dessen Funktionieren vor allem von der Beteiligung des wichtigsten Wirtschaftsteilnehmers auf dem relevanten Markt abhängt. Das gilt umso mehr, als die Klägerin laut der oben in den Randnummern 56 und 57 erwähnten und von ihr nicht bestrittenen Tabelle in Spanien einen Marktanteil von mehr als 50 % hielt. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zutreffend geltend gemacht hat, erscheint es unlogisch, dass AKZO und Atochem/Atofina bei der Berechnung und Aufteilung der jeweiligen Quoten tatsächlich den Marktanteil ihres größten Konkurrenten auf dem spanischen Markt respektiert hätten, wenn sie von dem Ausscheiden der Klägerin an der spanischen Nebenabrede ausgegangen wären.

67      Ebenso wenig kann das Argument der Klägerin durchgreifen, dass die Berechnung der Marktanteile und der übrigen Daten über ihre Geschäftstätigkeit, wie sie u. a. in den von AKZO vorgelegten Tabellen für die Jahre 1998 und 1999 enthalten sind, auf Informationen beruhe, die von dritten Unternehmen und nicht, auch nicht mittelbar, von der Klägerin selbst geliefert worden seien. Dies ist umso mehr der Fall, als die Klägerin nicht in der Lage war, zur Richtigkeit und zum Wahrheitsgehalt dieser Daten Stellung zu nehmen und überzeugend zu erklären, warum sie sie weder bestätigen noch mittels der Daten aus ihrer eigenen wirtschaftlichen Sphäre widerlegen kann (Randnr. 260 der Entscheidung). Darüber hinaus hat die Klägerin eingeräumt, dass sie, zumindest mittelbar, über die Peroxid Chemie und die AC Treuhand weiterhin an dem Mechanismus des zentralisierten Informationsaustausches teilnahm (vgl. oben, Randnr. 59). Angesichts der oben genannten übereinstimmenden Anhaltspunkte kann schließlich auch nicht die von der Klägerin gegebene Erklärung überzeugen, dass diese Daten möglicherweise durch eine bloße Rechenoperation aus den Daten der anderen Teilnehmer an der spanischen Nebenabrede, also von AKZO und Atochem/Atofina, gewonnen sein sollen (Punkt 4.13 der Stellungnahme der Klägerin zur Mitteilung der Beschwerdepunkte).

68      Insoweit verweist die Beklagte zu Recht auf die Rechtsprechung, wonach die Unterlassung einer offenen Distanzierung von der Zuwiderhandlung, an der das betreffende Unternehmen beteiligt war, oder ihrer Anzeige bei den Behörden bewirkt, dass die Fortsetzung der Zuwiderhandlung begünstigt und ihre Entdeckung verhindert wird, so dass diese stillschweigende Billigung als eine Komplizenschaft oder passive Form der Beteiligung an der Zuwiderhandlung angesehen werden kann (oben in Randnr. 50 zitiertes Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, Randnr. 84). Es ist jedoch daran zu erinnern, dass die Klägerin weder belegt hat, dass sie sich nach ihrem angeblichen Ausscheiden aus der spanischen Nebenabrede von ihrem rechtswidrigen Verhalten offen distanziert hätte – und nicht einmal behauptet, dass sie die übrigen Beteiligten darüber unterrichtet hätte –, noch überzeugend erklärt hat, aus welchen Gründen der Austausch sensibler Daten über die Peroxid Chemie und die AC Treuhand fortgeführt wurde.

69      Drittens kann der Umstand, dass AKZO die Klägerin möglicherweise nicht über ihre Absicht unterrichtete, ihre Teilnahme am Kartell im Jahr 1999 einzustellen, obgleich sie die übrigen Beteiligten hierüber unterrichtete (Randnr. 187 der Entscheidung), entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht belegen, dass diese zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an der spanischen Nebenabrede beteiligt war, und erst recht nicht, dass es sich schon in den Jahren vor dieser Mitteilung, also 1997 und 1998, so verhielt.

70      Die Klägerin hat schließlich wiederholt geltend gemacht, dass die von AKZO und Atochem/Atofina gelieferten Informationen und Erläuterungen deshalb nicht glaubhaft seien, weil diese eine Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit begehrt und deshalb ein gewisses Interesse daran gehabt hätten, die Klägerin zu belasten. Auch wenn gegenüber den freiwilligen Angaben der Hauptteilnehmer an einem rechtswidrigen Kartell im Allgemeinen ein gewisses Misstrauen angebracht ist, da sie die Neigung haben können, die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darzustellen (vgl. Randnr. 278 der Entscheidung), ändert dies doch nichts daran, dass dieses Argument der Klägerin nicht der inneren Logik des in der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehenen Verfahrens entspricht. Das Antragsbegehren nämlich, durch die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit eine Herabsetzung der eigenen Geldbuße zu erwirken, begründet nicht zwangsläufig einen Anreiz zur Vorlage verfälschter Beweise gegen die übrigen Beteiligten an dem inkriminierten Kartell. Denn jeder Versuch einer Irreführung der Kommission ist geeignet, die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit der Kooperation des Antragstellers in Frage zu stellen und damit die für ihn bestehende Möglichkeit zu gefährden, ungeschmälert in den Genuss der Mitteilung über Zusammenarbeit zu gelangen. Angesichts des Umfangs und der Zahl von übereinstimmenden Indizien, die für die Richtigkeit der Erklärungen von AKZO und Atochem/Atofina sprechen, kann das Argument der Klägerin deshalb nicht durchgreifen.

71      Nach alledem ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission über hinreichende Anhaltspunkte verfügte, die die in der Entscheidung enthaltene Beurteilung rechtfertigen, dass die spanische Nebenabrede jedenfalls bis Ende März 1997 funktionsfähig war, und zwar unter – zumindest mittelbarer – Beteiligung der Klägerin. Die Klägerin hat es auch nicht vermocht, diese Anhaltspunkte, wie in der Rechtsprechung verlangt wird, mittels tatsächlicher Angaben konkret zu bestreiten und dadurch ihren Beweiswert zu erschüttern oder eine überzeugende alternative Erklärung für ihr Bestehen zu geben. Da die Kommission die oben wiedergegebenen Tatsachen ermitteln konnte, die die fortgesetzte Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede über den 20. März 1997 hinaus untermauern, wäre es jedoch Sache der Klägerin gewesen, eine alternative Erläuterung oder Rechtfertigung vorzubringen, die die vorgenommene Auslegung dieser Anhaltspunkte hätte widerlegen können, da sonst der Schluss zulässig ist, dass die Kommission den Anforderungen an die ihr obliegende Beweislast genügt hat (vgl. in diesem Sinne oben in Randnr. 50 zitierten Urteil Aarlborg Portland u. a./Kommission, Randnr. 79).

72      Im Ergebnis sind damit die Feststellungen der Kommission insbesondere in den Randnummern 257 bis 261 der Entscheidung, soweit sie die Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede zumindest bis Ende März 1997 betreffen, weder offensichtlich fehlerhaft noch rechtswidrig. Angesichts der erwiesenen Fortführung der Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede bis mindestens zum 20. März 1997 und der Unterbrechung der Verjährung spätestens am 20. März 2002 unterlag die Verfolgung der Klägerin durch die Kommission zum Zweck der Verhängung einer Geldbuße nach Artikel 81 EG nicht der Verjährung.

73      Folglich hat die Kommission im vorliegenden Fall die für die Verjährung nach den Artikeln 1 und 2 der Verjährungsverordnung geltenden Kriterien nicht verkannt.

74      Hieraus ergibt sich weiter, dass die übrigen von der Klägerin für ihren Klagegrund angeführten Rügen, wonach sie die Hauptvereinbarung nicht gekannt habe, zwischen dieser und der spanischen Nebenabrede kein Zusammenhang bestanden habe und das genaue Datum der Verjährungsunterbrechung fehlerhaft beurteilt worden sei, nicht geprüft zu werden brauchen.

75      Der Klagegrund ist daher als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

 Zur angeblichen Diskriminierung der Klägerin gegenüber Pergan

76      Soweit die Klägerin hilfsweise geltend macht, sie sei gegenüber Pergan diskriminiert worden, in deren Fall die Kommission den Ablauf der Verjährungsfrist bejaht habe, obgleich sich Pergan in gleicher Lage wie die Klägerin befunden habe, sind zwei mögliche Fallgestaltungen zu unterscheiden, nämlich erstens die etwaige Rechtswidrigkeit und zweitens die etwaige Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Kommission gegenüber Pergan.

77      Hinsichtlich der ersten möglichen Fallgestaltung, die eine fehlerhafte Anwendung der für die Verjährung maßgebenden Kriterien seitens der Kommission gegenüber Pergan voraussetzt, ist festzustellen, dass ein solches rechtswidriges Handeln, mit dem das Gericht im Rahmen der vorliegenden Klage nicht befasst ist, keinesfalls zur Begründetheit der von der Klägerin erhobenen Nichtigkeitsklage führen kann. Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, woraus sich ergibt, dass sich niemand darauf berufen kann, das Recht sei zugunsten eines anderen fehlerhaft angewandt worden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 4. Juli 1985 in der Rechtssache 134/84, Williams/Rechnungshof, Slg. 1985, 2225, Randnr. 15; Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑327/94, SCA Holding/Kommission, Slg. 1998, II‑1373, Randnr. 160, und vom 20. März 2002 in der Rechtssache T‑23/99, LR AF 1998/Kommission, Slg. 2002, II‑1705, Randnr. 367). Denn ein etwaiges rechtswidriges Handeln gegenüber einem anderen Unternehmen, das am vorliegenden Verfahren nicht beteiligt ist, kann nicht dazu führen, dass das Gericht eine Diskriminierung und damit ein rechtswidriges Handeln gegenüber der Klägerin feststellt. Eine solche Vorgehensweise liefe darauf hinaus, den Grundsatz der „Gleichbehandlung im Unrecht“ anzuerkennen und die Kommission im vorliegenden Fall dazu zu verpflichten, die ihr vorliegenden Beweise für die Verhängung einer Sanktion gegen ein Unternehmen, das eine damit bedrohte Zuwiderhandlung begangen hat, allein deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil ein anderes Unternehmen in möglicherweise vergleichbarer Lage rechtswidrig einer solchen Sanktion entgangen ist. Im Übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung zum Gleichbehandlungsgrundsatz klar, dass ein Unternehmen, das durch sein Verhalten gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßen hat, nicht deshalb jeder Sanktion entgehen kann, weil gegen andere Wirtschaftsteilnehmer, mit deren Situation der Gemeinschaftsrichter – wie im vorliegenden Fall – nicht befasst ist, keine Geldbuße verhängt wurde (Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1993 in den Rechtssachen C‑89/85, C‑104/85, C‑114/85, C‑116/85, C‑117/85 und C‑125/85 bis C‑129/85, Slg. 1993, I‑1307, Randnr. 197, und Urteil des Gerichts vom 16. Dezember 2003 in den Rechtssachen T‑5/00 und T‑6/00, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied und Technische Unie/Kommission, Slg. 2003, II‑5761, Randnr. 430).

78      Was die zweite mögliche Fallgestaltung angeht, dass das Handeln der Kommission gegenüber Pergan – insbesondere wegen Verjährung mangels hinreichender Beweise für die fortdauernde Beteiligung dieses Unternehmens an der Zuwiderhandlung – nicht rechtswidrig war, so stellt sich nach Auffassung des Gerichts die Frage einer etwaigen Diskriminierung gleichfalls nicht. Insoweit ist daran zu erinnern, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nur dann vorliegt, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. oben in Randnr. 77 zitiertes Urteil Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebiet und Technische Unie/Kommission, Randnr. 428 und die dort zitierte Rechtsprechung). Anders als es für die Lage von Pergan in dieser zweiten Fallgestaltung zuträfe, verfügte die Kommission aber im Fall der Klägerin über hinreichende Beweise, um deren fortgesetzte Beteiligung an der Zuwiderhandlung festzustellen und ihr nach Artikel 81 EG eine Sanktion aufzuerlegen (vgl. oben, Randnrn. 50 bis 72). Nach Auffassung des Gerichts konnte die Kommission daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Lage der Klägerin und die von Pergan wegen des Vorliegens oder Fehlens von Beweisen hinsichtlich der Dauer der jeweiligen Beteiligung der Unternehmen an der Zuwiderhandlung nicht vergleichbar waren.

79      Das Vorbringen einer Diskriminierung der Klägerin kann daher in keiner der beiden genannten Fallgestaltungen durchgreifen.

 Zu den Anträgen auf Erlass prozessleitender und Beweismaßnahmen

80      Das Gericht ist der Auffassung, dass die Anträge der Klägerin auf Anhörung von Zeugen und Erteilung einer Anordnung an die Kommission, bestimmte vertrauliche Schriftstücke aus ihren Akten vorzulegen, offensichtlich unzulässig und unbegründet sind. Zum einen sind die Anträge hinsichtlich der Tatsachen und relevanten Schriftstücke, die nach Artikel 64 § 3 Buchstabe d und Artikel 65 Buchstaben b und c in Verbindung mit Artikel 68 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts Gegenstand solcher Maßnahmen sein könnten, nicht hinreichend genau, um zulässig zu sein. Überdies hat die Klägerin keinen präzisen und schlüssigen Anhaltspunkt dafür benannt, dass die beantragten Zeugenvernehmungen und in Frage stehenden Schriftstücke für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits von Interesse sein könnten. Zum anderen ist das Gericht angesichts der Schriftsätze der Parteien, der zu den Akten genommenen Unterlagen und der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung seiner Auffassung nach hinreichend unterrichtet, um über den vorliegenden Rechtsstreit entscheiden zu können.

81      Die von der Klägerin gestellten Anträge auf Erlass von prozessleitenden und Beweismaßnahmen sind daher zurückzuweisen.

82      Nach alledem ist die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.

 Kosten

83      Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Klägerin trägt die Kosten.

Jaeger

Azizi

Cremona

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. November 2006.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       M. Jaeger

Inhaltsverzeichnis


Rechtlicher Rahmen

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Verfahren und Anträge der Parteien

Entscheidungsgründe

1.  Zur Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung der Artikel 1 und 4 der Entscheidung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

2.  Zum Klagegrund einer fehlerhaften Anwendung der Verjährungsvorschriften durch die Kommission

Vorbringen der Parteien

Vorbemerkung

Zur Kenntnis der Klägerin von der Hauptvereinbarung

Zur Beendigung der Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede

Zum Beginn des Laufs der Verjährungsfrist

Zu den Anträgen auf prozessleitende und Beweismaßnahmen

Würdigung durch das Gericht

Vorbemerkung

Zum Datum der Beendigung der Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede

–  Zur Verteilung der Beweislast zwischen der Klägerin und der Kommission

–  Zum Beweiswert der Elemente, auf die die Kommission ihre Beurteilung stützt, dass die Beteiligung der Klägerin an der spanischen Nebenabrede zumindest bis zum 20. März 1997 fortdauerte

–  Zu dem Vorbringen der Klägerin, dass für ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung zumindest bis zum 20. März 1997 keine Beweise vorlägen

Zur angeblichen Diskriminierung der Klägerin gegenüber Pergan

Zu den Anträgen auf Erlass prozessleitender und Beweismaßnahmen

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.