Rechtssache C-291/03

MyTravel plc

gegen

Commissioners of Customs & Excise

(Vorabentscheidungsersuchen des VAT and Duties Tribunal, Manchester)

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Regelung für Reisebüros – Pauschalreisen – Von Dritten erworbene Leistungen und eigene Leistungen – Methode für die Berechnung der Steuer“

Schlussanträge des Generalanwalts P. Léger vom 12. Mai 2005 

Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 6. Oktober 2005 

Leitsätze des Urteils

1.     Gemeinschaftsrecht – Unmittelbare Wirkung – Mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbare nationale Abgaben – Erstattung – Umstände – Anwendung des nationalen Rechts – Grenzen – Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität

2.     Vorabentscheidungsverfahren – Auslegung – Zeitliche Wirkung von Auslegungsurteilen – Rückwirkung – Begrenzung durch den Gerichtshof

(Artikel 234 EG)

3.     Steuerrecht – Harmonisierung – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Sonderregelung für Reisebüros – Neuberechnung der Mehrwertsteuerschuld nach der vom Gerichtshof als gemeinschaftsrechtskonform angesehenen Methode – Zulässigkeit – Voraussetzungen

(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 26)

4.     Steuerrecht – Harmonisierung – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Sonderregelung für Reisebüros – Zum Teil aus eigenen Leistungen und zum Teil aus von Dritten erworbenen Leistungen bestehende Pauschalreisen – Berechnung der Abgabe – Anwendung des Kriteriums des Marktwertes auf die eigenen Leistungen – Voraussetzungen – Bestimmung des Marktwertes von Flugreisen durch das vorlegende Gericht

(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 26)

1.     In Ermangelung einer Gemeinschaftsregelung über die Erstattung von Abgaben ist es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen zu regeln, unter denen eine solche Erstattung verlangt werden kann; diese Voraussetzungen müssen dem Äquivalenzprinzip und dem Effektivitätsprinzip entsprechen, d. h., sie dürfen nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die auf Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, und sie dürfen nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen.

(vgl. Randnr. 17)

2.     Wenn der Gerichtshof im Rahmen seiner Befugnisse nach Artikel 234 EG eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts auslegt, verdeutlicht er, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden gewesen wäre. Ein Vorabentscheidungsurteil ist daher geeignet, Wirkungen auf Rechtsbeziehungen zu entfalten, die vor seinem Erlass entstanden sind. Daraus folgt insbesondere, dass eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts in ihrer Auslegung durch ein solches Urteil von einer Verwaltungsbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch auf Rechtsbeziehungen anzuwenden ist, die vor der Verkündung des Urteils des Gerichtshofes über die Vorabentscheidungsfrage entstanden sind. Etwas anderes gilt nur, wenn der Gerichtshof in seinem Urteil den Anwendungsbereich dieser Auslegung ausnahmsweise zeitlich beschränkt.

(vgl. Randnrn. 16-17)

3.     Ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter, das bzw. der seine Mehrwertsteuererklärung für einen Besteuerungszeitraum unter Verwendung der Methode abgegeben hat, die in der nationalen Regelung zur Umsetzung der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in das innerstaatliche Recht vorgesehen ist, kann seine Mehrwertsteuerschuld nach der vom Gerichtshof als gemeinschaftsrechtskonform angesehenen Methode unter den in seinem nationalen Recht vorgesehenen Bedingungen, die dem Äquivalenzprinzip und dem Effektivitätsprinzip entsprechen müssen, neu berechnen.

(vgl. Randnr. 18, Tenor 1)

4.     Artikel 26 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ist dahin auszulegen, dass ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter, das bzw. der gegen Zahlung eines Pauschalpreises dem Reisenden von Dritten erworbene sowie selbst erbrachte Leistungen liefert, grundsätzlich den seinen eigenen Leistungen entsprechenden Teil des Pauschalangebots auf der Grundlage des Marktwerts dieser Leistungen errechnen muss, sofern dieser Wert bestimmt werden kann. In einem solchen Fall kann ein Steuerpflichtiger jedoch das Kriterium der tatsächlichen Kosten verwenden, wenn er nachweist, dass dieses Kriterium der tatsächlichen Struktur des Pauschalangebots exakt Rechnung trägt. Die Anwendung des Kriteriums des Marktwerts ist weder davon, dass sie einfacher ist als die Anwendung der auf die tatsächlichen Kosten gestützten Methode, noch davon abhängig, dass sie zu einer Mehrwertsteuerschuld führt, die der Schuld gleich oder ähnlich ist, die sich bei der Verwendung der auf die tatsächlichen Kosten gestützten Methode ergeben würde. Daher

–      darf ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter die auf den Marktwert gestützte Methode nicht nach eigenem Ermessen anwenden und

–      gilt die letztgenannte Methode für die eigenen Leistungen, deren Marktwert bestimmt werden kann, auch wenn im Rahmen desselben Besteuerungszeitraums der Wert anderer eigener Bestandteile der Pauschalleistung nicht bestimmt werden kann, weil der Steuerpflichtige keine ähnlichen Leistungen außerhalb eines Pauschalangebots verkauft.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung der Umstände des Ausgangsrechtsstreits den Marktwert der im Rahmen der Pauschalurlaubsreisen gelieferten Flugreisen zu bestimmen. Dieses Gericht kann diesen Marktwert ausgehend von Durchschnittswerten bestimmen. In diesem Zusammenhang kann der Markt, der auf den an andere Reiseveranstalter verkauften Sitzen basiert, den am besten geeigneten Markt darstellen.

(vgl. Randnrn. 41, 45, Tenor 2-3)




URTEIL DES GERICHTSHOFES (Dritte Kammer)

6. Oktober 2005(*)

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Regelung für Reisebüros – Pauschalreisen – Von Dritten erworbene Leistungen und eigene Leistungen – Methode für die Berechnung der Steuer“

In der Rechtssache C‑291/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom VAT and Duties Tribunal, Manchester (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 30. Juni 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Juli 2003, in dem Verfahren

MyTravel plc

gegen

Commissioners of Customs & Excise

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter), J.-P. Puissochet, S. von Bahr und U. Lõhmus,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: M. M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–       der MyTravel plc, vertreten durch N. Gibbon, Solicitor, und J. Woolf, Barrister,

–       der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch K. Manji als Bevollmächtigten, Beistand: N. Paines, QC,

–       der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Mai 2005

folgendes

Urteil

1       Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2       Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Firma MyTravel plc (im Folgenden: Klägerin) und den Commissioners of Customs & Excise darüber, ob auf diese Firma nach dem Urteil vom 22. Oktober 1998 in den Rechtssachen C‑308/96 und C‑94/97 (Madgett und Baldwin, Slg. 1998, I‑6229) die Regelung des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie anzuwenden ist.

 Rechtlicher Rahmen

3       Nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie ist Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die Mehrzahl der Dienstleistungen „alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll“.

4       Artikel 26 dieser Richtlinie, der eine Sonderregelung für die Umsätze der Reisebüros und Reiseveranstalter enthält, sieht vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten wenden die Mehrwertsteuer auf die Umsätze der Reisebüros nach den Vorschriften dieses Artikels an, soweit die Reisebüros gegenüber den Reisenden im eigenen Namen auftreten und für die Durchführung der Reise Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch nehmen. Die Vorschriften dieses Artikels gelten nicht für Reisebüros, die lediglich als Vermittler handeln und auf die Artikel 11 Teil A Absatz 3 Buchstabe c) anzuwenden ist. Im Sinne dieses Artikels gelten als Reisebüros auch Reiseveranstalter.

(2) Die bei Durchführung der Reise vom Reisebüro erbrachten Umsätze gelten als eine einheitliche Dienstleistung des Reisebüros an den Reisenden. Sie wird in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem das Reisebüro den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus es die Dienstleistung erbracht hat. Für diese Dienstleistung gilt als Besteuerungsgrundlage und als Preis ohne Steuer im Sinne des Artikels 22 Absatz 3 Buchstabe b) die Marge des Reisebüros, das heißt die Differenz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsächlichen Kosten, die dem Reisebüro durch die Inanspruchnahme von Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger entstehen, soweit diese Umsätze dem Reisenden unmittelbar zugute kommen.

(3) Werden die Umsätze, für die das Reisebüro andere Steuerpflichtige in Anspruch nimmt, von diesen außerhalb der Gemeinschaft erbracht, so wird die Dienstleistung des Reisebüros einer nach Artikel 15 Nummer 14 befreiten Vermittlungstätigkeit gleichgestellt. Werden diese Umsätze sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gemeinschaft erbracht, so ist nur der Teil der Dienstleistung des Reisebüros als steuerfrei anzusehen, der auf die Umsätze außerhalb der Gemeinschaft entfällt.

(4) Beim Reisebüro ist der Vorsteuerabzug oder die Rückerstattung der Steuern in jedem Mitgliedstaat für die Steuern ausgeschlossen, die dem Reisebüro von anderen Steuerpflichtigen für die in Absatz 2 bezeichneten Umsätze in Rechnung gestellt werden, welche dem Reisenden unmittelbar zugute kommen.“

5       Artikel 26 der Sechsten Richtlinie wird im innerstaatlichen Recht durch Section 53 des Mehrwertsteuergesetzes von 1994 (Value Added Tax Act 1994) sowie durch die Verordnung über die Mehrwertsteuer bei Reiseveranstaltern von 1987 (Value Added Tax [Tour Operators] Order 1987) umgesetzt. Die nationalen Bestimmungen wurden durch die Bekanntmachung 709/5/88 und später durch die Bekanntmachung 709/5/96 der Commissioners of Customs & Excise betreffend die Regelung über die für Reiseveranstalter geltende Marge (Tour Operators’ Margin Scheme VAT Notice; im Folgenden: TOMS-Regelung) präzisiert. Nach dieser Regelung wird der Gesamtbetrag, den der Reiseveranstalter erhalten hat, auf die von Dritten erworbenen Leistungen und die eigenen Leistungen nach Maßgabe der tatsächlichen Kosten jeden Bestandteils aufgeteilt.

 Das Ausgangsverfahren und die Vorabentscheidungsfragen

6       Die Klägerin veranstaltet Pauschalurlaubsreisen ins Ausland. Sie kauft die Unterkunft regelmäßig bei Dritten. Da sie eine eigene Fluglinie besitzt, übernimmt sie jedoch im Allgemeinen die Beförderung der Reisenden an deren Urlaubsort. Auch verkauft sie an Reisende als „Nur-Flug“ („seat only“) bezeichnete Einzelflugscheine an Bord ihres eigenen Flugzeugs oder bei anderen Firmen erworbene Sitze sowie an andere Reiseveranstalter so genannte „en gros verkaufte Sitze“ („broked seats“). Sie gab ihre Mehrwertsteuererklärung für die Jahre 1995 bis 1999 unter Anwendung der TOMS-Regelung ab. Nach dem Urteil Madgett und Baldwin berechnete sie ihre Mehrwertsteuerschuld für die Jahre 1995 bis 1997 in der Weise neu, dass sie sich auf den Marktwert der im Rahmen der Pauschalurlaubsreisen verkauften Sitze stützte.

7       Für die Berechnung dieses Marktwerts verwendete die Klägerin zwei Methoden. Für das Jahr 1995 und anscheinend auch für das Jahr 1996 nahm sie als Ausgangspunkt die Kosten der im Rahmen der Pauschalreisen verkauften Flugscheine, zu denen sie eine „prozentuale Erhöhung“ in der Höhe hinzurechnete, die sie angeblich über den gleichen Zeitraum beim Verkauf von Einzelflugscheinen erzielt hat. Im Laufe des Jahres 1995 verkaufte die Klägerin auch Pauschalurlaubsreisen mit Kreuzfahrten, Flugreisen mit Zurverfügungstellung eines Fahrzeugs und Unterbringung auf Campingplätzen. Sie hat jedoch ihre Mehrwertsteuerschuld unter Anwendung des Kriteriums des Marktwerts nur in Bezug auf Flugreisen neu berechnet, da sie der Auffassung war, dass sie bei anderen Eigenleistungen keine geeigneten Anknüpfungspunkte für einen Vergleich habe.

8       Für das Jahr 1997 veranschlagte die Klägerin ausgehend von einem „Bericht über die Rentabilität der Verbindungen“ („Route Profitability Report“) den von ihr mit außerhalb der Pauschalreisen an Reisende verkauften Flugscheinen erzielten durchschnittlichen linearen Ertrag mit 153 GBP. Nach ihren Angaben gilt dieser Betrag für alle verkauften Flugscheine.

9       Nachdem die Klägerin die Kosten der im Rahmen von Pauschalurlaubsreisen verkauften Flugscheine auf diesen Grundlagen neu berechnet hatte, forderte sie von den Commissioners of Customs & Excise für die Jahre 1995 bis 1997 die Erstattung von 212 000 GBP, 2 004 857 GBP bzw. 711 051 GBP. Die Höhe dieser Beträge ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die von der Klägerin verwendete Methode bewirkt, dass der Teil des Pauschalpreises, der auf die Beförderung entfällt, sich erhöht und dass dieser nach dem geltenden nationalen Recht mit 0 % besteuert wird.

10     Die Commissioners of Customs & Excise lehnten die Anträge der Klägerin ab. Nach ihrem Vortrag vor dem vorlegenden Gericht ergibt sich aus dem Urteil Madgett und Baldwin, dass die auf den Marktwert gestützte Methode zur Ermittlung des die Eigenleistungen betreffenden Teils des Pauschalpreises nicht verwendet werden darf, wenn – wie dies bei der Klägerin der Fall sei – für sie nicht spricht, dass sie einfach ist, wenn sie zu einer willkürlichen Marge auf die erworbenen Leistungen führt und wenn sie die Mehrwertsteuerschuld erheblich ändert. Darüber hinaus erlaube dieses Urteil es nicht, eine solche Methode selektiv anzuwenden, und der Betrag von 153 GBP stelle nicht den Marktwert der im Rahmen der Pauschalangebote verkauften Flugscheine dar.

11     Die Klägerin hat dagegen vorgetragen, in jenem Urteil habe der Gerichtshof das Vorbringen zurückgewiesen, dass das Kriterium der tatsächlichen Kosten einen verlässlicheren Indikator für den Wert der einzelnen Teile eines Pauschalangebots darstelle. Außerdem könne nicht verlangt werden, dass die beiden Methoden zu ein und derselben Mehrwertsteuerschuld führten, weil dies die Wirtschaftsteilnehmer dazu zwingen würde, die jeder dieser Methoden entsprechenden Berechnungen durchzuführen. Der Teil der Begründung jenes Urteils, der darauf abstelle, dass die auf den Marktwert gestützte Methode einfacher sei, stelle nur einen Faktor dar, der bei der gefundenen Entscheidung berücksichtigt worden sei, nicht aber eine Voraussetzung, von der die Benutzung dieser Methode abhängig sei.

12     Die Klägerin hält sich für berechtigt, die auf den Marktwert gestützte Methode zu verwenden, soweit sie über einen zufrieden stellenden Ansatzpunkt für einen Vergleich verfüge, wie das bei Flugreisen der Fall sei, und da Artikel 26 der Sechsten Richtlinie dem nicht entgegenstehe, dass sie sowohl diese als auch die auf die tatsächlichen Kosten gestützte Methode verwende. Was den Betrag von 153 GBP angehe, so gebe er den Durchschnittswert der einzeln verkauften Flugscheine wieder und könne als Grundlage für die Bewertung der im Rahmen der Pauschalangebote gelieferten Reisen dienen, da der Gerichtshof im Urteil Madgett und Baldwin nicht verlangt habe, dass der Wirtschaftsteilnehmer den Marktpreis der eigenen Leistungen anhand von ähnlichen, nicht aber von identischen Leistungen festsetze.

13     Das VAT and Duties Tribunal, Manchester, hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Darf ein Reiseveranstalter nach Einreichung seiner Mehrwertsteuererklärung für ein Steuerjahr, bei der er die Methode der tatsächlichen Kosten angewandt hat, die im nationalen Recht zur Durchführung der Richtlinie allein vorgesehen war, überhaupt, gegebenenfalls unter welchen Umständen, nachträglich seine Mehrwertsteuerschuld teilweise nach der in Randnummer 46 des Urteils Madgett und Baldwin dargelegten Marktwertmethode neu berechnen?

a)      Darf ein solcher Reiseveranstalter insbesondere den Marktwert wahlweise für verschiedene Steuerjahre heranziehen und falls ja, unter welchen Umständen?

b)      Darf der Reiseveranstalter, der einige Eigenleistungskomponenten seiner Pauschalpakete den Kunden auf einer Nichtpauschalbasis (in diesem Fall Flüge), andere Eigenleistungskomponenten einiger seiner Pauschalpakete den Kunden hingegen nicht auf einer Nichtpauschalbasis anbietet (in diesem Fall Kreuzfahrten und Campingplätze),

–      die Marktwertmethode in Bezug auf die Pakete (die die große Mehrheit darstellen) anwenden, bei denen er den Wert seiner gesamten Eigenleistungen (in diesem Fall Flüge) anhand der Verkäufe an seine Kunden auf einer Nichtpauschalbasis ermitteln kann,

–      in Fällen, in denen das Paket Eigenleistungen umfasst, die der Reiseveranstalter den Kunden nicht auf einer Nichtpauschalbasis anbietet (in diesem Fall Kreuzfahrten und Campingplätze), die Marktwertmethode anwenden, um den Wert derjenigen Eigenleistungen zu ermitteln, die er seinen Kunden erbringt (in diesem Fall Flüge), wenn ein Marktwert für andere Teile des Pakets nicht ermittelt werden konnte?

c)      Muss die Anwendung einer Kombination beider Methoden a) einfacher oder b) bedeutend einfacher oder c) nicht bedeutend komplizierter sein?

d)      Muss die Marktwertmethode zur gleichen oder einer nahezu gleichen Mehrwertsteuerschuld führen wie die Kostenmethode?

2.      Ist es unter den Umständen des vorliegenden Falles möglich, den Teil der Eigenleistung, der sich auf Flüge bezieht, die als Teil eines Urlaubspakets verkauft werden, dadurch zu ermitteln, dass entweder a) die Durchschnittskosten eines Flugtickets, erhöht um die Durchschnittsmarge des Reiseveranstalters bei Nur-Flug-Angeboten in dem betreffenden Steuerjahr, oder b) die Durchschnittseinnahmen des Reiseveranstalters bei Nur-Flug-Angeboten des betreffenden Steuerjahres herangezogen werden?

 Zu den Vorabentscheidungsfragen

 Zur ersten Frage

14     Die erste Frage des VAT and Duties Tribunal, Manchester, die in mehrere Teile untergliedert ist, geht im Wesentlichen dahin, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Reiseveranstalter wie die Klägerin die steuerbare Marge im Sinne von Artikel 26 der Sechsten Richtlinie nach der im Urteil Madgett und Baldwin beschriebenen Marktwertmethode neu berechnen darf.

 Zum ersten Teil der ersten Frage

15     Es ist zu prüfen, ob ein Reiseveranstalter, der eine Mehrwertsteuererklärung für einen Besteuerungszeitraum unter Verwendung der Methode abgegeben hat, die in der nationalen Regelung zur Umsetzung der Sechsten Richtlinie vorgesehen ist, berechtigt ist, seine Mehrwertsteuerschuld aufgrund eines Urteils des Gerichtshofes nach der Methode neu zu berechnen, die in diesem Urteil als der Richtlinie entsprechend angesehen worden ist.

16     Nach ständiger Rechtsprechung verdeutlicht der Gerichtshof, wenn er im Rahmen seiner Befugnisse nach Artikel 234 EG eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts auslegt, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden gewesen wäre (siehe in diesem Sinne Urteile vom 27. März 1980 in der Rechtssache 61/79, Denkavit italiana, Slg. 1980, 1205, Randnr. 16, vom 6. Juli 1995 in der Rechtssache C‑62/93, BP Soupergaz, Slg. 1995, I‑1883, Randnr. 39, und vom 13. Januar 2004 in der Rechtssache C‑453/00, Kühne & Heitz, Slg. 2004, I‑837, Randnr. 21). Etwas anderes gilt nur, wenn der Gerichtshof in seinem Urteil den Anwendungsbereich dieser Auslegung ausnahmsweise zeitlich beschränkt (siehe in diesem Sinne Urteil Denkavit italiana, Randnr. 17, Urteil vom 29. November 2001 in der Rechtssache C‑366/99, Griesmar, Slg. 2001, I‑9383, Randnr. 74, und, für eine neuere Anwendung dieser Grundsätze auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, Urteil vom 17. Februar 2005 in den Rechtssachen C‑453/02 und C‑462/02, Linneweber und Akritidis, Slg. 2005, I‑1131, Randnrn. 41 bis 45).

17     Ein Vorabentscheidungsurteil ist geeignet, Wirkungen auf Rechtsbeziehungen zu entfalten, die vor seinem Erlass entstanden sind. Daraus folgt insbesondere, dass eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts in ihrer Auslegung durch ein solches Urteil von einer Verwaltungsbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch auf Rechtsbeziehungen anzuwenden ist, die vor der Verkündung des Urteils des Gerichtshofes über die Vorabentscheidungsfrage entstanden sind (siehe in diesem Sinne Urteil Kühne & Heitz, Randnr. 22). In Ermangelung einer Gemeinschaftsregelung über die Erstattung von Abgaben ist es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen zu regeln, unter denen eine solche Erstattung verlangt werden kann; diese Voraussetzungen müssen dem Äquivalenzprinzip und dem Effektivitätsprinzip entsprechen, d. h., sie dürfen nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die auf Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, und sie dürfen nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen (siehe in diesem Sinne Urteile vom 9. November 1983 in der Rechtssache 199/82, San Giorgio, Slg. 1983, 3595, Randnr. 12, und vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C‑147/01, Weber’s Wine World u. a., Slg. 2003, I‑11365, Randnr. 103).

18     Damit ist auf den ersten Teil der ersten Frage zu antworten, dass ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter, das bzw. der seine Mehrwertsteuererklärung für einen Besteuerungszeitraum unter Verwendung der Methode abgegeben hat, die in der nationalen Regelung zur Umsetzung der Sechsten Richtlinie in das innerstaatliche Recht vorgesehen ist, seine Mehrwertsteuerschuld nach der vom Gerichtshof als gemeinschaftsrechtskonform angesehenen Methode unter den in seinem nationalen Recht vorgesehenen Bedingungen, die dem Äquivalenzprinzip und dem Effektivitätsprinzip entsprechen müssen, neu berechnen kann.

 Zu den übrigen Teilen der ersten Frage

19     Es ist zunächst zu prüfen, ob die Aufschlüsselung des Pauschalpreises durch einen unter Artikel 26 der Sechsten Richtlinie fallenden Steuerpflichtigen anhand des Kriteriums des Marktwerts für eigene Leistungen voraussetzt, dass die Verwendung dieses Kriteriums in der besonderen Lage dieses Steuerpflichtigen tatsächlich einfacher ist und dass sie zu einer Mehrwertsteuerschuld führt, die der Schuld ähnelt, die anhand des Kriteriums der tatsächlichen Kosten errechnet worden wäre.

20     Zum Kriterium der Einfachheit trägt die Klägerin vor, die Verwendung der Marktwertmethode zur Bestimmung der von einem Reisebüro oder einem Reiseveranstalter geschuldeten Mehrwertsteuer davon abhängig zu machen, dass diese Methode in der besonderen Lage des jeweiligen Steuerpflichtigen tatsächlich einfacher sei als die auf die tatsächlichen Kosten gestützte Methode, würde die Bestimmung der Besteuerungsgrundlage, die einen wesentlichen Bestandteil des Mehrwertsteuersystems darstelle, von einer ungewissen und in gewissem Maße subjektiven Beurteilung abhängig machen.

21     Dagegen vertritt die Regierung des Vereinigten Königreichs die Auffassung, dass ein Steuerpflichtiger wie die Klägerin seine Mehrwertsteuererklärungen nicht unter Anwendung des Kriteriums des Marktwerts ändern dürfe, weil er in der Lage gewesen sei, sie ohne besondere Schwierigkeiten unter Verwendung des Kriteriums der realen Kosten zu erstellen und weil diese Änderung zur Folge habe, dass seine Steuerschuld erheblich gesenkt werde.

22     Wie der Generalanwalt in Nummer 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich aus Randnummer 45 des Urteils Madgett und Baldwin, dass die Gründe, aus denen der Gerichtshof angenommen hat, für die auf den Marktwert gestützte Methode spreche, dass sie einfach sei, nicht mit den besonderen Umständen jener Rechtssache zusammenhingen.

23     Daher ist die Verwendung des Kriteriums des Marktwerts nicht davon abhängig, dass sie einfacher ist als die Verwendung der auf die tatsächlichen Kosten gestützten Methode.

24     Was weiter die Höhe der Mehrwertsteuerschuld angeht, ist zu prüfen, ob die Verwendung der auf den Marktwert gestützten Methode davon abhängig ist, dass sie zu einer Mehrwertsteuerschuld führt, die derjenigen gleich oder ähnlich ist, die bei der Verwendung der auf die tatsächlichen Kosten der Leistungen gestützten Methode erreicht worden wäre.

25     Die Regierung des Vereinigten Königreichs vertritt die Auffassung, dass der Gerichtshof in den Randnummern 45 und 46 des Urteils Madgett und Baldwin bei der Zulassung der auf den Marktwert gestützten Methode dadurch beeinflusst worden sei, dass er damit gerechnet habe, dass diese Methode zu einer Mehrwertsteuerschuld führe, die mit der anhand der auf die tatsächlichen Kosten gestützten Methode berechneten vergleichbar sei.

26     Die Wiedergabe des Umstands, dass die Verwendung dieser beiden Methoden zur Berechnung einer ähnlichen Steuerschuld führt, wird in Randnummer 46 des Urteils Madgett und Baldwin mit dem Wort „zudem“ eingeleitet. Er ist damit kein tragender Gesichtspunkt.

27     Darüber hinaus würde die entgegengesetzte Auslegung, die die Regierung des Vereinigten Königreichs vertritt, dazu führen, dass die Steuerpflichtigen nach der Erstellung ihrer Steuererklärung gemäß der auf den Marktwert gestützten Methode gleichwohl die Rechenoperationen vornehmen müssten, die für die Berechnung der Mehrwertsteuerschuld nach der auf die tatsächlichen Kosten gestützten Methode erforderlich sind, und damit den Nutzen der auf den Marktwert gestützten Methode einschränken.

28     Daher ist die Verwendung des Kriteriums des Marktwerts durch einen unter Artikel 26 der Sechsten Richtlinie fallenden Steuerpflichtigen, der Reisenden gegen einen Pauschalpreis von Dritten erworbene Leistungen und eigene Leistungen liefert, zur Aufschlüsselung dieses Pauschalpreises nicht davon abhängig, dass sie zu einer Mehrwertsteuerschuld führt, die mit derjenigen vergleichbar ist, die bei Verwendung des Kriteriums der tatsächlichen Kosten errechnet würde.

29     Es ist zu prüfen, ob die Verwendung des Kriteriums des Marktwerts, wenn dieser bestimmt werden kann, in das Ermessen des Steuerpflichtigen zu stellen ist.

30     Es ist das Grundprinzip der Mehrwertsteuer, dass durch das System dieser Verbrauchsteuer nur der Endverbraucher belastet werden soll. Die Mehrwertsteuer ist dem Preis der Gegenstände sowie der Dienstleistungen genau proportional; sie wird von den Steuerpflichtigen auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe für Rechnung der Steuerverwaltung erhoben, an die die Steuerpflichtigen sie abzuführen haben. Nach diesem Grundprinzip und der Wirkungsweise dieses Systems muss die von den Steuerbehörden zu erhebende Steuer der tatsächlich bei dem Endverbraucher eingezogenen Steuer entsprechen (siehe in diesem Sinne Urteil vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C‑317/94, Elida Gibbs, Slg. 1996, I‑5339, Randnrn. 18 bis 24). Die Bedingungen der Anwendung der durch Artikel 26 der Sechsten Richtlinie zugunsten der Reisebüros und der Reiseveranstalter eingeführten Sonderregelung dürfen dieses Grundprinzip des Mehrwertsteuersystems, wenn der Steuerpflichtige dem Reisenden gegen Zahlung eines Pauschalpreises gleichzeitig von Dritten erworbene Leistungen und eigene Leistungen liefert, nicht in Frage stellen.

31     Aus dem Urteil Madgett und Baldwin geht hervor, dass die auf den Marktwert gestützte Methode gewählt werden kann, wenn es möglich ist, den Teil des Pauschalpreises, der der eigenen Leistung entspricht, nach dem Marktwert der Leistungen zu errechnen, die den im pauschalen Leistungspaket enthaltenen entsprechen. Dies heißt aber nicht, dass der Steuerpflichtige die Befugnis hätte, diese Methode nach eigenem Ermessen nur dann anzuwenden, wenn dies eine Minderung seiner Steuerschuld gegenüber dem Betrag bewirkt, der sich bei Verwendung der auf die tatsächlichen Kosten gestützten Methode ergäbe.

32     Hätte der Steuerpflichtige eine derartige Befugnis, so könnte er möglicherweise die Besteuerungsgrundlage, für die der geringste Satz gilt, willkürlich erhöhen; damit entstünde eine Ungleichheit im Wettbewerb zwischen Wirtschaftsteilnehmern zugunsten derjenigen, die den Sitz ihrer Tätigkeit oder eine feste Niederlassung in einem Mitgliedstaat haben, der bestimmte Umsätze mit sehr geringen Sätzen oder sogar mit 0 % besteuert, wie dies das Vereinigte Königreich bei der Personenbeförderung tut. Eine solche Auslegung könnte demzufolge dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer zuwiderlaufen.

33     Im Gegensatz dazu wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber, wie sich aus der neunten Begründungserwägung der Sechsten Richtlinie ergibt, eine Harmonisierung der Besteuerungsgrundlage, „damit die Anwendung des gemeinschaftlichen Satzes auf die steuerbaren Umsätze in allen Mitgliedstaaten zu vergleichbaren Ergebnissen führt“. Durch diese Harmonisierung soll also gewährleistet werden, dass aus wirtschaftlicher oder kommerzieller Sicht ähnliche Fallgestaltungen hinsichtlich der Anwendung des Mehrwertsteuersystems gleichbehandelt werden. Diese Harmonisierung trägt dazu bei, die Neutralität dieses Systems zu garantieren.

34     Wie der Generalanwalt in Nummer 68 seiner Schlussanträge festgestellt hat, trifft die Auffassung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu, dass die Aufschlüsselung des Pauschalpreises zwischen den erworbenen Leistungen und den eigenen Leistungen grundsätzlich immer dann auf der Grundlage des Marktwerts der letztgenannten Leistungen erfolgen muss, wenn dieser Wert bestimmt werden kann. Wie der Generalanwalt in Nummer 69 derselben Schlussanträge ebenfalls festgestellt hat, lassen sich dagegen Abweichungen von diesem Grundsatz kaum vollständig ausschließen. Daher kann ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter, das bzw. der nachweisen kann, dass die auf die tatsächlichen Kosten gestützte Methode der tatsächlichen Struktur des Pauschalangebots exakt Rechnung trägt, die Aufschlüsselung seiner Pauschalpreise unter Verwendung dieser Methode anstelle der auf den Marktwert gestützten Methode vornehmen.

35     Somit muss ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter, das bzw. der gegen Zahlung eines Pauschalpreises dem Reisenden von Dritten erworbene Leistungen und eigene Leistungen liefert, grundsätzlich den Teil des Pauschalangebots, der seinen eigenen Leistungen entspricht, nach deren Marktwert errechnen, sofern dieser Wert bestimmt werden kann, es sei denn, es bzw. er kann nachweisen, dass die auf das Kriterium der tatsächlichen Kosten gestützte Methode für den betreffenden Besteuerungszeitraum der tatsächlichen Struktur des Pauschalangebots exakt Rechnung trägt.

36     Darüber hinaus ist es Sache der nationalen Finanzverwaltung und gegebenenfalls des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob der Teil des Pauschalangebots, der den eigenen Leistungen entspricht, auf der Grundlage des Marktwerts dieser Leistungen errechnet werden kann, und in diesem Zusammenhang den am besten geeigneten Markt zu bestimmen.

37     Schließlich fragt das vorlegende Gericht, wie die Aufschlüsselung des Pauschalpreises vorzunehmen ist, wenn der Steuerpflichtige nicht in der Lage ist, den Marktwert bestimmter eigener Leistungen zu bestimmen, weil er außerhalb eines Pauschalangebots keine ähnlichen Leistungen anbietet, ob also dieses Kriterium unter derartigen Umständen dennoch für eigene Leistungen gilt, deren Marktwert festgestellt werden kann.

38     Wie der Generalanwalt in Nummer 77 seiner Schlussanträge festgestellt hat, rechtfertigt der Umstand, dass der Marktwert nicht für die Gesamtheit der von dem Steuerpflichtigen erbrachten eigenen Leistungen bestimmt werden kann, es nicht, von der Anwendung dieses Kriteriums bei der Bewertung der Leistungen abzugehen, bei denen dieser Wert festgestellt werden kann. Bei einer solchen Fallgestaltung ist der Steuerpflichtige zwar gezwungen, den Pauschalpreis unter Verwendung beider Berechnungsmethoden für die eigenen Leistungen aufzuschlüsseln. Jedoch dürfte die kombinierte Anwendung der beiden Methoden nicht auf unüberwindliche praktische Schwierigkeiten stoßen.

39     Wie der Generalanwalt in Nummer 79 seiner Schlussanträge festgestellt hat, sollen außerdem durch Artikel 26 der Sechsten Richtlinie zwar die Mehrwertsteuervorschriften den Besonderheiten der Tätigkeit eines Reisebüros angepasst und dadurch die praktischen Schwierigkeiten verringert werden, die diese Tätigkeit behindern könnten, diese Regelung soll aber – anders als diejenigen zugunsten der Kleinunternehmen und der landwirtschaftlichen Erzeuger – die Anforderungen an die Buchführung, die das normale Mehrwertsteuersystem mit sich bringt, nicht herabsetzen. Daher sieht Artikel 26 Absatz 3 vor, dass dann, wenn die Umsätze, für die diese Wirtschaftsteilnehmer andere Steuerpflichtige in Anspruch nehmen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Europäischen Gemeinschaften erbracht werden, nur der Teil des Pauschalpreises steuerfrei ist, der auf die Umsätze außerhalb der Gemeinschaft entfällt. Auch die Anwendung dieser Vorschrift kann die Reisebüros zwingen, relativ technische Operationen zur Aufteilung ihrer Pauschalen vorzunehmen.

40     Somit gibt es keinen hinreichenden Grund dafür, in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Anwendung des Kriteriums des Marktwerts auszuschließen. Ein Steuerpflichtiger kann daher im Rahmen desselben Besteuerungszeitraums das Kriterium des Marktwerts auf bestimmte Leistungen, nicht aber auf andere anwenden, wenn er nicht in der Lage ist, den Marktwert dieser anderen Leistungen zu bestimmen.

41     Auf die übrigen Teile der ersten Frage ist daher zu antworten, dass Artikel 26 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter, das bzw. der gegen Zahlung eines Pauschalpreises dem Reisenden von Dritten erworbene sowie selbst erbrachte Leistungen liefert, grundsätzlich den seinen eigenen Leistungen entsprechenden Teil des Pauschalangebots auf der Grundlage des Marktwerts dieser Leistungen errechnen muss, sofern dieser Wert bestimmt werden kann. Ein Steuerpflichtiger kann jedoch das Kriterium der tatsächlichen Kosten verwenden, wenn er nachweist, dass dieses Kriterium der tatsächlichen Struktur des Pauschalangebots exakt Rechnung trägt. Die Anwendung des Kriteriums des Marktwerts ist weder davon, dass sie einfacher ist als die Anwendung der auf die tatsächlichen Kosten gestützten Methode, noch davon abhängig, dass sie zu einer Mehrwertsteuerschuld führt, die der Schuld gleich oder ähnlich ist, die sich bei der Verwendung der auf die tatsächlichen Kosten gestützten Methode ergeben würde. Daher

–       darf ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter die auf den Marktwert gestützte Methode nicht nach eigenem Ermessen anwenden und

–       gilt die letztgenannte Methode für die eigenen Leistungen, deren Marktwert bestimmt werden kann, auch wenn im Rahmen desselben Besteuerungszeitraums der Wert anderer eigener Bestandteile der Pauschalleistung nicht bestimmt werden kann, weil der Steuerpflichtige keine ähnlichen Leistungen außerhalb eines Pauschalangebots verkauft.

 Zur zweiten Frage

42     Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob es unter den Umständen des Ausgangsverfahrens möglich ist, den Teil der Eigenleistung, der sich auf Flüge bezieht, die als Teil eines Urlaubspakets verkauft werden, dadurch zu ermitteln, dass entweder die Durchschnittskosten eines Flugscheins, erhöht um die Durchschnittsmarge des Reiseveranstalters beim Einzelverkauf von Sitzen in dem betreffenden Steuerjahr, oder die Durchschnittseinnahmen des Reiseveranstalters beim Einzelverkauf von Sitzen in demselben Steuerjahr herangezogen werden.

43     Der Gerichtshof ist im Verfahren nach Artikel 234 EG nicht befugt, die Normen des Gemeinschaftsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden, sondern kann sich nur zur Auslegung des EG-Vertrags und der Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane äußern (vgl. u. a. Urteile vom 15. Juli 1964 in der Rechtssache 100/63, Van der Veen, Slg. 1964, 1215, 1230, vom 2. Dezember 1964 in der Rechtssache 24/64, Dingemans, Slg. 1964, 1375, 1388, vom 22. Oktober 1998 in den Rechtssachen C‑9/97 und C‑118/97, Jokela und Pitkäranta, Slg. 1998, I‑6267, Randnr. 30, vom 25. Februar 1999 in der Rechtssache C‑86/97, Trans-Ex-Import, Slg. 1999, I‑1041, Randnr. 15, vom 7. September 1999 in der Rechtssache C‑61/98, De Haan, Slg. 1999, I‑5003, Randnr. 29, und vom 10. Mai 2001 in der Rechtssache C‑203/99, Veedfald, Slg. 2001, I‑3569, Randnr. 31). Im Rahmen der Auslegung des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie und in Anbetracht der bereits gemachten Ausführungen dazu, wie der Pauschalpreis aufzuschlüsseln ist, wenn der Steuerpflichtige von Dritten erworbene sowie eigene Leistungen liefert, ist jedoch die zweite Frage insoweit zu beantworten, als sie darauf gerichtet ist, ob es möglich ist, sich zur Bestimmung des Marktwerts auf Durchschnittswerte zu stützen.

44     Wie der Generalanwalt in Nummer 86 seiner Schlussanträge festgestellt hat, steht einer derartigen Praxis nichts entgegen. Ein Durchschnittswert kann sich als repräsentativer erweisen, wenn die Preise der außerhalb eines Pauschalangebots verkauften ähnlichen Leistungen wie im Ausgangsverfahren erhebliche Schwankungen aufweisen. Das vorlegende Gericht, dessen Sache es ist, in jedem Einzelfall den Wert zu ermitteln, der am besten dem Geist der Sechsten Richtlinie entspricht, kann daher den Marktwert der von der Klägerin im Rahmen der Pauschalurlaubsreisen verkauften Flugreisen auf der Grundlage des durchschnittlichen Verkaufspreises von Flugscheinen bestimmen, die von diesem Steuerpflichtigen für denselben Bestimmungsort oder einen vergleichbaren Bestimmungsort verkauft werden. Es ist Sache dieses Gerichts, an diesen Durchschnitten die Berichtigungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um z. B. dem Umstand Rechnung zu tragen, dass im Rahmen von Pauschalangeboten den Kindern der Reisenden Flugsitze kostenlos oder zu ermäßigten Preisen angeboten werden.

45     Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, unter Berücksichtigung der Umstände des Ausgangsrechtsstreits den Marktwert der im Rahmen der Pauschalurlaubsreisen gelieferten Flugreisen zu bestimmen. Dieses Gericht kann diesen Marktwert ausgehend von Durchschnittswerten bestimmen. In diesem Zusammenhang kann der Markt, der auf den an andere Reiseveranstalter verkauften Sitzen basiert, den am besten geeigneten Markt darstellen.

 Kosten

46     Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter, das bzw. der seine Mehrwertsteuererklärung für einen Besteuerungszeitraum unter Verwendung der Methode abgegeben hat, die in der nationalen Regelung zur Umsetzung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in das innerstaatliche Recht vorgesehen ist, kann seine Mehrwertsteuerschuld nach der vom Gerichtshof als gemeinschaftsrechtskonform angesehenen Methode unter den in seinem nationalen Recht vorgesehenen Bedingungen, die dem Äquivalenzprinzip und dem Effektivitätsprinzip entsprechen müssen, neu berechnen.

2.      Artikel 26 der Sechsten Richtlinie ist dahin auszulegen, dass ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter, das bzw. der gegen Zahlung eines Pauschalpreises dem Reisenden von Dritten erworbene sowie selbst erbrachte Leistungen liefert, grundsätzlich den seinen eigenen Leistungen entsprechenden Teil des Pauschalangebots auf der Grundlage des Marktwerts dieser Leistungen errechnen muss, sofern dieser Wert bestimmt werden kann. Ein Steuerpflichtiger kann jedoch das Kriterium der tatsächlichen Kosten verwenden, wenn er nachweist, dass dieses Kriterium der tatsächlichen Struktur des Pauschalangebots exakt Rechnung trägt. Die Anwendung des Kriteriums des Marktwerts ist weder davon, dass sie einfacher ist als die Anwendung der auf die tatsächlichen Kosten gestützten Methode, noch davon abhängig, dass sie zu einer Mehrwertsteuerschuld führt, die der Schuld gleich oder ähnlich ist, die sich bei der Verwendung der auf die tatsächlichen Kosten gestützten Methode ergeben würde. Daher

–       darf ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter die auf den Marktwert gestützte Methode nicht nach eigenem Ermessen anwenden und

–       gilt die letztgenannte Methode für die eigenen Leistungen, deren Marktwert bestimmt werden kann, auch wenn im Rahmen desselben Besteuerungszeitraums der Wert anderer eigener Bestandteile der Pauschalleistung nicht bestimmt werden kann, weil der Steuerpflichtige keine ähnlichen Leistungen außerhalb eines Pauschalangebots verkauft.

3.      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung der Umstände des Ausgangsrechtsstreits den Marktwert der im Rahmen der Pauschalurlaubsreisen gelieferten Flugreisen zu bestimmen. Dieses Gericht kann diesen Marktwert ausgehend von Durchschnittswerten bestimmen. In diesem Zusammenhang kann der Markt, der auf den an andere Reiseveranstalter verkauften Sitzen basiert, den am besten geeigneten Markt darstellen.

Unterschriften.


* Verfahrenssprache: Englisch.