1. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und ‑selbständigen – Anwendbare Rechtsvorschriften – Person, die jede Berufstätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaats aufgegeben hat und in einen anderen Mitgliedstaat umgezogen ist – Rechtsvorschriften des erstgenannten Mitgliedstaats, die die freiwillige Versicherung in bestimmten Zweigen des Systems dieses Staates ermöglichen – Verstoß gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit – Fehlen
(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates, Artikel 13)
2. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und ‑selbständigen – Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit – Grenzen – Beachtung des Gemeinschaftsrechts – Bestimmungen des Vertrages über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer
(Artikel 39 EG)
3. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und ‑selbständigen – Anschluss an ein System der sozialen Sicherheit – Person, die jede Berufstätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaats aufgegeben hat und in einen anderen Mitgliedstaat umgezogen ist – Rechtsvorschriften des erstgenannten Mitgliedstaats, die die Pflichtversicherung in bestimmten Zweigen dieses Systems von einer Wohnortvoraussetzung abhängig machen – Ungünstigere Voraussetzungen für die freiwillige Versicherung als für die Pflichtversicherung – Unzulässigkeit
(Artikel 39 EG)
1. Der in Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 2195/91 geänderten Fassung festgelegte Grundsatz der Einheitlichkeit des Systems der sozialen Sicherheit wird durch die Anwendung von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die den Personen, die jede Berufstätigkeit in diesem Mitgliedstaat eingestellt haben und nicht dort wohnen, die Möglichkeit gibt, nach den Rechtsvorschriften dieses Staates in den Zweigen, in denen sie nicht mehr pflichtversichert sind, freiwillig versichert zu bleiben, nicht in Frage gestellt.
Mit den Vorschriften des Titels II dieser Verordnung, zu denen Artikel 13 gehört, sollen nämlich nicht nur die gleichzeitige Anwendung von Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden, sondern sie sollen auch verhindern, dass Personen, die unter diese Verordnung fallen, der Schutz auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit vorenthalten wird, weil keine nationalen Rechtsvorschriften auf sie anwendbar sind. Es ist Sache jedes Mitgliedstaats, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen eine Person einem System der sozialen Sicherheit oder einem bestimmten Zweig eines solchen Systems beitreten kann oder muss, einschließlich der Voraussetzungen für die Beendigung der Versicherungszugehörigkeit.
(vgl. Randnrn. 33-34, 37-38)
2. Zwar sind die Mitgliedstaaten weiterhin für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit zuständig, jedoch müssen sie dabei gleichwohl das Gemeinschaftsrecht und insbesondere die Bestimmungen des EG-Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer beachten.
(vgl. Randnr. 39)
3. Den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, nach denen eine Person, die jede Berufstätigkeit in seinem Hoheitsgebiet eingestellt hat, in bestimmten Zweigen der sozialen Sicherheit nur dann pflichtversichert bleibt, wenn sie dort ihren Wohnort behält, während sie nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats in anderen Zweigen der sozialen Sicherheit auch dann pflichtversichert bleibt, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, steht Artikel 39 EG entgegen, sofern die Voraussetzungen für die freiwillige Versicherung in den Zweigen, in denen die Pflichtversicherung geendet hat, ungünstiger sind als diejenigen für die Pflichtversicherung.
Solche Rechtsvorschriften versetzen nämlich die Gebietsfremden in Bezug auf ihre soziale Absicherung in eine ungünstigere Lage als die Gebietsansässigen und verletzen dadurch den durch Artikel 39 EG gewährleisteten Grundsatz der Freizügigkeit.
(vgl. Randnrn. 44-45 und Tenor)