SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE Kokott

vom 17. November 2005(1)

Rechtssache C-470/03

A.G.M.-COS.MET s.r.l.

gegen

Republik Finnland

und

Tarmo Lehtinen

(Vorabentscheidungsersuchen des Tampereen käräjäoikeus, Finnland)

„Richtlinie 98/37/EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Maschinen – Maschinen mit CE-Kennzeichnung, die einer harmonisierten Norm nicht entsprechen – Art.28 EG – Maßnahmen gleicher Wirkung – Öffentliche Warnungen eines staatlichen Beamten vor Fahrzeughebebühnen, die aus einem anderen Mitgliedstaat importiert werden – Zurechenbarkeit des Verhaltens eines Beamten an den Staat – Recht auf freie Meinungsäußerung von Beamten – Verhältnismäßigkeit – Haftung des Staates – Haftung von Beamten“





I –    Einführung

1.     Das Tampereen käräjäoikeus (Zivilgericht erster Instanz von Tampere, Finnland) befasst den Gerichtshof mit einem komplexen Sachverhalt, der anlässlich der Auslegung einer Richtlinie über die Betriebssicherheit von Maschinen vor allem Fragen zur Verantwortlichkeit des Staates für das Handeln seiner Beamten, zur Beschränkung des freien Warenverkehrs durch Meinungsäußerungen und schließlich zur Staatshaftung aufwirft.

2.     Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem italienischen Unternehmen A.G.M.-COS.MET s.r.l. (im Folgenden: AGM), das Fahrzeughebebühnen herstellt, und dem finnischen Staat sowie dessen Beamten Lehtinen. AGM verlangt vom finnischen Staat und Herrn Lehtinen Schadensersatz für Umsatzeinbußen, die AGM auf öffentliche Äußerungen Herrn Lehtinens zurückführt, in denen er die Hebebühnen von AGM als normwidrig und gefährlich bezeichnet hat. Die finnische Regierung hält dem entgegen, dass Herr Lehtinen bewusst gegen die offizielle Position seines Ministeriums gehandelt und das Ministerium dies der Öffentlichkeit deutlich gemacht habe. Herr Lehtinen ist unter anderem der Ansicht, die Äußerungen seien durch die Meinungsfreiheit gedeckt.

3.     Vor diesem Hintergrund legt das Tampereen käräjäoikeus dem Gerichtshof einen detaillierten Fragenkatalog vor, der sich in drei Fragenkomplexe gliedern lässt: Erstens ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof zur Feststellung der Normkonformität der betroffenen Hebebühnen um eine Auslegung der Richtlinie über die Betriebssicherheit von Maschinen. Zweitens fragt es, ob die öffentlichen Äußerungen Herrn Lehtinens als dem Staat zurechenbare Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit und Verletzung der Gemeinschaftstreue anzusehen sind und inwieweit diese gegebenenfalls durch die Meinungsfreiheit sowie das Ziel des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt werden können. Für den Fall, dass die Art. 28 EG und 30 EG oder Art. 10 EG verletzt sein sollten, bittet das Tampereen käräjäoikeus drittens um Auskunft darüber, ob die Vorraussetzungen eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Staatshaftungsanspruchs gegeben sind, ob das Gemeinschaftsrecht auch eine Haftung des handelnden Beamten verlangt und inwieweit die Voraussetzungen solcher Haftungsansprüche gegebenenfalls eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des finnischen Rechts erfordern.

II – Rechtlicher Rahmen

4.     Den rechtlichen Rahmen des Falls bilden die Art. 10 EG, 28 EG und 30 EG, sowie die Richtlinie 98/37/EG und die harmonisierte Norm EN 1493 : 1998.

1.      Die Richtlinie 98/37

5.     Zur Beseitigung von Handelshemmnissen aus nationalen Sicherheits- und Gesundheitsbestimmungen und zur Verhütung von Gefahren, die von Maschinen ausgehen, erließ die Gemeinschaft die Richtlinie 98/37/EG (im Folgenden auch: die Richtlinie). Sie legt die zwingenden und grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen für Maschinen und ihre Sicherheitskomponenten fest und sieht ein Verfahren zur Feststellung und Erklärung der Konformität mit diesen Vorgaben vor. Die Konformität wird mit einer CE-Kennzeichnung kenntlich gemacht.(2)

6.     Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie treffen die Mitgliedsstaaten

„… alle erforderlichen Maßnahmen, damit die Maschinen … im Sinne dieser Richtlinie nur in Verkehr gebracht und in Betrieb genommen werden dürfen, wenn sie die Sicherheit und die Gesundheit von Personen … bei … bestimmungsgemäßem Betrieb nicht gefährden.“

7.     Gemäß Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie berührt die Richtlinie

„… nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, unter Einhaltung der Vertragsbestimmungen Anforderungen festzulegen, die sie zum Schutz der Personen und insbesondere der Arbeitnehmer bei der Verwendung der betreffenden Maschinen … für erforderlich halten, sofern dies keine Änderungen dieser Maschinen … in Bezug auf die Bestimmungen dieser Richtlinie zur Folge hat.“

8.     Art. 3 der Richtlinie sieht vor:

„Die Maschinen ... im Sinne dieser Richtlinie müssen die in Anhang I aufgeführten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen erfüllen.“

9.     Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten

„… das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Maschinen …, die den Bestimmungen dieser Richtlinie entsprechen, in ihrem Gebiet nicht verbieten, beschränken oder behindern.“

10.   Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie gehen die Mitgliedstaaten

„… bei Maschinen, die mit der CE-Kennzeichnung versehen sind und denen die EG-Konformitätserklärung gemäß Anhang II Buchst. A beigefügt ist … von der Übereinstimmung mit allen Vorschriften dieser Richtlinie, einschließlich der Vorschriften über die Bewertung der Konformität gemäß Kapitel II, aus.“

11.   Allerdings gilt nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie:

„Stellt ein Mitgliedstaat fest, dass … Maschinen, die mit CE-Kennzeichnung versehen sind … und die bestimmungsgemäß verwendet werden, die Sicherheit von Personen … oder Gütern zu gefährden drohen, so trifft er alle zweckdienlichen Maßnahmen, um die Maschinen … aus dem Verkehr zu ziehen, das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme zu verbieten oder den freien Verkehr für diese Maschinen … einzuschränken.

Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission unverzüglich von einer solchen Maßnahme, begründet seine Entscheidung und gibt insbesondere an, ob die Abweichung von den Anforderungen auf

a)      die Nichterfüllung der in Art. 3 genannten grundlegenden Anforderungen,

b)      die mangelhafte Anwendung der in Art. 5 Abs. 2 genannten Normen,

c)      einen Mangel der in Art. 5 Abs. 2 genannten Normen selbst

zurückzuführen ist. …“

12.   Die Art. 8 und 9 der Richtlinie sehen detaillierte Vorgaben für das Verfahren zur Feststellung der Übereinstimmung einer Maschine mit den Sicherheitsanforderungen der Richtlinie vor, ihr Art. 10 Maßgaben für die Konformitätskennzeichnung mit dem Zeichen aus den beiden Buchstaben „CE“.

13.   Laut Anhang I Vorbemerkung 1 der Richtlinie finden „die Verpflichtungen aufgrund der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen … nur Anwendung, wenn von der betreffenden Maschine bei Verwendung unter den vom Hersteller vorgesehenen Bedingungen die entsprechende Gefahr ausgeht.“ Jedoch gelten die „Anforderungen 1.1.2 … und 1.7.4 für alle unter diese Richtlinie fallenden Maschinen.“

14.   Die Anforderungen 1.1.2 über die „Grundsätze für die Integration der Sicherheit“ lauten auszugsweise wie folgt:

„a)      Durch die Bauart der Maschinen muss gewährleistet sein, dass Betrieb, Rüsten und Wartung bei bestimmungsgemäßer Verwendung ohne Gefährdung von Personen erfolgen.

Die Maßnahmen müssen darauf abzielen, Unfallrisiken … selbst in den Fällen auszuschließen, in denen sich die Unfallrisiken aus vorhersehbaren ungewöhnlichen Situationen ergeben.

b)      Bei der Wahl der angemessensten Lösungen muss der Hersteller folgende Grundsätze anwenden, und zwar in der angegebenen Reihenfolge:

–       Beseitigung oder Minimierung der Gefahren (Integration des Sicherheitskonzepts in die Entwicklung und den Bau der Maschine);

–       Ergreifen von notwendigen Schutzmaßnahmen gegen nicht zu beseitigende Gefahren;

–       Unterrichtung der Benutzer über die Restgefahren aufgrund der nicht vollständigen Wirksamkeit der getroffenen Schutzmaßnahmen; …

c)      Bei der Entwicklung und dem Bau der Maschine sowie bei der Ausarbeitung der Betriebsanleitung muss der Hersteller nicht nur den normalen Gebrauch der Maschine in Betracht ziehen, sondern auch die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Benutzung der Maschine.

Die Maschine ist so zu konzipieren, dass eine nicht ordnungsgemäße Verwendung verhindert wird, falls diese ein Risiko mit sich bringt. Gegebenenfalls ist in der Betriebsanleitung auf sachwidrige Verwendungen … besonders hinzuweisen, die erfahrungsgemäß vorkommen können. …“

15.   Für Hebevorgänge bei Verwendung unter den vom Hersteller vorgesehenen Bedingungen verlangt Anhang I in seinen Anforderungen 4.1.2.3 (Festigkeit):

„Die Maschinen … müssen den Belastungen, denen sie während ihres Betriebs … ausgesetzt sind, unter den vom Hersteller vorgesehenen … Betriebsbedingungen und in allen entsprechenden Betriebszuständen … standhalten können. …

Die Maschinen müssen so konzipiert und ausgeführt sein, dass sie den dynamischen Prüfungen mit der maximalen Tragfähigkeit … einwandfrei standhalten. …

Die dynamischen Prüfungen sind … unter normalen Betriebsbedingungen durchzuführen. Diese Prüfungen werden in der Regel bei vom Hersteller festgelegter Nenngeschwindigkeit durchgeführt. Lässt der Steuerkreis der Maschine mehrere Bewegungen gleichzeitig zu (z. B. Drehung und Verlagerung der Last), so ist der Versuch unter ungünstigsten Bedingungen vorzunehmen …“

16.   Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass Anhang IV der Richtlinie unter „A. Maschinen“ auch den Punkt „15. Hebebühnen für Fahrzeuge“ auflistet, woraus hervorgeht, dass es sich dabei jedenfalls um Maschinen im Anwendungsbereich der Richtlinie handelt.

2.      Die harmonisierte Norm EN 1493 : 1998

17.   Wie sich aus Ziff. 17 der Erwägungsgründe der Richtlinie ergibt,

„… legt diese Richtlinie nur allgemein gültige wesentliche Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen fest, die durch eine Reihe von detaillierten Anforderungen für bestimmte Maschinengattungen ergänzt werden. Um den Herstellern den Nachweis über die Übereinstimmung mit diesen grundlegenden Anforderungen zu erleichtern und um die Übereinstimmung überprüfen zu können, sind harmonisierte Normen auf europäischer Ebene über die Verhütung von Gefahren, die durch die Entwicklung und den Bau von Maschinen entstehen könnten, wünschenswert. Diese auf europäischer Ebene harmonisierten Normen werden von privatrechtlichen Institutionen entwickelt und müssen unverbindliche Bestimmungen bleiben. …“

18.   Weiter erläutert Ziff. 20 der Erwägungsgründe der Richtlinie:

„Entsprechend der gegenwärtig herrschenden Praxis in den Mitgliedstaaten sollten die Hersteller dafür verantwortlich sein, die Übereinstimmung ihrer Maschinen mit den grundlegenden Anforderungen zu bescheinigen. Die Übereinstimmung mit harmonisierten Normen lässt die Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen vermuten. …“

19.   Entsprechend wird nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie

„… bei nach dieser Norm hergestellten Maschinen … davon ausgegangen, dass sie den betreffenden grundlegenden Anforderungen genügen.“

20.   Der Europäische Normungsausschuss (CEN) hat für Fahrzeug-Hebebühnen die harmonisierte Norm EN 1493 : 1998 (im Folgenden: EN 1493) festgelegt(3) und die Kommission hat im Wege einer Mitteilung darauf Bezug genommen.(4)

21.   Als Anforderungen an die tragende Struktur von Fahrzeug-Hebebühnen sieht die harmonisierte Norm in der deutsche Fassung unter Ziff. 5.6 (Bemessung der Tragkonstruktion), 5.6.1 (Allgemeines) vor:

„Fahrzeug-Hebebühnen müssen in Bezug auf Werkstoff, Konstruktion und Ausrüstung so ausgelegt sein, dass bei allen Betriebszuständen ausreichende Sicherheit gewährleistet ist. … “

22.   In Bezug auf die Lastverteilung während eines Hebevorgangs verlangt sie unter Punkt 5.6.4.2 für Fahrzeug-Hebebühnen, bei denen Straßenfahrzeuge am Fahrzeugrahmen angehoben werden:

„Für die Auslegung muss die Fahrzeugpositionierung auf die Lastaufnahmemittel in beiden Fahrtrichtungen betrachtet werden. …

Die Berechnung muss für die ungünstigste Laststellung durchgeführt werden. …“

III – Sachverhalt und Ausgangsverfahren

Die Fahrzeug-Hebebühnen von AGM

23.   Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine italienische Gesellschaft, die Fahrzeug-Hebebühnen herstellt und sie unter der Marke AGM in Europa vertreibt. Die Modellpalette von AGM umfasst unter anderem die ähnlich gebauten Typen G 28, G 32 und G 35, von denen der finnische Importeur seit 1996 etwa 150 Exemplare an Kraftfahrzeugbetriebe in Finnland verkauft hat.

24.   Die Hebebühnen dieses Typs bestehen aus zwei Säulen, zwischen die das zu hebende Fahrzeug eingefahren wird. An den beiden Säulen sind jeweils ein kurzer und ein langer Tragarm befestigt, die unter das Fahrgestell des zu hebenden Fahrzeugs geschoben werden. Sind die Tragarme so positioniert, dann können sie durch eine Vorrichtung in den Säulen so weit nach oben gefahren werden, dass ein stehendes Arbeiten unter dem Fahrzeug möglich wird.

25.   Für die Bedienung der Hebebühne gibt es eine Belastungsanweisung, in der das höchstzulässige Gewicht eines zu hebenden Fahrzeugs angegeben ist. Das genaue Höchstgewicht für einen Hebevorgang hängt jedoch von zwei Faktoren ab. Zum einen gilt: Je weiter die Tragarme ausgefahren sind, desto geringer wird das höchstzulässige Fahrzeuggewicht. Zum anderen ist das zulässige Höchstgewicht für die langen Tragarme niedriger angegeben als für die kurzen Tragarme. Vor dem Anheben eines Fahrzeugs müssen daher sowohl der Abstand zwischen den Tragarmen überprüft werden, als auch die Achslasten des Fahrzeugs in den Zulassungspapieren. Die Betriebsanleitung gibt daher vor, dass das Fahrzeug so zwischen die Säulen eingefahren werden soll, dass das höhere Achsgewicht auf den kurzen Tragarmen, das niedrigere auf den langen Tragarmen ruht.

26.   Das Modell G 35 war 1997 für richtlinienkonform erklärt und mit dem CE-Kennzeichen versehen worden. Die Zertifizierung hatte die Gesellschaft italienischen Rechts I.C.E.P.I. s.r.l vorgenommen, die vom italienischen Staat als Zertifizierungsstelle zugelassen und der Kommission notifiziert worden war.

27.   Am 22. März 2000 stürzte in einem finnischen Unternehmen ein Wohnmobil von einer Fahrzeug-Hebebühne des Typs AGM G 32 herab, weil das System der Sicherheitsarretierung der Tragarme gegen Schwenkbewegungen nachgab, obwohl das Gewicht des Fahrzeugs unterhalb der höchstzulässigen Belastung der Hebebühne lag. Personen kamen dabei nicht zu Schaden.

Das Marktkontrollverfahren im Ministerium

28.   Das Sozial- und Gesundheitsministerium (im Folgenden: Ministerium) erhielt im Mai 2000 eine „Marktkontrollanzeige“ einer Kreisarbeitsschutzbehörde. Darin wurde ausgeführt, dass die Sicherheitsarretierung einer Hebebühne des Modells G 35 T/E sich bei einer Inspektion als unzureichend erwiesen habe. Die Arbeitsschutzabteilung des Ministeriums leitete ein Marktkontrollverfahren ein und betraute unter anderem Chefingenieur Lehtinen als Experten mit der Sache.

29.   Im Verlauf des Marktkontrollverfahrens wurde der Importeur mehrfach angehört. Ferner wurden zwei Belastungstests an einer Hebebühne des Modells G 35 T/E durchgeführt, mit denen die Vereinbarkeit der Arretierungsvorrichtung mit der Norm EN 1493 überprüft werden sollte. Herr Lehtinen erstellte mehrere Berichte in finnischer und in englischer Sprache, die alle wie folgt überschrieben waren: „Ministerium für Soziales und Gesundheit“, „Abteilung für Arbeitsschutz“ und „Chefingenieur Tarmo Lehtinen“.

30.   In seinem ersten Bericht wies Herr Lehtinen u. a. darauf hin, dass der erste Belastungstest gezeigt habe, dass die Arretierungsvorrichtung den Anforderungen der Norm EN 1493 nicht entspreche und die Konzeption verbessert werden müsse. AGM konzipierte daraufhin eine neue Arretierungsvorrichtung. In seinem zweiten Bericht vom Dezember 2000 erkannte Herr Lehtinen an, dass diese neue Vorrichtung sich bei dem zweiten Test als ausreichend erwiesen habe und der Norm entspreche. Bei der letzten Anhörung des Importeurs am 20. Dezember 2000 kam man deshalb überein, dass die Vorrichtungen der bereits in Betrieb befindlichen Geräte bis zum 15. März 2001 verbessert werden sollten. Für die Zwischenzeit wurden die Nutzer durch ein Schreiben über die Gefahren, die reduzierte Belastbarkeit und den Austausch der mangelhaften Teile informiert.

31.   Zentraler Kritikpunkt aller Berichte Herrn Lehtinens war jedoch, dass die Gebrauchsanleitung der Hebebühne Beschränkungen der Auffahrrichtung des Fahrzeugs vorsah. Die Norm EN 1493 erlaube keine solchen Beschränkungen. Die italienische Zertifizierungsstelle und AGM hätten die Norm falsch dahin ausgelegt, dass bei Belastungstests von einer Lastverteilung entsprechend der Anleitung des Herstellers auszugehen sei. Die Norm EN 1493 sehe für Tragfähigkeitsberechnungen jedoch die ungünstigsten Belastungsverhältnisse vor. Die Hebebühne müsse daher so dimensioniert sein, dass sie die höchstzulässige Belastung auch unter ungünstigsten Verhältnissen tragen könne. Unter diesen Umständen könne die Hebebühne statt der angegebenen 3 500 kg nur 1 500 kg tragen.

32.   Aus diesen Gründen unterbreitete der zuständige Ministerialrat dem entscheidungsbefugten Abteilungsleiter der Arbeitsschutzabteilung noch am 20. Dezember 2000 den Entscheidungsvorschlag, die Vermarktung und den Vertrieb der AGM-Hebebühne in Finnland zu untersagen. Der Abteilungsleiter gab die Sache jedoch in der Ansicht zur weiteren Prüfung zurück, dass er nicht über genügend Beweismaterial für eine solche Entscheidung verfüge.

Die öffentlichen Äußerungen Herrn Lehtinens und des Ministeriums

33.   Am 9. Januar 2001 nahm Herr Lehtinen im Rahmen seiner Funktionen und als Vertreter des Ministeriums an einer Sitzung der Vereinigung des technischen Fachhandels teil. Die Vereinigung hat etwa 200 Mitgliedsunternehmen, worunter auch Lieferanten von Ausrüstungsgegenständen für Kraftfahrzeugbetriebe zählen. Herr Lehtinen erklärte dort, die Hebebühnen des Typs G 35 von AGM seien gefährlich, widersprächen der Richtlinie und müssten vom Markt genommen werden. Einem Schreiben der Vereinigung vom 29. Januar 2001 an das Ministerium ist jedoch zu entnehmen, dass die Vereinigung über den Stand des Verfahrens und die andere Ansicht des Ministeriums im Bilde war.

34.   Am 17. Januar 2001 sendete der staatliche Fernsehsender TV 1 in der landesweit ausgestrahlten finnischen Hauptnachrichtensendung um 20.30 Uhr einen Beitrag über die Hebebühnen von AGM. Teil des Berichts war ein Interview mit Herrn Lehtinen, das mit Genehmigung des Ministerialrats, seines direkten Vorgesetzten, in seinem Büro im Ministerium aufgezeichnet worden war. Darin erklärte er, diese Geräte könnten seiner Ansicht nach eine unmittelbare Gefahr darstellen, weil Menschen unter der Traglast arbeiteten. Der Nachrichtensprecher führte dazu aus, dass es sich für die Behörden um den bislang ernstesten Fall handele und dass die Geräte nach Ansicht der Behörden der vorgegebenen Belastung selbst dann standhalten müssten, wenn das Fahrzeug in der falschen Richtung aufgefahren werde. Er legte weiter dar, dass nach Ansicht der finnischen Arbeitsschutzbehörde das in Italien genehmigte Gerät den Normen der EU nicht entspreche. Herr Lehtinen sagte dazu in einer zweiten Einblendung, dass die betreffende Zertifizierungsstelle, die der Hersteller ausgewählt habe, die Bestimmungen falsch ausgelegt habe. Angaben zu anderen Ansichten im Ministerium oder zum Stand des Marktkontrollverfahrens wurden nicht gemacht.

35.   Am 8. Februar 2001 sandte der Leiter der Arbeitsschutzabteilung ein Fax an den Industrie- und Arbeitgeberverband. Darin erklärte er, das Funktionieren des Binnenmarkts nicht durch ein Verkaufsverbot gefährden zu wollen, weil keine Beweise, sondern nur Behauptungen gegen die Hebebühne vorgebracht worden seien. Der Großhandelsverband müsse ernsthaft vor den verhängnisvollen Folgen auf dem Markt gewarnt werden, wenn man dort weiter auf Herrn Lehtinen höre.

36.   Am 12. Februar 2001 erstellte Herr Lehtinen seinen dritten Bericht. Darin führte er erstmals auch die Modelle G 28 und G 32 an, auf die sich die Konformitätsprüfung nicht erstreckte und vertrat weiter seine Ansicht zur Beschränkung der Auffahrrichtung.(5) Er wies insbesondere darauf hin, dass die Tragarme der Hebebühnen wegen einer fehlerhaften Auslegung der Norm unterdimensioniert seien und dass „die schweren Mängel bei der Konzeption der Tragarme zu einem Unfall führen könnten, wenn im Falle einer unbeabsichtigten Überbelastung der Arme die Konstruktion ihre Festigkeit und Stabilität verliert“. Diesen Bericht sandte er an den finnischen Verband der Metallarbeiter.

37.   Am 16. Februar 2001 entzog der Abteilungsleiter Herrn Lehtinen die weitere Behandlung des Verfahrens mit der Begründung, dass dieser in einem laufenden Verfahren öffentlich eine Ansicht vertreten habe, die von der offiziellen Position des Ministeriums abweiche und damit gegen die Anweisungen und die Informationspolitik des Ministeriums verstoßen habe. Nach einem späteren Bericht der Arbeitsschutzabteilung vom 20. März 2001 wurde Herrn Lehtinen die Sache entzogen, weil der Verdacht bestand, dass er durch eine Zusammenarbeit mit Wettbewerbern von AGM gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen und zum Nachteil der Interessen von AGM gehandelt habe.

38.   Am 17. Februar 2001 erschien in der Regionalzeitung mit hoher Auflage „Aamulehti“ ein Artikel mit der Überschrift „Ein Sachverständiger warnt vor mangelhaften Fahrzeughebebühnen“. Der Artikel bezog sich ausdrücklich auf die Hebebühnen von AGM und beruhte auf Interviews mit Herrn Lehtinen und dem Abteilungsleiter des Ministeriums. Der Artikel führt aus, dass nach Ansicht Herrn Lehtinens, des leitenden Ingenieurs der Abteilung Arbeitsschutz im Ministerium, „extrem gefährliche Fahrzeughebebühnen verkauft“ würden. Herr Lehtinen wird damit zitiert, dass diese Geräte eindeutig drei oder vier schwere Mängel aufweisen würden. Doch wird auch erläutert, dass der Leiter der Abteilung Arbeitsschutz die Äußerungen Herrn Lehtinens als Äußerungen einer Privatperson ansehe. Nach seinen Angaben habe man sich im Ministerium mit diesem Gerät beschäftigt und festgestellt, dass es alle Anforderungen der Richtlinie erfülle. Das Gerät habe keinen Mangel, der Beweis dafür sei nicht erbracht.

39.   Am 19. Februar 2001 sandte Herr Lehtinen seinen englischsprachigen Bericht gleichen Datums ohne Genehmigung seiner Vorgesetzten an die schwedische Arbeitsschutzbehörde. Sein Memorandum wurde dort als Ausdruck des Standpunkts des Ministeriums angesehen und führte zu einer Anfrage bei den italienischen Behörden, in der Erläuterungen verlangt wurden. Außerdem verbreitete Herr Lehtinen diesen Bericht unter europäischen Sachverständigen.

40.   Am 22. Februar 2001 sandte der Verband der Metallarbeiter ein Schreiben an seine Fachabteilungen der Bereiche Fahrzeugreparatur und mechanische Reparaturen sowie an die Sicherheitsbeauftragten in den Unternehmen. Darin wies der Verband darauf hin, dass die Fahrzeughebebühnen AGM G 28, 32 und 35 sich ohne Zweifel als gefährlich erwiesen hätten und die Adressaten sich unverzüglich mit der Sache befassen sollten. Der Verband fügte den Bericht Herrn Lehtinens vom 12. Februar 2001 bei, den Herr Lehtinen dem Verband übersandt hatte.(6)

41.   Am 13. Juni 2001 erschien in der Regionalzeitung mit hoher Auflage „Etalä-Saima“ ein Artikel mit dem Titel „Der Verband der Metallarbeiter verlangt ein Verbot der gefährlichen Fahrzeughebebühnen“ und dem Untertitel „Jeden Tag sind 150 Mechaniker gefährdet“. Darin wurde erklärt, dass die Betriebssicherheit der AGM-Hebebühnen nach den Feststellungen der Arbeitsschutzabteilung im Ministerium schwere Mängel aufweise. Der leitende Ingenieur, der auf diese Art Geräte spezialisiert sei, habe schon frühzeitig Beschränkungen beim Betrieb der italienischen AGM-Hebebühnen und ein Verbot neuer Geräte vorgeschlagen. Doch wurde auch erläutert, dass der Leiter der Arbeitsschutzabteilung die divergierende Ansicht vertrat, nicht über genügend Beweise zu verfügen, und dass die Sache sich noch im Stadium der Prüfung befinde.

Die Entscheidungen und Maßnahmen des Ministeriums

42.   Am 14. Juni 2001 erließ die Abteilung für Arbeitsschutz des Ministeriums eine Entscheidung in der Sache. Darin stellte sie unter anderem fest, dass sich nichts ergeben habe, was das Ministerium veranlassen könne, gegenüber dem Hersteller oder Importeur der Hebebühnen Marktkontrollmaßnahmen zu ergreifen, weil der Hersteller die festgestellten Mängel bei den neuen Geräten beseitigt habe und der Importeur bei den bereits in Betrieb befindlichen Geräten ebenso verfahre.

43.   Am 1. Oktober 2001 erteilte das Ministerium Herrn Lehtinen einen Verweis, weil er in einer Informationssendung und in einem Memorandum an die örtlichen Stellen für Arbeitsschutz eine irreführende Darstellung des Standpunkts des Ministeriums verbreitet und gegen dessen Informationspolitik verstoßen habe. Der Beamtenbeschwerdeausschuss bestätigte die Entscheidung damit, dass Herr Lehtinen nicht nur Anweisungen seines Vorgesetzten missachtet, sondern sich auch nach seiner Entbindung von der Sache am 16. Februar 2001 weiter damit beschäftigt habe. Dagegen hielt der Beschwerdeausschuss das Fernsehinterview vom 17. Januar 2001 nicht für unangemessen und einen schriftlichen Verweis nicht für gerechtfertigt. Das oberste Verwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung des Beschwerdeausschusses.

Das Ausgangsverfahren

44.   AGM hat vor dem Tampereen käräjäoikeus Klage gegen den finnischen Staat und gegen Herrn Lehtinen erhoben. AGM begehrt die gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zum Ersatz des Schadens, der in Form von Umsatzeinbußen und Beeinträchtigungen des Firmenwertes in Finnland und in anderen europäischen Staaten entstanden sei.

45.   Zur Begründung bringt AGM vor, mit ihren Hebebühnen in den Jahren 2000 und 2001 in Finnland einen Marktanteil zwischen 10 % und 15 % gehabt zu haben. Die Umsätze seien in Folge des Verhaltens Herrn Lehtinens und des Ministeriums von etwa 135 000 Euro im Jahr 2000 auf 1 070 Euro im Jahr 2002 gesunken. Nach 2001 sei außerdem auch in anderen europäischen Ländern ein erheblicher Rückgang eingetreten. Allein der Einbruch des Gewinns sei für 2001 auf etwa 300 000 Euro und für 2002 auf etwa 750 000 Euro zu beziffern.

46.   Dieser und weiterer Schaden sei AGM dadurch entstanden, dass Herr Lehtinen öffentlich einseitige, falsche und irreführende Informationen über AGMs Hebebühnen verbreitet und das Ministerium diese falschen und irreführenden Informationen zu keinem Zeitpunkt – z. B. durch die Veröffentlichung eines amtlichen Kommuniqués – richtig gestellt habe.

IV – Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

47.   Mit Beschluss vom 7. November 2003 setzte das vorlegende Gericht das Verfahren aus und ersucht den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu den Fragen:

1)      Handelt es sich um Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Art. 28 EG oder um eine Maßnahme, die nach Art. 10 Abs. 2 EG zu unterlassen ist, wenn ein Beamter, der als Sachverständiger einer staatlichen Stelle für Arbeitsschutz angehört, aber keine Entscheidungsbefugnis hat, in einem Marktkontrollverfahren vor der Entscheidung der Sache in der Hauptnachrichtensendung eines staatlichen Fernsehsenders auftritt und sich sowohl in Tageszeitungen, die in hoher Auflage erscheinen, als auch gegenüber Organisationen des Handels und des Arbeitsmarktes in der Weise äußert, dass seine unmittelbar von ihm gemachten oder von anderen wiedergegebenen Feststellungen über die Gefährlichkeit für Leib und sogar Leben, die von Maschinen ausgeht, die von einem bestimmten Unternehmen hergestellt und vermarktet werden und Gegenstand des Marktkontrollverfahrens sind, diesen Maschinen negative Publizität verleihen und ihrer Vermarktung schaden?

2)      Ist die Richtlinie 98/37/EG dahin auszulegen, dass Fahrzeughebebühnen mit den in der Richtlinie aufgestellten grundlegenden Sicherheitsanforderungen nicht vereinbar sind, wenn das Gerät nicht entsprechend der Norm SFS EN 1493 gebaut ist, weil bei der Konzeption der Konstruktion weder berücksichtigt worden ist, dass das Fahrzeug auf den Tragarmen in beiden Auffahrrichtungen ruhen kann, noch beachtet worden ist, dass bei den Berechnungen der Tragfähigkeit jedes einzelnen Tragarms von den ungünstigsten Belastungsverhältnissen auszugehen ist?

3)      a)     Sind, wenn die erste Frage zu bejahen ist, die Handlungen eines Beamten wie die in der ersten Frage beschriebenen auch angesichts des anerkennenswerten Ziels des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen unverhältnismäßig und verstoßen damit gegen den EG-Vertrag, und zwar auch bei Bejahung der zweiten Frage, wenn man die Art der Handlungen und insbesondere den Umstand berücksichtigt, dass die Unterrichtung über die möglichen Gefahren und deren Verhinderung auch mit anderen Mitteln als den in der ersten Frage genannten möglich wäre und die betreffenden Handlungen vor Erlass einer Entscheidung des hierzu befugten Beamten in der Marktkontrollsache erfolgten und der Vermarktung eines bestimmten Produkts deshalb schaden konnten, weil sie gerade gegen dieses Produkt gerichtet waren?

         b)     Ist, wenn das in der Frage 3a aufgeworfene Problem der Verhältnismäßigkeit vom nationalen Gericht zu entscheiden ist, das Hauptgewicht auf die mögliche Unvereinbarkeit mit den europäischen oder mit den nationalen Sicherheitsanforderungen oder auf die Umstände der öffentlichen Bekanntmachung dieser Unvereinbarkeit zu legen?

4)      Können die in der ersten Frage beschriebenen Handlungen eines Beamten unter den in der Frage 3a genannten Umständen durch das in Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistete Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt sein, obwohl sie gegen Art. 28 EG und 30 EG oder gegen Art. 10 EG verstoßen?

5)      a)     Ist, wenn die in der ersten Frage beschriebenen Handlungen eines Beamten gegen die Art. 28 EG und 30 EG oder gegen Art. 10 EG verstoßen, dieser Verstoß so offenkundig und schwerwiegend, dass der Staat, sofern die anderen Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind, nach EG-Recht den Schaden ersetzen muss, den diese Handlungen für die Vermarktung der Maschinen verursacht haben?

         b)     Ist ein Verstoß wie vorstehend unter a beschrieben auch in dem Fall offenkundig und schwerwiegend, wenn der Behörde oder dem Beamten, die zur Entscheidung befugt sind, kein Fehler oder keine Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann und sie bei keiner Gelegenheit die fraglichen Handlungen gebilligt oder dazu beigetragen haben, dass diese konkret Wirkungen entfalten?

         c)     Kann Art. 10 EG, insbesondere Abs. 2, Rechte für Einzelne unter den in der ersten Frage beschriebenen Umständen begründen?

         d)     Kann neben dem Staat unter den gleichen Voraussetzungen auch ein Beamter für seine in der ersten Frage beschriebenen Handlungen nach EG-Recht haftbar gemacht werden, wenn diese gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen?

         e)     Ist es in der Praxis unmöglich oder unverhältnismäßig schwierig, Schadensersatz nach EG-Recht zu erlangen, wenn nach den nationalen Vorschriften Ersatz für andere wirtschaftliche Schäden als Personen- und Sachschäden nur erlangt werden kann, wenn der Schaden durch eine vom Gesetz mit Strafe belegte Handlung oder in Ausübung hoheitlicher Gewalt verursacht worden ist oder ansonsten für eine Verurteilung zum Schadensersatz besonders schwerwiegende Gründe vorliegen müssen?

6)      a)     Ist es, wenn wegen Verletzung der Vorschriften über den freien Warenverkehr oder wegen Fahrlässigkeit aufgrund der nationalen Vorschriften eine Verurteilung zum Schadensersatz geboten ist, nach EG-Recht erforderlich, dass diese Verurteilung zum Schadensersatz eine wirksame und abschreckende Sanktion darstellt? Ist es mit den haftungsrechtlichen Vorschriften der Gemeinschaft unvereinbar, wenn ein Beamter, der sich einer Zuwiderhandlung oder Fahrlässigkeit schuldig gemacht hat, nach nationalem Recht nur in einem angemessenen Verhältnis, aber nicht unbedingt für den vollen Schaden oder sogar überhaupt nicht haftet, sofern ihm nur leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann? Ist es ebenfalls mit diesen Vorschriften des EG-Rechts unvereinbar, wenn der Beamte und der Staat, der für dessen Fehler oder Fahrlässigkeit haftet, nur dann zum Ersatz eines anderen wirtschaftlichen Schadens als eines Personen- oder Sachschadens verpflichtet werden können, wenn der Schaden durch eine vom Gesetz mit Strafe belegte Handlung oder in Ausübung hoheitlicher Gewalt verursacht worden ist oder ansonsten für eine Verurteilung zum Schadensersatz besonders schwerwiegende Gründe vorliegen müssen?

         b)     Wenn die vorstehend unter a beschriebenen Beschränkungen der Haftung mit dem EG-Recht unvereinbar sind, muss dann bei der Urteilsfindung die Beschränkung der Haftung aufgrund des nationalen Rechts auf den betreffenden Beamten außer Acht gelassen werden, auch wenn er dadurch strenger und weiter haftet als nach nationalem Recht vorgesehen ist?

48.   Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben AGM, die finnische Regierung, Herr Lehtinen, die Kommission, und die schwedische Regierung schriftliche und mündliche Erklärungen abgegeben. Die niederländische Regierung hat schriftlich Stellung genommen.

V –    Rechtliche Würdigung

A –    Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

49.   Herr Lehtinen hält die Vorlage des Tampereen käräjäoikeus für unzulässig. Er ist der Ansicht, das Verfahren vor dem vorlegenden Gericht befinde sich in einem Vor- oder Frühstadium, in dem der Gegenstand des Rechtsstreits noch nicht hinreichend aufgeklärt sei. Mangels Durchführung einer Beweisaufnahme sei der Sachverhalt, den das vorlegende Gericht darstelle, so nicht festgestellt. Die Erheblichkeit der Vorlagefragen sei daher nicht sicher. Keinesfalls gebe es im Übrigen eine gemeinschaftsrechtlich begründete Haftung von nationalen Beamten, so dass jedenfalls die diesbezüglichen Vorlagefragen unzulässig seien.

50.   Aus Art. 234 Abs. 2 EG geht klar hervor, dass das nationale Gericht entscheidet, in welchem Verfahrensstadium es ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof richten will. Es verfügt allein über eine unmittelbare Kenntnis des Sachverhalts und hat damit die besseren Voraussetzungen für die Beurteilung der Frage, in welchem Verfahrensstadium es einer Vorabentscheidung bedarf.(7)

51.   Im Übrigen ist es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Sache des nationalen Gerichts, die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils und die Erheblichkeit der Vorlagefragen zu beurteilen. Betreffen die Fragen daher die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden. Der Gerichtshof kann die Entscheidung nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung oder Beurteilung offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die erforderlichen tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, um die ihm vorgelegten Fragen sachdienlich beantworten zu können.(8)

52.   Das vorlegende Gericht hat den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen des Ausgangsrechtsstreits detailliert dargelegt. Die Verfahrensbeteiligten bestätigen in ihren Erklärungen den gerichtlich dargestellten Sachverhalt in den wesentlichen Zügen. Das vorlegende Gericht begründet eingehend, warum es um die Auslegung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ersucht, warum es an der Auslegung der Bestimmungen Zweifel hat und warum es deren Auslegung zur Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits für erforderlich hält. Die Verfahrensbeteiligten konnten sich anhand der Angaben sachdienlich äußern. Das vorlegende Gericht konnte unter diesen Umständen von der Erheblichkeit seiner Vorlagefragen ausgehen.

53.   Ob das Gemeinschaftsrecht eine Haftung nationaler Beamten erfordert oder ermöglicht ist eine Frage, die eine Auslegung des materiellen Gemeinschaftsrechts erfordert. Sie ist daher der inhaltlichen Würdigung der Vorlagefragen zuzurechnen.

54.   Das Vorabentscheidungsersuchen ist demnach zulässig.

B –    Zu den Vorlagefragen

55.   Da die Beantwortung der zweiten Vorlagefrage sich auf die Beantwortung der anderen Fragen auswirken kann, ist diese Frage vorzuziehen. Zudem sind die anderen Fragen nach ihrer Zusammengehörigkeit gemeinsam zu beantworten.

1.      Auslegung der Richtlinie 98/37 (Vorlagefrage 2)

56.   Zur Beurteilung der Konformität der Hebebühne mit Gemeinschaftsrecht ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um eine Auslegung der Richtlinie über die Betriebssicherheit von Maschinen. Im Kern stellt es die Frage, ob die Richtlinie verlangt, dass Fahrzeuge in beiden Auffahrrichtungen auf einer Hebebühne ruhen können müssen, ohne dass dadurch die vom Hersteller angegebene höchstzulässige Traglast beeinflusst würde.

57.   Die harmonisierte Norm EN 1493 verlangt die Berechnung der maximalen Traglast von Hebebühnen unter den ungünstigsten Belastungsbedingungen. Eine Beschränkung auf bestimmte Auffahrtrichtungen erlaubt sie nicht. Vielmehr ist nach Punkt 5.4.6.2. der Norm(9) die höchstzulässige Traglast für Modelle wie das vorliegende in der ungünstigeren der beiden Auffahrtrichtungen zu ermitteln und entsprechend niedriger anzugeben, als es nach der günstigeren Auffahrtrichtung möglich wäre.

58.   Nach den Erwägungsgründen 17 und 20 und gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie(10) stellt jedoch die Vereinbarkeit einer Maschine mit der harmonisierten Norm nur die Vermutung auf, dass sie den Sicherheitsanforderungen der Richtlinie entspricht. Die Norm erleichtert damit lediglich den Nachweis der Richtlinienkonformität einer Maschine. Der Nachweis kann aber auch anderweitig erbracht werden. Wie die finnische Regierung zu Recht vorträgt, sieht die Richtlinie selbst z. B. in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b eine Baumusterprüfung vor, die einen solchen Nachweis erbringen kann. Die Erfüllung der Norm EN 1493 ist also keine Voraussetzung der Richtlinienkonformität von Hebebühnen.

59.   Für die Beurteilung der Vereinbarkeit mit den Sicherheitsvorgaben der Richtlinie hat die italienische Zertifizierungsstelle die Verwendungshinweise der Hersteller zur Grundlage gemacht. In der Tat verlangt die Richtlinie auch nur, dass von Maschinen dann keine Gefahren ausgehen dürfen, wenn sie „bei … bestimmungsgemäßem Betrieb“, „bei Verwendung unter den vom Hersteller vorgesehenen Bedingungen“, „bei bestimmungsgemäßer Verwendung“ und „unter den vom Hersteller vorgesehenen … Betriebsbedingungen“ eingesetzt werden.(11) Grundsätzlich trägt AGM daher zu Recht vor, dass die Betriebsvorgaben des Herstellers Grundlage der Beurteilung sein müssen.

60.   Allerdings hat die Richtlinie bei der Beseitigung von Hemmnissen für den Binnenmarkt besonders die „sozialen Kosten“ von maschinenbedingten Unfällen im Blick und unterstreicht, dass sich durch die Einbeziehung der Sicherheit in die Maschinenentwicklung Unfälle verringern lassen. Sie will eine Angleichung der Sicherheitsbestimmungen ohne eine Absenkung des Schutzniveaus erreichen. Die Beibehaltung und Verbesserung des Sicherheitsniveaus ist eines ihrer Hauptziele.(12)

61.   Im Licht dieser Ziele ist den Anforderungen des Punkts 1.1.2. in Anhang I besondere Bedeutung beizumessen.(13) Nach Vorbemerkung 1 Satz 2 des Anhangs I gelten diese Anforderungen unabhängig von den Vorgaben der Hersteller für alle Maschinen. Nach Buchst. a muss durch die Bauart der Maschinen gewährleistet sein, dass der Betrieb bei bestimmungsgemäßer Verwendung ohne Gefährdung von Personen erfolgt. Sicherheitsmaßnahmen müssen darauf zielen, Unfallrisiken selbst in Fällen auszuschließen, in denen sie aus vorhersehbaren ungewöhnlichen Situationen folgen. Auch nach Buchst. c sind Maschinen so zu konzipieren, dass risikobehaftete nicht ordnungsgemäße Verwendungen verhindert werden.

62.   Bei der Wahl der angemessensten Lösungen sieht Buchst. b vor, dass der Hersteller zunächst durch eine Integration des Sicherheitskonzepts in Entwicklung und Bau der Maschine Gefahren beseitigen oder minimieren muss. Erst gegen so nicht zu beseitigende Gefahren hat er die notwendigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Nur, wenn auch dies nicht vollständig möglich ist, hat er die Benutzer über die Restgefahren zu unterrichten.

63.   Damit ist festzuhalten, dass die Richtlinie dem Gesundheitsschutz hohen Stellenwert einräumt und, an den technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten ausgerichtet, das höchste erreichbare und noch verhältnismäßige Schutzniveau verlangt. Gefahren sind demnach schon bei der Konstruktion der Maschine, sonst hilfsweise durch geeignete Schutzmaßnahmen auszuschließen und nur zuletzt durch Information der Benutzer zu minimieren.

64.   Wie die Kommission unwidersprochen vorgetragen hat, beweist die Praxis, dass nach dem gegenwärtigen Stand der Technik die Konzeption von Hebebühnen möglich ist, die der maximalen Traglast unabhängig von der Auffahrtrichtung des Fahrzeugs und der resultierenden Belastungsverteilung standhalten. Insbesondere lässt sich annehmen, dass bei Hebebühnen wie im Ausgangsfall die Tragarme etc. so dimensioniert werden können, dass das angegebene Höchstgewicht in jeder Belastungssituation getragen werden kann. Dem stehen, soweit ersichtlich, weder technische noch unüberwindbare wirtschaftliche Hindernisse entgegen.

65.   Alternativ könnte auch eine Schutzmaßnahme die Sicherheit gewährleisten, z. B. durch einen automatischen Warnmechanismus, der bei Überschreiten der Belastungsgrenzen durch Warnsignale und ein Blockieren des Hebemechanismus mögliche Gefahren verhindert. Dies dürfte eine der Konstruktionslösung durchaus nahe kommende Sicherheit bringen und könnte sich als wirtschaftlicher erweisen.

66.   Die dritte Möglichkeit wären Gebrauchshinweise, die eine Fehlverwendung und daraus resultierende Risiken minimieren. Diese Lösung ist – anders als die beiden vorstehenden Alternativen – auch bei vermeintlich einfachen Anweisungen anfällig für Bedienungsfehler und bietet damit kein vergleichbares Schutzniveau. Die Gremien zur Koordinierung der Prüfstellen gaben daher zu Recht eine Auslegungsempfehlung ab, nach der Beschränkungen der Auffahrtrichtung und die Verwendung von Belastungstabellen nicht mit den Sicherheitsvorgaben der Richtlinie vereinbar sind.

Zwischenergebnis

67.   Die Richtlinie ist dahin auszulegen, dass Hebebühnen wie die des Ausgangsfalls den Sicherheitsanforderungen der Richtlinie nur genügen, wenn sie Fahrzeuge in beiden Auffahrrichtungen bis zu ihrer höchstzulässigen Last tragen können oder zumindest durch effektive Schutzmaßnahmen sichergestellt ist, dass mögliche Fehl- und Überbelastungen wirksam verhindert werden.

2.      Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs; Verletzung der Gemeinschaftstreue (Vorlagefragen 1, 3 und 4)

68.   Mit seinen Vorlagefragen 1, 3 und 4 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens öffentliche Äußerungen wie die Herrn Lehtinens als ein dem Staat zurechenbares Verhalten zu werten sind, das eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit (b) oder eine Verletzung der Gemeinschaftstreue (c) darstellt und inwieweit dies gegebenenfalls durch die Meinungsfreiheit oder das Ziel des Gesundheitsschutzes bei Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt werden könnte (d). Zunächst ist jedoch der Prüfungsmaßstab zu klären (a).

a)      Zum Prüfungsmaßstab: die Richtlinie an Stelle von Art. 28 EG

69.   Das vorlegende Gericht fragt in erster Linie nach der Vereinbarkeit des Verhaltens von Herren Lehtinen und des Ministeriums mit Art. 28 EG. Art. 28 EG kann allerdings nicht als Prüfungsmaßstab herangezogen werden, soweit der Bereich durch Sekundärrecht abschließend harmonisiert ist. So sind alle nationalen Maßnahmen in einem Bereich, in dem auf Gemeinschaftsebene eine harmonisierte Regelung geschaffen worden ist, anhand dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht anhand der Grundfreiheiten zu beurteilen. Ob eine abschließende harmonisierte Regelung vorliegt ist insbesondere anhand der Ziele und des Inhalt der Maßnahme zu beurteilen.(14)

70.   Wie aus Art. 1 in Verbindung mit Anhang IV Buchst. A Ziff. 15 der Richtlinie hervorgeht, liegen Fahrzeug-Hebebühnen im Anwendungsbereich der Richtlinie. Die Richtlinie gibt in Art. 3 mit Anhang I umfangreiche und spezifische Sicherheitsanforderungen für Maschinen vor. Art. 8 legt genaue und detaillierte Regeln für die Prüfung dieser Anforderungen fest, und Art. 10 sieht eine CE-Kennzeichnung vor, die bei Vereinbarkeit zu erteilen ist. Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 verbieten das Inverkehrbringen von Maschinen, die den Anforderungen nicht genügen. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie untersagt es den Mitgliedstaaten, das Inverkehrbringen von richtlinienkonformen Maschinen zu behindern. Diese Verbote spiegeln das Ziel der Richtlinie wider, das auch im sechsten und siebten Erwägungsgrund zum Ausdruck kommt: zur Beseitigung der Hindernisse für den freien Handel mit Maschinen die nationalen Sicherheitsnormen und Verfahren zu harmonisieren. Art. 2 Abs. 2 bestätigt dies, da danach die Mitgliedstaaten keine zusätzlichen maschinenbezogenen Sicherheitsvorgaben aufstellen dürfen. Lediglich bei später auftretenden Gefahren treffen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 7 zweckdienliche Maßnahmen.

71.   Die für den freien Warenverkehr relevanten Sicherheitsvorgaben für das Inverkehrbringen von Maschinen sind demnach abschließend harmonisiert.(15) Folglich ist die Richtlinie, wie Herr Lehtinen in der mündlichen Verhandlung zu Recht geltend machte, der alleinige Prüfungsmaßstab. Art. 28 EG ist nicht – auch nicht zusätzlich – heranzuziehen.

b)      Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie (Vorlagefrage 1)

72.   Das vorlegende Gericht ersucht den Gerichtshof zwar, zu klären, ob unter den Umständen des Ausgangsverfahrens ein staatliches Verhalten vorliegt, das die Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EG beschränkt. Um dem vorlegenden Gericht jedoch eine sachdienliche Antwort geben zu können,(16) ist nach den gerade getroffenen Feststellungen zu prüfen, ob eine Verletzung der Richtlinie vorliegt.(17) In Betracht kommt hier, dass Äußerungen wie die Herrn Lehtinens und des Ministeriums gegen Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie verstoßen.

73.   Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie wird verletzt, wenn ein Mitgliedstaat eine Maßnahme trifft, die das Inverkehrbringen einer richtlinienkonformen Maschine beschränkt oder behindert.

i)      Zur Richtlinienkonformität der Hebebühne

74.   Das Beschränkungsverbot des Art. 4 Abs. 1 gilt demnach nur, wenn die Maschine den Bestimmungen der Richtlinie entspricht. Nach den vorhandenen Angaben ist aber davon auszugehen, dass eine Hebebühne wie die von AGM den oben festgestellten Sicherheitsanforderungen objektiv nicht genügt.

75.   Zwar greift hier die Konformitätsvermutung aus Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie. Denn die Hebebühne war als richtlinienkonform zertifiziert und mit der CE-Konformitätskennzeichnung nach Art. 10 der Richtlinie versehen worden. Dies bedeutet aber nicht, dass die Mitgliedstaaten bei dem Auftreten von Gefahren keinerlei Maßnahmen ergreifen könnten. Vielmehr hat ein Mitgliedstaat nach Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie alle zweckdienlichen Maßnahmen zu treffen, um eine Maschine aus dem Verkehr zu ziehen, wenn er feststellt, dass die Maschine bei bestimmungsgemäßem Gebrauch die Sicherheit von Personen oder Gütern zu gefährden droht. Nach Unterabs. 2 unterrichtet der Mitgliedstaat die Kommission unverzüglich von einer solchen Maßnahme und begründet seine Entscheidung. Demnach setzt die Feststellung einer Gefahr die Konformitätsvermutung des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie außer Kraft.

76.   Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts hat jedoch das zuständige Ministerium weder eine solche Feststellung getroffen, noch Maßnahmen ergriffen, um die Hebebühnen aus dem Verkehr zu ziehen; auch eine begründete Mitteilung an die Kommission nach Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie ist nicht erfolgt. Die Umstände des Ausgangsverfahrens sprechen daher dafür, dass die Vermutung der Konformität der Hebebühne mit den Vorgaben der Richtlinie zum maßgeblichen Zeitpunkt weiter bestand und damit das Beschränkungsverbot des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie für das Hebebühnenmodell von AGM galt.

ii)    Zum Vorliegen von mitgliedstaatlichem Verhalten

77.   Das vorlegende Gericht hält es für möglich, dass in Herrn Lehtinens öffentlicher Bezeichnung der AGM-Hebebühne als normwidrig und gefährlich eine mitgliedstaatliche Beschränkung des Inverkehrbringens liegt. Zu prüfen ist damit, ob öffentliche Warnungen eines Beamten vor einem Produkt als mitgliedsstaatliches Verhalten anzusehen sind. Mit anderen Worten: Können Äußerungen wie die Herrn Lehtinens dem Mitgliedstaat zugerechnet werden?

78.   Vorab ist festzuhalten, dass der Gerichtshof über eine Fallkonstellation wie die vorliegende noch nicht entschieden hat. Eine Verhaltenszurechnung hat der Gerichtshof bislang erstens (selbstverständlich) für den Normalfall angenommen, in dem Beamten sich nach der Weisung ihrer Vorgesetzten bzw. nach Maßgabe der mitgliedstaatlichen Gesetze verhalten. Zweitens hat er den Mitgliedstaaten das Verhalten von Privatpersonen zugerechnet, wo sie unter Leitung und nach Maßgabe von mitgliedstaatlichen Behörden handelten.(18) Drittens schließlich hat der Gerichtshof einem Mitgliedstaat das Verhalten von Privatpersonen gleichsam zugerechnet, wo sie ohne staatliche Leitung handelten, dem Mitgliedstaat jedoch eine positive Pflicht oblag, dieses Privatverhalten zu unterbinden.(19)

79.   Mit Ausnahme von AGM sind vorliegend alle Beteiligten der Auffassung, dass das Handeln von Herrn Lehtinen als das einer Privatperson anzusehen ist. Begründet sehen sie dies in der fehlenden Entscheidungsbefugnis Herrn Lehtinens und in den öffentlichen Erklärungen des Ministeriums, dass Herr Lehtinen nicht die offizielle Position des Ministeriums vertrete. Sie erkennen folglich allein im Handeln des Abteilungsleiters staatliches Verhalten. Danach kommt eine Verantwortlichkeit des finnischen Staates nur in Betracht, wenn der Abteilungsleiter mangels Einschreiten gegenüber Herrn Lehtinen staatliche Schutzpflichten im Sinne des Urteils in der Rechtssache Kommission/Frankreich(20) und der Verordnung Nr. 2679/98(21) verletzt hat. Diese Maßstäbe finden jedoch nur Anwendung, wenn der Staat auf das Verhalten von Privatpersonen reagieren muss, nicht aber, wenn er selbst – etwa durch seine Beamten – gehandelt hat.(22) Folglich ist zunächst zu klären, ob Herr Lehtinen für den Staat oder als Privatperson gehandelt hat.

80.   Dabei ist zu berücksichtigen, dass – anders als bei Produktverboten – von (staatlichen) Produktwarnungen selbst noch keine marktbeschränkende Wirkung ausgeht. Vielmehr können erst die Reaktionen der relevanten Marktteilnehmer auf die Warnungen solche Wirkungen zeitigen. Daher kommt es für die Zurechnung der Äußerungen eines Beamten an den Dienstherrn entscheidend darauf an, wie die relevanten Marktteilnehmer die Äußerungen wahrnehmen.(23) Müssen die Marktteilnehmer nämlich nach den Umständen davon ausgehen, dass es sich bei den Äußerungen eines Beamten um eine staatliche Produktwarnung handelt, so wirken dessen Äußerungen ebenso mit staatlicher Autorität auf ihr Verhalten ein, wie es bei einer echten staatlichen Warnung der Fall wäre. Die Wirkungen solcher Äußerungen können dann einem behördlichen Verbot durchaus gleich kommen.

81.   Wie das vorlegende Gericht ausführt, drängt sich auch im vorliegenden Fall auf, dass der Rückgang der Verkaufszahlen auf nahezu null auf die Äußerungen Herrn Lehtinens zurückzuführen ist. Bei einem solchen Rückgang entspricht die Wirkung der Äußerungen einem Verkaufsverbot. Im Übrigen folgt aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Beamtenhaftung im Gemeinschaftsrecht, dass neben förmlichem Verwaltungshandeln auch Realakte(24) wie öffentliche Äußerungen(25) oder die Veröffentlichung dienstlicher Informationen(26), eine Haftung der Gemeinschaft auslösen können. Der dafür weiter erforderliche Bezug der Äußerungen zur Amtstätigkeit wäre bei Umständen wie den vorliegenden gegeben.

82.   Es ist Sache der Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass ihre Beamten nicht eigene, der offiziellen staatlichen Linie widersprechende Ansichten mit Amtsautorität verkünden. Entsteht der Eindruck der Amtsautorität dennoch, so muss dieser Anschein unverzüglich durch angemessene Information beseitigt werden. Andernfalls erfolgt eine Zurechnung an den Staat, es sei denn, der Beamte ist offensichtlich unzuständig.

83.   Entgegen der Ansicht der niederländischen und der schwedischen Regierungen kann sich ein Mitgliedstaat der Zurechnung nicht entziehen, indem er auf die (ministeriums-) interne Zuständigkeitsverteilung verweist.(27) Denn für die Wirkungen der öffentlichen Äußerungen ist allein die Wahrnehmung der Adressaten maßgeblich.

84.   Das steht im Einklang mit dem Völkerrecht, auf das der Gerichtshof Bezug genommen hat.(28) Danach erfolgt eine Zurechnung nur, wenn und soweit der Rechtsschein der Ausübung staatlicher Autorität besteht.(29) Auch die anderen Konstellationen, in denen zugerechnet wird, sind im Völker- und Europarecht ähnlich: Organhandeln,(30) Handeln auf Weisung(31) und staatliche Duldung bzw. pflichtwidriges Nichteinschreiten.(32)

85.   Im Einklang mit diesen Grundsätzen stellten auch die Europäische Kommission für Menschenrechte und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass Beamte jeder Ebene, auch der niedrigsten, die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzen können. Das gilt auch, wenn die Beamten ohne Ermächtigung und sogar, wenn sie außerhalb oder gegen Weisungen handeln.(33)

86.   Zwar obliegt die Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Kriterien auf den jeweils vorliegenden Fall den nationalen Gerichten.(34) Der Gerichtshof kann jedoch anhand der Umstände des Falles erläuternde Hinweise und Leitlinien geben.(35)

87.   Wie festgestellt,(36) kommt es für die Zurechnung der Äußerungen eines Beamten an seinen Dienstherrn entscheidend darauf an, ob die Empfänger der Äußerungen nach den Umständen annehmen, dass es sich um staatliche Äußerungen handelt, die der zuständige Beamte mit Amtsautorität macht, oder ob sie erkennen, dass es sich um private Meinungsäußerungen handelt. Bei der Beurteilung dieser Frage hat das vorlegende Gericht alle Umstände zu berücksichtigen.

88.   Umstände des Ausgangsverfahrens, die die Empfänger der Äußerungen darauf hinweisen, dass Herrn Lehtinen nur seine eigene Ansicht vertrat, sprechen gegen eine Zurechnung an den finnischen Staat.

89.   So indiziert etwa der Brief des technischen Fachhandels an das Ministerium vom 29. Januar 2001 hinsichtlich der Erklärungen Herrn Lehtinens vom 9. Januar 2001 im Rahmen einer Sitzung der Vereinigung des technischen Fachhandels, dass der Zuhörerschaft bei der Sitzung deutlich war, dass Herrn Lehtinens Ansicht nicht die des Ministeriums war.(37)

90.   Ähnliches gilt für die Artikel in Regionalzeitungen vom 17. Februar 2001 und vom 13. Juni 2001. Denn nach den verfügbaren Informationen legten sie die unterschiedlichen Ansichten von Herrn Lehtinen und des Abteilungsleiters dar und gaben auch an, dass der Abteilungsleiter der entscheidungsbefugte Vorgesetzte Herrn Lehtinens war.(38)

91.   Umstände des Ausgangsverfahrens, wonach die Empfänger der Äußerungen annehmen konnten, dass Herr Lehtinen als zuständiger Beamter die offizielle Position seiner Behörde vertrat, sprechen hingegen für eine Zurechnung seines Verhaltens an den finnischen Staat.

92.   Beispielsweise legen die Angaben des vorlegenden Gerichts zu der Fernsehsendung vom 17. Januar 2001 nahe, dass die Zuschauer den Eindruck gewinnen konnten, Herr Lehtinen vertrete als zuständiger Beamter die Ansicht des Ministeriums. Denn die Ansicht Herrn Lehtinens wurde in der Sendung als die der finnischen Behörden bezeichnet und er wurde als Vertreter des Ministeriums mit einem Interview eingeblendet, das mit Genehmigung seines unmittelbaren Vorgesetzten, des Ministerialrats, in seinem Büro aufgezeichnet worden war.(39)

93.   Die Ausführungen des vorlegenden Gerichts deuten gleichfalls darauf hin, dass der Verband der Metallarbeitnehmer und die Sicherheitsbeauftragten von Unternehmen (also die Zielgruppe der Käufer von Hebebühnen) den Eindruck gewinnen konnten, dass die Ansicht Herrn Lehtinens die Ansicht des zuständigen Ministeriums war. Diese Zielgruppen hatten nämlich den Bericht Herrn Lehtinens vom 12. Februar 2001 erhalten, der mit „Ministerium für Soziales und Gesundheit“, „Abteilung für Arbeitsschutz“ und „Chefingenieur Tarmo Lehtinen“ überschrieben war.(40)

94.   Nach der Darstellung des vorlegenden Gerichts sah zudem die schwedische Arbeitsschutzbehörde den englischsprachigen Bericht Herrn Lehtinens vom 19. Februar 2001 als den Standpunkt des Ministeriums an.(41) Unter europäischen Sachverständigen entstand nach diesen Angaben ebenfalls der Eindruck, der Bericht gebe die Ansicht des Ministeriums wieder.(42)

95.   Zu den Äußerungen Herrn Lehtinens führt das vorlegende Gericht in seinen Erwägungen im Übrigen weiter aus, dass Herr Lehtinen jeweils als Beamter des Ministeriums auftrat und seine Ansicht zu keinem Zeitpunkt als seine Privatmeinung kenntlich machte. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts erschien Herr Lehtinen der Öffentlichkeit auch nicht als offensichtlich unzuständig. Herr Lehtinen war zudem, bis ihm der Abteilungsleiter am 16. Februar 2001 die Sache entzog, mit dem Marktkontrollverfahren betraut.

96.   Allerdings kann ein Mitgliedstaat, wenn der Eindruck von Äußerungen mit einer tatsächlich nicht bestehenden Amtsautorität entsteht, eine Zurechnung dieser Äußerungen vermeiden, wenn er den Anschein unverzüglich durch angemessene Information beseitigt.(43)

97.   Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts hat das Ministerium die Empfänger der Äußerungen Herrn Lehtinens vom 17. Januar, vom 12. und vom 19. Februar 2001 allerdings zu keinem Zeitpunkt über die divergierende Auffassung des Ministeriums informiert. Nichts weist demnach darauf hin, dass das Ministerium bei diesen Äußerungen mit der gebotenen Eile für die Beseitigung des Eindrucks gesorgt hätte, Herr Lehtinen vertrete eine offizielle Position. Zudem dürften die beiden Regionalzeitungsartikel nicht die Breitenwirkung des Fernsehinterviews und nicht die gleichen Adressatenkreise wie die Äußerungen Herrn Lehtinens gehabt haben.

98.   Insgesamt sprechen die Umstände des Ausgangsverfahrens hinsichtlich der Äußerungen Herrn Lehtinens vom 9. Januar, vom 17. Februar und 13. Juni 2001 eher dafür, dass ein reines Privatverhalten Herrn Lehtinens vorliegt. Dagegen sprechen die Umstände des Ausgangsverfahrens hinsichtlich seiner Äußerungen vom 17. Januar, vom 12. und 19. Februar 2001 eher dafür, dass sein Verhalten dem finnischen Staat zuzurechnen ist und mithin mitgliedstaatliches Verhalten vorliegt.(44)

99.   Jedoch wird das vorlegende Gericht für eine abschließende Beurteilung der Zurechnungsfragen die näheren Umstände noch weiter aufzuklären haben. Denn auf Fragen des Gerichtshofs haben die finnische Regierung und Herr Lehtinen erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof vorgetragen, dass im Fernsehprogramm von TV 1 später auch die Position des Ministeriums ausgestrahlt worden sei. Zudem habe der Abteilungsleiter gegenüber dem Metallarbeiterverband und der schwedischen Regierung zeitnah richtig gestellt, dass Herr Lehtinen seine private Auffassung verbreitet habe. Das vorlegende Gericht wird daher klären müssen, inwieweit Maßnahmen des Ministeriums die Empfänger der Äußerungen Herrn Lehtinens doch hinreichend zeitnah erreichten und den Eindruck offizieller Äußerungen des Ministeriums beseitigten.(45)

iii) Zur Beschränkung oder Behinderung des Inverkehrbringens der Hebebühne

100. Zu klären bleibt, ob das Verhalten Herrn Lehtinens das Inverkehrbringen der Hebebühne beschränkte oder behinderte.

101. Als sekundärrechtliche Ausprägung der Warenverkehrsfreiheit untersagt Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie im Sinne der so genannten Dassonville-Formel jede Maßnahme, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel mit den Maschinen im Anwendungsbereich der Richtlinie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern.(46)

–       Zu Beschränkungen aus zurechenbarem Verhalten

102. Bei einer Zurechnung der öffentlichen Äußerungen Herrn Lehtinens vom 17. Januar, vom 12. und vom 19. Februar 2001 an den finnischen Staat ist hier zu fragen, ob diese dann staatlichen Äußerungen Art. 4 der Richtlinie verletzen.

103. Im Urteil „Buy Irish“ hat der Gerichtshof bereits eine Werbekampagne für inländische Produkte, die Konkurrenzprodukte aus dem Ausland in keiner Weise herabwürdigte, als beschränkend angesehen.(47) Staatliche Erklärungen, die eine Maschine in den Fernsehnachrichten, in weit verbreiteten, dem Anschein nach offiziellen Berichten und in Zeitungsinterviews als normwidrig und gefährlich bezeichnen, sind erst recht zumindest mittelbar und potentiell geeignet, das Inverkehrbringen der Maschine zu behindern.

104. Die Umstände des Ausgangsverfahrens sprechen daher dafür, dass bei diesen Äußerungen von Herrn Lehtinen mitgliedstaatliche Maßnahmen vorliegen, die das Inverkehrbringen einer als richtlinienkonform zertifizierten Maschine beschränken oder behindern und damit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie verletzen.

105. Auf die Vorlagefrage ist daher zu antworten:

Nicht autorisierte Äußerungen eines Beamten, in denen eine Maschine als normwidrig und gefährlich bezeichnet wird, die als richtlinienkonform zertifiziert ist, stellen einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie dar, wenn das Verhalten des Beamten dem Mitgliedstaat zuzurechnen ist. Zuzurechnen sind entsprechende Äußerung, wenn aufgrund der Form und der Umstände für die Empfänger der Äußerungen der Eindruck entsteht, dass es sich um offizielle staatliche Verlautbarungen und nicht um private Stellungnahmen des Beamten handelt. Von Bedeutung kann hierbei insbesondere sein,

–       dass der Beamte im Allgemeinen für den betroffenen Bereich zuständig ist,

–       dass der Beamte seine schriftlichen Äußerungen unter Verwendung des offiziellen Briefkopfes der zuständigen Stelle abgibt,

–       dass der Beamte Fernsehinterviews in den Räumen seiner Dienststelle gibt,

–       dass der Beamte nicht auf den privaten Charakter seiner Äußerungen und deren Abweichung von der offiziellen Position der zuständigen Stelle hinweist und

–       dass die zuständigen staatlichen Stellen nicht unverzüglich die notwendigen Schritte unternehmen, um bei den Empfängern der Äußerungen des Beamten den Eindruck zu zerstreuen, dass es sich um offizielle staatliche Verlautbarungen handelt.

–       Zu Beschränkungen aus nicht zurechenbarem Verhalten

106. Soweit das vorlegende Gericht nach den obigen Kriterien Äußerungen Herrn Lehtinens als private Äußerungen ansieht und eine Zurechnung ablehnt, kommt eine Verletzung von Art. 4 der Richtlinie aufgrund pflichtwidrigen Nichteinschreitens des finnischen Staates in Betracht.

107. So hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Art. 28 EG und 10 EG die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um in ihrem Gebiet die Beachtung der Grundfreiheit sicherzustellen und ausreichende Maßnahmen zur Beseitigung von Hemmnissen für den freien Warenverkehr zu treffen, die insbesondere durch Handlungen von Privatpersonen in ihrem Gebiet geschaffen wurden, die sich gegen Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten richten.(48) Jedoch besteht hinsichtlich der Maßnahmen, die in der jeweiligen Situation erforderlich und am besten geeignet sind, ein Ermessen der Mitgliedstaaten – es ist nicht Sache der Gemeinschaftsorgane, sich an die Stelle der Mitgliedstaaten zu setzen und ihnen vorzuschreiben, welche Maßnahmen sie erlassen und tatsächlich anwenden müssen.(49) Es ist jedoch Aufgabe des Gerichtshofs, unter Berücksichtigung dieses Ermessens zu prüfen, ob der Mitgliedstaat überhaupt geeignete Maßnahmen ergriffen hat.(50)

108. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts war das Ministerium in Bezug auf die Äußerungen Herrn Lehtinens vom 9. Januar 2001 aus dem späteren Schreiben der Vereinigung des technischen Fachhandels darüber informiert, dass dort die andere Ansicht des Ministeriums bekannt war. Der Abteilungsleiter sandte zudem am 8. Februar 2001 ein Fax an den Vorsitzenden des Industrie- und Handelsverbandes, in dem er den Äußerungen Herrn Lehtinens entgegen trat. Die Zeitungsartikel vom 17. Februar 2001 und 13. Juni 2001(51) weisen darauf hin, dass das Marktkontrollverfahren noch nicht abgeschlossen war, dass das Ministerium zum damaligen Zeitpunkt von einer Konformität der Maschine mit der Richtlinie ausging und dass das Ministerium in ihr keine Gefahr erkennen konnte.(52)

109. Derartige Umstände legen nahe, dass das Ministerium davon ausgehen konnte, dass keine weitergehenden Maßnahmen erforderlich waren. Demnach wäre der finnische Staat seinen Schutzpflichten bei Übergriffen Privater in die Freiheit des Warenverkehrs gerecht geworden. Insoweit würden dann keine mitgliedstaatlichen Beschränkungen im Sinne des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie vorliegen.

c)      Art. 10 Abs. 2 EG

110. Das vorlegende Gericht möchte mit seiner ersten Frage noch wissen, ob in dem Verhalten Herr Lehtinens und des Ministeriums Verstöße gegen Pflichten aus Art. 10 Abs. 2 EG liegen. Als Lex generalis muss Art. 10 Abs. 2 EG jedoch hinter Verstößen gegen konkretere Normen zurücktreten.(53) Art. 10 Abs. 2 EG kann eigene Ansprüche nur gewähren, soweit noch über den konkreten Normenverstoß hinaus ein Pflichtverstoß festzustellen ist.(54) Dafür gibt das Ausgangsverfahren keine Anhaltspunkte.

d)      Zur Rechtfertigung (Vorlagefragen 3 und 4)

111. Unter Berücksichtigung des Prüfungsmaßstabs und der bisherigen Ergebnisse möchte das vorlegende Gericht mit seiner dritten und vierten Frage im Wesentlichen wissen, ob die Verletzung des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie durch das Verhalten Herrn Lehtinens mit dem Ziel des Gesundheitsschutzes oder mit der Meinungsfreiheit gerechtfertigt werden kann.

i)      Zur Rechtfertigung durch das Ziel des Gesundheitsschutzes (Vorlagefrage 3)

112. Die Richtlinie regelt gerade den Schutz der menschlichen Gesundheit in Bezug auf die erfassten Maschinen. Bei richtlinienkonformen Maschinen lässt sie daher weitergehende Beschränkungen des Inverkehrbringens aus Gründen des Gesundheitsschutzes nur gemäß Art. 7 Abs. 1 zu.

113. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts zum Ausgangsverfahren hat das Ministerium keine Maßnahme nach Art. 7 der Richtlinie ergriffen. Zum Zeitpunkt der Äußerungen Herrn Lehtinens dauerte das Marktkontrollverfahren an, und aus Sicht des entscheidungsbefugten Abteilungsleiters war eine Gefahr im Sinne des Art. 7 für die menschliche Gesundheit gerade nicht festgestellt. Auch eine Unterrichtung der Kommission im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 erfolgte nicht. Eine Rechtfertigung mit Zielen des Gesundheitsschutzes ist also schon deshalb problematisch, weil der Mitgliedstaat diese Ziele gar nicht verfolgte.

114. Im Übrigen ist nach den Angaben des vorlegenden Gerichts auch eine objektive Gefährdung hier nicht ersichtlich. Selbst wenn aber eine Gefährdung in Betracht kommen würde, so dürfte es hier an der Verhältnismäßigkeit der durch Herrn Lehtinen bewirkten Beeinträchtigungen fehlen.

115. Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, die erlassenen Maßnahmen nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der Ziele der Regelung geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen.(55)

116. Öffentliche Warnungen wie die Herrn Lehtinens vor der Gefährlichkeit der AGM-Hebebühne mögen zwar geeignet gewesen sein, die „Gefahr“ zu mindern. Zweifel bestehen hingegen an der Erforderlichkeit. Als gleich geeignete, mildere Alternativmaßnahme wäre z. B. ein Schreiben an die Betreiber der Hebebühnen in Betracht gekommen, das sie über die weitergehenden Gefahren, die Herr Lehtinen sah, gezielt informiert hätte. Nicht umsonst war dieser Weg bereits für die fehlerhafte Sicherheitsarretierung gewählt worden.

117. Jedenfalls dürfte es an der Angemessenheit der Äußerungen fehlen. Denn nach den Angaben des vorlegenden Gerichts kann die „Gefahr“, die Herr Lehtinen von der Beschränkung der Auffahrtrichtung ausgehen sah, nicht besonders hoch gewesen sein: Die Maschine und die Belastungstabellen waren danach einfach zu bedienen und bei der recht hohen Anzahl verkaufter Modelle sind auch keine Unfälle bekannt, die auf die Beschränkung der Auffahrtrichtung zurückzuführen gewesen wären.(56) Demgegenüber dürften öffentliche Erklärungen in der Art und Form der Äußerungen Herrn Lehtinens den freien Warenverkehr von Produkten ganz erheblich beeinträchtigen können.

ii)    Zur Rechtfertigung durch die Meinungsfreiheit (Vorlagefrage 4)

118. Zu Recht hat vor allem die schwedische Regierung die Bedeutung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung hervorgehoben, das in Art. 12 der finnischen Verfassung, in Art. 10 EMRK und als allgemeiner Rechtsgrundsatz im Gemeinschaftsrecht gewährleistet ist. Die Meinungsfreiheit steht als wesentliche Grundlage einer demokratischen Gesellschaft auch den Beamten der Mitgliedstaaten ebenso zu wie den Beamten der Gemeinschaft.(57)

119. Dagegen genießt der Mitgliedstaat selbst keine Meinungsfreiheit. Er ist vielmehr – wie die Organe der Gemeinschaft auch – Verpflichteter dieser Garantie. Der Mitgliedstaat muss seinen Rechtsunterworfenen die Meinungsfreiheit gewährleisten und kann sie nicht ihnen gegenüber in Anspruch nehmen.

–       Zur Rechtfertigung zurechenbaren Verhaltens

120. Soweit das Verhalten Herrn Lehtinens dem finnischen Staat zuzurechen ist, scheidet daher eine Rechtfertigung aus der Meinungsfreiheit aus. Denn bei Herrn Lehtinens Äußerungen vom 17. Januar, vom 12. und vom 19. Februar 2001 handelt es sich bei einer Zurechnung um staatliche Äußerungen, nicht um die einer Privatperson. Ein eigenes Recht aus der Meinungsfreiheit kann der finnische Staat aber nicht in Anspruch nehmen und AGM nicht entgegen halten. Auch ein Recht seines Beamten Lehtinen hätte er insoweit nicht zu achten gehabt. Denn Herrn Lehtinen mag zwar aus der Meinungsfreiheit das Recht zugestanden haben, sich in seinem eigenen Namen zu äußern, nicht aber das Recht, sich in den Augen der Öffentlichkeit als Vertreter des finnischen Staates zu äußern.

–       Zur Rechtfertigung nicht zurechenbaren Verhaltens

121. Dagegen ist eine Rechtfertigung aus der Meinungsfreiheit grundsätzlich möglich, soweit Herrn Lehtinens Verhalten dem finnischen Staat nicht zuzurechnen ist. Äußert ein Beamter sich nämlich im eigenen Namen, so nimmt er gegenüber seinem Mitgliedstaat seine Meinungsfreiheit in Anspruch. Der Mitgliedstaat hat dieses Grundrecht zu achten. Da der Mitgliedstaat aber zugleich die Freiheit des Warenverkehrs zu gewährleisten hat und daraus möglicherweise eine Pflicht zum Einschreiten folgt,(58) kann hier ein Spannungsverhältnis bestehen.

122. Besteht ein solches Spannungsverhältnis, so muss ein Mitgliedstaat sich auf die Meinungsfreiheit seines Beamten soweit berufen können, wie er sie nach den konkreten Umständen zu achten hat. Demgemäß sind anhand aller Umstände des Einzelfalls die Interessen abzuwägen. Dabei verfügt der Mitgliedstaat über ein weites Ermessen. Jedoch obliegt es dem Gerichtshof, zu prüfen, ob die Beschränkungen der Grundfreiheiten in angemessenem Verhältnis zum Schutz der Grundrechte stehen.(59)

123. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts äußerte Herr Lehtinen seine Ansicht vor einer Entscheidung des Ministeriums. Seine Kritik war recht scharf und auf die Hebebühne nur einer Marke ausgerichtet, doch begründete er seinen Standpunkt mit sachlichen Erwägungen in Bezug auf das Hebebühnenmodell und setzte es darüber hinaus nicht unnötig herab. Er verfolgte mit seinen Äußerungen zumindest auch Ziele des Gesundheitsschutzes. Herr Lehtinen machte danach von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung in einem Bereich Gebrauch, in dem er besondere Expertise besaß und verfolgte mit seinen Äußerungen wichtige, im öffentlichen Interesse liegende Ziele.

124. Das Ministerium machte dabei gerade den informationsbedürftigen Lesern der Zeitungsartikel deutlich, dass Herr Lehtinen seine Privatansicht äußerte, dass das Marktkontrollverfahren noch andauerte und dass weder Beweise für eine Gefahr der Hebebühne noch für eine Normwidrigkeit vorlagen. Das Ministerium hat damit Maßnahmen getroffen, um die Auswirkungen der Äußerungen Herrn Lehtinens auf die Freiheit des Warenverkehrs möglichst gering zu halten.

125. Unter solchen Umständen ist anzunehmen, dass das Ministerium im Rahmen seines Ermessens davon ausgehen konnte, dass die verbleibenden Beschränkungen der Freiheit des Warenverkehrs aus den privaten Äußerungen Herrn Lehtinens hinzunehmen waren, weil ein weitergehender Schutz ohne unverhältnismäßige Einschränkungen der Meinungsfreiheit Herrn Lehtinens nicht möglich gewesen wäre.

126. Insbesondere kann ein präventives Äußerungsverbot des Ministeriums an Herrn Lehtinen nicht in Betracht kommen. Präventive Äußerungsverbote negieren die Meinungsfreiheit im Einzelfall und sind daher nur unter außergewöhnlichen Umständen zu rechtfertigen. Soweit jedenfalls das finnische (Beamten-)Recht ein präventives Verbot überhaupt ermöglichen sollte, kann das Gemeinschaftsrecht dies unter solchen Umständen zum Schutz der Warenverkehrsfreiheit keinesfalls verlangen. Form und Zeitpunkt der Äußerungen legen ebenso wenig nahe, dass ein schärferes Einschreiten erforderlich gewesen wäre und die tatsächlich ergriffenen Maßnahmen außerhalb des Ermessensspielraums des finnischen Staates gelegen hätten.

iii) Zwischenergebnis

127. Unter Umständen wie denen des Ausgangsfalls kann eine Verletzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie durch Äußerungen eines Beamten, die seinem Mitgliedstaat zuzurechnen sind, weder mit Zielen des Gesundheitsschutzes, noch mit der Meinungsfreiheit des Beamten gerechtfertigt werden. Ein Mitgliedstaat ist jedoch unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht verpflichtet, private Äußerungen eines Beamten, die sich auf die Freiheit des Warenverkehrs auswirken können, zu unterbinden.

3.      Staatshaftung und Beamtenhaftung (Vorlagefragen 5 und 6)

128. Für den Fall, dass in Umständen wie denen des Ausgangsfalls ein Verstoß gegen die Art. 28 EG und 30 EG oder gegen Art. 10 EG liegen sollte, bittet das vorlegende Gericht noch um Auskunft darüber, ob die Vorraussetzungen eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Staatshaftungsanspruchs gegeben sind, ob das Gemeinschaftsrecht auch eine Haftung des handelnden Beamten ermöglicht oder verlangt und inwieweit die Voraussetzungen solcher Haftungsansprüche eventuell eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des finnischen Rechts erfordern.

129. Im Hinblick auf die Ergebnisse der vorstehenden Prüfung sind die Fragen des vorlegenden Gerichts allerdings im Hinblick auf eine Verletzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie durch die Äußerungen Herrn Lehtinens vom 17. Januar, vom 12. und vom 19. Februar zu beantworten, bei denen die Umstände des Ausgangsverfahrens dafür sprechen, dass sie dem finnischen Staat zuzurechnen sind und dass sie damit als eine mitgliedstaatliche Maßnahme das Inverkehrbringen der Hebebühne beschränkt oder behindert haben.

a)      Zur Staatshaftung

130. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat ein Mitgliedstaat Schäden, die dem Einzelnen durch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind, unter drei Voraussetzungen zu ersetzen: die Rechtsnorm, gegen die verstoßen wurde, verleiht dem Einzelnen Rechte, der Verstoß ist hinreichend qualifiziert und zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem Schaden des Betroffenen besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang.(60)

131. Diese drei Voraussetzungen müssen sowohl erfüllt sein, wenn die Schäden auf eine Untätigkeit des Mitgliedstaats zurückgehen, als auch, wenn sie auf einem gemeinschaftsrechtswidrigen Gesetzgebungs- oder Verwaltungsakt beruhen – unabhängig davon, ob der Mitgliedstaat selbst oder eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, die vom Staat rechtlich unabhängig ist, ihn erlassen hat.(61)

i)      Individualschützende Rechte (Vorlagefrage 5 c)

132. Mit seiner Frage 5 Buchst. c möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 10 EG, insbesondere dessen Abs. 2, unter den vorliegenden Umständen Rechte für den Einzelnen begründen kann.

133. Wegen des Anwendungsvorrangs der Richtlinie kann Art. 10 EG hier nicht selbständig Rechte begründen, auf die sich der Einzelne berufen könnte.(62) Denn Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie verleiht den einzelnen Marktteilnehmern Rechte, die sie gegenüber den Mitgliedstaaten einfordern können.(63)

ii)    Hinreichend qualifizierter Verstoß (Vorlagefrage 5 Buchst. a und b)

134. Mit seinen Fragen 5 Buchst. a und b fragt das vorlegende Gericht im Kern, ob die Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht unter den gegebenen Umständen hinreichend qualifiziert sind, so dass sie eine Staatshaftung auslösen können.

135. Entscheidendes Kriterium zur Beurteilung der hinreichenden Qualifikation eines Gemeinschaftsrechtsverstoßes ist, ob ein Mitgliedstaat die Grenzen seines Ermessens offenkundig und erheblich überschritten hat. Zu berücksichtigen hat das zuständige Gericht dabei unter anderem die Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, den Umfang des Ermessensspielraums, der den nationalen Behörden belassen ist, gegebenenfalls eine Vorsätzlichkeit des Verstoßes oder der Zufügung des Schadens und eine etwaige Entschuldbarkeit eines Rechtsirrtums.(64)

136. Hat indes der Mitgliedsstaat zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine gesetzgeberischen Entscheidungen zu treffen und verfügt er über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Gestaltungsspielraum, so kann die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts für die Annahme eines hinreichend qualifizierten Verstoßes ausreichen.(65)

137. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten auch bei nur vermutet richtlinienkonformen Maschinen keinen Ermessens-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum ein. Bei späteren Zweifeln an der Konformität einer Maschine sieht die Richtlinie nämlich nur Maßnahmen nach Art. 7 vor. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts hat jedoch das zuständige Ministerium diese Möglichkeiten bewusst nicht wahrgenommen und Herrn Lehtinen dennoch gewähren lassen.(66) Die Umstände des Ausgangsverfahrens sprechen daher dafür, dass der Verstoß aufgrund der zurechenbaren Äußerungen Herrn Lehtinens hinreichend qualifiziert ist.

iii) Zusätzliche nationale Voraussetzungen (Vorlagefragen 5 Buchst. e und 6 Buchst. a Sätze 1 und 3)

138. Mit seinen Fragen 5 Buchst. e und 6 Buchst. a Sätze 1 und 3 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das mitgliedstaatliche Recht insbesondere für andere wirtschaftliche Schäden als Personen- und Sachschäden zusätzliche Voraussetzungen für die Staatshaftung aufstellen kann bzw. ob der Schadensersatz eine wirksame und abschreckende Sanktion darstellen müsse.

139. Liegen die Voraussetzungen des gemeinschaftsrechtlich begründeten Schadensersatzanspruchs vor, hat der Mitgliedstaat die Folgen des verursachten Schadens nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben; dabei dürfen die Voraussetzungen nicht ungünstiger als bei entsprechenden innerstaatlichen Ansprüchen und nicht so ausgestaltet sein, dass es dem Geschädigten praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert wird, die Entschädigung zu erlangen.(67) Daher kann es auch nicht zulässig sein, z. B. entgangenen Gewinn oder andere Schadensersatzarten vom ersatzfähigen Schaden vollständig auszuschließen, weil dies bei bestimmten Rechtsstreitigkeiten den Ersatz des Schadens tatsächlich unmöglich machen könnte.(68)

140. Das Gemeinschaftsrecht verlangt demnach eine effektive Entschädigung und duldet keine zusätzlichen Voraussetzungen aus mitgliedstaatlichem Recht, die ein Erlangen von Schadensersatz oder von bestimmten Schadensersatzarten mehr als nur unerheblich erschweren würden.

141. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts sieht das finnische Recht allerdings Ersatz für rein wirtschaftliche Schäden nur vor, wenn sie auf einer mit Strafe belegten Handlung oder der Ausübung hoheitlicher Gewalt beruhen, oder wenn sonst besonders schwerwiegende Gründe vorliegen. Solche zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen müssen so ausgelegt werden, dass sie das Erlangen von Schadensersatz für rein wirtschaftliche Schäden nicht mehr als nur unerheblich erschweren. Den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts wäre allerdings Genüge getan, wenn die Bestimmungen des mitgliedstaatlichen Rechts gemeinschaftsrechtskonform so ausgelegt werden könnten, dass übermäßige Erschwernisse ausgeschlossen sind. Das wäre etwa denkbar, wenn Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht immer als besonders schwerwiegende Gründe angesehen würden.

142. Ferner folgt aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die im Gemeinschaftsrecht begründete mitgliedstaatliche Staatshaftung nicht Zwecken der Abschreckung und Sanktion dient, sondern dem Ersatz der Schäden, die Einzelne durch Verstöße der Mitgliedstaaten gegen Gemeinschaftsrecht erleiden.

iv)    Zwischenergebnis

143. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie verleiht den Einzelnen Rechte, die sie gegenüber den Mitgliedstaaten einfordern können. Art. 10 EG ist daneben nicht anwendbar. Art. 4 Abs. 1 räumt den Mitgliedstaaten bei (auch vermutet) richtlinienkonformen Maschinen keinen Ermessens-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum ein. Die Verletzung des Art. 4 Abs. 1 stellt einen hinreichend qualifizierten Verstoß im Sinne des gemeinschaftsrechtlich begründeten Staatshaftungsanspruchs dar. Das Gemeinschaftsrecht duldet keine zusätzlichen Voraussetzungen aus mitgliedstaatlichem Recht, die das tatsächliche Erlangen von Schadensersatz generell oder hinsichtlich bestimmter Schadensersatzarten mehr als nur unerheblich erschweren würden.

b)      Zur Beamtenhaftung

i)      Die gemeinschaftsrechtliche Möglichkeit einer zusätzlichen Beamtenhaftung (Vorlagefrage 5 Buchst. d)

144. In seiner Frage 5 Buchst. d möchte das vorlegende Gericht wissen, ob zusätzlich zum Staat auch ein Beamter für seine Gemeinschaftsrechtsverstöße haftbar gemacht werden kann.

145. Das Gemeinschaftsrecht überlässt die Ausgestaltung der Haftung den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, solange die tatsächliche Durchsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Ansprüche nicht übermäßig erschwert und das Erlangen des Ersatzes effektiv gewährleistet ist. Beispielsweise hat der Gerichtshof auch anerkannt, dass es gemeinschaftsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn die Haftung öffentlich-rechtlicher Körperschaften neben diejenige des Mitgliedstaats selbst tritt.(69)

146. Solange der Ersatz des Schadens aus dem Gemeinschaftsrechtsverstoß einer mitgliedstaatlichen Stelle tatsächlich und effektiv gewährleistet ist, steht das Gemeinschaftsrecht der Bereitstellung eines weiteren Haftungssubjekts neben dem Mitgliedstaat selbst nicht entgegen. Auch einer zusätzlichen Haftung des Beamten, der die Handlung begangen hat, steht daher gemeinschaftsrechtlich nichts entgegen.

ii)    Gemeinschaftsrechtliche Pflichten zur Einrichtung einer Beamtenhaftung (Vorlagefrage 6 a Sätze 1 und 2)

147. Mit seiner Frage 6 a Sätze 1 und 2 möchte das vorlegende Gericht zunächst wissen, ob das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten eine Pflicht auferlegt, ihre Beamten für deren Gemeinschaftsrechtsverstöße haften zu lassen.

148. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs(70) kann nicht entnommen werden, dass das Gemeinschaftsrecht die Mitgliedstaaten verpflichten würde, ihre Beamten persönlich haftbar zu machen. Vielmehr greift das gemeinschaftliche Haftungsrecht gerade nicht in die staatsorganisatorische Freiheit der Mitgliedstaaten ein, sondern überlässt ihnen die Art und Weise der Durchsetzung dieser Ansprüche. Dabei darf die tatsächliche Durchsetzung der gemeinschaftsrechtlich gewährten Ansprüche allerdings nicht übermäßig erschwert werden und das Erlangen des Ersatzes muss effektiv gewährleistet sein. Entscheidend ist demnach, dass nach dem mitgliedstaatlichen Recht zumindest ein dem Staat vergleichbar leistungsfähiges Haftungssubjekt zur Verfügung steht, nicht welches. Sieht das mitgliedstaatliche Recht also bereits eine Staatshaftung vor, die den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügt, so besteht keine gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur Schaffung einer zusätzlichen Beamtenhaftung.

iii) Zusätzliche Voraussetzungen oder Begrenzungen einer Beamtenhaftung (Vorlagefrage 6 Buchst. b)

149. Mit seiner Fragen 6 Buchst. b fragt das vorlegende Gericht schließlich noch, ob die Mitgliedstaaten zusätzliche Voraussetzungen oder Begrenzungen für die Haftung ihrer Beamten vorsehen können.

150. Aus der genannten Rechtsprechung(71) folgt, dass gegenüber den Kriterien für eine gemeinschaftsrechtlich begründete Staatshaftung wegen Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht zusätzliche Voraussetzungen oder Begrenzungen für eine Beamtenhaftung möglich sind, soweit es sich um eine zusätzliche Beamtenhaftung handelt. Ein wirksamer Schadensersatz ist dann nämlich bereits durch die Haftung des Staates gewährleistet.

151. Ist dagegen im mitgliedstaatlichen Recht die Staatshaftung so ausgestaltet, dass ausschließlich eine Beamtenhaftung vorgesehen ist, die vom Staat mit einer Ausfallhaftung abgedeckt oder die auf ihn übergeleitet wird, so müssen sich die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts an einen wirksamen Schutz der Rechte des Einzelnen auch bei der Regelung der Beamtenhaftung durchsetzen. Folgt nämlich die Staatshaftung aus der Beamtenhaftung, so dürfen keine zusätzlichen Voraussetzungen aus mitgliedstaatlichem Recht das Erlangen von Schadensersatz mehr als nur unerheblich erschweren.

iv)    Zwischenergebnis

152. Eine zusätzliche Beamtenhaftung ist gemeinschaftsrechtlich möglich, aber nicht gefordert. Sie kann mit zusätzlichen Voraussetzungen oder Beschränkungen gegenüber den Kriterien für eine gemeinschaftsrechtlich begründete Staatshaftung versehen werden. Vermittelt dagegen eine Beamtenhaftung die Staatshaftung, so kann das Gemeinschaftsrecht zum wirksamen Schutz der Rechte des Einzelnen zusätzliche Voraussetzungen aus mitgliedstaatlichem Recht nicht dulden, wenn sie das Erlangen von Schadensersatz mehr als nur unerheblich erschweren würden.

VI – Ergebnis

153. Aufgrund der vorstehenden Überlegungen schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Tampereen käräjäoikeus wie folgt zu antworten:

1)      Die Richtlinie 98/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Maschinen ist dahin auszulegen, dass Hebebühnen wie die des Ausgangsfalls den Sicherheitsanforderungen der Richtlinie nur genügen, wenn sie Fahrzeuge in beiden Auffahrrichtungen bis zu ihrer höchstzulässigen Last tragen können oder zumindest durch effektive Schutzmaßnahmen sichergestellt ist, dass mögliche Fehl- und Überbelastungen wirksam verhindert werden.

2)      Nicht autorisierte Äußerungen eines Beamten, in denen eine Maschine als normwidrig und gefährlich bezeichnet wird, die als richtlinienkonform zertifiziert ist, stellen einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie dar, wenn das Verhalten des Beamten dem Mitgliedstaat zuzurechnen ist. Zuzurechnen sind entsprechende Äußerung, wenn aufgrund der Form und der Umstände für die Empfänger der Äußerungen der Eindruck entsteht, dass es sich um offizielle staatliche Verlautbarungen und nicht um private Stellungnahmen des Beamten handelt. Von Bedeutung kann hierbei insbesondere sein,

–       dass der Beamte im Allgemeinen für den betroffenen Bereich zuständig ist,

–       dass der Beamte seine schriftlichen Äußerungen unter Verwendung des offiziellen Briefkopfes der zuständigen Stelle abgibt,

–       dass der Beamte Fernsehinterviews in den Räumen seiner Dienststelle gibt,

–       dass der Beamte nicht auf den privaten Charakter seiner Äußerungen und deren Abweichung von der offiziellen Position der zuständigen Stelle hinweist und

–       dass die zuständigen staatlichen Stellen nicht unverzüglich die notwendigen Schritte unternehmen, um bei den Empfängern der Äußerungen des Beamten den Eindruck zu zerstreuen, dass es sich um offizielle staatliche Verlautbarungen handelt.

3)      Unter Umständen wie denen des Ausgangsfalls kann eine Verletzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie durch Äußerungen eines Beamten, die seinem Mitgliedstaat zuzurechnen sind, weder mit Zielen des Gesundheitsschutzes, noch mit der Meinungsfreiheit des Beamten gerechtfertigt werden. Ein Mitgliedstaat ist jedoch unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht verpflichtet, private Äußerungen eines Beamten, die sich auf die Freiheit des Warenverkehrs auswirken können, zu unterbinden.

4)      Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie verleiht den Einzelnen Rechte, die sie gegenüber den Mitgliedstaaten einfordern können. Art. 10 EG ist daneben nicht anwendbar. Art. 4 Abs. 1 räumt den Mitgliedstaaten bei (auch vermutet) richtlinienkonformen Maschinen keinen Ermessens-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum ein. Die Verletzung des Art. 4 Abs. 1 stellt einen hinreichend qualifizierten Verstoß im Sinne des gemeinschaftsrechtlich begründeten Staatshaftungsanspruchs dar. Das Gemeinschaftsrecht duldet keine zusätzlichen Voraussetzungen aus mitgliedstaatlichem Recht, die das tatsächliche Erlangen von Schadensersatz generell oder hinsichtlich bestimmter Schadensersatzarten mehr als nur unerheblich erschweren würden.

5)      Eine zusätzliche Beamtenhaftung ist gemeinschaftsrechtlich möglich, aber nicht gefordert. Sie kann mit zusätzlichen Voraussetzungen oder Beschränkungen gegenüber den Kriterien für eine gemeinschaftsrechtlich begründete Staatshaftung versehen werden. Vermittelt dagegen eine Beamtenhaftung die Staatshaftung, so kann das Gemeinschaftsrecht zum wirksamen Schutz der Rechte des Einzelnen zusätzliche Voraussetzungen aus mitgliedstaatlichem Recht nicht dulden, wenn sie das Erlangen von Schadensersatz mehr als nur unerheblich erschweren würden.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – Richtlinie 98/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Maschinen, ABl. L 207, S. 1.


3 – Vgl. die Europäische Norm EN 1493 des CEN für Fahrzeug-Hebebühnen vom 10. Juli 1998.


4 – Vgl. ABl. 1999, C 165, S. 4.


5 – Vgl. Nr. 31 dieser Schlussanträge.


6 – Vgl. Nrn. 36 und 31 dieser Schlussanträge.


7 – Vgl. Urteile vom 12. Juni 2003, Schmidberger (C-112/00, Slg. 2003, I-5659, Randnr. 39 und 41); vom 10. März 1981, Irish Creamery Milk Suppliers u. a. (36/80 und 71/80, Slg. 1981, 735, Randnr. 5, 7 und 8), und vom 30. März 2000, JÄMO (C-236/98, Slg. 2000, I-2189, Randnr. 30).


8  – Vgl. Urteile Schmidberger (zitiert in Fn. 7, Randnr. 30, 35 bis 38); vom 15. Dezember 1995, Bosman (C-415/93, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 59); und vom 20. Januar 2005, Salgado Alonso (C-306/03, Slg. 2005, I-705, Randnrn. 40 bis 42).


9 – Vgl. Nrn. 21 und 22 dieser Schlussanträge.


10 – Vgl. Nrn. 17 und 18 dieser Schlussanträge.


11 – Vgl. Art. 2 Abs. 1, Anhang I Vorbemerkung 1, Anhang I Punkt 1.1.2. Buchst. a und Anhang I Punkt 4.1.2.3. der Richtlinie; vgl. die Nrn. 6 und 13 ff. dieser Schlussanträge.


12 – Vgl. die Erwägungsgründe 4, 7 und 10 der Richtlinie.


13 – Vgl. Nr. 14 dieser Schlussanträge.


14 – Vgl. Urteile vom 14. Dezember 2004, Radlberger und Spitz (C-309/02, Slg. 2004, I-11763, Randnr. 53); vom 13. Dezember 2001, DaimlerChrysler (C-324/99, Slg. 2001, I-9897, Randnr. 32 und 42); vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband (C-322/01, Slg. 2003, I‑14887, Randnr. 64); und vom 12. Oktober 1993, Vanacker und Lesage (C-37/92, Slg. 1993, I‑4947, Randnr. 9).


15 – Vgl. die ähnliche Analyse zu den Richtlinien 81/851 und 81/852 über Tierarzneimittel im Urteil vom 2. April 1998, Norbrook Laboratories Ltd. (C-127/95, Slg. 1998, I-1531, Randnrn. 33 bis 35).


16 – Vgl. Urteil vom 12. Oktober 2004, Wolff & Müller GmbH & Co. KG (C-60/03, Slg. 2004, I‑9553, Randnr. 24).


17 – Im Übrigen würde eine Prüfung anhand des Art. 28 EG hier zum gleichen Ergebnis führen.


18 – Vgl. Urteile vom 24. November 1982, Kommission/Irland „Buy Irish“ (249/81, Slg. 1982, 4005, Randnrn. 27 und 28); vom 18. Februar 1986, Bulk Oil (174/84, Slg. 1986, 559, Randnr. 9); vom 12. Dezember 1990, Hennen Olie (302/88, Slg. 1990, I-4625, Randnrn. 15 und 16); und vom 5. November 2002, Kommission/Deutschland, „Markenqualität aus deutschen Landen“ (C-325/00, Slg. 2002, I-9977, Randnrn. 17 bis 20).


19 – Vgl. Urteile vom 9. Dezember 1997, Kommission/Frankreich (C-265/95, Slg. 1997, I-6959, Randnr. 28 bis 32) und Schmidberger (zitiert in Fn. 7, Randnrn. 58 und 59).


20 – Zitiert in Fn. 19.


21 – Verordnung (EG) Nr. 2679/98 des Rates vom 7. Dezember 1998 über das Funktionieren des Binnenmarktes im Zusammenhang mit dem freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 337, S. 8).


22 – Vgl. Nr. 78 dieser Schlussanträge.


23 – Vgl. insoweit die Befürchtungen der Kommission in dem Verfahren, das zu dem Urteil vom 13. Dezember 2001, Kommission/Cwik (Slg. 2001, I-10269, Randnrn. 4, 25 und 26) führte.


24 – Vgl. Urteile vom 7. Oktober 1982, Berti/Kommission (131/81, Slg. 1982, 3493, Randnrn. 21, 22 und 24); vom 27. März 1990, Grifoni/Europäische Atomgemeinschaft (308/87, Slg. 1990, I‑1203, Randnrn. 12 bis 17).


25 – Vgl. Urteile vom 4. Februar 1975, Compagnie Continentale France/Rat (169/73, Slg. 1975, 117, Randnrn. 18/21); vom 9. November 1989, Briantex und Di Domenico/Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Kommission (353/88, Slg. 1989, 3623, Randnrn. 2 und 8; im Ergebnis lag allerdings kein Haftungstatbestand vor).


26 – Vgl. Urteile vom 7. November 1985, Adams/Kommission (145/83, Slg. 1985, 3539, Randnrn. 35, 37, 42, 44 und 53), und vom 5. Oktober 1988, Hamill/Kommission (180/87, Slg. 1988, 6141, Randnrn. 10 bis 13).


27 – Vgl. für das gemeinschaftliche Haftungsrecht die Urteile vom 4. Juli 2000, Salomone Haim (C‑424/97, Slg. 2000, I-5123, Randnr. 44), und vom 5. März 1996, Brasserie du Pêcheur und Factortame (C-46/93 und C-48/93, Slg. 1996, I-1029, Randnr. 58).


28 – Vgl. Urteil Brasserie du Pêcheur und Factortame (zitiert in Fn. 27, Randnr. 34).


29 Vgl. Art. 7 (Excess of authority or contravention of instructions) des Entwurfs der Völkerrechtskommission über die Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen:


„The conduct of an organ of a State or of a person or entity empowered to exercise elements of the governmental authority shall be considered an act of the State under international law if the organ, person or entity acts in that capacity, even if it exceeds its authority or contravenes instructions.“


sowie den zugehörigen Kommentar (beide verfügbar in mehreren Sprachen unter <http://www.un.org/law/ilc/texts/State_responsibility/responsibilityfra.htm>, S. 91-92, Randnr. 13 und S. 99 ff., mit weiteren Nachweisen).


30 – Vgl. Nr. 78 dieser Schlussanträge und siehe zum Völkerrecht nur Art. 4 (Conduct of organs of a State) des Entwurfs der Völkerrechtskommission (zitiert in Fn. 29):


„1. The conduct of any State organ shall be considered an act of that State under international law, whether the organ exercises legislative, executive, judicial or any other functions, whatever position it holds in the organization of the State, and whatever its character as an organ of the central government or of a territorial unit of the State.


2. An organ includes any person or entity which has that status in accordance with the internal law of the State.“


sowie den zugehörigen Kommentar (S. 84 ff.), der den Stand des Völkerrechts zusammengefasst darstellt (beide verfügbar in mehreren Sprachen unter <http://www.un.org/law/ilc/texts/State_ responsibility/responsibilityfra.htm>) und das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 29. Mai 1999 zum Streit bezüglich der Immunität vor gerichtlichen Verfahren eines Special Rapporteur der Menschenrechtskommission (I.C.J. Reports 1999, S. 62/63, Randnr. 62, verfügbar auf <http://www.icj-cij.org/> unter „Decisions“/„Décisions“).


31 – Vgl. Nr. 78 dieser Schlussanträge und siehe zum Völkerrecht nur Art. 8 (Conduct directed or controlled by a State) des Entwurfs der Völkerrechtskommission (zitiert in Fn. 29):


„The conduct of a person or group of persons shall be considered an act of a State under international law if the person or group of persons is in fact acting on the instructions of, or under the direction or control of that State in carrying out the conduct.“


sowie den zugehörigen Kommentar (gleichfalls zitiert in Fn. 29, S. 103 ff.) und das Urteil des Internationalen Gerichtshofs vom 24. Mai 1980 im Fall betreffend diplomatisches und konsularisches Personal der Vereinigten Staaten in Teheran (I.C.J. Reports 1980, S. 3/4, Randnr. 58, ebenfalls verfügbar auf <http://www.icj-cij.org/> unter „Decisions“/„Décisions“)..


32 – Vgl. Nr. 78 dieser Schlussanträge und siehe zum Völkerrecht nur den Kommentar (zitiert in Fn. 29, S. 70 und 81), das gerade zitierte Urteil des Internationalen Gerichtshofs zum Teheraner Geiselfall, Randnrn. 61 bis 67 und das Urteil des Internationalen Gerichtshofs vom 9. April 1949 im Korfu Kanal Fall (I.C.J. Reports 1949, S. 4, S. 22 bis 23, ebenfalls verfügbar auf <http://www.icj-cij.org/> unter „Decisions“/„Décisions“).


33 – Vgl. den Bericht der EKMR vom 25. Januar 1976 in der Beschwerde Nr. 5310/71 (Irland/Vereinigtes Königreich, Yearbook 19, S. 758):


„… the State['s] … existing obligations can be violated also by a person exercising an official function vested in him at any, even the lowest level, without express authorisation and even outside or against instructions.“


„… [les] obligations existantes [de l'État] peuvent être violées également par une personne exerçant une fonction officielle qui lui est confiée, quel que soit le niveau, même le plus bas, sans autorisation expresse, voire en-dehors ou à l'encontre d'instructions.“


Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte folgte der Europäischen Kommission für Menschenrechte in der Sache (vgl. Urteil vom 18. Januar 1978 in der Beschwerde Nr. 5310/71, Irland/Vereinigtes Königreich, Serie A, Nr. 25, Randnr. 159) und bestätigte 1999 ausdrücklich die damalige Position der Europäischen Kommission für Menschenrechte (vgl. Urteil vom 28. Oktober 1999 in der Beschwerde Nr. 28396/95, Wille/Liechtenstein, Reports of Judgments and Decisions 1999-VII, Randnr. 46).


34 – Vgl. Urteile in der Rechtssache Salomone Haim (zitiert in Fn. 27, Randnr. 44) und in den verbundenen Rechtssachen Brasserie du Pêcheur und Factortame (zitiert in Fn. 27, Randnr. 58).


35 – Vgl. Urteile vom 18. Januar 2001 in der Rechtssache C-150/99 (Stockholm Lindöpark, Slg. 2001, I-493, Randnr. 38); vom 26. März 1996 in der Rechtssache C-392/93 (British Telecommunications, Slg. 1996, I-1631, Randnrn. 41 ff.); vom 17. Oktober 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-283/94, C-291/94 und C-292/94 (Denkavit International u. a., Slg. 1996, I-5063, Randnrn. 49 ff.) und vom 30. September 2003 in der Rechtssache C-224/01 (Köbler, Slg. 2003, I-10239, Randnrn. 101 ff.).


36 – Vgl. insbesondere Nrn. 80 und 82 dieser Schlussanträge.


37 – Vgl. Nr. 33 dieser Schlussanträge.


38 – Vgl. Nrn. 38 und 41 dieser Schlussanträge.


39 – Vgl. Nr. 34 dieser Schlussanträge.


40 – Vgl. Nr. 33 dieser Schlussanträge.


41 – Vgl. Nr. 39 dieser Schlussanträge.


42 – Vgl. Nr. 43 dieser Schlussanträge.


43 – Vgl. insbesondere Nr. 82 dieser Schlussanträge.


44 – Für die Anwendung der Kriterien aus dem Urteil Kommission/Frankreich (zitiert in Fn. 19) und der Verordnung Nr. 2679/98 (zitiert in Fn. 21) ist daher insoweit kein Raum.


45 – Der Gerichtshof muss für die Beantwortung der Vorlagefragen dagegen von dem Sachverhalt ausgehen, den das vorlegende Gericht dargelegt hat. Denn zum einen haben weder die finnische Regierung noch Herr Lehtinen nähere Angaben zu den Interventionen des Ministeriums gemacht. Zum anderen stehen die Angaben im Widerspruch zu denen des vorlegenden Gerichts und müssen schon deshalb außer Acht bleiben.


46 – Vgl. zu der Formel die Urteile vom 11. Juli 1974, Dassonville (8/74, Slg. 1974, 837, Randnr. 5), und vom 9. Februar 1999, van der Laan (C-383/97, Slg. 1999, I-731, Randnr. 18).


47 – Vgl. Urteil Kommission/Irland („Buy Irish“, zitiert in Fn. 18, Randnrn. 2 bis 3 und 25 bis 29).


48 – Vgl. Urteile Schmidberger (zitiert in Fn. 7, Randnrn. 58 bis 59) und Kommission/Frankreich (zitiert in Fn. 19, Randnrn. 31 bis 32).


49 – Vgl. Urteil Kommission/Frankreich (zitiert in Fn. 19, Randnrn. 32 bis 34) und Schmidberger (zitiert in Fn. 7, Randnr. 64).


50 – Vgl. Urteil Kommission/Frankreich (zitiert in Fn. 19, Randnr. 35).


51 – Die Veröffentlichung vom 13. Juni 2001 beruhte nach den Angaben Herrn Lehtinens nicht auf einem Interview mit ihm.


52 – Vgl. dazu die Nrn. 38 und 41 dieser Schlussanträge.


53 – Vgl. Urteile vom 12. Juli 1990, Kommission/Griechenland (35/88, Slg. 1990, I-3125, Randnrn. 42 und 43), und vom 18. Oktober 1979, Buys u. a. (5/79, Slg. 1979, 3203, Randnr. 30).


54 – Vgl. Urteil vom 19. Februar 1991, Kommission/Belgien (C-374/89, Slg. 1991, I-367, Randnrn. 13 ff.), und vom 7. Mai 1991, Vlassopoulou (C-340/89, Slg. 1991, I-2357, Randnr. 14).


55 – Vgl. Urteile vom 10. März 2005, Tempelman und van Schaijk (C-96/03 und C-97/03, Slg. 2005, I-1895, Randnr. 47); vom 12. Juli 2001, Jippes u. a. (C-189/01, Slg. 2001, I-5689, Randnr. 81); vom 12. März 2002, Omega Air u. a. (C-27/00 und C-122/00, Slg. 2002, I-2569, Randnr. 62); Schmidberger (zitiert in Fn. 7, Randnr. 79), und vom 3. Juli 2003, Lennox (C-220/01, Slg. 2003, I-7091, Randnr. 76).


56 – Der bekannte Unfall beruhte auf der Sicherheitsarretierung; vgl. Nr. 27 dieser Schlussanträge.


57 – Vgl. nur Urteil vom 6. März 2001, Connolly (C-274/99 P, Slg. 2001, I-1611, Randnrn. 39 ff.) sowie die Urteile des EGMR vom 26. September 1995 in der Beschwerde Nr. 17851/91 (Vogt/Deutschland, Serie A, Nr. 323, Randnrn. 43 und 53), und vom 2. September 1998 in der Beschwerde Nr. 22954/93 (Ahmed et als./Vereinigtes Königreich, Reports 1998-VI, Randnrn. 41 und 55 bis 56).


58 – Vgl. Nrn. 78 und 106 ff. dieser Schlussanträge. Wie dort festgestellt, dürfte vorliegend eine solche Pflicht jedoch auch ohne Ansehung der Meinungsfreiheit nicht bestanden haben.


59 – Vgl. Urteil Schmidberger (zitiert in Fn. 7, Randnrn. 71 bis 82).


60 – Vgl. zur ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs das Urteil Salomone Haim (zitiert in Fn. 27, Randnr. 36).


61 – Vgl. Urteil Salomone Haim (zitiert in Fn. 27, Randnr. 37).


62 – Vgl. Nr. 110 dieser Schlussanträge.


63 – Vgl. Nrn. 72 ff. und 100 ff. dieser Schlussanträge.


64 – Vlg. Urteil Brasserie du Pêcheur und Factortame (zitiert in Fn. 27, Randnrn. 55 und 56).


65 – Vgl. Urteile vom 23. Mai 1996, Hedley Lomas (C-5/94, Slg. 1996, I-2553, Randnr. 28); Salomone Haim (zitiert in Fn. 27, Randnr. 38); und Stockholm Lindöpark (zitiert in Fn. 35, Randnrn. 40 und 41).


66 – Vgl. Nr. 113 dieser Schlussanträge.


67 – Vgl. Urteile Brasserie du Pêcheur und Factortame (zitiert in Fn. 27, Randnr. 67); vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C-6/90 und C-9/90, Slg. 1991, I-5357, Randnrn. 41 bis 43); und vom 9. November 1983, San Giorgio (199/82, Slg. 1983, 3595, Randnr. 14).


68 – Vgl. Urteil Brasserie du Pêcheur und Factortame (zitiert in Fn. 27, Randnr. 87).


69 – Vgl. Urteile vom 1. Juni 1999, Konle (C-302/97, Slg. 1999, I-3099, Randnr. 63 ff.), und Salomone Haim (zitiert in Fn. 27, Randnrn. 30 bis 32).


70 – Siehe die Nrn. 144 bis 145 dieser Schlussanträge.


71 – Siehe die Nrn. 144 bis 145 dieser Schlussanträge.