SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
FRANCIS G. JACOBS
vom 20. November 2003(1)



Rechtssache C-224/02



Heikki Antero Pusa
gegen
Osuuspankkien Keskinäinen Vakuutusyhtiö


(Vorabentscheidungsersuchen des Korkein oikeus)

„“






1.        Diese Rechtssache betrifft einen finnischen Staatsangehörigen, der eine finnische Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht, in Spanien lebt und dort Einkommensteuer zahlt. Aufgrund von Verbindlichkeiten, die er in Finnland hat, unterliegt seine Rente einem Pfändungsbeschluss. Nach dem einschlägigen finnischen Recht wird der gepfändete Betrag so berechnet, dass ihm ein Mindesteinkommen verbleibt; diese Berechnung berücksichtigt jedoch nicht die von ihm gezahlte spanische Einkommensteuer. Da die finnische Einkommensteuer, wenn er ihr unterläge und sie ihm an der Quelle abgezogen würde, berücksichtigt würde, möchte das Korkein oikeus (finnisches Oberstes Gericht) wissen, ob diese Ungleichbehandlung, insbesondere im Licht der Bestimmungen des EG-Vertrags über die Unionsbürgerschaft, durch Gemeinschaftsrecht untersagt ist.

EG-Vertrag

2.        Artikel 17 EG und 18 EG bestimmen:

„Artikel 17

(1)     Es wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft ergänzt die nationale Staatsbürgerschaft, ersetzt sie aber nicht.

(2)     Die Unionsbürger haben die in diesem Vertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten.

Artikel 18

(1)     Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.

...“

Nationales Recht

3.        Nach dem Zwangsvollstreckungsgesetz (Ulosottolaki) kann das Einkommen eines Schuldners aufgrund einer Gerichtsentscheidung gepfändet werden, die eine Zahlungspflicht auferlegt. Das Gesetz gewährleistet jedoch einen Mindestlebensunterhalt. Die einschlägigen Bestimmungen befinden sich im Wesentlichen in den §§ 6, 6a, 6b und 7 des vierten Kapitels des Zwangsvollstreckungsgesetzes.

4.        Wenn in Finnland gezahltes Gehalts- oder Renteneinkommen zur Befriedigung von Forderungen gepfändet wird, gibt es einen „geschützten Teil“, einen Betrag, der durch Verordnung als zum Lebensunterhalt ausreichend festgelegt wird (2) , und einen unpfändbaren Teil, einen variablen Betrag, der im Verhältnis zum Gesamteinkommen und zum geschützten Teil berechnet wird, aber immer höher ist als Letzterer. Wie sein Name nahe legt, verbleibt der unpfändbare Teil dem Schuldner zur freien Verfügung. Er wird nach dem obligatorischen Abzug der Quellensteuer errechnet.

5.        Außerdem kann der unpfändbare Teil, wenn die Zahlungsfähigkeit des Schuldners infolge Krankheit, Arbeitslosigkeit oder aus einem anderen besonderen Grund wesentlich vermindert ist, bis auf weiteres oder für einen bestimmten Zeitraum höher festgesetzt werden, als es sonst der Fall wäre; auch kann die Pfändung unter ähnlichen Umständen für eine bestimmte Zeit ausgesetzt werden, wenn sie zuvor für ein Jahr in Kraft war.

6.        Nach dem Abkommen zwischen Finnland und Spanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von 1967 werden finnische Renten wie die im vorliegenden Fall in Rede stehende nur in dem Vertragsstaat besteuert, in dem der Empfänger wohnt.

Verfahren

7.        Heikki Antero Pusa ist finnischer Staatsangehöriger. 1998 zog er von Finnland nach Spanien um, wo er seither wohnt. Er bezieht eine finnische Erwerbsunfähigkeitsrente, die auf sein Konto in Finnland überwiesen wird. Er hat in Finnland auch Schulden wegen eines Kredits; die Rückzahlungsforderung wurde durch gerichtliche Entscheidung bestätigt.

8.        Gemäß dieser Entscheidung wurde Herrn Pusas Rente im Jahr 2000 zur Erfüllung der Forderung gepfändet. Nach den oben genannten nationalen Bestimmungen musste die auszahlende Anstalt ein Drittel der Nettorente oder, falls diese nicht mehr als 5 238 FIM monatlich betrug, drei Viertel der Differenz zwischen der Nettorente und dem geschützten Teil von 97 FIM täglich zur Zahlung an den Gläubiger einbehalten.

9.        In dem Verfahren gegen den Gläubiger, eine Bankgesellschaft, macht Herr Pusa u. a. geltend, dass die Pfändung seine Rechte aus dem Zwangsvollstreckungsgesetz verletze. Da er in Spanien wohne, sei er in Finnland hinsichtlich seiner Renteneinkünfte nicht steuerpflichtig. Daher ziehe die Rentenversicherungsanstalt keine Steuer an der Quelle ab. Somit werde der Betrag, den sie aufgrund der Pfändung monatlich einbehalten müsse, anhand seiner Brutto- und nicht seiner Nettorente berechnet, ohne dass berücksichtigt würde, dass er in Spanien 19 % Steuern zahle. Folglich bleibe ihm monatlich ein verfügbares Einkommen, das geringer sei als der durch das Zwangsvollstreckungsgesetz garantierte Betrag.

10.      Das Korkein oikeus, das in der Rechtsmittelinstanz über die Rechtssache verhandelt, ist der Ansicht, dass die Anwendung der finnischen Vorschriften möglicherweise in Widerspruch zu dem in Artikel 18 EG verbürgten Recht eines jeden Bürgers der Europäischen Union stehe, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Es hat angeordnet, dass der von Herrn Pusas Rente einzubehaltende Betrag bis auf weiteres unter Berücksichtigung der in Spanien gezahlten 19 % Steuern zu berechnen sei, und ersucht den Gerichtshof um Vorabentscheidung über die folgende Frage:

Steht Artikel 18 EG oder eine andere gemeinschaftsrechtliche Vorschrift den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegen, nach denen bei einer Pfändung, die zur Vollstreckung eines Urteils über eine Geldschuld vorgenommen wird, der pfändbare Teil einer an den Schuldner regelmäßig zu zahlenden Rente in der Weise bestimmt wird, dass die in dem betreffenden Mitgliedstaat zu leistende Vorauszahlung auf die Einkommensteuer von der Rente abgezogen wird, während die Einkommensteuer, die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Schuldner in seinem Wohnsitzstaat entrichten muss, nicht als Abzugsposten berücksichtigt wird, so dass im letztgenannten Fall der pfändbare Teil höher ist, da er von der Brutto- und nicht von der Nettorente aus berechnet wird?

11.      Die finnische Regierung und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und mündlich vorgetragen; die italienische Regierung hat schriftliche Erklärungen eingereicht.

Erörterung

12.      Es ist sicher richtig, wie die finnische Regierung ausführt, dass nationale Bestimmungen über die Pfändung von Einkommen für die Eintreibung einer Forderung als solche nicht in den Bereich des Gemeinschaftsrechts fallen, sondern in der Verantwortung der Mitgliedstaaten liegen.

13.      Gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit in solchen Angelegenheiten das Gemeinschaftsrecht beachten, insbesondere wenn diese Ausübung sich auf im EG-Vertrag garantierte Freiheiten auswirkt (3) .

14.      Herr Pusa ist ein finnischer Staatsanghöriger, der in Spanien wohnt. Er ist ein Bürger der Europäischen Union, der von seinem Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, Gebrauch gemacht hat. Die Behandlung, die er beanstandet, ist untrennbar mit der Tatsache verbunden, dass er in einem Mitgliedstaat gewohnt und gearbeitet hat und eine Rente bezieht, jetzt aber in einem anderen Mitgliedstaat wohnt und steuerpflichtig ist.

15.      Seine Lage und die Umstände, die zu den Fragen des nationalen Gerichts Anlass gegeben haben, fallen daher klar in den Bereich des Gemeinschaftsrechts; Herr Pusa kann sich unmittelbar auf die Rechte berufen, die dieses ihm verleiht, insbesondere die in Artikel 18 EG niedergelegten (4) .

16.      Es könnte hier jedoch irreführen, wie es die Kommission zu tun scheint, davon auszugehen, dass eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit nachgewiesen werden müsse, damit Artikel 18 EG anwendbar sei.

17.      Es ist richtig, dass die in dieser Rechtssache streitige Frage als Diskriminierung aufgrund des Wohnsitzes verstanden werden kann, und dass der Gerichtshof die Diskriminierung aufgrund des Wohnsitzes häufig als Form der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit betrachtet hat.

18.      Eine direkte oder indirekte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist jedoch kein Tatbestandsmerkmal des Artikels 18 EG. Insbesondere ist es nicht erforderlich, nachzuweisen, dass sich etwa eine Maßnahme auf Angehörige anderer Mitgliedstaaten nachteiliger auswirkt als auf Angehörige des Mitgliedstaats, der die Maßnahme erlässt.

19.      Die Bestimmungen des EG-Vertrags über die Freizügigkeit betrafen ursprünglich Arbeitnehmer und diejenigen, die von ihrer Dienstleistungsfreiheit oder ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch machten. Seither ist diese Freiheit erweitert worden und wird heute durch Artikel 18 EG allen Bürgern der Europäischen Union gewährt.

20.      Weiter wurde die Freizügigkeit ursprünglich durch ein Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gewährleistet; diese Freiheit wurde jedoch in der Rechtsprechung des Gerichtshofes beständig erweitert, so dass nicht diskriminierende Beschränkungen ebenfalls untersagt sind. Artikel 39 EG, der durch die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ausdrücklich gewährleistet, wurde dahin ausgelegt, dass er auch bestimmte nicht diskriminierende Maßnahmen untersagt (5) . Artikel 18 EG beschränkt sich offenkundig nicht auf ein Verbot der Diskriminierung; Absatz 1 sieht schlicht das Recht jedes Unionsbürgers vor, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten lediglich vorbehaltlich etwaiger im EG-Vertrag oder in Durchführungsvorschriften vorgesehener Beschränkungen oder Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.

21.      Es ist auch klar, dass die Freizügigkeit mehr umfasst als nur die Abschaffung der Beschränkungen des Rechts einer Person, in einen Mitgliedstaat einzureisen, sich darin aufzuhalten oder aus ihm auszureisen. Freizügigkeit ist nicht gewährleistet, solange nicht alle Maßnahmen gleich welcher Art ebenfalls abgeschafft sind, die denjenigen, die von diesem Recht Gebrauch machen, eine ungerechtfertigte Belastung auferlegen. Eine solche Beschränkung ist stets unzulässig, unter welchen Umständen auch immer sie auftreten kann – einschließlich des Verlassens des Heimatmitgliedstaats oder der Rückkehr dorthin oder des Aufenthalts oder des Umzugs anderswo in der Union (6) .

22.      In Übereinstimmung mit den Urteilen des Gerichtshofes in den Rechtssachen D’Hoop und Baumbast (7) und ergänzend dazu muss das Ergebnis daher sein, dass vorbehaltlich der in Artikel 18 EG selbst genannten Beschränkungen einem Bürger der Europäischen Union, der das Recht auf Freizügigkeit oder Aufenthalt wahrnehmen möchte, keine ungerechtfertigte Belastung auferlegt werden darf. Sofern eine solche Belastung nachgewiesen werden kann, ist es unerheblich, ob sie Angehörige anderer Mitgliedstaaten stärker beeinträchtigt als die des die Belastung auferlegenden Mitgliedstaats.

23.      Daher stellt sich die Frage, ob die in Rede stehende finnische Regelung denjenigen, die das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt wahrnehmen, tatsächlich eine Belastung auferlegt, und wenn dies der Fall ist, ob sie dennoch gerechtfertigt werden kann, weil sie auf objektiven Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimen Zweck steht (8) .

24.      Wenn eine Person in einem Mitgliedstaat eine der Pfändung unterliegende Rente bezieht und die Vorschriften dieses Mitgliedstaats dazu führen, dass von ihrer Rente weniger einbehalten wird, wenn sie dort wohnt, als wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, kann sie das offensichtlich davon abhalten, ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat zu nehmen.

25.      Wie die Kommission ausgeführt hat, deutet in dem Vorlagebeschluss nichts auf irgendeine Rechtfertigung für die vorliegende Behandlung hin. Gestützt auf ihre Erläuterung der Funktionsweise der nationalen Regelung in einem Fall wie dem des Herrn Pusa trägt die finnische Regierung jedoch eine Reihe von Erwägungen vor, mit denen sie im Wesentlichen darlegt, dass, falls eine Ungleichbehandlung vorliege – was gut vertretbar sei –, diese gerechtfertigt sei.

26.      Sie erklärt zunächst, dass im Ausland gezahlte Steuern auf Nachweis der Zahlung (9) durch den Vollstreckungsbeamten berücksichtigt werden könnten. Diese Möglichkeit ergebe sich aus der Bestimmung des Zwangsvollstreckungsgesetzes, die eine Neuberechnung ermögliche, wenn die Zahlungsfähigkeit des Schuldners infolge Krankheit, Arbeitslosigkeit oder aus einem anderen besonderen Grund wesentlich vermindert sei. Wenn sich der Wortlaut dieser Bestimmung nicht besonders auf im Ausland gezahlte Steuern beziehe, so deshalb, weil solche Umstände zur Zeit ihres Erlasses (10) nicht üblich waren. In der Praxis werde sie jedoch zu diesem Zweck genutzt, und eine beabsichtigte Änderung werde dies künftig klarstellen.

27.      Im Wesentlichen ermögliche die Regelung daher die Berücksichtigung der Einkommensteuer in allen Fällen – wenn möglich automatisch, oder, wenn dies nicht möglich sei, in einer Weise, die dem Schuldner keine schwereren Beschränkungen auferlege, als sie diese Unmöglichkeit unvermeidbar mit sich bringe.

28.      In der mündlichen Verhandlung hat die finnische Regierung das allgemeine Ziel betont, eine möglichst rasche Rückzahlung von Schulden sicherzustellen, ohne den Schuldner in eine finanziell unerträgliche Lage zu bringen – mit anderen Worten, soweit möglich sowohl die Belange des Gläubigers als auch des Schuldners zu wahren. Jede Verlängerung des Rückzahlungszeitraums sei für den Gläubiger nachteilig, der seinerseits eine Privatperson in finanziell schwieriger Lage sein könne.

29.      Auch sei die Zwangsvollstreckungsbehörde jährlich mit einer großen Zahl von Fällen – 2,7 Millionen im Jahr 2002 – befasst; diese Aufgabe erfordere einfache Abläufe und verlässliche Informationen. Die Informationen, zu denen diese Behörde automatisch Zugang habe, seien jedoch begrenzt. Sie umfassten jegliche an der Quelle abgeführte Einkommensteuer, die auf dem Dokument über die Höhe des gezahlten Gehalts oder der gezahlten Rente erscheine, nicht aber andere Steuern. Die Höhe solcher anderer Steuern könne nur auf Vorlage von Nachweisen über ihre Zahlung berücksichtigt werden; diese Nachweise müssten von dem Schuldner erbracht werden, der sie aber jederzeit vorlegen könne, um eine Neuberechnung des unpfändbaren Teils seines Einkommens zu erreichen.

30.      Die wichtigste dieser Erwägungen scheint mir zu sein, dass jede Steuer auf Vorlage von Nachweisen über ihre Zahlung berücksichtigt werden kann. Das Erfordernis, dass der Schuldner solche Nachweise beibringen muss, wenn sie nicht automatisch verfügbar sind, erscheint berechtigt, sofern dieses Erfordernis nicht in seiner Anwendung dazu führt, dass es in anderen Mitgliedstaaten wohnenden Schuldnern praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird, in dieser Weise eine Anpassung des pfändbaren Anteils in gleichem Umfang zu erreichen, wie wenn die Steuer an der Quelle abgezogen worden wäre (11) .

31.      Dabei überzeugt mich die Behauptung der Kommission nicht, dass die finnischen Behörden selbst alle einschlägigen Informationen von ihren Amtskollegen in dem anderen Mitgliedstaat erlangen könnten und sollten. Zwar ist eine solche Zusammenarbeit ohne Zweifel vorstellbar und wäre sicher lobenswert; im eigenen Interesse des Schuldners ist der schnellste und sicherste Weg der Kommunikation jedoch der Schuldner selbst, von dem vernünftigerweise verlangt werden kann, einen Zahlungsnachweis zu erbringen.

32.      Eine solche Rechtfertigung kann jedoch nur dann angenommen werden, wenn die Gleichbehandlung von in anderen Mitgliedstaaten wohnenden Schuldnern, die den erforderlichen Nachweis erbracht haben, mit in Finnland wohnenden Schuldnern in allen Fällen gewährleistet ist. Das Anrecht auf Gleichbehandlung muss sich aus der Regelung eindeutig ergeben. Ein bloßes Ermessen der finnischen Behörden ist nicht ausreichend (12) . Die beabsichtigte Änderung der Regelung kann solche etwaigen Mängel beheben, wenn sie Gleichbehandlung gewährleistet.

33.      Außerdem bezieht sich das nationale Gericht in seiner Frage speziell auf eine Lage, in der „der pfändbare Teil einer ... Rente in der Weise bestimmt wird, dass die in dem betreffenden Mitgliedstaat zu leistende Vorauszahlung auf die Einkommensteuer von der Rente abgezogen wird, während die Einkommensteuer, die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Schuldner in seinem Wohnsitzstaat entrichten muss, nicht als Abzugsposten berücksichtigt wird, so dass im letztgenannten Fall der pfändbare Teil höher ist ...“.

34.      Die Wirkung des finnischen Rechts ist offensichtlich Sache des nationalen Gerichts. Wenn die Beschreibung in seiner Frage zutrifft, dann geht die finnische Regelung, lediglich vorbehaltlich des Ermessens der nationalen Behörden, die nachweislich in einem anderen Mitgliedstaat gezahlte Einkommensteuer zu berücksichtigen, über das hinaus, was zur Verfolgung des von der finnischen Regierung dargelegten Zieles erforderlich ist, und ist daher nicht objektiv gerechtfertigt.

Ergebnis

35.      Ich schlage dem Gerichtshof deshalb vor, die vom Korkein oikeus vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Wird nach dem Recht eines Mitgliedstaats der zur Erfüllung einer Forderung pfändbare Teil einer Rente nach Abzug der Einkommensteuer berechnet, wenn der Schuldner in diesem Mitgliedstaat wohnt, nicht aber, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, so dass der unpfändbare Teil im zweiten Fall geringer ist, so stellt dies grundsätzlich unter Verstoß gegen Artikel 18 EG ein Hindernis für die Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit dar.

Allerdings ist eine Regelung, nach der Einkommensteuer, die nicht in dem ersten Mitgliedstaat an der Quelle abgezogen wurde, auf Vorlage eines Zahlungsnachweises durch den Schuldner berücksichtigt wird, objektiv gerechtfertigt, sofern sie nicht in ihrer Anwendung dazu führt, dass es in anderen Mitgliedstaaten wohnenden Schuldnern praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird, in dieser Weise eine Anpassung des pfändbaren Anteils in gleichem Umfang zu erreichen, wie wenn die Steuer an der Quelle abgezogen worden wäre.


1
Originalsprache: Englisch.


2
Zur maßgeblichen Zeit betrug dieser geschützte Teil für eine allein stehende Person 97 FIM (etwa 16,25 Euro) pro Tag.


3
Vgl. z. B. Urteil vom 2. Februar 1989 in der Rechtssache 186/87 (Cowan, Slg. 1989, 195, Randnr. 19), Urteil vom 24. November 1998 in der Rechtssache C-274/96 (Bickel und Franz, Slg. 1998, I-7637, Randnrn. 17 ff.) und, aus jüngster Zeit, die beiden Urteile vom 2. Oktober 2003 in den Rechtssachen C-12/02 (Grilli, Randnr. 40) und C-148/02 (Garcia Avello, Randnr. 25) mit der dort zitierten Rechtsprechung (noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).


4
Vgl. insbesondere Urteile vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C-224/98 (D’Hoop, Slg. 2002, I-6191, Randnrn. 27 ff.) und vom 17. September 2002 in der Rechtssache C-413/99 (Baumbast und R, Slg. 2002, I-7091, Randnrn. 80 ff.).


5
Vgl. etwa die Urteile vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93 (Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnrn. 103 und 104) und vom 27. Januar 2000 in der Rechtssache C-190/98 (Graf, Slg. 2000, I-493, Randnr. 18 und die durch Generalanwalt Fennelly in seinen Schlussanträgen in dieser Rechtssache untersuchte Rechtsprechung).


6
Das Recht aus Artikel 18 Absatz 1 EG wäre nicht vollständig wirksam, wenn ein Bürger durch die Aussicht auf Hindernisse bei seiner Rückkehr von seiner Ausübung abgehalten werden könnte (Urteil D’Hoop, zitiert in Fußnote 4, Randnrn. 30 und 31, und Urteil vom 30. September 2003 in der Rechtssache C-224/01, Köbler, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 74). Im Zusammenhang mit Artikel 39 EG stellen Vorschriften, die einen Staatsangehörigen davon abhalten, seinen Mitgliedstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, eine Beschränkung dieser Freiheit dar (Urteil vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C-385/00, De Groot, Slg. 2002, I-11819, Randnrn. 77 ff. und die dort zitierte Rechtsprechung, sowie Urteil vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C-232/01, Van Lent, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 16).


7
Zitiert in Fußnote 4.


8
Vgl. z. B. Urteil D’Hoop (Randnr. 36).


9
Die finnische Regierung macht außerdem geltend, dass die von Herrn Pusa beklagte ungünstige Behandlung zumindest teilweise darauf zurückzuführen sei, dass er, anstatt einen Nachweis über seine Steuerzahlung in Spanien zu erbringen, hierüber lediglich eine Erklärung abgegeben habe.


10
Offenbar 1973.


11
Vgl., in einem etwas anderen Zusammenhang, die Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Effektivitätsgrundsatz im Hinblick auf den Schutz der dem Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte: z. B. Urteil vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache C-312/93 (Peterbroeck, Slg. 1995, I-4599, Randnr. 12).


12
Dies wäre in einem Vertragsverletzungsverfahren kein taugliches Verteidigungsmittel; vgl. z. B. Urteil vom 4. April 1974 in der Rechtssache 167/73 (Kommission/Frankreich, Slg. 1974, 359, Randnrn. 34 ff.).