Rechtssache C-496/01


Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Französische Republik


«Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Frankreich – Freier Dienstleistungsverkehr – Niederlassungsrecht – Regelung für Labors für biomedizinische Analysen – Voraussetzungen für die Erteilung der behördlichen Betriebsgenehmigungen – Betriebliche Niederlassung im französischen Hoheitsgebiet»

Schlussanträge des Generalanwalts J. Mischo vom 26. Juni 2003
    
Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 11. März 2004
    

Leitsätze des Urteils

1.
Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Labors für biomedizinische Analysen – Verpflichtung, eine betriebliche Niederlassung im Inland zu haben – Zulässigkeit – Voraussetzungen

(Artikel 43 EG)

2.
Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Labors für biomedizinische Analysen – Verpflichtung, eine betriebliche Niederlassung im Inland zu haben – Unzulässigkeit – Rechtfertigungsgrund – Fehlen

(Artikel 49 EG)

3.
Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Labors für biomedizinische Analysen – Ablehnung der Kostenerstattung für Analysen, die von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Labors durchgeführt wurden – Unzulässigkeit – Rechtfertigungsgrund – Fehlen

(Artikel 49 EG)

1.
Ein Mitgliedstaat, der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Labors für biomedizinische Analysen die erforderliche Betriebsgenehmigung nur erteilt, wenn sie eine betriebliche Niederlassung in seinem Hoheitsgebiet haben, verstößt nicht gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 43 EG, wenn nicht dargelegt wird, auf welche Weise die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt sein könnte, was u. a. der Fall sein könnte, wenn ein Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats oder eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat hat, in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht ein Labor als Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft eines bereits von ihm oder ihr in einem anderen Mitgliedstaat betriebenen Labors betreiben könnte, oder wenn das betreffende Recht in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Labors vorschriebe, alle ihre Tätigkeiten in den betreffenden Mitgliedstaat zu verlagern, so dass die Niederlassung in diesem Mitgliedstaat keine Zweitniederlassung mehr wäre, sondern zur einzigen betrieblichen Niederlassung des betreffenden Unternehmens würde.

(vgl. Randnrn. 59, 61-63, 77 und Tenor)

2.
Ein Mitgliedstaat, der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Labors für biomedizinische Analysen die erforderliche Betriebsgenehmigung nur erteilt, wenn sie eine betriebliche Niederlassung in seinem Hoheitsgebiet haben, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 49 EG.
Das Ziel, die Qualität der ärztlichen Leistungen aufrechtzuerhalten, kann zwar eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit für biomedizinische Analyselabors rechtfertigen, soweit es zur Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus beiträgt.
Das Erfordernis einer betrieblichen Niederlassung im Inland geht jedoch über das hinaus, was erforderlich ist, um dieses Ziel zu erreichen. Statt nämlich eine betriebliche Niederlassung zu verlangen und damit jede grenzüberschreitende Leistung auszuschließen, kann der betreffende Mitgliedstaat von Labors, die ihre betriebliche Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben, verlangen, nach nationalem Recht eine Genehmigung einzuholen, wenn sie Dienstleistungen für Personen erbringen wollen, die in diesem Mitgliedstaat wohnen, allerdings nur soweit die Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um eine solche Genehmigung zu erhalten, keine Wiederholung der bereits im Niederlassungsstaat erfüllten gleichwertigen gesetzlichen Voraussetzungen darstellen.

(vgl. Randnrn. 66, 69-71, 77 und Tenor)

3.
Ein Mitgliedstaat, der jegliche Erstattung der Kosten für biomedizinische Analysen ausschließt, die von einem Labor für biomedizinische Analysen durchgeführt wurden, das in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 49 EG.
Eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs kann grundsätzlich gerechtfertigt werden, soweit sie dazu beitragen soll, ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten. Die Weigerung der Krankenkassen, die Kosten der Analysen, die von Labors durchgeführt wurden, die ihre betriebliche Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben, zu übernehmen, geht indessen über das hinaus, was hierfür objektiv erforderlich ist.
Mangels Harmonisierungsmaßnahmen verwehrt das Gemeinschaftsrecht es dem Mitgliedstaat nämlich nicht, im Rahmen einer Genehmigungsregelung sein Gesundheitsschutzniveau den Labors für biomedizinische Analysen, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind und ihre Dienstleistungen den Mitgliedern eines der nationalen Krankenversicherungssysteme anbieten wollen, vorzugeben.

(vgl. Randnrn. 91-93, 95 und Tenor)




URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
11. März 2004(1)


„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Freier Dienstleistungsverkehr – Niederlassungsrecht – Regelung für Labors für biomedizinische Analysen – Voraussetzungen für die Erteilung der behördlichen Betriebsgenehmigungen – Betriebliche Niederlassung im französischen Hoheitsgebiet“

In der Rechtssache C-496/01

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Patakia als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und C. Bergeot-Nunes als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Feststellung, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 43 EG und 49 EG verstoßen hat, dass sie

in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Labors für biomedizinische Analysen die erforderliche Betriebsgenehmigung nur erteilt, wenn sie ihre betriebliche Niederlassung im französischen Hoheitsgebiet haben,

jegliche Erstattung der Kosten für biomedizinische Analysen ausschließt, die von einem Labor für biomedizinische Analysen durchgeführt wurden, das in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist,



DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer),



unter Mitwirkung des Richters V. Skouris in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer, der Richter C. Gulmann, J.-P. Puissochet und R. Schintgen sowie der Richterin N. Colneric (Berichterstatterin),

Generalanwalt: J. Mischo,
Kanzler: R. Grass,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Juni 2003,

erlässt



Urteil



1
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 21. Dezember 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 43 EG und 49 EG verstoßen hat, dass sie

in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Labors für biomedizinische Analysen die erforderliche Betriebsgenehmigung nur erteilt, wenn sie ihre betriebliche Niederlassung im französischen Hoheitsgebiet haben,

jegliche Erstattung der Kosten für biomedizinische Analysen ausschließt, die von einem Labor für biomedizinische Analysen durchgeführt wurden, das in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist.


Rechtlicher Rahmen

Die nationale Regelung betreffend die öffentliche Gesundheit

2
Die französische Regelung betreffend die öffentliche Gesundheit findet sich im Code de la santé publique (Gesundheitsgesetzbuch). Dessen Legislativer Teil wurde durch die Ordonnance Nr. 2000-548 vom 15. Juni 2000 über den Legislativen Teil des Gesundheitsgesetzbuchs (JORF vom 22. Juni 2000, S. 9340) neu gefasst und im Anhang dieser Ordonnance veröffentlicht. Wesentlicher Zweck dieser Neufassung war es, die geltenden Vorschriften in eine zweckmäßige Ordnung zu bringen und die Artikel des Gesetzbuchs neu zu nummerieren.

3
Nach Artikel L. 6211‑1 dieses Gesetzbuchs sind biomedizinische Analysen biologische Untersuchungen, die dazu beitragen, menschliche Krankheiten zu diagnostizieren oder zu behandeln oder solchen Krankheiten vorzubeugen, oder die irgendeine andere Veränderung des körperlichen Zustands erkennbar machen, mit Ausnahme der Untersuchungen im Bereich der Anatomie und der pathologischen Zytologie, die von Fachärzten auf diesem Gebiet durchgeführt werden. Labors für biomedizinische Analysen dürfen ihre Tätigkeit nur unter der Verantwortung ihrer Leiter oder stellvertretenden Leiter ausüben.

4
Nach Artikel L. 6221‑1 des Gesundheitsgesetzbuchs müssen Laborleiter und ihre Stellvertreter Inhaber eines Diploms sein, das sie zur Tätigkeit als Arzt, Apotheker oder Tierarzt befähigt, Mitglieder der für sie zuständigen berufsständischen Vertretung sein und eine spezialisierte Ausbildung genossen haben. Letztere kann durch Ausbildungsbescheinigungen über ein Spezialstudium, durch Befreiungen, gleichwertige Belege oder durch Diplome im Bereich der spezialisierten Ausbildung in klinischer Biologie nachgewiesen werden.

5
Artikel L. 6122‑1 des Gesundheitsgesetzbuchs bestimmt:

„Ein Labor für biomedizinische Analysen darf nicht ohne behördliche Genehmigung betrieben werden.

Unbeschadet der Bestimmungen des Artikels L. 6122‑1 über medizinische Großgeräte wird diese Genehmigung erteilt, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, die in diesem Buch und in dem in Artikel L. 6211‑9 vorgesehenen Dekret aufgestellt worden sind, das die Zahl und die Qualifikation der technischen Mitarbeiter sowie die Einrichtung und Ausrüstung der Labors regelt.

Dieses Dekret kann besondere Voraussetzungen für Labors aufstellen, deren Tätigkeit auf bestimmte in ihm bezeichnete Handlungen beschränkt ist. Die diesen Labors erteilte Genehmigung nimmt auf diese Beschränkung Bezug.

...

Die Genehmigung wird zurückgenommen, wenn die durch Gesetz oder Verordnung aufgestellten Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind.“

6
Das Verfahren zur Erteilung dieser Genehmigung ist in den Artikeln 15 bis 17 des Dekrets Nr. 76-1004 vom 4. November 1976 über die Genehmigungsbedingungen für Labors für biomedizinische Analysen geregelt (JORF vom 6. November 1976, S. 6449).

7
Artikel 15 dieses Dekrets schreibt vor:

„Der Genehmigungsantrag nach Artikel L. 757 [jetzt Artikel L. 6211‑2] des Gesundheitsgesetzbuchs ist durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein an den Präfekten des Departements zu richten, in dem das Labor betrieben werden soll.

Der Antrag bezeichnet die Bedingungen, unter denen das Laboratorium betrieben werden soll, und den Umfang der für das erste Betriebsjahr vorgesehenen Tätigkeit; ihm sind insbesondere folgende Nachweise beizufügen:

Beschreibung und Plan der Räumlichkeiten,

vollständige Auflistung der Geräte,

Liste der Leiter, der stellvertretenden Leiter und der technischen Mitarbeiter nebst den jeweiligen Befähigungsnachweisen und Diplomen,

gegebenenfalls eine Satzung.

...

Der Antragsteller bezeichnet gegebenenfalls die Arten von Analysen, für die die Genehmigung begehrt wird.“

8
Sind die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt, muss die Betriebsgenehmigung dem Antragsteller nach Artikel L. 6211‑2 des Gesundheitsgesetzbuchs von Rechts wegen erteilt werden. Außerdem ist eine durch einen medizinischen oder pharmazeutischen Gesundheitsinspektor durchzuführende Untersuchung vor Ort vorgesehen.

9
Nach Artikel L. 6211‑3 des Gesundheitsgesetzbuchs dürfen nur Labors die Bezeichnung „Labor für biomedizinische Analysen“ verwenden, die über diese Genehmigung verfügen.

10
Zur Rücknahme der Genehmigung bestimmt Artikel 24 des Dekrets Nr. 76‑1004:

„Unbeschadet der Bestimmungen des letzten Absatzes von Artikel L. 757 [jetzt Artikel L. 6211‑2] des Gesundheitsgesetzbuchs und derjenigen des Artikels 9 des vorgenannten Dekrets vom 15. Februar 1983 kann der Präfekt die Genehmigung zurücknehmen, wenn er nach einer durch einen medizinischen oder pharmazeutischen Gesundheitsinspektor durchgeführten Untersuchung festgestellt hat, dass der Betrieb des Labors Gefahren für die öffentliche Gesundheit begründet.

Diese Rücknahme der Genehmigung darf erst erfolgen, nachdem dem Leiter des Labors Gelegenheit gegeben wurde, innerhalb einer Frist von einem Monat zu den für die Entscheidung herangezogenen Tatsachen Stellung zu nehmen.

In dringlichen Fällen kann der Präfekt die Genehmigung ohne Vorverfahren für eine Dauer von nicht mehr als einem Monat aussetzen.

Die Entscheidung über die Rücknahme oder Aussetzung wird durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt.“

11
Im Zusammenhang mit dem Betrieb von Labors für biomedizinische Analysen sieht das französische Recht genaue Vorschriften für die Durchführung bestimmter Analysen, wie den HIV-Antikörper-Test und die Immunhämatologie, vor.

12
Beim Betrieb der Labors müssen überdies die Regeln des Guide de bonne exécution des analyses (Leitfaden für die ordnungsgemäße Durchführung von Analysen, im Folgenden: Leitfaden) beachtet werden. Dieser Leitfaden ist der Verordnung vom 26. November 1999 über die ordnungsgemäße Durchführung biomedizinischer Analysen (JORF vom 11. Dezember 1999, S. 18441) als Anlage beigefügt. Er stellt eine Gesamtheit technischer Vorschriften dar, die eine Laborleistung in allen ihren Schritten definiert, d. h. von der Probenahme bis hin zum endgültigen Ergebnisbericht.

13
Der Leitfaden hat Normcharakter und ist daher für die Labors bindend. Er gilt somit auch für Biologen. Die Nichtbeachtung seiner Bestimmungen kann zur Rücknahme der Betriebsgenehmigung führen.

14
Darüber hinaus enthält die französische Regelung zwingende Vorschriften für die Abfassung des Ergebnisberichts. Bei einer Reihe von Analysen muss dieser Bericht eine Auslegung der Ergebnisse durch den Biologen enthalten, um dem verschreibenden Arzt die Diagnose zu erleichtern.

15
Was die Kontrolle der Labors für biomedizinische Analysen angeht, führt die Verwaltung zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes Kontrollen in Bezug auf die Einhaltung der französischen Regelung über die Betriebsaufnahme und den Betrieb dieser Labors durch. Es gibt zwei Arten von Kontrollen: Inspektionen und Kontrollen der Analysequalität.

16
Die Inspektionen werden nach Artikel L. 6213‑1 des Gesundheitsgesetzbuchs von medizinischen und pharmazeutischen Gesundheitsinspektoren sowie von der Inspection générale des affaires sociales (Allgemeine Sozialaufsicht) durchgeführt.

17
Mit den von den medizinischen und pharmazeutischen Gesundheitsinspektoren durchgeführten Inspektionen soll im Wesentlichen die Einhaltung der Voraussetzungen für den Betrieb der Labors überwacht werden, und zwar insbesondere in Bezug auf Räumlichkeiten, Geräte, Zahl der Leiter und stellvertretenden Leiter, Qualifikation und Zahl der technischen Mitarbeiter, Organisation des Labors, Durchführung der Analysen und Qualitätssicherung sowie allgemein die Einhaltung aller Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere des Leitfadens.

18
Außerdem sollen die Inspektionen sicherstellen, dass korrigierende Maßnahmen ergriffen werden, wenn die Ergebnisse der Qualitätskontrolle bei einem Labor wiederholte oder erhebliche Anomalien im Hinblick auf ihre medizinische Verwendung zutage treten lassen. Dazu heißt es in Artikel 9 des − aufgrund von Artikel L. 761‑14 (jetzt Artikel L. 6213‑3) erlassenen − Dekrets Nr. 94‑1049 vom 2. Dezember 1994 über die Qualitätskontrolle biomedizinischer Analysen (JORF vom 8. Dezember 1994, S. 17382) näher:

„Weisen die Ergebnisse der Qualitätskontrolle bei einem Labor wiederholte oder erhebliche Anomalien im Hinblick auf ihre medizinische Verwendung auf, wird der betreffende Fall unter Wahrung der Anonymität des betreffenden Labors dem Qualitätskontrollausschuss mitgeteilt, der sich zur Schwere dieser Anomalien äußert. Werden diese als schwerwiegend angesehen, hat der Generaldirektor der Agence du médicament [Arzneimittelagentur] dieses Labor dem für das Gesundheitswesen zuständigen Minister anzuzeigen, dem er die Ergebnisse zwecks Durchführung einer Kontrolle nach Artikel L. 761‑13 [jetzt Artikel L. 6213‑1] des Gesundheitsgesetzbuchs mitteilt, bei der insbesondere die Maßnahmen zu überprüfen sind, die vom Labor zur Verbesserung der Qualität der Analysen getroffen wurden.“

19
Analysequalitätskontrollen sind gemäß Artikel L. 6213‑3 des Gesundheitsgesetzbuchs von der Agence française de sécurité sanitaire des produits de santé (Staatliche französische Agentur für Gesundheitsschutz bei Gesundheitserzeugnissen) nach durch Dekret festzulegenden Modalitäten durchzuführen.

20
Diese Kontrollen bezwecken, die Qualität der Ergebnisse der von jedem einzelnen Labor durchgeführten Analysen zu gewährleisten. Sie sollen zum einen die Zuverlässigkeit und die Verbesserung der biomedizinischen Analysen sicherstellen und zum anderen jedem Labor ermöglichen, die Qualität seiner Methoden und die Ordnungsgemäßheit seines Betriebes zu überprüfen.

Die nationale Regelung betreffend die soziale Sicherheit

21
Die Bedingungen für die Übernahme der Kosten für Laborleistungen durch die Krankenversicherung sind durch Vorschriften der sozialen Sicherheit geregelt.

22
Artikel L. 162‑13 des Code de la sécurité sociale (Gesetzbuch der sozialen Sicherheit) bestimmt:

„Bei den von Labors durchzuführenden Analysen und Untersuchungen kann der Versicherte für jede Art von Analysen zwischen den zugelassenen Labors unabhängig von der beruflichen Eigenschaft des jeweiligen Betreibers frei wählen. Die Zulassungsbedingungen werden durch interministerielle Verordnung festgelegt.“

23
Der von den Krankenversicherungssystemen insgesamt zu übernehmende Betrag der Kosten von Laboranalysen und ‑untersuchungen sowie die Beteiligung des Versicherten sind nach Artikel L. 162‑14 des Gesetzbuchs der sozialen Sicherheit in einem landesweit geltenden Vertrag (im Folgenden: Labortarif-Vertrag) zwischen der Caisse nationale de l’assurance maladie des travailleurs salariés (Nationale Arbeitnehmerkrankenkasse) und zumindest einer weiteren landesweit tätigen Krankenkasse einerseits und den Verbänden der Leiter der auf nationaler Ebene repräsentativsten zugelassenen Labors für biomedizinische Analysen andererseits festgelegt. Der Labortarif-Vertrag wurde am 26. Juli 1994 geschlossen und durch Arrêté interministériel vom 30. September 1994 (JORF vom 14. Oktober 1994, S. 14552) gebilligt.

24
Nach Artikel 2 des Labortarif-Vertrags dürfen die Krankenkassen vom Grundsatz der freien Laborwahl, wie er in Artikel L. 162‑13 des Gesetzbuchs der sozialen Sicherheit festgelegt ist, nicht abweichen. Sie dürfen nur die Übernahme zusätzlicher Aufwendungen ablehnen, die sich aus der Wahl eines anderen Labors als eines derjenigen Labors ergeben, die sich in dem Ballungsraum, in dem der Versicherte wohnt, oder in dem dem Wohnort des Versicherten nächstliegenden Ballungsraum befinden.

25
Die französischen Labors, die den gesundheitsrechtlichen Voraussetzungen entsprechen, gelten – außer bei ausdrücklicher entgegenstehender Mitteilung des betreffenden Laborleiters – als Vertragslabors, und die Kosten der von ihnen durchgeführten Analysen werden auf der Grundlage der im Labortarif-Vertrag festgelegten Tarife und der in der Nomenklatur für biomedizinische Handlungen vorgesehenen Bewertungstabelle übernommen.

26
Nach Artikel L. 332‑2 des Gesetzbuchs der sozialen Sicherheit ist jedoch die Leistungsgewährung in der Kranken- und der Mutterschaftsversicherung untersagt, wenn die Behandlung der Versicherten oder Mitversicherten außerhalb Frankreichs erfolgt.

27
In Artikel R. 332‑2 dieses Gesetzbuchs sind Ausnahmen von diesem Grundsatz niedergelegt. Er sieht nicht die Möglichkeit von Verträgen zwischen den Krankenkassen und ausländischen Labors vor. Hinsichtlich im Ausland erbrachter ärztlicher Leistungen bestimmt Artikel R. 332-2 Absatz 3 des Gesetzbuchs der sozialen Sicherheit:

„Die Krankenkassen können ... die Kosten von Behandlungsleistungen, die einem Sozialversicherten oder Mitversicherten außerhalb Frankreichs erbracht wurden, ausnahmsweise nach befürwortender Stellungnahme des kontrollärztlichen Dienstes pauschal erstatten, wenn der Betreffende nachweist, dass er die seinem Zustand angemessene Behandlung nicht im französischen Hoheitsgebiet hat erhalten können.“


Vorverfahren

28
Aufgrund einer Beschwerde eines deutschen Labors über die französische Regelung betreffend Labors für biomedizinische Analysen ersuchten die Kommissionsdienststellen die französischen Behörden mit Schreiben vom 18. März 1999 um Auskunft; Letztere antworteten mit Schreiben vom 21. September 1999.

29
Mit Mahnschreiben vom 1. Februar 2000 teilte die Kommission der französischen Regierung mit, dass einige Bestimmungen der betreffenden französischen Regelung ihrer Ansicht nach Fragen der Vereinbarkeit mit dem Niederlassungsrecht und dem freien Dienstleistungsverkehr nach den Artikeln 43 EG und 49 EG aufwürfen.

30
Da die französischen Behörden auf dieses Schreiben nicht antworteten, richtete die Kommission am 24. Januar 2001 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Französische Republik und forderte diese auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen.

31
Die französischen Behörden beantworteten die mit Gründen versehene Stellungnahme mit Schreiben vom 6. Juni 2001, mit dem sie die Vorwürfe der Kommission zurückwiesen. Da die Kommission diese Antwort nicht für ausreichend hielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.


Zur Klage

32
Nach Auffassung der Kommission gibt es im vorliegenden Fall zwei Arten von Hindernissen für die Ausübung des Niederlassungsrechts und des freien Dienstleistungsverkehrs, nämlich

a)
das durch die Voraussetzung, nach Artikel 15 des Dekrets Nr. 76‑1004 über eine betriebliche Niederlassung in Frankreich verfügen zu müssen, errichtete Hindernis und

b)
das durch die Nichterstattung der Kosten für in einem ausländischen Labor durchgeführte Analysen nach den Artikeln L. 332‑3 und R. 332‑2 des Gesetzbuchs der sozialen Sicherheit errichtete Hindernis.

Rüge des Erfordernisses einer betrieblichen Niederlassung in Frankreich

Vorbringen der Parteien

33
Die Kommission rügt, dass die Französische Republik einem Labor, das seine betriebliche Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat habe, die Möglichkeit nehme, eine Zweitniederlassung in Frankreich im Sinne von Artikel 43 Absatz 2 EG zu gründen und Aufträge französischer Versicherter von ihrer betrieblichen Niederlassung im Ausland aus anzunehmen.

34
Zwar sei es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, für die Tätigkeit von Labors eine Genehmigungsregelung vorzusehen, doch müsse eine solche Regelung die im Mitgliedstaat der Niederlassung bereits erfüllten Vorschriften und Garantien berücksichtigen. Andernfalls würde die Nichtberücksichtigung dieser in einem anderen Mitgliedstaat bereits erfüllten Garantien gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, wonach die verfolgten Ziele durch weniger restriktive Maßnahmen erreicht werden müssten (in diesem Sinne Urteile vom 17. Dezember 1981 in der Rechtssache 279/80, Webb, Slg. 1981, 3305, Randnr. 20, und vom 20. Mai 1992 in der Rechtssache C‑106/91, Ramrath, Slg. 1992, I‑3351, Randnr. 31).

35
Diese Doppelanforderung sei geeignet, nicht nur den Anreiz für die Ausübung des Rechts zur Gründung einer Zweitniederlassung, sondern auch denjenigen für die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit zu nehmen. Wenn Erbringer von Dienstleistungen denselben Bedingungen wie den für eine Niederlassung geltenden unterworfen würden, stelle dies eine unverhältnismäßige zusätzliche Belastung dar, da ihre Leistung nur vorübergehenden Charakter habe (in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-76/90, Säger, Slg. 1991, I‑4221, Randnr. 13).

36
Die französische Regelung betreffend die öffentliche Gesundheit sei auch insofern diskriminierend, als im Ausland erbrachte Leistungen nicht zugelassen seien.

37
Das Erfordernis einer betrieblichen Niederlassung in Frankreich sei nicht gerechtfertigt.

38
Das betreffende Hindernis sei nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit nach Artikel 46 Absatz 1 EG in Verbindung mit dem den freien Dienstleistungsverkehr betreffenden Artikel 55 EG zu rechtfertigen, soweit es um diskriminierende Beschränkungen gehe. Artikel 46 Absatz 1 EG lasse es jedoch nicht zu, einen ganzen Wirtschaftsbereich, wie den streitgegenständlichen, von der Anwendung der Grundsätze des Rechts auf Niederlassung und freien Dienstleistungsverkehr auszunehmen (in diesem Sinne Urteile vom 28. April 1998 in der Rechtssache C‑158/96, Kohll, Slg. 1998, I‑1931, und vom 29. Oktober 1998 in der Rechtssache C-114/97, Kommission/Spanien, Slg. 1998, I-6717).

39
Nicht diskriminierende Maßnahmen könnten aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sofern diese Beschränkungen zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet seien und nicht über das hinausgingen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich sei.

40
Die Kommission weist alle von den französischen Behörden insoweit geltend gemachten Gründe zurück.

41
Was die Qualität der ärztlichen Dienstleistungen angehe, werde diese durch verschiedene Koordinations- und Anerkennungsrichtlinien betreffend die Zugangs- und Ausübungsvoraussetzungen für die Tätigkeiten der Ärzte, Apotheker und Tierärzte gewährleistet. Die Zugangs- und Ausübungsvoraussetzungen bei Berufen mit speziellen Befähigungen, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinien fielen, könnten − den Urteilen vom 7. Mai 1991 in der Rechtssache C‑340/89 (Vlassopoulou, Slg. 1991, I-2357, Randnr. 13) und vom 14. September 2000 in der Rechtssache C‑238/98 (Hocsman, Slg. 2000, I‑6623, Randnrn. 21 bis 24 und 36) zufolge − unmittelbar aus der Anwendung der Artikel 43 EG und 49 EG sowie den allgemeinen Systemen der beruflichen Anerkennung von Diplomen, d. h. der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. 1989, L 19, S. 16), und der Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG (ABl. L 209, S. 25) folgen.

42
Bezug nehmend auf das Urteil vom 23. November 1999 in den verbundenen Rechtssachen C‑369/96 und C‑376/96 (Arblade u. a., Slg. 1999, I-8453, Randnr. 34) trägt die Kommission vor, die verschiedenen Richtlinien über die gegenseitige Anerkennung erleichterten einen Teil der durchzuführenden Kontrollen. Dies zeige, dass die Notwendigkeit von Kontrollen keinen hinreichenden Grund für die Rechtfertigung des Erfordernisses betreffend den Standort der betrieblichen Niederlassung darstelle.

43
Was die Kontrollen angehe, so sei das Erfordernis einer festen Niederlassung nur ganz ausnahmsweise dann zu rechtfertigen, wenn die Behörden nachwiesen, dass ihre Aufsichtstätigkeit anders nicht ausgeübt werden könnte, was hier nicht der Fall sei. Dass sich der Standort der betrieblichen Niederlassung in Frankreich befinden müsse, sei dann keine unverzichtbare Voraussetzung, wenn die behördliche Betriebsgenehmigung dem betreffenden ausländischen Labor unter der Voraussetzung erteilt werden könnte, dass dieses damit einverstanden sei, dass alle für die Erfüllung der Aufgaben der französischen Behörden erforderlichen Kontrollen in seinen Räumen durchgeführt würden. Die Aufsichtszwecke könnten im Übrigen vollständig durch geeignete organisatorische Maßnahmen im Rahmen der aktenmäßigen Bearbeitung und der Erteilung der Betriebsgenehmigung erreicht werden, u. a. durch eine befristete Genehmigung.

44
Um eine Bewertung der außerhalb Frankreichs durchgeführten Analysen nach den französischen Normen zu ermöglichen, könnten sich die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Labors zum Zeitpunkt des Genehmigungsantrags auf freiwilliger Basis damit einverstanden erklären, die französischen Normen zu befolgen. Überdies könnten die französischen Inspektoren die Kontrollen im Rahmen von Dienstreisen durchführen, wobei die Reisekosten gegebenenfalls von den Labors getragen werden könnten, die die Leistungen erbrächten, sofern diese sich mit der Kontrolle einverstanden erklärt hätten.

45
Die Kommission legt im Einzelnen dar, dass die Bestimmungen der Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über In-vitro-Diagnostika (ABl. L 331, S. 1) ein nützliches Beurteilungskriterium darstellten und als Beispiel für Maßnahmen herangezogen werden könnten, die dem angestrebten Ziel angemessen seien (in diesem Sinne Urteil vom 11. Mai 1999 in der Rechtssache C-350/97, Monsees, Slg. 1999, I‑2921, Randnr. 30).

46
Sie wirft der Französischen Republik vor, nicht erklärt zu haben, ob und gegebenenfalls warum ihr eigenes System ein höheres Niveau der Qualitätskontrolle sicherstelle, warum Blindkontrollen nicht an Proben möglich sein sollten, die aus in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Labors stammten, und warum in anderen Mitgliedstaaten durchgeführte Kontrollen von vornherein als ungeeignet angesehen würden, das in Frankreich angestrebte Schutzniveau zu gewährleisten.

47
Was die Wirksamkeit von gegen Labors verhängten Sanktionen angehe, könne diese auch durch weniger einschneidende Maßnahmen als durch das Erfordernis einer betrieblichen Niederlassung im französischen Hoheitsgebiet gewährleistet werden. Als Sanktion könnte die Französische Republik das in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Labor durch Rücknahme oder Nichtverlängerung der Genehmigung vom französischen Erstattungssystem ausschließen. Die französischen Behörden könnten auch die Behörden des Niederlassungsmitgliedstaats informieren, um es diesen zu ermöglichen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Überdies könnte die Zahlung der den Laborleitern auferlegten Geldbußen dadurch gewährleistet werden, dass die Erteilung der Betriebsgenehmigung vom Vorliegen einer angemessenen Kaution abhängig gemacht würde.

48
Was die Erhaltung eines bestimmten Umfangs der Behandlung im Inland angehe, so sei nicht im Einklang mit Randnummer 51 des Urteils Kohll nachgewiesen worden, dass eine ausgewogene und allen zugängliche ärztliche Versorgung nur durch eine betriebliche Niederlassung in Frankreich sichergestellt werden könnte.

49
Die französische Regierung räumt ein, dass das Erfordernis der betrieblichen Niederlassung im französischen Hoheitsgebiet als Beeinträchtigung des freien Dienstleistungsverkehrs angesehen werden könne. Diese sei jedoch aus einem zwingenden Grund des Gemeinwohls, nämlich dem Gesundheitsschutz, gerechtfertigt und dem angestrebten Ziel angemessen.

50
Zu beachten sei, dass es keine Harmonisierungsvorschriften für den Betrieb von Labors für biomedizinische Analysen gebe. Mangels gemeinschaftsrechtlicher Harmonisierung sei es den französischen Behörden freigestellt, die in der französischen Regelung enthaltenen strengen nationalen Vorschriften aufzustellen, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten.

51
Die Richtlinien über die gegenseitige Anerkennung der Diplome von Ärzten, Apothekern und Tierärzten beträfen nur das Befähigungsniveau der Leiter dieser Labors. Ihre Existenz rechtfertige daher keinesfalls die Annahme, dass die Tätigkeiten der Labors für biomedizinische Analysen harmonisiert seien.

52
Die französische Regierung könne den Umfang der Kontrolle in den anderen Mitgliedstaaten nicht beurteilen. Es sei Sache der Kommission, nachzuweisen, dass der Qualitätsmaßstab und die Kontrollmodalitäten dem in Frankreich geltenden Maßstab und der dort praktizierten Aufsicht entsprächen. Auch sei das medizinische Regelwerk der In‑vitro‑Diagnostika, wie es in der Richtlinie 98/79 niedergelegt sei, nicht mit der Situation der Labors für biomedizinische Analysen vergleichbar.

53
Was die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angehe, so treffe es zu, dass die französische Regelung über den Betrieb der Labors für biomedizinische Analysen jede Dienstleistung eines Labors eines anderen Mitgliedstaats verhindere. Jedoch seien die Voraussetzungen für das Erfordernis einer festen Niederlassung im französischen Hoheitsgebiet nach Maßgabe der Randnummer 52 des Urteils vom 4. Dezember 1986 in der Rechtssache 205/84 (Kommission/Deutschland, Slg. 1986, 3755) und der Randnummer 27 des Urteils vom 9. März 2000 in der Rechtssache C‑355/98 (Kommission/Belgien, Slg. 2000, I-1221) erfüllt. Die Kommission habe nicht aufgezeigt, wie die den französischen Behörden obliegende Aufsicht in diesem Tätigkeitsbereich angemessener ausgeübt werden könnte. Ohne gemeinschaftliche Harmonisierung und ohne zweiseitige Abkommen sei es nicht möglich, von französischen Inspektoren Kontrollen in den Labors für biomedizinische Analysen anderer Mitgliedstaaten vornehmen zu lassen. Auch könnten die anderen Mitgliedstaaten diese Kontrollen ohne Harmonisierung des Qualitätsmaßstabs und der Kontrollmodalitäten auf Gemeinschaftsebene nicht an Stelle der französischen Behörden vornehmen, und Letztere könnten in anderen Mitgliedstaaten vorgenommene Kontrollen nicht von vornherein als gleichwertig anerkennen.

54
Die französische Regierung beschreibt im Einzelnen Umfang und Modalitäten der von ihren Behörden durchgeführten Kontrollen und stellt dazu fest, dass diese eng an die strengen Vorschriften gebunden seien, die nach der französischen Regelung im Interesse des Gesundheitsschutzes für die Berufsausübung gälten. Für bestimmte Analysen seien spezifische Methoden und eine Auslegung der Ergebnisse vorgeschrieben. Würden die Analysen in einem anderen Mitgliedstaat vorgenommen, so wäre das Risiko größer, dass die Ergebnisse falsch ausgelegt würden, was zu einer echten Gefährdung der Gesundheit der Patienten führen würde.

Würdigung durch den Gerichtshof

55
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten mangels Harmonisierung einer beruflichen Tätigkeit grundsätzlich befugt bleiben, die Ausübung dieser Tätigkeit zu regeln, ihre Befugnisse in diesem Bereich jedoch unter Beachtung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten ausüben müssen (vgl. insbesondere Urteile vom 3. Oktober 2000 in der Rechtssache C‑58/98, Corsten, Slg. 2000, I‑7919, Randnr. 31, vom 1. Februar 2001 in der Rechtssache C-108/96, Mac Quen u. a., Slg. 2001, I-837, Randnr. 24, und vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C‑294/00, Gräbner, Slg. 2002, I-6515, Randnr. 26).

56
Im vorliegenden Fall ist es unstreitig, dass keine Harmonisierungsmaßnahme erlassen wurde, um die Ausübung der Tätigkeiten der Labors für biomedizinische Analysen spezifisch zu regeln, auch wenn Harmonisierungsmaßnahmen auf dem Gebiet der gegenseitigen Anerkennung der Diplome von Ärzten, Apothekern und Tierärzten bestehen.

57
Tätigkeiten der von solchen Labors ausgeübten Art fallen daher unter die Bestimmungen der Artikel 43 EG und 49 EG.

– Zur Niederlassungsfreiheit

58
Im Zusammenhang mit der Rüge betreffend das Erfordernis einer betrieblichen Niederlassung in Frankreich ist zunächst daran zu erinnern, dass die Niederlassungsfreiheit, die Artikel 43 EG den Gemeinschaftsangehörigen zuerkennt, das Recht zur Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie zur Errichtung von Unternehmen und zur Ausübung der Unternehmertätigkeit nach den Bestimmungen, die im Niederlassungsstaat für dessen eigene Angehörige gelten, umfasst. Außerdem stellt Artikel 48 EG die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, den natürlichen Personen gleich, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind.

59
Nun ergibt sich weder aus den französischen Rechtsvorschriften, noch hat die Kommission dargetan, dass ein Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats als der Französischen Republik oder eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat als der Französischen Republik hat, in Frankreich nicht ein Labor als Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft eines bereits von ihm oder ihr in einem anderen Mitgliedstaat betriebenen Labors betreiben könnte.

60
Insbesondere ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats die Aufgaben des Laborleiters ausübt, wenn er selbst die nach französischem Recht aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, sei es auch nur im Wege der Anerkennung seiner in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Diplome.

61
Ebenso wenig weist die Kommission nach, dass das französische Recht in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Labors vorschriebe, alle ihre Tätigkeiten nach Frankreich zu verlagern, so dass die Niederlassung in Frankreich keine Zweitniederlassung mehr wäre, sondern zur einzigen betrieblichen Niederlassung des betreffenden Unternehmens würde.

62
Im Übrigen hat die Kommission weder vor dem Hintergrund der französischen Regelung andere Beispielsfälle angeführt, in denen die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt sein könnte, noch dargelegt, auf welche andere Weise diese Freiheit beeinträchtigt sein könnte.

63
Die erste Rüge ist daher insoweit zurückzuweisen, als der Französischen Republik vorgeworfen wird, dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 43 EG verstoßen zu haben, dass sie für Labors für biomedizinische Analysen eine betriebliche Niederlassung in Frankreich verlangt.

– Zur Dienstleistungsfreiheit

64
Artikel 49 EG schreibt die Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs vor. Als solche Beschränkungen sind alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. Urteil vom 20. Februar 2001 in der Rechtssache C-205/99, Analir u. a., Slg. 2001, I-1271, Randnr. 21, und Urteil Gräbner, Randnr. 38). Artikel 49 EG steht der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, die die Möglichkeit für einen Dienstleistungserbringer, von der Dienstleistungsfreiheit tatsächlich Gebrauch zu machen, ohne objektive Rechtfertigung beschränkt (Urteile vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-381/93, Kommission/Frankreich, Slg. 1994, I-5145, Randnr. 16, und vom 21. März 2002 in der Rechtssache C-451/99, Cura Anlagen, Slg. 2002, I‑3193, Randnr. 29).

65
Die französische Regierung stellt nicht in Abrede, dass Rechtsvorschriften, nach denen die Genehmigung für den Betrieb eines biomedizinischen Analyselabors nur einem Labor mit betrieblicher Niederlassung in Frankreich erteilt werden kann, die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs entsprechend beschränken. Es ist nämlich offensichtlich, dass das Erfordernis einer betrieblichen Niederlassung in Frankreich die Erbringung von Dienstleistungen in Frankreich durch Labors, die ihre betriebliche Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben, unmöglich macht.

66
Was die Gründe angeht, die zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit für biomedizinische Analyselabors geltend gemacht werden können, kann das Ziel, die Qualität der ärztlichen Leistungen aufrechtzuerhalten, zu den Ausnahmen des Artikels 46 EG zählen, soweit es zur Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus beiträgt (in diesem Sinne Urteil vom 13. Mai 2003 in der Rechtssache C‑385/99, Müller-Fauré und Van Riet, Slg. 2003, I‑4509, Randnr. 67).

67
Aufgrund dieser Bestimmung kann u. a. die Qualität der ärztlichen Leistungen aufrechterhalten werden, indem nicht nur die Qualifikation der Leiter und des Personals der Labors für biomedizinische Analysen gewährleistet wird, sondern auch indem durch periodisch durchgeführte Inspektionen überwacht wird, dass die Analyseverfahren jederzeit den Vorschriften des französischen Gesetzgebers und der französischen Behörden sowie insbesondere der erforderlichen Genehmigung entsprechen.

68
Nach ständiger Rechtsprechung muss allerdings bei einer Rechtfertigung, die auf eine Ausnahme nach dem EG-Vertrag gestützt ist, sichergestellt werden, dass die getroffenen Maßnahmen nicht über das hinausgehen, was hierfür objektiv erforderlich ist (in diesem Sinne Urteile vom 26. November 2002 in der Rechtssache C-100/01, Oteiza Olazabal, Slg. 2002, I-10981, Randnr. 43, und vom 23. September 2003 in der Rechtssache C‑192/01, Kommission/Dänemark, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 45).

69
Das für Labors für biomedizinische Analysen aufgestellte Erfordernis einer betrieblichen Niederlassung in Frankreich geht jedoch über das hinaus, was erforderlich ist, um das Ziel des Gesundheitsschutzes zu erreichen.

70
Statt eine betriebliche Niederlassung in Frankreich zu verlangen und damit jede grenzüberschreitende Leistung auszuschließen, kann die Französische Republik von Labors für biomedizinische Analysen, die ihre betriebliche Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben, verlangen, nach französischem Recht eine Genehmigung einzuholen, wenn sie Dienstleistungen für Personen erbringen wollen, die in Frankreich wohnen.

71
Die Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um eine solche Genehmigung zu erhalten, dürfen allerdings keine Wiederholung der bereits im Niederlassungsstaat erfüllten gleichwertigen gesetzlichen Voraussetzungen darstellen (in diesem Sinne Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 47).

72
Die Genehmigungsregelung könnte namentlich die Voraussetzung aufstellen, dass Labors mit einer betrieblichen Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat dafür Sorge tragen, dass ihre Analyseberichte von den in Frankreich praktizierenden Ärzten verstanden werden können. Das gilt insbesondere für die Auslegung der Ergebnisse durch den Biologen, die nach der französischen Regelung in bestimmten Fällen vorgeschrieben ist, um dem verschreibenden Arzt die Diagnose zu erleichtern.

73
Was die Notwendigkeit wirksamer Kontrollen angeht, hat die französische Regierung nicht dargetan, dass die zuständigen Behörden auch im Rahmen einer Zulassungsregelung ihre Überwachungsaufgabe nur wirksam durchführen könnten, wenn die Labors für biomedizinische Analysen in dem betreffenden Mitgliedstaat über eine feste Niederlassung verfᄐgten (in diesem Sinne Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 54).

74
Auch wenn nämlich von den zuständigen französischen Behörden nicht erwartet werden kann, dass sie in anderen Mitgliedstaaten Kontrollen vor Ort, insbesondere Inspektionen, mit denen die Einhaltung der Voraussetzungen für den Betrieb der Labors überwacht werden sollen, durchführen, ist es gleichwohl möglich, von den in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Labors zu verlangen, dass sie gegenüber den französischen Behörden nachweisen, dass die Kontrollen durch die zuständigen Behörden des Staates, in dem sich ihre betriebliche Niederlassung befindet, nicht weniger streng sind als die in Frankreich durchgeführten Kontrollen und dass sie sich auf die Einhaltung von Vorschriften beziehen, die mindestens dasselbe Gesundheitsschutzniveau gewährleisten wie die französische Regelung.

75
Dem Vorbringen der französischen Regierung, sie könne das Niveau der Kontrolle in den anderen Mitgliedstaaten nicht beurteilen, da sie nicht den Qualitätsmaßstab und die Kontrollmodalitäten kenne, wie sie dort für die Labors für biomedizinische Analysen gälten, kann nicht gefolgt werden. Wenn die französischen Behörden nämlich insbesondere bei der Erteilung der behördlichen Genehmigung die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Labors, die ihre Dienste in Frankreich ansässigen Kunden anbieten wollen, auffordern würden, geeignete Informationen beizubringen, könnten sie erfahren, welche Kriterien und Voraussetzungen in den Rechtsvorschriften des oder der Mitgliedstaaten, in denen die betreffenden Labors ihre betriebliche Niederlassung haben, aufgestellt sind.

76
Ebenso sind die französischen Behörden im Falle der Nichteinhaltung der durch die französischen Rechtsvorschriften aufgestellten Voraussetzungen durch nichts daran gehindert, Maßnahmen gegenüber einem Labor, das seine betriebliche Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat hat, zu ergreifen und die ihm erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder auszusetzen.

77
Nach alledem hat die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen, dass sie in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Labors für biomedizinische Analysen die erforderliche Betriebsgenehmigung nur erteilt, wenn sie ihre betriebliche Niederlassung im französischen Hoheitsgebiet haben.

Rüge betreffend die Nichterstattung der Kosten für in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführte biomedizinische Analysen

Vorbringen der Parteien

78
Die Kommission wirft der Französischen Republik vor, eine Erstattung der Kosten für die von einem Labor, das in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, durchgeführten biomedizinischen Analysen praktisch auszuschließen. Ein solcher Ausschluss ergebe sich mittelbar aus Artikel R. 332‑2 des Gesetzbuchs der sozialen Sicherheit, da es keine Analysen gebe, die von französischen Labors nicht durchgeführt werden könnten. Dies stelle ein Hindernis sowohl für den freien Dienstleistungsverkehr dar − bei Labors, die keine Niederlassung in Frankreich hätten −, als auch für das Recht, Zweitniederlassungen einzurichten − bei Labors, die über eine solche Niederlassung verfügten, dort jedoch keine Analysen durchführten.

79
Das französische Recht der sozialen Sicherheit sei ferner insoweit diskriminierend, als im Ausland erbrachte Leistungen nicht erstattungsfähig seien.

80
Das Vorbringen der Französischen Republik, die Vorschriften der sozialen Sicherheit hätten keine das Niederlassungsrecht oder den freien Dienstleistungsverkehr beschränkenden Wirkungen, sei zurückzuweisen, da zwar die Erteilung der Genehmigung notwendige Voraussetzung für eine Zulassung von Laborleitern zum Labortarif-Vertrag sei, ein Labor, das eine Betriebsgenehmigung erhalten habe, aber nicht unbedingt einen Vertrag mit den Trägern der sozialen Sicherheit geschlossen haben müsse. Ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenes Labor, das Dienstleistungen in Frankreich erbringen wolle, könne dies praktisch nur tun, wenn es den Labortarif-Vertrag einhalte.

81
Randnummer 41 des Urteils Kohll sei zu entnehmen, dass eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit der einzige Grund zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Grundsätze des freien Dienstleistungsverkehrs sei. Es sei jedoch nicht erwiesen, dass sich eine Erstattung der Kosten von in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten biomedizinischen Analysen nach den Tarifen des französischen Systems der sozialen Sicherheit auf die Finanzierung dieses Systems erheblich auswirken würde. In diesem Zusammenhang sei insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Krankenkassen die Übernahme zusätzlicher Aufwendungen ablehnen dürften, die sich aus der Wahl eines anderen Labors als eines derjenigen Labors ergäben, die sich in dem Ballungsraum befänden, in dem der Versicherte wohne. Wenn dieser Grundsatz auch im Verhältnis zu den in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Labors herangezogen würde, wäre diese Maßnahme jedenfalls weniger beschränkend als die jetzige Regelung.

82
Die französische Regierung macht geltend, die Nichterstattung der Kosten für in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführte biomedizinische Analysen sei dadurch gerechtfertigt, dass die französische Regelung insgesamt ein hohes Gesundheitsschutzniveau gewährleiste, indem sie strenge Qualitätsanforderungen an die im französischen Hoheitsgebiet niedergelassenen Labors stelle.

83
Die Schlussfolgerung, zu der der Gerichtshof im Urteil Kohll gelangt sei, beruhe darauf, dass die Bedingungen des Zugangs zu den Berufen des Arztes und des Zahnarztes sowie die Bedingungen der Ausübung dieser Berufe Gegenstand mehrerer Koordinierungs- und Harmonisierungsrichtlinien gewesen seien. Im Fehlen einer Harmonisierung betreffend die Labors für biomedizinische Analysen sei der entscheidende Unterschied zu diesem Urteil zu erblicken.

84
Die Kommission hält dem entgegen, der Gerichtshof habe auf die Harmonisierung im Bereich der Diplome für Ärzte und Zahnärzte verwiesen, um im Zusammenhang mit einer Genehmigung die Rechtfertigung mit dem Gesundheitsschutz auszuschließen. Im vorliegenden Fall habe die mangelnde Harmonisierung zwar aus Gründen des Gesundheitsschutzes eine Genehmigungsregelung rechtfertigen können, doch sei es letztlich unverhältnismäßig, dass bei Laboranalysen jede Möglichkeit einer Erteilung dieser Genehmigung wegen des Kriteriums der Niederlassung des Labors außerhalb des französischen Hoheitsgebiets ausgeschlossen sei, denn dieser Ausschluss gehe über die Anliegen des Gesundheitsschutzes hinaus.

85
Da die Französische Republik der Ansicht ist, dass die Kommission angesichts dieser Argumentation das mit der französischen Regelung eingeführte System nicht völlig ablehne, beantragt sie hilfsweise, die Kriterien zu bestimmen, nach denen festgelegt werden kann, in welchen Fällen die Kosten bestimmter Laboranalysen ohne vorherige Genehmigung erstattungsfähig sind.

Würdigung durch den Gerichtshof

– Zur Niederlassungsfreiheit

86
Der Rüge betreffend die Nichterstattung der Kosten für die in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten biomedizinischen Analysen durch die Krankenkassen kann nicht stattgegeben werden, soweit sie einen Verstoß gegen die Verpflichtungen aus dem Grundsatz der Niederlassungsfreiheit betrifft.

87
Die Kommission hat keine Einwendungen dagegen erhoben, dass im Falle der Leistungserbringung durch ein Labor, das – sei es auch als Zweitniederlassung eines in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Labors – eine betriebliche Niederlassung in Frankreich hat, dieses Labor voll dem französischen Recht unterliegt und damit dem Kostenerstattungssystem für medizinische Analysen angeschlossen sein kann.

88
In Bezug auf Labors, die eine Zweitniederlassung in Frankreich haben, in der die Analysen jedoch nicht durchgeführt werden, hat die Kommission keine hinreichend detaillierten Ausführungen gemacht, die auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit schließen ließen.

89
Die zweite Rüge ist somit zurückzuweisen, soweit der Französischen Republik darin vorgeworfen wird, dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 43 EG verstoßen zu haben, dass sie die Übernahme der Kosten für biomedizinische Analysen ablehnt, die von einem Labor durchgeführt wurden, das seine betriebliche Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat hat.

– Zur Dienstleistungsfreiheit

90
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Artikel L. 332‑3 des Gesetzbuchs der sozialen Sicherheit die Leistungsgewährung in der Kranken- und der Mutterschaftsversicherung untersagt, wenn die Behandlung der Versicherten oder Mitversicherten außerhalb Frankreichs erfolgt, dass Artikel R. 332‑2 dieses Gesetzbuchs jedoch in Bezug auf im Ausland erbrachte ärztliche Leistungen bestimmt, dass „die Krankenkassen ... die Kosten von Behandlungsleistungen, die einem Sozialversicherten oder Mitversicherten außerhalb Frankreichs erbracht wurden, ausnahmsweise nach befürwortender Stellungnahme des kontrollärztlichen Dienstes pauschal erstatten [können], wenn der Betreffende nachweist, dass er die seinem Zustand angemessene Behandlung nicht im französischen Hoheitsgebiet hat erhalten können“.

91
Da die französische Regelung es den Krankenkassen unter diesen Bedingungen verwehrt, die Kosten für Analysen zu übernehmen, die von Labors für biomedizinische Analysen, die ihre betriebliche Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben, ohne vorherige Genehmigung – die ausnahmsweise erteilt wird, wenn der Versicherte in Frankreich keine angemessene Behandlung erhalten kann – durchgeführt wurden, schließt sie die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Labors faktisch von der Möglichkeit aus, für in Frankreich ansässige Versicherte Dienstleistungen zu erbringen. Sie stellt daher eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar.

92
Zu den Gründen, die geltend gemacht werden können, um diese Beschränkung zu rechtfertigen, ist festzustellen, dass eine solche Beschränkung grundsätzlich durch eine der in Artikel 46 EG vorgesehenen Ausnahmen gerechtfertigt werden kann, soweit sie dazu beitragen soll, ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten. Die Weigerung der Krankenkassen, die Kosten der Analysen, die von Labors durchgeführt wurden, die ihre betriebliche Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben, zu übernehmen, geht indessen über das hinaus, was hierfür objektiv erforderlich ist.

93
Mangels Harmonisierungsmaßnahmen verwehrt das Gemeinschaftsrecht es der Französischen Republik – wie sich aus den Randnummern 69 bis 75 dieses Urteils ergibt – nämlich nicht, im Rahmen einer Genehmigungsregelung ihr Gesundheitsschutzniveau den Labors für biomedizinische Analysen, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind und ihre Dienstleistungen den Mitgliedern eines der französischen Krankenversicherungssysteme anbieten wollen, vorzugeben.

94
Somit kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, die Nichtübernahme der Kosten für Analysen, die von Labors durchgeführt wurden, die ihre betriebliche Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben, sei erforderlich, um das hohe Gesundheitsschutzniveau aufrechtzuerhalten.

95
Folglich ist festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen hat, dass sie jegliche Erstattung der Kosten für biomedizinische Analysen ausschließt, die von einem Labor für biomedizinische Analysen durchgeführt wurden, das in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist.


Kosten

96
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 69 § 3 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof jedoch die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da im vorliegenden Fall beide Parteien mit ihrem Vorbringen teilweise unterlegen sind, haben sie jeweils ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.
Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen, dass sie

in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Labors für biomedizinische Analysen die erforderliche Betriebsgenehmigung nur erteilt, wenn sie ihre betriebliche Niederlassung imf französischen Hoheitsgebiet haben, und

jegliche Erstattung der Kosten für biomedizinische Analysen ausschließt, die von einem Labor für biomedizinische Analysen durchgeführt wurden, das in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist.

2.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.
Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Skouris

Gulmann

Puissochet

Schintgen

Colneric

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. März 2004.

Der Kanzler

Der Präsident

R. Grass

V. Skouris


1
Verfahrenssprache: Französisch.