Rechtssache C-496/01
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Französische Republik
«Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Frankreich – Freier Dienstleistungsverkehr – Niederlassungsrecht – Regelung für Labors für biomedizinische Analysen – Voraussetzungen für die Erteilung der behördlichen Betriebsgenehmigungen – Betriebliche Niederlassung im französischen Hoheitsgebiet»
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Schlussanträge des Generalanwalts J. Mischo vom 26. Juni 2003 |
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Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 11. März 2004 |
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Leitsätze des Urteils
- 1.
- Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Labors für biomedizinische Analysen – Verpflichtung, eine betriebliche Niederlassung im Inland zu haben – Zulässigkeit – Voraussetzungen
(Artikel 43 EG)
- 2.
- Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Labors für biomedizinische Analysen – Verpflichtung, eine betriebliche Niederlassung im Inland zu haben – Unzulässigkeit – Rechtfertigungsgrund – Fehlen
(Artikel 49 EG)
- 3.
- Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Labors für biomedizinische Analysen – Ablehnung der Kostenerstattung für Analysen, die von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Labors durchgeführt wurden
– Unzulässigkeit – Rechtfertigungsgrund – Fehlen
(Artikel 49 EG)
- 1.
- Ein Mitgliedstaat, der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Labors für biomedizinische Analysen die erforderliche Betriebsgenehmigung
nur erteilt, wenn sie eine betriebliche Niederlassung in seinem Hoheitsgebiet haben, verstößt nicht gegen seine Verpflichtungen
aus Artikel 43 EG, wenn nicht dargelegt wird, auf welche Weise die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt sein könnte, was
u. a. der Fall sein könnte, wenn ein Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats oder eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats
gegründete Gesellschaft, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem anderen
Mitgliedstaat hat, in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht ein Labor als Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft eines
bereits von ihm oder ihr in einem anderen Mitgliedstaat betriebenen Labors betreiben könnte, oder wenn das betreffende Recht
in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Labors vorschriebe, alle ihre Tätigkeiten in den betreffenden Mitgliedstaat zu
verlagern, so dass die Niederlassung in diesem Mitgliedstaat keine Zweitniederlassung mehr wäre, sondern zur einzigen betrieblichen
Niederlassung des betreffenden Unternehmens würde.
(vgl. Randnrn. 59, 61-63, 77 und Tenor)
- 2.
- Ein Mitgliedstaat, der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Labors für biomedizinische Analysen die erforderliche Betriebsgenehmigung
nur erteilt, wenn sie eine betriebliche Niederlassung in seinem Hoheitsgebiet haben, verstößt gegen seine Verpflichtungen
aus Artikel 49 EG.
- Das Ziel, die Qualität der ärztlichen Leistungen aufrechtzuerhalten, kann zwar eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit
für biomedizinische Analyselabors rechtfertigen, soweit es zur Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus beiträgt.
- Das Erfordernis einer betrieblichen Niederlassung im Inland geht jedoch über das hinaus, was erforderlich ist, um dieses Ziel
zu erreichen. Statt nämlich eine betriebliche Niederlassung zu verlangen und damit jede grenzüberschreitende Leistung auszuschließen,
kann der betreffende Mitgliedstaat von Labors, die ihre betriebliche Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben, verlangen,
nach nationalem Recht eine Genehmigung einzuholen, wenn sie Dienstleistungen für Personen erbringen wollen, die in diesem
Mitgliedstaat wohnen, allerdings nur soweit die Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um eine solche Genehmigung zu
erhalten, keine Wiederholung der bereits im Niederlassungsstaat erfüllten gleichwertigen gesetzlichen Voraussetzungen darstellen.
(vgl. Randnrn. 66, 69-71, 77 und Tenor)
- 3.
- Ein Mitgliedstaat, der jegliche Erstattung der Kosten für biomedizinische Analysen ausschließt, die von einem Labor für biomedizinische
Analysen durchgeführt wurden, das in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, verstößt gegen seine Verpflichtungen
aus Artikel 49 EG.
- Eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs kann grundsätzlich gerechtfertigt werden, soweit sie dazu beitragen soll,
ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten. Die Weigerung der Krankenkassen, die Kosten der Analysen, die von Labors
durchgeführt wurden, die ihre betriebliche Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben, zu übernehmen, geht indessen
über das hinaus, was hierfür objektiv erforderlich ist.
- Mangels Harmonisierungsmaßnahmen verwehrt das Gemeinschaftsrecht es dem Mitgliedstaat nämlich nicht, im Rahmen einer Genehmigungsregelung
sein Gesundheitsschutzniveau den Labors für biomedizinische Analysen, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind
und ihre Dienstleistungen den Mitgliedern eines der nationalen Krankenversicherungssysteme anbieten wollen, vorzugeben.
(vgl. Randnrn. 91-93, 95 und Tenor)