SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NIAL FENNELLY

vom 6. Juni 1996 ( *1 )

 

I — Einleitung

 

II — Rechtlicher Rahmen

 

III — Sachverhalt und Verfahren

 

IV — Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

 

A — Zur ersten und zur zweiten Frage

 

i) Merck und Beecham

 

ii) Primecrown

 

iii) Sonstige Erklärungen

 

B — Zur dritten Frage

 

i) Merck

 

a) Erste Argumentationslinie

 

b) Zweite Argumentationslinie

 

ii) Beecham

 

iii) Primecrown

 

iv) Die beteiligten Regierungen

 

v) Die Kommission

 

V — Gliederung der weiteren Abschnitte dieser Schlußanträge

 

VI — Untersuchung der Frage 3

 

A — Patente und pharmazeutische Erzeugnisse

 

i) Der Hintergrund der pharmazeutischen Industrie

 

ii) Die Rolle der Genehmigung zum Inverkehrbringen

 

Β — Patente und freier Warenverkehr

 

i) Die territoriale Begrenzung der nationalen Immaterialgüterrechte

 

ii) Zur Entstehung der Erschöpfungslehre im Gemeinschaftsrecht

 

iii) Der spezifische Gegenstand eines Patents

 

iv) Merck/Stephar

 

C — Neubewertung des Urteils Merck/Stephar

 

i) Die fehlerhafte Grundlage des Urteils

 

ii) Empfehlung an den Gerichtshof

 

iii) Rechtsprechung, die für ein Abgehen vom Urteil Merck/Stephar spricht.

 

a) Musik-Vertrieb Membran und Pharmon/Hoechst

 

b) Warner Brothers/Christiansen

 

D — Aufgabe von Grundsätzen früherer Urteile

 

E — Alternative zum Abgehen vom Urteil Merck/Stephar

 

i) Rechtspflicht zum Inverkehrbringen

 

ii) Moralische Pflicht zum Inverkehrbringen

 

iii) Staatliche Preisregelung

 

VII — Zeitliche Wirkungen des Urteils des Gerichtshofes

 

VIII — Prüfung der Fragen 1 und 2

 

IX — Antrag

I — Einleitung

1.

Die vorliegenden verbundenen Rechtssachen werfen in Form dreier Fragen zwei wichtige, voneinander unabhängige Probleme des freien Warenverkehrs mit pharmazeutischen Erzeugnissen zwischen Spanien und Portugal einerseits und den übrigen Mitgliedstaaten andererseits auf ( 1 ). Die ersten beiden Fragen betreffen den Zeitpunkt des Auslaufens bestimmter Übergangsvorschriften in der Akte über die Bedingungen des Beitritts Spaniens und Portugals, die eine Beschränkung von Parallelimporten aus diesen Ländern in die übrige Gemeinschaft zulassen. Die andere Frage ist grundlegender. Sie betrifft die rechtliche Regelung, die für Parallelimporte nach Ablauf der maßgebenden Übergangszeit gilt. Der Gerichtshof wird im Grunde ersucht, seine Rechtsprechung aus dem Jahre 1981 in der Rechtssache Merck/Stephar und Exler ( 2 ) aufzugeben oder jedenfalls abzuändern, wonach die Bestimmungen des EWG-Vertrags über den freien Warenverkehr den Inhaber eines Patents für ein Arzneimittel, der dieses Erzeugnis in einem Mitgliedstaat, in dem dieses Erzeugnis nicht patentierbar ist, in den Verkehr bringt, daran hindern, sein nationales Patentrecht in anderen Mitgliedstaaten geltend zu machen, um den Parallelimport dieses Erzeugnisses aus dem ersten Mitgliedstaat zu verbieten.

II — Rechtlicher Rahmen

2.

Gemäß den Artikeln 42 (Spanien) und 202 (Portugal) der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik zu den Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Beitrittsakte) ( 3 ) entfielen die mengenmäßigen Ein-und Ausfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen mit gleicher Wirkung zwischen der Gemeinschaft und Spanien bzw. Portugal zum 1. Januar 1986 ( 4 ). Gemäß Artikel 47 (für Spanien) und Artikel 209 (für Portugal) wurde indessen das Inkrafttreten des Artikels 30 EWG-Vertrag für die in den vorliegenden Sachen betroffenen patentierten Erzeugnisse mit folgenden Worten hinausgeschoben:

„(1)

Abweichend von Artikel 42 [Artikel 202] kann der Inhaber eines Patentes für ein chemisches oder pharmazeutisches Erzeugnis oder ein Pflanzenschutzmittel, das in einem Mitgliedstaat zum Patent angemeldet wurde, als dafür in Spanien [Portugal] Erzeugnispatente nicht erhalten werden konnten, oder sein Rechtsnachfolger das Recht aus diesem Patent geltend machen, um die Einfuhr oder das Inverkehrbringen des Erzeugnisses oder Pflanzenschutzmittels in dem oder den derzeitigen Mitgliedstaaten, in dem oder denen es durch ein Patent geschützt ist, zu verhindern, und zwar auch dann, wenn es von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung von einem Dritten erstmals in Spanien [Portugal] in den Verkehr gebracht wurde.

(2)

Dieses Recht kann für die in Absatz 1 genannten Erzeugnisse und Pflanzenschutzmittel bis zum Ende des dritten Jahres, nachdem für sie in Spanien [Portugal] die Patentierbarkeit eingeführt wurde, geltend gemacht werden.“

3.

Im Urteil Merck/Stephar entschied der Gerichtshof, daß „die Bestimmungen des EWG-Vertrags über den freien Warenverkehr einschließlich des Artikels 36 dahin auszulegen sind, daß sie es dem Inhaber eines Patents für ein Arzneimittel, der dieses Erzeugnis in einem ersten Mitgliedstaat, in dem Patentschutz besteht, verkauft und es sodann in einem anderen Mitgliedstaat, in dem dieser Schutz nicht besteht, selbst in den Verkehr bringt, nicht erlauben, von dem ihm nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats verliehenen Recht Gebrauch zu machen, in diesem Staat den Vertrieb des aus dem anderen Mitgliedstaat eingeführten Erzeugnisses zu verbieten“ ( 5 ).

4.

Artikel 379 der Beitrittsakte bestimmt, daß die Kommission neuen oder derzeitigen Mitgliedstaaten bei erheblichen und voraussichtlich anhaltenden Schwierigkeiten von Wirtschaftszweigen „Schutzmaßnahmen“ gestatten darf. Auf diese Bestimmung beriefen sich Frankreich, Belgien, Österreich, Dänemark, Irland, das Vereinigte Königreich und Deutschland aus Anlaß der Einfuhr von in ihrem Hoheitsgebiet durch Patent geschützten Arzneimitteln aus Spanien, wo sie nicht geschützt waren, nach dem 7. Oktober 1995 ( 6 ). Die Kommission wies diese Anträge mit Entscheidungen vom 20. Dezember 1995 ( 7 ) zurück ( 8 ).

5.

Die Beitrittsakte enthält Parallelvorschriften mit Übergangsbestimmungen für die Zeit his zur Einführung wirksamer Patentgesetze durch die beiden Mitgliedstaaten. Protokoll Nr. 8 betraf spanische, Protokoll Nr. 19 portugiesische Patente.

6.

Ziffer 1 des Protokolls Nr. 8 [Nr. 19] bestimmt, daß Spanien [Portugal] sich verpflichtet,

„seine Rechtsvorschriften über Patente in Einklang mit den Grundsätzen des freien Warenverkehrs und mit dem in der Gemeinschaft erreichten Stand des gewerblichen Rechtsschutzes zu bringen...“

[und ferner]:

„Zu diesem Zweck wird eine enge Zusammenarbeit zwischen den Dienststellen der Kommission und den spanischen [portugiesischen] Behörden geschaffen; sie betrifft auch die Probleme des Übergangs von den derzeitigen spanischen [portugiesischen] Rechtsvorschriften zum neuen Recht.“

Nach jedem dieser Protokolle war ferner die Beseitigung von besonderen Eigenarten des spanischen und portugiesischen Rechts erforderlich, denen in den vorliegenden Sachen aber keine spezifische Bedeutung zukommt.

7.

Ziffer 3 des Protokolls Nr. 8 bestimmt:

„Das Königreich Spanien tritt dem Münchner Europäischen Patentübereinkommen vom 5. Oktober 1973 innerhalb der erforderlichen Frist bei, damit es Artikel 167 dieses Übereinkommens ausschließlich für chemische und pharmazeutische Erzeugnisse geltend machen kann.“

In Anbetracht der Erfüllung der vom Königreich Spanien unter Ziffer 1 übernommenen Verpflichtung verpflichten sich in diesem Zusammenhang die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft als Vertragsstaaten des Münchner Übereinkommens, „alles daranzusetzen, um sicherzustellen, daß die Geltungsdauer des in Artikel 167 dieses Übereinkommens vorgesehenen Vorbehalts über den 7. Oktober 1987 hinaus um die nach dem Münchner Übereinkommen höchstzulässige Frist verlängert wird, wenn das Königreich Spanien einen Antrag gemäß dem Übereinkommen unterbreitet ..., mit der Maßgabe, daß es auf jeden Fall spätestens am 7. Oktober 1992 diesem Übereinkommen beitritt.“

Gemäß Artikel 167 Absatz 2 Buchstabe a des Europäischen Patentübereinkommens (nachstehend: EPÜ) kann sich jeder Vertragsstaat vorbehalten, zu bestimmen, daß europäische Patente für pharmazeutische Erzeugnisse unwirksam sind oder für nichtig erklärt werden können. Ferner bestimmt Artikel 167 Absatz 3:

„Alle von einem Vertragsstaat gemachten Vorbehalte sind für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren vom Inkrafttreten dieses Übereinkommens an wirksam. Hat ein Vertragsstaat Vorbehalte nach Absatz 2 Buchstabe a oder b gemacht, so kann der Verwaltungsrat mit Wirkung für diesen Staat die Frist für alle oder einen Teil der gemachten Vorbehalte um höchstens fünf Jahre verlängern ...“

8.

Ziffer 3 des Protokolls Nr. 19 bestimmte:

„Die Portugiesische Republik tritt am 1. Januar 1992 dem Münchner Europäischen Patentübereinkommen vom 5. Oktober 1973 und dem Luxemburger Gemeinschaftspatentübereinkommen vom 15. Dezember 1975 bei.“

9.

Nach den Protokollen sind die beiden neuen Mitgliedstaaten ferner verpflichtet, in ihr innerstaatliches Recht eine Vorschrift über die Umkehr der Beweislast entsprechend Artikel 75 des Luxemburger Gemeinschaftspatentübereinkommens vom 15. Dezember 1975 einzurühren. Diese Vorschrift sollte für Spanien spätestens vom 7. Oktober 1992, für Portugal spätestens vom 1. Januar 1992 an für vor diesen Zeitpunkten angemeldete Patente gelten ( 9 ).

10.

Artikel 4 des am 26. Juni 1986 in Kraft getretenen Gesetzes vom 20. März 1986 sah die Patentfähigkeit pharmazeutischer Erzeugnisse in Spanien vor. Sein Inkrafttreten wurde indessen auf der Grundlage der Beitrittsakte durch eine Übergangsvorschrift für diese Erzeugnisse bis zum 7. Oktober 1992 hinausgeschoben. In Portugal wurde das EPÜ durch das Decreto-lei Nr. 42/92 zum 1. Januar 1992 in Kraft gesetzt. Artikel 1 Absatz 2 des portugiesischen Gesetzes legt die Unanwcndbarkeit der den Bestimmungen des EPÜ widersprechenden Vorschriften des portugiesischen Gesetzes zum Schutz des gewerblichen Eigentums fest. Damit wurde es möglich, in Portugal Patente für pharmazeutische Erzeugnisse dadurch zu erlangen, daß in Anmeldungen nach dem EPÜ zu diesem Zeitpunkt oder später Portugal angegeben wurde oder wird.

III — Sachverhalt und Verfahren

11.

Zwei Verfahren mit drei unterschiedlichen Klagegründen wurden bei Richter Jacob in seiner Funktion als Patentgericht der Chancery Division des High Court of Justice in England and Wales (nachstehend: vorlegendes Gericht) anhängig gemacht. Mit der ersten Klage ( 10 ) machen die Klägerinnen, Merck & Co. Inc. und andere ( 11 ) (nachstehend: Merck), geltend, die Beklagten Primecrown Ltd und andere (nachstehend: Primecrown) hätten ihr Patent an einem (im Vereinigten Königreich unter der Marke „Innovace“, sonst unter der Marke „Renitee“ bekannten) Mittel gegen Bluthochdruck sowie ihr Patent an einem unter der Marke „Proscar“ bekannten Prostatamittel verletzt. Mit der zweiten Klage ( 12 ) machte Merck geltend, Primecrown habe ihr Patent an einem unter der Marke „Timoptol“ bekannten Glaukommittel verletzt. Die Klagen betreffen Parallelimporte und Verkäufe der Erzeugnisse im Vereinigten Königreich. Renitec und Proscar wurden aus Spanien, Timoptol aus Portugal eingeführt.

12.

Merck meldete am 20. Februar 1985 ein britisches Erzeugnispatent für Proscar an (EP0155096). Dieses Patent läuft am 20. Februar 2005 ab, doch wird aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel ( 13 ) (nachstehend: Zertifikatsverordnung) bis zum 26. Mai 2007 ein effektiver Patentschutz bestehen. Die Anmeldungsunterlagen für Proscar wurden in Spanien im Juli 1991 eingereicht. Die Genehmigung zum Inverkehrbringen wurde im September 1993 erteilt, worauf das Erzeugnis in Spanien in den Verkehr gebracht wurde. Merck meldete am 10. Dezember 1979 ein britisches Erzeugnispatent für Renitec an (0012401), das am 10. Dezember 1999 ablaufen wird. Timoptol wurde am 23. September 1976 angemeldet (1524405); dieses Patent läuft am 23. September 1996 ab.

13.

In der zweiten Sache erhob die Beecham Group plc (nachstehend: Beecham) Klage gegen die Europharm of Worthing Ltd (nachstehend: Europharm) wegen der Verletzung zweier Patente an einem im Vereinigten Königreich unter der Marke „Augmentin“, in Spanien unter der Marke „Augmentine“ vertriebenen Antibiotikum. Eines dieser Patente endete am 10. April 1995. Das andere wurde im Juli 1995 vom High Court für ungültig erklärt. Bis zur Verhandlung über ein Rechtsmittel, die Ende 1996 stattfinden soll, ist der Beschluß zu seiner Löschung ausgesetzt. Ein drittes, europäisches Patent wird nicht vor 2003 ablaufen, obwohl die Hauptsache offenbar nur die Patente im Vereinigten Königreich betrifft. Nach Aussage des vorlegenden Gerichts beabsichtigt Europharm eine Einfuhr des Erzeugnisses aus Spanien ( 14 ).

14.

Das vorlegende Gericht legt dar, die Probleme in den Ausgangsverfahren bestünden in erster Linie deshalb, weil die Patentinhaber für die betreffenden Erzeugnisse in Spanien oder Portugal keinen Patentschutz erlangt hätten oder hätten erlangen können. Außerdem lägen die Preise in diesen Ländern wesentlich niedriger als sonst in der Europäischen Union, so daß Arzneimittel, die die Patentinhaber an Großhändler verkauften, sofort, statt zu spanischen oder portugiesischen Patienten zu gelangen, in andere Mitgliedstaaten ausgeführt würden.

15.

Das vorlegende Gericht unterscheidet zwei Arten von Auslegungsfragen zum Gemeinschaftsrecht, die sich in den Ausgangsverfahren stellen: (i) die wahre Bedeutung der in den ersten beiden Fragen angesprochenen Übergangsvorschriften der Beitrittsakte; (ii) die Frage, ob das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Merck/Stephar im Hinblick auf die geänderten Umstände oder weitere Überlegungen überdacht oder abgeändert werden sollte. Die Vorlagefragen lauten:

1.

Gelten die Bestimmungen und die Rechtswirkungen des Artikels 47 des Vertrages über den Beitritt Spaniens zu den Europäischen Gemeinschaften für

1.1

aus Spanien eingeführte oder

1.2

erstmals in Spanien in den Verkehr gebrachte

pharmazeutische Erzeugnisse bis zum

a)

7. Oktober 1995 oder

b)

31. Dezember 1995 oder

c)

7. Oktober 1996 oder

d)

31. Dezember 1996 oder

e)

bis zum Ende des dritten Jahres, nachdem das einzelne pharmazeutische Erzeugnis, das in wenigstens einem Mitgliedstaat der Europäischen Union durch ein Erzeugnispatent geschützt war und vorher in Spanien nicht patentiert werden konnte, in Spanien patentierbar wurde?

Welcher der genannten Zeitpunkte ist in dieser Hinsicht maßgebend?

2.

Gelten die Bestimmungen und die Rechtswirkungen des Artikels 209 des Vertrages über den Beitritt Portugals zu den Europäischen Gemeinschaften für

2.1

aus Portugal eingeführte oder

2.2

erstmals in Portugal in den Verkehr gebrachte

pharmazeutische Erzeugnisse bis zum

a)

1. Januar 1995 oder

b)

31. Dezember 1995 oder

c)

1. Juni 1998 oder

d)

31. Dezember 1998 oder

e)

bis zum Ende des dritten Jahres, nachdem das einzelne pharmazeutische Erzeugnis, das in wenigstens einem Mitgliedstaat der Europäischen Union durch ein Erzeugnispatent geschützt war und vorher in Portugal nicht patentiert werden konnte, in Portugal patentierbar wurde?

Welcher der genannten Zeitpunkte ist in dieser Hinsicht maßgebend?

3.

Hindern die Vorschriften des EG-Vertrags über den freien Warenverkehr nach Ablauf der in Artikel 47 (und/oder Artikel 209) festgesetzten Frist in einem Fall, in dem

3.1

ein Unternehmen in wenigstens einem Mitglicdstaat der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Mitgliedstaat) Inhaber eines Patents für ein pharmazeutisches Erzeugnis ist,

3.2

das pharmazeutische Erzeugnis von dem Inhaber in einem Land erstmals nach dem Beitritt dieses Landes zur EG, aber zu einer Zeit, zu der das pharmazeutische Erzeugnis in diesem Land nicht durch ein Erzeugnispatent geschützt werden konnte, in den Verkehr gebracht wurde,

3.3

ein Dritter das pharmazeutische Erzeugnis aus diesem Land in den Mitgliedstaat einführt und

3.4

die patentrechtlichen Vorschriften in dem Mitgliedstaat dem Inhaber des Patents das Recht gaben, gegen die Einfuhr des pharmazeutischen Erzeugnisses aus diesem Land rechtliche Schritte zu unternehmen,

den Inhaber daran, von dem oben unter Nr. 3.4 erwähnten Recht Gebrauch zu machen, insbesondere wenn

a)

der Inhaber eine rechtliche und/oder moralische Verpflichtung, das pharmazeutische Erzeugnis in diesem Land auf den Markt zu bringen, hatte und weiterhin hat und/oder

b)

die Rechtsvorschriften dieses Landes und/oder der EG tatsächlich verlangen, daß der Inhaber, sobald das pharmazeutische Erzeugnis in diesem Land in den Verkehr gebracht ist, ausreichende Mengen liefert, um den Bedarf der inländischen Patienten zu befriedigen, und/oder

c)

die Rechtsvorschriften dieses Landes den Behörden das Recht geben, den Verkaufspreis für das pharmazeutische Erzeugnis in diesem Land festzusetzen, wenn die Behörden dieses Recht ausüben und wenn die Rechtsvorschriften den Verkauf des pharmazeutischen Erzeugnisses zu anderen Preisen verbieten und/oder

d)

der Preis des pharmazeutischen Erzeugnisses in diesem Land von den Behörden auf einem Niveau festgesetzt wurde, bei dem beträchtliche Ausfuhren des pharmazeutischen Erzeugnisses aus diesem Land in den Mitgliedstaat zu erwarten sind mit der Folge, daß entgegen dem Grundgedanken, der der vor kurzem erfolgten Einführung des ergänzenden Schutzzertifikats durch den Rat der EG zugrunde liegt, der wirtschaftliche Wert des Patents erheblich verringert würde und die von dem Inhaber für künftige pharmazeutische Erzeugnisse geplante Forschung und Entwicklung erheblich beeinträchtigt würden?

16.

Bezüglich der ersten beiden Fragen, die das Ablaufen der maßgeblichen Übergangsvorschriften betreffen, faßt das vorlegende Gericht das Vorbringen, auf das ich in diesen Schlußanträgen später ausführlich eingehen werde, zusammen und spricht sich eindeutig für den frühesten Zeitpunkt aus, d. h. im Falle Spaniens für den 7. Oktober 1995 und im Falle Portugals für den 1. Januar 1995. Im Ergebnis folgte es somit dem Vorbringen von Primecrown. Es sei Spanien bei seinem Beitritt zum EPÜ vom Verwaltungsrat des EPÜ gemäß Artikel 167 Absatz 2 des EPÜ gestattet worden, seine Pflicht zur Anerkennung der Patentierbarkeit pharmazeutischer Erzeugnisse um die höchstzulässige Frist hinauszuschieben, nämlich bis zum 6. Oktober 1992; vom 7. Oktober 1992 an seien daher solche Erzeugnisse in Spanien patentierbar gewesen. Nach Artikel 42 der Beitrittsakte habe das Verbot des Artikels 30 des Vertrages nach Maßgabe des Artikels 47 der Beitrittsakte erst nach „... Ende des dritten Jahres, nachdem für [diese Erzeugnisse] in Spanien die Patentierbarkeit eingeführt wurde“, gegolten.

17.

Das vorlegende Gericht führt aus, nach Auffassung von Merck sei die Dreijahresfrist so zu verstehen, daß drei Jahre nach dem Zeitpunkt gemeint seien, zu dem das einzelne in Frage stehende pharmazeutische Erzeugnis patentierbar geworden sei, weil Artikel 47 Absatz 1 der Beitrittsakte von der Zeit spreche, „als dafür [für dieses Erzeugnis] in Spanien Erzeugnispatente nicht erhalten werden konnten“, während in Artikel 47 Absatz 2 vom „Ende des dritten Jahres, nachdem für sie [diese Erzeugnisse] in Spanien die Patentierbarkeit eingeführt wurde“, die Rede sei ( 15 ). Mit Primecrown hält das vorlegende Gericht dieses Vorbringen für widersinnig; wenn ein einzelnes Produkt auf dem Markt gewesen sei, bevor Spanien es patentierbar gemacht habe, würde es mangels Neuheit nie patentfähig werden und damit die Dreijahresfrist nie zu laufen beginnen. Einer Dreijahresfrist bedürfte es nicht, wenn das Erzeugnis patentierbar wäre ( 16 ).

18.

Das vorlegende Gericht kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, daß die Übergangszeit für Spanien am 7. Oktober 1995 endete. Der Richter stellt fest, daß er, „gäbe es nicht Warnungen, daß der Gerichtshof, wenn er mit einer neuen Frage konfrontiert ist, möglicherweise etwas Unerwartetes tut, hier einen ‚actc clair‘ annehmen würde“.

19.

Im Falle von Portugal führt das vorlegende Gericht aus, daß als Zeitpunkt des Beginns der 1. Januar 1992 festgelegt sei, als gemäß Ziffer 3 des Protokolls Nr. 19 zur Beitrittsakte der Beitritt zum EPU erfolgt sei ( 17 ). Merck habe nicht bestritten, daß in Portugal für pharmazeutische Erzeugnisse Patente nach dem EPU über das Europäische Patentamt seit dem 1. Januar 1992 hätten erlangt werden können ( 18 ). Damit kommt eine starke Präferenz für den 1. Januar 1995 als Ablaufzeitpunkt der maßgeblichen Übergangsvorschrift zum Ausdruck, der auf dem Verstreichen dreier Kalenderjahre nach dem 1. Januar 1992 beruht ( 19 ).

20.

Zur dritten Frage bemerkt das vorlegende Gericht, daß unter den verschiedenen von Merck vorgebrachten Argumenten für eine Überprüfung des Urteils Merck/Stephar insbesondere zwei in jener Rechtssache nicht geltend gemachte Argumente geeignet seien, die zentrale Schlußfolgerung, daß eine freie Entscheidung für das Inverkehrbringen in Spanien und Portugal getroffen worden sei, zu entkräften:

i)

Pharmaunternehmen hätten eine moralische Verpflichtung zur Lieferung ihrer Erzeugnisse in Spanien und Portugal, insbesondere wenn sie das Erzeugnis dort bereits in den Verkehr gebracht hätten und es von Ärzten verschrieben werde.

ii)

Es könne nach innerstaatlichem oder nach Gemeinschaftsrecht eine rechtliche Verpflichtung zur Belieferung des spanischen und des portugiesischen Marktes bestehen.

21.

Das vorlegende Gericht erachtet auch das Vorbringen von Merck, daß es notwendig sei, Forschung und Entwicklung in Europa zu schützen und eine gesunde europäische Pharmaindustrie zu fördern, für gewichtiger als seinerzeit, als es in der Rechtssache Merck/Stephar erstmals geltend gemacht worden sei. Es regt an, der Gerichtshof möge eine Beschränkung der Rückwirkung irgendeiner Einschränkung des Urteils Merck/Stephar in Erwägung ziehen, „... da es offensichtlich unrichtig wäre, wenn der Gerichtshof von einer früheren Entscheidung in einer Art und Weise abwiche, daß die Parteien für vergangene Handlungen, die nach diesem Urteil rechtmäßig waren, zu Rechtsbrechern gemacht würden — und vergangene rechtmäßige Paralleleinfuhren zu Rechtsverstößen“.

IV — Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

22.

Schriftliche Erklärungen sind eingereicht worden von Merck (Klägerin in der Rechtssache C-267/95), von Beecham (Klägerin in der Rechtssache C-268/95), von Primecrown (Beklagte in der Rechtssache C-267/95), von den Regierungen des Vereinigten Königreichs, Belgiens, Griechenlands, Spaniens und Italiens sowie von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Mündliche Erklärungen haben abgegeben: Merck, Beecham, Primecrown, die Regierung des Vereinigten Königreichs, die spanische, die griechische, die italienische, die dänische, die französische und die schwedische Regierung sowie die Kommission.

A — Zur ersten und zur zweiten Frage

i) Merck und Bcecham

23.

Merck bringt vor, Artikel 47 der Beitrittsakte gelte für aus Spanien eingeführte pharmazeutische Erzeugnisse bis zum 31. Dezember 1996. Sie stützt diese Auffassung auf den Wortlaut des Artikels 47 („... bis zum Ende des dritten Jahres, nachdem ...“ und nicht „... drei Jahre, nachdem ...“). Sie macht geltend, für diese Auslegung spreche, daß alle Übcrgangsmaßnahmen in der Beitrittsakte am Ende eines Kalenderjahres ausliefen. Insbesondere seien nach Artikel 379 der Beitrittsakte Schutzmaßnahmen bis zum 31. Dezember 1995 zulässig.

24.

Alternativ macht Merck geltend, Artikel 47 laufe deshalb Ende 1996 aus, weil nach Artikel 4 Buchstabe C Absatz 1 der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. März 1883 (in der revidierten Fassung; nachstehend: PVÜ) einer Person, die ein Patent ordnungsgemäß in einem Verbandsstaat angemeldet habe, bei der Anmeldung dieses Patents in einem anderen Verbandsstaat ( 20 ) während einer Frist von zwölf Monaten ein Prioritätsrecht zustehe. Diese Bestimmung gebe einem Anmelder zwölf Monate Zeit, um Patente für die gleiche Erfindung in den anderen Verbandsstaaten anzumelden und gegenüber anderen Anmeldern Prioritätsrechte zu beanspruchen. Die Neuheit einer Erfindung werde nach dem Zeitpunkt der ersten Anmeldung beurteilt, d. h. die Erfindung werde während der Frist von zwölf Monaten in allen Verbandsstaaten als neu betrachtet. Die Patentierbarkeit eines Erzeugnisses in einem Verbandsstaat umfasse daher als wesentliches Merkmal das Recht, infolge einer Anmeldung während der letzten zwölf Monate in jedem anderen Verbandsstaat für die gleiche Erfindung Priorität zu beanspruchen.

25.

Allerdings habe der spanische Staatsrat auf Antrag des Patentamts am 18. Februar 1993 entschieden, daß in Spanien Priorität nur für Anmeldungen anerkannt werde, die in anderen EPÜ-Staatcn nach dem 7. Oktober 1992 erfolgt seien ( 21 ). Nach Auffassung von Merck ist der Begriff der Patentierbarkeit im Sinne von Artikel 47 der Beitrittsakte im Einklang mit der PVÜ und damit so auszulegen, daß es möglich ist, in Spanien Patente nach dem 7. Oktober 1992 aufgrund der Priorität infolge von Anmeldungen in anderen Verbandsstaaten während der letzten zwölf Monate zu erhalten. Da Spanien solche Ansprüche nicht anerkannt habe, bedeute dies im Ergebnis, daß es die volle Patentierbarkeit von pharmazeutischen Erzeugnissen erst vom 7. Oktober 1993 an zugelassen habe.

26.

Mit Bezug auf Portugal legt Merck dar, daß Artikel 209 der Beitrittsakte für pharmazeutische Erzeugnisse bis zum 31. Dezember 1998 weitergelte, nämlich bis zum Ende des dritten Kalenderjahres nach dem Zeitpunkt, zu dem pharmazeutische Erzeugnisse in Portugal patentierbar geworden seien. Effektive Patentierbarkeit pharmazeutischer Erzeugnisse sei in Portugal nicht vor dem 1. Juni 1995 eingetreten, als das mit dem portugiesischen Decreto-lei Nr. 42/92 vom 31. März 1992 geschaffene Rahmenwerk für europäische Erzeugnispatente durch Verabschiedung eines neuen Gesetzes zum Schutz des gewerblichen Eigentums ergänzt worden sei, das die Erteilung portugiesischer Patente für pharmazeutische Erzeugnisse möglich gemacht habe ( 22 ).

27.

Beecham bringt vor, Artikel 47 der Beitrittsakte gelte für pharmazeutische Erzeugnisse wie Augmentine weiterhin drei Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem Spanien Rechtsvorschriften über die Patentierbarkeit von Augmentine erlassen habe. Lege man Artikel 47 so aus, daß er Schutz nur bis zum Ende des dritten Jahres biete, nachdem Spanien eine allgemeine Gruppe von Erzeugnissen patentierbar gemacht habe, würde das lediglich zur Einräumung eines willkürlichen „Drei-bis-Vier-Jahre-Urlaubs“ von den Auswirkungen billiger Pharmaimporte aus Spanien in andere Mitgliedstaaten führen, dem ein Zeitraum ohne jeglichen Schutz folge.

28.

Werde die Übergangszeit dagegen so verstanden, daß sie von dem Zeitpunkt an laufe, zu dem Spanien pharmazeutische Erzeugnisse als allgemeine Gruppe patentierbar gemacht habe (d. h. vom 7. Oktober 1992 an), dann müsse Artikel 47 zumindest im Einklang mit einer auf das Kalenderjahr abstellenden Regel ausgelegt werden. Der von ihr befürwortete Zeitpunkt des Auslaufens (31. Dezember 1996) ergebe sich aus einer Kombination dieser Methode mit dem von Merck dargelegten Prioritätsargument nach der PVÜ.

ii) Primecrown

29.

Primecrown weist darauf hin, daß das EPU am 7. Oktober 1977 unabhängig von Kalendertagerwägungen in Kraft getreten sei, als gemäß seinem Artikel 169 eine ausreichende Anzahl von Ratifikations-oder Beitrittsurkunden hinterlegt gewesen sei. Gemäß Artikel 167 Absatz 5 EPÜ gelte die Rücknahme eines Vorbehalts nach Artikel 167 Absatz 2 nur für Patentanmeldungen, die nach Ablauf des Vorbehalts eingereicht worden seien. Insbesondere aufgrund von Ziffer 3 des Protokolls Nr. 8 sei klar gewesen, daß Spanien dem EPÜ mit Wirkung vom 7. Oktober 1992 beitreten und dann für frühestens zu diesem Zeitpunkt eingereichte neue Anmeldungen Patente erteilen würde. Artikel 47 der Beitrittsakte sei eng mit dem Protokoll Nr. 8 verknüpft, das auf das EPÜ verweise. Durch die Inkraftsetzung des EPÜ in Spanien zum 7. Oktober 1992 habe Spanien den im Protokoll Nr. 8 vorgesehenen Weg eingeschlagen, so daß die in Artikel 47 geregelte Ausnahme von drei Jahren am 7. Oktober 1995 ausgelaufen sei.

30.

Primecrown verweist sodann auf das Protokoll Nr. 19 zur Beitrittsakte, das den Beitritt Portugals zum EPÜ für den 1. Januar 1992 vorsehe. Da für einen Vorbehalt Portugals nach Artikel 167 EPÜ keine Regelung getroffen worden sei, seien chemische und pharmazeutische Erzeugnisse zu diesem Zeitpunkt in Portugal patentierbar geworden. Die Ausnahme nach Artikel 209 der Beitrittsakte sei mit dem Protokoll Nr. 19 verknüpft, das auf das EPÜ verweise. Wiederum mache es die enge Auslegung der Ausnahme erforderlich, sie so zu verstehen, daß sie drei Jahre nach dem Inkrafttreten des EPÜ, also am 1. Januar 1995, auslaufe.

31.

Jedermann, der ein Patent für ein pharmazeutisches Erzeugnis in Portugal angestrebt habe, sei in der Lage gewesen, dies durch eine Anmeldung beim Europäischen Patentamt unter Benennung von Portugal (allein oder neben anderen Ländern) am oder nach dem 1. Januar 1992 sicherzustellen, obwohl Portugal die Einreichung von Anmeldungen für pharmazeutische Erzeugnisse bei seinem Patentamt erst ab 1. Juni 1995 mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutz des gewerblichen Eigentums, enthalten im Decrcto-lei Nr. 16/95 vom 24. Januar 1995, zugelassen habe. Weder Artikel 209 der Beitrittsaktc noch das Protokoll Nr. 19 hätten Portugal verpflichtet, die Erlangung von Erzeugnispatenten für pharmazeutische Erzeugnisse in einem besonderen Verfahren zu ermöglichen; Portugal sei daher nicht verpflichtet gewesen, ein nationales Patentamt einzurichten, um seiner Verpflichtung nachzukommen, seine Rechtsvorschriften über Patente „in Einklang ... mit dem in der Gemeinschaft erreichten Stand des gewerblichen Rechtsschutzes zu brin-gen“.

32.

Die Worte „die in Absatz 1 genannten Erzeugnisse“, wie sie in der Beitrittsaktc in Artikel 47 Absatz 2 (für Spanien) und in Artikel 209 Absatz 2 (für Portugal) verwendet würden, könnten nur als Bezugnahme auf die von Artikel 47 erfaßte allgemeine Erzeugnisgruppe verstanden werden. Falls beabsichtigt gewesen wäre, sich auf ein spezifisches, durch ein spezifisches Patent geschütztes Erzeugnis zu beziehen, dann wäre die Einzahl verwandt worden, um in Einklang mit der Formulierung „ein Erzeugnis“ u. a. in Artikel 47 Absatz 1 zu bleiben. Grundsätzlich sei der Grund dafür, daß Patente für bestimmte pharmazeutische Erzeugnisse in Spanien nicht vom 7. Oktober 1992 an hätten erlangt werden können, nicht länger der Ausschluß pharmazeutischer Erzeugnisse als Gruppe aus dem inländischen Patentrecht gewesen, sondern die individuelle Handlung des Erfinders, der seine Erfindung offenbart habe, bevor er noch in Spanien ein Erzeugnispatent habe anmelden können. Protokoll Nr. 8 zur Beitrittsakte verpflichte Spanien in keiner Weise, Erzeugnisschutz für Erfindungen zu gewähren, für die vor dem 7. Oktober 1992 der Schutz abgelaufen sei. Das Protokoll Nr. 8 verweise im Gegenteil auf Artikel 167 EPU, der in Absatz 5 eigene Übergangsvorschriften enthalte, nach denen Patente, die nach dem Ablauf des Vorbehalts Spaniens angemeldet worden seien, nicht aber vorher angemeldete erteilt werden könnten.

33.

Die Heranziehung einer Berechnung nach Kalenderjahren bei der Auslegung der Dreijahresfrist würde bedeuten, daß es in der Absicht der Mitgliedstaaten zur Zeit der Aushandlung der Beitrittsakte gelegen hätte, die Dauer der in Artikel 47 Absatz 2 vorgesehenen Übergangszeit in willkürlicher Abhängigkeit von der Zeit des Jahres, in dem pharmazeutische Erzeugnisse patentierbar geworden seien, um bis zu 33 % schwanken zu lassen. Zweck der Ausnahme sei es, eine Anpassung der Marktbedingungen vor Aufhebung der Beschränkung von Parallelimporten möglich zu machen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Urheber der Ausnahme unterstellt hätten, eine Anpassung der Marktbedingungen werde mehr Zeit in Anspruch nehmen, wenn Spanien die Patentierbarkeit von pharmazeutischen Erzeugnissen zu Beginn statt zum Ende eines Kalenderjahres einführe. Es habe historische Gründe, daß in Gemeinschaftsverträgen Fristen allgemein mit dem Ende eines Kalenderjahres endeten; der EWG-Vertrag sei am 1. Januar 1958 in Kraft getreten und spätere Beitritte seien stets zum 1. Januar eines Jahres erfolgt. Der maßgebliche Termin für die Patentierbarkeit pharmazeutischer Erzeugnisse in Spanien sei nicht mit den Gemeinschaftsverträgen, sondern mit einem nach Jahren bemessenen Zeitraum verknüpft, der vom Inkrafttreten des EPÜ an gerechnet werde, das kein Gemeinschaftsvertrag sei. Der Termin 7. Oktober 1992 sei in der Beitrittsakte ausdrücklich genannt.

34.

Die Verwendung einer Kalenderjahr-Methode widerspreche ferner der „üblichen universellen Jahres'-Regel“ für die Fristenberechnung, wie sie von den Mitgliedstaaten allgemein angewandt werde ( 23 ). Im Vereinigten Königreich gelte der Grundsatz des entsprechenden Datums ( 24 ), während Artikel 5 Absatz 1 des spanischen Zivilgesetzbuchs erkennen lasse, daß nach spanischem Recht auch die Fristberechnung mit „Teiljahren“ möglich sei, statt die Frist vom Beginn des nächsten Kalenderjahres an laufen zu lassen. Wenn Rechtsvorschriften der Gemeinschaft bezweckten, eine Frist am Ende eines Kalenderjahres enden zu lassen, werde dies klar und eindeutig ausgesprochen ( 25 ).

35.

Artikel 47 Absatz 2 der Beitrittsakte verpflichte Spanien lediglich, für die Patentierbarkeit pharmazeutischer Erzeugnisse zu sorgen, nicht aber, ein System der Priorität nach der PVÜ einzurichten. Darüber hinaus hänge auch nach der PVÜ die Priorität davon ab, daß die Anmeldung im ersten Staat (Heimatstaat) nach dem Recht des Staates, in dem die Priorität geltend gemacht werde, als Anmeldung einer Erfindung anerkannt werde. Da solche außerhalb Spaniens vor dem 7. Oktober 1992 eingereichten Anmeldungen nach spanischem Recht keine gültigen Anmeldungen gewesen seien, könne hieraus keine Priorität hergeleitet werden.

iii) Sonstige Erklärungen

36.

Die Regierungen Spaniens, des Vereinigten Königreichs, Italiens und Dänemarks legen dar, daß Endzeitpunkt der Übergangszeit für Spanien und Portugal der 31. Dezember 1995 sei. Ihr Vorbringen geht trotz unterschiedlicher Formulierungen im wesentlichen dahin, daß mit dem Ausdruck „Ende des dritten Jahres“ in den Artikeln 47 und 209 der Beitrittsakte der 31. Dezember des dritten Kalenderjahres nach Einrichtung des erforderlichen Patentschutzes gemeint sei; die Verwendung des Wortes „Ende“ sei sprachlich ungeeignet, die jährliche Wiederkehr eines Ereignisses zu kennzeichen, das im Verlauf eines'Kalenderjahres eingetreten sein könne. Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs zeigt eine Überprüfung der in allen anderen Übergangsvorschriften der Beitrittsakte festgelegten Termine, daß auch diese Übergangszeiten am Ende eines Kalenderjahres enden sollen.

37.

Nach Auffassung der griechischen Regierung endet die Übergangszeit mit dem Ablauf von drei Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem pharmazeutische Erzeugnisse patentierbar gemacht worden sind. Die Regierungen Schwedens, Frankreichs und Belgiens haben sich zu dieser Frage nicht geäußert.

38.

Die Kommission führte in der Sitzung aus, daß die Teiljahr-Auslegung eher mit dem Wortlaut der Ausnahme übereinstimme; wenn Kalenderjahre gewollt gewesen wären, wären die Vorschriften ausdrücklich entsprechend formuliert worden. Da überdies zur Zeit der Aushandlung der Beitrittsakte die genauen Zeitpunkte der Einführung der Patentierbarkeit durch Spanien und Portugal nicht bekannt gewesen seien, sei es vernünftiger gewesen, die Tciljahr-Methode zugrunde zu legen. Dies sei vor Oktober 1995 die Arbeitshypothese der meisten in diesem Bereich tätigen Personen und sicherlich der Standpunkt gewesen, den die Vcrtreter der Kommission öffentlich zum Ausdruck gebracht hätten und der den Anträgen mehrerer Mitgliedstaaten nach Artikel 379 der Beitrittsakte zugrunde gelegen habe. Schließlich solle der Gerichtshof auch die sehr eindeutige Stellungnahme des vorlegenden Gerichts zugunsten dieser Methode in Betracht ziehen.

Β — Zur dritten Frage

i) Merck

a) Erste Argumentationslinie

39.

Als Hauptargument macht Merck geltend, der vom Gerichtshof in dem Urteil Merck/Stephar aufgestellte Grundsatz solle überdacht werden, so daß ein Patentinhaber sein Patentrecht an einem Erzeugnis lediglich dann nicht erschöpft habe, wenn er Gelegenheit zur ersten Vermarktung innerhalb der Gemeinschaft unter dem Schutz des Patents und der damit verbundenen Garantie gegen Wettbewerb nicht genehmigter Nachahmungen gehabt habe. Zur Stützung dieser Auffassung werden sechs Argumente angeführt.

40.

Erstens sei die Patentierbarkeit pharmazeutischer Erzeugnisse zur Zeit des Urteils Merck/Stephar in Europa eher die Ausnahme als die Regel gewesen, während sie heute von den meisten Industrienationen anerkannt werde. Pharmazeutische Erzeugnisse seien heute in allen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums mit Ausnahme von Island patentierbar ( 26 ).

41.

Die Gemeinschaft habe in den letzten Jahren die Bedeutung von Patenten für den Pharmasektor hervorgehoben. Hinzuweisen sei auf die Zertifikatsverordnung ( 27 ), insbesondere auf deren erste bis vierte Begründungserwägungen sowie auf die Abschnitte 1 und 5 der Begründung des Verordnungsvorschlags der Kommission ( 28 ).

42.

Darüber hinaus würden sich die negativen Auswirkungen einer Fortführung der Anwendung des Merck/Stephar-Grundsatzes im Anschluß an das Inkrafttreten von Assoziierungsabkommen mit den Staaten Mittel-und Osteuropas infolge der dauerhaften Nichtpatentierbarkeit — mangels Neuheit — von pharmazeutischen Erzeugnissen vervielfältigen, die in diesen Ländern in den Verkehr gebracht worden seien, bevor pharmazeutische Erzeugnisse dort in den frühen 90-er Jahren patentierbar geworden seien. Wenn diese Staaten der Europäischen Gemeinschaft beiträten, gelte der Merck/Stephar-Grundsatz für alle pharmazeutischen Erzeugnisse, die in diesen Ländern (wo die Preise durchschnittlich 33 % niedriger seien als in der EG) hergestellt oder in den Verkehr gebracht worden seien.

43.

Zweitens mindere das Urteil Merck/Stephar den Wert in der EG erteilter Patente erheblich. Unerlaubte Nachahmungen auf dem spanischen und dem portugiesischen Markt hätten die Behörden in die Lage versetzt, nationale Preisfestsetzungen vorzunehmen, um die Preise unterhalb des Durchschnittsniveaus in der EG festzusetzen. Solche Nachahmungen könnten vor, gleichzeitig mit oder jedenfalls binnen zwölf Monaten nach dem Inverkehrbringen des Originals in den Verkehr gebracht werden. In der Sitzung erklärte Merck, der Zusammenhang zwischen fehlender Patentierbarkeit und Preisniveau werde eindeutig unter Beweis gestellt durch die Auswirkung des Auftretens von Generika, sobald Patente in Mitgliedstaaten mit Patentschutz abgelaufen seien. Ein rascher Preisrückgang trete sowohl in Erwartung als auch in der Folge der Beendigung des Patentschutzes ein. Ferner wies Merck (mit voller Unterstützung durch Beecham) in der Sitzung darauf hin, daß die Geltung oder das Fehlen von Patentschutz die Position von Pharmaunternehmen bei ihren Verhandlungen mit nationalen Behörden beeinflusse; wenn ein Generikum in den Verkehr gebracht worden sei oder bald gebracht werde, werde die Position dieser Behörden bei Preisverhandlungen gegenüber dem Patentinhaber gestärkt. Auch seien die in Spanien und Portugal angewandten Preisregelungen strenger als die zur Zeit des Urteils Merck/Stephar in Italien angewandte Regelung ( 29 ).

44.

Parallelimporte aus Spanien und Portugal wirkten sich allgemein eher zugunsten der Parallelimporteure als zugunsten der Patienten oder der nationalen Gesundheitsbehörden im Einfuhrmitgliedstaat aus, fügten aber zugleich den Inhabern pharmazeutischer Patente erhebliche Verluste zu, da sie den Wert und damit letztlich die Patentdauer betroffener Erzeugnisse verringerten ( 30 ). Da eine gemeinschaftliche Regelung über das Inverkehrbringen patentierbarer Erzeugnisse fehle, sollten Hindernisse für den freien Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft, deren Zweck es sei, die Arzneimittelforschung zu fördern, als notwendig angesehen werden, um zwingenden Erfordernissen im Sinne des Urteils „Cassis de Dijon“ ( 31 ) gerecht zu werden.

45.

Drittens und viertens führt Merck aus, es könne keine Erschöpfung von Patentrechten geben, wo solche Rechte gar nicht bestünden. Im Urteil Merck/Stephar habe der Gerichtshof entschieden, daß die Substanz eines Patentrechts dem Patentinhaber nicht garantiere, daß er immer einen Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit erhalte, während Generalanwalt Reischl festgestellt habe, daß es dem Patentinhaber lediglich die Möglichkeit eines Ausgleichs für seine schöpferische Erfindertätigkeit eröffne. Andererseits sei ein vernünftiger Ausgleich für die schöpferische Anstrengung des Patentinhabers von entscheidender Bedeutung für die Pharmaindustrie, da die Durchschnittskosten für die Erforschung und Entwicklung eines neuen Arzneimittels heute auf etwa 200 Millionen ECU geschätzt würden. Das Überleben der Pharmaunternehmen hänge von der Ertragsfähigkeit einer kleinen Anzahl erfolgreicher Erzeugnisse und von der regelmäßigen Erneuerung des Bestandes an Patenten für neue Arzneimittel ab. Durchschnittlich würden von etwa 10000 Stoffen, deren Synthese der Pharmaindustrie gelinge, lediglich ein bis zwei marktfähige Arzneimittel. Die hohen Risiken machten einzelne Unternehmen sehr verwundbar, nicht zuletzt deshalb, weil 90 % der Forschungskosten von der Industrie selbst finanziert würden. Der Ertrag von Forschungsinvestitionen sei von zahlreichen Marktfaktoren, darunter dem Marktpotential des patentgeschützten Erzeugnisses und dem frühzeitigen Auftreten von Substitutionserzeugnissen, abhängig. Zu den Substitutionserzeugnissen gehörten „fast follower“Erzeugnisse, die therapeutisch dem ursprünglichen Erzeugnis ähnlich seien, aber doch ausreichend unterschiedlich, um Patentverletzungen zu vermeiden.

46.

Unter diesen Umständen sollte ein Patent nur dann als erschöpft angesehen werden, wenn der Patentinhaber dem Einsatz des wesentlichen und dauerhaften Merkmals des Patents zustimme, nämlich des Rechts, das patentgeschützte Erzeugnis als erster mit der Gewißheit auf den Markt zu bringen, daß während der Dauer des Patents keine unerlaubten Nachahmungen auf den Markt gebracht würden. So werde der finanzielle Wert des Erzeugnisses gegen den Wettbewerb unerlaubter billigerer Nachahmungen geschützt ( 32 ). Der bloße Erhalt eines finanziellen Ausgleichs solle nicht als Erschöpfung des Patents betrachtet werden, wenn das Marktpotential des Erzeugnisses durch das Fehlen der Patentierbarkeit eingeschränkt gewesen sei. Merck verweist auf das Urteil Pharmon/Hoechst ( 33 ), in dem auf dem Hintergrund einer Zwangslizenz entschieden worden sei, daß die Entgegennahme von Lizenzgebühren durch den Patentinhaber nicht die Erschöpfung des Patents bewirkt habe, weil sie nicht als Gegenleistung für die freie Ausübung des garantierten Eigentumsrechts bezogen worden seien. Merck beruft sich auf den Standpunkt von Generalanwalt Warner in seinen Schlußanträgen in der Rechtssache Musik-Vertrieb Membran/GEMA ( 34 ), der sage „Wo keine Rechte bestehen, kann es auch keine Erschöpfung von Rechten geben.“

47.

Fünftens habe der Gerichtshof in den Urteilen Warner Brothers/Christiansen (Urheberrecht) ( 35 ) und IHT Internationale Heiztechnik/Ideal Standard (Warenzeichen) ( 36 ) anerkannt, daß das Gemeinschaftsrecht beim Fehlen paralleler Schutzebenen im Ausfuhr-und im Einfuhrmitgliedstaat von einer Überführung der Rechtspolitik des ersten in den anderen Mitgliedstaat absehen sollte. Dieser Denkansatz müsse a fortiori für Patente gelten.

48.

Schließlich macht Merck geltend, entgegen der offenbaren Annahme von Generalanwalt Reischl in der Rechtssache Merck/Stephar machten zeitweilige Ähnlichkeiten im Preis patentierbarer und nicht patentierbarer pharmazeutischer Erzeugnisse diese Erzeugnisse nicht vergleichbar. Der Merck/Stephar-Grundsatz sei daher nicht erforderlich, um Diskriminierung im Parallelhandel mit patentierbaren und nicht patentierbaren Erzeugnissen zu vermeiden; wo die Rechte des Patentinhabers anerkannt würden, ziehe er Nutzen aus der Gewißheit, daß während der Dauer des Patents keine unerlaubten Nachahmungen in den Verkehr gebracht würden, was aber nicht der Fall sei, wo dieser Schutz versagt werde.

b) Zweite Argumentationslinie

49.

Hilfsweise vertritt Merck die Ansicht, daß die bei Anwendung des Merck/Stcphar-Grundsatzes erforderliche Zustimmung unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht als gegeben angeschen werden könne. Die vier Fallgestaltungen am Ende der dritten Frage des vorlegenden Gerichts hingen eng mit diesem Punkt zusammen.

50.

Zunächst könnten Pharmaunternehmen — im Gegensatz zu Erzeugern von anderen Verbrauchsgütern und Dienstleistungen — nicht frei entscheiden, ob sie neue Erzeugnisse auf den Markt brächten oder nicht oder ob sie Belieferungen einstellten, denn moralische Grundsätze verpflichteten sie dazu, pharmazeutische Erzeugnisse dorthin zu liefern, wo sie benötigt würden, auch wenn die Patentierbarkeit nicht anerkannt sei ( 37 ).

51.

Merck macht geltend, es wäre ihr aufgrund moralischer Erwägungen aus einer Reihe von Gründen der Gesundheitsfürsorge heutzutage unmöglich, die betreffenden Erzeugnisse in Spanien und Portugal vom Markt zu nehmen; auch das Vorhandensein von Nachahmungen schränke seine Pflicht nicht ein. Würden seine Erzeugnisse vom Markt genommen, so würde dies die mögliche Einstellung der Lieferung dieser Nachahmungen nach sich ziehen; als Urheber des Erzeugnisses sei Merck das einzige Unternehmen, das über die Ergebnisse klinischer Versuche vollständig informiert sei. Aufgrund ihres Know-hows und ihrer Ressourcen halte man sie für moralisch verpflichtet, eine fortwährende Pharmakontrolle (d. h. die Beobachtung unvorhergesehener Auswirkungen auf Patienten), insbesondere durch die Bereitstellung eines ständigen Stabs von Wissenschaftlern zur Beratung der diese Erzeugnisse verschreibenden Ärzte, sicherzustellen. Demgegenüber seien Nachahmer im allgemeinen Unternehmen, die nur in Einfuhr oder Herstellung und Vertrieb investierten, so daß Ärzte angesichts unerwarteter klinischer Probleme mit der Nachahmung eines Merck-Erzeugnisses bei Merck Rat suchten.

52.

Ferner könne Merck aus geschäftlichen Gründen die Belieferung nicht einstellen. Somit müßten Patienten, die zur Zeit mit den von ihren Ärzten verschriebenen Erzeugnissen behandelt würden, zu anderen Erzeugnissen wechseln, die als für sie weniger geeignet angesehen würden. Eine solche Einstellung würde unweigerlich seinen Ruf als Unternehmen im Dienste der öffentlichen Gesundheit beflecken und seinen Goodwill bei der spanischen und portugiesischen Ärzteschaft untergraben.

53.

Außerdem werde Merck durch Pflichten, die ihm sowohl nach nationalem als auch nach Gemeinschaftsrecht auferlegt seien, an einer Einstellung der Belieferung gehindert. Eine Einstellung bisheriger Belieferungen des spanischen und des portugiesischen Marktes verstieße aus seiner Sicht wahrscheinlich gegen das spanische Arzneimittelgesetz Nr. 25/1990 bzw. gegen das portugiesische Decreto-lei Nr. 135/95. Ferner sei es durch Artikel 85 EG-Vertrag an einer Einstellung bisheriger Belieferungen spanischer und portugiesischer Käufer gehindert. Die Kommission habe in einer vom Gerichtshof bestätigten Stellungnahme offensichtlich einseitige Handlungen wie eine Anweisung eines Herstellers an seine Händler, im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses nicht in andere Mitgliedstaaten der EG auszuführen, als Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 bewertet.

ii) Beecham

54.

Beecham legt dar, es sei Zweck des Patentschutzes, Anreize für Innovationen zu schaffen; der Erfinder müsse die Möglichkeit zur Erlangung eines Ausgleichs für seine Erfindermühe in Form ausschließlicher Marktzugangsrechte erhalten. Es verweist auf das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Centrafarm/Sterling Drug ( 38 ) als Grundlage der Erschöpfungslehre bei Parallelpatenten. Der Gerichtshof habe mit seiner Entscheidung in der Rechtssache Merck/Stephar, das Recht des Patentinhabers könne dadurch erschöpft werden, daß er dem Inverkehrbringen in einem Land zustimme, in dem er keinen Patentschutz genieße, die Erschöpfungslehre unzutreffend ausgeweitet. Das Urteil Merck/Stephar sei in seiner Begründung fehlerhaft und könne weder mit der späteren Rechtsprechung des Gerichtshofes noch mit der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts in Einklang gebracht werden.

55.

Das Urteil Merck/Stephar könne nicht mit dem Warner Brothers-Urteil des Gerichtshofes in Einklang gebracht werden. Zu verweisen sei auch auf das Urteil Pharmon/Hoechst und insbesondere darauf, daß der Gerichtshof den Standpunkt von Generalanwalt Mancini verworfen habe, daß ein Patentinhaber, der sich freiwillig der Möglichkeit aussetze, seines ausschließlichen Rechts durch eine Zwangslizenz verlustig zu gehen, die Folgen seiner Entscheidung zu tragen habe.

56.

Das Urteil Mcrck/Stephar sei dem Grundsatz nach unrichtig, weil es die Möglichkeit untergrabe, daß der Patentinhaber einen Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit erhalte. Der Gerichtshof habe sich insbesondere nicht mit den Auswirkungen von Einfuhren aus Staaten ohne Patentschutz auf die Fähigkeit des Patentinhabers befaßt, die Preise auf einem solchen Niveau zu halten, daß ihm der Ausgleich in Ländern sicher sei, in denen die Patentierbarkeit anerkannt sei ( 39 ). Außerdem habe Generalanwalt Reischl dem Gerichtshof unrichtig vorgetragen, es gebe keinen Kausalzusammenhang zwischen Patentierbarkeit und Preisniveau. Hätte er einen allgemeinen Preisvergleich zwischen patentierten und nicht patentierten Erzeugnissen innerhalb jedes Mitgliedstaats und nicht zwischen verschiedenen Mitglicdstaaten durchgeführt, dann hätte er herausgefunden, daß sich die Preisgestaltung bei nicht patentierten Erzeugnissen, die dem Wettbewerb von Generika ausgesetzt seien, von der Preisgestaltung bei patentgeschützten Erzeugnissen, die diesem Wettbewerb nicht ausgesetzt seien, unterscheide.

57.

Unter Berufung auf das Urteil Warner Brothers macht Bcccham geltend, angesichts fehlender Harmonisicrungsmaßnahmcn der Gemeinschaft sei es Sache der Mitglied-Staaten, die notwendigen gesetzlichen Entscheidungen über die Patentierung von Erzeugnissen zu treffen. Außerdem sei das Urteil Merck/Stephar unvereinbar mit den neuen Zielsetzungen des EG-Vertragcs bezüglich Forschung und Entwicklung sowie Gesundheitsschutz ( 40 ) und insbesondere mit der gegenwärtig schwierigen Situation der Pharmaindustrie ( 41 ).

58.

Hilfsweisc macht Beecham wie Merck geltend, der Sachverhalt in der vorliegenden Rechtssache sei ein anderer als in der Rechtssache Merck/Stephar, da es ihm aus rechtlichen und moralischen Gründen nicht freistehe, dem Inverkehrbringen von Augmentine in Spanien „zuzustimmen“ oder seine „Zustimmung“ zurückzunehmen. Eine moralische Pflicht sei kein rein subjektiver Begriff, da sie infolge einer objektiv nachprüfbaren Verbrauchernachfrage entstehen könne. Außerdem solle ein Pharmalicferant nicht davon abgehalten werden, der Nachfrage in einem bestimmten Mitglicdstaat zu entsprechen, bloß weil er befürchten müsse, daß diese Lieferungen zu Parallelimporten führen könnten, die ihre Ertragsfähigkeit auf anderen Märkten gefährdeten. Wenn Bcccham die Geltung einer moralischen Pflicht vor einem nationalen Gericht nachzuweisen hätte, wäre es nicht darauf beschränkt, Schlußfolgerungen aus den therapeutischen Qualitäten des Erzeugnisses zu ziehen, sondern könnte auch unmittelbar Beweis antreten durch Zeugenvernehmung von Ärzten oder Apothekern aus dem Ausfuhrmitgliedstaat.

59.

Ein Rückzug vom spanischen Markt in Form der Weigerung, bisherige Kunden zu beliefern, und der Anweisung an Kunden an anderen Orten, nicht nach Spanien zu liefern, könnte nicht nur nach Artikel 85 Absatz 1, sondern auch nach Artikel 86 des Vertrages verboten sein. Obwohl jeder denkbare Verstoß gegen Artikel 86 davon abhinge, daß die Betroffenen den Nachweis einer beherrschenden Stellung von Beecham auf einem relevanten Markt in Spanien oder einem anderen Teil der Gemeinschaft erbringen könnten, wäre Beecham durch den möglichen Erfolg eines solchen Vorgehens doch der Gefahr ausgesetzt, von einem spanischen Gericht zum Schadensersatz oder zur Weiterbelieferung verurteilt zu werden.

60.

In der Sitzung unterstrich Beecham, daß weder das Erfordernis der Rechtssicherheit noch die Festschreibung des Urteils Merck/Stephar in der Beitrittsakte den Gerichtshof davon abhalten sollten, sein früheres Urteil zu überdenken, und daß spätere Entwicklungen in der Rechtsprechung des Gerichtshofes Zweifel an der bindenden Kraft dieses Urteils hätten entstehen lassen. Der bloße Umstand, daß die Beitrittsakte unter Berücksichtigung des Urteils Merck/Stephar ausgehandelt worden sei, könne die Freiheit des Gerichtshofes, die sachliche Richtigkeit des Urteils zu überprüfen, nicht schmälern, zumal die Wirkungen des Urteils Merck/Stephar, wenn es aufrechterhalten würde, weiterhin für etwa zehn Jahre auf patentgeschützte Erzeugnisse erstrecken würden, die in Spanien vor der Einführung der Patentierbarkeit in den Verkehr gebracht worden seien. Andererseits würde ein Abgehen von Merck/Stephar dem Parallelhandel mit neueren Erzeugnissen nicht im Wege stehen, die in Spanien erstmals nach Einführung des Patentschutzes auf den Markt gelangt seien. Beecham räumte ein, daß der Gerichtshof eine Begrenzung der Rückwirkung seines Urteils in Erwägung ziehen könnte.

iii) Primecrown

61.

Nach Auffassung von Primecrown ist der im Urteil Merck/Stephar niedergelegte Grundsatz, daß die Erschöpfung auf der Zustimmung zum Inverkehrbringen beruht, nach wie vor richtig. Beim Erlaß dieses Urteils sei sich der Gerichtshof bewußt gewesen, daß es auf Einfuhren aus Spanien und Portugal als möglichen neuen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft Anwendung finden werde ( 42 ). Der Grundsatz sei bei den Verhandlungen über die Bedingungen des Beitritts Spaniens und Portugal als richtig vorausgesetzt worden; dementsprechend sei eigens eine Reihe von Vorschriften erlassen worden, mit denen die Patentsysteme Spaniens und Portugals verstärkt und die Anpassung der Pharmaindustrien der bisherigen Mitgliedstaaten vor der vollen Anwendung der Regeln des freien Warenverkehrs auf Spanien und Portugal habe ermöglicht werden sollen. Da die Beitrittsakte den gleichen Rang wie die Gründungsverträge habe, sei es die eindeutige Absicht der Verhandlungsführer gewesen, daß nur die in der Beitrittsakte und ihren Protokollen festgelegten besonderen und eingeschränkten Abweichungen vom Grundsatz des freien Warenverkehrs fortan den freien Handel zwischen den neuen und den bisherigen Mitgliedstaaten beschränken sollten. In seinem Urteil Generics/Smith Kline & French Laboratories ( 43 ) habe der Gerichtshof die beschränkte Natur der Ausnahmen in den Artikeln 47 und 209 und die Anwendbarkeit des Merck/Stephar-Grundsatzes auf Spanien und Portugal nach dem Auslaufen dieser Vorschriften ausdrücklich bestätigt.

62.

Der Merk/Stephar-Grundsatz biete den Händlern, der Öffentlichkeit und den Inhabern von gewerblichen Schutzrechten Rechtssicherheit, weil nationale Gerichte normalerweise leicht feststellen könnten, ob die erforderliche Zustimmung vorliege. Folge man dem Vorbringen von Merck, das darauf beruhe, daß ein Parallelpatent erschöpft worden sein müsse, so müßten die nationalen Gerichte feststellen, ob die Patentrechte in dem Staat des ersten Inverkehrbringens den Patentrechten im Einfuhrstaat gleichwertig seien. Dies könne zu einer Aufspaltung des Gemeinsamen Marktes führen, wenn größere Pharmaunternehmen unter Einsatz ihrer erheblichen finanziellen Ressourcen kleinere Parallelimporteure mit Prozessen überzögen.

63.

Zum Vorliegen einer Zustimmung führt Primecrown aus, Merck habe nicht nachgewiesen, daß Spanien oder Portugal Pharmaunternehmen rechtlich verpflichtet hätten, Arzneimittel auf ihrem Markt einzuführen; mithin habe sich Merck frei entschieden, die betreffenden Mittel in den Verkehr zu bringen, und sei sich dabei sowohl des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache Merck/Stephar als auch der Regelungen des Artikels 47 der Beitrittsakte bewußt gewesen ( 44 ). Eine Pflicht zur Fortsetzung der Belieferung könne nur entstehen, wenn Merck eine beherrschende Marktstellung innehabe, was bei den betroffenen Erzeugnissen nicht der Fall sein könne ( 45 ). In der Sitzung bestritt Primecrown die Behauptung der klagenden Pharmaunternehmen, sie seien verpflichtet, die Belieferung mit Erzeugnissen fortzusetzen, für die in Spanien Verkehrsgenehmigungen erteilt worden seien ( 46 ). Bei gemeinsamer Anwendung der Urteile Merck/Stephar und Pharmon/Hoechst seien die Artikel 30 bis 36 des Vertrages so auszulegen, daß der Grundsatz des freien Warenverkehrs für Güter gelte, die in einem Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht worden seien, falls sie nicht ganz ohne Zustimmung des Patentinhabers auf den Markt gelangt seien, wofür es jedoch im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte gebe.

64.

Auch eine angebliche moralische Verpflichtung zur Belieferung könne nicht Grundlage einer Ausnahme von Gemeinschaftsvorschriften über den freien Warenverkehr sein. Moralische Pflichten seien sclbstdefiniert und daher per se subjektiv. Unter Hinweis auf einen von Merck beim vorlegenden Gericht eingereichten Bericht macht Primecrown geltend, die Geltung einer solchen moralischen Pflicht sei nicht nachgewiesen ( 47 ). Darüber hinaus sei nicht dargelegt worden, daß sich die Frage in bezug auf moralische Pflichten in Spanien von der im Urteil Merck/Stephar dargestellten Situation in Italien unterscheide. Die angeblichen moralischen Pflichten seien unvereinbar mit der Klage darüber, daß das Fehlen eines Patentschutzes den Unternehmen die Monopolstellung bei Preisverhandlungen nehme, die die Bereitschaft voraussetze, Lieferungen einzustellen oder einzuschränken.

65.

Das Argument, Maßnahmen der Preisregelung in einem Mitgliedstaat könnten die Berufung auf ein Immaterialgüterrecht zu dem Zweck, die Einfuhr eines Erzeugnisses zu verhindern, das vom Inhaber des Rechts oder mit seiner Zustimmung in diesem Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht worden sei, rechtfertigen, müsse zurückgewiesen werden ( 48 ). Das Errichten einer Handelsschranke sei nie eine geeignete Antwort auf eine festgestellte Marktverzerrung gewesen. ( 49 ) Ein ähnlicher Denkansatz sei bei der Ausübung von Immaterialgüterrechten gewählt worden ( 50 ). Die spanischen Preise würden unabhängig von der Möglichkeit des Patentschutzes in Spanien festgesetzt und auf Vergleiche mit anderen Mitgliedstaaten gestützt, in denen es Patentschutz für pharmazeutische Erzeugnisse gebe. Das spanische System der Preisregelung diene dem gleichen sozialen Zweck wie die in anderen Mitgliedstaaten praktizierten Preisregelungen und verstoße außerdem, da es gleichermaßen auf eingeführte wie auf einheimische Erzeugnisse angewandt werde, nicht gegen Artikel 30 des Vertrages. Der hohe Verbrauch von pharmazeutischen Erzeugnissen je Kopf der Bevölkerung entschädige für die geringfügig niedrigeren Preisniveaus in Spanien. Somit sei der Gesamtertrag aus diesem umsatzstarken Markt für die Pharmaunternehmen günstig, auch wenn die Preisniveaus in der Vergangenheit niedriger als auf anderen Märkten gewesen seien ( 51 ).

66.

Merck habe die behaupteten nachteiligen Auswirkungen von Parallelimporten aus Spanien übertrieben dargestellt. Es bestünden ganz beträchtliche Hindernisse für Parallelimporte, von denen einige immanent und andere das Ergebnis bewußter Strategien, die die Pharmaunternehmen entwickelt hätten, um den Parallelhandel zu unterdrücken ( 52 ). Ein ganz erheblicher Preisunterschied müsse zwischen den nationalen Märkten bestehen, ehe sich Parallelimporte für Händler oder Apotheker lohnten ( 53 ). Der Parallelimport sei ein vorübergehendes Phänomen, das eine begrenzte Zahl von Erzeugnissen für einen begrenzten Zeitraum betreffe. Seit der Beitrittsakte habe die Erwartung des freien Warenverkehrs und die Einführung der Patentierbarkeit zu einem allgemeinen Aufwärtstrend bei spanischen Arzneimittelpreisen und damit zu einer Verringerung der Preisdifferenzen geführt. Merck vernachlässige die erheblichen Vorteile, die sich für Merck selbst und die Pharmaindustrie allgemein aus dem Beitritt Spaniens und Portugals ergäben.

67.

Schließlich würden Verluste durch Parallelimporte die zukünftige Forschung und Entwicklung in der Pharmaindustrie nicht beeinträchtigen. Erstens widerspräche es der Vernunft, die zukünftige Erforschung künftig patentierbarer Arzneimittel wegen Verlusten bei früheren nicht patentierbaren einzuschränken. Zweitens sei Forschung eine weltweite Tätigkeit; ein einmal fertig entwikkcltcs Erzeugnis könne weltweit in einem Klima vermarktet werden, das sich für Pharmaunternehmen infolge zunehmender Ausweitung des Patentschutzes, wie sie sich u. a. aus Anhang 19 des bei der Uruguay-Runde der GATT-Verhandlungen zustande gekommenen Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property (Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum; nachstehend: TRIPs ( 54 )) ergebe, stetig verbessere.

iv) Die beteiligten Regierungen

68.

Ich werde die Darlegungen der acht Mitgliedstaaten, die schriftliche oder mündliche Erklärungen abgegeben haben, nicht im einzelnen darstellen. Alle ihre Argumente erscheinen in der einen oder anderen Form im Vortrag der Hauptbeteiligten. Sie gehen allesamt von der Notwendigkeit aus, einen Ausgleich zwischen dem Ziel des freien Warenverkehrs in der Gemeinschaft und einem angemessenen Schutz der Rechte von Patentinhabern zu finden. Bei der Frage, ob der Merck/Stephar-Grundsatz aufgehoben oder abgeändert werden sollte, nehmen sie indessen unterschiedliche Standpunkte ein. Lediglich die belgische Regierung tritt den Klägerinnen bei der Ablehnung dieses Urteils ausdrücklich zur Seite, verknüpft allerdings ihr Vorbringen mit der Geltung einer Preisregelung in Spanien. Die spanische und in geringerem Umfang die griechische Regierung sprechen sich für die Beibehaltung des Grundsatzes aus. Die Regierungen Dänemarks, Frankreichs, Italiens, Schwedens und des Vereinigten Königreichs schlagen eine engere Umschreibung derjenigen Zustimmung zum Inverkehrbringen vor, die zu einer Erschöpfung der Patentrechte führt. Diese Mitgliedstaaten und Belgien sind der Auffassung, daß die Geltung von Preisregelungen in Spanien und Portugal allein oder gemeinsam mit der rechtlichen oder moralischen Pflicht, diese Märkte zu beliefern und weiter zu beliefern, als geeignet angesehen werden sollte, die Schlußfolgerung zu Fall zu bringen, daß die Klägerinnen frei entschieden hätten, ihre jeweiligen Erzeugnisse auf diesen Märkten in den Verkehr zu bringen. Es muß betont werden, wie vielfältig die unterschiedlichen Auffassungen der Mitgliedstaaten sind. Das Vereinigte Königreich ist z. B. grundsätzlich der Auffassung, daß sich von scheinbar freiwilligen Handlungen herausstellen kann, daß sie in Wahrheit unter Zwang getroffen worden sind, zeigt sich aber unbeeindruckt von allen Faktoren, die Merck im vorliegenden Fall als ausreichenden Beweis für eine fehlende Zustimmung vorgebracht hat.

v) Die Kommission

69.

Die Kommission ist der Auffassung, der Merck-Stephar-Grundsatz könne zwar kritisiert werden ( 55 ), solle aber nicht aufgegeben werden: erstens wegen der Notwendigkeit, den Grundsatz der Rechtssicherheit zu wahren, zweitens wegen der möglicherweise erheblichen Auswirkungen einer solchen Entscheidung auf den Handel mit pharmazeutischen Erzeugnissen zwischen Spanien und Portugal und dem Rest der Gemeinschaft in den nächsten zehn Jahren, und drittens, weil der Grundsatz stillschweigend als Grundlage der Beitrittsverhandlungen mit diesen Staaten gedient habe.

70.

In ihrer schriftlichen Erklärung brachte die Kommission drei Argumente vor, die dafür sprechen sollen, Fälle, in denen eine rechtliche oder moralische Pflicht zum Inverkehrbringen besteht, aus dem Anwendungsbereich des Merck/Stephar-Grundsatzes herauszunehmen ( 56 ). In der Sitzung schloß sie sich den Ausführungen der Regierung des Vereinigten Königreichs über die Schwierigkeiten des Versuchs an, einen klaren Rechtsbegriff einer moralischen Pflicht zu entwickeln, und erklärte, der Merck/Stephar-Grundsatz solle nur dann eingeschränkt werden, wenn eine Rechtspflicht zum Inverkehrbringen bestehe ( 57 ). Eine solche Pflicht könne sich aus dem Gemeinschaftsrecht oder dem nationalen Recht ergeben. Demgemäß könne die Weigerung, einen Markt zu beliefern, der für das Erzeugnis keinen Patentschutz biete, als gegen Artikel 86 des Vertrages verstoßender Mißbrauch einer beherrschenden Stellung angesehen werden ( 58 ). Zum spanischen Recht verweist die Kommission darauf, daß gemäß Artikel 33 des Real Decreto Nr. 767/1993 vom 21. Mai 1993 und Artikel 71 Buchstabe c des Gesetzes Nr. 25/1990 vom 20. Dezember 1990 der Inhaber einer Genehmigung zum Inverkehrbringen verpflichtet sei, Arzneimittel, für die er die Genehmigung erhalten habe, auf den Markt zu bringen ( 59 ).

71.

Schließlich dürfe dem Recht der Behörden, Verkaufspreise für pharmazeutische Erzeugnisse im Exportland festzusetzen, keine entscheidende Bedeutung für die Erschöpfung der Rechte des Patentinhabers beigemessen werden. Obzwar die Festsetzung der Preise in einem Exportland auf einem niedrigeren Niveau als in einem Importland ein Anreiz für den Parallelimporteur sei, gelte das Gleiche doch auch, wenn im Exportland Patentschutz bestehe.

72.

In der Sitzung räumte die Kommission ein, daß eine Verbindung zwischen Patentierbarkeit und Pharmapreisen bestehe, meinte aber, daß es zahlreiche weitere Faktoren gebe, die auch Einfluß auf die Preise hätten. Zum Beispiel seien die Preise einiger Generika in Dänemark höher als die patentierter pharmazeutischer Erzeugnisse in Frankreich. Die Auswirkungen nationaler Preisregelungen stellten einen wichtigen Faktor der Festsetzung der Preise für pharmazeutische Erzeugnisse in der Gemeinschaft dar als Unterschiede nationaler Patentvorschriften. Es sei allerdings unwahrscheinlich, daß in absehbarer Zukunft eine Harmonisierung solcher Kontrollen auf Gemeinschaftsebene durchgeführt werde ( 60 ).

V — Gliederung der weiteren Abschnitte dieser Schlußanträge

73.

Frage 3 wirft das grundlegende Problem einer Neubewertung des Ausgleichs zwischen dem Gemeinschaftsziel des freien Warenverkehrs einerseits und dem Schutz nationaler Patentrechte andererseits auf, oder anders ausgedrückt: Soll dem Urteil Merck/Stephar weiterhin gefolgt werden? Die Antwort auf diese Frage wird eindeutig großen Einfluß auf die Bedeutung der beiden ersten Vorlagcfragen nehmen, die das Auslaufen der Übergangsbestimmungen der Beitrittsakte betreffen. Diese Fragen werden weitgehend bedeutungslos, wenn das Urteil Merck/Stephar nicht länger anzuwenden ist. Ich beabsichtige daher, zunächst in Abschnitt VI diese Frage 3, die allgemeinen Erwägungen, die für die Aufgabe der einem früheren Urteil zugrunde liegenden Begründung durch den Gerichtshof maßgebend sind, sowie die Alternativen zu einem Abgehen vom Urteil Merck/Stephar zu behandeln. In Abschnitt VII werde ich mich dann für den Fall, daß der Gerichtshof meinem Hauptvorschlag, die dem Urteil Merck/Stephar zugrunde liegende Begründung aufzugeben, folgen sollte, mit der Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung seines Urteils befassen. An vorletzter Stelle werde ich dann in Abschnitt VIII die Fragen 1 und 2 behandeln, bevor ich zum Schluß in Abschnitt IX meine Anträge stellen werde.

VI — Untersuchung der Frage 3

74.

Das Hauptbegehren der Pharmaunternehmen ist, daß ihnen gestattet sein sollte, sich unter Berufung auf ihre Rechte nach dem Patentrecht des Vereinigten Königreichs Parallelimporten der betreffenden pharmazeutischen Erzeugnisse aus Spanien und Portugal zu widersetzen, an denen ihnen im Vereinigten Königreich Patente zustehen ( 61 ). Sie berufen sich vor allem auf den fehlenden Patentschutz für pharmazeutische Erzeugnisse in Spanien und Portugal, der ihnen bei der ersten Vermarktung der Erzeugnisse in diesen Mitgliedstaaten die Ausschließlichkeit vorenthalten habe, die ihnen bei einem solchen Schutz zugestanden hätte.

A — Patente und pharmazeutische Erzeugnisse

i) Der Hintergrund der pharmazeutischen Industrie

75.

Viele Unternehmen der Pharmaindustrie sind weltweit tätig. Sie sind hauptsächlich in den Vereinigten Staaten, der Europäischen Gemeinschaft und in Japan konzentriert.

76.

Obwohl die Tatsachenfeststellung Aufgabe des nationalen Gerichts ist, besteht in weiten Bereichen Einigkeit über die Tatsachen, insbesondere über diejenigen, die die wesentliche Rolle und die steigenden Kosten von Forschung und Entwicklung in ihrer Auswirkung auf die Industrie betreffen. Dies wurde von den Gemeinschaftsorganen anerkannt und hat die Gesetzgebung beeinflußt.

77.

Am 2. März 1994 unterbreitete die Kommission dem Rat und dem Europäischen Parlament eine Mitteilung „Über die Leitlinien einer Industriepolitik für den Arzneimittelsektor in der Europäischen Gemeinschaft“ (nachstehend: Mitteilung 1994) ( 62 ). Die Mitteilung 1994 wiederholte, obwohl sie von Hause aus nicht mit der Patentierungsfrage befaßt war, einige der Feststellungen der Begründung des Kommissionsvorschlags vom 11. April 1990, aus dem später die Zertifikatsverordnung hervorgehen sollte. In der Mitteilung 1994 stellte die Kommission bestimmte Merkmale der Forschungskosten und ihren weltweiten Einfluß auf die Pharmaindustrie heraus, die bereits von Merck in seiner Erklärung angeführt wurden. Sie stellt fest, daß das rasche Anwachsen der Forschungs-und Entwicklungskosten „u. a. auf die Fortschritte in der Molekularbiologie (insbesondere bei der Erforschung der Pathogenese von Krankheiten), auf technische Verbesserungen bei den Möglichkeiten der Therapie oder Prävention und auf die Verschärfung der gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung von Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit der Arzneimittel zurückgeführt [wird]“ ( 63 ).

78.

Die Mitteilung 1994 stützt die Behauptung der Klägerinnen, daß die Industrie in der Praxis die Forschung und Entwicklung aus eigenen Mitteln finanziere und nur gelegentlich zur Fremdfinanzierung greife. Folglich müssen die Forschungskosten aus dem Preis für die äußerst kleine Anzahl erfolgreicher Erzeugnisse gedeckt werden. Tatsächlich haben nur große multinationale Unternehmen die Ressourcen und die Möglichkeit, diese Kosten zu streuen. Diese Kombination aus sehr hohen Forschungskosten und großer Seltenheit erfolgreicher Produktentwicklungen liefert das entscheidende Argument für einen Patentschutz pharmazeutischer Erzeugnisse.

79.

Bis vor nicht allzu langer Zeit war die Patentierbarkeit pharmazeutischer Erzeugnisse in vielen europäischen Staaten eher die Ausnahme als die Regel. Primecrown zufolge erkannten die Gerichte im Vereinigten Königreich solche Patente Anfangs dieses Jahrhunderts an. ( 64 ). Die erste ausdrückliche gesetzliche Anerkennung erfolgte im Vereinigten Königreich durch Section 4 (7) des Patents Act 1949 und in Irland durch Section 2 des Patents Act 1964. So wurden pharmazeutische Erzeugnisse z. B. patentierbar: in Deutschland am 4. September 1967 ( 65 ) in Dänemark am 1. Dezember 1983 ( 66 ), in Norwegen am 1. Januar 1992 ( 67 ) und in Finnland am 1. Januar 1995 ( 68 ). Griechenland sprach ursprünglich wie Spanien einen Vorbehalt nach dem EPU aus, der am 7. Oktober 1992 endete; Portugal trat dem EPÜ mit Wirkung zum 1. Januar 1992 bei.

80.

Die Lage in Italien ist von mehr als vorübergehendem Interesse, da sie den Hintergrund für das Urteil Merck/Stephar lieferte. Sowohl pharmazeutische Erzeugnisse als auch die Verfahren zu ihrer Herstellung waren gemäß Artikel 14 Absatz 1 des italienischen Patentgesetzes von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ( 69 ). Dieser Artikel wurde später durch Urteil des italienischen Verfassungsgerichtshofes vom 20. März 1978 für verfassungswidrig und damit unanwendbar erklärt. In bezug auf das in dieser Rechtssache in Rede stehende Arzneimittel „Moduretic“ traten indessen Probleme auf, die denen im vorliegenden Fall gleichen; es konnte in Italien mangels Neuheit selbst dann nicht patentiert werden, als nach italienischem Recht solche pharmazeutischen Erzeugnisse patentierbar geworden. ( 70 )

81.

Das EPU stellte einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Schaffung eines allgemeinen, vereinheitlichten Patentrechtssystems und namentlich für die Patentierung chemischer und pharmazeutischer Erzeugnisse dar. Es ließ, wie wir bereits sahen, für die Höchstdauer von 15 Jahren, d. h. bis zum 7. Oktober 1992, einen Vorbehalt bezüglich der Verpflichtung zur Gewährung von Patentschutz für solche Erzeugnisse zu. Die schriftlichen Erklärungen von Merck enthalten bezüglich der einer Reihe mittel-und osteuropäischer Staaten seit Beginn der 90er Jahre durch Vereinbarung mit den Europäischen Gemeinschaften auferlegten Verpflichtung zur Einführung des Patentschutzes eine Fülle von Einzelheiten, auf die ich hier nicht eingehen will. Primecrown verwies auf TRIPs als Teil der Uruguay-Runde der GATT-Verhandlungen ( 71 ).

82.

Dies alles bietet überzeugenden Beweis für eine weltweite Entwicklung zugunsten der Anerkennung der Patentierbarkeit chemischer und pharmazeutischer Erzeugnisse als solcher und nicht nur der Verfahren zu ihrer Herstellung. Insbesondere wird nach Ablauf der vom EPU eingeräumten Vorbehaltszeiten eine allgemeine 20-Jahre-Frist für Patente an pharmazeutischen Erzeugnissen in allen Zeichnerstaaten dieses Übereinkommens und damit letztlich in allen Mitgliedstaaten der EG gelten. Im Einklang mit dieser Entwicklung verpflichteten die anderen Mitgliedstaaten durch die Beitrittsakte Spanien und Portugal unter Vorbehalt von Übergangsbestimmungen und einer beschränkten Befugnis, diese Wirkung für chemische und pharmazeutische Erzeugnisse hinauszuschieben, „[ihre] Rechtsvorschriften über Patente in Einklang ... mit dem in der Gemeinschaft erreichten Stand des gewerblichen Rechtsschutzes zu bringen“. Unabhängig davon, ob diese Verpflichtung eine reziproke Verpflichtung für andere Mitgliedstaaten bedeutet, hat es für mich den Anschein, daß Patentschutz unbeschadet seines nationalen und territorialen Charakters mehr als eine nach Artikel 36 EG-Vertrag gestattete Ausnahme geworden ist und Anerkennung durch die Gemeinschaft gefunden hat.

ii) Die Rolle der Genehmigung zum Inverkehrbringen

83.

Der 20jährige Grundschutz, den ein europäisches Patent aufgrund des EPU bietet, ist allerdings durch die Verfahren der Genehmigung zum Inverkehrbringen in den Mitgliedstaaten ausgehöhlt worden. Die Kommission hat anerkannt, daß „nur noch etwa 8 bis 10 Jahre“ Schutz bleiben, „bis ein Arzneimittel die erforderlichen Prüfungen durchlaufen hat und zugelassen ist“ ( 72 ). Nach der Entdeckung einer neuen pharmazeutischen Substanz wird der Erfinder, normalerweise ein Pharmaunternehmen, einen Patentantrag einreichen, um die Erfindung schützen und die Neuheit feststellen zu lassen. Allerdings schieben die notwendig sehr strengen Festlegungen der Behörden der Mitgliedstaaten, die vorschreiben, daß Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Erzeugnisses durch klinische Versuche und andere experimentelle Ergebnisse nachgewiesen werden, die Erteilung einer Genehmigung zum Inverkehrbringen hinaus ( 73 ).

84.

Die Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 ( 74 ) bezweckte die Harmonisierung einiger Unterschiede zwischen diesen nationalen Vorschriften. In der Richtlinie 87/21/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Änderung der Richtlinie 65/65/EWG (zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten) ( 75 ) betonte der Rat, daß „darauf zu achten ist, daß die Innovationsfirmen nicht benachteiligt werden“, und legte fest, daß unbeschadet des geltenden Patentschutzes zwischen der Erteilung der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines neuen Arzneimittels, die umfassende Versuche zum Nachweis von Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit erfordert, und dem Einreichen eines zweiten, verkürzten Antrags auf Genehmigung eines Generikums des Erzeugnisses eine Mindestfrist verstreichen muß. Es wurde den Mitglicdstaatcn überlassen, ob dieser Zeitraum über den Zeitpunkt des Ablaufens der Originalpatents hinausgehen sollte ( 76 ).

85.

Die Kommission entschied sich schließlich am 11. April 1990, dem Rat ihren Vorschlag für die Zertifikatsverordnung vorzulegen ( 77 ). In der Begründung des Vorschlags sprach sie von der Notwendigkeit, als Teil der Gesundheitspolitik der Gemeinschaft therapeutischen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu garantieren, und erklärte, mit ihrem Vorschlag solle „der Innovationsschutz im Arzncimittclscktor verbessert werden“ ( 78 ). Sie war der Auffassung, daß das System des Patentschutzes „für diesen innovativen Sektor insoweit von wesentlicher Bedeutung [sei], als es der Rückfluß der Beträge für die in der Forschung vorgenommenen Investitionen dank eines ausschließlichen Verwertungszeitraums ermöglicht, den Selbstfinanzicrungsprozeß sicherzustellen“ ( 79 ).

86.

Frucht dieses Vorschlags war die Zertifikatsverordnung ( 80 ). In den ersten vier Begründungserwägungen heißt es:

„Die Forschung im pharmazeutischen Bereich trägt entscheidend zur ständigen Verbesserung der Volksgesundheit bei.

Arzneimittel, vor allem solche, die das Ergebnis einer langen und kostspieligen Forschungstätigkeit sind, werden in der Gemeinschaft und in Europa nur weiterentwickelt, wenn für sie eine günstige Regelung geschaffen wird, die einen ausreichenden Schutz zur Förderung einer solchen Forschung vorsieht.

Derzeit wird durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Arzneimittel und der Genehmigung für das Inverkehrbringen desselben Arzneimittels der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend ist.

Diese Tatsache führt zu einem unzureichenden Schutz, der nachteilige Auswirkungen auf die pharmazeutische Forschung hat.“

Artikel 13 bestimmt demgemäß, daß die Zeit, die zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen verstrichen ist, der Schutzdauer des Patents bis zu einer Höchstdauer von fünf Jahren hinzuzurechnen ist.

87.

Damit ist die Gemeinschaft der Förderung des Schutzes der gewerblichen Schutzrechte als Bestandteil einer neuen Industriepolitik verpflichtet, deren wichtigstes für den Pharmasektor das Patent ist.

Β — Patente und freier Warenverkehr

88.

Das Verhältnis der Bestimmungen des Vertrages über den freien Warenverkehr und seiner Wettbewerbsvorschriften zu den nationalen Rechtsvorschriften über den Schutz der Immaterialgüterrechte hat stets zu Schwierigkeiten geführt, die die Entwicklung feiner Unterscheidungen durch den Gerichtshof erforderlich machten. ( 81 )

i) Die territoriale Begrenzung der nationalen Immaterialgüterrechte

89.

Artikel 222 des Vertrages bestimmt, daß der Vertrag „die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt“ läßt. Für die Stellung der Rechte des gewerblichen und kommerziellen Eigentums (nachstehend: gewerbliche Schutzrechte) legt der Vertrag kein abschließendes Regelwerk fest; er „stellt lediglich ein Skelett dar. Die Aufgabe, das Knochengerüst mit Fleisch und Blut zu versehen, fällt den Rechtsetzungsorganen der Gemeinschaft und dem Gerichtshof zu“ ( 82 ). Die Bestimmungen über den freien Warenverkehr „bringen einen Konflikt zwischen zwei widerstreitenden Interessen zum Ausdruck“ ( 83 ), nämlich zwischen dem grundlegenden Ziel des freien Warenverkehrs im Rahmen der Errichtung des Gemeinsamen Marktes und der Notwendigkeit, das nationale Interesse an der Achtung der gewerblichen Schutzrechte zu wahren. Während der Gemeinsame Markt mit der Verschmelzung nationaler Märkte zu einem einzigen Markt befaßt ist, sind die Gesetze der Mitgliedstaaten im Bereich der gewerblichen Schutzrechte von Natur aus territorial. Zur Ermittlung der nationalen Rechtsvorschriften, die dem Grundsatz des freien Warenverkehrs, wie er insbesondere in Artikel 30 Ausdruck findet, entgegenwirken, hat der Gerichtshof die Lehre von der Erschöpfung des spezifischen Gegenstandes, Zweckes oder Inhalts solcher Rechte entwikkelt ( 84 ).

90.

Copinger and Skone James on Copyright ( 85 ) erläutern z. B. unter Berufung auf die Schlußanträge von Generalanwalt Roemer in der Rechtssache Deutsche Grammophon den Territorialitätsgrundsatz wie folgt:

„Der Umstand, daß ein gewerbliches Schutzrecht aufgrund der nationalen Rechtsvorschriften des Staates entsteht, der das Recht gewährt, begrenzt naturgemäß das Gebiet, innerhalb dessen ein solches Recht wirksam ist. Man hat dies das ‚Territorialitätsprinzip‘des gewerblichen Rechtsschutzes genannt, ... es ist indessen nicht mehr als ein notwendiger Reflex der territorialen Begrenztheit der Hoheitsgewalt des betreffenden Staates. Im vorliegenden Zusammenhang kann kein englisches Gericht die Klage nach dem Copyright Act 1956 eines Klägers verhandeln, der der Schöpfer eines nach diesem Gesetz urheberrechtlich geschützten Werks ist, wenn die beanstandeten Handlungen in Frankreich begangen worden sein sollen, selbst wenn sie von einem Beklagten begangen worden sind, der der englischen Gerichtsbarkeit unterliegt...“ ( 86 ).

Obgleich die rechtspolitischen Ziele nationaler Patentgesetze verschieden sein können, besteht doch weitgehend Übereinstimmung darüber, daß Patente dazu da sind, „es für Erfinder und ihre Kapitalgcbcr lohnenswert zu machen, sich abzumühen und ihr Geld zu riskieren [...]. Die für die Gesellschaft einfachste, billigste und wirksamste Art und Weise, diese Anreize vorzuhalten, ist die Einräumung zeitlich beschränkter Monopole in Form ausschließlicher Patentrechte an Erfindungen“ ( 87 ).

91.

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrages zwischen den ursprünglichen Mitgliedstaaten begrenzten offenbar praktisch alle nationalen Patentgesetze entweder aufgrund der gesetzlichen Definition von Patentverstößen oder aufgrund einer ausdrücklichen Erschöpfungstheorie ( 88 ) das Monopol des Patentinhabers auf den ersten Verkauf des patentgeschützten Erzeugnisses ( 89 ). Der Beitritt der Mitgliedstaaten des Common Law zur Gemeinschaft änderte die maßgebenden nationalen Vorstellungen etwas; die Patentgesetze des Vereinigten Königreichs und Irlands sind anders, weil die Käufer von patentgeschützten Erzeugnissen zur Benutzung solcher Erzeugnisse aufgrund der Fiktion befugt sind, daß bei ihrem Verkauf durch den Patentinhaber stillschweigend eine Lizenz erteilt wird. Diese stillschweigend erteilte Lizenz kann indessen vertraglich eingeschränkt werden ( 90 ). Kennzeichnenderweise anerkannten die Rechtsvorschriften aller ursprünglicher Mitgliedstaaten, daß infolge der territorialen Natur der Patente ein Inverkehrbringen des patentgeschützten Erzeugnisses im Ausland selbst mit Zustimmung des Patentinhabers nicht dessen Recht berührte, Einfuhren solcher Erzeugnisse als Verletzungen seines nationalen Patents entgegenzutreten ( 91 ) das Monopol des Patentinhabers bestand also fort, bis er das patentgeschützte Erzeugnis im Inland in den Verkehr gebracht oder seinem Inverkehrbringen zugestimmt hatte. Auf den damit verbundenen Konflikt zwischen „[dem] sich aus dem Patentrecht ergebende[n] innerstaatliche[n] Monopol des Patentinhabers [und] den Zielen der EWG ..., insbesondere jenem, das auf einen freien Markt gerichtet [ist],“ wurde der Gerichtshof insbesondere durch die Erklärungen der niederländischen Regierung in der aufschlußreichen, gewerbliche Schutzrechte betreffenden Rechtssache Parke, Davis aufmerksam gemacht ( 92 ). Sollte der Gerichtshof nunmehr vom Urteil Merck/Stephar abgehen, wäre es natürlich Sache des vorlegenden Gerichts zu entscheiden, ob ein ähnlicher Denkansatz auch bei den in den vorliegenden Fällen betroffenen Erzeugnissen zum Tragen kommen sollte, also bei Erzeugnissen, die unter Lizenz (angeblich durch örtliche Tochtergesellschaften der Patentinhaber) und zu einer Zeit hergestellt wurden, zu der sowohl in Spanien als auch in Portugal Patentschutz nicht zu erlangen war.

ii) Zur Entstehung der Erschöpfungsichre im Gemeinschaftsrecht

92.

In der Rechtssache Parke, Davis berief sich das Pharmaunternehmen vor den niederländischen Gerichten auf sein niederländisches Patent für „Chloramphenicol“, um Importe von Erzeugnissen durch Centrafarm und andere zu verhindern, die in Italien — angeblich unter Verletzung des Patents — zu einer Zeit hergestellt worden waren, zu der dort für pharmazeutische Erzeugnisse oder für Verfahren zu ihrer Herstellung ein Patent nicht zu erlangen war ( 93 ). Der Gerichtshof stellte fest, daß „sich ... aus den Unterschieden zwischen den einschlägigen einzel-staatlichen Gesetzgebungen Hindernisse für den freien Verkehr der patentierten Erzeugnisse ... innerhalb des Gemeinsamen Marktes ergeben [können]“, und entschied, daß „Verbote und Einfuhrbeschränkungen, die zum Schutz des gewerblichen Eigentums gerechtfertigt sind, nach Artikel 36 zulässig [sind], jedoch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß sie‚weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen [dürfen]“‘ ( 94 ).

93.

Die „Scheidelinie“ in dem Konflikt zwischen dem Gemeinschaftsziel des freien Warenverkehrs und der allgemein territorialen Natur nationaler gewerblicher Schutzrechte „wurde in der Rechtssache Deutsche Grammophon festgelegt“ ( 95 ). Die dem Gerichtshof gestellte Frage ging im wesentlichen dahin, „ob nicht das Gemeinschaftsrecht verletzt ist, wenn das einem Hersteller von Tonträgern nach einer innerstaatlichen Gesetzgebung zustehende ausschließliche Recht zur Verbreitung der geschützten Gegenstände dazu benutzt werden kann, den inländischen Vertrieb von Erzeugnissen zu unterbinden, die von diesem Hersteller oder mit seiner Zustimmung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats in Verkehr gebracht worden sind“ ( 96 ). Der Gerichtshof unterschied zwischen dem „Bestand von Rechten“ und der „Ausübung dieser Rechte“; die Normen des freien Warenverkehrs erlaubten die Ausübung gewerblicher Schutzrechte nur, „soweit sie zur Wahrung der Rechte berechtigt sind, die den spezifisehen Gegenstand dieses Eigentums ausmachen“ ( 97 ). Die Unterscheidung zwischen dem „Bestand“ und der „Ausübung“ von Rechten kann bisweilen recht künstlich sein; sie ist in der jüngeren Rechtsprechung wie etwa in dem Urteil HAG II nicht aufgegriffen worden und kann jetzt, jedenfalls soweit es um die Auslegung der Artikel 30 bis 36 des Vertrages geht, beiseite gelassen werden ( 98 ). Die Festlegung der Befugnisse, die den spezifischen Gegenstand nationaler Immaterialgüterrechte bilden, ist indessen grundlegend für den Gemeinschaftsbegriff der „Erschöpfung“, der vom Gerichtshof, wenn auch nicht unter diesem Namen, in dem Urteil Deutsche Grammophon entwickelt wurde — allerdings in bezug auf ein dem Urheberrecht verwandtes Recht, das aber alle üblichen Merkmale eines Patents aufwies ( 99 ). Im zentralen Abschnitt des Urteils stellte der Gerichtshof fest ( 100 )

„Wird ein dem Urheberrecht verwandtes Schutzrecht benützt, um in einem Mitgliedstaat den Vertrieb von Waren, die vom Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats in Verkehr gebracht worden sind, allein deshalb zu verbieten, weil dieses Inverkehrbringen nicht im Inland erfolgt ist, so verstößt ein solches die Isolierung der nationalen Märkte aufrechterhaltendes Verbot gegen das wesentliche Ziel des Vertrages, den Zusammenschluß der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt.“

Somit maß der Gerichtshof, noch bevor er den Ausdruck „Erschöpfung“ verwendete, der Frage Bedeutung bei, ob das Inverkehrbringen der in Rede stehenden Erzeugnisse mit Zustimmung des Inhabers des gewerblichen Schutzrechts erfolgt war ( 101 ).

iii) Der spezifische Gegenstand eines Patents

94.

Der Gerichtshof definierte den spezifischen Gegenstand eines Patents zum erstenmal in dem Urteil Centrafarm/Sterling Drug. Ein New Yorker Unternehmen (Sterling Drug Inc.) war Inhaber von parallelen (Verfahrens-)Patenten für pharmazeutische Erzeugnisse im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden. Im Vereinigten Königreich war Patentinhaber und Hersteller des Erzeugnisses eine britische Tochtergesellschaft (Sterling-Winthrop Group Ltd), während das Erzeugnis in den Niederlanden von der Tochtergesellschaft des britischen Unternehmens vertrieben wurde. Centrafarm führte in die Niederlande Lieferungen des patentgeschützten Erzeugnisses ein, die von den Tochtergesellschaften von Sterling Drug im Vereinigten Königreich und in Deutschland rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden waren. Bei der Rechtssache Centrafarm/Sterling Drug ging es daher eindeutig um einen Fall, in dem im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden Parallelpatcnte bestanden.

95.

Nach niederländischem Recht war die niederländische Tochtergesellschaft von Sterling Drug berechtigt, den Vertrieb dieser Erzeugnisse zu untersagen, da das niederländische Patent des Patentinhabers durch das Inverkehrbringen in den Exportländern nicht erschöpft war, doch das vorlegende Gericht stellte die Frage, ob nicht die Bestimmungen des Vertrages über den freien Warenverkehr dem entgegenstünden. Der Gerichtshof stützte sich auf das Urteil Deutsche Grammophon und entschied, Artikel 36 des Vertrages erlaube „Beschränkungen des freien Warenverkehrs nur, soweit sie zur Wahrung der Rechte berechtigt sind, die den spezifischen Gegenstand dieses Eigentums ausmachen“ ( 102 ). Zweifellos unter dem Einfluß von Generalanwalt Trabucchi ( 103 ) kennzeichnete der Gerichtshof den spezifischen Gegenstand des Patents dahin, „daß der Inhaber zum Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit das ausschließliche Recht erlangt, gewerbliche Erzeugnisse herzustellen und in den Verkehr zu bringen, mithin die Erfindung entweder selber oder im Wege der Lizenzvergabe an Dritte zu verwerten, und daß er ferner das Recht erlangt, sich gegen jegliche Zuwiderhandlung zur Wehr zu setzen“ ( 104 ).

96.

Der Gerichtshof entschied weiterhin, daß sich die Anwendung des Grundsatzes der innerstaatlichen Gesetzgebung, daß „sich das Recht des Patentinhabers mit dem Vertrieb des patentgeschützten Erzeugnisses in einem anderen Mitglicdstaat nicht erschöpft, der Inhaber vielmehr berechtigt bleibt, sich der Einfuhr des in einem anderen Staat in den Verkehr gebrachten Erzeugnisses nach seinem Heimatstaat zu widersetzen,“ als ein Hindernis für den freien Warenverkehr auswirken könne. Ein solches Recht könne geltend gemacht werden, falls sowohl die Patentierbarkeit als auch die Zustimmung zum Inverkehrbringen in dem Ausfuhrmitgliedstaat fehle ( 105 ). Die Geltendmachung eines solchen Rechts wäre indessen nicht gerechtfertigt, „wenn das Erzeugnis in dem Mitgliedstaat, aus dem es eingeführt wird, durch den Inhaber selbst oder, wie etwa im Fall eines Inhabers paralleler Patente, mit dessen Zustimmung rechtmäßig auf den Markt gebracht worden ist“ ( 106 ). Die Anerkennung eines solchen Rechts würde dem Patentinhaber die Möglichkeit eröffnen, die nationalen Märkte abzuriegeln und auf diese Weise den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beschränken, „ohne daß eine derartige Beschränkung notwendig wäre, um ihm die aus den Parallelpatenten fließenden Ausschließlichkeitsrechte in ihrer Substanz zu erhalten“ ( 107 ).

97.

Daraus folgt meines Erachtens, daß der spezifische Gegenstand des Patents erschöpft ist, sobald dem Patentinhaber einmal beim ersten Inverkehrbringen die garantierte Ausschließlichkeit — die keine Garantie irgendwelcher Monopolerträge darstellt — zugute gekommen ist. Anders als bei nationalen Patentgesetzen, die es (in unterschiedlichem Umfang) einem Patentinhaber gestatten, sich Einfuhren eines im Ausland in den Verkehr gebrachten patentgeschützten Erzeugnisses zu widersetzen, gestattet die jetzt entwickelte gemeinschaftsrechtliche Version der Erschöpfungslehre dem Patentinhaber lediglich, sich den Ort auszusuchen, an dem er die betreffenden Erzeugnisse zum ersten Mal in der Gemeinschaft in den Verkehr bringen will; ist diese Entscheidung einmal getroffen, so müssen die in den Verkehr gebrachten Einheiten nach dem gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz später frei innerhalb des Gemeinsamen Marktes zirkulieren dürfen.

98.

Gehört zu der im Urteil Centrafarm/Sterling Drug anerkannten Ausschließlichkeitsgarantie, wie Beecham behauptet, das Recht zum ersten Inverkehrbringen des Erzeugnisses unter Patentschutz? Angesichts der zentralen Bedeutung dieses Urteils für die sich entwickelnde Rechtsprechung des Gerichtshofes muß diese Frage untersucht werden. Ausdrückliche Grundlage der Vorlagefrage war, daß das patentgeschützte Erzeugnis in dem Ausfuhrmitgliedstaat sowohl unter Patentschutz als auch mit Zustimmung des Patentinhabers in den Verkehr gebracht worden war. Dies war die beantwortete Frage. Andererseits paßt die verwendete Ausdrucksweise auf weitere Fallgestaltungen. In Randnummer 11 seines Urteils anerkannte der Gerichtshof, daß eine Beschränkung zulässig wäre, wenn die Erfordernisse der Patentierbarkeit und der Zustimmung nicht erfüllt sind, und er bezog sich kumulativ auf die Einfuhr eines Erzeugnisses, „[das] aus einem Mitgliedstaat stammt, in dem es nicht patentfähig ist, und das von Dritten ohne die Zustimmung des Patentinhabers hergestellt worden ist“ (Hervorhebung nur hier), was natürlich genau der Sachverhalt in der Sache Parke, Davis war. Nicht behandelt wurde die Situation, daß nur eines dieser Erfordernisse erfüllt ist. Mehrdeutig ist weiter die Wendung „wie etwa im Fall eines Inhabers paralleler Patente“, da sie bedeutet, daß dies nur eine der Situationen ist, in denen sich die Verhinderung von Parallelimporten nicht rechtfertigen läßt. Genaugenommen entschied das Urteil Centrafarm/Sterling Drug diese Frage nur für einen solchen Fall. Der Gerichtshof legte allerdings großen Wert auf die Zustimmung zum ersten Inverkehrbringen und insoweit stimmt das Urteil mit dem Urteil Deutsche Grammophon überein. In dieser Rechtssache, in der (zumindest zu dem erheblichen Zeitpunkt) in Frankreich kein paralleler Patentschutz bestand, der dem den Erzeugern von Schallplatten nach deutschem Urheberrecht gewährten Patentschutz gleichwertig war, stellte sich das umgekehrte Auslegungsproblem. Auf diesen Unterschied ging indessen weder der Generalanwalt noch der Gerichtshof ein, und er scheint in der Begründung des Urteils keine Rolle gespielt zu haben.

99.

Das stärkste Argument zugunsten der von den Pharmaunternehmen vorgeschlagenen Auslegung des Urteils Centrafarm/Sterling Drug ist sicherlich folgendes: Da spezifischer Gegenstand das ausschließliche Recht zum ersten Inverkehrbringen des patentgeschützten Erzeugnisses ist, würde ein Grundsatz, der Parallelimporte solcher Erzeugnisse zuläßt, die vom Patentinhaber in einem Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht wurden, in dem kein Patentschutz besteht und in dem der Patentinhaber folglich möglichem Wettbewerb auf der Stufe der ersten Inverkehrbringens ausgesetzt war, dem ausschließlichen Recht viel von seiner Bedeutung nehmen, d. h. der Patentinhaber müßte zumindest die Möglichkeit gehabt haben, Monopolerträge in dem Ausfuhrmitgliedstaat zu erzielen, bevor sich sagen ließe, daß seine nationalen Rechte in dem Einfuhrmitgliedstaat erschöpft seien ( 108 ). Dies war in der Tat das Hauptvorbringen von Merck und der beteiligten Mitgliedstaaten, das vom Gerichtshof in dem Urteil Merck/Stephar zurückgewiesen wurde.

iv) Merck/Stephar

100.

Der Sachverhalt in der Rechtssache Merck/Stephar entspricht in allen Punkten — bis auf einen — dem in der Rechtssache Parke, Davis. Merck besaß in den meisten Mitglicdstaaten Parallelpatente für Moduretik, ein Arzneimittel zur Bekämpfung von hohem Blutdruck. Merck vermarktete das Erzeugnis in Italien, als Patentschutz dort für pharmazeutische Erzeugnisse und Verfahren zu ihrer Herstellung ausdrücklich ausgeschlossen war. Stephar kaufte Lieferungen des in Italien von Merck verkauften Erzeugnisses und führte sie in die Niederlande ein, wo sie dank der hohen niederländischen Preise die von Merck geforderten Preise unterbieten konnte. Merck stand auf dem Standpunkt, daß seine Rechte nach niederländischem Patentrecht durch das Inverkehrbringen in Italien wegen des fehlenden Patentschutzes nicht erschöpft sein konnten.

101.

Beecham zufolge hat der Gerichtshof mit der Entscheidung in dem Urteil Merck/Stephar, daß ein Patentinhaber sein Recht durch das Inverkehrbringen in einem Mitgliedstaat, in dem kein Patentschutz bestehe, erschöpfen könne, den Bereich der in dem Urteil Centrafarm/Sterling Drug begründeten Lehre unzulässig ausgeweitet. In der Rechtssache Merck/Stephar brachten die Kommission und Stephar vor, das Fehlen eines Parallelpatents sei unerheblich, weil entscheidender Faktor die Zustimmung von Merck zum Inverkehrbringen in Italien gewesen sei. Merck war zwar mit der in dem Urteil Centrafarm/Sterling gegebenen Definition des spezifischen Gegenstandes eines Patents einverstanden, blieb aber mit Unterstützung der Regierungen Frankreichs und des Vereinigten Königreichs dabei, daß ein Patentinhaber die Möglichkeit haben müsse, zumindest einmal Monopolerträge zu erhalten.

102.

Ich halte es für angemessen, den Gedankengang des Gerichtshofes und von Generalanwalt Reischl etwas eingehender darzustellen.

103.

Generalanwalt Reischl stellte in seinen Schlußanträgen zunächst fest, daß die Umstände der Rechtssache Deutsche Grammophon (Fehlen eines gleichwertigen französischen Rechts steht Erschöpfung des deutschen Urheberrechts nicht entgegen) denen in der Rechtssache Merck/Stephar verwandt seien ( 109 ), und wies sodann darauf hin, daß der Gerichtshof in Randnummer 11 seines Urteils Centrafarm/Sterling Drug „eindeutig auf den Fall des patentfreien Raumes abzielt“ ( 110 ). Er zählte drei Hauptgründe für die Zurückweisung der Auffassung auf, daß Erschöpfung nur eintreten könne, wenn das patentgeschützte Erzeugnis in einem Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht worden sei, in dem Patentschutz bestehe:

i)

Die Befugnisse, die als Teil des spezifischen Gegenstands eines Patents anerkannt seien, seien nicht Selbstzweck; sie sollten dem Schutzrechtinhaber „die Möglichkeit eines Ausgleichs für seine schöpferische Erfindertätigkeit eröffnen. Ein solcher von dem Patentrecht verfolgter Zweck ist diesem Recht als solchem ... aber nicht immanent ... [da die] Realisierung von einer Vielzahl von Marktfaktoren wie dem Vorhandensein von Substitutionsprodukten, der kommerziellen Verwertbarkeit und ähnlichen Voraussetzungen abhängt“ ( 111 ).

ii)

Die Unmöglichkeit, Patentschutz zu erlangen, sei unerheblich, da Merck „in der Lage war, frei darüber zu entscheiden, in welchem Mitgliedstaat sie das in den Niederlanden patentierte Erzeugnis auf den Markt bringen wollte“; offensichtlich habe sie ihre Wahl entsprechend ihren Interessen getroffen, wobei sie in Italien „für das fragliche Erzeugnis ... immer noch ein tatsächliches Monopol innehat“ ( 112 ).

iii)

Die Wirkung der Erschöpfungslehre könne nicht dadurch beeinträchtigt werden, daß von ihr die Parallelhändler und nicht die Verbraucher begünstigt würden, da es zu den wesentlichen Aspekten des Gemeinsamen Marktes gehöre, Erzeugnisse an dem Ort herstellen bzw. in den Verkehr bringen zu können, an dem dies mit dem geringsten Kostenaufwand möglich sei.

104.

Das Urteil des Gerichtshofes ist ebenso kategorisch. Es stellt fest, daß die Substanz des Patentrechts „im wesentlichen darin besteht, dem Erfinder das ausschließliche Recht zu verleihen, das Erzeugnis als erster in den Verkehr zu bringen. Dadurch, daß dieses Recht zum ersten Inverkehrbringen dem Erfinder das Monopol für die Verwertung seines Erzeugnisses vorbehält, ermöglicht es ihm, einen Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit zu erhalten, ohne ihm jedoch diesen Ausgleich unter allen Umständen zu garantieren.“ ( 113 ) Der Patentinhaber hat „in voller Kenntnis der Sachlage ... zu entscheiden ..., was die Möglichkeit einschließt, das Erzeugnis in einem Mitgliedstaat abzusetzen, in dem dafür kein gesetzlicher Patentschutz besteht“. Entscheide er sich für das Inverkehrbringen in einem solchen Staat, „so hat er die Konsequenzen seiner Wahl hinzunehmen, soweit es um den Verkehr des Erzeugnisses innerhalb des Gemeinsamen Marktes geht, ein Grundprinzip, das zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Faktoren gehört, denen der Patentinhaber bei Festlegung der Ausübungsmodalitäten seines Ausschließlichkeitsrechts Rechnung tragen muß“ ( 114 ). Der Gerichtshof führte weiter aus: „Würde man also einem Erfinder oder seinen Rechtsnachfolgern erlauben, sich [unter solchen Umständen] auf das Patent ... zu berufen, ... so würde dies zu einer Abschottung der nationalen Märkte führen, die den Zielen des Vertrages zuwiderliefe“ ( 115 ).

105.

Die Gründe für eine ausdrückliche Aufgabe des Urteils Merck/Stephar, die ich nun in einiger Ausführlichkeit darlegen werde, können im wesentlichen in zwei tragenden, miteinander verflochtenen Thesen zusammengefaßt werden: i) Der spezifische Gegenstand eines nationalen Patents kann sich denkgesetzlich gemäß dem Gemeinschaftsrecht nur erschöpfen, wenn das patentierte Erzeugnis erstmals unter Patentschutz in den Verkehr gebracht worden ist. ii) Das Urteil Merck/Stephar läßt sich mit der späteren Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht in Einklang bringen.

C — Neubewertung des Urteils Merck/Stepbar

106.

Generalanwalt Jacobs vertrat in seinen Schlußanträgen in der Rechtssache HAG II die Auffassung, es gebe keine rationale Grundlage für die in dem Urteil Van Zuylen/HAG ( 116 ) begründete Lehre vom gemeinsamen Ursprung der Warenzeichen. Das Urteil Merck/Stephar stellt, zumindest soweit es um Patente geht, den Höhepunkt des Rückgriffs auf die Zustimmung zum Inverkehrbringen als Grundlage der Erschöpfung gewerblicher Schutzrechte dar. Hat der Patentinhaber dem ersten Inverkehrbringen einer Partie seiner Erzeugnisse in irgendeinem Mitgliedstaat einmal zugestimmt, dann sind unabhängig davon, ob in diesem Staat Patentschutz besteht oder nicht, parallele Patentrechte in bezug auf diese Warenpartie innerhalb der gesamten Gemeinschaft erschöpft. Ich bin indessen der Überzeugung, daß die Merck/StepharRechtsprechung nicht länger Anwendung finden sollte. Die Begründung des Gerichtshofes im Urteil Merck/Stephar war fehlerhaft und stützte sich — allenfalls — auf eine implizite Feststellung im Urteil Centrafarm/Sterling Drug über den angemessenen Ausgleich zwischen dem freien Warenverkehr und dem Schutz nationaler Patentrechte in Fällen, in denen keine Parallelpatente bestanden — also auf eine Feststellung zu einer Frage, die sich dort aufgrund des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens überhaupt nicht gestellt hatte. Meines Erachtens ging das Urteil Merck/Stephar bei dem Versuch, sicherzustellen, daß gewerbliche Schutzrechte nicht zum Nachteil des Gemeinsamen Marktes dazu verwandt werden, die nationalen Märkte abzuschotten, zu weit und untergrub damit das, was als eigentlicher Kern eines Patents Anerkennung verdient hätte, nämlich das Recht des Patentinhabers, für die Dauer des Patents jede einzelne Einheit seines patentgeschützten Erzeugnisses zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat frei vom Wettbewerb nicht genehmigter Nachahmungen in den Verkehr zu bringen.

i) Die fehlerhafte Grundlage des Urteils

107.

Artikel 36 des Vertrages läßt erkennen, daß nationale gewerbliche Schutzrechte nicht von Haus aus unvereinbar mit dem freien Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft sind. Solange harmonisierte Gemeinschaftsvorschriften fehlen, bleiben sie daher vom Gemeinschaftsrecht unberührt. Das Gemeinschaftsrecht befaßt sich aber zu Recht mit Tätigkeiten der Inhaber von Parallelpatenten, die sich als Abschottung nationaler Märkte auswirken ( 117 ). Die nationalen Gesetze über den Schutz gewerblichen Eigentums haben traditionell unterschieden zwischen dem Inverkehrbringen durch den Rechtsinhaber im Inland und dem Inverkehrbringen im Ausland. Während das Inverkehrbringen im inländischen Hoheitsgebiet den Patentinhaber im allgemeinen von der weiteren Kontrolle der inländischen Vermarktung seines patentgeschützten Erzeugnisses ausschloß, war dies gewöhnlich bei im Ausland in den Verkehr gebrachten Einheiten nicht der Fall. Diese Unterscheidung erlaubte es den Inhabern von Parallelpatenten, nationale Märkte in der Erwartung abzuschotten, Monopolerträge aus jedem kontrollierten Markt ziehen zu können. Es liegt auf der Hand, daß eine solche diskriminierende Verfahrensweise in einer Gemeinschaft, zu deren grundlegenden Zielen die Errichtung eines einzigen Marktes ohne innere Grenzen gehört, nicht länger geduldet werden kann ( 118 ). Das Urteil Merck/Stephar geht aber weiter, wenn es Einfuhren, die nicht so kontrolliert werden, in gleicher Weise behandelt. Die einzige Begründung hierfür ist das angeblich freiwillige Inverkehrbringen.

108.

Ich bin nicht davon überzeugt, daß eine Einfuhrbeschränkung zugunsten eines Patentinhabers schon deshalb eine willkürliche Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels darstellt, weil die betreffenden Erzeugnisse freiwillig in einem Mitgliedstaat ohne Patentschutz in den Verkehr gebracht wurden ( 119 ). Das Urteil Merck/Stephar wirkt sich so aus, daß nicht nur das Erzeugnis, sondern auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der gesetzgeberischen Entscheidung des Ausfuhrstaates in den Einfuhrstaat ausgeführt werden, weil der Patentinhaber die geschäftliche Entscheidung getroffen hat, das Erzeugnis auch in einem weniger geschützten Gebiet zu verkaufen. Der Grundsatz dürfte sich so auswirken, daß der Patentinhaber, um zu vermeiden, daß der Wert seiner nationalen Patentrechte in den Mitgliedstaaten, die sie schützen, beeinträchtigt wird, dazu angereizt wird, den Gemeinsamen Markt in anderer Weise aufzuteilen, nämlich so, daß er davon absieht, die Märkte der Mitglicdstaaten, in denen seine Rechte nicht anerkannt werden, mit Einheiten seiner Erzeugnisse zu beliefern. Das Erzeugnis wird somit für Parallelhandler nicht erhältlich sein und der Patentinhaber kann sich auf jeden Fall auf seine Patentrechte in anderen Mitglicdstaaten stützen, um jeden Parallelimport nicht genehmigter Nachahmungen zu unterbinden, die auf Märkten ohne Patentschutz hergestellt wurden ( 120 ), Es würde mit anderen Worten irrationale geschäftliche Entscheidungen fördern, Erzeugnisse den Märkten der Staaten fernzuhalten, in denen der Verkauf des Erzeugnisses Gewinnaussichten bergen könnte ( 121 ).

109.

Ein unerwünschtes Ergebnis der Ausübung der in Randnummer 11 des Urteils Merck/Stephar des Gerichtshofes anerkannten „Entscheidung“ durch die Klägerinnen wäre es, daß spanische und portugiesische Patienten darauf beschränkt wären, in ihrem Land hergestellte nicht genehmigte Nachahmungen von in anderen Mitgliedstaaten patentierten Arzneimitteln zu verwenden. Ich glaube nicht, daß dies geeignet ist, einen Beitrag zur Vollendung eines Binnenmarktes für pharmazeutische Erzeugnisse oder „zur Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus“ ( 122 ) zu leisten.

110.

Meines Erachtens verdeckt das Abstellen auf den Begriff des freiwilligen Inverkehrbringens im Urteil Merck/Stephar in nicht annehmbarer Weise die logisch nicht haltbare Feststellung, daß sich von einem Patentinhaber sagen lasse, er habe seine Rechte dadurch erschöpft, daß er sich dafür entschieden hat, Einheiten des geschützten Erzeugnisses in Mitglicdstaaten in den Verkehr zu bringen, in denen kein Patentschutz besteht. Auch wenn man wie ich der Definition des spezifischen Gegenstandes eines Patents durch den Gerichtshof ( 123 ) zustimmt, birgt doch nach meiner Auffassung ein geschäftlich rationales Inverkehrbringen eines geschützten Erzeugnisses in einem Mitgliedstaat, in dem kein Schutz besteht, nicht das entscheidende Element in sich, das durch diesen spezifischen Gegenstand sichergestellt wird. In dem Urteil Merck/Stephar erklärte der Gerichtshof, daß „die Substanz des Patentrechts“„im wesentlichen darin besteht, dem Erfinder das ausschließliche Recht zu verleihen, das Erzeugnis als erster in den Verkehr zu bringen“, und daß dieses Recht dadurch, daß es „dem Erfinder das Monopol für die Verwertung seines Erzeugnisses vorbehält, [es ihm] ermöglicht ..., einen Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit zu erhalten, ohne ihm jedoch diesen Ausgleich unter allen Umständen zu garantieren“ ( 124 ).

111.

Obwohl ich davon ausgehe, daß sich der Gerichtshof zu Recht besorgt darüber gezeigt hat, daß die Inhaber gewerblicher Schutzrechte durch die Verwertung ihrer von Natur aus territorialen (und damit Schutz bietenden) Rechte die nationalen Märkte abschotten könnten, halte ich diese Besorgnis doch in den Fällen für unangebracht, in denen keine Parallelrechte bestehen. Die unterschiedlichen Politiken der Mitgliedstaaten bezüglich der Patentierbarkeit pharmazeutischer Erzeugnisse waren die eigentliche Ursache für die fehlende Einheitlichkeit im Gemeinsamen Markt ( 125 ). Unter solchen Umständen Patentinhabern, die ihre nationalen Patentrechte ausüben möchten, eine Art „venire contra factum proprium“ bloß deshalb entgegenzuhalten (wie es Generalanwalt Reischl in seinen Schluß anträgen in der Rechtssache Merck/Stephar vorschlug ( 126 )), weil sie bereits versucht haben, aus einem anderen nationalen Markt Nutzen zu ziehen, obwohl ihnen dort der Patentschutz verweigert wird, heißt doch letzten Endes, die Patentinhaber zur Wahrung einer Disziplin des Gemeinsamen Marktes auf einem Gebiet zu verpflichten, wo sie tatsächlich gar nicht besteht. Generalanwalt Reischl führte aus, daß Patentinhaber nicht immer Monopolerträge erzielen, und zählte mehrere äußere Faktoren auf, die wie etwa das Vorhandensein von Substitutionserzeugnissen die Ertragsfähigkeit ernsthaft beeinträchtigen könnten ( 127 ). Die Auffassung des Gerichtshofes, daß der Patentinhaber unter diesen Umständen die Konsequenzen seiner Entscheidung hinzunehmen habe, „ist keine Begründung, sondern eine Schlußfolgerung“ ( 128 ).

112.

Die Klägerinnen machen geltend, sie würden, falls sie z. B. ihre Erzeugnisse von den spanischen und portugiesischen Märkten nehmen und, zumindest was die Gemeinschaft betrifft, versuchen müßten, ihre Forschungsinvestitionen für diese Erzeugnisse ausschließlich aus anderen nationalen Märkten hereinzuholen, in denen ihre Patente anerkannt würden, erhebliche geschäftliche Beeinträchtigungen ihres Goodwill und Rufes insbesondere in Spanien und Portugal erleiden würden. Diese Argumente haben mich beeindruckt, zumal diese Nachteile daraus resultieren würden, daß Arzneimittel von einem gesamten Markt genommen würden oder die Belieferung eines gesamten Marktes verweigert würde. Mögliche geschäftliche Nachteile sind natürlich kein Grund dafür, den freien Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht wirksam werden zu lassen. Diese Art von Nachteilen hängt indessen eindeutig mit dem möglichen Verlust von Anreizen für Investoren zusammen. Argumente, die dahin gehen, daß es unbeachtlich sei, wenn das Recht, Ausgleich für Forschungskosten zu erlangen, auf einem oder zwei Märkten eingebüßt werde, es sei denn, daß nachgewiesen werde, daß dies vermutlich zu geringeren Forschungsinvestitionen in der Zukunft führen werde, würde ich zurückweisen. Es bedarf eines ausgewogenen und fairen Denkansatzes. Notwendig ist daher, daß die spanischen und portugiesischen Märkte, selbst wenn sie nicht dazu gebracht werden können, einen Beitrag zum Ausgleich für Forschungsausgaben zu leisten, zumindest nicht dafür eingesetzt werden dürfen, diesen Ausgleich auf anderen Märkten unmöglich zu machen. Unglücklicherweise reizen die gegenwärtigen logischen Implikationen des Urteils Mcrck/Stephar nicht nur Pharmaunternehmen dazu an, Spanien und Portugal vom Rest der Gemeinschaft durch den Rückzug von diesen Märkten abzuschotten, sondern schaffen so auch für diese beiden Märkte einen möglichen Freibrief für Nachahmer, der zumindest so lange Bestand haben wird, bis forschungsorientierte Pharmaunternehmen imstande sein werden, neue und damit patentfähige Erzeugnisse auf diesen Märkten in die Vermarktungsphasc zu bringen.

113.

Das geschäftliche Dilemma, in das die Randnummer 11 des Urteils Merck/Stephar die Pharmaunternehmen bringt, erweist sich als noch größer, wenn man es im Zusammenhang mit Arzncimittelmärkten betrachtet. Aus den unter den Nummern 155 bis 161 dargelegten Gründen empfehle ich dem Gerichtshof nicht, erneut Überlegungen darüber anzustellen, unter welchen Umständen der freie Wille von Pharmaunternehmen durch eine moralische Pflicht zum Inverkehrbringen eines Erzeugnisses beeinträchtigt wird. Solche Überlegungen sind aber nicht ganz ohne Wert oder Belang für die Überprüfung der fundamentalen Grundlage des Urteils Mcrck/Stephar. Es mag möglich sein, größere Pharmaunternehmen namhaft zu machen, die die Möglichkeit haben, ihre im Ausland patentierten Erzeugnisse vom spanischen und vom portugiesischen Markt zu nehmen. Andererseits sollte man nicht annehmen, daß solch ein extremer Vorschlag notwendig einen gangbaren Weg eröffnen würde. Meines Erachtens würden zwingende geschäftliche Erwägungen mit gewichtigem moralischen Gehalt insgesamt einen solchen Vorschlag für die Praxis unannehmbar machen.

114.

Die Gründe, dem Urteil Merck/Stephar nicht mehr zu folgen, werden meines Erachtens von seiner stillschweigenden Anerkennung durch die Mitgliedstaaten in der Beitrittsaktc nicht berührt. Die Beitrittsakte verankerte das Urteil Merck/Stephar nicht im Gemeinschaftsrecht. Sie bewirkt im Gegenteil lang-und kurzfristig, daß der Merck/Stephar-Grundsatz negiert und von einer dauerhaften Geltung ausgeschlossen wird. Langfristig werden Spanien und Portugal verpflichtet, ihr Patentrecht „in Einklang mit dem in der Gemeinschaft erreichten Stand des gewerblichen Rechtsschutzes zu bringen“ ( 129 ). Dies wird, wie wir sahen, im speziellen Fall der Patentierung chemischer und pharmazeutischer Erzeugnisse durch die — freilich bis 1992 hinausgeschobene — Verpflichtung verstärkt, dem EPÜ beizutreten. Damit sind all diese Erzeugnisse seit 1992 in diesen Mitgliedstaatcn patentierbar. Parallel-patente werden künftig eher die Regel als die Ausnahme sein. Die Erzeugnisse, die in anderen Mitgliedstaatcn vor 1992 patentiert wurden, bleiben wegen fehlender Neuheit und somit fehlender Patentfähigkeit in Spanien und Portugal, wenn sie dort von den Patentinhabern und folglich möglichen Nutznießern des Urteils Mcrck/Stephar in den Verkehr gebracht werden, eine denkbare Ursache von Parallelimporten. Aber auch hier wird die Geltung des Grundsatzes durch die Übergangsausnahme für drei Jahre ausgesetzt. Die Merck/Stephar-Rechtsprechung wird daher in keiner Weise durch die Beitrittsaktc erneut festgestellt oder verstärkt. Allenfalls läßt sich sagen, daß durch die Übergangszeit stillschweigend anerkannt wird, daß der Grundsatz vom Gerichtshof aufgestellt wurde, seine Wirkungen aber hinausgeschoben werden sollten.

115.

Insgesamt bin ich überzeugt, daß das Urteil Merck/Stephar ein unannehmbarer Eingriff in die sachgemäße Ausübung nationaler Patentrechte war. Es ist ausschließlich auf das Kriterium des freiwilligen Inverkehrbringens gestützt. Nach meiner Überzeugung ist es den legitimen Interessen der Patentinhaber und der zunehmend anerkannten Gemeinschaftsfunktion, die durch Patente verwirklicht werden, in unannehmbarer Weise abträglich. Am stärksten berührt mich sein fehlerhafter Denkansatz. Patente sind Geschöpfe des einzelstaatlichen und nicht des Gemeinschaftsrechts. Die Lehre von der Erschöpfung gilt in einigen, aber nicht in allen Mitgliedstaaten. Ein Recht, das durch ein nationales Patent begründet wird, kann durch ein Inverkehrbringen in einem Mitgliedstaat, der weder dieses noch irgendein anderes Patentrecht an dem betreffenden Erzeugnis anerkennt, nicht ausgeübt und demgemäß auch nicht erschöpft werden. Das vorlegende Gericht äußerte mit Recht, daß „die Lehre von der Erschöpfung für den Merck-Fall schwerlich geeignet [war]“. Die gemeinschaftsrechtliche Lehre von der Erschöpfung, wie sie im Urteil Centrafarm/Sterling Drug formuliert wurde, sollte den Fällen vorbehalten bleiben, in denen es um echte parallele Patentrechte geht. Hier gilt dann der Gedanke, daß der Patentinhaber sein Monopolrecht in dem Ausfuhrmitgliedstaat einmal ausgenutzt hat: Nun tritt Erschöpfung ein. Artikel 30 des Vertrages greift dann ein, um zu verhindern, daß das Patentrecht im Einfuhrmitgliedstaat dazu verwendet wird, Märkte zugunsten des zweifachen Patentinhabers abzuschotten. In dieses Denkschema paßt das Urteil Merck/Stephar nicht hinein.

ii) Empfehlung an den Gerichtshof

116.

Ich bin daher noch vor Prüfung der übrigen Rechtsprechung, die die Klägerinnen zur Stützung einer Neubewertung des Urteils Merck/Stephar des Gerichtshofes anführen, davon überzeugt, daß dieses Urteil nicht mehr dem Stand des Rechtes entspricht. Meines Erachtens ist Artikel 36 des Vertrages dahin auszulegen, daß er es dem Inhaber eines Patents für eine Arzneispezialität in einem Mitgliedstaat, der Einheiten des Erzeugnisses auch in einem zweiten Mitgliedstaat in den Verkehr bringt, in dem kein Patentschutz möglich ist, gestattet, sich auf Rechte aus den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats zu berufen, um Einfuhren in diesen Staat von Erzeugnissen, die zuerst im zweiten Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht wurden, entgegenzutreten.

iii) Rechtsprechung, die für ein Abgehen vom Urteil Merck/Stephar spricht

117.

Ich bin auch der Meinung, daß die Klägerinnen mit ihrer Behauptung Recht haben, die Rechtsprechung des Gerichtshofes nach Erlaß des Urteils Merck/Stephar spreche für die Auffassung, daß der Anwendungsbereich des Urteils überdacht werden sollte. Die Klägerinnen haben sich namentlich auf die Urteile Pharmon/Hoechst, Warner Brothers/Christiansen und Ideal Standard berufen.

a) Musik-Vertrieb Membran und Pharmon/Hoechst

118.

Es ist schwierig, die Bedeutung des Urteils Pharmon/Hoechst voll zu erfassen, ohne zugleich das Urteil Musik-Vertrieb Membran zu prüfen, das nur einige Monate vor dem Urteil Merck/Stephar verkündet wurde. Section 8 des Copyright Act 1956 des Vereinigten Königreichs fand Anwendung, wenn ein Musikwerk im Vereinigten Königreich bereits mittels eines Tonträgers für den Einzelhandelsverkauf durch den Urheberrechtsinhaber oder für dessen Rechnung vervielfältigt worden war. War eine Vereinbarung nicht getroffen, hätte jemand, der Schallplattenaufnahmen des Musikwerks herstellen wollte, zur Erlangung einer gesetzlichen Lizenz lediglich den Komponisten über seine Absicht, das Werk aufzunehmen, zu unterrichten brauchen und sich bereit finden müssen, eine Lizenzgebühr von 6,25 % zu bezahlen; dies wurde für Schallplattenhersteller de facto der Höchstbetrag für Tantiemen. Die GEMA, die in Deutschland die Rechte des Urheberrechtsinhabers wahrnimmt, widersetzte sich der Einfuhr von Tonträgern, die zuerst im Vereinigten Königreich in den Verkehr gebracht worden waren, und versuchte, den Untcrschicdsbctrag zwischen den geltenden deutschen und den britischen Lizenzgebühren geltend zu machen. Der Gerichtshof entschied hingegen ( 130 ), daß

„... der Urheber innerhalb eines durch freien Waren-und Dienstleistungsverkehr gekennzeichneten gemeinsamen Marktes in der Lage ist, selbst oder über seinen Verleger den Ort, an dem er sein Werk in den Verkehr bringt, in irgendeinem Mitgliedstaat frei zu wählen. Er kann diese Wahl entsprechend seinen Interessen treffen, wobei nicht nur das in dem betreffenden Mitgliedstaat gewährleistete Vergütungsniveau, sondern auch noch andere Faktoren, wie z. B. die Vertriebsmöglichkeiten für sein Werk sowie Absatzerleichterungen eine Rolle spielen, die im übrigen durch den freien Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft zugenommen haben. Unter diesen Umständen kann einer Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten nicht gestattet werden, bei der Einfuhr in einen anderen Mitglicdstaat aufgrund des unterschiedlichen Vergütungsniveaus in den einzelnen Mitgliedstaaten die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung zu verlangen.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß aus den Unterschieden, die mangels einer Harmonisierung der innerstaatlichen Bestimmungen über die kommerzielle Nutzung der Urheberrechte weiterbestehen, keine Hindernisse für den freien Warenverkehr im Gemeinsamen Markt hergeleitet werden dürfen.“ ren.

Generalanwalt Warner hatte demgegenüber die entgegengesetzte Auffassung vertreten, daß die geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Rechte des Inhabers des Urheberrechts einschränkten und in diesem Fall „... die Berufung auf die Rechtsvorschriften des Einfuhrmitglicdstaats insoweit möglich [ist], als dies notwendig ist, um dieser Einschränkung entgegenzuwirken“ ( 131 ).

119.

Es ist schwer, das Urteil Musik-Vertrieb Membran oder, in logischer Fortführung, das Urteil Merck/Stephar mit dem später erlassenen Urteil Pharmon/Hoechst in Einklang zu bringen ( 132 ). Hoechst besaß in Deutschland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich ein Verfahrenspatent für ein pharmazeutisches Erzeugnis mit dem Namen „Frusemide“. DDSA Pharmaceuticals Ltd erlangte nach Section 41 des Patents Act 1949 eine — weder ausschließliche noch erschöpfende — Zwangslizenz. Ende 1976 und kurz vor Ablauf des Patents im Vereinigten Königreich beschloß DDSA, das mit der Lizenz verbundene Exportverbot außer acht zu lassen, und verkaufte eine große Lieferung Frusemide-Tabletten direkt an Pharmon in den Niederlanden. Hoechst verklagte Pharmon in den Niederlanden aufgrund ihres ausschließlichen Rechts zur Nutzung von Frusemide auf diesem Markt.

120.

Das vorlegende Gericht wollte nach dem Verständnis des Gerichtshofes im wesentlichen wissen, „ob die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag der Anwendung von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die es dem Inhaber eines Patents ermöglichen, das Inverkehrbringen eines Erzeugnisses in diesem Staat zu verhindern, das in einem anderen Mitgliedstaat vom Inhaber einer Zwangslizenz an einem Parallelpatent, dessen Inhaber ebenfalls der Patentinhaber ist, hergestellt worden ist“. Der Gerichtshof differenzierte nicht zwischen der unmittelbaren Einfuhr des patentgeschützten Erzeugnisses und der. Paralleleinfuhr.

121.

Pharmon machte nämlich — in der Zusammenfassung durch Generalanwalt Mancini — geltend, der Gerichtshof sei im Urteil Merck/Stephar „dem Grundsatz des constructive consent“ gefolgt, d. h. dem durch Auslegung ermittelten Einverständnis des Patentinhabers mit den ihm möglicherweise entstehenden Nachteilen aus der Anwendung des Gesetzes, aufgrund dessen das Patent erlangt worden sei ( 133 ). Der Gerichtshof aber entschied:

„Hierzu ist festzustellen, daß im Falle der Erteilung einer Zwangslizenz durch die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats an einen Dritten, durch die diesem wie im vorliegenden Fall Tätigkeiten auf dem Gebiet der Herstellung und des Inverkehrbringens erlaubt werden, die der Patentinhaber normalerweise untersagen könnte, nicht davon ausgegangen werden kann, daß letzterer den Tätigkeiten dieses Dritten zugestimmt hat. Dem Patentinhaber wird nämlich durch eine solche Maßnahme sein Recht genommen, frei über die Bedingungen zu entscheiden, unter denen er sein Erzeugnis in den Verkehr bringen will. Wie der Gerichtshof zuletzt in seinem Urteil vom 14. Juli 1981 (Merck/Stephar [...]) festgestellt hat, besteht die Substanz des Patentrechts im wesentlichen darin, dem Erfinder das ausschließliche Recht zu verleihen, das fragliche Erzeugnis als erster in den Verkehr zu bringen, um es ihm zu ermöglichen, einen Ausgleich für seine Erfindertätigkeit zu erhalten. Zum Schutz der Substanz der sich aus einem Patent ergebenden ausschließlichen Rechte muß sich der Patentinhaber daher der Einfuhr und dem Inverkehrbringen der aufgrund einer Zwangslizenz hergestellten und ohne seine Zustimmung erstmals in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse widersetzen können.“ ( 134 )

122.

Das vorlegende Gericht fragte weiterhin, ob es einen Unterschied mache, wenn — erstens — die Zwangslizenz mit einem Ausfuhrverbot verbunden worden sei und — zweitens — Lizenzgebühren des Patentinhabers für die Zwangslizenz vorgesehen seien und der Patentinhaber diese Lizenzgebühren akzeptiert oder erhalten habe. Der Gerichtshof entschied einfach:

„Hierzu genügt die Feststellung, daß die vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen für die Anwendung der Rechtsvorschriften des Einfuhrmitgliedstaats, wie sie vorstehend dargestellt worden sind, in keiner Weise von den Bedingungen abhängen, die die zuständigen Behörden des Ausfuhrmitgliedstaats an die Erteilung der Zwangslizenz geknüpft haben.“ ( 135 )

Es hat mit anderen Worten den Anschein, als sei es „auf diese Punkte in keiner Weise angekommen“ ( 136 ).

123.

Das Urteil Pharmon/Hoechst stellt meines Erachtens eine sorgfältige Anwendung der Erwägung dar, die der Lehre vom ersten freiwilligen Inverkehrbringen als einem Mittel zugrunde liegt, nationale Patentrechte und freien Warenverkehr miteinander in Einklang zu bringen. Obwohl Zwangslizenzen freiwillig erteilten Lizenzen nicht voll gleichgesetzt werden können, bieten sie doch dem Patentinhaber angemessenen Schutz. Der Patentinhaber mag freiwillig ein Patent anmelden, dieses Patent aber in Erwartung einer Zwangslizenz in diesem Staat bewußt nicht nutzen. Nach Erteilung einer solchen Lizenz hat der Patentinhaber die Möglichkeit, aus diesem Markt einen Ausgleich (in Form von Gebühren zu einem von den Behörden festgesetzten Satz) zu bezichen, behält aber das Recht, sich allen unmittelbaren oder parallelen Einfuhren des patentgeschützten Erzeugnisses aus diesem Staat in andere Mitgliedstaaten zu widersetzen. Kurz: Das Ertragsniveau des Patentinhabers wird je nach Niveau der festgesetzten Gebühren und möglicherweise je nach Zahl der erteilten Vertragslizenzen nur im ersten (Ausfuhr)-Mitgliedstaat beschnitten werden, während seine nationalen Rechte in anderen Mitglicdstaaten unangetastet bleiben.

124.

Im Urteil Pharmon/Hoechst war der Gerichtshof eindeutig beeinflußt von der territorialen Natur von Zwangslizcnzen und vermutlich auch von der diskriminierenden Grundlage, auf der zahlreiche Mitgliedstaaten solche Lizenzen erteilten. Es war eindeutig richtig, den Gedanken zurückzuweisen, daß durch die Nutzung durch einen Zwangslizenznehmer in einem Mitgliedstaat die Rechte des Patentinhabers in einem anderen Mitgliedstaat erschöpft werden könnten, zumal die Zwangslizenz nur deshalb erteilt worden sein mag, weil der Patentinhaber entweder nicht bereit war, das Patent durch Herstellung des Erzeugnisses in diesem Staat zu nutzen, oder weil er sogar das patentgeschützte Erzeugnis in diesen Staat einführte. In diesem Sinne wiederholte der Gerichtshof, daß die zwei Voraussetzungen der Patentierbarkeit und der Zustimmung zum Inverkehrbringen erfüllt sein müssen, ehe von einer freien Entscheidung für das Inverkehrbringen ausgegangen werden kann. Die zweite Voraussetzung war in diesem Fall nicht gegeben; in den vorliegenden Fällen gilt dies für die erstgenannte. Es gab keine gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung für eine Bevorzugung der nationalen rechtspolitischen Entscheidung, die sich im Patents Act 1949 widerspiegelte, gegenüber derjenigen, die den Hoechst aufgrund des niederländischen Patents zugestandenen Rechten zugrunde lag.

125.

Zumindest einige der Ausführungen im Urteil Pharmon/Hoechst sind schwer mit dem Urteil Merek/Stephar zu vereinbaren. Ich bin der Überzeugung, daß, wenn „die Substanz des Patentrechts im wesentlichen darin [besteht], dem Erfinder das ausschließliche Recht zu verleihen, das fragliche Erzeugnis als erster in den Verkehr zu bringen, um es ihm zu ermöglichen, einen Ausgleich für seine Erfindertätigkeit zu erhalten“ ( 137 ), dem Patentinhaber ein solches ausschließliches Recht tatsächlich zustehen muß, um die Lehre von der Erschöpfung anwenden zu können.

126.

Obzwar die Urteile Pharmon/Hoechst und Musik-Vertrieb Membran auf rein formaler Ebene in Einklang gebracht werden können — nämlich durch den Hinweis auf die freiwillige Lizenzvergabe in der Rechtssache Musik-Vertrieb Membran und auf die Zwangsnatur der Lizenz in der Rechtssache Pharmon/Hoechst —, sind sie doch in der Sache unvereinbar miteinander: Hätte sich der Urheberrechtsinhaber in der Rechtssache Musik-Vertrieb Membran „freiwillig“ geweigert, dem Schallplattenhersteller eine Lizenz einzuräumen, so hätte sich dieser auf die Lizenz kraft Gesetzes berufen können. Ich glaube nicht, daß sich die Vermeidung des Unvermeidlichen durch den Urheberrechtsinhaber durch den Abschluß vertraglicher Vereinbarungen mit dem zukünftigen Schallplattenhersteller ohne Mühe anders behandeln läßt als seine Unterwerfung unter eine Zwangslizenz in der Rechtssache Pharmon/Hoechst. Demaret hat die zugrundeliegende Widersprüchlichkeit treffend zum Ausdruck gebracht ( 138 )

„Dem wirtschaftlichen Interesse von Inhabern von Urheberrechten an Musikwerken im Vereinigten Königreich und anderen Mitgliedstaaten ist womöglich besser gedient, wenn die betreffenden Werke im Vereinigten Königreich hauptsächlich von Zwangslizenznehmern und nicht von den Urheberrechtsinhabern selbst genutzt werden. Im ersten Fall dürfen sie sich Einfuhren von Schallplattenaufnahmen, die aus dem Vereinigten Königreich stammen, widersetzen, im zweiten Fall nicht. Eine solche Diskrepanz ist durch keinen vernünftigen Grund zu erklären.“

127.

Nach meiner Auffassung kann ein formalistisches Verständnis der Zustimmung die unterschiedlichen Ergebnisse in den Urteilen Pharmon/Hoechst und Musik-Vertrieb Membran nicht überzeugend erklären ( 139 ). Ich bin überzeugt, daß sich nur mit einem Denkansatz, der darauf abstellt, ob der Grundsatz des ausschließlichen ersten Inverkehrbringens Anwendung findet oder nicht, die mit der formalistischen Anwendung des Zustimmungskriteriums verbundenen unberechenbaren Ergebnisse vermeiden lassen und es möglich ist, das Gewicht auf die „wirtschaftliche Substanz der Ausschließlichkeitsrechte“ zu legen ( 140 ).

b) Warner Brothers/Christiansen

128.

Die Klägerinnen haben sich vielleicht am stärksten auf das Urteil Warner Brothers/Christiansen gestützt. Das dänische Recht verleiht dem Inhaber des Urheberrechts an Aufnahmen auf Videokassetten zusätzlich das Recht, die Vermietung der Videokassette zu untersagen, auch wenn diese mit seiner Zustimmung verkauft wurde. Nach den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs bestand dort zur maßgeblichen Zeit kein gleichwertiges Recht. Die freiwillige Veräußerung durch den Inhaber des Urheberrechts oder für dessen Rechnung erschöpfte seine Rechte im Vereinigten Königreich, nicht aber in Dänemark. Herr Christiansen erwarb in London eine seinerzeit in Dänemark nicht erhältliche Videokassette eines Films, an dem das Urheberrecht Warner Brothers zustand, zu dem ausdrücklichen Zweck, sie in seinem Videogeschäft in Kopenhagen zu vermieten. Warner Brothers und ihr dänischer Rechtsnachfolger (Metronome Video ApS) gelang es in erster Instanz, die beabsichtigte Vermietung untersagen zu lassen; in der Berufungsinstanz aber erfolgte eine Vorlage an den Gerichtshof mit der Frage, ob die Rechtsvorschriften, die ein solches Verbot zuließen, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar seien.

129.

Herr Christiansen berief sich auf das Urteil Musik-Vertrieb Membran. Er verwies auf Randnummer 25 des Urteils und unterstrich die freie Entscheidung des Inhabers eines Immaterialgüterrechts, sein Erzeugnis in den Verkehr zu bringen ( 141 ). Warner Brothers habe sich entschieden, die Videokassette im Vereinigten Königreich in den Verkehr zu bringen, weil „... beim Inverkehrbringen der Videokassette in Dänemark oder in Deutschland die Vergütung der Urheber wesentlich niedriger gewesen wäre als im Vereinigten Königreich“, da „der sehr hohe Verkaufspreis der Videokassette den Teil der Immaterialgüterrechte einschließe, den die Möglichkeit der Vermietung darstelle“ ( 142 ).

130.

Die Kommission wies in ihrer Erklärung auf die möglichen erheblichen Einkommensverluste von Urheberrechtsinhabern wegen der zunehmenden Popularität des Mietens anstelle des Kaufs von Videokassetten hin. Der Umstand, daß ein solches Recht nicht von allen Mitgliedstaaten anerkannt werde, dürfe kein Hindernis für Urheberrechtsinhaber sein, sich auf die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zu stützen, in denen es anerkannt sei.

131.

Generalanwalt Mancini stützte seine Schlußanträge auf das Urteil Musik-Vertrieb Membran. Seiner Meinung nach ging die Vorlagefrage im Kern dahin, ob „der Käufer einer in einem Mitgliedstaat vom Eigentümer des Films (oder mit seiner Zustimmung) verkauften Kassette diese in einem anderen Mitgliedstaat an Dritte gegen dessen Willen vermieten“ darf, kurz: ob „der Grundsatz der Erschöpfung der Rechte auch im vorliegenden Fall Anwendung findet“ ( 143 ). Der in Randnummer 15 des Urteils des Gerichtshofes festgelegte Grundsatz sei „entscheidend“ und somit gelte:

„Der Hersteller eines Films, der die Kassette an einen Dritten veräußert, so endgültig sein Eigentumsrecht an dieser Ware überträgt und diese in den freien Verkehr entläßt, kann sich nicht anschließend auf die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats berufen, um sein ausschließliches Recht am Werk, das in der Kassette verkörpert ist, durchzusetzen und damit praktisch deren Einfuhr in diesen Staat zu verhindern“ ( 144 ).

132.

Der Gerichtshof aber folgte unter Berücksichtigung der Entwicklung. der Marktbedingungen der Darlegung der Kommission, daß sich ein besonderer Markt für die Vermietung von Videokassetten herausgebildet habe, und stellte fest, daß Rechtsvorschriften, die bezweckten „den Filmherstellern eine Vergütung zu sichern, die der Zahl der tatsächlich erfolgten Vermietungen entspricht und ihnen einen angemessenen Anteil am Vermietungsmarkt sichert“,„aus Gründen des Schutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums im Sinne des Artikels 36 [des Vertrages] als gerechtfertigt anzusehen“ ( 145 ). Daraus folge: „Das Inverkehrbringen von Videokassetten durch den Urheber des in ihnen verkörperten Werkes in einem Mitgliedstaat, der das Recht zur Vermietung nicht besonders schützt, kann keine Auswirkungen auf das diesem Urheber durch die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährte Recht haben, die Vermietung dieser Videokassetten in diesem Mitgliedstaat zu unterbinden.“ ( 146 )

133.

Die spanische und die Regierung des Vereinigten Königreichs versuchen, die vorliegenden Rechtssachen aufgrund recht ähnlicher Überlegungen mit dem Urteil Merck/Stephar in Einklang zu bringen. Während in diesem Fall Merck dem Inverkehrbringen seines patentgeschützten Erzeugnisses auf dem italienischen Markt in_ voller Kenntnis der möglichen Folgen für seine Rechte in anderen Mitgliedstaaten zugestimmt habe, habe die Erschöpfung des Urheberrechts von Warner Brothers in bezug auf die im Vereinigten Königreich verkaufte Videokassette keine Erschöpfung seiner nachgeordneten dänischen Vermietungsrechte bewirkt. Ich glaube nicht, daß diese Argumente überzeugend dazu beitragen, das Urteil Warner Brothers von dem Urteil Merck/Stephar zu unterscheiden. Der spezifische Gegenstand eines Patentrechts mag nicht so wie ein Urheberrecht in verschiedene individuelle, urheberrechtlich beschränkte Handlungen aufteilbar sein. Jedes der verschiedenen Rechte ist aber ein Gegenstand gewerblichen oder geistigen Eigentums, dessen Existenz sich aus den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats ergibt. Der Gerichtshof stellte im Urteil Warner Brothers/Christiansen klar, daß die Erschöpfung eines Rechts in einem Mitgliedstaat nicht zur Erschöpfung eines anderen Rechts an dem gleichen Erzeugnis in einem anderen Mitgliedstaat führt. Tatsächlich führt, soweit sich aus dem besonderen Urheberrecht der Vermietung von Videokassetten nach dänischem Recht ein relevanter Unterschied gegenüber dem Urteil Merck/Stephar ergibt, dieser Unterschied zu einer anderen Schlußfolgerung, als sie Spanien und das Vereinigte Königreich befürwortet haben. Wenn sogar der Verkauf im Vereinigten Königreich unter dem Schutz des Urheberrechts nicht zur Erschöpfung des nachgeordneten, in Dänemark anerkannten Vermietungsrechts führte, so folgt daraus meines Erachtcns a fortiori, daß nicht aufgrund des Verkaufs in einem Mitglicdstaat ohne jeden Patentschutz angenommen werden darf, daß dieses Recht in einem anderen Mitglicdstaat, in dem dieser Schutz besteht, erschöpft sei. In ihrem Wesen (wenn auch nicht in ihrem Umfang) lassen sich die beiden Rechte, von denen das eine dem Urhcberrcchtsinhabcr in zwei Teilen (ausschließliche Rechte der Verkörperung und der Wiedergabe) und das andere dem Patentinhaber in einem Teil bezüglich der einen Handlung des Inverkehrbringens übertragen wird, nicht unterscheiden. Nirgendwo kommt dies deutlicher zum Ausdruck als im Urteil Warner Brothers/Christiansen des Gerichtshofes ( 147 ).

134.

Meiner Meinung nach stellt das Urteil Warner Brothers/Christiansen eine grundlegende Umkehr in der Auffassung des Gerichtshofes vom Verhältnis des Urheberrechts zum freien Warenverkehr dar. Zweifellos profitierte Warner Brothers aus dem freiwilligen Verkauf der Videokassette an Herrn Christiansen im Vereinigten Königreich ( 148 ), der Gerichtshof entschied aber gleichwohl, daß Warner sich weiter auf sein dänisches Urheberrecht berufen könne, um die weitere Nutzung dieser Kassette durch Herrn Christiansen zu unterbinden. Wenn ich diesen Denkansatz auf das Urteil Merck/Stephar anwende, muß ich zu dem Schluß gelangen, daß das Inverkehrbringen seiner patentgeschützten Erzeugnisse durch Merck in Italien, dessen Recht keinerlei Patentschutz anerkannte, nicht als eine Handlung hätte angesehen werden dürfen, durch die die ausschließlichen Patentrechte in den Niederlanden erschöpft wurden. Um die Worte des Gerichtshofes in Randnummer 18 seines Urteils Warner Brothers/Christiansen (zitiert oben in Nr. 132) leicht zu paraphrasicren: „Das Inverkehrbringen von [patentgeschützten Erzeugnissen durch den Patentinhaber] in einem Mitglicdstaat, der das [Patentrecht] nicht anerkennt, kann somit keine Auswirkungen auf das diesem [Patentinhaber] durch die Rechtsvorschriften eines anderen Mitglicdstaats gewährte Recht haben, [den Parallelimport dieses Erzeugnisses] in diesem Mitglicdstaat zu unterbinden.“

135.

Professor Joliét hat sehr überzeugend erläutert, weshalb die Begründung des Urteils Warner Brothers/Christiansen der des Urteils Merck/Stephar vorzuziehen ist. Die Erschöpfungslehre beruhe darauf, daß im ausführenden und im einführenden Mitgliedstaat parallele Befugnisse bestünden; die Entscheidung, die Lehre ohne diesen Parallelismus anzuwenden, laufe auf eine Angleichung der schutzfreundlicheren Regelung des einführenden Mitgliedstaats an die weniger schutzfreundliche Regelung des ausführenden Mitgliedstaats und damit letztlich auf eine rechtspolitische Entscheidung hinaus, die den Mitgliedstaaten vorbehalten sei ( 149 ). Es gibt für mich im Zusammenhang mit dem freien Warenverkehr keinen überzeugenden Grund, warum die frühere spanische und portugiesische Rechtspolitik, die Patentierbarkeit von pharmazeutischen Erzeugnissen nicht anzuerkennen, anderen Mitgliedstaaten aufgezwungen werden sollte, die diese besondere Politik bereits Jahre zuvor aufgegeben hatten, bevor die Beitrittsakte Spanien und Portugal verpflichtete, dem zu folgen.

136.

Der Gerichtshof wählte in dem jüngst ergangenen Urteil Ideal Standard eine ähnliche „rechtspolitische“ Begründung. Der komplizierte Sachverhalt dieser Rechtssache kann wie folgt zusammengefaßt werden: Bis 1984 war der Konzern American Standard in Frankreich und Deutschland über seine französischen und deutschen Tochtergesellschaften Inhaber des Warenzeichens „Ideal Standard“ für Sanitärartikel und Heizungsanlagen. Im Juli 1984 veräußerte die französische Tochtergesellschaft das französische Warenzeichen „Ideal Standard“ für Heizungsanlagen an ein anderes französisches Unternehmen, das es später einer weiteren französischen Gesellschaft namens CICh übertrug. Keiner der französischen Rechtsnachfolger war mit dem Konzern American Standard verbunden. Das deutsche Unternehmen IHT brachte in Frankreich von CICh hergestellte Heizungsanlagen mit dem Warenzeichen „Ideal Standard“ in den Verkehr, wurde aber mit Anträgen auf Erlaß einstweiliger Verfügungen überzogen, die die deutsche Tochtergesellschaft des Konzerns American Standard (Ideal Standard GmbH) bezüglich der Verwendung des Warenzeichens in Deutschland stellte, obwohl sie die Herstellung und den Vertrieb von Heizungsanlagen 1976 eingestellt hatte.

137.

Die Bedeutung dieses Urteils für die vorliegenden Rechtssachen wird durch die besonderen Warenzeichenaspekte der aufgeworfenen Frage der Rechtserschöpfung gemindert, nämlich ob bei deutschen Verbrauchern Verwechslungsgefahr bestand und ob der Inhaber des deutschen Warenzeichens irgendein Mittel zur Qualitätskontrolle der eingeführten Erzeugnisse hatte ( 150 ). IHT machte indessen aufgrund der Rechtslage nach französischem Recht, das im Gegensatz zum deutschen Recht eine Übertragung des Warenzeichens nur für bestimmte Erzeugnisse zuläßt, geltend, die französische Tochtergesellschaft habe sich damit abgefunden, daß Erzeugnisse (wie Heizungsanlagen und Sanitärartikel), die aus verschiedenen Quellen stammten, im Gebiet ein und desselben Staates unter dem gleichen Warenzeichen vertrieben werden könnten; daher sei das Verhalten der deutschen Tochtergesellschaft, sich dem Vertrieb von Heizungsanlagen in Deutschland aus anderen Quellen unter dem Warenzeichen Ideal Standard zu widersetzen, rechtsmißbräuchlich. Dieses Vorbringen wurde vom Gerichtshof nachdrücklich mit Ausführungen zurückgewiesen ( 151 ), die für die vorliegenden Rechtssachen von Bedeutung sind:

„Folgte man dem Vorbringen von IHT, so würde die im Ausfuhrstaat geltende Regelung trotz der Territorialität der betreffenden Rechte auf den Einfuhrstaat, nach dessen Recht ein solches Zusammentreffen unzulässig ist, ausgedehnt.“

Meines Erachtcns gilt diese Erwägung mutatis mutandis auch für den vorliegenden Fall.

D — Aufgabe von Grundsätzen früherer Urteile

138.

Da ich dem Gerichtshof empfehle, sein Urteil Merck/Stcphar nicht länger anzuwenden, halte ich es für meine Pflicht, mich zu der Frage zu äußern, unter welchen Umständen sich der Gerichtshof für befugt halten sollte, eine frühere eindeutige Auslegung des Vertrages aufzugeben.

139.

Grundsätzlich ist der Gerichtshof natürlich durch seine früheren Urteile nicht in der Weise gebunden, wie die höchsten Gerichte der beiden Common-Law-Mitgliedstaaten es nach der Lehre von der Präjudizwirkung oder dem „stare decisis“ sind. Der irische Supreme Court geht, obgleich er dem Grundsatz der „Befolgung eines Präjudizes als normalem, ja fast allgemeingültigen Verfahren“ verpflichtet ist, aus zwingenden Gründen von seinen eigenen früheren Urteilen ab: „Wenn der Supreme Court der Meinung ist, daß ein zwingender Grund vorliegt, weshalb er einem eigenen früheren Urteil nicht folgen sollte, ... wenn es sich als eindeutig falsch erweist, ist er dann verpflichtet, den Irrtum fortzusetzen? So wünschenswert Sicherheit, Beständigkeit und Vorherschbarkeit des Rechts sein mögen, sie können meines Erachtcns keine Rechtfertigung für ein Gericht letzter Instanz sein, ein Urteil zu fällen, das aus zwingenden Gründen seiner Überzeugung nach falsch wäre.“ ( 152 ) Desgleichen äußerte das House of Lords in einer Erklärung zu seiner Rechtsprechungspraxis im Jahr 1966, daß „zu strenges Festhalten an Präjudizien im Einzelfall zu Ungerechtigkeit führen und auch die sachgemäße Entwicklung des Rechts ungehörig beeinträchtigen [kann]. [Ihre Lordschaften] beabsichtigen daher, ihre bisherige Praxis zu ändern und frühere Entscheidungen des House zwar normalerweise als bindend zu betrachten, von einer Entscheidung aber dann abzugchen, wenn dies angemessen erscheint.“ ( 153 ).

140.

Der Standpunkt des Gerichtshofes bezüglich der Befolgung von Grundsätzen, die er im Rahmen von Verfahren nach Ardkel 177 des Vertrages aufgestellt hat, wird von Generalanwalt Lagrange in seinen Schlußanträgen in der Rechtssache Da Costa wie folgt beschrieben:

„[Beim Vorabentscheidungsverfahren] handelt es sich ... um eine Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den innerstaatlichen Gerichten, mit Hilfe deren jene dringend zu wünschende einheitliche Auslegung durch die Rechtsprechung erfolgen soll: durch die Rechtsprechung und nicht durch Verordnungen. Das heißt, daß der Gerichtshof hier wie auf jedem anderen Gebiet in seinen künftigen Entscheidungen frei bleiben muß. Welche Bedeutung den Urteilen, die er über diese oder jene Fragen zu fällen hat, auch zukommt, worin auch immer sogar der abstrakte Charakter der Auslegung dieser oder jener Vertragsbestimmung besteht — oder zu bestehen scheint —, die goldene Regel der Relativität der Rechtskraftwirkung muß aufrechterhalten bleiben: Durch die seinen Entscheidungen innewohnende Überzeugungskraft, nicht durch die Rechtskraft, muß sich ein Gericht wie das unsere durchsetzen. Selbstverständlich wird niemand erwarten, daß der Gerichtshof seine Rechtsprechung ohne stichhaltige Gründe ändert, nachdem er ein Grundsatzurteil ... gefällt hat. Er muß sich aber das Recht bewahren, es zu tun.“ ( 154 )

141.

Der Gerichtshof selbst äußerte sich in seinem Urteil in dieser Rechtssache nicht grundsätzlich zur Frage der Relativität der Rechtskraft und der Präjudizwirkung. Wohl aber wies er die Auffassung der Kommission, die Vorlage zur Vorabentscheidung solle als gegenstandslos behandelt werden, da die Fragen mit den in der Rechtssache Van Gend & Loos ( 155 ) vorgelegten identisch seien, ausdrücklich zurück. Der Gerichtshof entschied zwar, daß er in dieser Vorlagesache dem Auslegungsersuchen stattgeben müsse, wiederholte dann aber lediglich die in dem früheren Fall gegebene Auslegung des Artikels 12 des Vertrages und entschied, daß „keine Veranlassung zu einer neuen Auslegung [besteht]“ ( 156 ).

142.

Es liegt gleichwohl auf der Hand, daß der Gerichtshof in der Praxis seiner früheren Rechtsprechung folgen sollte, falls nicht gewichtige Gründe vorliegen, dies nicht zu tun. Zunächst sind viele wichtige Aspekte des Gemeinschaftsrechts, u. a. auch das Verhältnis zwischen den Grundsätzen des freien Warenverkehrs und der Ausübung gewerblicher Schutzrechte, das im vorliegenden Verfahren unmittelbar angesprochen ist, im Vertrag nicht umfassend geregelt. Die anwendbaren Grundsätze und Normen des Gemeinschaftsrechts sind so weitgehend „Richterrecht“ und als Auslegung von Vertragsbestimmungen der Änderung oder Einschränkung durch gesetzgeberische Mittel nicht zugänglich. Zweitens gehört es von Haus aus zum System der Vorabentscheidung, daß die Hauptaufgabe des Gerichtshofes in dieser Hinsicht in der Wahrung einer einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts besteht. Folglich müssen sich die nationalen Gerichte auf Entscheidungen über die Auslegung von Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, die auf Vorlagen anderer nationaler Gerichte ergehen, verlassen können, und der Gerichtshof hat selbst in der Tat entschieden, daß bereits die Feststellung in einem Vorabentscheidungsurteil, daß eine bestimmte Vorschrift ungültig sei, ausreiche, ein nationales Gericht von der Pflicht zu befreien, eine Frage bezüglich dieser Vorschrift dem Gerichtshof vorzulegen ( 157 ). Die gleiche Erwartung, daß der Gerichtshof auf Beständigkeit in seiner Rechtsprechung sieht, bestimmt seine Entscheidung in der Rechtssache C. I. L. F. I. T. , daß eine Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof nicht besteht, wenn „bereits eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofes vorliegt, durch die die betreffende Rechtsfrage gelöst ist, gleich in welcher Art von Verfahren sich diese Rechtsprechung gebildet hat, und selbst dann, wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind“ ( 158 ). Dies kommt weiter in Artikel 104 §3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes zum Ausdruck, der bestimmt: „Stimmt eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage offensichtlich mit einer Frage übercin, über die der Gerichtshof bereits entschieden hat, so kann der Gerichtshof ... durch Beschluß entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist und auf das frühere Urteil verweist.“

143.

Damit ist nicht gesagt, daß sich der Gerichtshof weigern sollte, ein früheres Urteil zu überdenken, wenn viel dafür spricht, daß ganz oder teilweise unzutreffend entschieden wurde. Das Problem stellte sich in recht krasser Form in der Rechtssache „Tschernobyl“, als der Gerichtshof ersucht wurde, seine uneingeschränkte Schlußfolgerung in dem 20 Monate früher ergangenen Urteil „Ausschußwesen“ zu überdenken, wonach „es die anwendbaren Bestimmungen [des Vertrages] bei ihrem gegenwärtigen Stand dem Gerichtshof nicht erlauben, dem Europäischen Parlament die Befugnis zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage zuzuerkennen“ ( 159 ). In dem späteren Urteil mußte der Gerichtshof einräumen, daß „die Umstände der vorliegenden Rechtssache und ihre Erörterung ... jedoch gezeigt [haben], daß sich diese verschiedenen im EAG-Vertrag wie im EWG-Vertrag vorgesehenen Rechtsbehelfe, so nützlich und vielfältig sie auch sein mögen, als unwirksam oder ungewiß erweisen können“ ( 160 ), obwohl ebendiese Reehtsbehelfe in dem früheren Urteil geprüft worden waren und das Ergebnis des Gerichtshofes in der Rechtssache „Tschernobyl“ tatsächlich mit dem übereinstimmte, das Gencralanwalt Darmon in seinen Schlußanträgen in der früheren Rechtssache vorgeschlagen hatte.

144.

Eine ähnliche Situation entstand in der Rechtssache Keck und Mithouard ( 161 ), in der der Gerichtshof um Entscheidung darüber ersucht wurde, ob der in dem Urteil „Cassis de Dijon“ ( 162 ) aufgestellte Grundsatz auf Vorschriften über nationale Verkaufsmodalitäten sowie über die Zusammensetzung und Aufmachung von Erzeugnissen anwendbar ist. Der Gerichtshof bestätigte die Allgcmcingültigkeit des „Cassis“-Grundsatzcs, entschied aber, daß „entgegen der bisherigen Rechtsprechung die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitätcn beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten“ ( 163 ) nicht einmal zu den durch Artikel 30 verbotenen Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Urteils Dassonville ( 164 ) gehöre, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gälten und inländische und eingeführte Erzeugnisse in der gleichen Weise berührten.

145.

Das Urteil HAG II des Gerichtshofes ist in der vorliegenden Sache vielleicht am ehesten einschlägig. Hier hatte der Gerichtshof die Lehre vom gemeinsamen Ursprung der Warenzeichen zu überprüfen; er hatte sie im Urteil HAG I aufgestellt, in dem er entschieden hatte, es sei mit dem freien Warenverkehr nicht vereinbar, wenn man sich auf ein Warenzeichen berufe, um die Einfuhr eines Erzeugnisses verbieten zu lassen, das in einem anderen Mitgliedstaat, in dem die beiden Zeichen ihren gemeinsamen Ursprung hätten, rechtmäßig mit einem Warenzeichen versehen werde. In seinen überzeugenden Schlußanträgen kam Generalanwalt Jacobs zu dem Ergebnis, daß die Lehre vom gemeinsamen Ursprung weder eine Grundlage im Vertrag noch auch sonst eine rationale Grundlage habe und ihre Beibehaltung unvereinbar mit späteren Entwicklungen in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Verhältnis zwischen dem freien Warenverkehr und dem Schutz der Immaterialgüterrechte sei ( 165 ). Zu Beginn seines Urteils stellte der Gerichtshof ausdrücklich fest, daß er „es für erforderlich hält, die in jenem Urteil vorgenommene Auslegung im Lichte der Rechtsprechung zu überprüfen, die inzwischen zur Frage des Verhältnisses zwischen dem gewerblichen und kommerziellen Eigentum und den allgemeinen Bestimmungen des Vertrages, insbesondere im Bereich des freien Warenverkehrs, ergangen ist“ ( 166 ). Der Gerichtshof betonte dann die Bedeutung des Warenzeichenrechts für die Sicherstellung der Bedingungen eines unverfälschten Wettbewerbs, ermittelte den spezifischen Gegenstand des Warenzeichenrechts und legte dann das Fehlen jeglicher Zustimmung seitens des Inhabers des Warenzeichenrechts als „entscheidenden Faktor“ in Sachverhalten wie dem fest, der Anlaß zu der betreffenden Rechtssache gewesen war. Der Gerichtshof kam zu dem Ergebnis: „Könnte der Rechtsinhaber unter diesen Umständen nicht von der ihm durch die nationalen Rechtsvorschriften eingeräumten Befugnis Gebrauch machen, sich der Einfuhr eines gleichartigen Erzeugnisses unter einer mit seinem eigenen Warenzeichen verwechslungsfähigen Bezeichnung zu widersetzen, so wäre die Hauptfunktion des Warenzeichens gefährdet ... An diesem Ergebnis kann auch der Umstand nichts ändern, daß das nach den nationalen Rechtsvorschriften geschützte Warenzeichen und das gleichartige Warenzeichen ... ursprünglich demselben Inhaber gehört haben, dem eines dieser Zeichen durch Enteignung in einem der beiden Staaten vor der Gründung der Gemeinschaft entzogen worden ist.“ ( 167 )

146.

Obwohl die vorstehend aufgezeigten Urteile zu wenige sind, um weitgehende Verallgemeinerungen zuzulassen, ist doch sichtbar geworden, daß der Gerichtshof frühere Urteile überdenkt und ihnen gegebenenfalls nicht mehr folgt, die möglicherweise auf einer fehlerhaften Anwendung eines grundlegenden Prinzips des Gemeinschaftsrechts beruhen, die eine Bestimmung des Vertrages auf Sachverhalte für anwendbar halten, die eigentlich außerhalb ihres Anwendungsbereichs liegen, oder die im Ergebnis zu einem unausgewogenen Verhältnis zwischen widerstreitenden Grundsätzen, wie etwa zwischen dem freien Warenverkehr und dem Schutz von Immaterialgüterrechten und gewerblichen Schutzrechten, führen.

147.

Aus den bereits angeführten Gründen bin ich der Auffassung, daß der Gerichtshof im Urteil Merck/Stephar die Betonung in unzutreffender Weise und zu Lasten der nationalen Patentrechte auf die Erfordernisse des freien Warenverkehrs gelegt hat. Obwohl ich annehmen möchte, daß die in diesem Urteil vorgenommene Verteilung der Gewichte nicht länger maßgebend sein sollte, bin ich doch auch der Auffassung, daß der Gerichtshof sorgfältig die Notwendigkeit prüfen sollte, die Rückwirkung eines neuen Urteils, mit dem die Begründung des Urteils Merck/Stephar verworfen wird, einzuschränken ( 168 ).

E — Alternative zum Abgehen vom Urteil Merck/Stephar

148.

Die dritte Frage des vorlegenden Gerichts wirft das Problem auf, ob zwar zunächst das Urteil Merck/Stephar im allgemeinen befolgt werden sollte, ob dann aber hilfsweise, wenn vier besondere Faktoren (einzeln oder zusammen) gegeben sind, der Patentinhaber in einem Mitgliedstaat sich nicht doch der Einfuhr von patentgeschützten Erzeugnissen widersetzen können müßte, die in Spanien und Portugal nach dem Beitritt dieser Länder, aber zu einer Zeit, zu der sie dort nicht durch ein Patent geschützt werden konnten, in den Verkehr gebracht worden sind. Die Relevanz dieser Faktoren besteht darin, daß sie belegen könnten, daß Erzeugnisse damals (anders als vielleicht heute) nicht freiwillig in den Verkehr gebracht wurden. Aus den angeführten Gründen sollte der Gerichtshof meines Erachtens das Urteil Merck/Stephar nicht länger anwenden. Sollte der Gerichtshof meinem Vorschlag aber nicht folgen, möchte ich ihm hilfsweise vorschlagen, zu entscheiden, daß keiner der vom vorlegenden Gericht aufgezeigten Faktoren und keines der alternativen Argumente der Klägerinnen eine ausreichende Rechtfertigung für eine Einschränkung des Urteils Merck/Stephar bietet.

i) Rechtspflicht zum Inverkehrbringen

149.

Als eines der stärksten möglichen Argumente in diesem Zusammenhang führt das vorlegende Gericht die Geltung einer Rechtspflicht an, den spanischen und portugiesischen Markt mit den betreffenden Erzeugnissen zu beliefern. In den dem Gerichtshof eingereichten Erklärungen besteht allgemeine Einigkeit darüber, daß für den Fall, daß ein Pharmaunternehmen entweder nach nationalem oder nach Gcmeinschaftsrccht verpflichtet ist, einen bestimmten nationalen Markt mit einem bestimmten Erzeugnis zu beliefern, nicht mehr davon gesprochen werden kann, es habe dem ersten Inverkehrbringen seines Erzeugnisses in diesem Mitgliedstaat zugestimmt. Um die Worte des Gerichtshofes im Urteil Merck/Stephar zu gebrauchen: Es läßt sich nicht sagen, ein Patentinhaber, der zum Inverkehrbringen verpflichtet ist, habe „in voller Kenntnis der Sachlage über die Bedingungen, unter denen er sein Erzeugnis in den Verkehr bringt“ ( 169 ), entschieden.

150.

Das Urteil Pharmon/Hoechst bedeutet, daß die Erteilung einer Zwangslizenz die Zustimmung des Patentinhabers ausschließt, selbst wenn diesem bei Anmeldung des Patents die nationale Politik der Einräumung solcher Lizenzen bekannt war. Meines Erachtens kann kein sachlicher Unterschied zwischen der Erteilung einer Zwangslizenz und der effektiven Pflicht zur Belieferung eines Marktes bestehen, ob sie dem Patentinhaber oder seinem Rechtsnachfolger nun durch Gesetz oder durch Verwaltungshandeln auferlegt wird. Wie sich aus den in dieser Rechtssache eingereichten Erklärungen ergibt, wird ein Mitgliedstaat, der ein Pharmaunternehmen zwingen möchte, ein bestimmtes Erzeugnis in sein Hoheitsgebiet zu liefern, dies wahrscheinlich dadurch zu bewirken versuchen, daß er Zwangslizenzen erteilt oder ihre Erteilung androht.

151.

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, die zuständigen nationalen Behörden seien nach spanischem und portugiesischem Recht tatsächlich in der Lage, Pharmaunternehmen, die eine Genehmigung zum Inverkehrbringen für bestimmte pharmazeutische Erzeugnisse erhalten hätten, zu zwingen, diese Erzeugnisse auch in den Verkehr zu bringen. Dies wird von Primecrown und der spanischen Regierung (in ihrer mündlichen Erklärung) bestritten. Es fällt in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts, ihre Richtigkeit nach Maßgabe der nationalen Bestimmungen über den Beweis nationaler Rechtsvorschriften zu ermitteln.

152.

Primecrown unterscheidet zwischen einer freiwilligen Entscheidung zum erstmaligen Inverkehrbringen von Erzeugnissen und einer späteren Pflicht, die Lieferungen fortzusetzen. Diese Unterscheidung ist aber für die gemeinschaftsrechtliche Lehre von der Erschöpfung der Rechte nicht relevant. Wie Beecham in der Sitzung zutreffend ausführte, gelten die Gemeinschaftsgrundsätze für den freien Warenverkehr für das Inverkehrbringen eines bestimmten Erzeugnisses; die Zustimmung zum Inverkehrbringen eines solchen Erzeugnisses schließe nicht aus, daß spätere Partien dieses Erzeugnisses unter Zwang in den Verkehr gebracht würden. Wenn das vorlegende Gericht feststellt, daß die Behörden des Ausfuhrmitgliedstaats die Pharmaunternehmen gezwungen haben, die Lieferungen fortzusetzen, dann kann ein solches Inverkehrbringen meines Erachtens, soweit es das Gemeinschaftsrecht betrifft, nicht das Ergebnis einer freien Entscheidung sein. Der spätere Rückgriff dieser Unternehmen auf Rechte nach dem Patentrecht des Einfuhrmitgliedstaats (hier das Recht des Vereinigten Königreichs), um Parallelimporte dieser besonderen Einheiten ihres Erzeugnisses zu unterbinden, kann nach Maßgabe des Artikels 36 des Vertrages gerechtfertigt werden. Andererseits würde die bloße Existenz solcher Rechtsvorschriften, wenn sie nicht geltend gemacht wurden, diese Wirkung nicht haben, ebensowenig wie die in der Rechtssache Pharmon/Hoechst angeführte bloße Existenz von Zwangsbefugnissen ausgereicht hätte, ein freiwilliges Inverkehrbringen auszuschließen, wenn Hoechst in diesem Fall so gehandelt hätte. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß irgendwelche Zwangsbefugnisse gegen eine der Klägerinnen in Spanien oder Portugal eingesetzt worden wären.

153.

Die Klägerinnen haben auch auf die Möglichkeit hingewiesen, daß der Patentinhaber oder sein Rechtsnachfolger, wenn ein patentiertes pharmazeutisches Erzeugnis erstmals auf einem bestimmten nationalen Markt in den Verkehr gebracht worden sei, aufgrund der Artikel 85 oder 86 des Vertrages verpflichtet sein könnte, die Lieferungen fortzusetzen. Die Umstände, unter denen diese Vorschriften herangezogen werden könnten, um die Zustimmung auszuschließen, sind meines Erachtens in der Erörterung nicht eingehend genug behandelt worden, um die weitreichende Folgerung der Klägerinnen zu rechtfertigen. Zunächst einmal ist nicht vorgetragen worden, daß bisher irgendwelche auch nur ansatzweise Schritte zu Maßnahmen gegen eine der Klägerinnen auf nationaler oder auf Gemeinschaftsebene unternommen worden wären. Es geht bestenfalls um Spekulationen. Die Anwendung des Artikels 85 würde voraussetzen, daß eine der Klägerinnen an Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen beteiligt wäre, „welche ...eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken“. Natürlich trägt keine der Klägerinnen vor, daß sie in dieser Lage wäre. Ich wäre auf jeden Fall nur ungern bereit, einem Unternehmen die Berufung auf seine Beteiligung an einer solchen Betätigung nur zu dem Nachweis zu gestatten, daß sein Inverkehrbringen nicht freiwillig war, sondern lediglich einen Verstoß gegen Artikel 85 vermeiden helfen sollte. Ganz ähnliche Erwägungen müßten auch für das auf Artikel 86 abstellende Vorbringen gelten, außer daß die Klägerinnen oder eine von ihnen nachweisen müßten, daß sie auf einem erheblichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung innehatten, was im Hinblick auf den hohen Grad der Substituierbarkeit pharmazeutischer Erzeugnisse keine leichte Aufgabe wäre. Die Äußerung der Besorgnis, andere könnten Vorwürfe eines wettbewerbswidrigen Verhaltens erheben, sind für eine ernsthafte Erwägung dieses Vorbringens durchaus keine geeignete Grundlage.

154.

Bevor ich auf denkbare moralische Verpflichtungen zu sprechen komme, möchte ich einen wichtigen praktischen Aspekt all dieser möglichen Gründe rechtlichen Zwangs herausstellen. Sic bedeuten, daß ein nationales Gericht in einem (Einfuhr-) Mitgliedstaat den Regelungsgehalt von Rechtsvorschriften eines anderen (Ausfuhr-) Mitgliedstaats zu würdigen oder aber zu beurteilen hat, ob die Anwendung des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts in diesem Mitgliedstaat sich so ausgewirkt hat, daß der Patentinhaber tatsächlich gezwungen war, bestimmte pharmazeutische Erzeugnisse zu verkaufen oder weiterhin zu verkaufen. Obwohl es zweifellos Verfahrensregeln in den verschiedenen Mitglicdstaaten gibt, die eine angemessene Beweisführung bezüglich der rechtlichen und/oder tatsächlichen Lage in einem anderen Mitgliedstaat ermöglichen, wäre die Forderung an die nationalen Gerichte, diese Aufgabe im Rahmen der Anwendung einer Ausnahme von den Vertragsgrundsätzen des freien Warenverkehrs wahrzunehmen, doch zwangsläufig zumindest als Ursache eines möglichen Konfliktes anzusehen. Für den Fall, daß ein solcher Konflikt zwischen nationalen Rechtsvorschriften und dem Gemeinschaftsrecht entstünde, läßt sich nur schwer abschätzen, wie selbst eine Vorlage an den Gerichtshof ihn lösen könnte. Würde der Begriff der Zustimmung im Urteil Mcrck/Stephar im Zusammenhang mit rechtlichem Zwang eingeschränkt, statt daß von diesem Urteil abgegangen würde, so könnte dies meines Erachtens womöglich mehr Probleme schaffen als lösen.

ii) Moralische Pflicht zum Inverkehrbringen

155.

Die Klägerinnen haben ferner geltend gemacht, der Merck/Stephar-Grundsatz solle dergestalt eingeschränkt werden, daß eine Ausnahme gelte, wenn der freie Wille des Inhabers eines Patents, zumindest eines solchen für pharmazeutische Erzeugnisse, bei der Entscheidung über das Inverkehrbringen durch zwingende moralische Pflichten beeinflußt sei. Die Klägerinnen tragen mit Unterstützung der dänischen, der schwedischen und der italienischen Regierung und anfangs auch der Kommission im wesentlichen vor, pharmazeutische Erzeugnisse würden entwickelt, um spezifische Bedürfnisse der Gesundheitsvorsorge zu befriedigen, und Pharmaunternehmen seien wegen der großen Bedeutung dieser Bedürfnisse für die menschliche Gesundheit verpflichtet, solche Erzeugnisse in möglichst vielen Ländern in den Verkehr zu bringen.

156.

Dieses Vorbringen ist für mich von einigem Gewicht. Ich ziehe die Behauptung der Klägerinnen, daß sie eine allgemeine moralische Politik verfolgen, um die weitestmögliche Erhältlichkeit ihrer Erzeugnisse und die entsprechende Pharmakontrolle sicherzustellen, nicht in Zweifel. Die Klägerinnen haben geltend gemacht, eine moralische Pflicht in bezug auf ein bestimmtes Erzeugnis sei nicht rein subjektiv, sondern könne tatsächlich an den Bedürfnissen oder der Nachfrage der öffentlichen Gesundheitsvorsorge nach diesem Erzeugnis gemessen werden. Somit könne ein Pharmaunternehmen, auch wenn es bei seiner Entscheidung, ein Erzeugnis auf einem bestimmten Markt in den Verkehr zu bringen oder das Inverkehrbringen fortzusetzen, zugleich geschäftlichen Erwägungen Raum geben und doch in der Lage sein nachzuweisen, daß es nicht frei handele.

157.

Ich glaube indessen nicht, daß die Verfolgung einer moralischen Politik durch Pharmaunternehmen im Einklang mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit u. a. für Parallelhändler von den gleichzeitigen geschäftlichen Erwägungen getrennt werden kann, die ihre Entscheidungen über das Inverkehrbringen beeinflussen. Moralischer Druck zur Belieferung mit einem Erzeugnis könnte zum Beispiel von den Medizinern in einem bestimmten Mitgliedstaat ausgeübt werden, so daß die Unterlassung der Belieferung dem Ruf und den geschäftlichen Interessen des Pharmaunternehmens schaden würde. Die angenommene moralische Pflicht ist selbstdefiniert und wird von den beiden Klägerinnen leicht unterschiedlich umschrieben. Einen objektiven Bestand an Regeln gibt es nicht. Allenfalls sind hier einige Beispiele für Unternehmen angeführt worden, die sich von Grundsätzen leiten lassen. Mir ist nicht ersichtlich, wieso ein Unternehmen moralisch verpflichtet sein sollte, die Gesundheitsbehörden eines Mitgliedstaates zu beliefern, in dem z. B. die Preise so niedrig festgesetzt sind, daß Verluste entstehen müssen. Auch ist nicht ohne weiteres zu erkennen, daß eine moralische Pflicht zur Belieferung in jedem Fall bestünde, besonders wenn die relevanten Gesundheitsbedürfnisse angemessen durch Generika befriedigt werden.

158.

Die Klägerinnen haben eingeräumt, daß sie, sollte der Gerichtshof entscheiden, daß die mögliche Geltung einer solchen Pflicht für die Anwendung des Merck/Stephar-Grundsatzes erheblich ist, gezwungen wären, dem vorlegenden Gericht unabhängiges Beweismaterial über die moralischen Faktoren in Zusammenhang mit den einzelnen Erzeugnissen vorzulegen, die angeblich ihren freien Willen bezüglich des Verkaufs solcher Erzeugnisse in Spanien und Portugal beeinträchtigt haben. Wie die Regierung des Vereinigten Königreichs in der Sitzung zutreffend ausführte, „könnten erhebliche Eingriffe in den wichtigen Gemeinschaftsgrundsatz des freien Warenverkehrs erfolgen und würden beträchtliche Unsicherheiten für Parallelimporteure und Hersteller zugleich entstehen, wenn entschieden würde, daß der Begriff der Zustimmung solche Pflichten umfaßt“. Ich bin überzeugt, daß moralische Erwägungen allenfalls ein nicht zwingender Grund für die Entscheidung sein können, ein bestimmtes pharmazeutisches Erzeugnis in den Verkehr zu bringen, aber zum Beispiel nicht einer zwingenden Verpflichtung zum Inverkehrbringen gleichgestellt werden können, die einem Patentinhaber von einer zuständigen und hierzu befugten nationalen Behörde auferlegt wird. Würde man anerkennen, daß die Zustimmung zum ersten Inverkehrbringen, die für den Merck/Stcphar-Grundsatz von zentraler Bedeutung ist, im Lichte solcher Erwägungen nachgewiesen werden müßte, so würde man meiner Meinung nach den gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz in seiner Anwendung auf Patente einer erheblichen Unsicherheit aussetzen. Ich wäre insbesondere besorgt, daß bei Anerkennung einer Einschränkung aus moralischen Gründen, wie Primecrown tatsächlich ausführt, die erheblichen finanziellen Ressourcen solcher Patentinhaber dazu verwendet würden, die Tätigkeit von Parallclhändlern zu behindern.

159.

Es gibt einen weiteren und noch zwingenderen Grund, dieses Vorbringen zurückzuweisen. Obwohl in der Rechtssache Merck/Stephar möglicherweise moralische Überlegungen nicht als Rechtfertigung der Behinderung von Parallelimporten vorgebracht wurden, ist die Relevanz eines solchen Vorbringens doch bereits in der Rechtssache Centrafarm/Sterling Drug vom Gerichtshof (und vom Generalanwalt) verneint worden. Eine der Fragen des vorlegenden Gerichts in dieser Rechtssache ging dahin, „ob der Patentinhaber die Rechte aus dem Patent unbeschadet der Bestimmungen des Gemeinschaftsrcchts über den freien Warenverkehr ausüben darf mit der Begründung, er müsse den Vertrieb eines pharmazeutischen Produkts überwachen können, um die Öffentlichkeit vor den Gefahren zu bewahren, die von fehlerhaften Produkten ausgehen“ ( 170 ). Die Antwort des Gerichtshofes ist aufschlußreich:

„Da der Schutz der Öffentlichkeit vor den Gefahren, die aus fehlerhaften Arzneimitteln erwachsen, ein berechtigtes Anliegen ist, gestattet Artikel 36 des Vertrages den Mitgliedstaaten, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen und Tieren von den Bestimmungen über den freien Warenverkehr abzuweichen. Die zu diesem Zweck erforderlichen Maßnahmen müssen indessen so beschaffen sein, daß sie als solche der Gesundheitspflege zu dienen bestimmt sind und nicht erst auf dem Umweg über Vorschriften des gewerblichen und kommerziellen Rechtsschutzes diesen Zweck erfüllen.

Im übrigen unterscheidet sich der Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums seinem spezifischen Gegenstand nach vom Schutz der Öffentlichkeit und den damit einhergehenden etwaigen Verpflichtungen.“ ( 171 )

160.

Der Gerichtshof hat zweifellos zu Recht Fragen der Volksgesundhcit von der Frage des Schutzes von Immaterialgüterrechten und gewerblichen Schutzrcchtcn getrennt. Wie Gcneralanwalt Trabucchi treffend sagte: „Der Schutz der Volksgesundhcit hat mit diesem vom Privatrecht abgesteckten Schutzzweck des gewerblichen Eigentums nichts zu tun.“ ( 172 ) Meiner Meinung nach stellen die pharmakologischen Faktoren, die die Klägerinnen in den vorliegenden Rechtssachen als ethische Pflicht zum Inverkehrbringen darstellen, lediglich eine andere Umschreibung dieser in der Rechtssache Centrafarm/Sterling Drug geäußerten Besorgnisse dar. Die von den Klägerinnen angeführte moralische Pflicht zum Vertrieb ihrer Erzeugnisse in Spanien und Portugal bedeutet zugleich, daß sie eine von ihnen selbst festgelegte Rolle als Hüter der Volksgesundheit in diesen Ländern übernommen haben.

161.

Schließlich denke ich, daß es, sollte der Gerichtshof nunmehr solche Erwägungen als relevant ansehen, schwierig wäre, Kriterien zu entwickeln, deren Relevanz in überzeugender Weise auf den Parallelhandel mit patentgeschützten Erzeugnissen beschränkt wäre, die erstmals in Mitgliedstaaten verkauft worden sind, in denen kein Patentschutz bestand. Wenn ein Pharmaunternehmen sich darauf berufen könnte, daß es moralisch verpflichtet gewesen sei, eines seiner patentgeschützten Erzeugnisse in einem solchen Land in den Verkehr zu bringen, warum sollte es nicht geltend machen können, daß ähnliche Überlegungen es zwangen, das gleiche Erzeugnis in anderen Mitgliedstaaten in den Verkehr zu bringen, in denen ein solcher Schutz bestand? Den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen zum Zusammenhang zwischen staatlicher Preisregelung und der Höhe der Preise von patentgeschützten Erzeugnissen läßt sich entnehmen, daß Pharmaunternehmen, selbst wenn ihnen Patentschutz zustände, mit dem Preisniveau in einem bestimmten Mitgliedstaat unzufrieden sein könnten. Merck trägt vor, es lasse sich bei der Entscheidung, ob seine Erzeugnisse auf einem bestimmten Markt in den Verkehr gebracht werden, niemals durch Preise beeinflussen. Unter diesen Umständen könnten Pharmaunternehmen, sollte der Gerichtshof moralische Erwägungen als relevant betrachten, geltend zu machen versuchen, sie seien moralisch gezwungen gewesen, ihre Erzeugnisse trotz der in ihren Augen wirtschaftlich unvertretbaren reglementierten Preise in den Verkehr zu bringen. Ich glaube nicht, daß die Geltung oder das Fehlen von Patentschutz eine befriedigende Grundlage liefern könnte, um die Relevanz moralischer Erwägungen in beiden Fällen unterschiedlich behandeln zu können.

iii) Staatliche Preisregelung

162.

Das vorlegende Gericht hat die Frage aufgeworfen, ob eine staatliche Preisregelung allein oder zusammen mit einer rechtlichen oder moralischen Pflicht zum Inverkehrbringen oder zu dessen Fortführung eine Einschränkung des Merck/Stephar-Grundsatzes rechtfertigen könnte. Es sei zunächst darauf hingewiesen, daß sich nach den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen die Natur öffentlicher Preisregelungen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterscheidet; in einigen, wie z. B. Spanien und Portugal, setzen offenbar die nationalen Behörden die Preise fest, während sie in anderen zwischen der Industrie und den zuständigen Behörden frei vereinbart werden oder überhaupt keine formellen Regelungen bestehen.

163.

Außerdem ist zu betonen, daß das vorlegende Gericht eindeutig feststellte, die Rechtmäßigkeit der Preisfestsetzungsmethoden der spanischen und portugiesischen Behörden sei im Ausgangsverfahren nicht streitig gewesen. Dies stimmt natürlich völlig mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes überein. In der Rechtssache Centrafarm/Sterling Drug wurde der Gerichtshof gefragt, ob der Patentinhaber sich im Einfuhrstaat der Einfuhr widersetzen könne, falls infolge staatlicher Maßnahmen der Preisregelung im Ausfuhrland, mit denen der Preis des geschützten Erzeugnisses kontrolliert werden solle, die Preise auseinandergingen. Der Gerichtshof antwortete, zwar habe die Gemeinschaft die Aufgabe, die Maßnahmen der Preisrcgelung in den Mitglicdstaatcn zu harmonisieren, soweit sie geeignet seien, den Wettbewerb zwischen den Mitglicdstaatcn zu verfälschen, doch berechtige die Tatsache, daß in einem Mitgliedstaat solche Faktoren wirksam seien, „einen anderen Mitgliedstaat ... nicht, Maßnahmen aufrechtzuerhalten oder einzuführen, die mit den Bestimmungen über den freien Warenverkehr, namentlich auf dem Gebiet des gewerblichen und kommerziellen Eigentums, unvereinbar sind“ ( 173 ). In den dem Gerichtshof eingereichten Erklärungen ist in der Tat nicht behauptet worden, daß irgendein Mitgliedstaat sein System der Preisrcgelung so anwende, daß eingeführte Arzneimittel diskriminiert würden. Wie eine Reihe von Mitglicdstaatcn und die Kommission zu Recht ausgeführt haben, ist, solange harmonisierte gemeinschaftliche Preisregelungsmaßnahmcn fehlen, der Versuch der Mitgliedstaaten, die Preise pharmazeutischer Erzeugnisse zu begrenzen, als Teil ihrer Volksgcsundheits-und Sozialversicherungspolitik, mit der die angemessene Versorgung mit kostengünstigen Arzneimitteln sichergestellt werden soll, ganz eindeutig zulässig. Daß die Durchführung dieser Preisregelung zusammen mit verschiedenen anderen Faktoren die möglichen Gewinne der Inhaber von Patenten für pharmazeutische Erzeugnisse beeinträchtigen kann, ist für die Ermittlung des Gleichgewichts zwischen dem freien Arzneimittelverkehr und dem Schutz nationaler Patentrechte nicht erheblich.

164.

Das Problem, das mit der dritten Frage des vorlegenden Gerichts aufgeworfen wird, ist indessen, ob das Zusammenwirken solcher staatlicher Preisrcgclungcn in Verbindung mit fehlendem Patentschutz in einem Mitglicdstaat ein Faktor ist, der eine Einschränkung des Merck/Stephar-Grundsatzes rechtfertigen könnte; sollte ein Patentinhaber, der ein patentgeschütztes Erzeugnis in einem solchen Mitglicdstaat verkauft hat, sich bei Einfuhr dieser Erzeugnisse in einen anderen Mitgliedstaat durch einen Parallelhändler auf sein nationales Patentrecht berufen dürfen? Um die Standpunkte der Parteien des Ausgangsverfahrens und der übrigen Beteiligten zu diesem Problem zu klären, ersuchte der Gerichtshof sie, in ihren mündlichen Erklärungen auf die Frage einzugehen, ob zwischen dem Umstand, daß ein Erzeugnis nicht durch ein Patent geschützt werden kann, und dem Niveau der Preise pharmazeutischer Erzeugnisse in einem bestimmten Mitglicdstaat ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht, sowie, falls dies der Fall ist, die Gründe zu behandeln, warum eine solche Nichtanerkennung von Patenten für pharmazeutische Erzeugnisse Einfluß auf die Preisgestaltung durch die Behörden dieses Staates hat. Die Klägerinnen, die in unterschiedlicher Abstufung von den beteiligten Regierungen und von der Kommission unterstützt wurden, legten dar, daß die Nichtanerkennung von Patenten an pharmazeutischen Erzeugnissen die Stellung des Patentinhabers bei den Preisverhandlungcn schwäche. Bis der Patentinhaber seine Genehmigung für das Inverkehrbringen erhalte, hätten diese Behörden wahrscheinlich bereits Anträge von Nachahmern auf eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erhalten. Das verändere das Gleichgewicht der Verhandlungsmacht grundlegend; die Behörden seien in der Lage, den amtlichen Preis unter Zugrundelegung der Kosten sowie einer angemessenen Gewinnspanne dieser Nachahmer festzusetzen, was eindeutig nicht der Fall sei, wenn der Patentinhaber Patentschutz genieße. Die Behörden wüßten, daß ihre Märkte, sollte der Patentinhaber sich weigern, den angebotenen Preis zu akzeptieren, höchstwahrscheinlich von Nachahmern beliefert würden, die angesichts ihrer niedrigeren Gemeinkosten und minimaler Forschungskosten mit einem niedrigeren Preis einverstanden sein könnten. Beecham machte geltend, die Argumente, die Spanien gegen die Gültigkeit der Zertifikatsverordnung vorbringe, zeigten, daß sich die spanische Regierung des Zusammenhangs zwischen Patentschutz und Preisen wohlbewußt sei ( 174 ). Primecrown bestritt, daß notwendig ein Zusammenhang zwischen staatlichen Preisregelungen und Patentschutz bestehe. Diese Auffassung wurde insbesondere von der Kommission und der Regierung des Vereinigten Königreichs geteilt, die jeweils auf die Vielzahl von Faktoren hinwiesen, die die Preise pharmazeutischer Erzeugnisse beeinflußten ( 175 ).

165.

Im wesentlichen machen die Klägerinnen geltend, sie dürften nicht so behandelt werden, als hätten sie dem ersten Inverkehrbringen der patentgeschützten Erzeugnisse in Spanien und Portugal zugestimmt, weil das Fehlen des Patentschutzes in diesen Staaten ihre Möglichkeiten, Einfluß auf die für diese Märkte festgesetzten Preise zu nehmen, erheblich verringert habe. Dieses Vorbringen läßt die verschiedenen anderen Faktoren außer acht, die Arzneimittelpreise auf einem bestimmten Markt beeinflussen. Ich halte es nicht für möglich, ohne Rückgriff auf das, was die Regierung des Vereinigten Königreichs in der Sitzung als „intensive Wirtschaftsanalyse“ bezeichnete, einen Satz von durch die nationalen Gerichte anzuwendenden Kriterien zu entwickeln, der die Feststellung erlauben würde, ob das Fehlen des Patentschutzes der hauptsächlich entscheidende Faktor für den von einer Regierung für einen bestimmten Markt festgesetzten Preis war, ohne damit zugleich die Methode der Preisregelung durch diese Regierung in Frage zu stellen.

166.

Meiner Meinung nach sollte die verzerrende Wirkung des Fehlens von Patentschutz in Verbindung mit einer nationalen Preisregelung als weitere Stütze der von mir bereits dargelegten Auffassung über die Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungslehre in den Fällen gelten, in denen Erzeugnisse zuerst in einem Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht werden, der Patentschutz nicht anerkennt. Ich bin daher überzeugt, daß der angemessenste Weg, der beeinträchtigten Verhandlungsposition der Inhaber von Patenten an pharmazeutischen Erzeugnissen in Mitgliedstaaten, in denen ihre Patente nicht anerkannt werden, Rechnung zu tragen, die Aufgabe des Merck/Stephar-Grundsatzes ist. Dieser Denkansatz läßt die Notwendigkeit entfallen, Kriterien zu entwickeln, die die nationalen Gerichte zwingen, ausführliche wirtschaftliche Analysen des Zusammenhangs zwischen Preisregelungen und fehlender Patentierbarkeit durchzuführen, um den Punkt zu bestimmen, von dem an die Freiwilligkeit der Entscheidung, ein Erzeugnis in den Verkehr zu bringen, durch das Fehlen des Patentschutzes aufgehoben ist.

VII — Zeitliche Wirkungen des Urteils des Gerichtshofes

167.

Der Gerichtshof ist befugt, die Rückwirkung einer Auslegung des Gemeinschaftsrechts „in dem Urteil selbst..., durch das über das Auslcgungscrsuchcn entschieden wird,“ einzuschränken ( 176 ). Von der Ausübung dieser Befugnis sollte er sich nicht dadurch abschrecken lassen, daß nur schwer vorauszusehen ist, in welchem Umfang Wirtschaftsteilnehmer möglicherweise auf der Grundlage des Urteils Merck/Stephar Rechtsverhältnisse begründet haben. Einerseits betrifft die mögliche Ungerechtigkeit gegenüber Parallelhändlern nur die Zeit nach Ablauf der vorübergehenden Ausnahme nach den Artikeln 47 und 209 der Beitrittsakte. Andererseits sollte der Gerichtshof die Möglichkeit eines ähnlichen Parallelhandels zwischen den anderen Mitglicdstaatcn und z. B. Finnland oder Griechenland bedenken, die die Patentierbarkeit pharmazeutischer Erzeugnisse erst kürzlich anerkannt haben. Dem Gerichtshof ist die Natur wie auch das Ausmaß von Engagements für einen solchen Handel weder für diese Staaten noch für Spanien oder Portugal bekannt, aber die Möglichkeit einer Ungerechtigkeit gegenüber nur einem Händler, der auf das vorherrschende Verständnis des Merck/Stephar-Grundsatzes vertraut hat, ist bereits genug.

Der Grundsatz, daß die Auslegung einer Norm des Gemeinschaftsrechts durch den Gerichtshof ex tunc wirkt, sollte meines Erachtens in den vorliegenden Rechtssachen nicht angewandt werden.

168.

Bei einer solchen zeitlichen Begrenzung müßte der Gerichtshof nicht über seine gefestigte Rechtsprechung hinausgehen. Der Gerichtshof hat anerkannt, daß das Interesse der Rechtssicherheit eine Beschränkung der zeitlichen Wirkungen eines Urteils rechtfertigen kann ( 177 ). Generalanwalt Tesauro hat die beiden Grundsätze, die der Gerichtshof bei der Entscheidung über eine zeitliche Begrenzung anwendet, wie folgt beschrieben:

„Er hat erstens untersucht, welche praktischen Auswirkungen seine Urteile beim Fehlen einer zeitlichen Begrenzung haben könnten, wobei ‚dics aber nicht so weit gehen darf, daß die Objektivität des Rechts gebeugt und seine zukünftige Anwendung unterbunden wird, nur weil eine Gerichtsentscheidung für die Vergangenheit gewisse Auswirkungen haben kann‘ Der Gerichtshof hat zweitens geprüft, ob eine objektive Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der den Gegenstand des Auslegungsurteils bildenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts bestanden hat und inwieweit das Verhalten der Gemeinschaftsorgane selbst möglicherweise zu einer solchen Unsicherheit beigetragen hat. ( 178 )“

169.

Es sind nur wenige klarere Fälle als der vorliegende denkbar, in denen Interessen der Gerechtigkeit eine ex nunc-Beschränkung der Auswirkungen einer Auslegung des Vertrages rechtfertigen ( 179 ). Es wäre falsch, wenn der Gerichtshof jetzt bei der Auslegung von Bestimmungen des Vertrages erläutern würde, „in welchem Sinn und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre“ ( 180 ), wenn dies, wie das vorlegende Gericht geäußert hat, Parallelhändler wegen Handlungen, die bei ihrer Vornahme rechtmäßig waren, zu Rechtsbrechern machen würde ( 181 ). Beide Beklagte der Ausgangsverfahren unternahmen Schritte, um bei Ablauf der zeitweiligen Aussetzung des Urteils Merck/Stephar in der Beitrittsakte Nutzen aus der Anwendung dieses Urteils ziehen zu können, wurden daran aber durch das gerichtliche Vorgehen der Klägerinnen gehindert. Das Urteil Merck/Stephar war nicht mehrdeutig und die Beklagten — und womöglich eine erhebliche Anzahl weiterer Parallelhändler — sind mit guten Gründen davon ausgegangen, daß sich der Markt für den Parallelhandel mit pharmazeutischen Erzeugnissen zwischen Spanien und Portugal und dem Rest der Gemeinschaft alsbald öffnen würde ( 182 ). Rechtsunsicherheit würde nur entstehen, wenn der Gerichtshof von dem Urteil Merck/Stephar abgehen sollte, ohne die zeitliche Wirkung dieses neuen Urteils zu begrenzen.

170.

Die Auslegung durch den Gerichtshof sollte von der Verkündung seines Urteils an für die Zukunft Anwendung finden. Die Tragweite einer solchen Begrenzung der Rückwirkung würde von den Antworten abhängen, die der Gerichtshof auf die ersten beiden Fragen gibt. Der Merck/Stephar-Grundsatz würde weiterhin auf den Parallelhandel zwischen Spanien und Portugal und dem Rest der Gemeinschaft für den Zeitraum zwischen dem Auslaufen der Übergangszeit und dem Erlaß des (neuen) Urteils Anwendung finden. Jeder Nachteil für Pharmaunternehmen wie die Klägerinnen, der durch eine solche vorübergehende Anwendung des Merck/Stephar-Grundsatzes entstünde, würde meines Erachtens durch die Vorteile der Entscheidung, in Zukunft davon abzugehen, ausgeglichen werden ( 183 ). Ich bin daher der Auffassung, daß der Gerichtshof, falls er entscheidet, das Urteil Merck/Stephar nicht länger anzuwenden, die zeitliche Wirkung seines Urteils auf den Zeitpunkt der Verkündung seines Urteils in den vorliegenden Rechtssachen begrenzen sollte.

VIII — Prüfung der Fragen 1 und 2

171.

Die ersten beiden Vorlagefragen betreffen die Dauer des Übergangsschutzcs (nachstehend: Übergangszeit) gegen Parallelimporte aus Spanien nach Artikel 47 oder aus Portugal nach Artikel 209 der Beitrittsakte. Die Antworten auf diese Fragen werden sehr bedeutungsvoll sein, wenn das Urteil Merck/Stephar aufrechterhalten werden sollte. Außerdem wird, sollte der Gerichtshof die Wirkung des Mcrck/Stcphar-Grundsatzes aufheben, zugleich aber die zeitlichen Wirkungen seines Urteils begrenzen, die Frage des genauen Zeitpunkts des Endes der Übergangszeit ebenfalls von großer Bedeutung sein.

172.

Die Beitrittsakte gestattet dem Inhaber eines Patents für pharmazeutische Erzeugnisse, Einfuhren dieses Erzeugnisses aus Spanien oder Portugal während der Übergangszeit zu verhindern, die zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem das Land „für [diese Erzeugnisse] die Patentierbarkeit eingeführt hat“. Jede der vom vorlegenden Gericht genannten Alternativen nimmt einen Termin für dieses Ereignis an. Die Übergangszeit endet mit dem „Ende des dritten Jahres“ nach diesem Termin. Jede der Alternativen des vorlegenden Gerichts hängt außerdem von der Dauer dieser Zeit ab. Alle Alternativen sind so von angenommenen Anfangsund Endterminen der Übergangszeit abhängig. Die Alternativen sind in der folgenden Tabelle aufgeführt:

Kennbuchstaben des Fligh Court

Spanien (Frage 1)

Portugal (Frage 2)

Grundlage der Wahl dieses Termins

a)

7. Oktober 95

1. Januar 95

EPÜ-Beitritt + Jahrestag

b)

31 Dezember 95

31 Dezember 95

EPÜ-Beitritt + Ende des Kalenderjahres des Jahrestags

c)

7. Oktober 96

1. Juni 98

Spanien: Ablehnung der Priorität nach der PVÜ

Portugal: Kein nationales Patent vor diesem Termin + Jahrestag in jedem Fall Beide Länder: wie bei c) +

d)

31. Dezember 96

31. Dezember 98

Ende des Kalenderjahres des Jahrestags

e)

Einzelerzeugnis wird patentierbar +3 Jahre

Alternative a entspricht dem dritten Jahrestag des Termins des Beitritts Spaniens oder Portugals zum EPÜ (nachstehend: Jahrestag). Alternative c würde für Spanien den Termin der Patentierbarkeit um ein Jahr hinausschieben, weil der spanische Staatsrat die Einjahrespriorität von Anmeldungen in Staaten der PVÜ nicht anerkennt. Die Alternativen b und d entsprechen dem Ende des Kalenderjahres der Termine in den Alternativen a und c. Die Alternative geht davon aus, daß die Übergangszeit für die in den Ausgangsverfahren betroffenen Erzeugnisse erst drei Jahre nach dem zukünftigen Termin enden kann, zu dem Spanien oder Portugal diese spezifischen Produkte patentierbar macht. Es wurde nicht ausdrücklich gesagt, kann aber logischerweise unterstellt werden, daß Merck und Beecham auf die Alternative e, wenn der Gerichtshof ihr folgen sollte, die Kalenderjahr-Methode anwenden würden.

173.

Spanien und Portugal verpflichteten sich gemäß Ziffer 1 der Protokolle Nr. 8 und Nr. 19, beim Beitritt „[ihre] Rechtsvorschriften über Patente in Einklang mit den Grundsätzen des freien Warenverkehrs und mit dem in der Gemeinschaft erreichten Stand des gewerblichen Rechtsschutzes zu bringen ...“ In dieser Ziffer war ebenfalls eine Zusammenarbeit zwischen den neuen Mitgliedstaaten und der Kommission betreffend „die Probleme des Übergangs von den derzeitigen spanischen [portugiesischen] Rechtsvorschriften zum neuen Recht“ vorgesehen.

174.

Das Ziel des freien Warenverkehrs ist in Artikel 42 für Spanien und in Artikel 202 für Portugal in identischen Wendungen durch die Festlegung zum Ausdruck gebracht, daß zum 1. Januar 1986, dem Termin des Beitritts, „[d]ie mengenmäßigen Ein-und Ausfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen mit gleicher Wirkung zwischen der Gemeinschaft in ihrer derzeitigen Zusammensetzung und dem Königreich Spanien [der Portugiesischen Republik] entfallen“.

175.

In Ziffer 3 des Protokolls Nr. 8 wird Spaniens Pflicht zur Änderung seines Patentrechts „ausschließlich für chemische und pharmazeutische Erzeugnisse“ hinausgeschoben. Nach dieser Ziffer ist Spanien zunächst verpflichtet, dem Münchner Übereinkommen, d. h. dem EPÜ, beizutreten. Ferner sieht Ziffer 3 vor, daß Spanien den Vorbehalt nach Artikel 167 Absatz 2 Buchstabe a des EPÜ für „chemische und pharmazeutische Erzeugnisse“ geltend macht, verpflichtet das Land jedoch, dem EPÜ innerhalb der hierfür erforderlichen Frist beizutreten. Artikel 167 Absatz 1 des EPÜ erlaubt einen solchen Vorbehalt eines Vertragsstaats „bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-oder Beitrittsurkunde“. Spanien machte ordnungsgemäß diesen Vorbehalt ( 184 ). Demgemäß galt für alle europäischen Patente für diese Erzeugnisse, daß sie „übereinstimmend mit den für nationale Patente geltenden Vorschriften unwirksam sind oder für nichtig erklärt werden können“ ( 185 ).

176.

Der damit zugelassene Vorbehalt ist gemäß Artikel 167 Absatz 3 des EPÜ auf „einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren vom Inkrafttreten dieses Übereinkommens an“, d. h. auf zehn Jahre vom 7. Oktober 1977 ( 186 ) an, begrenzt. Die gleiche Vorschrift gestattete dem Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation, auf begründeten Antrag, der spätestens ein Jahr vor Ablauf des Zeitraums von zehn Jahren gestellt wird, „die Frist für [einen solchen Vorbehalt] um höchstens fünf Jahre [zu] verlängern“. Im Hinblick auf diese Vorschrift verpflichteten sich die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft „als Vertragsstaaten des Münchner Übereinkommens“ in Ziffer 3 des Protokolls Nr. 8, alles daranzusetzen, um sicherzustellen, daß die Geltungsdauer des Vorbehalts um die höchstzulässige Frist verlängert wird, wenn dies beantragt werden sollte. Die Verlängerung wurde beantragt und für den Zeitraum bis zum 7. Oktober 1992 gewährt ( 187 ).

177.

Für den vermutlich als unwahrscheinlich betrachteten Fall, daß die Verlängerung nicht gewährt werden sollte, bestimmte Ziffer 3 des Protokolls weiter, daß Spanien sich auf Artikel 174 des EPÜ berufen könne, in dem das Recht jedes Vertragsstaats anerkannt wird, das Übereinkommen jederzeit zu kündigen. Auch in diesem Fall galt, daß Spanien „auf jeden Fall spätestens am 7. Oktober 1992 diesem Übereinkommen beitritt“. In der Zwischenzeit legte Spanien in seinem Patentgesetz Nr. 11/1986 vom 20. März 1986 fest, daß Erfindungen chemischer und pharmazeutischer Erzeugnisse nicht vor dem 7. Oktober 1992 patentierbar sind ( 188 ).

178.

Durch diese Vorschriften wurde die Patentierbarkeit chemischer und pharmazeutischer Erzeugnisse in Spanien um die gesamte nach dem EPÜ zulässige Geltungsdauer für Vorbehalte von 15 Jahren, d. h. bis zum 7. Oktober 1992, und damit um sechs bis sieben Jahre nach dem spanischen Beitritt hinausgeschoben. Der Vorbehalt galt für jedes in diesem Zeitraum angemeldete Patent und gilt für die gesamte Dauer des Patents weiter ( 189 ). Die Beendigung des Vorbehalts kommt somit nur den Patentanmeldungen zugute, die nach dieser Beendigung eingereicht werden.

179.

Gemäß Ziffer 3 des Protokolls Nr. 19 war Portugal verpflichtet, dem EPÜ zum 1. Januar 1992 beizutreten; insoweit waren die Übergangsvorkehrungen für Portugal einfacher als die für Spanien.

180.

Spanien war daher weder aufgrund der Beitrittsakte noch aufgrund des EPÜ verpflichtet, Rechtsvorschriften für die Patentierung chemischer oder pharmazeutischer Erzeugnisse mit irgendeiner Wirkung vor dem 7. Oktober 1992 zu erlassen oder eine Anmeldung anzuerkennen, die in Spanien oder sonstwo vor diesem Termin erfolgte. Spanien war, einfach ausgedrückt, nicht verpflichtet, solche Erzeugnisse vor diesem Termin patentierbar zu machen. Klar ist auch, daß der 7. Oktober 1992 beim Abschluß der Akte nicht bloß ein möglicher oder unvorhersehbarer künftiger Termin war, sondern im Protokoll in dieser und in mehrerlei anderer Hinsicht klar ins Auge gefaßt wurde ( 190 ). Ebenso klar ist, daß der 1. Januar 1992 der Termin war, zu dem Portugal Vorschriften über die Patentierung pharmazeutischer Erzeugnisse einzuführen hatte. Dieser Termin war zum Zeitpunkt der Beitrittsakte ebensosehr vorauszusehen.

181.

Ich wende mich nunmehr der Würdigung der Auswirkung dieser Feststellung auf die vom vorlegenden Gericht gewünschte Auslegung der Artikel 47 Absatz 2 und 209 Absatz 2 der Beitrittsakte zu. Merck wie auch Beecham machten vor dem vorlegenden Gericht, Beecham außerdem in seiner beim Gerichtshof eingereichten Erklärung geltend, der Ausdruck „für sie“ in jeder der Übergangsvorschriften müsse so ausgelegt werden, daß er sich auf die einzelnen Erzeugnisse beziehe, deren Einfuhr ein Patentinhaber verhindern wolle. Dieses Vorbringen hält schon angesichts des Wortlauts des Artikels ernsthafter Prüfung nicht stand. Artikel 47 Absatz 1 und 209 Absatz 1 räumen für eine Übergangszeit dem „Inhaber eines Patentes für ein chemisches oder pharmazeutisches Erzeugnis“ die dort beschriebenen Rechte oder Vorteile ein und bedienen sich durchgehend der Einzahl. Das ist nicht überraschend. Eine Rechtsvorschrift, die eine Befugnis überträgt, die von einer Einzelperson ausgeübt werden kann, bedient sich ganz ordnungsgemäß der Einzahl. Man braucht nur daran zu erinnern, daß gemäß Artikel 173 EWG-Vertrag „[j]ede natürliche oder juristische Person ... unter den gleichen Voraussetzungen gegen die an sie ergangenen Entscheidungen Klage erheben [kann], die ... sie unmittelbar und individuell betreffen“. Was die Festlegung der Zeitgrenze für die Ausübung dieser Übergangsbefugnis betrifft, so verwenden die Artikel 47 Absatz 2 und Artikel 209 Absatz 2 dagegen richtigerweise die Mehrzahl und sprechen von der Zeit, zu der in Spanien oder in Portugal „für sie [d. h. die in Absatz 1 genannten Erzeugnisse] ... die Patentierbarkeit eingeführt wurde“. Die betreffenden Erzeugnisse sind „chemische und pharmazeutische Erzeugnisse“ allgemein, nicht das einzelne Erzeugnis, um dessen Einfuhr es geht. Um das Vorbringen von Merck und Beecham zu stützen, daß die Frist nicht enden dürfe, bevor nicht das einzelne Erzeugnis patentiert sei, hätte die Vorschrift in der Einzahl formuliert werden müssen, um damit dem Absatz 1 zu entsprechen.

182.

Eine Auslegung der Übergangszeit, die sie auf ein einzelnes, in einem anderen Mitgliedstaat als Spanien oder Portugal vor dem vorgeschriebenen Termin der Patentierbarkeit patentiertes Erzeugnis beziehen würde, wäre unvereinbar mit dem allgemeinen System der Protokolle, die offenbar Spanien und Portugal nur verpflichten, chemische und pharmazeutische Erzeugnisse erst vom 7. Oktober 1992 oder vom 1. Januar 1992 an und auch dann nur bei nach diesen Terminen eingereichten Anmeldungen patentierbar zu machen. Es war zu jeder Zeit unstreitig, daß die in diesen Rechtssachen betroffenen Erzeugnisse in Spanien oder Portugal, selbst nachdem diese Mitgliedstaaten ihrer Pflicht nach dem Vertrag, die Patentierbarkeit einzuführen, nachgekommen sind, niemals Patentschutz erlangen können. Das ist sogar der Anlaß für den in Frage 3 unternommenen Angriff auf das Urteil Merck/Stephan Dies wäre eine überflüssige Übung, wenn Merck und Beecham aufgrund der Übergangsvorschriften endlos Schutz genießen würden. Die Mitgliedstaaten können nicht daran gedacht haben, daß der Termin, an dem Spanien oder Portugal möglicherweise freiwillig zusätzliche Schritte unternehmen, um die Patentierung dieser Erzeugnisse zu erlauben, dann zu dem Termin würde, an dem die Übergangszeit für diese Erzeugnisse beginnt. Besondere spanische oder portugiesische Patente für Arzneimittel mit Beginn nach dem 7. Oktober 1992 oder 1. Januar 1992 würden international anerkannten Vorstellungen von Neuheit ( 191 ) zuwiderlaufen und zu unterschiedlichen Ablaufterminen für das gleiche Erzeugnispatent in verschiedenen Ländern und damit letztlich zu der absurden Möglichkeit führen, daß später nach Ablauf von Patenten für das gleiche Erzeugnis in einem anderen Land Hindernisse für Parallelimporte nach Spanien und Portugal entstünden. Zusätzlich träte die weitere Unzuträglichkeit auf, daß in die Artikel 47 Absatz 2 und 209 Absatz 2 unterschiedliche Termine für pharmazeutische Erzeugnisse allgemein und für solche Erzeugnisse hineingelesen würden, die wie die der Klägerinnen in der Praxis in Spanien nie patentierbar sein werden, theoretisch aber patentierbar werden könnten.

183.

Außerdem ist stets zu beachten, daß die Übergangsvorschriften eine Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs darstellen, der in Spanien und Portugal nach den Artikeln 42 und 202 seit dem 1. Januar 1986 gilt. Die Bestimmungen des Artikels 30 EG-Vertrag sind damit auf den Handel zwischen Spanien und Portugal einerseits und dem Rest der Gemeinschaft andererseits erstreckt worden. Artikel 30 wird natürlich durch Artikel 36 in der restriktiven Weise ergänzt, wie sie der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes zu entnehmen ist ( 192 ). Die einleitenden Worte in den Artikeln 47 und 209 — „[a]bweichend von Artikel 42 [202]“ führen eine zusätzliche Abweichung ein, indem sie dem Inhaber eines Patents in einem Mitgliedstaat gestatten, die Einfuhr des patentierten Erzeugnisses aus Spanien oder Portugal für einen festgelegten Zeitraum zu untersagen ( 193 ). Solche Abweichungen in einer Beitrittsakte sind, wie der Gerichtshof in einer Rechtssache Kommission/Griechenland ( 194 ) ausführte, „im Hinblick auf eine leichtere Verwirklichung der Ziele des EWG-Vertrags und eine uneingeschränkte Anwendung seiner Vorschriften“ auszulegen. Der Gerichtshof fuhr fort: „Genauer gesagt, was die Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung angeht, so können die Bestimmungen der Beitrittsakte auf diesem Gebiet nicht ohne Beachtung der einschlägigen Vorschriften des EWG-Vertrags ausgelegt werden.“ Zweck der Artikel 47 und 209 im besonderen ist es, „in einem beschränkten Bereich Ausnahmen von den Gemeinschaftsvorschriften über den freien Warenverkehr zuzulassen, nicht aber neue Rechte zu schaffen, die über den vom Patent nach nationalem Recht gewährten Schutz hinausgehen“ ( 195 ). Sie sollten nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr klarer Wortlaut rechtfertigt. Die von Merck und Beecham vorgeschlagene Auslegung würde dazu führen, die Wirkung der Übergangszeit für Erzeugnisse, die aller Wahrscheinlichkeit nach in Spanien oder Portugal nie patentiert werden könnten, endlos, jedenfalls solange das Patent nicht in einem anderen Mitgliedstaat abläuft, auszudehnen. Wenn ein solches Ergebnis beabsichtigt gewesen wäre, wäre es einfach gewesen, dies in den Übergangsvorschriften zu regeln. Für jedes in einem anderen Mitgliedstaat vor dem 7. Oktober 1992 (im Falle Spaniens) und vor dem 1. Januar 1992 (im Falle Portugals) gewährte Patent hätte der Schutz auf dessen Dauer ausgedehnt werden können. Aus diesen Gründen weise ich das Argument von Merck und Beecham zurück, der Ausdruck „für sie“ umfasse andere Erzeugnisse als die, die Spanien und Portugal bis zu diesem Zeitpunkt patentierbar zu machen hatten. Demgemäß schließe ich die in den Fragen 1 und 2 angeführte Alternative e aus.

184.

Als nächstes prüfe ich das mit den Alternativen c und d der ersten Frage zusammenhängende Argument einer Priorität nach der PVÜ ( 196 ). Die Frage stellt sich nur in bezug auf Spanien, obwohl sowohl Spanien als auch Portugal Vertragsstaaten der PVÜ sind. Durch Einreichung einer Patentanmeldung in einem Land, in dem die PVÜ gilt, erwirbt der Anmelder für einen Zeitraum von zwölf Monaten nach der ersten Anmeldung ein Prioritätsrecht für dieses Patent bei der Anmeldung in einem anderen Vertragsstaat (nachstehend: Zweitland) ( 197 ). Um diese Priorität voll auszunutzen, muß er danach in jedem Zweitland, in dem er seine Erfindung schützen möchte, vor Ablauf der Prioritätsfrist Anmeldungen einreichen. Die Neuheit der Erfindung, eine wesentliche Voraussetzung der Patentierbarkeit, wird nach dem Termin der ersten Anmeldung beurteilt. Meldet er so an, so entkräftet er in jedem Zweitland jedes auf frühere Veröffentlichung gestützte Bestreiten der Neuheit seiner Erfindung. Merck beruft sich darauf, daß Priorität nach der PVÜ seit der Jahrhundertwende bestehe und in allen Mitgliedstaaten anerkannt werde, in denen die Patentierung pharmazeutischer Erzeugnisse gestattet sei. Merck wie auch Beecham behandeln beide diese Priorität stillschweigend als wesentliches Merkmal der Patentierbarkeit eines Erzeugnisses. Beecham beanstandet, daß in Spanien anders als in anderen Verbandsstaaten keine Möglichkeit bestanden habe, für eine in den zwölf Monaten vor dem 7. Oktober 1992 vollzogene Anmeldung Priorität zu beanspruchen. Zum Nachweis wird eine Entscheidung des spanischen Staatsrats vom 18. Februar 1993 angeführt, in der Priorität nur in bezug auf Anmeldungen anerkannt werde, die nach dem 7. Oktober 1992 in anderen Verbandsstaaten eingereicht worden seien. Das spanische Recht erkenne mit anderen Worten eine Anmeldung in einem anderen Land für die Zwecke der Priorität nur an, falls zum gleichen Zeitpunkt eine wirksame Anmeldung für ein entsprechendes Erzeugnispatent in Spanien hätte erfolgen können. Gleichzeitig nähmen Prioritätsanmeldungen, die in den zwölf Monaten vor diesem Termin in anderen Verbandsstaaten erfolgt seien, der Erfindung für spätere Anmeldungen in Spanien die Neuheit. Merck und Beecham leiten daraus ab, daß Spanien die volle Patentierbarkeit für pharmazeutische Erzeugnisse somit erst am 7. Oktober 1993 eingeführt habe, so daß die Übergangszeit von diesem Termin an zu berechnen sei. Spanien habe, um das Argument anders zu formulieren, pharmazeutische Erzeugnisse nicht voll patentierbar gemacht, wenn es nicht zugleich die Anerkennung der Priorität festlege, die nach der PVÜ für die in anderen Verbandsstaaten bis zu einem Jahr vor diesem Termin erfolgten Anmeldungen gelte.

185.

Ob nun die Priorität nach der PVÜ ein wesentliches Merkmal der Patentierbarkeit ist oder nicht, diese Darstellung der Rechtslage in Spanien kann jedenfalls nicht ohne Einschränkung hingenommen werden. In der Zeit zwischen dem 7. Oktober 1992 und dem 7. Oktober 1993 wurde diese Priorität schrittweise wirksam, sie wurde z. B. einer früheren Anmeldung zugestanden, die etwa in Frankreich am 10. Oktober 1992 erfolgt war, wenn es um eine Anmeldung in Spanien am 1. Oktober 1993 ging. Das Vorbringen ist daher unter Berücksichtigung des Umstandes zu würdigen, daß Priorität nach der PVÜ in Spanien schrittweise möglich wurde, für einen vollen Zwölfmonatezeitraum aber erst am 7. Oktober 1993 zu erlangen war.

186.

Dieses Vorbringen macht die Prüfung dreier internationaler Übereinkommen, nämlich der Beitrittsakte, des EPÜ und der PVÜ, erforderlich. Der Gerichtshof ist für die Auslegung des ersten, nicht aber der beiden anderen zuständig. Die Behauptung von Merck und Beecham, Spanien habe ohne Priorität nach der PVÜ pharmazeutische Erzeugnisse erst am 7. Oktober 1993 voll patentierbar gemacht, scheint indessen darauf hinauszulaufen, daß man ihre Regelungen in die Beitrittsakte hineinzulesen hätte.

187.

Eine weitere Vorfrage stellt sich hier. Merck und Stephar leiten im wesentlichen aus der Stellungnahme des spanischen Staatsrats ab, daß Spanien pharmazeutische Erzeugnisse nicht zum 7. Oktober 1992 voll patentierbar gemacht habe. Ich halte das nicht für ohne weiteres schlüssig. Erstens ergibt sich aus dem von Primecrown vorgelegten Beweismaterial, daß die Stellungnahme des spanischen Staatsrats nicht bindend ist und daß in dieser Angelegenheit in Spanien noch einander widersprechende Auffassungen vertreten werden, die durch die spanischen Gerichte geklärt werden können. Natürlich kann ich dazu keine Stellung beziehen. Zum zweiten (und mit größerem Gewicht) ist klar, daß Spanien Vorkehrungen für die Patentierung pharmazeutischer Erzeugnisse zum 7. Oktober 1992 getroffen hat. Einige oder viele Anmeldungen von Patenten für solche Erzeugnisse können wegen fehlender Priorität für frühere Anmeldungen in anderen Ländern und dem daraus folgenden Fehlen der Neuheit auf Schwierigkeiten gestoßen sein. Eindeutig war keines der Erzeugnisse, um die es im vorliegenden Fall geht, in dieser Weise betroffen. Wäre ein einzelner Anmelder so betroffen, könnte er eine Klage auf Anerkennung der Priorität nach der PVÜ vor die spanischen Gerichte bringen und letztlich die Sache dem Gerichtshof zur Auslegung vorlegen lassen. Mir scheint nur der Schluß nicht zwingend, daß wegen der Stellungnahme des Staatsrats das Ende der Übergangszeit ganz allgemein um ein Jahr hinausgeschoben werden sollte.

188.

Ich sollte allerdings auch untersuchen, ob das Argument als solches begründet ist. War Spanien aufgrund der Beitrittsakte verpflichtet, Anmeldungen nach der PVÜ Priorität einzuräumen? Artikel 4 der PVÜ lautet,-soweit hier erheblich, wie folgt:

„A —

1)

Wer in einem der Verbandsländer die Anmeldung für ein Erfindungspatent ... vorschriftsmäßig hinterlegt hat, ... genießt für die Hinterlegung in den anderen Ländern während der unten bestimmten Fristen ein Prioritätsrecht.

2)

Als prioritätsbegründend wird jede Hinterlegung anerkannt, der nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften jedes Verbandslandes oder nach den zwischen Verbandsländern abgeschlossenen zwei-oder mehrseitigen Verträgen die Bedeutung einer vorschriftsmäßigen nationalen Hinterlegung zukommt.

3)

Unter vorschriftsmäßiger nationaler Hinterlegung ist jede Hinterlegung zu verstehen, die zur Festlegung des Zeitpunkts ausreicht, an dem die Anmeldung in dem betreffenden Land hinterlegt worden ist, wobei das spätere Schicksal der Anmeldung ohne Bedeutung ist.

Β —

Demgemäß kann die spätere, jedoch vor Ablauf dieser Fristen in einem der anderen Verbandsländer bewirkte Hinterlegung nicht unwirksam gemacht werden durch inzwischen eingetretene Tatsachen, insbesondere durch eine andere Hinterlegung, durch die Veröffentlichung der Erfindung oder deren Ausübung, durch das Feilbieten von Stücken des Musters oder Modells, durch den Gebrauch der Marke; diese Tatsachen können kein Recht Dritter und kein persönliches Besitzrecht begründen...

C —

1)

Die ... Prioritätsfristen betragen zwölf Monate für die Erfindungspatente ...

2)

Diese Fristen laufen vom Zeitpunkt der Hinterlegung der ersten Anmeldung an ...“

189.

Auf der Grundlage der angeblichen Übernahme von Artikel 4 der PVÜ in die Beitrittsakte durch Verweisung und auch, weil seine Regelung nicht außer acht gelassen werden darf, wenn das Vorbringen von Beecham zu prüfen ist, untersuche ich nun, ob Spanien verpflichtet war, Anmeldungen, die vor dem 7. Oktober 1992 in einem anderen Verbandsland der PVÜ eingereicht wurden, ein Prioritätsrecht einzuräumen. Der Kern der Regelung wird sichtbar, wenn man Artikel 4 Buchstabe A Absatz 1 zusammen mit Artikel 4 Buchstabe Β liest. Das „Prioritätsrecht“ ist während einer Frist von zwölf Monaten anzuerkennen, die „vom Zeitpunkt der Hinterlegung der ersten Anmeldung an [läuft]“ (Artikel 4 Buchstabe C Absatz 2). Spanien hätte diese Vorschrift in bezug auf irgendeine Anmeldung eines Erzeugnispatents für pharmazeutische Erzeugnisse in einem Zweitland nicht vor dem 7. Oktober 1992 anwenden können; wäre z. B. die spanische Zweitlandanmeldung am 1. Oktober 1992 eingereicht worden, so hätte es nach spanischem Recht kein Prioritätsrecht für irgendeine erste Anmeldung nach dem 7. Oktober 1991 anerkennen können. Um das Vorbringen von Merck und Bcecham zu retten, muß man es erneut umdeuten, und zwar so, daß damit gesagt werden soll, daß das Prioritätsrecht für den Fall habe gewährt werden sollen, daß die spanische Zweitlandanmeldung sowohl innerhalb der Prioritätsfrist als auch nach dem 7. Oktober 1992 erfolgte. In Wahrheit stimmt das Vorbringen nicht mit der klaren Regelung des Artikels 4 überein. Dieser Artikel regelt keine übergangsweise Anwendung des Prioritätsrechts; nach seiner Fassung wird vorausgesetzt, daß zu jedem Zeitpunkt nach der ersten Anmeldung eine gleiche Anmeldung in jedem Zwcitland hinterlegt werden kann, und damit auch, daß gleiche Erzeugnispatente gleichzeitig in beiden Ländern anerkannt werden.

190.

Relevanter scheint mir demgegenüber der Hinweis auf die Prioritätsbestimmungen des EPU, die jenen Vorschriften im wesentlichen nachgebildet sind. Artikel 87 bestimmt, soweit hier maßgebend:

„(1)

Jedermann, der in einem oder mit Wirkung für einen Vertragsstaat der Pariser Vcrbandsübercinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums eine Anmeldung für ein Patent ... vorschriftsmäßig eingereicht hat, ... genießt für die Anmeldung derselben Erfindung zum europäischen Patent während einer Frist von zwölf Monaten nach der Einreichung der ersten Anmeldung ein Prioritätsrecht.

(2)

Als prioritätsbegründend wird jede Anmeldung anerkannt, der nach dem nationalen Recht des Staats, in dem die Anmeldung eingereicht worden ist, oder nach zwei-oder mehrseitigen Verträgen unter Einschluß dieses Übereinkommens die Bedeutung einer vorschriftsmäßigen nationalen Anmeldung zukommt.

(3)

Unter vorschriftsmäßiger nationaler Anmeldung ist jede Anmeldung zu verstehen, die zur Festlegung des Tags ausreicht, an dem die Anmeldung eingereicht worden ist, wobei das spätere Schicksal der Anmeldung ohne Bedeutung ist.“

Diese Bestimmung ist im Lichte der Wirkung des Artikels 167 Absatz 5 des EPÜ auf den Vorbehalt Spaniens bezüglich chemischer und pharmazeutischer Erzeugnisse auszulegen. Der Vorbehalt gilt für die Anmeldungen europäischer Patente, die während der Vorbehaltszeit eingereicht werden, und für die Dauer des Patents. Mit anderen Worten: In einem Zusammenhang, in dem Priorität nach der PVÜ vom EPU geregelt wird, ist deren Anwendung für unsere Zwecke ausgeschlossen.

191.

Ich finde nichts im Protokoll Nr. 8 — Patente in bezug auf Spanien —, was mir eine Anerkennung von Prioritätsanmeldungen für ein Jahr vor dem 7. Oktober 1992 zu einem wesentlichen Inhalt spanischer Verpflichtungen zu machen schiene. Dazu hätte es eines klaren und ausdrücklichen Hinweises bedurft. Wir haben es schließlich mit Übergangsvorschriften zu tun und es überrascht keineswegs, daß sich zusätzliche Hinweise für schrittweise Wirkungen finden, wie z. B. den Umstand, daß die Anerkennung der Priorität in Spanien zwischen dem 7. Oktober 1992 und dem 7. Oktober 1993 Tag für Tag wirksam wurde. Am stärksten betroffen macht mich letztlich aber doch, daß Merck und Beecham die in Artikel 47 Absatz 2 vorgesehene Übergangszeit um ein Jahr verlängern wollen. Wenn sie damit Erfolg haben möchten, müßten sie nachweisen, daß Spanien pharmazeutische Erzeugnisse nicht zum 7. Oktober 1992 patentierbar gemacht hat, und diesen Nachweis haben sie, ohne Umschweife gesagt, nicht erbracht.

192.

Kurz: Spanien hat pharmazeutische Erzeugnisse vom 7. Oktober 1992 und nicht von einem späteren Termin an patentierbar gemacht. Diese Schlußfolgerung läßt zwei weitere mögliche Termine, nämlich die der in der ersten Vorlagefrage vorgeschlagenen Alternativen c und d, entfallen.

193.

Ein getrenntes, mit den Alternativen c und d zusammenhängendes Problem stellt sich im Hinblick auf die portugiesische Situation ( 198 ). Merck macht geltend, daß pharmazeutische Erzeugnisse in Portugal tatsächlich nicht vor dem 1. Juni 1995 patentierbar geworden seien. Erst zu diesem Zeitpunkt habe das portugiesische Decreto-lei Nr. 42/92 vom 31. März 1992 voll die Geltung eines neuen Gesetzes zum Schutz des gewerblichen Eigentums geregelt, das die Erteilung von Patenten für diese Erzeugnisse erlaubt habe. Aus diesem Grund ende die Übergangszeit für Portugal nach Artikel 209 der Beitrittsakte nicht vor dem 1. Juni 1998 oder dem 31. Dezember 1998, d. h. dem Ende des dritten Kalenderjahres, nachdem Portugal diese Erzeugnisse patentierbar gemacht habe.

194.

Ich stimme zu, daß es aufgrund der Vorschriften des Decreto-lei nicht möglich war, vor dem 1. Juni 1995 durch eine Anmeldung in Portugal ein Patent zu erlangen. Portugal kam aber seiner Verpflichtung nach, am 1. Januar 1992 dem EPÜ beizutreten. Das EPÜ trat in Portugal am 1. Januar 1992 aufgrund der am 14. Oktober 1991 erfolgten Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch die portugiesische Regierung in Kraft ( 199 ). Gemäß Artikel 8 Absatz 2 der portugiesischen Verfassung hatte dieses Übereinkommen nach portugiesischem Recht bindende Wirkung und ging den Vorschriften des früheren Gesetzes zum Schutz des gewerblichen Eigentums vor. Merck räumt ein, daß es möglich war, mit Hilfe einer Anmeldung beim Europäischen Patentamt ein Patent zu erhalten, das in Portugal vom 1. Januar 1992 an für pharmazeutische Erzeugnisse wirksam war. Das ist meines Erachtens entscheidend. Mit dem vorlegenden Gericht bin ich der Meinung, daß Portugal nach der Beitrittsakte nicht einmal verpflichtet war, ein eigenes Patentamt zu haben. Der Anfangstermin für die Patentierbarkeit pharmazeutischer Erzeugnisse in Portugal war daher der 1. Januar 1992, der damit als Beginn der Übergangszeit nach Artikel 209 der Beitrittsakte anzusehen ist, womit die Alternativen c und d der Frage 2 ausgeschlossen wären.

195.

Die Entscheidung für die Alternative a oder die Alternative b hängt letztlich von der Bedeutung ab, die der Wendung „Ende des dritten Jahres, nachdem für sie in Spanien [Portugal] die Patentierbarkeit eingeführt wurde,“ zukommt (Hervorhebung nur hier); der „nachdcm“-Satz bedeutet nach dem 7. Oktober 1992 oder nach dem 1. Januar 1992, weil dies meiner Untersuchung zufolge die Termine sind, zu denen Spanien und Portugal diese Erzeugnisse patentierbar gemacht haben. Das vorlegende Gericht betrachtete die Wahl des Jahrestagstermins fast als jeder Diskussion entzogen. Gleichwohl waren vier der fünf Mitgliedstaatcn, die Erklärungen eingereicht haben, anderer Meinung und sprachen sich wie Merck und Beecham für den 31. Dezember 1995 aus.

196.

Dem Wortlaut läßt sich zugunsten beider Termine etwas entnehmen. Wenn der Termin des Jahrestags gemeint sein sollte, wäre es wohl einfacher gewesen zu sagen: „kann ... drei Jahre lang, nachdem für sie in Spanien [Portugal] die Patentierbarkeit eingeführt wurde, geltend gemacht werden“ oder: „... bis zum 7. Oktober 1995 [1. Januar 1995]...“ Bei dieser Formulierung ließe sich beanstanden, daß die spätere Berufung auf die Vorschrift nicht ausdrücklich ausgeschlossen wäre. Um ein solches Verständnis zu vermeiden, hätten einschränkende Worte wie „und nicht später“ eingefügt werden können. Der Ausdruck „bis zum Ende des dritten Jahres“ betont in angemessener Weise die Beendigung des Zeitraums. Der einzig wirkliche Anhaltspunkt im Wortlaut für die Kalenderjahr-Methode ist die Verwendung des Wortes „nachdem“ (after) statt „von ... an“ (from); aber „von ... an“ (from) hätte nicht ohne weitere Änderungen verwendet werden können. Man hätte „dem Tag, an dem“, „dem Zeitpunkt, zu dem“ oder einen anderen Ausdruck einfügen müssen, mit dem die Herbeiführung der Patentierbarkeit von pharmazeutischen Erzeugnissen durch Spanien und Portugal zeitlich umschrieben worden wäre. Wenn man darauf sieht, was hier gemeint ist, ist meines Erachtens das natürlichste Verständnis, daß die Übergangszeit bis drei Jahre nach dem 7. Oktober 1992 oder nach dem 1. Januar 1992 dauerte und damit am Jahrestag, d. h. am 7. Oktober 1995 oder am 1. Januar 1995, endete. Die Kalenderjahr-Methode hätte eine ausdrückliche Formulierung wie etwa „bis zum Ende des dritten Jahres nach dem Jahr, in dem ...“ erfordert. Schließlich kommt noch ein wichtiger Punkt hinzu. Ich verstehe die Termine der Patentierbarkeit als vom Abschluß der Beitrittsakte aus gesehen voraussagbare Termine in der Zukunft. Die Kalenderjahr-Methode würde zu einer Übergangszeit von etwa drei Jahren und drei Monaten für Spanien, indessen von vier Jahren (weniger einen Tag) für Portugal führen. Es ist kein Grund für eine so große Diskrepanz angeführt worden.

197.

Merck und Beecham berufen sich für ihre Auffassung, daß der 31. Dezember 1995 der Endtermin der Übergangszeit sei, auf zahlreiche Bestimmungen der Beitrittsakte, nach denen Übergangsmaßnahmen oder-Zeiten am Ende eines Kalenderjahres endeten. Merck hat sogar eine längere Aufstellung vorgelegt, die belegen soll, daß „alle Übergangsmaßnahmen in der Beitrittsakte für Spanien am Ende eines Kalenderjahres enden“. Es trifft zu, daß nur wenige Ausnahmen von dieser Behauptung feststellbar sind, die mit Sicherheit zum Beispiel für den schrittweisen Abbau der Einfuhrzölle (Artikel 31), die Einführung des Gemeinsamen Zolltarifs (Artikel 37) und die Beseitigung mengenmäßiger Beschränkungen (Artikel 43) gilt. Ich glaube aber nicht, daß irgendeine allgemeine Auslegungsregel des Inhalts sichtbar wird, wie es mit diesem Vorbringen geltend gemacht wird. Insgesamt erfolgen Anpassungen im Agrarsektor unter Bezugnahme auf das „Wirtschaftsjahr“ ( 200 ). Die Protokolle Nr. 8 und 19 enthalten die eingehenden Bestimmungen für spanische und portugiesische Patente und sehen eine Reihe von Ausnahmen von der vorrangigen Verpflichtung vor. Der Zeitraum für die Ausnahme endet am 7. Oktober 1992 oder 1. Januar 1992 und damit nicht notwendig am Ende eines Kalenderjahres. Dieses Argument erlaubt daher keine bestimmte Schlußfolgerung bezüglich der Bedeutung des Ausdrucks „Ende des dritten Jahres“ in Artikel 47 Absatz 2 und 209 Absatz 2. Andererseits war der Beitritt Portugals zum EPÜ für den 1. Januar 1992 vorgesehen, was mit dem Beginn eines Kalenderjahres zusammenfällt. Augenscheinlich sollten die drei Jahre bis zum 1. Januar 1995 laufen. Ein weiteres Jahr hinzuzufügen, wie Merck und Beecham es befürworten, nur weil der Termin der erste Tag eines Jahres und nicht der letzte des vorangegangenen Jahres ist, würde zu einer Absurdität führen. Die Klägerinnen versuchen letztlich, die Übergangszeit um ein ganzes Jahr zu verlängern.

198.

Ein recht ähnliches Argument stützt Merck auf die Regelung des Artikels 379 der Beitrittsakte ( 201 ). Die wichtigste Bestimmung dieses Artikels gestattet einem Mitgliedstaat, bis zum 31. Dezember 1992 zum Ausgleich von „Schwierigkeiten, welche einen Wirtschaftszweig erheblich und voraussichtlich anhaltend treffen oder welche die wirtschaftliche Lage eines bestimmten Gebiets beträchtlich verschlechtern können“, die Genehmigung zur Anwendung von Schutzmaßnahmen zu beantragen. Weiter ist festgelegt, daß „[d]iese Bestimmung ... für die Erzeugnisse und Wirtschaftszweige, für die nach dieser Akte vorübergehende abweichende Maßnahmen mit entsprechender Geltungsdauer vorgesehen sind, bis zum 31. Dezember 1995“ gilt. Merk zufolge belegt dies, daß die Beitrittsakte keine Übergangsmaßnahmen kennt, die nach dem 31. Dezember 1992, aber vor dem 31. Dezember 1995 auslaufen. Dieses Argument hat meines Erachtens geringes Gewicht. Es gibt in der Beitrittsakte keinen Beweis für irgendeine Querverweisung zwischen den Bestimmungen. Es vermag mich daher von der bereits geäußerten Auffassung nicht abzubringen.

199.

Merck beruft sich ferner auf den Entwurf eines Protokolls vom 30. März 1992 zur Änderung der Voraussetzungen für das Inkrafttreten der Luxemburger Vereinbarung über Gemeinschaftspatente vom 15. Dezember 1989 ( 202 ), der am 24. März 1992 vom Ausschuß der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten zur Vorlage bei der Europäischen Patentkonferenz von Lissabon 1992 genehmigt worden sei. Merck bezieht sich auf die vierte Begründungserwägung dieses Entwurfs, wo es heiße, daß das Luxemburger Übereinkommen für Spanien „vom 1. Januar 1996 an, dem Zeitpunkt, zu dem der Grundsatz des freien Warenverkehrs zwischen Spanien und den übrigen Mitgliedstaaten der EG volle Anwendung finden wird“, gelten solle. Auch dies ist allenfalls von sehr geringem Gewicht. Erstens folgte der Protokollentwurf zeitlich der Beitrittsakte nach und kann daher zu ihrer Auslegung nichts beitragen, und zweitens wurde der Protokollentwurf, was Merck einräumt, später nicht angenommen.

200.

Wenn die Wahl zwischen zwei Terminen für das Ende der Übergangszeit — zwischen dem 7. Oktober 1995 und dem 31. Dezember 1995 für Spanien und zwischen dem 1. Januar 1995 und dem 31. Dezember 1995 für Portugal — bleibt, liefert meines Erachtens die Beitrittsakte selbst die klarste Antwort auf die Frage. Aus den in Nummer 196 angeführten Gründen legt sie meiner Meinung nach eine einfache Dreijahresfrist nahe, die bis zum Jahrestag, dem 7. Oktober 1995 oder dem 1. Januar 1995, läuft. Primecrown gibt für diesen Standpunkt drei weitere Hinweise auf rechtliche Belege. Sie verweist erstens auf das Europaratsabkommen über die Berechnung von Fristen vom 16. Mai 1972 (Baseler Abkommen) ( 203 ). Dieses Abkommen gilt für die Berechnung von Fristen in privat-, handeis-und verwaltungsrcchtlichen Angelegenheiten einschließlich der gesetzlich, gerichtlich oder seitens der Verwaltung festgelegten Fristen ( 204 ). Artikel 4 Absatz 2 bestimmt: „Ist eine Frist nach Monaten oder nach Jahren bestimmt, so endet sie mit dem Tag des letzten Monats des Jahres, der dem ersten Tag der Frist entspricht und, wenn ein solcher Tag fehlt, mit dem letzten Tag des letzten Monats.“ Dieses Abkommen ist zwar von sieben Staaten, die jetzt Mitglied der Europäischen Gemeinschaften sind ( 205 ), nicht aber vom Vereinigten Königreich, von Spanien und von Portugal unterzeichnet worden. Zweitens verweist Primecrown auf einen anerkannten Grundsatz des englischen Rechts, wonach eine von einem bestimmten Tag an laufende, nach Monaten oder Jahren bestimmte Frist mit dem entsprechenden Monats-oder Jahrestag endet ( 206 ). Schließlich weist sie auf eine Vorschrift des spanischen Zivilgesetzbuchs hin, die bestimme, daß „Fristen, die nach Monaten oder nach Jahren bestimmt sind, ... von Datum zu Datum berechnet [werden]“ ( 207 ). Diese Vorschriften sind allenfalls hilfreiche und in die gleiche Richtung weisende Anhaltspunkte für anerkannte nationale Grundsätze und eine internationale Regel, die die von mir vorgeschlagene Auslegung stützen. Entscheidend muß aber sein, daß sich der Gerichtshof im Falle von Zweifeln oder Schwierigkeiten bei der Auslegung der Regelung bewußt sein sollte, daß er um Auslegung einer Vorschrift ersucht wird, die eine erhebliche Abweichung vom Grundsatz des freien Warenverkehrs zuläßt, der nicht nur ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist, sondern auch für Spanien durch Artikel 42 und für Portugal durch Artikel 202 der Beitrittsakte zur Geltung gebracht wird. Aus diesen Gründen schlage ich vor, als Ende der Übergangszeiten im Sinne der ersten und der zweiten Frage des vorlegenden Gerichts den 7. Oktober 1995 und den 1. Januar 1995 anzusehen.

IX — Antrag

201.

Aus den vorstehenden Gründen schlage ich daher vor, die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1)

Die Frist nach Artikel 47 Absatz 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge ist am 7. Oktober 1995 abgelaufen.

2)

Die Frist nach Artikel 209 Absatz 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge ist am 1. Januar 1995 abgelaufen.

3)

Die Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Warenverkehr einschließlich des Artikels 36 sind dahin auszulegen, daß sie den Inhaber eines Patents für ein Arzneimittel, der dieses Erzeugnis in einem ersten Mitgliedstaat, in dem Patentschutz besteht, verkauft und es außerdem in einem anderen Mitgliedstaat zu einer Zeit, zu der er dort keinen solchen Schutz für dieses Erzeugnis erlangen kann, in den Verkehr bringt, nicht daran hindern, von dem ihm nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats verliehenen Recht Gebrauch zu machen, in diesem Staat den Vertrieb des aus dem anderen Mitgliedstaat eingeführten Erzeugnisses zu verbieten. Diese Auslegung gilt erst von der Verkündung des Urteils des Gerichtshofes in den vorliegenden Rechtssachen an.


( *1 ) Originalsprachc: Englisch.

( 1 ) Die Ausdrücke „pharmazeutische Erzeugnisse“ und „Arzneimittel“ werden in der Bcitrittsakte (vgl. Fußnote 3 und die Ausführungen hierzu im Text), in den Gcmcinschaftsvorschriften und in den Urteilen des Gerichtshofes unterschiedlich verwendet. Im vorliegenden Zusammenhang halte ich es nicht für nötig, sie zu unterscheiden, und verwende sie daher ohne Unterscheidung; vgl. ferner die Erläuterung unten in Fußnote 61.

( 2 ) Rechtssache 187/80 (Slg. 1981, 2063; nachstehend: Merck/ Stcphar).

( 3 ) ABl. 1985, L 302, S. 23.

( 4 ) Diese Vorschriften finden sich im vierten Teil der Beitrittsakte jeweils als erste Artikel in den Abschnitten mit der Überschrift „Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen und der Maßnahmen mit gleicher Wirkung“, Titel II Abschnitt II für Spanien, Titel III Abschnitt II für Portugal. Um der Kürze willen habe ich bei Übereinstimmung der Vorschriften die Hinweise für Portugal in Klammern hinzugefügt.

( 5 ) A. a. O., Randnr. 14 und Tenor des Urteils.

( 6 ) Dies entsprach dem von den antragstcllcnden Mitglicdstaaten unterstellten Auslaufen der Übergangszeit nach Artikel 47 der Beitrittsaktc.

( 7 ) Auf ein schriftliches Ersuchen hin übersandte die Kommission dem Gerichtshof mit Schreiben vom 12. Februar 1996 Kopien der getroffenen Entscheidungen, die danach im Amtsblatt veröffentlicht wurden; vgl. ABl. 1996, L 122, S. 20 bis 26. Diese Entscheidung ist inzwischen von einer Reihe pharmazeutischer Unternehmen beim Gericht erster Instanz angefochten worden; vgl. Rechtssache T-60/96 (Merck u. a./Kommission).

( 8 ) Die Kommission steht auf dem Standpunkt, daß keine erheblichen und voraussichtlich anhaltenden Schwierigkeiten vorliegen und daß eine Zunahme der Einfuhren aus Spanien langfristig nicht so umfangreich sein wird, daß solche erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten entstehen würden.

( 9 ) Ziffer 2 des Protokolls Nr. 8 für Spanien; Ziffer 2 des Protokolls Nr. 19 für Portugal.

( 10 ) CH 1995 M No 1712.

( 11 ) Die drei Klägerinnen sind Merck & Co. Inc., eine nach dem Recht von New Jcrscv gegründete Gesellschaft, Merck Sharp & Dohme Limited, eine nach englischem Recht gegründete Gesellschaft, sowie Merck Sharp & Dohmc International Services BV, eine nach niederländischem Recht gegründete Gesellschaft (nachstehend zusammenfassend als Klägerinnen oder als die Pharmaunternehmen bezeichnet).

( 12 ) CH 1995 M No 3239.

( 13 ) ABl. 1992, L 182, S. 1.

( 14 ) Augenscheinlich hatte Europharm bei Beginn der Ausgangsverfahren eine Sendung des spanischen Erzeugnisses eingeführt, um bei der zuständigen nationalen Behörde einen Antrag auf Erteilung der erforderlichen Einfuhrgenehmigung für pharmazeutische Erzeugnisse zu stellen.

( 15 ) Hervorhebungen durch das vorlegende Gericht. Dieses Vorbringen wurde von Merck in seinen schriftlichen Erklärungen nicht wiederholt, wohl aber von Bcccham kurz vorgebracht; vgl. unten, Nr. 27.

( 16 ) Auf eine Frage in der Sitzung räumte Merck ein, daß es nach Einführung der Patentierbarkeit pharmazeutischer Erzeugnisse in Spanien und Portugal wegen des Fehlens des wesentlichen Erfordernisses der Neuheit unmöglich sei, Patentschutz für in anderen Mitglicdstaatcn bereits patentierte Erzeugnisse zu erhalten.

( 17 ) Gemäß Artikel 8 Absatz 2 der portugiesischen Verfassung werden internationale Abkommen innerstaatlich wirksam mit ihrer Ratifizierung durch Portugal. Somit trat das EPÜ in Portugal durch Niederlegung einer Urkunde seitens der portugiesischen Regierung am 14. Oktober 1991 zum 1. Januar 1992 in Kraft, obwohl das Decrcto-lci Nr. 42/92 erst am 31. März 1992 erlassen wurde.

( 18 ) Es billigt das Vorbringen von Merck, daß Patente beim portugiesischen Patentamt erst später hätten erlangt werden können.

( 19 ) Der Zeitpunkt des 1. Juni 1998 beruht auf dem Verstreichen dreier Kalenderjahre von dem Zeitpunkt ab, zu dem das portugiesische Patentamt eindeutig Patente für pharmazeutische Erzeugnisse erteilen konnte; der 31. Dezember 1998 bedeutet, daß die Auffassung „1. Juni 1998“ mit dem Kalenderjahr-Argument verknüpft wird; der letztgenannte Zeitpunkt wird wieder so bestimmt, daß einem früheren Zeitpunkt drei Jahre hinzugerechnet werden.

( 20 ) Merck weist darauf hin, daß sich die Zahl dieser Staaten einschließlich Spaniens und des Vereinigten Königreichs gegenwärtig auf etwa 100 belaufe.

( 21 ) Recopilación de Doctrina 1993, S. 1435.

( 22 ) Decreto-lei Nr. 16/95 vom 24. Januar 1995, in Kraft getreten am 1. Juni 1995.

( 23 ) Primecrown verweist u. a. darauf, daß sieben Mitglied-Staaten (unter Ausschluß Spaniens und des Vereinigten Königreichs) das Europaratsabkommen über die Berechnung von Fristen abgeschlossen hätten (Baseler Abkommen), das in Artikel 4 Absatz 2 bestimme: „Ist eine Frist nach Monaten oder nach Jahren bestimmt, so endet sie mit dem Tag des letzten Monats oder Jahres, der der Zahl nach dem ersten Tag der Frist entspricht und, wenn ein solcher Tag fehlt, mit dem letzten Tag des letzten Monats.“

( 24 ) Hingewiesen wird insbesondere auf die Ausführungen von Lord Diplock in Dodds v. Walker [1981] 1 WLR 1027, S. 1029.

( 25 ) Primecrown stützt dieses Vorbringen mit dem Hinweis auf eine Reihe internationaler, nationaler und gemeinschafts-rechtlicher Vorschriften.

( 26 ) Island ist indessen gemäß Artikel 3 Absatz 5 des Protokolls Nr. 28 zum EWR-Abkommen verpflichtet, diese Patentierbarkeit bis zum 1. Januar 1997 einzuführen.

( 27 ) A. a. O., oben, Fußnote 13.

( 28 ) KOM(90) 101 endg. —SYN 255.

( 29 ) Die italienische Preisregelung galt nicht für auf dem privaten Markt frei verkaufte pharmazeutische Erzeugnisse. In Portugal bestimmen die Artikel 2 und 3 der Verordnung Nr. 29/90 vom 13. Januar 1990, daß die Preise für pharmazeutische Erzeugnisse jedes Jahr behördlich durch Festsetzung eines Referenzpreises festgesetzt werden, der dem durchschnittlichen Preis vergleichbarer pharmazeutischer Erzeugnisse in Spanien, Frankreich und Italien entspricht. In Spanien werden aufgrund des Königlichen Dekrets 271/1990 vom 23. Februar 1990 die Preise vom Gesundheitsminister für mindestens ein Jahr festgesetzt.

( 30 ) Merck verweist u. a. auf die Zertifikatsverordnung und die durch den Vertrag über die Europäische Union eingeführten Artikel 3 Buchstabe m, 130 Absatz 1 und 130f Absatz 1 EG-Vertrag hin, die den neuen Konsens zugunsten größerer Forschungsanstrengungen in der Gemeinschaft belegen sollen.

( 31 ) Rechtssache 120/78 (Rewe, Slg. 1979, 649).

( 32 ) Merck besteht unter Hinweis auf N. Koch, „Article 30 and the Exercise of Industrial Property Rights to Block Imports“, (1986) Fordham Corp. L. Inst. 605, S. 619, darauf, daß dies nicht auf die Behauptung hinausläuft, daß der Patentschutz über den Marktpreisen liegende Erträge sichern müsse, sondern lediglich das Recht, Dritte von der Herstellung und dem Verkauf auszuschließen, was dann selbst einen Ausgleich darstelle.

( 33 ) Rechtssache 19/84 (Slg. 1985, 2281).

( 34 ) Verbundene Rechtssachen 55/80 und 57/80 (Slg. 1981, 147, 178; nachstehend: Musik-Vertrieb Membran).

( 35 ) Rechtssache 156/86 (Slg. 1988, 2605; nachstehend: Warner Brothers).

( 36 ) Rechtssache C-9/93 (Slg. 1994, I-2789; nachstehend: Ideal Standard).

( 37 ) Merck behauptet, es habe sich diesem Grundsatz stets verpflichtet gefühlt. Auf eine Frage erklärte Merck in der Sitzung, es fühle sich sittlich verpflichtet, alle seine pharmazeutischen Erzeugnisse überall in der Welt ohne Rücksicht auf die geltenden Preise und damit die Ertragsfähigkeit einer solchen Handlungsweise zugänglich zu machen.

( 38 ) Rechtssache 15/74 (Slg. 1974, 1147).

( 39 ) In der Sitzung machte Beecham Leitend, da die Forschungskosten aus dem laufenden Cashflow erlegt würden, verhindere die Möglichkeit des Bezugs billigerer Parallclimportc in Mitglicdstaaten mit Patentschutz Gewinne auf diesen Märkten und damit auch die Weiterführung der Forschung.

( 40 ) Bcccham verweist auf die Artikel 3 Buchstaben m und o,130 und 129 des Vertrages.

( 41 ) Bcccham verweist auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 29. Juni 1995 (AΒl. L 183, S. 26).

( 42 ) Primecrown weist darauf hin, daß dieser Umstand seinerzeit von der Regierung des Vereinigten Königreichs vorgetragen und im Sitzungsbericht erwähnt worden sei; siehe Slg. 1981, 2063, 2074, rechte Spalte, mittlerer Absatz.

( 43 ) Rechtssache C-191/90 (Slg. 1992, I-5335: nachstehend: Generics].

( 44 ) Der einzige Zwang ergibt sich nach Meinung von Primecrown aus der möglichen Anordnung einer Zwangslizenz, was aber nicht dasselbe sei wie die positive llechtspflieht zur Belieferung eines Marktes.

( 45 ) Primecrown weist darauf hin, daß zusammen mit Rcnitcc offenbar mindestens 19 gleichwertige Generica auf dem Markt seien; für Proscar gebe es auf dem spanischen Markt keine gleichwertigen Gcncrika, so daß schwer einzusehen sei, wie Merck infolge des fehlenden Patentschutzes in Spanien benachteiligt werden solle.

( 46 ) Hingewiesen wurde zur Stützung der Auffassung, daß nach spanischem Recht keine Pflicht von Patentinhabern zur Weiterbelieferung bestehe, auf die Entscheidung der Kommission vom 10. Januar 1996 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag, Adalat (Sache IV/34.279/F3). Die Entscheidung betraf angeblich wcttbcwcrbswidrigc Versuche von Bayer und seiner französischen und spanischen Tochtergesellschaften, Großhandclsliefcrungen des Erzeugnisses Adalat auf die tatsächlichen Bedürfnisse dieser Märkte zu beschränken. Die Gültigkeit dieser Entscheidung, die Bayer u. a. verpflichtet, den behaupteten Verstoß gegen Artikel 85 EG-Vertrag einzustellen, ist beim Gericht erster Instanz angefochten worden, vgl. Rechtssache T-41/96, Bayer/Kommission, während in der Rechtssache T-41/96 R der Kläger eine einstweilige Anordnung beantragte und der Präsident des Gerichts erster Instanz die einstweilige Aussetzung des Artikels 2 der Entscheidung anordnete.

( 47 ) Der „National Economic Research Associates (NERA) Report“ wurde von Merck als Anlage 5 zu seiner schriftlichen Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht. In diesem Bericht heißt es laut Primecrown, daß „von den 1991 in Europa am meisten verschriebenen 50 Erzeugnissen nur 40 in jedem Mitgliedstaat der EU erhältlich“ gewesen seien. Primecrown schließt daraus, daß die von Merck behauptete sittliche Pflicht von der Pharmaindustrie als ganzer nicht allgemein beachtet werde.

( 48 ) In der Sitzung bestand Primecrown ausdrücklich darauf, daß es den Pharmaunternehmen, da nahezu alle Mitglied-Staaten irgendeine Form der Prcisregelung praktizierten, nicht erlaubt sein dürfe, sich auf die Geltung solcher Regelungen zu berufen, um den Einsatz gewerblicher Schutzrechte zur Beschränkung von Parallelimporten zu rechtfertigen.

( 49 ) Rechtssache 7/61 (Kommission/Italien, Slg. 1961, 693).

( 50 ) Zitiert werden das Urteil Centrafarm/Sterling Drug (Randnrn. 22 bis 25), und allgemein das Urteil Musik-Vertrieb Membran sowie das Urteil in der Rechtssache 78/70 (Deutsche Grammophon/Metro, Slg. 1971, 487; nachstehend: Deutsche Grammophon).

( 51 ) Spanien wurde in der Sitzung von Primecrown als der achtgrößte nationale Pharmamarkt bezeichnet.

( 52 ) Als wichtigste Hindernisse werden genannt: i) Schwierigkeiten bei der Verwirklichung eines stetigen Warenflusses für den Parallelimport sowie zeitweilige Unterbrechungen der Belieferung, was Apotheker vor der Verwendung von Parallelimporten zögern lasse; ii) Hindernisse infolge von unterschiedlichen Warennamen; iii) Kennzeichnung in fremden Sprachen; iv) Abneigung einiger Apotheker, solche Parallclimportc abzugeben, falls kein ausreichender Prcisanreiz bestehe; v) Hindernisse durch unterschiedliche Dosierungen (von Einzeltablcttcn); vi) ähnliche Hindernisse infolge verschiedener Packungsgrößen.

( 53 ) Primecrown vermutet, daß die meisten spanischen Parallelimporte eher Substitutionen für bestehende Parallclimporte in Italien oder Frankreich als Neltozuwächse im Markt seien, weil sich die Preise in Spanien nicht notwendig sehr von den Preisniveaus in Italien und Frankreich unterschieden.

( 54 ) Artikel 27 Absatz 1 verpflichte alle Untcrzcichnerstaatcn zur Einführung von Patentschutz für pharmazeutische Erzeugnisse; seine Vorschriften über die Patentierbarkeit und die Schutzdaucr seien den Bestimmungen des EPÜ nachgebildet. Für Entwicklungsländer sei in Artikel 65 Absatz 4 eine Übergangsfrist von zehn Jahren für Erzeugnispatente vorgesehen. Für einen Überblick über TRIPs vgl. z. B. Demaret, „The Metamorphoses of the GAIT: From the Havana Charter to the World Trade Organisation“, (1995) 34 Columbia Journal of Transnational Law 123, S. 162 bis 169.

( 55 ) Unter Hinweis insbesondere auf Marenco und Banks, „Intellectual Property und Community Rules on Free Movement: Discrimination Unearthed“, (1990) 15 E. L. Rev., 247, führt die Kommission vier hauptsächliche Kritikpunkte an: i) Der Grundsatz nehme dem Patentinhaber die Möglichkeit, einen vollen Ausgleich für seine Erfindermühe zu erhalten; ii) der Grundsatz beruhe auf der irrigen Annahme, daß ein Recht dort, wo es gar nicht bestehe, erschöpft werden könne; iii) er habe zu einem unangebrachten Begriff der Zustimmung geführt, nämlich der Zustimmung zum Inverkehrbringen statt der Zustimmung zur Ausübung eines gewerblichen Schutzrechts; iv) er unterscheide paradoxerweise zwischen den Wirkungen der Entscheidung eines Unternehmens, das in einem Mitglicdstaat Patentschutz genieße, nicht dort, sondern in einem Staat auf den Markt zu gehen, in dem eine Zwangslizenz angeordnet werde, und denen einer Entscheidung desselben Unternehmens, das keinen Patentschutz erlangen und gezwungen sein könne, auf diesem Markt zu einem vom Staat festgesetzten Preis zu verkaufen. In der Sitzung weigerte sich allerdings der Vertreter der Kommission, auch nur einen dieser Kritikpunkte als Rechtfertigung für einen Verzicht auf den Merck/Stephar-Grundsatz zu betrachten.

( 56 ) Im einzelnen: i) Dies liege der ratio decidendi des Urteils Merck/Stephar zugrunde; ii) es entspreche der Entwicklung der neueren Rechtsprechung, insbesondere dem Urteil Pharmon/Hoechst; iii) es würde das Recht des Patentinhabers auf vollen Ausgleich für seine Erfindermühe aufrechterhalten und zugleich den Kern des Grundsatzes der Erschöpfung von Rechten beachten.

( 57 ) In ihrer schriftlichen Erklärung hatte die Kommission vorgetragen, daß es zwar Sache des vorlegenden Gerichts sei, die Geltung einer sittlichen Pflicht festzustellen, daß sie aber gleichwohl meine, daß eine solche Pflicht bestehe, wenn Erwägungen der Volksgesundhcit in einem Mitgliedstaat eine Nachfrage für ein bestimmtes pharmazeutisches Erzeugnis entstehen ließen und ein Patentinhaber aus Gründen, die allein mit der erkannten Notwendigkeit zusammenhängen, seine Position gegenüber Parallelimporten in andere Mitgliedstaaten zu schützen, nicht umhin könnte, dieser Nachfrage zu entsprechen.

( 58 ) Die Kommission räumt ein, es sei unklar, ob die Kläger der Ausgangsverfahren tatsächlich eine beherrschende Stellung auf den betreffenden Märkten innehätten, und weiter, ob ihre mögliche Weigerung, den Markt zu beliefern, als Mißbrauch im Sinne des Artikels 86 bewertet werden könnte.

( 59 ) Nach Auffassung der Kommission sollte der Mcrck-Stephar-Grundsatz weiter in Fällen angewandt werden, in denen das Erzeugnis patentierbar war, der Patentinhaber aber aus welchen Gründen auch immer tatsächlich keinen Patentschutz erhielt.

( 60 ) Die Kommission wies darauf hin, daß die Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme (ABl. 1989, L 40, S. 8; nachstehend: Transparenz-Richtlinie), deren Ziel es sei, „einen Überblick über die einzelstaatlichen Vereinbarungen zur Preisfestsetzung zu erhalten“ (5. Begründungserwägung), keine Harmonisierungsmaßnahme sei.

( 61 ) Ich verwende, wie in Fußnote 1 erläutert, die Ausdrücke „pharmazeutische Erzeugnisse“ und „Arzneimittel“ unterschiedslos. Sowohl der Gerichtshof als auch die Generalanwälte haben in den drei bisher bedeutendsten Fällen auch andere Ausdrücke wie „Medikamente“ verwendet, während in einigen der in diesem Verfahren eingereichten Erklärungen von „Pharmaka“ gesprochen wird. Diese Ausdrücke önnen alle so verstanden werden, daß sie sich auf Arzneispezialitätcn zum menschlichen Gebrauch beziehen, die im wesentlichen Gegenstand der Rechtssachen C-24/67 (Parke, Davis and Co./Centrafarm, Slg. 1968, 85; nachstehend: Parke, Davis), Centrafarm/Sterlin Drug und Merck/Stephar waren und in den vorliegenden Sachen erneut in Rede stehen. Das Wort „Arzneispezialitäten“ ist der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts-und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 22, S. 369; nachstehend: Richtlinie 1965) entnommen. Der Ausdruck Patentinhaber wird der Bequemlichkeit halber zur Beschreibung desjenigen benutzt, der als Inhaber, Rechtsnachfolger oder Lizenznehmer berechtigt ist, Vorteile aus einem Patentrecht zu ziehen.

( 62 ) KOM(93) 718 endg.

( 63 ) A. a. O,, S. 5, Absatz 1. In seiner in der Plenarsitzung vom 16. April 1996 angenommenen Entschließung zur Mitteilung tier Kommission (AB!. C 141, S. 63)stclitc das Europäische Parlament fest, daß es „von der Kommission Konzepte für eine echte Industriepolitik [erwartet]“, die „die europäischen Forschungsarbeiten stärker zu echten Innovationen hinlenkt“, und zwar u. a. mit dem Mittel, „den neuen Arzneimittelprodukten sowohl in der EU als auch in den Drittländern der Schutz des geistigen Eigentums zu gewähren“. Vgl. auch allgemein die Stellungnahme des Wirtschafts-und Sozialausschusscs zum Thema „Freier Warenverkehr mit Arzneimitteln in der Europäischen Union-Beseitigung der bestehenden Mandelshemmnisse“ (ABl. 1996, C 97, S. 1).

( 64 ) Acetylene Illuminating Company Ltd v. United Alkali Co. Ltd [1905] RPC 145 und 153, House of Lords. Dieses Urteil soll seinerzeit auch für Irland gegolten haben und auch nach dessen Unabhängigwerdung im Jahre 1922 in der Rechtsprechung berücksichtigt worden sein.

( 65 ) Patcntgcsclz vom 9. Mai 1961, § 1 Absatz 2 in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Patcntgcsctzcs, des Warenzeiehengesetzes und weiterer Gesetze vom 4. September 1967, BGBl. I, S.953.

( 66 ) Verordnung Nr. 450 des Ministers für Industrie vom 16. Dezember 1983.

( 67 ) Artikel 1 Absatz 3 des Beschlusses 1043 vom 13. Oktober 1989.

( 68 ) Vgl. Artikel 1 und 2 der Verordnung Nr. 932/1987, die die Patentierung von Nahrungs-und Arzneimittel betrifft.

( 69 ) Decreto reale Nr. 1127 vom 29. Juni 1939.

( 70 ) Für eine eingehende Erörterung vgl. das Urteil Merck/ Stephar, a. a. O., S. 2065 bis 2067.

( 71 ) European Intellectual Property Review Supplement, Band 16, Heft 11, November 1994. Artikel 27 Absatz 1 bestimmt: „Patente werden für jede Erfindung, gleichgültig, ob Erzeugnis oder Verfahren, auf allen Gebieten der Technologie erteilt, falls sie neu sind, eine erfinderische Leistung darstellen und industriell angewandt werden können.“ Obwohl das Urteil Merck/Stephar möglicherweise mit dieser Bestimmung unvereinbar ist, wird dieses Problem in den Vorlagefragen nicht aufgeworfen. Hinzuweisen ist darauf, daß der Rat am 22. Dezember 1994 den Beschluß 94/800/EG über den Abschluß der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986— 1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaften in bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. 1994, L 336, S. 1) erlassen hat. In dem Gutachten 1/94 (Slg. 1994, I-5267) erklärte der Gerichtshof, daß die Europäischen Gemeinschaften und die Mitgliedstaaten getrennt zuständig seien, TRIPs abzuschließen.

( 72 ) Vgl. Mitteilung 1994, a. a. O. (oben, Fußnote 62), S. 14.

( 73 ) Diese Sorgen spiegeln sich auch in der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gcmcinschaftsvcrfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human-und Ticrarzncimittcln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 214, S. 1; nachstehend: Verordnung 1993) wider.

( 74 ) Λ. a. O. (oben, Fußnote 61).

( 75 ) ABl. 1987, L 15, S. 36.

( 76 ) Vgl. Artikel 4 Absatz 2 Nummer 8 Buchstabe a Ziffer iii der Richtlinie 1965 in der neuen Fassung.

( 77 ) KOM(90) 101 endg. —SYN 255.

( 78 ) A. a. O., Nr. 1.

( 79 ) Vgl. Nr. 5 der Begründung.

( 80 ) A. a. O. (oben, Fußnote 13).

( 81 ) Vgl. z. B. verbundene Rechtssachen C-241/91 Ρ und C-242/92 Ρ (RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743; nachstehend: Magill).

( 82 ) Vgl. Nr. 10 der Schlußanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache C-10/89 (HAG GF, Slg. 1990, I-3711, 3725; nachstehend: HAG II).

( 83 ) A. a. O., Nr. 9 der Schlußanträge.

( 84 ) Der Gerichtshof hat anscheinend diese Ausdrücke in seiner Rechtsprechung als austauschbare Wendungen gebraucht, in meinen Schlußanlrägcn werde ich aber von nun an den Ausdruck „spezifischer Gegenstand“ verwenden.

( 85 ) 12. Aufl., London 1980, S. 1016.

( 86 ) Der gleiche Grundsalz gilt mutatis mutandis für Patente. So bestimmt z. B. in Irland Section 40 des Patents Act 1992: „[Ein] Patent gibt während seiner Dauer dem Inhaber das Recht, jedermann, der nicht seine Zustimmung hat, zu untersagen, im Inland auch nur eine...“ der Handlungen vorzunehmen, die den wesentlichen Schutzinhalt des Patents ausmachen. Vgl. auch die Nachweise zu den Worten „in the United Kingdom“ in bezug auf Verletzungsklagcn vor den Gerichten dieses Mitgliedstaates gemäß Section 60 des Patents Act 1977.

( 87 ) Machlup, „An Economic Review of the Patent System“, Study of the Committee on Patents, Trademarks and Copyrights of the Committee of the Judiciary, US Senate, 85th Congress, Study Nr. 15 (Washington), S. 21. Vgl. die interessante Untersuchung dieser und anderer Formulierungen der rcchtspolitischcn Gründe von Patentsystemen des verstorbenen Professors und Richters am Gerichtshof René Joliét (nachstehend: Professor Joliet) in: „Patented Articles and the Free Movement of Goods within the EEC“, 28 Current Legal Problems (1975) 15, S. 30 bis 32.

( 88 ) Vgl. die eingehende Untersuchung von Demarct in: Patents, Territorial Restrictions and EEC Law, IIC Studies in Industrial Property and Copyright Law, Band 2, München 1978, Kapitel 3.

( 89 ) Bei der Beantwortung einer Frage in der Sitzung bestand allgemeine Einigkeit darüber, daß das Patentmonopol aufgrund nationaler Gesetze für den ersten Verkauf jeder individuellen Partie oder Einheit des Patenterzeugnisses gilt, die vom oder mit Zustimmung des Patentinhabers erzeugt worden ist.

( 90 ) Solche Einschränkungen müssen ausdrücklich erfolgen: „Hat jemand ein Erzeugnis gekauft, so erwartet er, daß er darüber verfügen kann, so daß eine entgegenstehende Vereinbarung, die den Verkäufer mit Recht sagen läßt, er habe dem Käufer keine Genehmigung zum Weiterverkauf des Erzeugnisses oder zu seiner beliebigen Verwendung erteilt, klar und eindeutig getroffen sein muß; vgl. die Feststellung von Lord Hatherley in Betts ν Willmot (1871) LR 6 Ch App, 239, S. 245. Dieser Grundsatz wurde für das irische Recht durch das Urteil des Supreme Court in der Sache Hunter ν Fox [1965] RPC 416 gutgeheißen. Das Recht des Vereinigten Königreichs und Irlands geht davon aus, daß ein Patentinhaber, der patentgeschützte Erzeugnisse im Ausland in den Verkehr gebracht hat, sich ihrer späteren Einfuhr in das Vereinigte Königreich oder Irland nicht widersetzen kann, es sei denn, ihre Einfuhr sei zur Zeit des Verkaufs durch ein klares und ausdrückliches Einfuhrverbot untersagt worden. „Das englische Common law anerkannte somit (im Gegensatz zum Rechtszustand in anderen Ländern) keine automatische zwingende Erschöpfung von Rechten beim Verkauf einer patentgeschützten Ware durch einen Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung“ (Chartered Institute of Patent Agents, C. /. P. Α. Guide to the Patent Acts, 4. Aufl., London 1995, S. 420).

( 91 ) Vgl. Demarct, a. a. O. (oben Fußnote 89) sowie Alexander, „L'établissement du Marché commun et le problème des brevets parallèles“, (1968) RTDE 513, S. 516 bis 521. Nach dem Recht des Vereinigten Königreichs (und Irlands) gilt für Verkäufe eines Lizenznehmers eines ausländischen Patents eine engere Betrachtungsweise als für Inlandsverkäufe; danach können die Güter nicht in das Vereinigte Königreich (oder Irland) eingeführt werden, falls keine (ausdrückliche oder stillschweigende) Genehmigung des Inhabers des britischen oder irischen Patents vorliegt; vgl. Cornish, Intellectual Property: Patents, Copyright, Trade Marks and Allied Rights, London 1981, S. 199, der u. a. auf die Äußerung von Justice Rudd in dem Urteil Bcecham ν International Products [1968] RPC 129 verweist: „Bei einem Verkauf durch einen Lizenznehmer hängt die Entscheidung vom Umfang der dem Lizenznehmer vom Lizenzgeber mit der Lizenz oder durch sonstige Absprachen zwischen ihnen übertragenen Befugnisse ab“ (S. 153).

( 92 ) Λ. a. O., wiedergegeben im Tatbestand des Urteils, S!g. 1968, 85, 104.

( 93 ) Centrafarm behauptete allerdings in der Sitzung, daß ein italienisches Unternehmen das Erzeugnis aufgrund einer Lizenz von Parke, Davis herstelle.

( 94 ) Absätze 5 und 6 der Entscheidungsgründc.

( 95 ) Vgl. Professor Jolict, a. a. O. (oben, Fußnote 87), S. 18. Die Deutsche Grammophon (DG) stellte Schallplattcn her, die sie u. a. unter dem Markenzeichen Polydor in Deutschland und über eine Tochtergesellschaft in Frankreich vertrieb. Deutsche Einzelhändler hatten eine Verpflichtung zur Einhaltung von Mindcstvcrkaufsprciscn zu unterzeichnen, wenn sie beliefert werden wollten. Die Belieferungen des Beklagten Metro wurden wegen einer Verletzung dieser Verpflichtung eingestellt. Metro konnte sich in Deutschland Schallplatten beschaffen, die ursprünglich von DG an ihre französische Tochtergesellschaft geliefert worden waren. Die betreffenden Schallplattcn waren von der französischen Tochtergesellschaft an ein Unternehmen in einem dritten Land verkauft worden, das sie dann an das Unternehmen in Hamburg lieferte, von dem Metro sie dann erwarb. DG versuchte vor den deutschen Gerichten Metro den Wiederverkauf oder den sonstigen Vertrieb der betreffenden Schallplattcn in Deutschland im Wege der einstweiligen Verfügung verbieten zu lassen.

( 96 ) Urteil Deutsche Grammophon, Randnr. 4.

( 97 ) Randnr. Π des Urteils.

( 98 ) Ich stimme denen zu, die die logische Grundlage der Unterscheidung anzweifeln. Insbesondere bin ich ebenfalls der Ansicht, daß „Rechte aus nichts mehr bestehen können als den Möglichkeiten, in denen sie ausgeübt werden können“; vgl. z. B. dazu erstmals Korah, „Dividing the Common Market through national Industrial Property Rights“, (1972) MLR 634, S. 636, und unlängst die kritischen Bemerkungen von Marenco und Banks, a. a. O. (oben, Fußnote 55), S. 224 bis 226. Ich folge der Auffassung von Generalanwalt Gulmann in der Rechtssache Magill, a. a. O (oben, Fußnote 81), der sagt: „Die Ausübung von Befugnissen, die zum spezifischen Gegenstand eines Immaterialgüterrechts gehören, betrifft dessen Existenz. Die Unterscheidung zwischen Existenz und Ausübung sowie die Anwendung des Begriffes des spezifischen Gegenstands bringen mit anderen Worten im Grunde denselben Gedankengang zum Ausdruck. Meines Erachtens hat die Unterscheidung zwischen Existenz und Ausübung deshalb keine selbständige Bedeutung für die Lösung der konkreten Abgrenzungsfrage“ (Nr. 31 der Schlußanträge). Vgl. auch z. B. das Urteil des irischen High Court (Justice Kennedy) in Central Dublin Development Association/Attorney General (1975) 109 ILTR 69, in dem das Eigentum als „Bündel von Rechten“ definiert wird.

( 99 ) Gcncralanwalt Roemer hielt in seinen Schlußanträgen in der Rechtssache Deutsche Grammophon die Unterscheidung zwischen Urheberrecht und Patenten für „unerheblich“ (Slg. 1971, 487, 509). Er führte aus, daß „das Urheberrecht dem Patentrecht sicher näher verwandt ist als etwa dem Markenrecht“. Professor Joliet (a. a. O., oben, Fußnote 87, S. 20) weist unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte des deutschen Gesetzes, mit dem das betreffende Recht eingeführt wurde, darauf hin, daß es wegen der Qualität der technischen Leistung und wegen der erheblichen wirtschaftlichen Investitionen, die erforderlich waren, um zum Vertrieb geeignete Schallplatten herzustellen, geschaffen wurde, und „daß diese Funktion das betreffende Monopol einem Patent sehr ähnlich machte“.

( 100 ) A. a. O., Randnr. 12 des Urteils.

( 101 ) Generalanwalt Roemer sprach in seinen Schlußanträgen die Erschöpfung der Rechte bei Fallgestaltungen wie denen in der Rechtssache Deutsche Grammophon an: „Hier sollte entscheidend sein, daß mit dem ersten Inverkehrbringen der Zweck des gewerblichen Schutzrechtes erfüllt wurde, weil die monopolistische Gewinnchance genutzt werden konnte. Dagegen würde es über den Schutzzweck des gewährten Rechts zweifellos hinausgehen, wenn dem Inhaber die Kontrolle des weiteren Vertriebs, namentlich die Untersagung des Reimports gestattet und der freie Warenverkehr verhindert würde. — Somit kann mit Rücksicht auf den Vorbehalt des Artikels 36, die wesentlichen Ziele des Vertrages, die Prinzipien des Gemeinsamen Marktes und trotz der für die gewerblichen Schutzrechte geltenden Bestands garantie bei einem Sachverhalt wie dem des Ausgangsverfahrens angenommen werden, daß Rechtscrschöpfung eingetreten ... ist“ (Slg. 1971, 487, 508 f.). Selbst in diesem Fall war also klar, daß die Version der Erschöpfungslehre, die das Gcmcinschaftsrecht hier zu entwickeln begann, im wesentlichen eine auf den Namen beschränkte Ähnlichkeit mit den niederländischen und deutschen Gesetzen aufwies, die sie weitgehend inspiriert hatten.

( 102 ) A. a. O., Randnr. 8 des Urteils.

( 103 ) „Der Patentschutz, der sich inhaltlich vor allem in dem ausschließlichen Recht konkretisiert, das patentierte Erzeugnis herzustellen und in den Verkehr zu bringen, und der dem Inhaber zugebilligt wird, um ihm als Erfinder einen Ausgleich für die auf sich genommenen Anstrengungen und wirtschaftlichen Wagnisse zu verschaffen, wird lediglich für einen vorübergehenden Zeitraum gewährt...“ (Nr. 4 der Schlußanträge).

( 104 ) Randnr. 9 des Urteils.

( 105 ) Vgl. Randnrn. 10 und 11 des Urteils.

( 106 ) Randnr. 11 des Urteils.

( 107 ) Randnr. 12 des Urteils. Ebenso nachdrücklich äußerte sich Gcneralanwalt Trabucchi: „Es ist sicherlich nicht mit den für den Warenverkehr geltenden tragenden Grundsätzen der Gemcinschaftsrechtsordnung zu vereinbaren, wenn eine Gesellschaft, die als Inhaberin paralleler Patente in der Gemeinschaft unter Einschaltung einer von ihr vollständig beherrschten Gesellschaft daran mitgewirkt hat, ein bestimmtes Erzeugnis in einem Mitgliedstaat in den Verkehr zu bringen, sich um der Aufrcchterhaltung des Handelsmonopols einer weiteren Tochtergesellschaft willen dagegen zur Wehr setzt, daß ein Drittcrwcrbcr dieses Erzeugnis nach einem anderen Mitglicdstaat einführt“ (Nr. 5 der Schlußanträge).

( 108 ) Dies war die Hauptkritik an dem Urteil Centrafarm/Sterling Drug, die Professor Joliet, a, a. O. (oben Fußnote 87), S. 37, wie folgt formulierte: „Es ist unerheblich, daß das Erzeugnis vom Patentinhaber hergestellt wurde, wenn ein anderer es ebensogut hätte herstellen dürfen. Die Prüfung, ob die Herstellung mit Zustimmung des Patentinhabers stattfand, setzt meines Krachtens voraus, daß der Patentinhaber diese Herstellung kontrollieren konnte, d. h. daß ihm ein Parallclpatcnt in dem Ausfuhrland zustand. Selbstverständlich rechtfertigt auch die Funktion des Patents eine Einfuhrbeschränkung in einer solchen Situation“. Auch Demaret billigte diese Auffassung des Urteils, als er ausführte, daß es bei Inverkehrbringen im Ursprungsland durch einen Patentinhaber oder mit dessen Zustimmung, aber ohne Patentschutz, nach dem Urteil Centrafarm/Sterling Drug unwahrscheinlich sei, daß der Gerichtshof eine Einfuhrbeschränkung billigen würde; vgl. „Le brevet communautaire apres Centrafarm: un instrument dépassé ou inachevé?“, (1977) RTDE 1, S. 33.

( 109 ) Er bemerkte zutreffend, daß diese Erwägung vom Gerichtshof in dem Urteil Deutsche Grammophon nicht als erheblich behandelt worden sei; vgl. oben, Nr. 98.

( 110 ) Schlußanträge, S. 2088.

( 111 ) A. a. O., S. 2090 (Hervorhebung im Original).

( 112 ) A. a. O., S. 2091.

( 113 ) A. a. O., Randnrn. 9 und 10 des Urteils.

( 114 ) A. a. O., Randnr. 11 des Urteils,

( 115 ) Randnr. 11 des Urteils.

( 116 ) Rechtssache 192/73 (Slg. 1974, 731; nachstehend: HAG I).

( 117 ) In der früheren Rechtsprechung, z. B. im Urteil Parke, Davis, a. a. O. (Absatz 5 der Entscheidungsgründe), stellte der Gerichtshof fest: „Die einzclstaatlichen Vorschriften über den Schutz des gewerblichen Eigentums sind in der Gemeinschaft noch nicht vereinheitlicht.“

( 118 ) Der Gerichtshof ist immer davon ausgegangen, daß nationale gewerbliche Schutzrechte nicht durch Verwendung außerhalb der Gemeinschaft erschöpft werden; vgl. zuerst Rechtssache 51/75 (EMI Records/CBS, Slg. 1976, 811), die Warenzeichen betraf, wiederholt aber im Zusammenhang der Beitrittsakte und für Patente im Urteil Generics, a. a. O. (oben, Fußnote 43). Einige einzelstaatliche Gerichte haben die Auffassung vertreten, daß die Einfuhr von Patenterzeugnissen aus einem Drittland über einen Mitgliedstaat das nationale Patentrecht des Inhabers im Bcstimmungsmitgliedstaat nicht erschöpft; vgl. z. B. die Entscheidungen bei Tritton, Intellectual Property in Europe, London 1996, der bemerkt, das Hanseatische Oberlandesgcricht Hamburg habe in seinem Urteil Re Patented Bandages Material [1988] 2 CMLR 359 „entschieden, daß der Patentinhaber seine Rechte nicht erschöpft hat, wenn er kein Parallelpatentrecht in dem dazwisehengeschaltetcn Mitglicdstaat hat“ (S. 317).

( 119 ) Koch, a. a. O. (oben, Fußnote 32), S. 620, beschreibt das Fehlen einer Diskriminierung zutreffend: „Die Vermarktungsbedingungen in den beiden betroffenen Mitglicdstaaten sind nicht vergleichbar, und die Ausübung des Patents diskriminiert das Inverkehrbringen im Ausland nicht gegenüber der inländischen Vermarktung“ (S. 620).

( 120 ) Viele Autoren haben die Alternative in Randr.ll des Urteils Merck/Stephar kritisiert. Vgl. z. B. Korah, EC Competition Law and Practice, 3. Aufl. (London 1994), wo es heißt: „Den Patentinhaber davon abzuschrecken, in Ländern zu verkaufen, in denen er keinen Schulz erhalten kann, mag theoretisch dazu führen, daß die Erzeugnisse nur dort verkauft werden, wo sie patcntrcchtlich geschützt sind; dies aber könnte den Markt noch spürbarer aufteilen, als dies unterschiedliche Preisgestaltung vermag.“ Vgl. ferner Marcnco und Banks, a. a. O. (oben, Fußnote 55), die ausführen: „Es ist wirklich eine Ironie, daß Vorschriften, die die Freiheit des Marktes fördern sollen, so ausgelegt werden, daß die Inanspruchnahme dieser Freiheit bestraft wird.“

( 121 ) Die Kläger haben nie behauptet, daß sie aus dem Inverkehrbringen der in Rede stenenden Erzeugnisse auf den spanischen und portugiesischen Märkten keinen Gewinn zögen. Ich glaube aber nicht, daß dies den großen grundsätzlichen Unterschied zwischen Verkäufen mit oder ohne Patentschutz beseitigt.

( 122 ) Artikel 129 Absatz 1 des Vertrages.

( 123 ) Vgl. das Urteil Cenlrafarm/Sterling Drug, Randnr. 9, zitiert in Nr. 98 dieser Schlußanträge.

( 124 ) Randnrn. 9 und 10 der Entscheidungsgründe des Urteils.

( 125 ) Zum Zeitpunkt des Urteils Merck/Stephar war die Patentierbarkeit von Arzneimitteln in Europa eher die Ausnahme als die Regel, da abgesehen von Spanien und Portugal auch Österreich, Dänemark, Finnland, Griechenland und Italien diese Patentierbarkeit erst in den letzten 15 Jahren anerkannt haben; vgl. oben, Nr. 79.

( 126 ) A. a. O., S. 2095.

( 127 ) Diese Feststellung ist sicherlich zutreffend, doch besteht das Recht des Patentinhabers in der Möglichkeit der Erziclung von Monopolerträgen, was klar durch die Entschiedenheit unter Beweis gestellt wird, die Patcntnchmcr bei der Verteidigung dieser Möglichkeit an den Tag legen.

( 128 ) Korah, a. a. O. (oben, Fußnote 120).

( 129 ) Ziffer 1 des Protokolls Nr. 8 und des Protokolls Nr. 19.

( 130 ) Urteil Musik-Vertrieb Membran, Randnrn. 25 und 26.

( 131 ) Schlußanträge, S. 180. Er hielt die GEMA nicht einfach für berechtigt, „ohne weiteres den Unterschied zwischen den im Vereinigten Königreich gesetzlich festgelegten Satz von 6,25 % und einer nach ihren eigenen Tarifen berechneten Lizenzgebühr zu fordern“. Er hielt die Tarife der GEMA für unerheblich und empfahl als Umfang der Einschränkung den „Unterschiedsbetrag zwischen der gegenwärtig im Vereinigten Königreich gezahlten Lizenzgebühr ... und der Lizenzgebühr, die im Vereinigten Königreich ohne Section 8 und unter der Voraussetzung hätte ausgehandelt werden können, daß die Schallplatten, für die die Gebühr gezahlt worden wäre, überall in der Gemeinschaft frei hätten vertrieben werden können“ (Schlußanträge, S. 179).

( 132 ) Ahnliche Auffassungen sind von akademischen Autoren geäußert worden, vgl. z. B. Marenco und Banks, a. a. O. (oben, Fußnote 55), S. 246 bis 248; Demaret, „Industrial Property Rights, Compulsory Licences und the Free Movement of Goods under Community Law“, (1987) IIC S. 161, 176; White, Urteilsanmerkung zu Pharmon/Hoechst, 23 CMLR 721, S. 722 und 723; Gotzen, „La libre circulation des produits couverts par un droit de propriété intellectuelle dans la jurisprudence de la Cour de Justice“, Revue trimestrielle de droit commercial et de droit économique 1985, S. 467, 471.

( 133 ) A. a. O., Schlußanträge, S. 2285, Hervorhebung im Original.

( 134 ) Randnrn. 25 und 26 des Urteils.

( 135 ) Randnr. 29 des Urteils.

( 136 ) Vgl. Gormley, (19S5) 10 E. L. Rev., 447, S. 449.

( 137 ) Pharmon/Hoechst, Randnr. 26 des Urteils (Hervorhebung nur hier).

( 138 ) A. a. O. (oben, Fußnote 132), S. 175.

( 139 ) Es ist bemerkenswert, daß selbst lautstarke akademische Befürworter des Urteils Mcrck/Stcphar nicht davon überzeugt waren, daß die Auswirkungen des Urteils Pharmon/Hoechst mit der Logik des Urteils Merek/Stephar vereinbar seien; vgl. z. B. die nachdrückliche Zustimmung zum Urteil Merek/Stephar durch Bonet, Revue trimestrielle de droit européen 1982, S. 161 bis 166, mit seinen kritischen Bemerkungen zum Urteil Pharmon/Hoechst, Revue trimestrielle de droit européen 1986, S. 281 bis 286.

( 140 ) Vgl. Demaret, a. a. O. (oben, Fußnote 132), S. 177.

( 141 ) Sitzungsbericht, S. 2611; Randnr. 25 wird oben in Nr. 118 zitiert.

( 142 ) A. a. O., S. 2611.

( 143 ) A. a. O., S. 2623.

( 144 ) A. a. O., Schlußanträge, S. 2623.

( 145 ) A. a. O., Randnrn. 15 und 16 des Urteils, Hervorhebungen nur hier.

( 146 ) Randnr. 18 des Urteils, Hervorhebung nur hier.

( 147 ) Vgl. die wirtschaftliche Begründung in den Randnrn. 15, 16, und 18 des Urteils, zitiert oben in Nr. 18, insbesondere meine dortigen Hervorhebungen.

( 148 ) Die Gewinne auf dem britischen Markt waren wahrscheinlich höher als ähnliche Verkäufe in Dänemark. Die Regierung des Vereinigten Königreichs legte indessen auf eine Frage des Gerichtshofes keine Zahlen vor, um den Umfang des „Urheberrechtsanteils“ zu substantiieren, die mil mehr als 25 % des „Händler-“Preises bei Verkäufen von Videokassetten im Vereinigten Königreich angegeben wurde (vgl. Warner Brothers, Sitzungsbericht S. 2616).

( 149 ) „Geistiges Eigentum und freier Warenverkehr“, (1989) GRUR Int.m, S. 179, freie englische Übersetzung bei Marenco und Banks, a. a. O. (oben, Fußnote 55), S. 250; vgl. auch die französische Fassung dieses Beitrags, (1989) RDAI 7, S. 815.

( 150 ) Zur Erschöpfung von Warenzeichen entschied der Gerichtshof: „Die in jeder Übertragung liegende Zustimmung entspricht nicht der Zustimmung, deren es für die Erschöpfung des Rechts bedarf. Dafür ist erforderlich, daß der Zeicheninhaber im Einfuhrstaat unmittelbar oder mittelbar die Befugnis hat, zu bestimmen, auf welchen Erzeugnissen das Warenzeichen im Ausfuhrstaat angebracht werden darf, und die Qualität dieser Erzeugnisse zu kontrollieren. Diese Befugnis erlischt, wenn er durch eine Übertragung die Verfügungsgewalt über das Warenzeichen an einen Dritten verliert, zu dem er in keinerlei wirtschaftlicher Beziehung steht“ (Randnr. 43 des Urteils).

( 151 ) Randnr. 52 des Urteils.

( 152 ) Justice Kingsmill Moore für den Supreme Court in dem Urteil Attorney General v Ryan's Car Hire [1965] IR 642, 654; vgl. allgemein Kelly, The Irish Constitution, 3. Auflage von Hogan und Whytc, Buttcrworths, Dublin und London, 1994, S. 532 bis 539.

( 153 ) Erklärung zur Praxis bei gerichtlichen Präzedenzfällen vom 26. Juli 1966 [1966] 1 WLR 1234, [1966] 3 All ER 77; zu einer hürzlichen Anwendung dieser Erklärung vgl. Pepper/Hart [1993] 2 WLR 1035, [1993] 1 All ER 42.

( 154 ) Verbundene Rechtssachen 28/62 bis 30/62 (Da Costa, Slg. 1963, 63, Abschnitt II der Schlußanträge.

( 155 ) Rechtssache 26/62 (Van Gend & Loos, Slg. 1963, 1); dieses Urteil war sieben Wochen vor dem Urteil Da Costa ergangen.

( 156 ) Rechtssache Da Costa, a. a. O. (oben, Fußnote 154), S. 80

( 157 ) Rechtssache 66/80 (International Chemical Corporation, Slg. 1981, 1191, Randnr. 13).

( 158 ) Rechtssache 283/81 (Slg. 1982, 3415, Randnr. 14).

( 159 ) Rechtssache 302/87 (Parlament/Rat, Slg. 1988, 5615, Randnr. 28); obwohl es sich um eine direkte Klage und nicht um eine Vorlage zur Vorabentscheidung handelte, stellte sich die gleiche Grundsaf/.frage.

( 160 ) Rechtssache C-70/88 (Parlament/Rat, „Tschernobyl“ — Zulässigkeit —, Slg. 1990, I-2041, Randnr. 16).

( 161 ) Verbundene Rechtssachen C-267/9I und C-268/91 (Slg.1993, I-6097).

( 162 ) A. a. O. (oben, Fußnote 31), Randnr. 8.

( 163 ) Keck und Mithouard, Randnr. 16 des Urteils.

( 164 ) Rechtssache 8/74 (Procureur du Roi/Dassonville, Slg. 1974, 837, Randnr. 5).

( 165 ) Er bemerkte weiter, daß die Lehre vom gemeinsamen Ursprung in der späteren Gesetzgebung, insbesondere in der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Anglcichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) nicht auftauche, meinte aber, daß sich dieses Schweigen entweder als Bestätigung oder als Ablehnung deuten lasse (Nr. 53 der Schlußanträge).

( 166 ) A. a. O. (oben, Fußnote 82), Randnr. 10.

( 167 ) A. a. O., Randnrn. 16 und 17.

( 168 ) Dieses Problem wird unten in Nrn. 167 bis 170 erörtert.

( 169 ) A. a. O., Randnr. 11 des Urteils.

( 170 ) Centrafarm/Sterling Drug, Randnr. 26 des Urteils.

( 171 ) A. a. O., Randnrn. 27 bis 29 des Urteils.

( 172 ) A. a. O., Schlußanträge, S. 1179.

( 173 ) Vgl. Randnr. 24 des Urteils. Vgl. auch Urteil Musik-Vertrieb Membran, Randnm. 20 bis 26. Die einzige Gemeinschaftsmaßnahmc in bezug auf Preisrcgclungcn für Arzneimittel ist die Transparenz-Richtlinie, a. a. O. (oben, Fußnote 60). Weder vom vorlegenden Gericht noch in den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen ist geltend gemacht worden, daß die Preisrcgelung durch die zuständigen spanischen und portugiesischen Behörden gegen die Anforderungen dieser Richtlinie verstießen.

( 174 ) Vgl. Rechtssache C-350/92 (Spanien/Rat, Slg. 1995, I-1985); Beecham wies insbesondere auf Randnr. 31 des Urteils hin, in der der Gerichtshof das Vorbringen Spaniens wiedergebe, daß die Verlängerung des Vertricbsmonopols des Patentinhabers durch das ergänzende Zertifikat „dazu [führe], daß die Hersteller von Generika daran gehindert seien, zu [den Patentinhabern] in freien Wettbewerb zu treten, [wo]durch offenkundig die Verbraucher benachteiligt [würden], die Arzneimittel billiger erwerben könnten, sobald dieses Monopol nicht mehr bestehe“.

( 175 ) Die Kommission z. B. verwies auf die folgenden besonderen Merkmale solcher Erzeugnisse: i) Der Patient (Verbraucher) habe wenig Wahlmöglichkeit oder Einfluß auf das ihm verschriebene Erzeugnis. ii) Die Substituierbarkeit der Erzeugnisse sei beschränkt. iii) Entscheidend sei, daß die Kosten von Arzneimitteln weitgehend von der Sozialversicherung des Staates des Patienten getragen würden.

( 176 ) Rechtssache 24/86 (Blaizot/Universität Lüttich, Slg. 1988, 379, Randnr. 28).

( 177 ) Vgl. z. B. Rechtssache 43/75 (Defrenne/Sabena, Slg. 1976, 455, Randnrn. 72 bis 74) und Rechtssache C-262/88 (Barber/Guardian Royal Exchange, Slg. 1990, I-1889, Randnr. 41).

( 178 ) Vgl. verbundene Rechtssachen C-485/93 und C-486/93 (Simitzi, Slg. 1995, I-2655, Nr. 17, Übernahme aus Randnr. 30 und Hinweis auf Randnrn. 31 und 32 des Urteils in der Rechtssache C-163/90, Legros u. a Slg. 1992, I-4625); vgl. auch Schlußanträge von Gencralanwalt Elmer vom 30. April 1996 in der Rechtssache C-228/94 (Atkins, Slg. 1996, I-3633, Randnr. 63) sowie Urteil vom 30. April 1996 in der Rechtssache C-308/93 (Cabanis-Issarte, Slg. 1996, I-2097, Randnr. 47).

( 179 ) Vgl. Hyland, „Temporal limitation of the effects of judgments of the Court of Justice-Α review of recent case-law“, (1995) IJEL 208, der die Auffassung vertritt, daß cine Änderung seiner früheren Rechtsprechung durch den Gerichtshof als selbständiger Grund für eine Begrenzung der zeitlichen Wirkung des Urteils betrachtet werden sollte.

( 180 ) Rechtssache 61/79 (Denkavit Italiana, Slg. 1980, 1205, Randnr. 16; Hervorhebung nur hier).

( 181 ) Die Äußerung des vorlegenden Gerichts ist oben in Nr. 21 wiedergegeben.

( 182 ) In der Rechtssache C-415/93 (Bosman, Slg. 1995, I-4921) hielt der Gerichtshof die zeitliche Begrenzung der zeitlichen Wirkung des Artikels 48 auf Transferregeln für gerechtfertigt, weil „die Besonderheiten der von den Sportverbänden aufgestellten Regeln über den Transfer von Spielern zwischen Vereinen verschiedener Mitglied-Staaten sowie der Umstand, daß dieselben oder entsprechende Regeln sowohl für die Transfers zwischen Vereinen, die demselben nationalen Verband angehören, als auch für die Transfers zwischen Vereinen galten, die im selben Mitgliedstaat unterschiedlichen nationalen Verbänden angehören, einen Zustand der Ungewißheit hinsichtlich der Vereinbarkeit der genannten Regeln mit dem Gcmcinschaftsrecht herbeiführen [konnten]“ (Randnr. 143). In den vorliegenden Rechtssachen sind die Argumente für eine zeitliche Begrenzung andere, aber jedenfalls stärker, weil möglicherweise Rechtsverhältnisse aufgrund einer eindeutigen Auslegung des Vertrages begründet worden sind.

( 183 ) Der Vertreter von Beecham räumte bemerkenswerterweise in der Sitzung ein, daß der Gerichtshof erwägen könnte, die Rückwirkung seines Urteils zu begrenzen.

( 184 ) ABl. des EPA 7/86, S. 200.

( 185 ) Artikel 167 Absatz 2 Buchstabe a des EPÜ.

( 186 ) Dies ist der gemäß Artikel 169 des EPÜ festgesetzte Termin für das Inkrafttreten.

( 187 ) Beschluß des Verwaltungsrats vom 5. Dezember 1986. ABl. des EPA 3/87, S. 91 ff.

( 188 ) Spanisches Patentgesetz vom 20. März 1986, Übergangs-vorschriften, Teil 1, Nr. 1.

( 189 ) Artikel 167 Absatz 5 des EPÜ.

( 190 ) Vgl. z. B. Ziffer 2 des Protokolls Nr. 8 über das teilweise Hinausschieben der Pflicht zum Erlaß von Vorschriften über die Beweislastumkehr bei Patcntverlctzungsverfahren und ähnliche Vorschriften über effektive Termine für die vorgenannte „Beschreibungspfändung“.

( 191 ) Artikel 54 des EPÜ bestimmt, daß eine Erfindung als neu gilt, „wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört“ (Absatz 1), den alies bildet, „was vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der Öffentlichkeit ... zugänglich gemacht worden ist“.

( 192 ) Beim Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums im allgemeinen und von Patenten im besonderen durch Artikel 36 „erlaubt Artikel 36 EWG-Vertrag als Ausnahme von einem der grundlegenden Prinzipien des Gemeinsamen Marktes Abweichungen vom Grundsatz des freien Warenverkehrs nur, soweit sie zur Wahrung der Rechte berechtigt sind, die den spezifischen Gegenstand dieses Eigentums ausmachen“. Vgl. z. B. Rechtssache 434/85 (Allen und Hanburys/Gencrics, Slg. 1988, 1245, Randnr. 10, sowie die Erörterung des spezifischen Gegenstands eines Patents oben in Nrn. 94 ff.

( 193 ) Dabei wird unterstellt, daß der Mcrck/Stcphar-Grundsatz

weiter für eine solche Untersagung gilt.

( 194 ) Verbundene Rechtssachen 194/85 und 241/85 (Kommission/Griechenland, Slg. 1988, 1037, Randnr. 20); Rechtssache 231/78 (Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1979, 1447, Randnr. 12).

( 195 ) Vgl. Urteil Generics, a. a. O. (oben, Fußnote 43), Randnr. 41.

( 196 ) Zusammenfassung für Merck in Nr. 24 und für Beecham in Nr. 28 dieser Schlußanträge.

( 197 ) Artikel 4, zitiert unten, Nr. 188.

( 198 ) Vgl. oben, Nr. 26.

( 199 ) Vgl. oben, Fußnote 17.

( 200 ) Vgl. z. B. Artikel 112 (Interventionsgewichte für Gerste), Artikel 128 („Ende des Wirtschaftsjahres 1992/93“ für die Beihilfe für Traubenmost) sowie Artikel 122 Absatz 2 („Wirtschaftsjahre 1986/87 bis 1990/91“ für Wein).

( 201 ) Dieser Teil der Beitrittsakte gilt für Spanien und für Portugal, obwohl Merck von Artikel 379 der Beitrittsakte für Spanien spricht.

( 202 ) ΛΒ1. L 401, S. 1.

( 203 ) European Treaty Series Nr. 76, Europarat, Straßburg 1975, Band III.

( 204 ) Artikel 1 Absatz 1.

( 205 ) Es handelt sich um Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Luxemburg und Schweden.

( 206 ) Vgl. oben, Fußnote 24.

( 207 ) Spanisches Zivilgesetzbuch, Artikel 5 Absatz 1.