61995C0192

Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 27. Juni 1996. - Société Comateb (C-192/95), Société Panigua (C-193/95), Société Edouard et fils (C-194/95), Société de distribution de vins et liqueurs (C-195/95), Etablissements André Haan (C-196/95), Société Diffusion générale de quincaillerie (C-197/95), Société Diffusion générale (C-198/95), Société Cama Renault (C-199/95), Scp Ovide et Dorville (C-200/95), Société Ducros Guadeloupe (C-201/95), Société Comptoir commercial Caraïbes (C-202/95), Société Giafa (C-203/95), Société LVS (C-204/95), Société Catherine et Jean-Claude Tabar Nouval (C-205/95), Société L'Heure et L'Or (C-206/95), Société Général bazar bricolage (C-207/95), Société Grain d'or (C-208/95), Société Cash Service (C-209/95), Etablissements Efira (C-210/95), Société Farandole (C-211/95), Société Carat (C-212/95), Société Rio (C-213/95), Société guadeloupéenne de distribution moderne (SGDM) (C-214/95), Martinique automobiles SA (C-215/95), Socovi SARL (C-216/95), Etablissements Gabriel Vangour et Cie SARL (C-217/95), Simat Guadeloupe SARL (C-218/95) gegen Directeur général des douanes et droits indirects. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal d'instance de Paris - Frankreich. - Octroi de mer - Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge - Verpflichtung zur Abwälzung der Steuer - Überseeische Departements. - Verbundene Rechtssachen C-192/95 bis C-218/95.

Sammlung der Rechtsprechung 1997 Seite I-00165


Schlußanträge des Generalanwalts


1 Die siebenundzwanzig Vorabentscheidungsvorlagen des Tribunal d'instance Paris, die sich auf ebenso viele bei diesem Gericht anhängige Verfahren beziehen und alle ein und dieselbe Frage betreffen, geben dem Gerichtshof Gelegenheit, auf einzelne Gesichtspunkte der Rechtsprechung zur Erstattung von ohne Rechtsgrund erhobenen Beträgen näher einzugehen, insbesondere in bezug auf die Bedeutung und Wirkung der Abwälzung für den Anspruch des einzelnen auf Erstattung von ohne Rechtsgrund vom Staat erhobenen Abgaben.

Das nationale Gericht fragt nämlich den Gerichtshof, ob der Umstand, daß ein Mitgliedstaat die Erstattung einer unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgabe mit der Begründung verweigert, die Abgabe sei auf den Abnehmer abgewälzt worden, die Erstattung praktisch unmöglich macht oder übermässig erschwert, wenn das Unternehmen nach dem Recht des Mitgliedstaats verpflichtet ist, die Abgabe in den Selbstkostenpreis der verkauften Ware einzurechnen.

2 Die in Rede stehende Abgabe ist dem Gerichtshof nicht neu: Es handelt sich um den "octroi de mer", also eine Abgabe, die in den französischen überseeischen Departements auf in diese Gebiete verbrachte Waren unabhängig von deren Herkunft oder Ursprung in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft, einem Drittland oder auch einer anderen Region Frankreichs erhoben wird.

Bekanntlich hat der Gerichtshof den "octroi de mer" in dem Urteil Legros(1) als Abgabe zollgleicher Wirkung bezeichnet (Randnrn. 10 bis 18). Die Wirkung des Urteils wurde jedoch zeitlich begrenzt (Randnrn. 28 bis 36), so daß die Unvereinbarkeit dieser Abgabe mit dem Vertrag nicht für Anträge auf Erstattung der vor Erlaß des Urteils abgeführten Abgaben herangezogen werden konnte oder kann, es sei denn, der Betroffene hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt.

3 Sodann hat der Gerichtshof in dem Urteil Lancry(2) zum einen zu der Unvereinbarkeit des "octroi de mer" mit dem Vertrag auch insofern Stellung genommen, als diese Abgabe auf Waren erhoben wird, die ihren Ursprung oder ihre Herkunft in anderen Regionen desselben Mitgliedstaates haben, und sich zum anderen zu der Gültigkeit der - vor dem Urteil Legros erlassenen - Entscheidung 89/688/EWG(3) des Rates geäussert, soweit diese Frankreich ermächtigt hat, die Regelung des "octroi de mer" bis zum 31. Dezember 1992 beizubehalten.

Der Gerichtshof hat indessen dem Antrag der französischen Regierung nicht stattgegeben, die Wirkung dieses Urteils zeitlich zu begrenzen. Hierzu erklärte der Gerichtshof nämlich: "Die französische Regierung durfte folglich nach dem 16. Juli 1992, an dem das Urteil Legros u. a. erlassen wurde, vernünftigerweise nicht weiter davon ausgehen, daß die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht stuenden. Darüber hinaus sind die Interessen der örtlichen Körperschaften durch die im Urteil Legros u. a. ausgesprochene zeitliche Beschränkung hinreichend geschützt. Es besteht daher kein Anlaß, die zeitliche Wirkung des vorliegenden Urteils zu beschränken."(4)

4 Die im Urteil Legros vorgeschriebene zeitliche Begrenzung gilt demnach auch für Anträge auf Erstattung der Beträge, die als "octroi de mer" nach Inkrafttreten der Entscheidung vom 22. Dezember 1989 bis zum 16. Juli 1992, also dem Zeitpunkt des Erlasses dieses Urteils, erhoben wurden. Dagegen müssen solche Beträge, soweit sie nach dem letztgenannten Zeitpunkt erhoben wurden, denjenigen erstattet werden können, die sie gezahlt haben, sofern die Bedingungen hierfür erfuellt sind.

Der vorliegende Rechtsstreit betrifft die Erstattung des nach dem 16. Juli 1992 erhobenen "octroi de mer", die jedoch von den zuständigen Zollbehörden aufgrund der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften verweigert wird, auf die demnach hier einzugehen ist.

5 Artikel 352 bis des Code des Douanes in der durch Artikel 24 Absatz 2 des Gesetzes vom 30. Dezember 1986 geänderten Fassung bestimmt: "Wer nach den Verfahren dieses Code erhobene nationale Abgaben und Steuern ohne Rechtsgrund entrichtet hat, hat Anspruch auf Erstattung, es sei denn, daß die Abgaben und Steuern auf die Abnehmer abgewälzt worden sind."

Hinzuweisen ist auch auf Artikel 1 des Gesetzes vom 2. Juli 1963 in der durch Artikel 32 der Ordonnance vom 1. Dezember 1986 geänderten Fassung. Dieser Artikel sieht nämlich Sanktionen (Geldstrafen von 5 000 bis 100 000 FF) für denjenigen vor, der eine Ware unter seinem tatsächlichen Einkaufspreis verkauft. Die genannte Bestimmung definiert den tatsächlichen Einkaufspreis als "den Preis, der auf der Rechnung über den Einkauf ausgewiesen ist, zuzueglich der Umsatzsteuern, besonderen, mit diesen Weiterverkauf der Waren verbundenen Steuern und gegebenenfalls der Transportkosten". Demnach ist der Verkauf mit Verlust verboten; daher kann die Ware nicht unter Selbstkostenpreis verkauft werden.

6 Zum Sachverhalt. Die Société Comateb und die anderen Klägerinnen der Ausgangsverfahren sind sämtlich Unternehmen, die den "octroi de mer" auf Waren entrichtet haben, die aus anderen Mitgliedstaaten oder einem anderen Teil des französischen Hoheitsgebiets nach Guadeloupe eingeführt wurden. Im Anschluß an das Urteil Lancry verlangten sie die Erstattung der Beträge, die sie in der Zeit vom 17. Juli bis 31. Dezember 1992 ohne Rechtsgrund an die Zollbehörden entrichtet hatten. Der Directeur des douanes macht geltend, die streitigen Abgaben "octroi de mer" könnten nach Artikel 352 bis des Code des douanes nicht erstattet werden, da sie auf die Abnehmer abgewälzt worden seien.

Das mit dem Rechtsstreit befasste Tribunal d'instance Paris hat den Gerichtshof bei all diesen bei ihm anhängigen Verfahren um Vorabentscheidung ersucht. Es fragt, ob der Umstand, daß die Erstattung einer unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgabe mit der Begründung verweigert wird, die Steuer sei auf den Abnehmer abgewälzt worden, die Erstattung praktisch unmöglich oder übermässig schwierig macht, wenn das Unternehmen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates verpflichtet ist, die Abgabe in den Selbstkostenpreis der verkauften Ware einzurechnen.

7 Es ist hier darauf hinzuweisen, daß das nationale Gericht, wie aus dem Vorlagebeschluß hervorgeht, mit Bestimmtheit feststellt, daß "der streitige $octroi de mer` auf die Abnehmer abgewälzt worden ist". Es stellt ferner fest, daß die Klägerinnen die Tatsache der Abwälzung auf die Abnehmer der Waren nicht bestritten haben.

Die Tatsache, daß der Steuerpflichtige nach dem innerstaatlichen französischen Recht verpflichtet ist, die streitige Abgabe in den Einkaufspreis der für seine Tätigkeit benötigten Waren und damit in den Selbstkostenpreis der verkauften Ware einzurechnen, bedeutet nämlich nach Ansicht des vorlegenden Gerichts, daß dieses Recht "die Erhebung der Vorsteuer mangels gesonderter Inrechnungstellung ohne Abzugsmöglichkeit, wie sie bei der Mehrwertsteuer besteht, vorsehen und die Abwälzung verlangen, auf die sich die Steuerverwaltung stützt, um die Erstattung zu verweigern". Das nationale Gericht kommt damit zu dem Schluß, daß "das französische Recht offenbar die Bedingungen der Abwälzung und damit der Nichterstattung geschaffen hat".

8 Stellt sich das Problem in dieser Weise und steht dabei die Abwälzung der unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgabe fest, so bleibt zu bestimmen, ob durch diese Abwälzung der Anspruch auf Erstattung der ohne Rechtsgrund gezahlten Beträge zunichte gemacht wird oder ob ein derartiges System unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale des Falles alleine schon deswegen als unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht anzusehen ist, daß die Erstattung der ohne Rechtsgrund von der Verwaltung erhobenen Beträge praktisch unmöglich wird.

Die französische Regierung und die Kommission haben jedoch in ihren Erklärungen vorgetragen und in der mündlichen Verhandlung wiederholt, die Verpflichtung zur Einbeziehung des "octroi de mer" in den Selbstkostenpreis bedeute keineswegs oder jedenfalls nicht automatisch, daß eine Abwälzung auf den Abnehmer der Ware tatsächlich erfolgt sei(5), und zwar vor allem deshalb, weil ein Unternehmen sich aus marktstrategischen Gründen durchaus dafür entscheiden könne, seine Gewinnspanne zu reduzieren, anstatt die Abgabe abzuwälzen.

Das ist theoretisch zweifellos richtig, steht aber in klarem Widerspruch zur Realität, da eine Unterscheidung vorausgesetzt wird, die praktisch unmöglich ist. Wie soll nämlich bei dem von einem Dritten gezahlten einheitlichen Betrag zwischen Kosten und Gewinn des Importeurs unterschieden werden? Wenn ferner feststeht, daß der Selbstkostenpreis der betreffenden Ware (von Gesetzes wegen) den "octroi de mer" beinhaltet und der Verkaufspreis sich aus dem Selbstkostenpreis zuzueglich des Gewinnes des Importeurs zusammensetzt, wie lässt sich prüfen, ob dieser Importeur den streitigen "octroi de mer" ganz oder teilweise übernehmen und andererseits seine Gewinnspanne reduzieren wollte?

9 Ein Mindestmaß an Realismus lässt sogleich erkennen, daß der von der Kommission und der französischen Regierung eingeschlagene Weg nicht gangbar ist. Das vom französischen Recht auferlegte Verbot des Verkaufs mit Verlust zeigt überdeutlich, daß der Verkaufspreis einer Ware notwendigerweise auch die Abgabe "octroi de mer", ebenso wie alle anderen Kosten, umfasst. Wollte man also die Absicht eines jeden Wirtschaftsteilnehmers erforschen, um zu prüfen, ob er seinen Gewinn reduzieren oder die ohne Rechtsgrund entrichtete Abgabe im ganzen abwälzen wollte, so wäre dies ein mühseliges und fruchtloses Unterfangen.

Undurchführbar erscheint mir auch der ebenfalls von der Kommission vorgetragene Gedanke, daß das nationale Gericht zur Feststellung, ob die Abwälzung stattgefunden hat, einen Sachverständigen heranzieht, um zu bestimmen, ob die Gewinnspanne des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers einer als normal angesehenen Gewinnspanne entspricht (ich frage mich im übrigen, ob es sich um "normal" im Vergleich zu einem durchschnittlichen Gewinn anderer Wirtschaftsteilnehmer desselben Sektors oder um "normal" in dem Sinne handelt, daß der Gewinn nicht exzessiv ist). In einer Marktwirtschaft hängt der Gewinn natürlich von veränderlichen Faktoren ab; die Bestimmung der Normalität beweist hierbei gar nichts, am wenigsten, ob eine Abwälzung stattgefunden hat oder nicht.

Mit klaren Worten ist daher festzustellen, daß ein solches Vorgehen keinesfalls bewiese, daß eine Abwälzung stattgefunden hat oder nicht, vielmehr geeignet erschiene, das Recht auf Erstattung einer ohne Rechtsgrund von der Verwaltung erhobenen Abgabe völlig auszuhöhlen.

10 Somit beruht die Erklärung des nationalen Gerichts, es stehe fest, daß "der streitige $octroi der mer` auf die Abnehmer abgewälzt worden ist", nicht nur auf der Rechtslage, die den vorliegenden Fall kennzeichnet, sondern sie trägt meines Erachtens auch einer Sachlage Rechnung, die sich stets ergibt, wenn die nicht geschuldete Abgabe eine indirekte Besteuerung des Umsatzes von Waren darstellt: Es ist nicht möglich, innerhalb des Verkaufspreises einer Ware zwischen Kosten und Gewinn zu unterscheiden. Selbst unter der Annahme, daß der betroffene Wirtschaftsteilnehmer seine Gewinnspanne verkleinern wollte, ergibt sich dennoch, daß der Verkaufspreis auch die zu Unrecht von der Verwaltung erhobene Abgabe umfasst.

Damit bleiben meines Erachtens nur wenige Lösungsmöglichkeiten. Entweder man geht davon aus, daß die in Rede stehende Abgabe abgewälzt wurde, was als "wahrscheinlich" anzusehen ist, da sie automatisch in den Verkaufspreis einfließt, oder man räumt ein, daß weder die Verwaltung die Abwälzung noch der Importeur die Nichtabwälzung beweisen kann, so daß zu entscheiden ist, welche von beiden bevorzugt werden soll. Wird diese Entscheidung zugunsten der Verwaltung getroffen, so wird die Abwälzung vermutet, wodurch das Erstattungsrecht völlig gegenstandslos wird; erfolgt die Entscheidung aber zugunsten des Importeurs, so ergibt sich daraus, daß dieser immer und unter allen Umständen einen Anspruch auf Erstattung der nicht geschuldeten Beträge besitzt. In beiden Fällen ist das Ergebnis dasselbe: Die Abwälzung hat keine Auswirkungen auf die Erstattung und sollte sie auch nicht haben.

Der Gerichtshof kann meines Erachtens im vorliegenden Fall die sachliche und rechtliche Bewertung nicht ausser acht lassen, die das vorlegende Gericht zu dem - im Vorlagebeschluß genau und eingehend begründeten - Schluß geführt hat, daß die in Rede stehende Abgabe auf die Abnehmer der Ware abgewälzt wurde. Ich gehe also bei meiner Untersuchung des Falles davon aus, daß eine Abwälzung auf die Abnehmer der Waren stattgefunden hat, und nicht von dem von der Kommission vorgetragenen Gedanken, daß die Einbeziehung eines dem "octroi de mer" entsprechenden Betrages in den Selbstkostenpreis nicht beweise, daß die Abwälzung tatsächlich erfolgt sei. Ausserdem würde sich nach dem zuvor aufgezeigten Ergebnis, wonach es - jedenfalls in einem Fall wie dem hier gegebenen - nicht möglich erscheint, zu beweisen, daß die Abwägung stattgefunden oder nicht stattgefunden hat, das Problem nicht wesentlich anders darstellen, selbst wenn man den Standpunkt der Kommission einnehmen würde.

11 Nach diesen Erwägungen möchte ich namentlich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes auf dem Gebiet der Erstattung ohne Rechtsgrund erhobener Beträge eingehen und zunächst darauf hinweisen, daß "das Recht auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts erhoben hat, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte darstellt, die den einzelnen durch die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften eingeräumt worden sind, nach denen Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle oder - gegebenenfalls - die diskriminierende Erhebung von inländischen Abgaben verboten sind"(6).

Das Recht auf Erstattung der ohne Rechtsgrund von der Verwaltung erhobenen Beträge ist also in der unmittelbaren Wirkung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts und in dem hierdurch bewirkten Schutz der Rechtsstellung des einzelnen begründet. Es ist indessen völlig klar, daß ein derartiger Rechtsschutz unwirksam wäre, wenn mit einem Urteil, das eine Abgabe für rechtswidrig erklärt, da sie unter Verstoß gegen eine unmittelbar wirksame Rechtsvorschrift der Gemeinschaft erhoben wurde, für den Betroffenen nicht die Möglichkeit verbunden wäre, die Erstattung der Abgabe zu erlangen.

12 Nach ständiger Rechtsprechung muß das Recht auf Erstattung mangels einer besonderen (harmonisierten) gemeinschaftsrechtlichen Regelung auf diesem Gebiet nach dem innerstaatlichen Recht der einzelnen Mitgliedstaaten vor den innerstaatlichen Gerichten verfolgt werden, die "die Aufgabe [haben], den Rechtsschutz zu gewährleisten, der sich für die Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts ergibt"(7). Dabei dürfen freilich die Bedingungen "nicht ungünstiger gestaltet werden als für gleichartige Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen", und sie dürfen auch nicht so beschaffen sein, daß sie "die Verfolgung von Rechten, die die innerstaatlichen Gerichte zu schützen verpflichtet sind, ... unmöglich" machen(8).

Wenn nun das Recht auf Erstattung von Abgaben, die unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhoben wurden, auf die Geltung von Rechtsvorschriften mit unmittelbarer Wirkung zurückzuführen ist und wenn ferner die einschlägigen Vorschriften und Modalitäten des nationalen Rechts nicht so beschaffen sein dürfen, daß das durch eine Gemeinschaftsregelung verliehene Recht praktisch nicht ausgeuebt werden kann, wäre daraus zu schließen, daß derjenige, der die Erstattung verlangt, die Rechtswidrigkeit der Abgabe und die Zahlung derselben beweisen muß, und nichts weiter. Der Gerichtshof hat jedoch anerkannt, daß das Gemeinschaftsrecht nicht verbietet, daß ein nationales Recht die Erstattung ohne Rechtsgrund erhobener Abgaben verweigert, wenn diese zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Anspruchsberechtigten führen würde, insbesondere, "wenn nachgewiesen wird, daß die zur Zahlung dieser Abgaben herangezogene Person sie tatsächlich auf andere Personen abgewälzt hat"(9). Somit wird demjenigen, der die Erstattung verlangt, eine weitere Bedingung auferlegt, nämlich der Beweis, daß die entrichtete Abgabe nicht abgewälzt wurde.

13 Der Gerichtshof hat zum ersten Mal in dem Urteil Just vom 27. Februar 1980(10) festgestellt, daß das Gemeinschaftsrecht "keine Erstattung von ohne rechtlichen Grund erhobenen Steuern unter Umständen [verlangt], die zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führen würden", und es daher "die Berücksichtigung des Umstands nicht [ausschließt], daß die Belastung durch die ohne rechtlichen Grund erhobenen Steuern auf andere Unternehmen oder auf die Verbraucher abgewälzt werden konnte".

Um die Gründe besser zu verstehen, die den Gerichtshof zu diesem Ergebnis geführt haben, sei darauf hingewiesen, daß er in dem genannten Fall u. a. festzustellen hatte, ob sich mit dem Gemeinschaftsrecht die dänische Rechtsprechungspraxis vereinbaren ließ, bei der Rückforderung ohne Rechtsgrund erhobener Abgaben den Umstand zu berücksichtigen, daß diese Abgaben in den Preis der betreffenden Waren eingeflossen sind und auf die Abnehmer abgewälzt wurden. Diese Praxis geht auf ein Urteil des Höjesteret von 1952(11) zurück, in dem dieses Gericht die von einer Müllerei verlangte Abgabenerstattung mit der Begründung ablehnte, daß die ohne Rechtsgrund erhobene Abgabe auf die Brotabnehmer abgewälzt worden sei, was sich daraus ergab, daß der Brotpreis amtlich festgesetzt und entsprechend dem Betrag der - später für rechtswidrig erklärten - Abgabe erhöht worden war.

14 Die Verweigerung des Erstattungsrechts durch das dänische Gericht hing demnach mit der Besonderheit zusammen, daß es sich um einen amtlich festgesetzten Verkaufspreis handelte und der Preis sich um einen Betrag erhöhte, der demjenigen der (rechtswidrigen) Abgabe entsprach, deren Erstattung verlangt wurde. Im Fall Just war die Lage ganz anders; der Gerichtshof hat indessen, wie gesagt, mit allgemein gehaltenen Worten festgestellt, daß das Gemeinschaftsrecht bei der Rückforderung ohne Rechtsgrund erhobener Beträge der Berücksichtigung einer etwaigen Abwälzung auf die Abnehmer nicht entgegensteht.

Das Urteil Just war gerade unter diesem Gesichtspunkt in der Rechtslehre heftig umstritten.(12) Sie hat nicht nur behauptet, daß damit eine nur in der dänischen Rechtsordnung - und dort auch nur ausnahmsweise und unter genau definierten Bedingungen - vorgesehene Möglichkeit zum Prinzip erhoben wird(13), sondern auch bestritten, daß die durchgeführte Abwälzung eine ungerechtfertigte Bereicherung des Wirtschaftsteilnehmers bewirkt, der die nicht geschuldete Abgabe entrichtet hat, und daß die Abwälzung den Grund für das Erstattungsrecht entfallen lässt. Hierzu wurde insbesondere bemerkt: "S'il y a enrichissement sans cause, c'est plutôt au bénéfice de l'autorité publique (accipiens) qui a perçu la taxe illicite, puisque la base légale sur laquelle la perception a été effectuée est mise postérieurement à néant, ce qui lui fait perdre toute cause"(14).

15 Ich komme später auf diesen Gesichtspunkt zurück. Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis, daß die nachfolgende Rechtsprechung zwar bestätigt, daß die Mitgliedstaaten die Erstattung ohne Rechtsgrund erhobener Abgaben verweigern können, wenn diese eine ungerechtfertigte Bereicherung des Anspruchsberechtigten mit sich bringt, andererseits aber eine bedeutsame Klärung bezueglich der Bedingungen für den Nachweis der Abwälzung enthält, wodurch deren Auswirkung auf das Erstattungsrecht praktisch erheblich verringert wird.

Der Gerichtshof hat nämlich in dem Urteil San Giorgio festgestellt: Es "sind Beweisvorschriften nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, die es praktisch unmöglich oder übermässig schwierig machen, die Erstattung von unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgaben zu erreichen. Dies ist insbesondere der Fall bei Vermutungen oder Beweisregeln, die dem Abgabepflichtigen die Beweislast dafür auferlegen, daß die ohne Rechtsgrund gezahlten Abgaben nicht auf andere abgewälzt worden sind, oder bei besonderen Beschränkungen hinsichtlich der Form der zu erbringenden Beweise, wie dem Ausschluß aller Beweismittel ausser dem Urkundenbeweis."(15) In demselben Urteil erklärt der Gerichtshof ferner: "In einer auf die Freiheit des Wettbewerbs gegründeten Marktwirtschaft bleibt bei der Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang eine einem Importeur auferlegte Abgabenlast tatsächlich auf die weiteren Wirtschaftsstufen abgewälzt werden konnte, eine Ungewißheit, die nicht systematisch zu Lasten desjenigen gehen darf, der zur Zahlung der gemeinschaftsrechtswidrigen Abgabe herangezogen wird."(16)

16 Dies zeigt, daß eine dem Importeur als Voraussetzung für die Zulässigkeit seines Erstattungsbegehrens auferlegte Beweislast zum Nachweis der Nichtabwälzung der Abgabe schließlich dazu führen kann, daß die Durchsetzung seines Erstattungsanspruchs praktisch unmöglich wird; folglich kann die Umkehr der Beweislast erforderlich werden. Der Gerichtshof hat demnach eingeräumt, daß es in einigen Fällen, insbesondere in einer Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, Sache der Verwaltung sein kann, zu beweisen, daß die Abwälzung erfolgt ist, und nicht Sache des Importeurs, zu beweisen, daß er die Abgabe nicht auf die Abnehmer der Ware abgewälzt hat.

Der Gerichtshof hat sodann in dem Urteil Bianco das Argument zurückgewiesen, es sei mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, dem Wirtschaftsteilnehmer die Beweislast aufzuerlegen, wenn dieser in einer Wirtschaft mit reglementierten Preisen keine Möglichkeit hat, über die Abwälzung der Abgabe auf die Abnehmer zu entscheiden. Somit hat der Gerichtshof geklärt, daß die in dem Urteil San Giorgio aufgestellten Grundsätze nicht nur für Situationen gelten, die sich in einer Marktwirtschaft ergeben. Er hat ferner festgestellt, daß eine Abwälzung je nach der Marktstruktur zwar mehr oder weniger wahrscheinlich ist, daß sich jedoch "die zahlreichen Faktoren, die die kaufmännische Strategie bestimmen, von Fall zu Fall [ändern], so daß es praktisch unmöglich ist, ihren jeweiligen tatsächlichen Einfluß auf die Abwälzung zu bestimmen"(17).

17 Der Gerichtshof hat zwar in diesem Urteil festgestellt, daß nicht angenommen werden kann, daß im Falle indirekter Abgaben "eine Vermutung dafür besteht, daß die Abwälzung vorgenommen wurde, und es dem Abgabenpflichtigen obliegt, im Wege eines negativen Beweises das Gegenteil nachzuweisen", er hat aber auch erklärt: "Diese Feststellung greift in keiner Weise der Entscheidung der besonderen Beweislastfrage in dem Fall vor, daß der Steuerpflichtige nach den einschlägigen Rechtsvorschriften selbst gehalten ist, eine Steuer abzuwälzen."(18)

Wenn nicht angenommen wird, daß der Gerichtshof die Frage offengelassen hat, scheint aus dieser letzteren Feststellung hervorzugehen, daß die Beweislast den Importeur trifft, wenn dieser aufgrund einer nationalen Rechtsvorschrift gezwungen ist, eine Abgabe abzuwälzen, was im wesentlichen auch in dem vorliegenden Rechtsstreit der Fall ist.(19) Daraus würde, wie ich sagen möchte, praktisch automatisch folgen, daß es für diesen Importeur unmöglich wäre, die Erstattung der ohne Rechtsgrund von der Verwaltung erhobenen Abgaben zu erlangen.

18 Was lässt sich aus dieser Rechtsprechung schließen? Es ist ganz klar, und die durchgeführte Untersuchung zeigt es deutlich, daß die in dem Urteil Just aufgezeigten Auswirkungen der Abwälzung in der nachfolgenden Rechtsprechung einer erheblichen Umwertung unterworfen wurden. Wenn also die Ungewißheit bei dem Abwälzungsvorgang betont(20) und hervorgehoben wurde, daß die zahlreichen Faktoren, die die kaufmännische Strategie eines Unternehmens bestimmen, veränderlich sind, so daß es "praktisch unmöglich ist", ihren jeweiligen tatsächlichen Einfluß auf die Abwälzung zu bestimmen(21), so erscheint es mir nicht gewagt, zu behaupten, daß damit im wesentlichen das Eingeständnis verbunden ist, daß der Nachweis der Abwälzung oder der Nichtabwälzung der Abgabe auf Dritte zu einer Probatio diabolica wird. Wie im übrigen bereits unter den Nummern 9 und 10 bemerkt, gilt dies sowohl für den Wirtschaftsteilnehmer, der die ohne Rechtsgrund erhobene Abgabe gezahlt hat, als auch für die Verwaltung.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die vom Gerichtshof aufgezeigte Umkehr der Beweislast vom Importeur auf die Verwaltung ein Weg, um die völlige Versagung des Erstattungsrechts zu vermeiden. Die Entscheidung zugunsten des Steuerpflichtigen bei der Beweislast bewirkt, daß diesem stets das Recht auf Erstattung der ohne Rechtsgrund entrichteten Beträge zusteht, wenn die Verwaltung nicht beweisen kann, daß die Abwälzung tatsächlich stattgefunden hat; dies findet auch in den Urteilen der nationalen Gerichte seinen Niederschlag, die aufgrund der genannten Rechtsprechung des Gerichtshofes ergangen sind.

19 Lässt sich daraus schließen, daß die Bedeutung der Abwälzung und des Grundsatzes der ungerechtfertigten Bereicherung trotz ständiger Bekräftigung in der einschlägigen Rechtsprechung in dem Masse neu bewertet wurde, daß sie praktisch keinen Einfluß mehr auf das Erstattungsrecht hat? Dies kann nur verneint werden. Es bleibt nämlich der Fall, in dem das nationale Recht den Importeur zwingt, die ohne Rechtsgrund erhobene Abgabe abzuwälzen, also der Fall, der hier vorliegt. Die genannte Rechtsprechung scheint nämlich, wie bereits gesagt, in einem solchen Fall die Möglichkeit der Umkehr der Beweislast auszuschließen, so daß der betroffene Wirtschaftsteilnehmer kein Erstattungsrecht hätte, obwohl er eine ohne Rechtsgrund erhobene Abgabe gezahlt hat.(22)

Es sei hier in erster Linie bemerkt, daß die Auffassung des Gerichtshofes wohl zutrifft, in einem derartigen Fall müsse davon ausgegangen werden, daß die Abwälzung tatsächlich stattgefunden hat und somit eine Umkehr der Beweislast sinnlos wäre. Die Verwaltung kann hier nämlich die Abwälzung beweisen(23), wie im übrigen das vorlegende Gericht in dieser Rechtssache bemerkt hat.

20 Es zeigt sich in Wahrheit, daß das Problem in einem Fall wie dem hier vorliegenden jedenfalls nicht, wie von der Kommission vorgeschlagen, durch die Prüfung gelöst werden kann, ob die Abwälzung tatsächlich stattgefunden hat. Es handelt sich nicht darum, festzustellen, wer die Beweislast trägt, und auch nicht darum, zu prüfen, ob die Bedingungen für den Nachweis der Abwälzung die Durchsetzung des Erstattungsrechts praktisch unmöglich machen. Das Problem ist viel einschneidender. Es handelt sich nämlich darum, ob die Abwälzung des "octroi de mer" - infolge einer durch das nationale Recht auferlegten Verpflichtung - es unmöglich macht, die Erstattung zu erlangen, also darum, ob eine nationale Rechtsvorschrift, die ein derartiges Ergebnis mit sich bringt, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist. Letztlich geht es um die Frage, ob die durchgeführte Abwälzung auf Dritte tatsächlich eine ungerechtfertigte Bereicherung des Unternehmers herbeiführt und daher auf jeden Fall bewirkt, daß die ohne Rechtsgrund von der Verwaltung erhobenen Beträge nicht mehr erstattet werden müssen.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der Verkaufspreis einer Ware zwar in der Weise festgelegt wird, daß er die entsprechenden Kosten deckt, aber auch (und vor allem) von den Marktbedingungen abhängt, so daß es eine ungerechtfertigte Vereinfachung wäre, wenn er als blosse Summe der entstandenen Kosten und des angestrebten Gewinns betrachtet würde. Es kann also nicht ein bestimmter Anteil des Kaufpreises herausgegriffen und ausschließlich dem Betrag einer ohne Rechtsgrund gezahlten Abgabe zugeordnet werden, um damit das Erstattungsrecht auszuschalten. Unter diesen Umständen ist es zweifellos nicht möglich, nachzuweisen, daß der finanzielle Verlust desjenigen, der die ohne Rechtsgrund erhobene Abgabe gezahlt hat, durch die Einbeziehung dieser Abgabe in den Preis der betreffenden Ware ausgeglichen wird. Es ist nämlich völlig klar, daß nur dann die Gewißheit einer Abwälzung auf Dritte bestuende, wenn ein elastisches Angebot und eine konstante Nachfrage gegeben wären, was in der Realität des Wirtschaftslebens nicht der Fall ist. Auch der Jurist muß dieser elementaren Realität Rechnung tragen und vernünftige Folgerungen daraus ziehen.

21 Selbst wenn angenommen wird, daß der einzelne Wirtschaftsteilnehmer in einigen Fällen einen Gewinn aus der Erstattung einer ohne Rechtsgrund erhobenen Abgabe zieht, die er teilweise oder ganz auf die Abnehmer abgewälzt hat, erhebt sich ganz allgemein die Frage, ob in einem solchen Fall vernünftigerweise von einer ungerechtfertigten Bereicherung gesprochen werden kann. Ich möchte diese Frage schon aufgrund der allgemeinen Rechtstheorie verneinen. Ich glaube nämlich nicht, daß der Gewinn, den ein einzelner aus der Erstattung einer ohne Rechtsgrund von der Verwaltung verlangten und erhobenen Abgabe zieht, als ungerechtfertigte Bereicherung bezeichnet werden kann. Ich glaube vor allem nicht, daß der Staat, der sich seinerseits ohne Zweifel ungerechtfertigt bereichert hat, indem er jahrelang ohne Rechtsgrund eine Abgabe erhoben hat, sodann einen derartigen Grundsatz geltend machen kann, um die Erstattung der zu Unrecht eingezogenen Beträge zu verweigern.(24)

Folgendes kommt hinzu. Würde nämlich anerkannt, daß sich ein Staat der Erstattung wegen der - im übrigen durch nationales Recht vorgeschriebenen - Abwälzung widersetzen kann, könnte der Fall eintreten, daß der betroffene Staat dem Urteil des Gerichtshofes, mit dem diese Abgabe für rechtswidrig erklärt wurde, deshalb nicht schleunig nachkommt, weil er nicht verpflichtet ist, die ohne Rechtsgrund erhobenen Beträge zu erstatten. Diese Belohnung dürfte meines Erachtens eindeutig zu weit gehen.

22 Zumindest in dem hier vorliegenden Fall wird meines Erachtens wohl schließlich nur erreicht, daß durch die Erstattung eine ... ungerechtfertigte Entreicherung des Wirtschaftsteilnehmers ausgeglichen wird, der der Verwaltung nicht geschuldete Abgaben gezahlt hat. Es ist unwichtig, ob er diese Abgaben (weil hierzu durch das nationale Recht verpflichtet) auf die Abnehmer abgewälzt hat, da er hierdurch vermutlich seine Gewinnspanne verringern und eine Minderung des Verkaufsvolumens hinnehmen musste. Jedenfalls besteht bei der Entscheidung zwischen der Verwaltung eines Mitgliedstaats, die jahrelang gegen das Gemeinschaftsrecht verstossen hat, und einem Steuerpflichtigen, der ihr ohne Rechtsgrund Abgaben zahlen musste, meines Erachtens kein Zweifel daran, daß nicht der letztere zu belasten ist.

Ausserdem würde die gegenteilige Lösung eine Rechtsstellung völlig aushöhlen, die das Gemeinschaftsrecht einem Bürger gewährleistet; der effektive Rechtsschutz dieser Stellung würde damit problematisch. Es handelt sich nicht um ein zweitrangiges Problem.

23 Schließlich noch eine Bemerkung. Bekanntlich hat die Rechtsprechung vor kurzem eine Entschädigungspflicht des Staates gegenüber dem Bürger festgelegt, der durch eine vom Staat herbeigeführte Verletzung eines unmittelbar durch eine Gemeinschaftsnorm verliehenen Rechts geschädigt wird. Hierbei hat der Gerichtshof insbesondere erklärt: "In diesem Fall stellt der Entschädigungsanspruch die notwendige Ergänzung der unmittelbaren Wirkung dar, die den Gemeinschaftsvorschriften zukommt, auf deren Verletzung der entstandene Schaden beruht."(25)

Es ist, wie bereits erwähnt, durchaus möglich, daß der einzelne einen Schaden erleidet, indem er die von der Verwaltung unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobene Abgabe ... abwälzt, da der Preisaufschlag auf die Ware - wenn man ihn als Abwälzung auf die Abnehmer betrachten will - eine Minderung des Verkaufsvolumens mit sich bringen kann. In diesem Fall kann der Betroffene eine Haftungsklage gegen den Staat erheben, um einen Ersatz des Schadens zu erlangen, den er aufgrund der unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgabe erlitten hat.

Es könnte mir hier entgegengehalten werden, daß diese Möglichkeit die oben aufgezeigte Gefahr beseitigt, daß dem einzelnen der volle und wirksame Rechtsschutz verweigert wird, auf den er Anspruch hat. Ich frage mich jedoch, ob es nicht - nicht nur für den Betroffenen - viel einfacher wäre, ihm das Recht auf Erstattung der ohne Rechtsgrund erhobenen Beträge zuzuerkennen.

24 Dieses Ergebnis muß auch den Klägern der Ausgangsverfahren gewährleistet werden. Wenn es der Gerichtshof erreichen will, wie ich vorschlage, gibt es meines Erachtens zwei Möglichkeiten. Nach der ersten ist dem nationalen Gericht zu antworten, daß eine nationale Rechtsvorschrift, die zur Abwälzung auf die Abnehmer zwingt, die Erstattung der ohne Rechtsgrund von der Verwaltung erhobenen Abgabe praktisch unmöglich macht und daher mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist. Nach der zweiten, radikaleren Möglichkeit ist festzustellen, daß durch die Abwälzung auf die Abnehmer das Erstattungsrecht des einzelnen grundsätzlich nicht verlorengeht.

In Anbetracht der einschlägigen Rechtsprechung kann ich jedoch nur feststellen, daß auch die erstgenannte Lösung, allerdings weniger deutlich, schließlich dazu führt, daß das Kriterium der Abwälzung jegliche Bedeutung und Wirkung verliert. Entweder kann nämlich die Verwaltung (aufgrund der Umkehr der Beweislast nach den Urteilen San Giorgio und Bianco) nicht beweisen, daß die Abwälzung erfolgt ist, oder das Recht, das die Abwälzung auferlegt - nur in diesem Fall kann die Verwaltung die erfolgte Abwälzung nachweisen - wird als System betrachtet, das das Erstattungsrecht praktisch ausschaltet. Das Endergebnis bleibt das gleiche: Der einzelne hat jedenfalls stets das Recht auf Erstattung der vom Staat unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgaben.

Unter diesen Umständen kann ich dem Gerichtshof nur die Lösung vorschlagen, die am deutlichsten sichtbar ist, nämlich klar zu sagen, daß sich die Abwälzung der Abgabe auf Abnehmer in keiner Weise auf das Recht des einzelnen auf Erstattung ohne Rechtsgrund entrichteter Beträge auswirkt. Diese Lösung führt nicht nur zu weniger Ungewißheit bei den Wirtschaftsteilnehmern und bei der Rechtsauslegung, sondern entspricht auch besser den Realitäten der Wirtschaft.

25 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Frage des Tribunal d'instance Paris wie folgt zu antworten:

Der Umstand, daß eine unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobene Abgabe auf Abnehmer der Ware abgewälzt wurde, nimmt dem einzelnen nicht das Recht auf Erstattung der ohne Rechtsgrund von der Verwaltung erhobenen Beträge.

(1) - Urteil vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-163/90 (Slg. 1992, I-4625).

(2) - Urteil vom 9. August 1994 in den verbundenen Rechtssachen C-363/93, C-407/93, C-408/93, C-409/93, C-410/93 und C-411/93 (Slg. 1994, I-3957).

(3) - Entscheidung vom 22. Dezember 1989 betreffend die Sondersteuer "octroi de mer" in den französischen überseeischen Departements (ABl. L 399, S. 46).

(4) - Urteil Lancry, a. a. O., Randnr. 45.

(5) - In der mündlichen Verhandlung haben auch die Klägerinnen, allerdings aus anderen Gründen, erklärt, die Abwälzung des "octroi de mer" auf den Abnehmer der Ware könne nicht automatisch als Folge der Einbeziehung eines dem "octroi de mer" entsprechenden Betrages in den Selbstkostenpreis angesehen werden.

(6) - Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 199/82 (San Giorgio, Slg. 1983, 3595, Randnr. 12).

(7) - Urteile vom 16. Dezember 1976 in den Rechtssachen 33/76 (Rewe, Slg. 1976, 1989, Randnr. 5) und 45/76 (Comet, Slg. 1976, 2043, Randnr. 12).

(8) - Urteil Rewe, a. a. O., Randnr. 5, und Urteil Comet, a. a. O., Randnrn. 13 und 16. Diese allgemeinen Grundsätze finden sich bekanntlich auch in der gesamten weiteren Rechtsprechung auf dem Gebiet der Erstattung ohne Rechtsgrund erhobener Beträge, so in den Urteilen vom 27. Februar 1980 in der Rechtssache 68/79 (Just, Slg. 1980, 501, Randnr. 25), vom 27. März 1980 in der Rechtssache 61/79 (Denkavit Italiana, Slg. 1980, 1205, Randnr. 25), vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 811/79 (Ariete, Slg. 1980, 2545, Randnr. 12), vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 826/79 (Mireco, Slg. 1980, 2559, Randnr. 13), San Giorgio, a. a. O., (Randnr. 12), vom 25. Februar 1988 in den verbundenen Rechtssachen 331/85, 376/85 und 378/85 (Bianco, Slg. 1988, 1099, Randnr. 12) und vom 24. März 1988 in der Rechtssache 104/86 (Kommission/Italien, Slg. 1988, 1799, Randnr. 7), und stellen nunmehr die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes dar; siehe zuletzt Urteil vom 23. Mai 1996 in der Rechtssache C-5/94 (Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2604, Randnr. 31).

(9) - Urteil San Giorgio, zitiert in Fußnote 6 (Randnr. 13); Hervorhebung von mir.

(10) - Rechtssache 68/79, zitiert in Fußnote 8 (Randnrn. 26 und 27).

(11) - Siehe UfR 1952, 974 H.

(12) - Vgl. u. a. Hubeau: "La répétition de l'indu en droit communautaire" in Revü trimestrelle de droit européen,, 1981, S. 442 ff., und Wälbröck, "La garantie du respect du droit communautaire par les Etats membres. Les actions au niveau national" in Cahiers de droit européen, 1985, S. 37 ff.

(13) - Hierzu ist zweierlei zu bemerken. Zum einen: Abgesehen von Dänemark war bis zu diesem Zeitpunkt in der Rechtsordnung keines Mitgliedstaats die durchgeführte Abwälzung auf Dritte als Grund für den Verlust des Erstattungsrechts angesehen worden, da Vorschriften mit einer derartigen Regelung z. B. in Italien und Frankreich erst nach dem Urteil Just erlassen wurden. Zum anderen: War der Preis einer mit einer Abgabe belegten Ware nicht amtlich festgesetzt, sondern durch den Markt bestimmt, so ist die Rechtsprechung des dänischen Höjesteret in dem Sinne zu verstehen, daß kein Grund zu der Annahme besteht, es sei eine Preiserhöhung erfolgt, die die Abgabe ausgleicht, so daß der Betroffene den Erstattungsanspruch behält (Urteil vom 28. Mai 1965 in der Rechtssache II 214/1964, U 1965, 492 H).

(14) - Hubeau, a. a. O., S. 451.

(15) - Urteil San Giorgio, zitiert in Fußnote 6 (Randnr. 14).

(16) - Ebenda, Randnr. 15.

(17) - Urteil vom 25. Februar 1988, zitiert in Fußnote 8 (Randnr. 20); Hervorhebung von mir.

(18) - Ebenda, Randnr. 17.

(19) - Diese Auslegung würde im übrigen nicht Fälle beeinträchtigen, wie sie in Dänemark vom Höjesteret mit dem oben genannten Urteil von 1952 entschieden wurden, das, wie bereits gesagt, sicherlich das Urteil Just des Gerichtshofes bedingt hat.

(20) - Siehe insbesondere Urteile San Giorgio, zitiert in Fußnote 6 (Randnr. 15) und Bianco, zitiert in Fußnote 8 (Randnr. 17).

(21) - Urteil Bianco (Randnr. 20).

(22) - Es erscheint hier zweckmässig, darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof in einem ähnlichen Fall, der allerdings die Rückforderung von Beträgen betraf, die aufgrund ungültiger Gemeinschaftsverordnungen gezahlt worden waren, mit Urteil vom 13. Mai 1981 festgestellt hat, daß dadurch, daß "eine eigens auf die Verteilung der Folgen einer wirtschaftspolitischen Maßnahme zugeschnittene Regelung bestand, einem Anspruch auf Rückerstattung der als Kaution gestellten und für verfallen erklärten Beträge die Grundlage entzogen [ist], selbst wenn dieser Anspruch nach nationalem Recht allein erfolgreich eingeklagt werden könnte. Dabei ist es unerheblich, ob das Unternehmen diese Belastung tatsächlich abgewälzt oder aber davon aus Gründen seiner Wirtschaftsstrategie abgesehen hat" (Rechtssache 66/80, International Chemical Corporation, Slg. 1981, 1191, Randnr. 24; Hervorhebung von mir). Es genügt also, daß die betreffende Gemeinschaftsregelung so beschaffen ist, daß sie die Abwälzung der in Betracht kommenden Belastung erlaubt (ein Abwälzungszwang ist nicht einmal erforderlich), um die Erstattung der ohne Rechtsgrund entrichteten Beträge zu verweigern. Da ich keinen Grund zu der Annahme habe, daß die Wirtschaftsteilnehmer einen unterschiedlichen Rechtsschutz genießen, je nachdem, ob ihre Rückforderung ohne Rechtsgrund gezahlter Beträge mit nationalen oder gemeinschaftlichen Abgaben verbunden ist, neige ich zu der Ansicht, daß diese Rechtsprechung nunmehr überholt ist, da sie den Urteilen San Giorgio und Bianco widerspricht. Wäre dies nicht der Fall, so wären natürlich zumindest reifliche Überlegungen hierzu erforderlich.

(23) - Im vorliegenden Fall genügte der Zollverwaltung z. B. die Prüfung, ob die Unternehmen, die die Abgabe verlangen, in den Selbstkostenpreis tatsächlich einen dem "octroi der mer" entsprechenden Betrag einbezogen hatten, wie es das geltende inländische Recht erforderte, und ob sich, wie die betroffenen Unternehmen selbst erklärt haben, der Verkaufspreis sodann durch Aufschlag eines Gewinns auf die Selbstkosten ergab.

(24) - Siehe hierzu die Schlussanträge von Generalanwalt Mancini in der Rechtssache San Giorgio (Slg. 1983, 3616, insbesondere 3627) sowie Nr. 14 und Fußnote 14 der vorliegenden Schlussanträge.

(25) - Urteil vom 5. März 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-46/93 und C-48/93 (Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029, Randnr. 22).