61995C0080

Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 7. November 1996. - Harnas & Helm CV gegen Staatssecretaris van Financiën. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad - Niederlande. - Mehrwertsteuer - Auslegung der Artikel 4, 13 und 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG - Steuerpflichtiger - Erwerb und Besitz von Schuldverschreibungen. - Rechtssache C-80/95.

Sammlung der Rechtsprechung 1997 Seite I-00745


Schlußanträge des Generalanwalts


1 Diese Vorlage betrifft im wesentlichen die Frage, ob der blosse Erwerb und der Besitz von Schuldverschreibungen als eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der gemeinschaftlichen Mehrwertsteuerregelung angesehen werden können. Sollte der Gerichtshof diese Frage bejahen, werfen die Vorlagefragen ferner das Problem des Umfangs des Vorsteuerabzugs bei Einnahmen aus dieser Tätigkeit in den Fällen auf, in denen solche Einnahmen auch anderen Tätigkeiten zugerechnet werden können, die ausserhalb des Anwendungsbereichs des gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystems liegen.

I - Sach- und Rechtslage

Maßgebende gemeinschaftliche und nationale Vorschriften

2 Der Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage(1) (nachstehend: Sechste Richtlinie) ist in Artikel 2 geregelt:

"Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

..."

3 Artikel 4 Absatz 1 bestimmt: "Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis." Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit wiederum wird in Artikel 4 Absatz 2 wie folgt umschrieben:

"Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst."

4 Artikel 13 als einer der zentralen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, die sich mit Befreiungen von der Mehrwertsteuer befassen, bestimmt in Teil B:

"[D]ie Mitgliedstaaten [befreien] unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen festsetzen, von der Steuer:

(d) die folgenden Umsätze:

1. die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber,

...

5. die Umsätze - einschließlich der Vermittlung, jedoch mit Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung - die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von

- Warenpapieren,

- Rechten oder Wertpapieren im Sinne von Artikel 5 Absatz 3."

5 Grundlage und Umfang des Rechts zum Vorsteuerabzug sind in Artikel 17 geregelt. Als allgemeinen Grundsatz legt Artikel 17 Absatz 2 fest, daß das Recht eines Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug "von der von ihm geschuldeten Steuer" nur bezueglich der Ausgaben für "die Gegenstände und Dienstleistungen, die für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden," entsteht. Gemäß Artikel 17 Absatz 3 gewähren jedoch die Mitgliedstaaten "jedem Steuerpflichtigen darüber hinaus den Abzug oder die Erstattung der in Absatz 2 genannten Mehrwertsteuer, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden für Zwecke" u. a.

"(c) seiner nach Artikel 13 Teil B Buchstaben a) und d) Nummern 1 bis 5 befreiten Umsätze, wenn der Leistungsempfänger ausserhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder wenn diese Umsätze unmittelbar mit zur Ausfuhr in ein Land ausserhalb der Gemeinschaft bestimmten Gegenständen zusammenhängen."

6 Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 1 bestimmt, daß, "[s]oweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig [ist], der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt". Nach Unterabsatz 2 wird "dieser Pro-rata-Satz nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt". Artikel 19 enthält die Regeln für die Festlegung des Satzes, der für die Errechnung des abziehbaren Teils anzuwenden ist.

7 Der Hoge Raad der Nederlanden stellt in seinem Vorlagebeschluß in dieser Rechtssache fest, daß die maßgebenden Vorschriften des Wet op de Omzetbelasting 1968(2) (Umsatzsteuergesetz; nachstehend: Gesetz), nämlich u. a. die Artikel 7 Absatz 1 und 11 Absatz 1 Buchstabe j Ziffer i, die den Begriff des Unternehmers und die Kreditgewährung betreffen, "nach der Anpassung des Rechts an die Sechste Richtlinie vom 1. Januar 1979" so auszulegen sind, daß sie "dieselbe Bedeutung wie die entsprechenden Begriffe" haben, die in den Artikeln 4, 13 Teil B und 17 der Richtlinie definiert sind.

Sachverhalt und Verfahren

8 Dem Ausgangsverfahren beim vorlegenden Gericht liegt eine berichtigte Mehrwertsteuerfestsetzung über den Betrag von 124 517 HFL für den Zeitraum vom 1. Januar 1987 bis 1. März 1991 (nachstehend: relevanter Zeitraum) zu Lasten der Klägerin des Ausgangsverfahrens, der Kommanditgesellschaft (commanditaire vennootschap) Harnas & Helm mit Sitz in Amsterdam, zugrunde. Diese Festsetzung wurde zunächst auf den Einspruch der Klägerin von der zuständigen Steuerbehörde aufrechterhalten, deren Entscheidung wiederum am 2. März 1994 vom Gerechtshof Amsterdam bestätigt wurde. Die Klägerin focht dieses Urteil beim Hoge Raad der Nederlanden (nachstehend: vorlegendes Gericht) wegen Rechtsverletzung an. Das vorlegende Gericht stellt den dem Rechtsmittel zugrunde liegenden Sachverhalt wie folgt dar.

9 Während des relevanten Zeitraums hielt die Klägerin in den USA und in Kanada ausgegebene Anteile und Schuldverschreibungen mit einem Wert am Ende des relevanten Zeitraums von ungefähr 130 000 000 USD, für die sie Dividenden bzw. Zinsen erhielt. 1984 hatte sie einem Unternehmen namens All American Metals ein verzinsliches Darlehen (in nicht bekannter Höhe) gewährt. Dieses Darlehen wurde am 16. April 1987 getilgt. Am 1. Juli 1992 gab sie der Opticast International Corporation ein Darlehen über 50 000 USD. In ihrer Umsatzsteuererklärung hatte die Gesellschaft versucht, die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer abzuziehen(3). Die Steuerbehörden stellten sich indessen auf den Standpunkt, die Gesellschaft könne ab 17. April 1987 nicht mehr als Unternehmer im Sinne des Artikels 7 des Gesetzes angesehen werden, und setzten daher gegen sie den Mehrwertsteuerbetrag in Höhe von 124 517 HFL fest, den sie für den genannten Zeitraum abgezogen hatte.

10 Auf die Klage entschied der Gerechtshof Amsterdam, zum Geschäft der Gesellschaft habe während des relevanten Zeitraums der Besitz von Anteilen und Schuldverschreibungen gehört, die von öffentlichen Einrichtungen und Gesellschaften in den USA und in Kanada begeben worden seien(4). Nach der herrschenden Verkehrsauffassung sei die Beschaffung von Schuldverschreibungen nicht als Kreditgewährung zu betrachten, auch wenn die Ausgabe der Schuldverschreibungen die Kreditbedürfnisse des Schuldners befriedige. Erstens beabsichtige der Geldentleiher, wenn er Schuldverschreibungen begebe, ein Wertpapier der Art zu schaffen, daß wahrscheinlich ein breites Interessentenspektrum auf dem Finanzmarkt angesprochen und es jeder möglicherweise interessierten Person bei gleichzeitiger Streuung des Risikos erleichtert werde, ihr Geld problemlos anzulegen und nach Wunsch zu reinvestieren; zweitens sei es ohne Bedeutung, ob die Schuldverschreibungen durch Zeichnung oder wie in diesem Fall an der Börse erworben würden.

11 Der Gerechtshof führte weiter aus, im Lichte des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache Polysar Investments Netherlands(5) könnten der blosse Erwerb und der Besitz von Schuldverschreibungen weder als wirtschaftliche Tätigkeit noch als Nutzung eines Vermögensgegenstandes zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen betrachtet werden, da der Zinsertrag einer Schuldverschreibung lediglich die Folge des Eigentums an ihr sei. Während des relevanten Zeitraums habe die Gesellschaft mithin keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie ausgeuebt und könne daher nicht als Steuerpflichtiger im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 oder als Unternehmer im Sinne von Artikel 7 des Gesetzes angesehen werden.

12 Mit ihrem Rechtsmittel an das vorlegende Gericht trat die Klägerin der Auffassung entgegen, daß der Erwerb von Schuldverschreibungen nicht als Kreditgewährung eingestuft werden könne. Hierzu trug sie vor, zwar enthielten weder das Gesetz noch die Sechste Richtlinie eine förmliche Vorschrift, die sich auf die Kreditgewährung beziehe, nach Abschnitt 4 der Verordnung Nr. 282-15703 des Staatssecretaris van Financiën vom 9. November 1982(6) müsse indessen der Zinsertrag von Schuldverschreibungen, die zu einem persönlichen Anlagevermögen gehörten, anders als Dividenden auf Aktien für die Zwecke der Mehrwertsteuer als Gegenleistung betrachtet werden. Ausserdem seien ihre Tätigkeiten als Ganzes betrachtet wirtschaftlich und bestuenden in der nachhaltigen Nutzung verschiedener Wirtschaftsgüter; zu den von ihr erbrachten Dienstleistungen gehöre u. a. auch die Gewährung von Kredit.

13 Im Hinblick auf die Bedeutung der Artikel 4, 13 Teil B und 17 der Sechsten Richtlinie für die Entscheidung über das Rechtsmittel hat das vorlegende Gericht durch Beschluß, beim Gerichtshof eingegangen am 17. März 1995, die folgenden vier Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Sind der blosse Eigentumserwerb und der Besitz von Schuldverschreibungen - Schuldtitel in Form von Handelseffekten -, die nicht einer anderen Unternehmenstätigkeit dienen, und der Bezug des Ertrages aus diesen als wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie anzusehen?

2. Wenn diese Frage zu bejahen ist: Sind solche Tätigkeiten als Umsätze im Sinne des Artkels 13 Teil B Buchstabe d Nummern 1 und 5 der Sechsten Richtlinie anzusehen, die, soweit sie sich auf Schuldverschreibungen beziehen, die von einer ausserhalb der Gemeinschaft ansässigen Einrichtung ausgegeben worden sind, nach Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie zum Abzug der Vorsteuer für die Verwahrung und Verwaltung von Schuldverschreibungen berechtigen?

3. Wenn die zweite Frage zu bejahen ist: Kann ein Steuerpflichtiger für den Fall, daß er die in den vorstehenden Fragen beschriebenen Tätigkeiten ausübt und daneben Aktien besitzt, die nach der Entscheidung des Gerichtshofes u. a. in seinem Urteil vom 22. Juni 1993 in der Rechtssache C-333/91 (Satam SA)(7) nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in vollem Umfang abziehen oder ist die auf den Aktienbesitz entfallende Vorsteuer nicht abzugsfähig?

4. Wenn die dritte Frage im letztgenannten Sinne zu beantworten ist: Nach welchem Maßstab ist dann der nicht abzugsfähige Betrag zu berechnen?

II - Erklärungen gegenüber dem Gerichtshof

14 Das Königreich der Niederlande, die französische Republik und die Kommission haben schriftliche und mündliche Erklärungen abgegeben.

III - Erörterung

15 Mit seiner ersten Frage legt das vorlegende Gericht das Schlüsselproblem in der vorliegenden Rechtssache eindeutig fest: Stellt der blosse Eigentumserwerb und der Besitz von Schuldverschreibungen zum Zwecke der Erzielung von Einnahmen eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie dar? Sollte diese Frage zu bejahen sein, wäre weiter zu prüfen, ob ein Recht zum Vorsteuerabzug besteht (Frage 2), und falls ja, ob dieses Recht durch Erträge aus Aktienbesitz, der nicht Teil einer wirtschaftlichen Tätgkeit ist, beeinflusst wird (Fragen 3 und 4). Sollten die Tätigkeiten der Gesellschaft während des relevanten Zeitraums für die Zwecke der Mehrwertsteuer nicht als wirtschaftliche Tätigkeit zu betrachten sein, würden sie ausserhalb des Anwendungsbereichs der Sechsten Richtlinie liegen; ein Recht zum Vorsteuerabzug käme nicht in Frage.

A - Zur ersten Vorlagefrage

i) Zusammenfassung der Erklärungen

16 Die Niederlande und die Kommission unterstützen die im Ausgangsverfahren vom Gerechtshof Amsterdam vertretene Auffassung. Der Erwerb und der Besitz von Schuldverschreibungen oder Pfandbriefen könne nicht als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie betrachtet werden; diese Tätigkeit ähnele dem Erwerb und dem Besitz von Aktien, die als solche nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes im Urteil Polysar nicht als wirtschaftliche Tätigkeit gälten. Der Bezug von Zinsen im Gegensatz zu Dividenden unterscheide die betreffende Tätigkeit nicht von der eines Aktionärs, da die erhaltenen Zinsen wie Dividenden lediglich Folge des Vermögensrechts an den entsprechenden Schuldverschreibungen seien. Darüber hinaus könne der Inhaber von Schuldverschreibungen anders als bei Einnahmen aus dem Eigentum an körperlichen Gegenständen, die wie in der Rechtssache Van Tiem(8) durch die aktive Nutzung dieses Eigentums entstuenden, seine Einnahmen nur passiv aufgrund seines Vermögensrechts an den Schuldverschreibungen erzielen.

17 Für die Niederlande sind der Erwerb und der Besitz von Schuldverschreibungen als eine Form der Investition anzusehen, die schlicht den Charakter einer privaten Vermögensverwaltung habe. Investitionen in Form von Wertpapieren könnten vom wirtschaftlichen Blickpunkt aus nicht als Kreditgewährung gelten. Wenn ein Finanzinstitut einem Kunden Geld leihe, erbringe es eindeutig eine Dienstleistung; beim Erwerb von Schuldverschreibungen werde eine solche Dienstleistung nicht erbracht; der Erwerber habe gegenüber dem Aussteller der Schuldverschreibungen die Stellung eines Käufers.

18 Die Kommission weist im Hinblick auf die Feststellung des Gerichtshofes im Urteil Polysar, daß der Erwerb oder der Besitz einer Beteiligung, die "mit einem unmittelbaren oder mittelbaren Eingreifen in die Verwaltung der Gesellschaften einhergeht"(9), eine wirtschaftliche Tätigkeit darstelle, darauf hin, daß eine Schuldverschreibung im Gegensatz zu den meisten Beteiligungen kein Kontroll- oder Mitspracherecht für das ausgebende Unternehmen beinhalte, so daß der blosse Besitz a fortiori keine wirtschaftliche Tätigkeit sein könne. Der Besitz von Schuldverschreibungen solle eher der Stellung eines Anteilseigners als einer Kreditgewährung gleichgestellt werden, da nach der Fassung des Artikels 13 Teil B Buchstabe d der Sechsten Richtlinie die beiden erstgenannten Tätigkeiten zusammen unter Nummer 5(10), die letztgenannte hingegen getrennt in Nummer 1 eingestuft würden(11).

19 Als Alternative hierzu bringen die Niederlande vor, daß, falls der Besitzer von Schuldverschreibungen das vom Gerichtshof im Urteil Polysar aufgestellte Kriterium des "Eingreifens" erfuelle, seine Tätigkeiten im Sinne der Sechsten Richtlinie als wirtschaftliche einzustufen seien und er dann als Steuerpflichtiger alle Einnahmen aus diesem Besitz der Mehrwertsteuer zu unterwerfen habe. Sollte dies der Fall sein, so müsse die Tätigkeit der Holdinggesellschaft entweder als Kreditgewährung im Sinne von Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 1 oder als unter Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 5 fallende Umsätze eingestuft werden, die sich auf Schuldverschreibungen beziehen.

20 Frankreich vertritt unter Hinweis auf die Rechtssache Van Tiem, die die Nutzung von Grundstücken betraf (nämlich die Einräumung eines Erbbaurechts an Teilen eines Baugrundstücks), die Auffassung, daß der Erwerb und der Besitz von Schuldverschreibungen und die Erzielung von Einnahmen hieraus als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Gemeinschaftsregelung der Mehrwertsteuer anzusehen sei. Der Zeichner einer Schuldverschreibung werde Inhaber eines unkörperlichen Gegenstandes, den er durch den Bezug regelmässiger Einnahmen als Gegenleistung für die in der Schuldverschreibung verkörperten Geldmittel nutze, die dem Aussteller der Schuldverschreibungen tatsächlich als Darlehen zur Verfügung gestellt worden seien; Artikel 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie mache keinen Unterschied zwischen der Nutzung von Gegenständen und von Rechten.

21 Zwar habe der Gerichtshof im Urteil Polysar entschieden, daß eine verwandte Tätigkeit - der blosse Erwerb und der Besitz von Beteiligungen - keine wirtschaftliche Tätigkeit sei, doch unterschiede die Dauerhaftigkeit der Einnahmen beim Besitz von Schuldverschreibungen diese von den Einnahmen, die bei Beteiligungen erzielt würden. Der Erwerb und der Besitz von Schuldverschreibungen liefen auf eine Dienstleistung hinaus, die der Kreditgewährung vergleichbar sei, der sich die Klägerin ebenfalls gewidmet zu haben scheine(12).

ii) Erörterung der ersten Vorlagefrage

22 Alternativ für den Fall, daß der Gerichtshof Artikel 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie dahin auslegen sollte, daß der Erwerb und der Besitz von Schuldverschreibungen nicht unter den Begriff der "wirtschaftlichen Tätigkeit" fielen, schlug Frankreich in der Sitzung vor, dieses Ergebnis nicht auf das im Urteil Polysar festgelegte Kriterium des "Eingreifens" zu stützen. Da Schuldverschreibungen aufgrund ihrer Rechtsnatur normalerweise kein Recht auf Beteiligung an der Betriebsführung des Ausstellers vermittelten, wäre die Anwendung eines solchen Kriteriums nicht angemessen.

23 Zunächst ist bedeutsam, daß der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, daß Artikel 4 der Sechsten Richtlinie "der Mehrwertsteuer einen sehr weiten Anwendungsbereich zuerkennt, der sämtliche Stadien der Erzeugung, des Handels und der Erbringung von Dienstleistungen umfasst"(13). Selbst vorbereitende Handlungen für die zukünftige Nutzung von Gegenständen könnten eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen(14). Auch beziehe "sich der Begriff $Nutzung` ... auf alle Vorgänge ohne Rücksicht auf deren Rechtsform ..., die darauf abzielen, aus dem betroffenen Gegenstand nachhaltig Einnahmen zu erzielen"(15). Ich teile die Auffassung von Generalanwalt VerLoren van Themaat im Zusammenhang mit dem Begriff des Steuerpflichtigen in Artikel 4 der Zweiten Richtlinie des Rates(16), daß es bei der Feststellung, was eine wirtschaftliche Tätigkeit ist, "nicht auf das Ziel, sondern auf die Art der betreffenden Tätigkeit ankommt".(17)

24 Gewicht sollte dem wirtschaftlichen und geschäftlichen Gehalt von Vorgängen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit sein könnten, beigemessen werden, nicht der formellen finanziellen oder handelsmässigen Einstufung dieser Tätigkeiten (wie etwa in diesem Fall als Erwerb und Besitz von Schuldverschreibungen und Beteiligungen). Eine Person, die wie die Klägerin mit Schuldverschreibungen handelt, kann daher eine wirtschaftliche Tätigkeit meines Erachtens nur betreiben, wenn sie einen geschäftlichen Zweck damit verfolgt; insoweit muß sie ihren Kunden Dienstleistungen erbringen und nicht nur Dienstleistungen entgegennehmen.

25 In diesem Zusammenhang war der Gerichtshof in der Rechtssache Rompelman zwar überzeugt, daß die erklärte Absicht, zukünftiges Eigentum zu vermieten, ausreichen kann, "um die Bestimmung des erworbenen Gegenstandes zur Verwendung für einen steuerbaren Umsatz zu bejahen", gleichwohl hat er ausgeführt, daß "derjenige, der einen Vorsteuerabzug vornimmt, nachzuweisen hat, daß die Voraussetzungen hierfür gegeben sind und insbesondere, daß er Steuerpflichtiger ist"(18). Der Gerichtshof fuhr fort(19):

"Artikel 4 steht daher dem nicht entgegen, daß die Abgabenverwaltung objektive Belege für die erklärte Nutzungsabsicht, z. B. den Nachweis der besonderen Eignung der zu errichtenden Räumlichkeiten für eine gewerbliche Nutzung verlangt."

26 In der Rechtssache Polysar hatte sich der Gerichtshof mit dem Verlangen einer reinen Holdinggesellschaft zu befassen, Dividenden aus ihren Beteiligungen für Zwecke der Mehrwertsteuer als Ergebnis der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu behandeln. Unter Verweis auf den weiten Anwendungsbereich, den die Mehrwertsteuer nach dem Urteil Van Tiem habe, führte der Gerichtshof aus, daß "aus dieser Rechtsprechung indessen nicht [folgt], daß der blosse Erwerb und das blosse Halten von Gesellschaftsanteilen als eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie anzusehen wäre, die den Erwerber und Inhaber zum Steuerpflichtigen machen würde"(20). Der Gerichtshof erläuterte diese Auslegung des im Urteil Van Tiem ausgesprochenen Grundsatzes wie folgt(21):

"Der blosse Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen stellt nämlich keine Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen dar, weil eine etwaige Dividende als Ergebnis dieser Beteiligung Ausfluß der blossen Innehabung des Gegenstands ist."

Allerdings schloß der Gerichtshof nicht aus, daß der Besitz von Beteiligungen eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen könne, wenn "die Beteiligung unbeschadet der Rechte, die der Beteiligungsgesellschaft in ihrer Eigenschaft als Aktionär oder Gesellschafterin zustehen, mit einem unmittelbaren oder mittelbaren Eingreifen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht"(22).

27 Der Gerichtshof war eindeutig von Generalanwalt Van Gerven beeinflusst, der ausgeführt hatte, daß es in den Rechtssachen Rompelman und Van Tiem "nicht nur um eine Geldanlage [ging], mit anderen Worten um den Erwerb eines Gegenstands ..., denn der erworbene Gegenstand wurde sodann gegen Entgelt einem Dritten zur Verfügung gestellt"(23). Er unterschied dann für die Frage, ob ein Gegenstand genutzt worden sei, zwischen dem Erwerb eines Gegenstands einerseits und dessen Zurverfügungstellung andererseits(24):

"Der blosse Erwerb einer Beteiligung an einer Gesellschaft schließt eine solche Zurverfügungsstellung nicht ein. Die später etwa an den Anteilseigner gezahlten Dividenden sind mit anderen Worten nicht als aus der Nutzung eines Gegenstands erzielte nachhaltige Einnahmen zu betrachten; sie sind lediglich etwaige, dem Inhaber gebührende Früchte eines Gegenstands, die aus dem blossen Innehaben des Gegenstandes entstehen."

Für ihn hätte jede andere Schlußfolgerung dazu geführt, daß "auch jeder Inhaber einer Aktie oder einer Obligation als Steuerpflichtiger behandelt werden [müsste]". Anderes habe lediglich zu gelten(25), wenn die betreffenden Geschäfte

"... weiter gehen als die Tätigkeiten eines gewöhnlichen Anlegers im Rahmen einer normalen Vermögensverwaltung, wenn zum Beispiel eine Gesellschaft regelmässig Aktien kauft und verkauft in der Absicht, mit diesen Geschäften wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen. In einem solchen Fall können die wiederholt durchgeführten Kauf- und Verkaufsgeschäfte als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen werden."

28 Frankreich machte in seiner Erklärung geltend, jegliche Unterscheidung zwischen dem Erwerb und der Nutzung von Beteiligungen dürfe für Schuldverschreibungen nicht herangezogen werden. In der Sitzung erklärte es, daß Artikel 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie weder eine Unterscheidung zwischen der Nutzung von Gegenständen und von Rechten treffe noch die Einstufung der Innehabung eines Gegenstands als wirtschaftliche Tätigkeit von der Nutzung dieses Gegenstands abhängig mache. Der blosse Besitz von Geld bringe nicht von selbst Einnahmen. Das sei erst der Fall, wenn Entscheidungen darüber getroffen würden, wie es am nutzbringendsten verwendet werden könne, und diese durchgeführt würden.

29 Die Vielzahl von Rechten in ihrer Eigenart und der Möglichkeiten ihrer Nutzung erschwert es, direkte Vergleiche zu den greifbaren Folgen zu ziehen, die mit der Nutzung von Sachen verbunden sind. Die körperliche Natur der Wirkungen bei einem Grundstückskauf und der Einräumung eines dinglichen Rechts an diesem zugunsten eines Dritten wie in Van Tiem ist unbestreitbar, während die Wirkungen der Tätigkeiten einer Person, die z. B. lediglich Schuldverschreibungen kauft und hält, sich vielleicht tatsächlich nur in den Zahlen auf den Bankauszuegen des Käufers und des Ausstellers der Schuldverschreibungen widerspiegeln. Ich bin aber nicht der Auffassung, daß ein solcher Unterschied per se daran hindern sollte, die Tätigkeiten einer Person, die mit Schuldverschreibungen handelt, wie die eines Aktienhändlers als wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne der Sechsten Richtlinie zu betrachten.

30 Ich glaube nicht, daß der Gerichtshof im Urteil Polysar den Begriff der Nutzung von Rechten enger als zuvor in den Urteilen Rompelman und Van Tiem den entsprechenden Begriff der Nutzung von Sachen ausgelegt hat. Er entschied meines Erachtens lediglich, daß der Erwerb von Beteiligungen, der seiner Natur nach die Möglichkeit des Bezugs von Dividenden mit sich bringt, für sich genommen nicht als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie gelten könne. Mit anderen Worten, der Erhalt eines Dividendenschecks mag sich finanziell wenig vom Erhalt eines Mietschecks vom Mieter unterscheiden, die wirtschaftliche Natur der zugrundeliegenden Tätgkeiten aber, die diese Einnahmen herbeiführen, ist verschieden.

31 Diese Auslegung wird meines Erachtens durch das spätere Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Sofitam bestätigt. Der Gerichtshof bestätigte, daß ein Anteilseigner, der lediglich Beteiligungen an anderen Unternehmen hält, nicht als Mehrwertsteuerpflichtiger betrachtet werden könne, weil "das blosse Innehaben finanzieller Beteiligungen an anderen Unternehmen keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie [darstellt]"(26). Der Gerichtshof stellte damit meines Erachtens nicht fest, daß der Erwerb von Beteiligungen keine wirtschaftliche Tätigkeit in dem Sinne sei, daß er keinen Zusammenhang entweder mit der Wirtschaft allgemein oder insbesondere mit einem Geschäftsbetrieb habe. Der Gerichtshof meinte vielmehr, daß der blosse Akt des Erwerbs und das Innehaben von Beteiligungen keine ausreichende Verbindung zu einem Geschäftsbetrieb aufwies, um als wirtschaftliche Tätigkeit nach der Sechsten Richtlinie betrachtet werden zu können.

32 Frankreich möchte die Tätigkeiten des Erwerbs und des Innehabens von Beteiligungen von denen des Erwerbs und des Innehabens von Schuldverschreibungen unterscheiden. Meiner Meinung nach wäre eine solche Unterscheidung weder folgerichtig oder gerecht noch auch nur praktisch. Die mehrwertsteuerliche Einstufung der Tätigkeiten eines privaten Investors oder die einer Person, deren Tätigkeiten diesen vergleichbar sind, sollte nicht nur von der Form der Investition abhängen. Der Geltungsbereich des gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystems sollte nicht von der genauen Form der Investition abhängig sein. An den modernen Finanzmärkten sind bestimmte Formen des Haltens von Beteiligungen und Schuldverschreibungen kaum zu unterscheiden. Beteiligungen können einfach normale Anteile sein, die am Gewinn des Unternehmens teilhaben. Die Beteiligung am Gewinn börsennotierter Unternehmen kommt auch in vielerlei Form vor. Dazu gehören z. B. Vorzugsaktien mit festgelegter Verzinsung, die in der Praxis schwer von Anleihekapital zu trennen sind. Erworben werden können Schuldverschreibungen und viele Formen von umtauschbaren Anteilen oder Finanzpapieren. Es wäre schwierig und kaum realistisch, Tätigkeiten, die im wesentlichen die eines privaten Investors sind, danach unterscheiden zu wollen, ob seine Investitionen aus reinen Anleihepapieren oder aus normalen Beteiligungen bestehen.

33 Die Kommission verwies in der Sitzung auf das kürzlich ergangene Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Wellcome Trust(27). In dieser Rechtssache wurde dem Gerichtshof im Kern die Frage gestellt, ob die Worte "wirtschaftliche Tätigkeiten" in Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie Kauf und Verkauf von Aktien und anderen Wertppaieren durch einen Treuhänder (trustee) im Rahmen der Verwaltung des Vermögens eines gemeinnützigen Trusts umfassen(28). Wellcome Trust, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, machte geltend, aufgrund ihrer Investitionstätigkeiten und namentlich des Verkaufs von 288 Millionen ihrer Anteile an der Wellcome Foundation, bei dem es sich, wie Generalanwalt Lenz anmerkte, "um den grössten nicht von der Regierung betriebenen Verkauf im Vereinigten Königreich [handelte]"(29), müsse ihre Tätigkeit als wirtschaftliche betrachtet werden. Zwar fielen Investitionen "gewöhnlicher Anleger nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer", jedoch verhalte es sich anders, wenn "ein Anleger regelmässig zur Erzielung von Einkünften oder zur Mehrung seines Kapitals investiere"; es sei "gleichgültig, ob ihr Ziel oder Zweck darin bestehe, zu investieren oder Handel zu betreiben"(30). Der Gerichtshof folgte diesem Vorbringen nicht.

34 Obwohl der Gerichtshof feststellte, daß "die Klägerin im Vereinigten Königreich nicht die Eigenschaft eines gewerbsmässigen Wertpapierhändlers [besitzt]", entschied er, daß "dieser Umstand nicht notwendig aus[schließt], daß eine Tätigkeit der im Ausgangsverfahren fraglichen Art, die im Kauf und Verkauf von Aktien und anderen Wertpapieren besteht, unter Umständen als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 der Richtlinie angesehen werden kann"(31). Er wies darauf hin, daß nach der Rechtsprechung(32) "[d]ie blosse Ausübung des Eigentums durch seinen Inhaber als solche nicht als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen werden [kann]"(33). Der Gerichtshof unterschied nicht zwischen Kauf und Verkauf von Aktien; diese Tätigkeiten könnten als solche nicht als wirtschaftliche im Sinne der Sechsten Richtlinie betrachtet werden(34). Unter Hinweis auf das Urteil Polysar schränkte der Gerichtshof dann diesen Grundsatz wie folgt ein(35):

"Zwar ergibt sich aus Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 5 der Richtlinie, daß Umsätze, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen können. Dies ist u. a. dann der Fall, wenn solche Umsätze im Rahmen des gewerbsmässigen Wertpapierhandels oder zum Zweck des unmittelbaren oder mittelbaren Eingreifens in die Verwaltung von Gesellschaften erfolgen, an denen die Beteiligung besteht ..."

35 Der Gerichtshof stellte fest, daß dem Trust "gerade solche Tätigkeiten untersagt [sind]", weil er jede angemessene Anstrengung zu unternehmen habe, um in Ausübung seiner Befugnisse "keinen Handel zu treiben"(36). Frankreich erklärte in der Sitzung, der Standpunkt des Gerichtshofes im Urteil Wellcome Trust sei in Wahrheit "eine Ad-hoc-Lösung", die auf den besonderen Umständen des Falles beruhe. Ich kann dieser Auslegung nicht folgen. Generalanwalt Lenz ging zwar davon aus, daß der Trust "versucht, möglichst hohe Dividenden zu erzielen, um möglichst viel Geld für seine eigentliche Aufgabe, die Förderung der medizinischen Forschung, zur Verfügung zu haben"(37), erläuterte dann aber klar die notwendige Unterscheidung(38):

"Dies ist aber nicht mit der Tätigkeit eines Aktienhändlers zu vergleichen. Ihm geht es nicht vornehmlich darum, ein Vermögen zu verwalten. Vielmehr versucht er, durch Kauf und Verkauf von Aktien, durch riskante Investitionen und Spekulationen Gewinne zu erzielen. Er erwirbt Aktien nicht vornehmlich, um möglichst hohe Dividenden zu erzielen, sondern um sie zu einem möglichst hohen Preis weiterzuverkaufen."

Der Gerichtshof schloß sich dieser Auffassung an, daß die vermögensverwaltenden Tätigkeiten des Trust denen eines privaten Anlegers zu vergleichen seien, der sich auf die Verwaltung seines Wertpapiervermögens beschränkt, und daß eine solche Person keiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie nachgehe(39).

36 Die Entscheidung des Gerichtshofes in der Rechtssache Wellcome Trust fusst nicht auf der ausschließlich gemeinnnützigen Natur der Tätigkeiten des Trust. Die vom Gerichtshof festgelegten Grundsätze greifen weiter. Man könnte meinen, daß der Hinweis des Gerichtshofes auf "Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere"(40) alle Zweifel beseitigt. Der Gerichtshof fügte jedoch bei der Aufzählung der Umstände, unter denen Umsätze, die sich auf Schuldverschreibungen und sonstige Wertpapiere beziehen, grundsätzlich mehrwertsteuerpflichtig sein können, mit Bedacht die Worte "unter anderem" hinzu(41). Ich teile daher die Besorgnis nicht, die dem alternativen Vorschlag Frankreichs in dieser Rechtssache zugrunde liegt, daß die Heranziehung des Kriteriums des "Eingreifens" bei Schuldverschreibungen unangemessen wäre. Wenn ein Unternehmen wie die Klägerin, das Schuldverschreibungen erwirbt und besitzt, seine Tätigkeiten nicht auf reine Investitionen beschränkt, wie sie jeder private Anleger vornehmen könnte, sondern diesen Tätigkeiten als Teil eines gewerblichen Handels mit Schuldverschreibungen oder einer anderen Form des Handels nachgeht, dann würde es seine Vermögensrechte an diesen Schuldverschreibungen, die ihm aufgrund des Erwerbs zustehen, eindeutig wirtschaftlich nutzen. Diese Auslegung würde einige der Bedenken beseitigen, die Frankreich in der Sitzung wegen denkbarer Steuerverzerrungen infolge der unterschiedlichen Behandlung schlichter Darlehen und des Erwerbs von Schuldverschreibungen hegte. Eine Bank, die Darlehen gibt, geht zweifelsfrei einer wirtschaftlichen Tätigkeit nach, nämlich der entgeltlichen Anlage von Geldmitteln beim Darlehensnehmer. Gleiches tut, wer gewerblich mit Schuldverschreibungen oder Wertpapieren handelt.

37 Auf der Grundlage des Sachverhalts, wie er im Vorlagebeschluß festgehalten wurde, und der Informationen, die die Niederlande in der Sitzung gegeben haben, hat es indessen nicht den Anschein, daß die Klägerin - von gelegentlichen Ausnahmen abgesehen - andere Tätigkeiten verfolgt als die Beaufsichtigung der Investition des von den Gesellschaftern in die Kommanditgesellschaft eingebrachten Privatkapitals durch von ihr verpflichtete gewerbliche Vermögensverwalter. Diese Tätigkeiten können meines Erachtens - um die Worte des Gerichtshofes im Urteil Wellcome Trust zu gebrauchen - nur mit der "Verwaltung eines Wertpapiervermögens wie ein privater Anleger"(42) verglichen werden.

38 Frankreich brachte ferner in der Sitzung vor, die Argumentation des Gerichtshofes in der kürzlich entschiedenen Rechtssache Régie Dauphinoise(43) sei auf den Erwerb und den Besitz von Schuldverschreibungen anzuwenden. Wichtig ist hier der genaue Sachverhalt, der dem Urteil Régie Dauphinoise zugrunde lag. Die Régie Dauphinoise (nachstehend: Régie) befasste sich hauptsächlich mit Vermögensverwaltung, indem sie Mietgrundstücke für die Eigentümer verwaltete und als Wohnungseigentumsverwalter tätig war. Bei dieser Geschäftstätigkeit erhielt sie Vorschüsse von den Personen, deren Eigentum sie verwaltete. Diese Vorschüsse wurden auf ein von der Régie verwaltetes Bankkonto eingezahlt und von dieser dann bei Finanzinstituten auf eigene Rechnung investiert. Die Régie wurde Eigentümer der investierten Beträge, wenn auch mit der vertraglichen Verpflichtung, das entsprechende Kapital letztlich zurückzuzahlen. Nach Auffassung Frankreichs hat der Gerichtshof im Urteil Régie Dauphinoise entschieden, daß Zinsen aus Finanzinvestitionen anders als Dividenden nicht aus dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgeschlossen werden könnten, weil sie nicht nur Ergebnis der Ausübung des Eigentums an den Geldbeträgen seien, sondern die Gegenleistung dafür darstellten, daß das Kapital Dritten, in diesem Fall den Finanzinstituten, bei denen die Régie ihre Investitionen tätigte, zur Verfügung gestellt werde.

39 Der Gerichtshof ging davon aus, daß die Anlagen der Régie bei Finanzinstituten "als an diese erbrachte Dienstleistungen anzusehen [sind], nämlich als befristete Gelddarlehn, für die als Entgelt Zinsen gezahlt werden,"(44) und daß "anders als der Bezug von Dividenden durch eine Holdinggesellschaft ... Zinsen, die ein Unternehmen der Immobilienverwaltung für Geldanlagen erhält, die es auf eigene Rechnung mit von den Miteigentümern oder Mietern erhaltenen Mitteln vornimmt, in diesen Bereich [der Mehrwertsteuer] [fallen], da Zinszahlungen nicht auf dem blossen Eigentum eines Wirtschaftsguts beruhen, sondern das Entgelt für die Überlassung von Kapital an einen Dritten darstellen"(45). Der Gerichtshof unterschied allerdings sorgfältig die Tätigkeiten eines Unternehmens wie der Régie von den "Geldanlagen eines Immobilienverwalters bei Banken", der "nicht als Steuerpflichtige[r]" handele(46). Dementsprechend entschied er(47):

"Im Ausgangsfall aber liegt im Bezug von Zinsen, die ein Immobilienverwalter für die Anlage von Mitteln einnimmt, die er von seinen Klienten in Zusammenhang mit der Verwaltung ihrer Immobilien erhält, eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung seiner steuerbaren Tätigkeit. Bei einer derartigen Geldanlage handelt der Immobilienverwalter deshalb als Steuerpflichtiger."

40 Meines Erachtens war der Gerichtshof überzeugt, daß die Anlagetätigkeiten der Régie tatsächlich Teil einer breiteren Geschäftstätigkeit waren oder daß sie, wie Generalanwalt Lenz treffend sagte, "Geld an[legt], das sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in Händen hat.(48)" Der Unterschied zum Urteil Wellcome Trust war klar: In diesem Fall "war keine wirtschaftliche Tätigkeit ersichtlich, aufgrund deren die Treuhandgesellschaft das Geld hätte erhalten können"(49). In unserem Fall liegt dem Gerichtshof - natürlich mit dem Vorbehalt, daß es letztlich Sache des vorlegenden Gerichts ist, die notwendigen tatsächlichen Feststellungen zu treffen - kein Beweis dafür vor, daß die Anlagen der Klägerin in Schuldverschreibungen "eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung" irgendeiner anderen "steuerbaren Tätigkeit" sind. Es ist daher meine Überzeugung, daß die Anlagetätigkeiten der Klägerin denen einer Privatperson gleichgestellt werden müssen, die ihr Vermögen verwaltet. Da keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie vorliegt, fallen die betreffenden Vorgänge nicht unter das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, so daß sich die Frage eines Vorsteuerabzugs nicht stellt. Sollte der Gerichtshof diesem Voschlag folgen, bestuende keine Notwendigkeit zur Prüfung der verbliebenen Fragen.

B - Zur zweiten Vorlagefrage

41 Sollte der Gerichthof entgegen der von mir vertretenen Auffassung entscheiden, daß Erwerb und Besitz von Schuldverschreibungen unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, ausreichen, um eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie anzunehmen, so müsste geprüft werden, ob ein Recht auf Vorsteuerabzug entsteht(50).

42 Das Recht eines Steuerpflichtigen auf Abzug der Vorsteuer, die er für die für seine Geschäftstätigkeit bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt hat, beruht gemäß Artikel 17 auf der gleichzeitigen Verpflichtung zur Entrichtung von Mehrwertsteuer für die in seinem Geschäft gelieferten Gegenstände und erbrachten Dienstleistungen. Da der Erwerb und der Besitz von Schuldverschreibungen, falls sie unter das Mehrwertsteuersystem fallen, entweder gemäß Artikel 13 Teil B Buchstaben d Nummer 1 als "Gewährung und Vermittlung von Krediten" oder möglicherweise gemäß Nummer 5 ähnlich wie "Umsätze, die sich auf ... Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen" zu behandeln sind, stellen sie eine von der Mehrwertsteuer befreite Tätigkeit dar, so daß ein Recht zum Vorsteuerabzug nicht entsteht. Allerdings sieht Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe c eine Ausnahme von diesem Grundsatz für eine beschränkte Anzahl befreiter Umsätze einschließlich der in Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummern 1 bis 5 aufgezählten vor, "wenn der Leistungsempfänger ausserhalb der Gemeinschaft ansässig ist".

43 Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß die betreffenden Schuldverschreibungen von öffentlichen Einrichtungen und Gesellschaften in den USA und in Kanada ausgegeben wurden. Wenn daher das im ersten Satz des Artikels 17 Absatz 3 Buchstabe c aufgestellte Erfordernis erfuellt ist, wonach die streitigen Mehrwertsteuerzahlungen sich auf "Gegenstände und Dienstleistungen" beziehen, die "für die Zwecke" seiner steuerbaren, aber befreiten Umsätze verwendet werden, sollte die Gesellschaft zum Vorsteuerabzug berechtigt sein(51). Ich möchte daher dem Gerichtshof empfehlen, die zweite Frage, falls sie denn beantwortet werden muß, zu bejahen.

C - Zur dritten und vierten Vorlagefrage

44 Da diese Fragen eng zusammenhängen, sollten sie zusammen beantwortet werden. Angesichts der Beschreibung der Tätigkeiten der Klägerin im Vorlagebeschluß ist nicht ganz klar, ob sie auch Beteiligungen hält oder ausserdem Dividenden hieraus bezieht(52). Unter diesen Umständen mag es zweifelhaft erscheinen, ob der Gerichtshof eine nützliche Antwort auf diese Frage geben kann(53). Meines Erachtens gebietet es die Pflicht zur Zusammenarbeit, die das Verhältnis von Gerichtshof und nationalen Gerichten im Verfahren nach Artkel 177 EG-Vertrag beherrscht, dem Gerichtshof die Beantwortung von Fragen abzulehnen, wenn aus den Umständen ihrer Vorlage klar hervorgeht, daß eine wirklich hilfreiche Antwort nicht möglich ist(54). Das trifft auf die dritte und vierte Vorlagefrage in der vorliegenden Rechtssache eindeutig nicht zu.

45 Die Natur von Schuldverschreibungen lässt es als möglich erscheinen, daß einige der von der Klägerin erworbenen Schuldverschreibungen die Form eines umtauschbaren Anleihekapitals aufwiesen und später während des relevanten Zeitraums in Aktien umgewandelt wurden. Oder aber das vorlegende Gericht hatte eine dem Gerechtshof Amsterdam gegebene Information über einen völlig unabhängigen Aktienbesitz der Klägerin im Sinn. Es ist sicher nicht unwahrscheinlich, daß eine Kommanditgesellschaft, die während des relevanten Zeitraums Schuldverschreibungen im Werte von 130 000 000 US$ besaß, auch einige Aktien besessen haben könnte. Die Klägerin beschreibt ihre Tätigkeit in der Klage dahin, daß sie die nachhaltige Nutzung mehrerer Vermögensbestandteile umfasse, zu denen im fraglichen Zeitraum auch Aktien gehört haben mögen. Das ist natürlich alles Spekulation, meines Erachtens sollte man aber nicht davon ausgehen, daß das vorlegende Gericht die Frage gestellt hätte, wenn es nicht angenommen hätte, es habe es mit einem Problem der Verteilung der Vorsteuerbeträge der Gesellschaft auf befreite und nicht befreite Umsätze zu tun. Ich möchte daher vorschlagen, daß der Gerichtshof, falls er die ersten beiden Fragen bejahen sollte, auch die dritte und vierte Frage beantwortet.

46 Das vorlegende Gericht bezieht sich in seiner dritten Frage auf das Urteil Sofitam. Es darf wohl angesichts der Darstellung der Tätigkeiten der Klägerin im Vorlagebeschluß angenommen werden, daß das vorlegende Gericht davon ausgeht, daß, falls die Klägerin Aktien halten sollte, diese Tätigkeit nicht zu einem Eingreifen in die Verwaltung der Unternehmen führen, an denen die Klägerin sich beteiligt, oder zumindest auch nicht in anderer Weise als wirtschaftliche gelten kann. Sie fällt daher nicht unter das gemeinschaftliche Mehrwertsteuersystems. Unter solchen Umständen entschied der Gerichtshof im Urteil Sofitam(55):

"Da Dividenden kein Entgelt für irgendeine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie sind, fallen sie nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Somit liegen die sich aus dem Innehaben von Beteiligungen ergebenden Dividenden ausserhalb des Systems der Vorsteuerabzugsberechtigung."

Da solche Einnahmen aus Dividenden nicht in den Anwendungsbereich des gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystems fallen, stellte der Gerichtshof im Urteil Sofitam weiter fest:

"Deshalb sind Dividenden bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs im Sinne der Artikel 17 bis 19 der Sechsten Richtlinie unberücksichtigt zu lassen, da anderenfalls der Zweck der völligen Neutralität, die das gemeinsame Mehrwertsteuersystem garantiert, vereitelt würde."(56)

Damit steht fest, daß Einnahmen der Klägerin aus ihrem Aktienbesitz den abzugsfähigen Teil ihrer Vorsteuerbeträge nicht beeinflussen kann.

47 Es ist weiterhin der Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug unter solchen Umständen festzulegen, wie sie das vorlegende Gericht in seiner dritten und vierten Frage vorgegeben hat.

48 Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie legt unzweideutig fest, daß ein Steuerpflichtiger von der von ihm geschuldeten Steuer Vorsteuer nur abziehen darf, "[s]oweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden". Auch Artikel 17 Absatz 3 lässt keinen Zweifel zu: Das Recht auf Vorsteuerabzug, das ausnahmsweise für die in den Buchstaben a bis c genannten Umsätze gewährt wird, entsteht nur, "soweit die Gegenstände und Dienstleistungen", für die der Vorsteuerabzug beansprucht wird, "für Zwecke" dieser Umsätze verwendet werden. Diese Auslegung des Artikels 17 wird durch die Auslegung von Generalanwalt Van Gerven in der Rechtssache Polysar unterstützt. Er stellt mit Blick auf Artikel 17 Absatz 2 fest(57):

"Ein Steuerpflichtiger ist befugt, die von ihm für Lieferungen und Dienstleistungen gezahlte Mehrwertsteuer abzuziehen, wenn und soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. ... Dasselbe gilt für (grundsätzlich steuerpflichtige) Umsätze, die nach der Richtlinie von der Mehrwertsteuer freigestellt sind."

49 Die Niederlande machen - mit Unterstützung Frankreichs in der Sitzung - geltend, daß das Vorgehen des Gerichtshofes in der Rechtssache BLP Group(58) einen nützlichen Vergleich für die vorliegende Rechtssache liefere. In dieser Rechtssache hatte der Gerichtshof sich mit der Frage zu befassen, ob ein Steuerpflichtiger, der Mehrwertsteuer für Dienstleistungen zahlt, die ihm für die Zwecke eines steuerbefreiten Umsatzes (d. h. den Verkauf von Gesellschaftsanteilen) erbracht werden, gleichwohl diese Vorsteuern von der von ihm für seine steuerbaren Umsätze (nämlich die Erbringung von Verwaltungsdiensten für Tochtergesellschaften) zu entrichtenden Mehrwertsteuer abziehen darf, wenn der befreite Umsatz die Verminderung der auf steuerbaren Umsätzen beruhenden Verschuldung bei den Banken bezweckte. Der Gerichtshof stellte unter Hinweis auf Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe c fest, daß "die Richtlinie nur in Ausnahmefällen das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer für Gegenstände oder Dienstleistungen vorsieht, die für steuerfreie Umsätze verwendet werden"(59). Ausserdem müsste, so fuhr der Gerichtshof fort(60),

"... die Verwaltung ... bei Leistungen, die wie im vorliegenden Fall nicht objektiv mit steuerbaren Umsätzen zusammenhängen, Untersuchungen anstellen, um die Absicht der Steuerpflichtigen zu ermitteln. Eine solche Verpflichtung wäre unvereinbar mit den Zielen des Mehrwertsteuersystems, die Rechtssicherheit zu gewährleisten und die mit der Anwendung der Steuer verbundenen Maßnahmen dadurch zu erleichtern, daß, abgesehen von Ausnahmefällen, die objektive Natur des betreffenden Umsatzes berücksichtigt wird."

50 Daraus folgt meines Erachtens, daß in der vorliegenden Rechtssache die streitigen Vorsteuern insoweit von der Berechnung des Abzugsbetrags auszuschließen sind, als sie sich gänzlich auf die Tätigkeiten der Klägerin im Zusammenhang mit ihrem Aktienbesitz beziehen.

51 In unserer Rechtssache stellt sich aber eine weitere Frage: Nach welchem Maßstab sind denn die Vorsteuerbeträge, die vom Abzug auszuschließen sind, zu berechnen, da doch die streitigen Vorsteuerbeträge tatsächlich Dienstleistungen betreffen können, die dem Steuerpflichtigen für Zwecke sowohl seiner nicht steuerbaren als auch seiner steuerbaren, aber befreiten Umsätze erbracht werden? Die Niederlande und Frankreich sprechen sich im Kern für die Anwendung einer Pro-rata-Methode der Berechnung des abzugsfähigen Teils in Analogie zu Artikel 19 der Sechsten Richtlinie aus.

52 Meines Erachtens lässt sich diese Frage nicht unmittelbar aus den Artikeln 17 Absatz 5 und 19 beantworten, ich bin allerdings, wie sich zeigen wird, der Meinung, daß diese Bestimmungen entsprechend anzuwenden sind. Die im Ausgangsverfahren vorliegenden tatsächlichen Umstände standen den Vätern des Artikels 17 Absatz 5 nicht vor Augen, da dieser davon ausgeht, daß ein Steuerpflichtiger Vorsteuern für Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke sowohl seiner steuerbaren als auch seiner steuerbefreiten Umsätze zahlt. In der vorliegenden Rechtssache aber beziehen sich die Fragen des vorlegenden Gerichts auf einen Sachverhalt, in dem der Steuerpflichtige Vorsteuern für Zwecke sowohl seiner befreiten als auch seiner nicht steuerbaren Umsätze bezahlt hat.

53 Meines Erachtens folgt aus der oben in den Nummern 48 und 49 dargestellten Auslegung des Artikels 17 der Sechsten Richtlinie, daß ein Steuerpflichtiger wie die Klägerin, der Vorsteuern für gewerbliche Dienstleistungen zahlt, die für den Zweck sowohl der wirtschaftlichen Tätigkeit des Erwerbs und Besitzes von Schuldverschreibungen (falls denn der Gerichtshof sie als solche betrachtet) als auch der nicht wirtschaftlichen Tätigkeit (im Sinne der Mehrwertsteuerregelung) seines Anteilsbesitzes erbracht werden, für den Fall, daß die Schuldverschreibungen von Wirtschaftsteilnehmern ausserhalb der Gemeinschaft ausgegeben wurden, nur den Teil der Vorsteuern abziehen kann, der dieser wirtschaftlichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Obwohl Artikel 18 keine besonderen Förmlichkeiten für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 3 vorschreibt, ist doch jeder Steuerpflichtige nach Artikel 22 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie verpflichtet, "Aufzeichnungen zu führen, die so ausführlich sind, daß sie die Anwendung der Mehrwertsteuer und die Überprüfung durch die Steuerverwaltung ermöglichen". Ferner verpflichtet Artikel 22 Absatz 4 "jede[n] Steuerpflichtige[n]" "innerhalb eines Zeitraums, der von den einzelnen Mitgliedstaaten festzulegen ist, eine Steuererklärung abzugeben". Dieser Zeitraum "darf zwei Monate vom Ende jedes einzelnen Steuerzeitraums an gerechnet nicht überschreiten", dessen Dauer von den Mitgliedstaaten festgelegt werden kann, "sofern diese ein Jahr nicht überschreite[t]".

54 Daraus ergibt sich nach meiner Ansicht, daß der Steuerpflichtige, der sich, wenn ein Teil seiner Vorsteuern sich auf nicht steuerbare Tätigkeiten bezog, auf Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe c berufen möchte, zur Überzeugung der zuständigen Steuerbehörden den Teil dieser Vorsteuern nachzuweisen hat, der sich seiner Auffassung nach auf steuerbare, aber steuerbefreite Umsätze im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe d Nummern 1 bis 5 bezieht(61).

IV - Ergebnis

55 Die erste vom Hooge Raad der Nederlanden vorgelegte Frage sollte daher nach meiner Auffassung wie folgt beantwortet werden:

1. Der blosse Erwerb des Eigentums an und der Besitz von Schuldverschreibungen sowie die sich hieraus ergebenden Einnahmen können, wenn sie keine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung einer anderen Geschäfts- oder Handelstätigkeit sind, nicht als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie des Rates 77/388/EWG vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage betrachtet werden.

Sollten indessen die in meinem Vorschlag für die Beantwortung der ersten Frage dargestellten Tätigkeiten nach Auffassung des Gerichtshofes eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie darstellen, so schlage ich vor, die zweite, dritte und vierte Frage des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten:

2. Artikel 17 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie des Rates gibt einem Steuerpflichtigen das Recht zum Abzug der Vorsteuern, die er für ihm erbrachte Dienstleistungen aufgewandt hat, wenn diese von ihm für die Zwecke des Eigentumserwerbs an und den Besitz von Schuldverschreibungen sowie die Erzielung von Einnahmen hieraus verwandt wurden, falls diese Schuldverschreibungen von öffentlichen Einrichtungen und Gesellschaften ausgegeben wurden, die ihren Sitz ausserhalb der Gemeinschaft haben.

3. Ein Steuerpflichtiger, der die in der vorstehenden Antwort beschriebenen Tätigkeiten, zugleich aber auch die Tätigkeit des Erwerbs von Beteiligungen ausübt, die nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt, und dessen Vorsteuerbeträge auf Tätigkeiten entfallen, die sowohl die Schuldverschreibungen als auch die Beteiligungen betreffen, kann das Recht zum Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie des Rates nur für den Teil der Vorsteuern geltend machen, der sich auf die Tätigkeiten bezieht, die die Schuldverschreibungen betreffen, falls er zur Überzeugung der zuständigen Steuerbehörden den Nachweis für diesen Zusammenhang erbringt.

(1) - ABl. L 145, S. 1.

(2) - Staatsblad 1968, S. 329.

(3) - In der Sitzung teilte der Vertreter der Niederlande dem Gerichtshof mit, daß nach den der niederländischen Regierung zugänglichen Informationen die von der Steuerpflichtigen investierten Gelder eigene Mittel der Gesellschaft und nicht Mittel Dritter waren. Sie nahm allerdings die Investitionen nicht selbst vor, sondern beauftragte damit ein gewerbliches Anlagenvermittlungsunternehmen. Anscheinend waren die Rechnungen über Dienstleistungen dieses Anlagenvermittlers Anlaß für die umstrittenen Mehrwertsteuerzahlungen der Steuerpflichtigen.

(4) - [betrifft nur die englische Fassung].

(5) - Rechtssache C-60/90 (Slg. 1991, I-3111; nachstehend: Polysar).

(6) - Vakstudie Nieuws 1982, S. 2281.

(7) - Vgl. Sofitam SA (früher Satam SA), Slg. 1993, I-3513 (nachstehend: Sofitam).

(8) - Rechtssache C-186/89 (Slg. 1990, I-4363).

(9) - Randnr. 14 des Urteils.

(10) - [betrifft nur die englische Fassung].

(11) - Nummern 1 und 5 sind in oben, in Nr. 4 dieser Schussanträge wiedergegeben.

(12) - Die getrennte Behandlung von Umsätzen durch Kreditgewährung und in Zusammenhang mit Obligationen in Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 1 und Nummer 5 soll nach Meinung Frankreichs unerheblich sein, weil diese Vorschrift lediglich Befreiungen von der Mehrwertsteuer festlege.

(13) - Vgl. u. a. das Urteil Van Tiem, Randnr. 17.

(14) - Vgl. Urteil in der Rechtssache 268/83 (Rompelman, Slg. 1985, 655), in dem entschieden wurde, daß der Erwerb des (künftigen) Eigentums an zwei noch zu errichtenden Ausstellungsräumen und des Teilerbbaurechts an dem entsprechenden Grundstück mit der Absicht späterer Vermietung an Unternehmer eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen kann.

(15) - Urteil Van Tiem, Randnr. 18.

(16) - Richtlinie 67/228/EWG vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (ABl. Nr. 71, S. 1303).

(17) - Rechtssache 89/81 (Staatssecretaris van Financiën, Slg. 1982, 1277, S. 1293; Hervorhebung im Original).

(18) - Randnr. 24 des Urteils.

(19) - A. a. O. (Hervorhebung von mir).

(20) - Randnr. 13 des Urteils Polysar.

(21) - A. a. O. (Hervorhebung von mir).

(22) - Randnr. 14 des Urteils Polysar.

(23) - Urteil Polysar (oben, Fußnote 5), Slg. 1991, I-3111, I-3125.

(24) - A. a. O.

(25) - A. a. O. (oben, Fußnote 23; Hervorhebung von mir).

(26) - Randnr. 12 des Urteils Sofitam (Hervorhebung von mir).

(27) - Rechtssache C-155/94 (Slg. 1996, I-0000).

(28) - Randnr. 21 des Urteils.

(29) - Vgl. Nr. 4 der Schlussanträge.

(30) - Vgl. Randnrn. 23 und 25 des Urteils.

(31) - Randnr. 31 des Urteils.

(32) - Angeführt wurden die Rechtssachen Polysar und Sofitam.

(33) - Randnr. 32 des Urteils.

(34) - Vgl. Randnr. 33 des Urteils.

(35) - Randnr. 35 des Urteils Wellcome Trust (Hervorhebung von mir).

(36) - A. a. O.

(37) - Rechtssache Wellcome Trust, Nr. 19 der Schlussanträge.

(38) - A. a. O.

(39) - Vgl. Randnr. 36 des Urteils und Nr. 19 der Schlussanträge.

(40) - Vgl. Randnr. 35 des Urteils (zitiert oben, in Nr. 34).

(41) - Randnr. 35 des Urteils Wellcome Trust (Hervorhebung von mir).

(42) - Randnr. 36 des Urteils.

(43) - Urteil vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache C-306/94 (Slg. 1996, I-3695).

(44) - Randnr. 16 des Urteils.

(45) - Randnr. 17 des Urteils.

(46) - Randnr. 18 des Urteils.

(47) - Randnr. 18 des Urteils (Hervorhebung von mir).

(48) - Nr. 20 der Schlussanträge.

(49) - Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Lenz, a. a. O.

(50) - Nach der Darstellung der Urteilsbegründung des Gerechtshofs Amsterdam und den Fragen im Vorlagebeschluß (vgl. oben, Nrn. 11 und 13) scheint sich dem vorlegenden Gericht im vorliegenden Fall nicht die Frage zu stellen, ob die Firma nicht bei Ausübung ihrer Tätigkeiten nach Maßgabe der Artikel 2 und 4 Absatz 1 sowohl als Steuerpflichtiger als auch unabhängig davon gehandelt haben könnte.

(51) - Wenn die von den Niederlanden in der Sitzung gegebene Information zutrifft, daß nämlich die behaupteten Mehrwertsteuerausgaben auf Zahlungen der Klägerin an das Unternehmen zurückgehen, das ihre finanziellen Aktivitäten verwaltet, dürfte die erforderliche Verbindung zwischen diesen Ausgaben und den mehrwertsteuerfreien Umsätzen der Klägerin mit ihren Drittlandkunden in unserem Fall wohl vorliegen. Es ist aber letztlich Sache des vorlegenden Gerichts, die in dieser Hinsicht etwa noch notwendigen und ausstehenden Feststellungen zu treffen. Vgl. weiter die Erörterung der dritten und vierten Vorlagefrage unten in Nrn. 48 bis 54.

(52) - Das vorlegende Gericht will mit seiner Frage lediglich wissen, ob für den Fall ("ingeval"), daß ein Steuerpflichtiger die der Firma zugeschriebenen Tätigkeiten ausübt und daneben Aktien besitzt, die Vorsteuer in vollem Umfang abgezogen werden kann.

(53) - Der Gerichtshof hat beispielsweise im Anschluß an sein Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-320/90, C-321/90 und C-322/90 (Telemarsicabruzzo, Slg. 1993, I-393), in dem entschieden wurde, daß "die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, es erforderlich macht, daß dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen" (Randnr. 6), eine Reihe von Beschlüssen erlassen, mit denen es die Beantwortung von Vorlagefragen abgelehnt hat, bei denen diese Voraussetzungen nicht erfuellt waren; vgl. u. a. Rechtssache C-101/96 (Italia Testa, Slg. 1996, I-3081).

(54) - Vgl. insoweit Nr. 29 meiner Schlussanträge vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-105/94 (Angelo Celestini, Slg. 1996, I-0000).

(55) - Randnr. 13 des Urteils.

(56) - Randnr. 14 des Urteils.

(57) - Polysar (Slg. 1991, I-3111, I-3128; Hervorhebung im Original). Vgl. auch die Erläuterung der Kommission zu ihrem revidierten Richtlinienvorschlag, wo es heisst: "Der Grundsatz, daß Mehrwertsteuer auf Gegenstände und Dienstleistungen, die für Zwecke nichtsteuerbarer oder befreiter Umsätze (mit Ausnahme der Umsätze im Ausland oder bei Ausfuhren) verwendet werden, nicht abziehbar sind, wurde beibehalten."; Bulletin der EG, Suppl. 11-73, S. 18.

(58) - Rechtssache C-4/94 (Slg. 1995, I-983).

(59) - Randnr. 23 des Urteils.

(60) - Randnr. 24 des Urteils (Hervorhebung von mir).

(61) - Vgl. zu den Nachweispflichten von Steuerpflichtigen, die ihr Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen, Randnr. 24 des Urteils Rompelman (zitiert oben in Nr. 25.