GUTACHTEN 3/94 DES GERICHTSHOFES

13. Dezember 1995

betreffend einen Antrag der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 228 Absatz 6 EG-Vertrag auf ein Gutachten über die Vereinbarkeit des Rahmenabkommens über Bananen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Kolumbien, Costa Rica, Nikaragua und Venezuela mit dem Vertrag.

Bericht zum Gutachtenantrag

I — Vorgeschichte des Rahmenabkommens

1.

Die Strategie der Gemeinschaft für die Verhandlungen der Uruguay-Runde wurde in einer mit „Gesamtkonzept“ überschriebenen Mitteilung der Kommission an den Rat festgelegt, die vom Rat am 16. und 17. Juni 1986 genehmigt wurde.

2.

In bezug auf die Landwirtschaft wurde die Kommission angewiesen,

„zur Herstellung des Gleichgewichts auf den Weltmärkten bei[zu]tragen; dieses Gleichgewicht kann im übrigen nicht ohne eine engere Zusammenarbeit der am Handel mit Agrarerzeugnissen und Nahrungsmitteln beteiligten Länder erreicht werden; ...

einen angemessenen Zugang zu den Einfuhrmärkten [zu] ermöglichen; ...

die Beteiligung der Entwicklungsländer [zu] gewährleisten, und zwar unter Bedingungen, die den Merkmalen ihrer Agrarwirtschaft und ausgewogenen Elementarstrategien angepaßt sind“.

3.

In der Erklärung von Punta del Este vom 20. September 1986, die im Hinblick auf die Verhandlungen der Uruguay-Runde angenommen wurde, erklärten die Vertragsparteien des GATT, sie seien gewillt,

„eine stärkere Liberalisierung des Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen herbeizuführen und alle Maßnahmen, die den Zugang bei der Einfuhr und den Wettbewerb bei der Ausfuhr beeinflussen, ... verstärkten und wirksameren GATT-Regeln und -Disziplinen zu unterwerfen“.

In dieser Erklärung kamen die Vertragsparteien überein, den Status quo hinsichtlich der Schaffung neuer Hemmnisse für den internationalen Handelsverkehr zu wahren, und gingen davon aus, daß die Verhandlungen darauf abzielten, die nichttariflichen Maßnahmen einschließlich der mengenmäßigen Beschränkungen zu verringern oder zu beseitigen.

4.

Am selben Tag genehmigte der Rat auf Empfehlung der Kommission diese Erklärung und ermächtigte die Kommission, die im Rahmen der Richtlinien des Rates vorgesehenen Verhandlungen aufzunehmen.

5.

Die Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen (ABl. L 47, S. 1) sieht in Titel IV über die Regelung für den Handel mit dritten Ländern die Ersetzung des im Rahmen des GATT konsolidierten Zollsatzes von 20 % durch eine Regelung von festen Zollsätzen unterliegenden Einfuhrkontingenten vor.

6.

Am 19. Februar 1993 ersuchten Kolumbien, Costa Rica, Guatemala, Nikaragua und Venezuela die Gemeinschaft, gemäß Artikel XXII Absatz 1 des GATT, Konsultationen im Hinblick auf die Verordnung Nr. 404/93 aufzunehmen. Da diese Konsultationen zu keiner befriedigenden Lösung führten, leiteten diese lateinamerikanischen Staaten im April 1993 das Streitbeilegungsverfahren nach Artikel XXIII Absatz 2 des GATT ein.

7.

Am 22. März 1993 unterbreitete die Kommission im Rahmen der Verhandlungen der Uruguay-Runde im Namen der Gemeinschaft einen Vorschlag betreffend die Bananeneinfuhr, in dem die Bestimmungen der Verordnung Nr. 404/93 über den Handel mit dritten Ländern übernommen worden waren.

8.

Am 3. Juni 1993, d. h. vor dem für den 1. Juli 1993 vorgesehenen Inkrafttreten der Verordnung Nr. 404/93, unterbreitete die Kommission dem Rat den Entwurf einer Empfehlung für einen Beschluß des Rates zur Ermächtigung der Kommission, Verhandlungen nach Artikel XXVIII Absatz 5 des GATT darüber aufzunehmen, welchen Ausgleich die Gemeinschaft bestimmten Vertragsparteien des GATT für den Fortfall des konsolidierten Zollsatzes von 20 % bei der Einfuhr von Bananen anbieten sollte.

9.

Am 18. und 19. Oktober 1993 ermächtigte der Rat die Kommission aufgrund dieser Empfehlung, die Verhandlungen aufzunehmen, und wies darauf hin, daß diese auf der Grundlage der bestehenden GATT-Bestimmungen zu führen seien, daß der Ausgleich den GATT-Mitgliedsländern im Einklang mit den GATT-Bestimmungen zu gewähren sei und daß diese Verhandlungen die Verordnung Nr. 404/93 nicht „untergraben“ dürften.

10.

Am 14. Dezember 1993, dem Tag vor dem verbindlichen Ende der Verhandlungen der Uruguay-Runde, teilte die Kommission dem Generaldirektor des GATT ihre „abschließenden“ Vorschläge, insbesondere für die Einfuhr von Bananen, mit. Diese Vorschläge waren vom Rat auf einer Tagung am 13. Dezember 1993 genehmigt worden.

11.

Die Vorschläge im Bananensektor beruhten auf den letzten Angeboten der Gemeinschaft an die lateinamerikanischen Staaten im Rahmen der Verhandlungen nach Artikel XXVIII Absatz 5 des GATT.

12.

In der genannten Mitteilung hieß es:

„...[Das] Angebot über Bananen ... [ist] davon abhängig ..., daß mit den lateinamerikanischen Lieferländern, die Mitglieder des GATT sind, eine Vereinbarung über das Angebot erzielt wird ... Wenn dies nicht der Fall sein sollte, wird das Angebot der Europäischen Gemeinschaft dasjenige sein, das in ihrer [früheren] Mitteilung ... vom 22. März 1993 dargelegt ist.“

13.

Am 18. Januar 1994 legte die im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens bestimmte Sachverständigengruppe („Panel“) einen Bericht vor, in dem sie feststellte, daß bestimmte Vorschriften der Verordnung Nr. 404/93 mit den GATT-Bestimmungen unvereinbar seien. Dieser Bericht wurde nicht von der Gesamtheit der Vertragsparteien angenommen.

14.

Mit Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93 (Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973) hat der Gerichtshof die Nichtigkeitsklage der Bundesrepublik Deutschland gegen die Verordnung Nr. 404/93 zurückgewiesen. Zum GATT stellte der Gerichtshof fest, daß sich die Klägerin nicht auf dessen Bestimmungen berufen könne, um die Rechtmäßigkeit der Verordnung zu bestreiten.

15.

Am 7. März 1994 beschloß der Rat, die Schlußakte der Uruguay-Runde zu unterzeichnen, und ermächtigte den Präsidenten des Rates und das mit der Verhandlungsführung betraute Mitglied der Kommission, diese Unterzeichnung vorzunehmen; zu diesem Zeitpunkt bestand das Angebot der Gemeinschaft über die Bananen wieder in demjenigen vom 22. März 1993, da die Verhandlungen zwischen der Gemeinschaft und den lateinamerikanischen Ländern abgebrochen worden waren.

16.

Am 25. März 1994 legte die Kommission eine endgültige Fassung ihrer Verpflichtungen hinsichtlich des Marktzugangs vor; in bezug auf Bananen wurde in Anhang („Schedule“) LXXX das Angebot vom 22. März 1993 übernommen.

17.

Am 28. März 1994 gelangte die Kommission zu einer Vereinbarung mit Kolumbien, Costa Rica, Nikaragua und Venezuela, die als Rahmenabkommen über Bananen bezeichnet wurde.

18.

Am nächsten Tag, dem 29. März 1994, übermittelte die Kommission dem Generalsekretariat des GATT eine Änderung ihrer in „Schedule LXXX“ enthaltenen Vorschläge, die im Anhang das Rahmenabkommen wiedergab.

19.

Auf den Sitzungen des Besonderen Ausschusses nach Artikel 113 des Vertrages in Marrakesch am 11. und 14. April 1994 brachten die Delegationen der Bundesrepublik Deutschland und anderer Mitgliedstaaten zum Ausdruck, daß sie damit, daß die Kommission das Rahmenabkommen über Bananen in die in „Schedule LXXX“ enthaltene Liste der Verpflichtungen der Gemeinschaft aufgenommen habe, sowie mit dem Inhalt dieses Rahmenabkommens nicht einverstanden seien.

20.

Der am 15. April 1994 in Marrakesch zusammengetretene Rat der Außenminister bestätigte implizit einstimmig seinen Beschluß, die Schlußakte der Uruguay-Runde zu unterzeichnen. In einer Erklärung nahm die Kommission die verschiedenen Erklärungen zur Kenntnis, die die nationalen Delegationen auf den Sitzungen des Ausschusses nach Artikel 113 des Vertrages zur Einfuhrregelung für Bananen abgegeben hatten.

21.

Am 22. Dezember 1994 erließ der Rat den Beschluß 94/800/EG über den Abschluß der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986—1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1).

22.

Die Übereinkünfte der Uruguay-Runde sind einschließlich der Anhänge mit den Verpflichtungen der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Einfuhr von Bananen am 1. Januar 1995 in Kraft getreten.

II — Inhalt des Rahmenabkommens

1.

Das Rahmenabkommen über Bananen (im folgenden: Rahmenabkommen) gliedert sich in zwei Dokumente; das erste, das die Überschrift „Vereinbartes Ergebnis der Verhandlungen zwischen Kolumbien, Costa Rica, Nikaragua, Venezuela und der Europäischen Gemeinschaft über das EG-Einfuhrregime für Bananen“ trägt und am 28. März 1994 vom Kommissionsmitglied für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und vom Botschafter Kolumbiens bei der Gemeinschaft in Brüssel unterzeichnet wurde, stellt eine Art Präambel des eigentlichen Abkommens dar; das zweite Dokument mit der Überschrift „Rahmenabkommen über Bananen“ enthält die Sachbestimmungen der Vereinbarung mit den lateinamerikanischen Staaten.

2.

Im ersten Dokument heißt es:

„Der beigefügte Entwurf des Abkommens über Bananen ist das befriedigende Ergebnis der Bananen betreffenden Verhandlungen im Rahmen der Uruguay-Runde.

Außerdem stellt das Abkommen das Ergebnis der Konsultationen und Verhandlungen über Bananen im Rahmen des Artikels XXVIII GATT zwischen der Gemeinschaft und den beteiligten Staaten dar.

Ferner handelt es sich bei dem Abkommen um eine Beilegung des Streits betreffend Bananen, in deren Folge ein GATT-Panel-Bericht erstellt worden ist. Daher wird vereinbart, daß Kolumbien, Costa Rica, Nikaragua, Venezuela und die EG die Annahme des besagten Panel-Berichts nicht betreiben werden.

Kolumbien, Costa Rica, Nikaragua und Venezuela verpflichten sich, für die Geltungsdauer des beigefügten Abkommens im Hinblick auf das EG-Bananenregime den Streitbeilegungsmechanismus des GATT nicht in Anspruch zu nehmen.“

3.

Das eigentliche Rahmenabkommen legt in Nummer 1 das Gesamtzollkontingent für 1994, vorbehaltlich einer Erhöhung infolge der Erweiterung der Gemeinschaft, auf 2100000 t und für 1995 und die folgenden Jahre auf 2200000 t fest und teilt in Nummer 2 dieses Kontingent unter den vier Parteien des Abkommens, der Dominikanischen Republik und den anderen AKP-Staaten (nichttraditionelle Einfuhren) sowie sonstigen Staaten auf.

Die Nummern 3 bis 5 behandeln die Anwendung oder die Änderung der Länderquoten für den Fall, daß eines dieser Länder seine Quote nicht ausnutzen kann, oder für den Fall der Erhöhung dieser Quote.

Nach Nummer 6 erfolgt die Verwaltung des Kontingents einschließlich der Erhöhungen gemäß der Verordnung Nr. 404/93. Weiter heißt es in dieser Nummer:

„[D]ie Länder, für die einzelne Anteile am Zollkontingent festgelegt sind, [werden] ermächtigt, für bis zu 70 % des ihnen zugewiesenen Kontingents spezielle Ausfuhrlizenzen auszugeben, deren Vorlage Voraussetzung für die Erteilung von Einfuhrlizenzen durch die Gemeinschaft für Marktbeteiligte der Gruppen A und C sind.“

In Nummer 7 wird der Zollsatz des Kontingents auf 75 ECU/Tonne festgesetzt.

Nach den Nummern 8 und 9 wird das vereinbarte System spätestens ab dem 1. Oktober 1994 angewendet und bleibt bis zum 31. Dezember 2002 in Kraft.

Die Nummern 10 und 11 bestimmen:

„Dieses Abkommen wird in den Schedule der Gemeinschaft für die Verhandlungen im Rahmen der Uruguay-Runde eingegliedert.

Durch dieses Übereinkommen wird der Streit zwischen Kolumbien, Costa Rica, Venezuela, Nikaragua und der Gemeinschaft über das Bananenregime der Gemeinschaft beigelegt. Die Parteien verpflichten sich, die Annahme des GATT-Panel-Berichts betreffend diese Angelegenheit nicht weiterzuverfolgen.“

III — Der Gutachtenantrag

1.

Die deutsche Regierung, vertreten durch Ministerialrat E. Röder, Bundesministerium für Wirtschaft, und Rechtsanwalt J. Sedemund, Köln, als Bevollmächtigte, ersucht den Gerichtshof um ein Gutachten zu folgenden Fragen:

„a)

Ist das von der Kommission am 28/29. März 1994 unterzeichnete Rahmenabkommen über Bananen in verfahrensrechtlicher Weise ordnungsgemäß ausgehandelt worden, d. h.

auf der Grundlage eines ausreichenden Verhandlungsmandats des Rates und

unter Beachtung der vom Rat für die Verhandlungen niedergelegten Verhandlungsrichtlinien?

b)

Ist das Rahmenabkommen über Bananen in materiellrechtlicher Hinsicht mit den Vorschriften des EG-Vertrags vereinbar?“

2.

Nach Auffassung der deutschen Regierung kann die Zulässigkeit des Gutachtenantrags nicht in Zweifel gezogen werden. Er sei nämlich darauf gerichtet, die Vereinbarkeit des Verfahrens zum Abschluß des Rahmenabkommens und des Inhalts dieses Abkommens mit dem Gemeinschaftsrecht zu prüfen. Die Beantwortung der Frage, ob das Abkommen eventuell neu auszuhandeln sei, sei für die Außenbeziehungen der Gemeinschaft und die Situation der Unternehmen in der Gemeinschaft von unbestreitbarer Bedeutung. Das Rahmenabkommen sei noch nicht völkerrechtlich bindend geschlossen worden, da der Verweis auf die Eingliederung des Inhalts des Abkommens in die Liste der Verpflichtungen der Gemeinschaft im Rahmen der Uruguay-Runde als Ratifikationsvorbehalt auszulegen sei. Das Rahmenabkommen sei von der Schlußakte der Uruguay-Runde trennbar; es sei nämlich im Anhang zu „Schedule LXXX“ der Schlußakte nur deklaratorisch wiedergegeben; außerdem seien nur die Regelungen in Nummer 1 und Nummer 7 des Rahmenabkommens Bestandteil von „Schedule LXXX“; schließlich sei diese Eingliederung erst erfolgt, nachdem der Rat die Unterzeichnung der Schlußakte beschlossen habe. Daher sei die Gemeinschaft, wenn das Rahmenabkommen gegen Vorschriften des Vertrages verstoßen sollte, nur zur Ratifizierung der Schlußakte mit Ausnahme der Bestimmungen über Bananen befugt. Die gesonderte Unterzeichnung des Rahmenabkommens durch die Kommission zeige, daß auch diese davon ausgegangen sei, daß das Rahmenabkommen von der Schlußakte trennbar sei.

In der Sitzung hat die deutsche Regierung den Standpunkt vertreten, Artikel 228 Absatz 6 des Vertrages verlange nur, daß das Abkommen zum Zeitpunkt der Einreichung des Gutachtenantrags geplant gewesen sei. Der Vertrag schreibe nicht vor, daß das Abkommen zum Zeitpunkt der Abgabe des Gutachtens noch nicht zur Durchführung gelangt sein dürfe. Nähme man das Gegenteil an, so würde dies letztlich zu einer Aushöhlung des Verfahrens des Artikels 228 Absatz 6 durch einen raschen Abschluß des Abkommens und zu einer Beeinträchtigung des Rechtsschutzes des Organs oder des Staates führen, das oder der den Gerichtshof mit dem Gutachtenantrag befaßt hat. Das Verfahren des Abschlusses des Abkommens müsse vielmehr durch eine Anrufung des Gerichtshofes nach Artikel 228 Absatz 6 des Vertrages bis zur Abgabe des Gutachtens des Gerichtshofes ausgesetzt werden.

3.

Zur Sache führt die deutsche Regierung aus, die Kommission habe kein Verhandlungsmandat gehabt, zumindest sei sie jedoch über die Verhandlungsrichtlinien des Rates hinausgegangen, sie sei nicht zur Unterzeichnung des Abkommens ermächtigt gewesen, das angewandte Verfahren habe gegen die bisherige Praxis auf diesem Gebiet verstoßen und das Rahmenabkommen verstoße gegen materielle Bestimmungen des Vertrages.

a) Zum Verhandlungsmandat

Nach Auffassung der deutschen Regierung liegt ein Verhandlungsmandat für das Rahmenabkommen, das nach Artikel 228 Absatz 1 des Vertrages erforderlich sei, nicht vor. Ein solches Mandat könne weder in dem Beschluß des Rates über die Aufnahme von Verhandlungen im Rahmen der Uruguay-Runde noch in dem Beschluß über die Aufnahme von Verhandlungen nach Artikel XXVIII des GATT, noch in dem Beschluß über die Ermächtigung zur Unterzeichnung der Schlußakte erblickt werden.

Die Verhandlungen der Uruguay-Runde seien von der Kommission auf der Grundlage der beiden Beschlüsse des Rates von 1986 geführt worden, mit denen das Gesamtkonzept und die Erklärung von Punta del Este genehmigt worden seien. Die Verhandlung über das Rahmenabkommen habe jedoch anderen Zielen gedient. Sie habe nämlich keineswegs zu einer Liberalisierung des Handels führen sollen, sondern durch sie habe die Annahme des Panel-Berichts verhindert und die Verordnung Nr. 404/93 abgesichert werden sollen; diese Verordnung verstoße jedoch gegen die Erklärung von Punta del Este, insbesondere durch die Einführung höherer Zölle, mengenmäßiger Beschränkungen und von Importlizenzen.

Tatsächlich habe die Kommission Verhandlungen im Rahmen der Artikel XXII und XXIII des GATT geführt, die eine Beendigung des Verfahrens zur Beilegung des Streits über die Einfuhrregelung für Bananen zum Ziel gehabt hätten. Die formelle Bezugnahme in dem die Vorschläge der Gemeinschaft enthaltenden „Schedule LXXX“ der Schlußakte genüge nicht, um das Rahmenabkommen ex post in den Geltungsbereich des Verhandlungsmandats für die Uruguay-Runde einzubeziehen, da der Inhalt des Abkommens nicht in seiner Substanz dem Verhandlungsmandat entspreche. Jede andere Auslegung würde Artikel 228 Absatz 1 Satz 1 zweiter Halbsatz des Vertrages leerlaufen lassen, da die Kommission sonst umfangreiche Verhandlungen wie diejenigen der Uruguay-Runde zur Verwirklichung anderer Zielvorstellungen nutzen könnte.

Außerdem mache die Erteilung eines spezifischen Verhandlungsmandats im Rahmen des Artikels XXVIII des GATT durch den Rat — im übrigen auf Vorschlag der Kommission — deutlich, daß die Kommission selbst der Auffassung gewesen sei, daß das für die Verhandlungen im Rahmen der Uruguay-Runde erteilte Mandat nicht ausreichend sei, um das Rahmenabkommen auszuhandeln. Schließlich sei der Inhalt des Verhandlungsmandats im Rahmen der Uruguay-Runde zu unbestimmt gewesen, um den konkreten Sachverhandlungen des Rahmenabkommens als Grundlage dienen zu können. Die in Artikel 228 Absatz 1 Satz 1 des Vertrages vorgesehene Ermächtigung könne nicht in einer der Kommission erteilten Blankettermächtigung bestehen.

Mit dem Beschluß des Rates vom 18. und 19. Oktober 1993 über die Aufnahme von Verhandlungen nach Artikel XXVIII des GATT sei nach den der Kommission erteilten Verhandlungsrichtlinien bezweckt gewesen, das durch die Verordnung Nr. 404/93 herbeigeführte GATT-widrige „fait accompli“ zu sichern. Mit diesen Verhandlungen habe ein Konsens mit bestimmten lateinamerikanischen Staaten erreicht werden sollen, um die Einleitung eines Streitbeilegungsverfahrens oder die Fortsetzung des anhängigen Streitbeilegungsverfahrens zu verhindern.

Der Beschluß des Rates vom 7. März 1994 über die Unterzeichnung der Schlußakte der Uruguay-Runde sei zu einem Zeitpunkt ergangen, zu dem die Verhandlungen über das Rahmenabkommen noch nicht beendet gewesen seien und dieses Abkommen noch nicht in „Schedule LXXX“ aufgenommen worden sei.

b) Zur Einhaltung der Verhandlungsrichtlinien des Rates

Hilfsweise weist die deutsche Regierung darauf hin, daß die Kommission die für die Verhandlungen festgelegten Richtlinien nicht eingehalten habe.

Nach den in der Erklärung von Punta del Este niedergelegten Verhandlungsrichtlinien für die Uruguay-Runde seien neue beschränkende Maßnahmen nicht zulässig gewesen; die Aushandlung des Rahmenabkommens habe jedoch darauf abgezielt, die vom GATT abweichende Verordnung Nr. 404/93 abzusichern.

Darüber hinaus habe die Kommission gegen die Richtlinien für die Verhandlungen nach Artikel XXVIII des GATT verstoßen. Entgegen der Verhandlungsrichtlinien laufe das Rahmenabkommen nämlich der Verordnung Nr. 404/93 zuwider, indem es die Betätigungsfreiheit der Wirtschaftsteilnehmer noch weiter einenge. Die deutsche Regierung führt insoweit die Einführung fester Quoten für die einzelnen Länder — durch die die Lieferstrukturen und Marktanteile zementiert würden —, die Einführung von Ausfuhrlizenzen und die Auferlegung neuer Lasten für Exporteure oder Importeure von Drittlandsbananen durch die Erhebung einer Abgabe auf Ausfuhrlizenzen an. Daraus ergebe sich eine zusätzliche Verschlechterung der Wettbewerbssituation von Drittlandsimporteuren, die die bereits durch die Verordnung Nr. 404/93 verursachte Diskriminierung weiter verstärke. Überdies habe die Kommission gegen die Verhandlungsrichtlinie verstoßen, mit den lateinamerikanischen Ländern über einen Ausgleich für die Dekonsolidierung des Zollsatzes zu verhandeln.

c) Zur Ermächtigung zur Unterzeichnung des Rahmenabkommens

Am 7. März 1994, dem Tag, an dem der Rat die Kommission zur Unterzeichnung der Schlußakte ermächtigt habe, habe der Text des Rahmenabkommens noch nicht vorgelegen, und der „Schedule LXXX“ habe die früheren Vorschläge der Kommission vom März 1993 wiedergegeben. Dieser Beschluß könne daher nicht als Ermächtigung zur Unterzeichnung des Rahmenabkommens angesehen werden.

d) Zur Abweichung von der bisherigen Praxis der Kommission

Daß die Kommission dem Rat keinen Vorschlag für den Abschluß des Rahmenabkommens vorgelegt und dieses Abkommen nachträglich in die Schlußakte der Uruguay-Runde aufgenommen habe, verstoße gegen eine ständige Praxis der Gemeinschaftsorgane.

e) Zur Vereinbarkeit des Rahmenabkommens mit dem Vertrag

Nach Ansicht der deutschen Regierung verstößt das Rahmenabkommen gegen den EG-Vertrag. Sie weist besonders darauf hin, daß die Marktbeteiligten der Gruppen A und C gegenüber denen der Gruppe B diskriminiert würden. Nur die Marktbeteiligten der Gruppen A und C unterlägen nämlich nach Nummer 6 des Rahmenabkommens der Ausfuhrlizenzregelung, die sich für sie in einer beträchtlichen zusätzlichen finanziellen Belastung äußere, die den Marktbeteiligten der Gruppe B nicht entstehe.

IV — Verfahren

Gemäß Artikel 107 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes ist der Gutachtenantrag dem Rat, der Kommission und den Mitgliedstaaten zugestellt worden. Schriftliche Stellungnahmen haben eingereicht die Kommission, vertreten durch P. Gilsdorf, Direktor des Juristischen Dienstes, und T. Christoforou, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, der Rat, vertreten durch J. Huber, Juristischer Berater, und J.-P. Hix, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, die belgische Regierung, vertreten durch J. Devadder, Verwaltungsdirektor im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit, als Bevollmächtigten, die niederländische Regierung, vertreten durch A. Bos, Rechtsberater im Außenministerium, als Bevollmächtigten, die spanische Regierung, vertreten durch A. Navarro González, Generaldirektor für die rechtliche und institutionelle Koordinierung in Gemeinschaftsangelegenheiten, und Abogado del Estado Rosario Silva de Lapuerta, Dienststelle für Gemeinschaftsrechtsstreitigkeiten, als Bevollmächtigte, die französische Regierung, vertreten durch E. Belliard und C. de Salins, stellvertretende Direktorinnen in der Direktion für Rechtsfragen des Außenministeriums, als Bevollmächtigte, und die Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigten und die Barristers D. Wyatt und D. Anderson.

In der Sitzung vom 25. Oktober 1995 haben ihren Standpunkt vorgetragen die deutsche Regierung, vertreten durch E. Röder und Rechtsanwalt J. Sedemund, die belgische Regierung, vertreten durch J. Devadder, die griechische Regierung, vertreten durch G. Karipsiadis, spezialisierter wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Sonderabteilung des Außenministeriums für Rechtsfragen der EG, als Bevollmächtigten, die spanische Regierung, vertreten durch Rosario Silva de Lapuerta, die französische Regierung, vertreten durch J.-F. Dobelle, stellvertretender Direktor in der Direktion für Rechtsfragen des Außenministeriums, als Bevollmächtigten, die niederländische Regierung, vertreten durch M. Fierstra, stellvertretender Rechtsberater im Außenministerium, die Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch D. Wyatt, der Rat, vertreten durch J. Huber, und die Kommission, vertreten durch P. Gilsdorf.

V — Erklärungen der Regierungen und der Gemeinschaftsorgane

a) Zur Zulässigkeit des Antrags auf Gutachten

In der Sitzung haben die spanische und die französische Regierung sowie der Rat und die Kommission den Standpunkt vertreten, der Abschluß und das Inkrafttreten des Rahmenabkommens im Rahmen der Schlußakte der Uruguay-Runde hätten den Antrag auf Gutachten gegenstandslos gemacht. Nach Auffassung der belgischen und der niederländischen Regierung sowie der Regierung des Vereinigten Königreichs ist der Antrag auf Gutachten zulässig und vom Gerichtshof zu beantworten.

b) Zum Verhandlungsmandat

1.

Die belgische und die niederländische Regierung teilen die Auffassung der deutschen Regierung über das Fehlen eines Verhandlungsmandats.

Das Rahmenabkommen sei von der Schlußakte der Uruguay-Runde unabhängig. Es sei im Rahmen des Verfahrens des Artikels XXVIII des GATT beschlossen worden und vom Verhandlungsmandat für die Uruguay-Runde nicht umfaßt gewesen; das Rahmenabkommen sei mit den betreffenden lateinamerikanischen Ländern gesondert unterzeichnet worden und enthalte ein besonderes Datum für sein Inkrafttreten.

2.

Nach Ansicht der spanischen und der französischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission und des Rates ist die Kommission vom Rat ermächtigt worden, das Rahmenabkommen auszuhandeln.

Die spanische Regierung und der Rat berufen sich auf den Beschluß vom 18. und 19. Oktober 1993, mit dem die Kommission ermächtigt worden sei, Verhandlungen nach Artikel XXVIII des GATT aufzunehmen; die spanische Regierung weist insoweit darauf hin, daß das Rahmenabkommen eine Senkung des festen Zolls im Rahmen des Kontingents von 100 ECU auf 75 ECU/Tonne vorsehe.

Die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und der Rat verweisen darüber hinaus auf den Beschluß des Rates vom 16. und 17. Juni 1986, mit dem das Gesamtkonzept genehmigt worden sei, und auf den Beschluß vom 20. September 1986, mit dem die Erklärung von Punta del Este genehmigt worden sei. Nach Ansicht der französischen Regierung fügt sich das Ergebnis der Verhandlungen mit den lateinamerikanischen Staaten in den Rahmen der Verhandlungen der Uruguay-Runde ein, da das Rahmenabkommen durch die Erhöhung des Kontingents und die Senkung der festen Zölle den Zugang der Drittländer zum Gemeinschaftsmarkt verbessert habe, eine Tarifierung der mengenmäßigen Beschränkungen vorgenommen habe und durch die Einführung von Ausfuhrlizenzen ein Zugeständnis der Gemeinschaft an die betreffenden Länder enthalte.

Die Kommission hebt hervor, daß der Rat die Aufnahme der Verhandlungen genehmigen müsse, was er mit den Beschlüssen von 1986 und 1993 getan habe.

c) 2.ur Einhaltung der Verhandlungsrichtlinien des Rates

1.

Nach Ansicht der belgischen und der niederländischen Regierung geht das Abkommen insoweit über die Verhandlungen der Uruguay-Runde hinaus, als es die anhängigen Streitbeilegungsverfahren beende. Die Aufnahme des Rahmenabkommens in die Anhänge der Schlußakte der Uruguay-Runde könne nicht als Korrigendum angesehen werden, sondern stelle eine Änderung des Vertragstextes dar.

2.

Nach Ansicht der spanischen und der französischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie des Rates und der Kommission ist die Kommission nicht über die im Rahmen der Verhandlungsermächtigung erteilten Verhandlungsrichtlinien hinausgegangen.

Die spanische und die französische Regierung meinen, daß das Rahmenabkommen die Verhandlungsrichtlinien von 1993 einhalte. Die Ausfuhrlizenzregelung garantiere den Zugang der vertragschließenden Staaten zum Gemeinschaftsmarkt, ermögliche es ihnen, selbst ihre Erzeugung und die Handelsströme zu überwachen, und könne nicht als Handelshemmnis angesehen werden. Das Abkommen stehe mit der Verpflichtung, einen Ausgleich anzubieten, im Einklang, da es eine Erhöhung des Kontingents und eine Senkung des festen Zolls vorsehe, und beachte die tragenden Grundsätze der Verordnung Nr. 404/93.

Der Rat hält das auf eine Überschreitung der Verhandlungsrichtlinien gestützte Argument für unerheblich. Mit dem Beschluß des Rates, ein von der Kommission ausgehandeltes Abkommen zu unterzeichnen, sei nämlich die Genehmigung des Inhalts dieses Abkommens verbunden, und durch diesen Beschluß würde jede etwaige bei den Verhandlungen begangene Unregelmäßigkeit gedeckt. In der Praxis sei die Kommission bei der Aushandlung eines völkerrechtlichen Abkommens oft veranlaßt, über die Verhandlungsrichtlinien hinauszugehen; in diesem Fall beschränke sich der Rat darauf, das Endergebnis durch Unterzeichnung des Abkommens anzunehmen, anstatt seine Richtlinien im Verlauf der Verhandlungen zu ändern.

Die Kommission führt aus, der Rat müsse zwar eine Ermächtigung zur Einleitung von Verhandlungen geben, sei jedoch nicht verpflichtet, Verhandlungsrichtlinien zu erteilen. Jedenfalls habe die Kommission aber die Verhandlungsrichtlinie von 1986 und 1993 beachtet. Indem das Rahmenabkommen das Zollkontingent erhöht und den festen Zoll gesenkt habe, habe es eine Liberalisierung des Bananenhandels bewirkt. Die Vertragsparteien hätten das Rahmenabkommen als geeigneten Ausgleich für die Dekonsolidierung des Zollsatzes von 20 % angesehen. Dieses Abkommen entspreche auch den zentralen Bestimmungen der Verordnung Nr. 404/93 und verstoße nicht gegen die grundlegenden Bestimmungen des GATT, das Zollkontingente zulasse. Das Rahmenabkommen sei das Ergebnis zweier parallel geführter Verhandlungen, nämlich der allgemeinen Handelsberatungen der Uruguay-Runde und des besonderen Verfahrens nach Artikel XXVIII des GATT.

d) Zur Ermächtigung zur Unterzeichnung des Rahmenabkommens

1.

Die belgische und die niederländische Regierung teilen den Standpunkt der deutschen Regierung, wonach der Rat die Kommission nicht zur Unterzeichnung des Rahmenabkommens ermächtigt habe.

2.

Nach Ansicht der spanischen und der französischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie des Rates und der Kommission lag ein Beschluß des Rates, das Rahmenabkommen zu unterzeichnen, vor.

Die spanische Regierung führt den Beschluß des Rates vom 7. März 1994 an, der die Kommission ermächtigt habe, die Schlußakte der Uruguay-Runde, der das Rahmenabkommen als Anhang beigefügt sei, zu unterzeichnen. Die spätere Änderung der Anhänge lasse diesen Beschluß unberührt, da die Angebote noch bis zur Unterzeichnung der Schlußakte geändert werden könnten, sofern es dabei um eine Verbesserung des Marktzugangs gehe.

Nach Ansicht der französischen Regierung ist außerdem das Rahmenabkommen untrennbarer Bestandteil der Ergebnisse der Uruguay-Runde. Die Unterschrift des Mitglieds der Europäischen Kommission stelle nicht die Unterzeichnung eines Abkommens im Sinne des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge, sondern eine bloße Paraphierung oder Unterzeichnung einer Niederschrift über Verhandlungen dar.

Die französische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs räumen ein, daß das Rahmenabkommen am 7. März 1994 nicht unter den Verpflichtungen der Gemeinschaft aufgeführt gewesen sei. Am 15. April 1994, dem Tag, an dem der Rat den Beschluß, die Schlußakte zu unterzeichnen, einstimmig bestätigt habe, habe „Schedule LXXX“ aber auch den Inhalt des Rahmenabkommens umfaßt. Entgegen der Auffassung der deutschen Regierung seien sämtliche mit „Rahmenabkommen über Bananen“ überschriebene Ergebnisse der Verhandlungen in die Liste der Verpflichtungen der Gemeinschaft übernommen worden.

Der Rat und die Kommission verweisen ferner darauf, daß das Rahmenabkommen Bestandteil der Ergebnisse der Uruguay-Runde sei. Mit der Eingliederung der Bestimmungen des Rahmenabkommens in „Schedule LXXX“ werde keineswegs ein unabhängiges Abkommen deklaratorisch wiedergegeben, sondern würden die Verpflichtungen der Gemeinschaft festgelegt. Wie sich aus dem Protokoll der Tagung des Rates vom 7. März 1994 ergebe, habe dieser die Ermächtigung zur Unterzeichnung der Schlußakte erteilt, obwohl ihm bekannt gewesen sei, daß es sich bei den Rechtstexten, die zum damaligen Zeitpunkt vorgelegen hätten, noch nicht um endgültige Texte gehandelt habe und daß noch weitere Verhandlungen, insbesondere hinsichtlich der Verpflichtungen der Gemeinschaft, erforderlich seien. Aus diesem Grund seien Sitzungen des Besonderen Ausschusses nach Artikel 113 des Vertrages am 11. und am 14. April 1994 einberufen worden. Auf seiner Tagung vom 15. April 1994 habe der Rat seinen Beschluß über die Unterzeichnung sämtlicher Ergebnisse der Uruguay-Runde in der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Fassung, einschließlich des einen Bestandteil des „Schedule LXXX“ darstellenden Rahmenabkommens, implizit einstimmig bestätigt. Die von einigen nationalen Delegationen zu Protokoll gegebenen Erklärungen könnten der Rechtmäßigkeit der Unterzeichnung der Schlußakte durch den Rat am 15. April 1994 nicht entgegenstehen.

e) Zur Vereinbarkeit des Rahmenabkommens mit dem Vertrag

Die spanische und die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission und der Rat verweisen darauf, daß die von der deutschen Regierung vorgetragenen Beanstandungen weitgehend denen entsprächen, die der Gerichtshof im genannten Urteil Deutschland/Rat zurückgewiesen habe.

Die Ausfuhrlizenzregelung solle es den Ausfuhrstaaten ermöglichen, ihre Marktanteile in der Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. Daß die Marktbeteiligten der Gruppe B dieser Regelung nicht unterworfen seien, erkläre sich daraus, daß sich diese Importeure von Gemeinschaftsbananen und traditionellen AKP-Bananen in einer anderen Lage befänden als die herkömmlichen Importeure von Drittlandsbananen.


Stellungnahme des Gerichtshofes

1

Die einzelnen Etappen des vorliegenden Verfahrens ergeben sich wie folgt aus dem Bericht zum Gutachtenantrag.

2

Das Vereinbarte Ergebnis der Verhandlungen zwischen Kolumbien, Costa Rica, Nikaragua, Venezuela und der Europäischen Gemeinschaft über das EG-Einfuhrregime für Bananen, dem das Rahmenabkommen über Bananen als Anhang beigefügt ist, wurde am 28. und 29. März 1994 vom Kommissionsmitglied für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und vom Botschafter der Republik Kolumbien unterzeichnet.

3

Der Antrag auf Gutachten ist von der Bundesrepublik Deutschland am 25. Juli 1994 eingereicht worden.

4

Wie sich aus dem im Bericht zum Gutachtenantrag dargestellten Sachverhalt ergibt, wurden die Nummern 1 und 7 des Rahmenabkommens, die die Festlegung eines Einfuhrzollkontingents betreffen, in „Schedule LXXX“ eingegliedert, der die von der Gemeinschaft im Rahmen der Verhandlungen der Uruguay-Runde vorgeschlagenen Zollzugeständnisse enthält. Das Rahmenabkommen ist in einem Anhang zu diesem „Schedule LXXX“ wiedergegeben.

5

Am 15. April 1994 beschloß der Rat trotz der von einigen Mitgliedstaaten geäußerten Bedenken hinsichtlich der Einbeziehung des Rahmenabkommens in die Vorschläge der Gemeinschaft, die Schlußakte der Uruguay-Runde zu unterzeichnen.

6

Am 22. Dezember 1994 erließ der Rat den Beschluß 94/800/EG über den Abschluß der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986—1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche.

7

Die Übereinkünfte der Uruguay-Runde sind einschließlich der Anhänge mit den Verpflichtungen der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Einfuhr von Bananen am 1. Januar 1995 in Kraft getreten.

8

Aus der Eingliederung des Rahmenabkommens in einen Anhang zum „Schedule LXXX“ der Schlußakte folgt, daß das Rahmenabkommen rechtlich Bestandteil der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde ist und daß es zusammen mit diesen Übereinkünften nach der Befassung des Gerichtshofes mit dem vorliegenden Antrag auf Gutachten geschlossen worden ist.

9

Bei der Prüfung, ob der Gerichtshof unter diesen Umständen über den Gutachtenantrag, mit dem er befaßt worden ist, zu entscheiden hat, sind die Bestimmungen und der Zweck des Artikels 228 Absatz 6 EG-Vertrag zu untersuchen.

10

Nach Artikel 228 Absatz 6 kann der Rat, die Kommission oder ein Mitgliedstaat ein Gutachten des Gerichtshofes über die Vereinbarkeit eines geplanten Abkommens mit diesem Vertrag einholen.

11

Aus dem Wortlaut von Satz 1 dieser Bestimmung ergibt sich nicht eindeutig, ob es genügt, daß das Abkommen zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags geplant war, oder ob es sich zu dem Zeitpunkt, zu dem der Gerichtshof sein Gutachten abgibt, noch immer im Planungsstadium befinden muß.

12

Nach Artikel 228 Absatz 6 Satz 2 kann jedoch ein Abkommen, wenn das Gutachten ablehnend ist, nur nach Maßgabe des Artikels N des Vertrages über die Europäische Union in Kraft treten, der Änderungen des Vertrages betrifft.

13

Die Annahme, daß sich der Gerichtshof zur Vereinbarkeit eines bereits geschlossenen Abkommens mit dem Vertrag zu äußern hat, liefe daher der inneren Logik des Artikels 228 Absatz 6 zuwider, da ein ablehnendes Gutachten nicht die Rechtswirkungen hätte, die diese Bestimmung vorsieht.

14

Wie der Gerichtshof in seinem Gutachten 1/94 vom 15. November 1994 (Slg. 1994, I-5267) ausgeführt hat, kann er jederzeit um gutachtliche Stellungnahme nach Artikel 228 Absatz 6 EG-Vertrag ersucht werden, bevor der Wille der Gemeinschaft, durch das Abkommen gebunden zu sein, endgültig zum Ausdruck gebracht worden ist. Solange dies nicht der Fall ist, bleibt das Abkommen, wie der Gerichtshof in Randnummer 12 weiter ausgeführt hat, ein geplantes Abkommen.

15

Diese Beurteilung entspricht auch dem Zweck des Gutachtenverfahrens.

16

Artikel 228 Absatz 6 des Vertrages will, wie der Gerichtshof im Gutachten 1/75 vom 11. November 1975 (Slg. 1975, 1355) hervorgehoben hat, Verwicklungen vermeiden, die entstehen könnten, wenn die Vereinbarkeit von völkerrechtlichen Abkommen, die die Gemeinschaft verpflichten, mit dem Vertrag vor einem Gericht bestritten würde.

17

Darüber hinaus hat der Gerichtshof in diesem Gutachten ausgeführt, daß eine Gerichtsentscheidung, die ein Abkommen wegen seines Inhalts oder der Form seines Zustandekommens für mit dem Vertrag unvereinbar erklären würde, nicht nur auf Gemeinschaftsebene, sondern auch auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen zu ernsten Schwierigkeiten führen müßte und möglicherweise für alle betroffenen Parteien, auch für die Drittstaaten, Nachteile mit sich bringen würde.

18

Um derartige Verwicklungen zu vermeiden, sieht der Vertrag das außergewöhnliche Verfahren einer vorherigen Anrufung des Gerichtshofes vor, damit vor Abschluß des Abkommens geklärt wird, ob dieses mit dem Vertrag vereinbar ist.

19

Dieser Präventivzweck des Artikels 228 Absatz 6 des Vertrages kann aber dann nicht mehr erreicht werden, wenn der Gerichtshof sich zu einem bereits geschlossenen Abkommen äußert.

20

Dieser Auslegung kann nicht entgegengehalten werden, sie stelle letztlich den Rechtsschutz des Organs oder des Mitgliedstaats in Frage, das oder der das Gutachten zu einem Zeitpunkt beantragt hat, zu dem das Abkommen noch nicht geschlossen war.

21

Das Verfahren des Artikels 228 Absatz 6 des Vertrages soll nämlich, wie bereits dargelegt, in erster Linie den Schwierigkeiten vorbeugen, die sich aus der Unvereinbarkeit von völkerrechtlichen Abkommen, die die Gemeinschaft verpflichten, mit dem Vertrag ergeben, und nicht die Interessen und Rechte des Mitgliedstaats oder des Gemeinschaftsorgans schützen, der oder das den Gutachtenantrag gestellt hat.

22

Jedenfalls verfügt der Mitgliedstaat oder das Gemeinschaftsorgan, der oder das den Gutachtenantrag gestellt hat, über den Rechtsbehelf der Nichtigkeitsklage gegen den Beschluß des Rates, das Abkommen zu schließen, und über die Möglichkeit, anläßlich dieser Klage den Erlaß einstweiliger Anordnungen zu beantragen.

23 

Nach alledem ist der Antrag auf Gutachten gegenstandslos geworden, da das in die Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986—1994) eingegliederte Rahmenabkommen über Bananen zusammen mit diesen Übereinkünften nach der Anrufung des Gerichtshofes geschlossen worden ist; der Antrag auf Abgabe eines Gutachtens hat sich somit erledigt.

Abschließend stellt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten C. N. Kakouris, D. A. O. Edward und G. Hirsch, der Richter G. F. Mancini, F. A. Schockweiler (Berichterstatter), J. C. Moitinho de Almeida, P. J. G. Kapteyn, C. Gulmann, J. L. Murray, P. Jann, H. Ragnemalm und L. Sevón,

nach Anhörung des Ersten Generalanwalts G. Tesauro sowie der Generalanwälte C. O. Lenz, F. G. Jacobs, A. M. La Pergola, G. Cosmas, P. Léger, M. B. Elmer, N. Fennelly und D. Ruiz-Jarabo Colomer,

fest:

Der Antrag auf Abgabe eines Gutachtens hat sich erledigt.

Rodríguez Iglesias

Kakouris

Edward

Hirsch

Mancini

chockweiler

Moitinho de Almeida

Kapteyn

Gulmann

Murray

Jann

Ragnemalm

Sevón

Luxemburg, den 13. Dezember 1995

Der Kanzler

R. Grass

Der Präsident

G. C. Rodríguez Iglesias