61992C0128

Schlussanträge des Generalanwalts Van Gerven vom 27. Oktober 1993. - H. J. BANKS & CO. LTD GEGEN BRITISH COAL CORPORATION. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HIGH COURT OF JUSTICE, QUEEN'S BENCH DIVISION - VEREINIGTES KOENIGREICH. - EGKS-VERTRAG - LIZENZEN FUER DEN ABBAU VON ROHKOHLE - ANWENDUNG DER ARTIKEL 4 BUCHSTABE D, 65 UND 66 § 7 EGKS-VERTRAG - UNMITTELBARE WIRKUNG - AUSSCHLUSS - ERSATZ DES DURCH VERLETZUNG DIESER BESTIMMUNGEN ENTSTANDENEN SCHADENS - VERTEILUNG DER ZUSTAENDIGKEITEN ZWISCHEN DER KOMMISSION UND DEN NATIONALEN GERICHTEN. - RECHTSSACHE C-128/92.

Sammlung der Rechtsprechung 1994 Seite I-01209


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. Der High Court of Justice von England und Wales, Queen' s Bench Division, Commercial Court, legt Ihnen in der vorliegenden Rechtssache nach den Artikeln 41 EGKS-Vertrag und 177 EWG-Vertrag einige Fragen nach der Auslegung von Wettbewerbsbestimmungen des EGKS- und des EWG-Vertrags vor. Die Vorlage erfolgt in einem Verfahren, in dem die H. J. Banks & Company Ltd (im folgenden: Klägerin) Schadensersatz von der British Coal Corporation (im folgenden: Beklagte) verlangt und dabei geltend macht, daß Bestimmungen des EGKS- bzw. des EWG-Vertrags verletzt worden seien.

Um die Vorlagefragen sachgemäß prüfen zu können, halte ich es für erforderlich, zunächst den ziemlich komplexen Hintergrund des Rechtsstreits zu umreissen.

I - Hintergrund

2. Die Klägerin ist ein privates Unternehmen, das Kohle (unter anderem) im Tagebau fördert, und zwar aufgrund von Lizenzen, die sie von der Beklagten erhalten hat. Die Beklagte ist eine durch Gesetz errichtete Gesellschaft, die vollständig im Eigentum der britischen Regierung steht und nach dem Coal Industry Nationalisation Act 1946 (im folgenden: CINA 1946) über das Aneignungsrecht an dem weit überwiegenden Teil der Rohkohle in Großbritannien verfügt(1). Ihr obliegt die gesetzliche Verpflichtung, Kohle in Großbritannien zu fördern und abzubauen, wobei (soweit im CINA 1946 nichts anderes bestimmt ist) alle anderen Personen ausgeschlossen sind(2). Sie hat auch eine wirksame Entwicklung des Kohlebergbaus sicherzustellen(3). Nach dem CINA 1946 kann die Beklagte Lizenzen für den Abbau von Kohle durch Dritte ohne Bedingungen oder unter Bedingungen vergeben(4). Üblicherweise vergab sie Lizenzen auf einer der beiden folgenden Grundlagen: a) eine Lizenz auf der Grundlage einer Lizenzgebühr (Royalty Licence), wobei der Lizenznehmer eine Lizenzgebühr je produzierter Tonne Kohle entrichtet und die Kohle ohne jede Einschränkung verkaufen darf; b) eine Lizenz auf gebührenfreier Basis (Delivered Licence), wobei der Lizenznehmer nach dem Lizenzvertrag verpflichtet ist, die Kohle zu einem bestimmten Preis an die Beklagte zu verkaufen und sie ihr zu liefern. Lizenzen der zuletzt genannten Art werden heute von der Beklagten nicht mehr erteilt(5).

Der wichtigste Abnehmer von Kohle im Vereinigten Königreich sind die Elektrizitätsversorgungsunternehmen (Electricity Supply Industry, im folgenden: ESI). Dieser Sektor wurde mit Wirkung vom 1. April 1990 privatisiert. Seitdem sind die wichtigsten Elektrizitätsversorgungsunternehmen und somit Kohleabnehmer in England und Wales die National Power Plc und die PowerGen Plc (im folgenden: NP und PG). Kurz vor der Privatisierung 1989/90 handelte die Beklagte mit den zuletzt genannten Unternehmen Verträge über die Lieferung von Kohle (im folgenden: die Kohlelieferungsverträge) aus, in denen die Beklagte für einige Jahre (vom 1. April 1990 bis 31. März 1993) den Verkauf bestimmter Mengen Kohle zu Festpreisen garantierte.

3. Diese Kohlelieferungsverträge führten dazu, daß bei der Kommission eine Beschwerde eingelegt und im folgenden beim Gericht erster Instanz eine Klage erhoben wurde, die in vielfacher Hinsicht mit der Problematik des Ausgangsverfahrens verwandt sind. Am 28. März 1990 legten nämlich die National Association of Licensed Opencast Operators (im folgenden NALOO), deren Mitglied die Klägerin ist, und die Federation of Small Mines of Great Britain (im folgenden FSMGB), bei der Kommission offiziell Beschwerde ein(6). In dieser Beschwerde führten sie aus: i) die Beklagte habe ihre beherrschende Stellung als Lieferant von für die Elektrizitätsherstellung bestimmter Kohle dadurch mißbraucht, daß sie in den Kohlelieferungsverträgen günstige Bedingungen (insbesondere in bezug auf Menge und Preis) für sich selbst mit nachteiligen Folgen für ihre Mitbewerber, nämlich die kleinen auf Lizenzbasis tätigen Kohleerzeuger, ausbedungen habe (Verstoß gegen Artikel 66 § 7 EGKS-Vertrag); ii) die betroffenen Elektrizitätsversorgungsunternehmen NP und PG hätten ihre beherrschende Stellung dadurch mißbraucht, daß sie die Mitglieder der klagenden Vereinigungen beim Ankauf von Kohlen gegenüber der Beklagten diskriminiert hätten (Verstoß gegen Artikel 86 EWG-Vertrag), und iii) die Vereinbarungen, aufgrund deren die Beklagte Dritten eine Lizenz zum Kohleabbau erteilt habe, und insbesondere die Höhe der hierfür zu entrichteten Gebühren verstießen gegen die Artikel 60 und 65 EGKS-Vertrag, und, soweit die zuletzt genannte Bestimmung nicht anwendbar sei, gegen Artikel 85 EWG-Vertrag.

Im Oktober/November 1990 unterbreitete die Beklagte zusammen mit der ESI und der britischen Regierung der NALOO und der FSMGB ein Angebot zur Beilegung des Rechtsstreits. Dieses Angebot bestand unter anderem darin, daß die Beklagte die aufgrund der Royalty Licenses zu entrichtenden Gebühren auf 5,50 UKL für die ersten 50 000 t und auf 6,0 UKL für jede folgende Tonne ermässigen wollte. Die NALOO und die FSMGB lehnten beide dieses Angebot ab; trotzdem ermässigte die Beklagte die Gebühren rückwirkend vom 1. April 1990.

Am 23. Mai 1991 erließ die Kommission eine Entscheidung(7). In dieser Entscheidung heisst es ausdrücklich, daß nur die Situation in England und Wales untersucht worden sei, die nach dem Inkrafttreten der Kohlelieferungsverträge zwischen der Beklagten einerseits und NP und PG andererseits am 1. April 1990 entstanden sei(8). In der Entscheidung gelangt die Kommission zu dem Ergebnis, i) daß die Artikel 60 und 65 EGKS-Vertrag nicht anwendbar seien und die darauf gestützten Teile der Beschwerde deshalb zurückzuweisen seien(9); Artikel 60 gelte nur für die Preispraktiken von Verkäufern und sei nicht auf die Erhebung einer Gebühr bei der Förderung anwendbar(10), während Artikel 65 auf die Kohlelieferungsverträge zwischen den Beklagten und NP sowie PG nicht anwendbar sei, da die beiden zuletzt genannten Unternehmen keine Unternehmen im Sinne von Artikel 80 EGKS-Vertrag seien(11); ii) die Beschwerde sei in bezug auf die Artikel 63 und 66 § 7 EGKS-Vertrag sowie 85 und 86 EWG-Vertrag insoweit begründet, als sie sich auf die Situation nach dem 1. April 1990, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kohlelieferungsverträge, beziehe(12); iii) da das Angebot der britischen Regierung vom Oktober 1990 in bezug auf die Kaufvertragsbedingungen entsprechend der Entscheidung durch NP und PG in Verträge umgesetzt worden sei, würden die lizenzierten Kohleförderer nicht mehr gegenüber der Beklagten diskriminiert, und die Beschwerde sei, soweit sie auf die Artikel 63 und 66 § 7 EGKS-Vertrag sowie 85 und 86 EWG-Vertrag gestützt werde, nicht mehr begründet und deshalb zurückzuweisen(13); und schließlich iv) in bezug auf die Beschwerde, die in bezug auf die von der Beklagten verlangten Gebühren auf Artikel 66 § 7 EGKS-Vetrag gestützt werde, daß die von der britischen Regierung am 24. Oktober 1990 vorgeschlagenen und im folgenden von der Beklagten rückwirkend vom 1. April 1990 eingeführten Gebührentarife nicht unangemessen hoch seien, so daß auch dieser Teil der Beschwerde nicht mehr begründet und deshalb zurückzuweisen sei.

4. Am 9. Juli 1991 erhob die NALOO beim Gericht erster Instanz Klage gemäß Artikel 33 EGKS-Vertrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung, soweit sich diese auf ihre Beschwerde in bezug auf die Höhe der aufgrund der Royalty-Licenses bezahlten Gebühren und der von der Beklagten aufgrund der Delivered Licenses entrichteten Beträge bezieht. Die Klage erhielt das Aktenzeichen T-57/91 und ist zur Zeit bei der Zweiten Kammer des Gerichts anhängig. In ihrer Klageschrift macht die NALOO unter anderem geltend, daß die Kommission die von ihr vorgetragenen Tatsachen und erheblichen Beweismittel nicht oder unzureichend berücksichtigt und den EGKS-Vertrag nicht richtig angewandt habe. Zugleich beantragt die NALOO, die Kommission zu verurteilen, die Untersuchung in bezug auf die Höhe der aufgrund der Royalty-Licenses zu entrichtenden Gebühren und der aufgrund der Delivered Licenses bezahlten Kohlepreise wieder zu eröffnen. Die Beklagte wurde vom Gericht am 30. Januar 1992 als Streithelferin im Verfahren im ersten Rechtszug zugelassen. Mit Beschluß vom 14. Juli 1993 hat der Präsident des Gerichts gemäß Artikel 47 Absatz 3 der EGKS-Satzung des Gerichtshofes das Verfahren im ersten Rechtszug bis zum Erlaß des Urteils des Gerichtshofes in der vorliegenden Rechtssache ausgesetzt.

5. Nach der Entscheidung der Kommission erhoben verschiedene lizenzierte Kohleproduzenten, zu denen die Klägerin gehört, beim vorlegenden Gericht Klage auf Schadensersatz gegen die Beklagte. Ihre Ansprüche werden auf einen Verstoß gegen die Artikel 4 Buchstabe d, 60, 65 und 66 § 7 EGKS-Vertrag gestützt. Die Klägerin macht im Ausgangsverfahren unter anderem geltend, daß die Beklagte in bezug auf die Höhe der Gebühren, die an sie aufgrund von Royalty-Licenses entrichtet worden seien, und in bezug auf die Kaufpreise, die aufgrund der Delivered-Licenses an sie gezahlt worden seien, gegen die genannten Bestimmungen verstossen habe. Die von der Beklagten in den Royalty-Licenses festgelegten Beträge seien übertrieben hoch und hätten die Klägerin daran gehindert, angemessene Gewinne zu erzielen, während die von der Beklagten aufgrund der Delivered Licenses gezahlten Beträge für gelieferte Kohle unangemessen niedrig seien. Da die genannten Artikel des EGKS-Vertrag unmittelbare Wirkung entfalteten, könne die Klägerin aus ihnen Rechte herleiten, die das vorlegende Gericht durch Zubilligung von Schadensersatz schützen müsse. Falls die Auffassung der Beklagten richtig sei, daß der EGKS-Vertrag auf den Abbau von Rohkohle oder die hierfür erteilten Lizenzen nicht anwendbar sei, fänden die Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag Anwendung. Die Schadensersatzforderung der Klägerin beziehe sich auf die Zeit von 1986 bis 1991.

Die Beklagte trägt vor dem vorlegenden Gericht in erster Linie vor: i) der EGKS-Vertrag sei auf den vorliegenden Problemkreis nicht anwendbar; ii) ihr Verhalten stelle keinen Verstoß gegen die Artikel 4 Buchstabe d, 60, 65 oder 66 § 7 EGKS-Vertrag dar; iii) die genannten Artikel entfalteten im britischen Recht keine unmittelbare Wirkung und ließen keine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen entstehen, zu der Entscheidung, ob gegen diese Bestimmungen verstossen worden sei, sei zumindest in erster Instanz ausschließlich die Kommission befugt, und iv), wenn die genannten Artikel unmittelbare Wirkung entfalteten, könne dies nur aufgrund einer Entscheidung der Kommission und/oder nach Abschluß aller in diesen Artikeln genannten Verfahren und/oder Ausschöpfung aller der Klägerin nach dem EGKS-Vertrag zustehenden Rechtsbehelfe der Fall sein.

6. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, daß angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falls eine Vorlage in einem frühen Stadium des Verfahrens der beste Weg zur Klärung der erheblichen Fragen des materiellen Rechts und des Verfahrens sei, um Kosten und Zeit zu sparen. Es legt dem Gerichtshof folgende Fragen vor:

1) Sind die Artikel 4 Buchstabe d, 60, 65 und/oder 66 § 7 EGKS-Vertrag auf Lizenzen für den Abbau anstehender Rohkohle und die damit verbundenen Gebühren und Zahlungsbedingungen anwendbar?

2) Falls die Antwort auf die erste Frage lautet, daß diese Bestimmungen keine Anwendung finden:

i) Sind die Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag auf den in der ersten Frage genannten Sachverhalt anwendbar?

ii) Wird die Aufwort auf i durch Artikel 232 Absatz 1 EWG-Vertrag beeinflusst?

3) Haben die Artikel 4 Buchstabe d, 60, 65 und/oder 66 § 7 EGKS-Vertrag unmittelbare Wirkung und lassen sie vom einzelnen durchsetzbare Rechte entstehen, die von den nationalen Gerichten geschützt werden müssen?

4) Ist das nationale Gericht nach Gemeinschaftsrecht befugt und/oder verpflichtet, bei Verstössen gegen die genannten Artikel des EGKS- und des EWG-Vertrags Ersatz für die aufgrund dieser Verstösse entstandenen Schäden zuzusprechen?

5) Inwieweit hängen die Antworten auf die dritte und die vierte Frage ab von

i) einer vorherigen Feststellung durch die Kommission und/oder

ii) der Ausschöpfung etwaiger Rechtsbehelfe hiergegen nach dem EGKS-Vertrag und/oder

iii) der Durchführung der in den einschlägigen Vorschriften geregelten Schritte oder Verfahren?

6) Wenn die Kommission wie mit der Entscheidung vom 23. Mai 1991 über eine Beschwerde entschieden hat, inwieweit ist dann ein nationales Gericht durch diese Entscheidung gebunden

i) im Hinblick auf die von der Kommission getroffenen Tatsachenfeststellungen und

ii) im Hinblick auf die von der Kommission vorgenommene Auslegung von Artikeln des EGKS-Vertrags?

II - Anwendbarkeit des EGKS-Vertrags oder des EWG-Vertrags?

7. Das erste Problem, vor das sich der Gerichtshof gestellt sieht, ist, ob der Abbau von Rohkohle grundsätzlich in den Anwendungsbereich des EGKS-Vertrags oder in denjenigen des EWG-Vertrags fällt und ob infolgedessen die Artikel 4 Buchstabe d, 60, 65 und 66 § 7 EGKS-Vertrag oder 85 und 86 EWG-Vertrag auf Lizenzen für den Abbau solcher Kohle und auf die Bedingungen für Gebühren und Zahlungen in diesen Lizenzen anwendbar sind. Bevor ich prüfe, ob die genannten Bestimmungen auf den vorliegenden Fall anwendbar sind (nachstehend Nrn. 10 ff.), werde ich zunächst auf die Frage nach der grundsätzlichen Anwendbarkeit des EGKS-Vertrags auf die Erzeugnisse eingehen, um die es im Ausgangsverfahren geht, und auf die damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten und Geschäfte.

8. Die Antwort auf die erste Frage findet sich in Artikel 232 Absatz 1 EWG-Vertrag. Dieser lautet:

"Dieser Vertrag ändert nicht die Bestimmungen des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, insbesondere hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten, der Befugnisse der Organe dieser Gemeinschaft und der Vorschriften des genannten Vertrags für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl."

Durch den Erlaß dieser Bestimmung wollten die Urheber des EWG-Vertrags eindeutig Konflikte im Zusammenhang mit der Abgrenzung des Anwendungsbereichs des EWG-Vertrags gegenüber demjenigen des EGKS-Vertrags vermeiden(14). Im Kern läuft Artikel 232 Absatz 1 auf eine Bestätigung des Grundsatzes "lex specialis derogat legi generali" hinaus(15). Wie der Gerichtshof in seinem Urteil Gerlach entschieden hat, ergibt sich aus dieser Bestimmung,

"daß die Bestimmungen des EGKS-Vertrags und alle zu seiner Durchführung erlassenen Bestimmungen trotz des Inkrafttretens des EWG-Vertrags in Kraft bleiben"(16).

Umgekehrt ergibt sich aus der genannten Bestimmung ebenso, daß, soweit bestimmte Angelegenheiten nicht durch den EGKS-Vertrag oder dessen Durchführungsbestimmungen geregelt sind, die EWG-Vertrags- oder Durchführungsvorschriften sehr wohl Anwendung finden können, auch wenn es um Erzeugnisse geht, die grundsätzlich in den Anwendungsbereich des EGKS-Vertrags fallen. Im Urteil Deutsche Babcock hat der Gerichtshof bestätigt, daß Artikel 232 Absatz 1 auch diese zweite Aufgabe erfuellt:

"Bereits nach ihrem Wortlaut ist diese Bestimmung dahin auszulegen, daß insoweit, als Fragen nicht Gegenstand von Bestimmungen des EGKS-Vertrags oder der auf seiner Grundlage erlassenen Regelungen sind, der EWG-Vertrag und die zu seiner Durchführung ergangenen Vorschriften auf Erzeugnisse anwendbar sein können, die unter den EGKS-Vertrag fallen."(17)

Lassen Sie mich dem sogleich hinzufügen, daß der EGKS-Vertrag auf einem Gebiet wie dem Wettbewerbsrecht viele Sonderregeln enthält - von denen im folgenden einige zum Tragen kommen -, so daß in Fällen, in denen wettbewerbsrechtliche Probleme im Mittelpunkt stehen, die Frage einer subsidiären Anwendung von Bestimmungen des EWG-Vertrags sehr an Bedeutung verliert(18).

9. Dies ist auch hier der Fall: Meines Erachtens fallen Lizenzen für den Abbau anstehender Rohkohle und die in diesen Lizenzen enthaltenen Bedingungen für Royalty oder Verkaufspreise sehr wohl in den Anwendungsbereich des EGKS-Vertrags. Artikel 80 EGKS-Vertrag lässt nämlich keinen Zweifel daran bestehen, daß beide Parteien des Ausgangsverfahrens, die Klägerin und die Beklagte, Unternehmen sind, auf die der EGKS-Vertrag Anwendung findet: "Unternehmen im Sinne dieses Vertrags sind diejenigen Unternehmen, die innerhalb der in Artikel 79 Absatz 1 genannten Gebiete eine Produktionstätigkeit auf dem Gebiet von Kohle und Stahl ausüben ..."(19) Nach dem Urteil Vlöberghs ist die Förderung (oder der Abbau) von Kohle selbstverständlich als "Produktionstätigkeit auf dem Gebiet von Kohle" im Sinne der genannten Definition zu betrachten, und zwar ungeachtet dessen, ob diese Tätigkeit in der Nomenklatur der Anlage I zum EGKS-Vertrag aufgeführt ist oder nicht. Der Gerichtshof hat in diesem Urteil nämlich in bezug auf den Unternehmensbegriff von Artikel 80 entschieden:

"Ausser der eigentlichen Förderung sieht der Vertrag nur diejenigen Vorgänge als Produktion an, denen er diese Eigenschaft ausdrücklich beilegt. Für die Feststellung, ob eine bestimmte Tätigkeit 'Produktion' ist, muß auf die Nomenklatur der Anlage I des Vertrages zurückgegriffen werden."(20)

Der Abbau oder die Förderung von Kohle gehört daher zweifellos zu den "Produktionstätigkeiten" im Sinne von Artikel 80 EGKS-Vertrag(21), vorausgesetzt natürlich, daß es sich um "Brennstoffe" im Sinne von Anlage I zum EGKS-Vertrag handelt. Letzteres ist allerdings unbezweifelbar, zumal diese Anlage, in der die Begriffe "Kohle" und "Stahl" für die Zwecke der Anwendung des EGKS-Vertrags bestimmt werden (siehe Artikel 81 EGKS-Vertrag), an erster Stelle unter der Kennzahl 3100 Steinkohle aufführt, die Art von Kohle, die in Großbritannien gefördert wird. Das Argument der britischen Regierung, daß Rohkohle nicht als Erzeugnis dieser Art angesehen werden könne, da diese von der Definition her nicht für Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten in Betracht komme und es daher für sie keinen Markt in der Gemeinschaft geben könne, vermag hieran nichts zu ändern. In dem Urteil Société des Fonderies de Pont-à-Mousson hat der Gerichtshof nämlich unmißverständlich zu erkennen gegeben, daß die Begriffe "Produktion" und "Erzeugnis" im Sinne von Artikel 80 EGKS-Vertrag und Anlage I Nr. 1 zu diesem Vertrag nicht auf die Herstellung von solchen Gütern beschränkt sind, die für den Markt bestimmt sind(22). Von der Systematik von Anlage I zum EGKS-Vertrag - die insbesondere in dem Abschnitt Eisenindustrie eine beträchtliche Anzahl Erzeugnisse aufführt, die häufig zu technisch andersartigen Erzeugnissen verarbeitet werden - hat der Gerichtshof in diesem Urteil abgeleitet, daß auch "ein reines Zwischenprodukt, das in gewissem Sinne sogar als kurzlebig bezeichnet werden kann", dem EGKS-Vertrag unterliegt(23). Auch Rohsteinkohle, die für ihre Vermarktung sortiert und gegebenenfalls gewaschen werden muß (und die in diesem Sinne kurzlebig ist), ist somit ein Erzeugnis im Sinne von Anlage I zum EGKS-Vertrag. Übrigens räumt die britische Regierung etwas später in ihren schriftlichen Erklärungen selbst ein, daß die Voraussetzungen, unter denen Lizenzen für den Abbau von Rohkohle vergeben werden können, in bestimmten Fällen den Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten mit der betreffenden Kohle oder den betreffenden Kohleerzeugnissen beeinflussen können(24).

III - Welche Artikel des EGKS-Vertrags finden im vorliegenden Fall Anwendung?

10. Das vorlegende Gericht führt in seiner Frage vier Bestimmungen des EGKS-Vertrags an, nämlich die Artikel 4 Buchstabe d, 60, 65 und 66 § 7; es fragt, welche dieser Bestimmungen auf Lizenzen für den Abbau von Rohkohle und die Bedingungen in bezug auf Gebühren und Zahlungen in diesen Lizenzen anwendbar sind. Ich behandele in numerischer Reihenfolge jede einzelne dieser Bestimmungen und die Argumente, die für ihre Anwendbarkeit bzw. Nichtanwendbarkeit vorgetragen werden.

A - Artikel 4 EGKS-Vertrag

11. Die in Rede stehenden Bestimmungen des Artikels 4 lauten:

"Als unvereinbar mit dem gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl werden innerhalb der Gemeinschaft gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags aufgehoben und untersagt:

...

b) Maßnahmen oder Praktiken, die eine Diskriminierung zwischen Erzeugern oder Käufern oder Verbrauchern herbeiführen, insbesondere hinsichtlich der Preis- und Lieferbedingungen und der Beförderungstarife, sowie Maßnahmen oder Praktiken, die den Käufer an der freien Wahl seines Lieferanten hindern;

...

d) einschränkende Praktiken, die auf eine Aufteilung oder Ausbeutung der Märkte abzielen."

Über die Anwendbarkeit dieses Vertragsartikels auf die vorliegende Rechtssache gehen die Standpunkte weit auseinander. Nach Ansicht der Klägerin fallen diskriminierende und beschränkende Praktiken bei der Kohleerzeugung einschließlich der Erteilung von Lizenzen für den Abbau von Kohle unter die genannten Bestimmungen. Die Beklagte und die britische Regierung vertreten hingegen die Ansicht, daß Artikel 4 Buchstabe d nicht allein, sondern nur in Verbindung mit den übrigen Artikeln des EGKS-Vertrags Anwendung finden könne, die in den Vorlagefragen angeführt würden. Auch der Standpunkt der Kommission geht in diese Richtung: Artikel 4 Buchstabe d EGKS-Vertrag sei im Zusammenhang mit den anderen Vertragsbestimmungen zu lesen und sei für sich nicht hinreichend genau und vollständig, um auf die Lizenzen angewandt zu werden, um die es hier gehe.

12. Was ist hiervon zu halten? Am grundlegenden Charakter von Artikel 4 im Rahmen des EGKS-Vertrags ist inzwischen kein Zweifel mehr möglich. Dies ergibt sich bereits aus Artikel 2 EGKS-Vertrag, der hier die Verwirklichung der Ziele des EGKS-Vertrags von der Einrichtung "eines Gemeinsamen Marktes, wie er in Artikel 4 näher bestimmt ist", abhängig macht(25). Der Gerichtshof hat schon in seinen allerersten Urteilen in den Rechtssachen 1/54 und 2/54 diesen grundlegenden Charakter von Artikel 4 (ebenso der Artikel 2 und 3) EGKS-Vertrag betont. Es handelt sich um "grundsätzliche Bestimmungen ..., die den Begriff des Gemeinsamen Marktes und die Ziele der Gemeinschaft festlegen"(26).

Daneben enthält die Rechtsprechung des Gerichtshofes zahlreiche Anknüpfungspunkte für die Beantwortung der Frage, ob Artikel 4 EGKS-Vertrag allein angewandt werden kann oder nur - wie sich bei einer bestimmten Auslegung aus seinem Wortlaut ableiten lässt - "gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags".

13. Eine erste wichtige Entscheidung in diesem Zusammenhang ist das Urteil Groupement des Industries Sidérurgiques Luxembourgeoises. Obwohl der Gerichtshof eingeräumt hat, daß einige der in Artikel 4 aufgeführten Praktiken auch unter andere Bestimmungen des EGKS-Vertrags fallen, hat er, gestützt auf Artikel 84 EGKS-Vertrag, folgendes hervorgehoben(27):

"Die Bestimmungen in all diesen Vorschriften sind daher in gleicher Weise verbindlich, und es kann sich nicht darum handeln, sie zueinander in Gegensatz zu bringen, sondern nur darum, sie gleichzeitig ins Auge zu fassen, um sie sinnvoll anzuwenden."(28)

Nach dem Hinweis auf den grundlegenden Charakter von Artikel 4 (sowie der Artikel 2 und 3) im Rahmen des EGKS-Vertrags hat der Gerichtshof ausgeführt:

"Aus denselben Gründen sind die Bestimmungen von Artikel 4 selbständig und ohne weiteres anwendbar, wenn sie nicht in einem Teil des Vertrages näher bestimmt werden.

Werden hingegen die Bestimmungen von Artikel 4 in anderen Teilen des Vertrages genannt, näher bestimmt oder geregelt, so müssen die Texte, die sich auf ein und dieselbe Bestimmung beziehen, im ganzen betrachtet und gleichzeitig angewendet werden."(29)

Der Gerichtshof hat diese Auslegung von Artikel 4 EGKS-Vertrag wiederholt bestätigt. Dies geschah insbesondere in den Urteilen, die er am 21. und 26. Juni 1958 in den Verfahren über die Nichtigkeitsklagen von Unternehmen und Unternehmensverbänden gegen einige Bestimmungen der Entscheidung Nr. 2/57 der Hohen Behörde erlassen hat(30). In diesen Urteilen hat der Gerichtshof zudem ausdrücklich entschieden, daß Artikel 4 EGKS-Vertrag, weil er die grundlegenden Ziele der Gemeinschaft festlegt, "stets" zu berücksichtigen und "zwingender Natur" ist und daß seine Bestimmungen sich "selbst genügen" und "also, soweit sie nicht im Einzelfall in andere Bestimmungen des Vertrages Eingang gefunden haben, unmittelbar anzuwenden sind"(31).

14. Richtungweisend für die Frage nach dem Verhältnis zwischen Artikel 4 und anderen, spezielleren Bestimmunen des EGKS-Vertrags sind zudem das Urteil Geitling und die Stellungnahme 1/61. In der Rechtssache Geitling hat der Gerichtshof ausdrücklich die Ansicht zurückgewiesen, daß Artikel 65 EGKS-Vertrag als lex specialis die Anwendung von Artikel 4 Buchstabe b ausschließe:

"Die Artikel 4 Buchstabe b und 65 des Vertrages regeln, ein jeder für sein Anwendungsgebiet, verschiedene Aspekte des wirtschaftlichen Verhaltens.

Die beiden Artikel schließen sich weder aus noch heben sie sich auf, sondern sie dienen der Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft; sie ergänzen sich somit unter diesem Gesichtspunkt.

Im Einzelfall können sich ihre Bestimmungen auf einen Sachverhalt erstrecken, der ihre gleichzeitige und konkurrierende Anwendung rechtfertigt."(32)

Der Gerichtshof hat dann auch entschieden, daß die in Rede stehende Klausel einer zwischen Kohleerzeugern getroffenen Regelung für den Kohlenhandel nicht gemäß Artikel 65 § 2 genehmigungsfähig war und überdies eine Diskriminierung nach Artikel 4 Buchstabe b bedeuten konnte.

In der Stellungnahme 1/61 - bisher die einzige Äusserung des Gerichtshofes zu Artikel 4 Buchstabe d EGKS-Vertrag - untersucht der Gerichtshof u. a. die Vereinbarkeit eines Vorschlags der Hohen Behörde und des Besonderen Ministerrats zur Änderung des Artikels 65 EGKS-Vertrag mit Artikel 4 Buchstabe d. Zur Bedeutung von Artikel 4 Buchstabe d hat der Gerichtshof zunächst festgestellt:

"Dieses Verbot hat offensichtlich den Zweck, die Unternehmen daran zu hindern, mit Hilfe von einschränkenden Praktiken eine Stellung zu erlangen, die eine Aufteilung oder Ausbeutung der Märkte gestattet.

Dieses Verbot gilt in seiner ganzen Strenge und ist für die vom Vertrag geschaffene Wirtschaftsordnung kennzeichnend.

Artikel 65 enthält die Durchführungsbestimmungen für diesen Grundsatz. Sein Paragraph 1 legt die Tragweite des Verbots fest, indem er ganz allgemein sämtliche Kartelle untersagt, insbesondere aber diejenigen, die darauf abzielen, die Preise festzusetzen oder zu bestimmen, die Erzeugung einzuschränken oder zu kontrollieren usw. sowie die Märkte, Erzeugnisse, Abnehmer oder Versorgungsquellen aufzuteilen."(33)

Aus seiner Untersuchung des Grundes für die Ausnahme, die Artikel 65 § 2 Absatz 1 Buchstabe c EGKS-Vertrag von dem in Artikel 65 § 1 enthaltenen Verbot regelt, hat der Gerichtshof sodann abgeleitet, daß die zuerst genannte Bestimmung "ein objektives Tatbestandsmerkmal [enthält], das es gestattet, festzustellen, wann ein Kartell jedenfalls mit dem in Artikel 4 Buchstabe d ausgesprochenen Verbot unvereinbar wäre"(34). Die Möglichkeit von Ausnahmen von den in Artikel 65 § 2 Absatz 1 Buchstabe c aufgestellten Voraussetzungen, die der zur Stellungnahme unterbreitete Vorschlag vorsah, verstieß daher nach Ansicht des Gerichtshofes gegen das Verbot des Artikels 4 Buchstabe d.

15. Aus dieser Rechtsprechung leite ich in bezug auf die Stellung von Artikel 4 EGKS-Vertrag und sein Verhältnis zu anderen, spezielleren Vertragsbestimmungen folgendes ab. Erstens ist diese Bestimmung stets zu berücksichtigen, weil sie die grundlegenden Ziele der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl festlegt: Der Gerichtshof stellt ausdrücklich fest, daß alle diese Bestimmungen, somit auch Artikel 4, zwingender Natur sind. Sodann hat der Gerichtshof in bezug auf Artikel 4 unmißverständlich entschieden, daß der Artikel sich selbst genügt und daher, soweit er nicht im Einzelfall in andere Bestimmungen des Vertrages Eingang gefunden hat, unmittelbar anzuwenden ist. Mit anderen Worten, soweit Artikel 4 Situationen erfasst, die nicht in andere Bestimmungen des Vertrages Eingang gefunden haben, entfaltet er selbständige Wirkung. Schließlich gilt, daß, soweit die Vorschriften von Artikel 4 nicht in eine andere Bestimmung des EGKS-Vertrags Eingang gefunden haben, Artikel 4 keineswegs hinter solche Bestimmungen zurücktritt, sondern ebenso zwingend ist und in Verbindung, also zusammen mit den genannten Bestimmungen, zu sehen und anzuwenden ist. Mit anderen Worten spielt Artikel 4 auch im Hinblick auf Vertragsbestimmungen, die der Durchführung des in ihnen aufgestellten Verbots dienen und dessen Bedeutung näher regeln, weiterhin eine ergänzende Rolle.

16. Da ich somit zu dem Ergebnis gelange, daß im vorliegenden Fall auch andere, speziellere Vertragsbestimmungen, insbesondere die Artikel 65 und 66 § 7 EGKS-Vertrag Anwendung finden - jedoch nicht Artikel 60 EGKS-Vertrag - ist aus dem Vorstehenden abzuleiten, daß Artikel 4 in bezug auf die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Kohleabbaulizenzen und die darin enthaltenen Bedingungen im Anwendungsbereich der Artikel 65 und 66 § 7 ergänzende Wirkung zukommt, während dieser Artikel ausserhalb dieses Bereiches selbständige Wirkung entfaltet.

B - Artikel 60 EGKS-Vertrag

17. Findet Artikel 60 EGKS-Vertrag in der vorliegenden Rechtssache Anwendung? Artikel 60 § 1 lautet:

"Auf dem Gebiet der Preise sind die zu den Artikeln 2, 3 und 4 in Widerspruch stehenden Praktiken verboten, insbesondere

- die Praktiken unlauteren Wettbewerbs, vor allem die nur vorübergehenden oder nur örtlichen Preissenkungen, die auf Erlangung einer Monopolstellung innerhalb des Gemeinsamen Marktes gerichtet sind;

- die diskriminierenden Praktiken, die auf dem Gemeinsamen Markt die Anwendung von ungleichen Bedingungen auf vergleichbare Geschäfte durch ein und denselben Verkäufer mit sich bringen, insbesondere, wenn die Käufer wegen ihrer Nationalität unterschiedlich behandelt werden.

Die Hohe Behörde kann durch Entscheidungen, die nach Anhörung des Beratenden Ausschusses und des Rates ergehen, die von diesem Verbot betroffenen Praktiken näher bezeichnen."

Auch hier stehen sich zwei Ansichten gegenüber. Die Klägerin vertritt die Meinung, daß Artikel 60 weit auszulegen sei und nicht nur für Preise und Preislisten gelte, sondern auch für Verkaufsbedingungen und andere Praktiken, die einen Einfluß auf diese Preise hätten. Delivered Licenses (siehe vorstehend Nr. 2) hätten danach einen solchen Einfluß auf die Verkaufspreise: Im Unterschied zu dem Ergebnis, zu dem die Kommission in der Entscheidung gelangt sei, finde Artikel 60 nicht nur auf die Preispraktiken beherrschender Verkäufer Anwendung, sondern auch auf diskriminierende oder auf Marktmißbrauch gerichtete Preisbedingungen, die zum Vorteil eines beherrschenden Käufers ausbedungen worden seien. Auch Royalty Licenses (a. a. O.) fielen unter Artikel 60, da die Gebühren wirtschaftlich und rechtlich untrennbar mit den Kosten der Kohle verbunden sei und daher einen Einfluß auf den Kohleverkaufspreis habe, der vom Lizenzinhaber oder dem Lizenzgeber berechnet werde, und ein Bestandteil dieses Preises sei.

Nach Ansicht der Beklagten, der britischen Regierung und der Kommission ist hingegen Artikel 60 EGKS-Vertrag nicht auf Lizenzen zum Abbau anstehender Rohkohle oder auf Gebühren anwendbar, die bei deren Abbau erhoben werden: Dieser Artikel betreffe nur Preispraktiken von Kohleverkäufern und beziehe sich daher keinesfalls auf die an die Beklagte entrichteten Gebühren oder die von der Beklagten gezahlten Kaufpreise. Beides ergebe sich aus der Stellung von Artikel 60 im EGKS-Vertrag und aus dem abgeleiteten Gemeinschaftsrecht.

18. Meines Erachtens findet die besonders weite Auslegung von Artikel 60, die die Klägerin vornimmt, in Zweck, Kontext, Systematik und Wortlaut dieses Vertragsartikels keine ausreichende Stütze. Was den Zweck angeht, so wird dieser von Generalanwalt VerLoren van Themaat - aufgrund eines Vergleichs mit den amerikanischen Inspirationsquellen der Vorschrift(35) - in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Bertoli wie folgt beschrieben: Der Zweck dieser Bestimmung besteht darin, auf dem überwiegend oligopolistischen Kohlen- und Stahlsektor

"kleine Unternehmen dagegen zu schützen, daß monopolistische oder oligopolistische Unternehmen zur Festigung ihrer Machtposition ihre Macht durch Diskriminierungen auf dem Gebiet der Preise mißbrauchen. Sie ist daher auf die Verhinderung wettbewerbsbeschränkender Praktiken oligopolistischer Unternehmen gerichtet."(36)

Zwar gibt diese Zielsetzung keinen Aufschluß über die genaue Tragweite von Artikel 60, jedoch über dessen Kontext. Aus der Stellung dieses Artikels in Kapitel V, Preise, ergibt sich nämlich, daß diese Bestimmung im Gegensatz zu Artikel 63 EGKS-Vertrag, der diskriminierende Preispraktiken von Käufern regeln soll, unlautere und diskriminierende Preispraktiken von Verkäufern betrifft, während sich die Artikel 61 und 62 EGKS-Vertrag auf Eingriffe der Hohen Behörde in das Preisniveau durch Hoechst- oder Mindestpreise bzw. Ausgleichsregelungen zwischen Unternehmen beziehen.

Was die durch Artikel 60 geschaffene Systematik angeht, hat der Gerichtshof in den Rechtssachen 1/54 und 2/54 ausgeführt, daß zwischen den beiden Paragraphen dieses Artikels ein Verhältnis "des Mittels zum Zweck"(37) besteht: § 1 verbietet Preisgestaltungen, die "den unlauteren Wettbewerb und die diskriminierenden Praktiken" bilden(38), während § 2 eine Regelung über die Veröffentlichungspflicht von Preistafeln und Verkaufsbedingungen schafft. Aus den Ausführungen des Gerichtshofes in denselben Urteilen - die später im Urteil Rumi übernommen worden sind - in bezug auf die Funktion der Veröffentlichungsregeln in Artikel 60 § 2 geht hervor, daß nur Praktiken der Verkäufer erfasst werden:

"Diese Veröffentlichungspflicht soll erstens verbotene Praktiken soweit wie möglich verhindern, zweitens den Käufern erlauben, sich exakt über die Preise zu informieren und auch an der Diskriminierungskontrolle teilzunehmen, und drittens den Unternehmen erlauben, die Preise ihrer Wettbewerber genau kennenzulernen, so daß sie sich diesen gegebenenfalls anpassen können."(39)

Schließlich deutet auch der Wortlaut dieser Bestimmungen darauf hin, daß die Vertragsautoren nur auf Praktiken der Verkäufer abstellten: i) § 1 erster Gedankenstrich verbietet auf Erlangung einer Monopolstellung gerichtete vorübergehende oder örtliche Preissenkungen - dieses Verbot kann sinnvollerweise nur auf Verkäufer angewandt werden, ii) § 1 zweiter Gedankenstrich verbietet es den Verkäufern ausdrücklich, auf dem Gemeinsamen Markt ungleiche Bedingungen auf vergleichbare Geschäfte anzuwenden, und iii) § 2 regelt die Veröffentlichungspflicht für Preistafeln - dies sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die "Preise ..., auf deren Grundlage die Unternehmen sich zum Verkauf ihrer Erzeugnisse bereiterklären"(40) - und Verkaufsbedingungen, die die Unternehmen auf dem Markt der Gemeinschaft anwenden (Buchstabe a). Auch aus den Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts, die die Hohe Behörde aufgrund von Artikel 60 § 1(41) bzw. 60 § 2 EGKS-Vertrag(42) festgelegt hat, ergibt sich, daß Artikel 60 sich nur auf Preispraktiken von Verkäufern bezieht.

Aus alledem schließe ich, daß Artikel 60 einen wirksamen Wettbewerb auf dem Kohle- und Stahlmarkt dadurch anstrebt, daß er diese Bestimmung verhindert, daß oligopolistische Unternehmen bei der Festsetzung ihrer Verkaufspreise im Hinblick auf die Monopolbildung unlautere Praktiken, insbesondere Preissenkungen (§ 1 erster Gedankenstrich) oder diskriminierende Praktiken gegenüber unterschiedlichen Käufern, die sich in gleichartigen Situationen befinden (§ 1 zweiter Gedankenstrich) anwenden. Dies ist ein anderer Fall als er im Ausgangsverfahren vorliegt: In diesem Fall vergibt eine Partei, die bereits über ein Monopol verfügt, an andere Unternehmen Produktionslizenzen, bei denen der Lizenznehmer entweder eine an die Erzeugung gebundene Gebühr schuldet - und wobei somit zwischen den Parteien kein Kaufgeschäft stattfindet -, oder die Erzeugnisse zu einem bestimmten Preis an den Lizenzgeber verkauft, wobei der Verkauf also nicht durch das beherrschende Unternehmen erfolgt. Artikel 60 EGKS-Vertrag findet auf solche Situationen keine Anwendung. Wie ich im folgenden darlegen werde, können diese jedoch in das Anwendungsgebiet der Artikel 65 und 66 § 7 EGKS-Vertrag fallen.

C - Artikel 65 EGKS-Vertrag

19. Zwischen den Beteiligten des Verfahrens vor dem Gerichtshof besteht ebenfalls Uneinigkeit über die Anwendbarkeit von Artikel 65 EGKS-Vertrag auf Lizenzen für den Abbau von Rohkohle und die in diesem Zusammenhang geltenden Voraussetzungen für Gebühren und Zahlungen. Ich gebe Artikel 65 § 1 wieder:

"Verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, alle Beschlüsse von Verbänden von Unternehmen und alle verabredeten Praktiken, die darauf abzielen würden, auf dem gemeinsamen Markt unmittelbar oder mittelbar den normalen Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen, insbesondere

a) die Preise festzusetzen oder zu bestimmen;

b) die Erzeugung, die technische Entwicklung oder die Investitionen einzuschränken oder zu kontrollieren;

c) die Märkte, Erzeugnisse, Abnehmer oder Versorgungsquellen aufzuteilen."

Die Klägerin und die Kommission vertreten die Ansicht, daß Artikel 65 auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Lizenzen für den Abbau von Kohle seien Vereinbarungen zwischen Unternehmen im Sinne dieser Bestimmung, da sie den normalen Wettbewerb verhindern, einschränken oder verfälschen könnten. Die Kommission fügt dem hinzu, daß die Aufzählung derartiger Vereinbarungen in Artikel 65 nicht erschöpfend sei.

Die Beklagte und die britische Regierung tragen hingegen vor, daß die hier in Rede stehenden Lizenzen nicht unter Artikel 65 EGKS-Vertrag fielen. Nach Ansicht der Beklagten fördern derartige Lizenzen per definitionem den Wettbewerb und können deshalb nicht durch den genannten Artikel verboten werden. Zudem bestätige ein Vergleich mit der Praxis der Kommission im Rahmen von Artikel 85 EWG-Vertrag, daß sich das Verbot des Artikels 65 nicht auf die Einzelheiten der Bedingungen erstrecke, auf die eine Absprache gestützt werde, und insbesondere nicht auf Gebühren oder Zahlungsbedingungen für eine Lizenz.

20. Nach seinem Wortlaut selbst ist Artikel 65 § 1 EGKS-Vertrag auf "alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen", d. h. zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 80 EGKS-Vertrag (siehe oben, Nr. 9) anwendbar. Unbestreitbar fallen sowohl die Klägerin als auch die Beklagte, die sich als Privatunternehmen bzw. als öffentliches Unternehmen mit der Kohleerzeugung befassen, unter diese weite Definition. Zudem ist die in Artikel 65 § 1 enthaltene Aufzählung der Fälle verbotener Vereinbarungen, wie die Kommission zu Recht geltend macht, keineswegs abschließend. Eine Lizenz für den Abbau von Rohkohle ist daher als Vereinbarung zwischen Unternehmen anzusehen, die grundsätzlich in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt.

Die Frage nach der grundsätzlichen Anwendbarkeit von Artikel 65 § 1 ist zwar losgelöst von der Frage, ob die vorliegenden Vereinbarungen auch tatsächlich gegen das Verbot in dieser Bestimmung verstossen: Hierfür ist ja der Beweis erforderlich, daß die Lizenzen und ihre Bedingungen in bezug auf Gebühren und Zahlungen darauf abzielen würden, auf dem Gemeinsamen Markt unmittelbar oder mittelbar den normalen Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen.

21. Zur letzten Frage möchte ich drei Bemerkungen machen. Erstens findet die Ansicht der Klägerin, daß die in Rede stehenden Lizenzen wettbewerbsfördernd seien und deshalb per definitionem nicht unter das Verbot des Artikels 65 § 1 fielen, in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Wettbewerbsrecht keine Stütze. Aus der Rechtsprechung zu Lizenzen für die Ausübung industrieller und gewerblicher Eigentumsrechte geht im Gegenteil hervor, daß Artikel 85 EWG-Vertrag unbezweifelbar grundsätzlich auf solche Lizenzen anwendbar ist, daß jedoch deren Vereinbarkeit mit dem Verbot des Artikels 85 Absatz 1 von einer Reihe besonderer Faktoren abhängig ist(43). Sofern die Erteilung von Lizenzen durch ein Unternehmen wie die Beklagte tatsächlich zu einem gewissen Wettbewerb auf dem britischen Kohlemarkt führt, verhindert dies demnach nicht, daß die Bedingungen, unter denen diese Lizenzen erteilt werden können, zu einer durch Artikel 65 § 1 verbotenen Wettbewerbsverfälschung führen können.

Dies veranlasst mich zu einer zweiten Bemerkung: Der Ansicht der Beklagten, daß sich das Verbot des Artikels 65 § 1 nicht auf die Höhe von Gebührentarifen und Zahlungstarifen beziehen könne, kann ebensowenig gefolgt werden(44): Worauf es bei diesem Verbot ankommt, ist, daß die Bestimmungen einer Vereinbarung zwischen dem EGKS-Vertrag unterliegenden Unternehmen keinen - umittelbar oder mittelbar - störenden Einfluß auf den Wettbewerb auf dem Gemeinschaftsmarkt für Kohle und Stahl haben. Ich kann mir wohl vorstellen, daß die Festsetzung eines unlauter hohen Gebührentarifs als Bedingung für eine Royalty License oder eines unredlich niedrigen Abnahmepreises für Kohle, die im Rahmen einer Delivered License gefördet wird, den normalen Wettbewerb zumindest mittelbar verhindern, einschränken oder verfälschen kann. So könnte eine übermässig hohe Gebühren oder ein übermässig niedriger Abnahmepreis den Lizenzinhaber davon abhalten, mehr Kohle abzubauen und/oder neue Lizenzen zu beantragen oder, wegen niedrigerer Rentabilität, neue Investitionen zu tätigen. Derartige Klauseln könnten daher zu einer Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, der technischen Entwicklung oder der Investition im Sinne von Artikel 65 § 1 Buchstabe b EGKS-Vertrag führen. Dies ist selbstverständlich im Lichte des gesamten tatsächlichen Kontextes der Angelegenheit zu beurteilen.

Eine dritte und letzte Bemerkung: An der Anwendbarkeit von Artikel 65 § 1 EGKS-Vertrag ändert der Umstand nichts, daß auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens möglicherweise auch Artikel 66 § 7 EGKS-Vertrag Anwendung finden kann (und umgekehrt). Der Gerichtshof hat nämlich bereits zum Verhältnis zwischen den Artikeln 85 und 86 EWG-Vertrag entschieden, daß diese Artikel unter bestimmten Umständen nebeneinander Anwendung finden können. Ich denke an das Urteil Hoffmann-La Roche, in dem sich der Gerichtshof in bezug auf - von der Kommission aufgrund von Artikel 86 EWG-Vertrag beanstandete - ausschließliche Lieferverträge die Frage stellte, ob diese unter Artikel 85 EWG-Vertrag, insbesondere Absatz 3, fallen:

"Daß Verträge dieser Art unter Artikel 85, insbesondere unter seinen Absatz 3, fallen können, schließt die Anwendung von Artikel 86 jedoch nicht aus. Diese Bestimmung betrifft nämlich ausdrücklich Sachverhalte, die ihren Ursprung offenkundig in vertraglichen Bindungen finden."(45)

Der Gerichtshof hat diese Betrachtungsweise in seinem Urteil Ahmed Säed bestätigt, in dem es unter anderem um die Frage ging, ob die Anwendung eines Luftfahrttarifs den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, wenn die Anwendung dieses Tarifs auf einer Vereinbarung zwischen zwei Unternehmen beruht, die als solche unter das Verbot von Artikel 85 Absatz 1 fällt:

"Diese Erwägungen schließen nicht aus, daß eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Unternehmen lediglich die formelle Bestätigung einer wirtschaftlichen Realität darstellen kann, die dadurch gekennzeichnet ist, daß es einem Unternehmen in beherrschender Stellung gelungen ist, die Anwendung der fraglichen Tarife durch andere Unternehmen durchzusetzen. In seinem solchen Fall können die Artikel 85 und 86 durchaus nebeneinander anwendbar sein."(46)

Auch das Gericht hat sich diese Ansicht in seinem Urteil Tetra Pak zu eigen gemacht(47). Ich vermag keine überzeugenden Gründe zu erkennen, weshalb eine vergleichbare Lösung nicht auch für das Verhältnis zwischen den Artikeln 65 § 1 und 66 § 7 EGKS-Vertrag gelten sollte.

D - Artikel 66 § 7 EGKS-Vertrag

22. Das vorlegende Gericht fragt zum Schluß, ob Artikel 66 § 7 EGKS-Vertrag auf die vorliegende Rechtssache anwendbar ist. Diese Bestimmung lautet:

"Stellt die Hohe Behörde fest, daß öffentliche oder private Unternehmen, die rechtlich oder tatsächlich auf dem Markt eines ihrer Zuständigkeit unterstehenden Erzeugnisses eine beherrschende Stellung einnehmen oder erwerben, durch die sie einem tatsächlichen Wettbewerb in einem beträchtlichen Teil des Gemeinsamen Marktes entzogen werden, diese Stellung zu mit diesem Vertrag im Widerspruch stehenden Zwecken verwenden, so richtet sie an diese Unternehmen alle geeigneten Empfehlungen, um zu verhindern, daß sie ihre Stellung für diese Zwecke ausnutzen. Werden die Empfehlungen nicht innerhalb einer angemessenen Frist in befriedigender Weise ausgeführt, so setzt die Höhe Behörde durch Entscheidungen, die nach Anhörung der beteiligten Regierung erlassen werden und bezueglich deren die in Artikel 58, 59 und 64 vorgesehenen Sanktionen anwendbar sind, für das betreffende Unternehmen Preise und Verkaufsbedingungen sowie Fabrikations- oder Lieferprogramme fest."

Alle Beteiligten des Verfahrens vor dem Gerichtshof mit Ausnahme der britischen Regierung vertreten die Ansicht, daß diese Bestimmung auf Lizenzen für den Abbau anstehender Rohkohle und die darin vorgesehenen Gebühren- und Zahlungsbedingungen anwendbar sei. Die Beklagte fügt jedoch hinzu, daß der Nachweis einer beherrschenden Stellung und eines Mißbrauchs zu erbringen sei, damit diese Bestimmung angewandt werden könne. Nach Ansicht der britischen Regierung ist jedoch Artikel 66 § 7 nur dann anwendbar, wenn die Kommission zu dem Ergebnis gelange, daß ein Unternehmen eine beherrschende Stellung auf dem Markt für eines der unter den EGKS-Vertrag fallenden Erzeugnisse einnehme, zu denen Rohkohle nicht gehöre. Diese Bestimmung sei nicht auf Lizenzen zum Abbau von Rohkohle anwendbar, da es an einem ausreichenden Zusammenhang zwischen den Einzelheiten der Erteilung der Lizenzen und den Bedingungen fehle, zu denen die abgebaute Kohle gehandelt werde.

23. Ich kann mich in diesem Punkt kurz fassen. Daß anstehende Kohle sehr wohl ein Erzeugnis ist, das in den Geltungsbereich des EGKS-Vertrags fällt, habe ich bereits ausgeführt (Nr. 9). Klar ist auch, daß die Beklagte ein Unternehmen ist, das zu der Kategorie der "öffentlichen Unternehmen" im Sinne von Artikel 66 § 7 gehört. Zudem deuten alle dem Gerichtshof vorliegenden Angaben darauf hin, daß die Beklagte als Unternehmen mit beherrschender Stellung in einem beträchtlichen Teil des Gemeinsamen Marktes im Sinne der genannten Bestimmung anzusehen ist: Sie ist nämlich der grösste Kohleerzeuger im Vereinigten Königreich (ausweislich des Vorlagebeschlusses bestritt sie 1989/90 97 % der Kohleerzeugung im Vereinigten Königreich) und der wichtigste Kohlelieferant auf dem Sektor der Elektrizitätserzeugung (im selben Zeitraum mehr als 90 %), was zweifellos mit ihren gesetzlichen Vorrechten zusammenhängt (siehe oben Nr. 2), nämlich dem ihr verliehenen Aneignungsrecht am grössten Teil der Rohkohle in Großbritannien und dem ausschließlichen Verarbeitungs- und Förderrecht an dieser Kohle.

Artikel 66 § 7 EGKS-Vertrag ist daher auf die Beklagte anwendbar, obwohl nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes das blosse Innehaben einer beherrschenden Stellung oder der blosse Erwerb einer solchen Stellung oder eines ausschließlichen Rechts für sich nicht als ein mißbräuchliches Mittel zur Ausschaltung des Wettbewerbs angesehen werden kann(48). Für einen Verstoß gegen diese Bestimmung ist es daher im vorliegenden Fall erforderlich, nachzuweisen, daß die Beklagte bei der Vergabe von Lizenzen und der Festsetzung der Gebühren- und der Zahlungsbedingungen hierfür in einer Weise von ihrer beherrschenden Stellung Gebrauch macht, die gegen die Ziele des EGKS-Vertrags verstösst, beispielsweise dadurch, daß ihr Verhalten auf diskriminierende oder einschränkende Praktiken im Sinne von Artikel 4 Buchstabe b oder Buchstabe d EGKS-Vertrag hinausläuft(49).

IV - Unmittelbare Wirkung der in Rede stehenden Vertragsbestimmungen?

24. Mit der dritten Frage begehrt das vorlegende Gericht Auskunft darüber, ob die Artikel 4 Buchstabe b, 60, 65 und/oder 66 § 7 EGKS-Vertrag unmittelbare Wirkung in dem Sinne haben, daß sie vom einzelnen durchsetzbare Rechte entstehen lassen, die von den nationalen Gerichten geschützt werden müssen. Auch hierzu werden dem Gerichtshof zwei unterschiedliche Ansichten vorgetragen. Die Klägerin und die Kommission treten für eine unmittelbare Anwendung der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur unmittelbaren Wirkung von EWG-Vertragsbestimmungen auf den EGKS-Vertrag ein und gelangen zu dem Ergebnis, daß (beinahe) alle vom vorlegenden Gericht angeführten Bestimmungen unmittelbar anwendbar seien. Die Beklagte und die britische Regierung schließen hingegen jede unmittelbare Wirkung des EGKS-Vertrags aus, sofern die Vertragsbestimmungen eine solche Wirkung nicht selbst ausdrücklich vorsähen. Die Beklagte stützt ihre Ansicht hauptsächlich auf die Unterschiede zwischen dem EWG- und dem EGKS-Vertrag, wie diese sich aus einer allgemeinen Untersuchung des zuletzt genannten Vertrags und der in dessen Rahmen der Kommission zugeteilten Rolle ergäben. Hilfsweise trägt sie, wie auch die britische Regierung, vor, daß die betreffenden Bestimmungen des EGKS-Vertrags nicht hinreichend genau und unbedingt seien, um unmittelbare Wirkung entfalten zu können.

A - Können EGKS-Vertragsbestimmungen überhaupt unmittelbare Wirkung entfalten?

25. Die Ansicht der Beklagten läuft darauf hinaus, daß der EGKS-Vertrag im allgemeinen keine unmittelbare Wirkung entfalten könne, da er eine Reihe grundlegender Unterschiede gegenüber dem EWG-Vertrag aufweise, insbesondere in bezug auf die - im EGKS-Rahmen viel herausragendere - Rolle der Kommission. Ich stimme mit dieser Ansicht überhaupt nicht überein, und zwar aus folgenden Gründen. Ausgangspunkt für jede Untersuchung der unmittelbaren Wirkung von Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ist meines Erachtens die Einheit der Gemeinschaftsrechtsordnung. Der Gerichtshof hat diese die verschiedenen Gemeinschaftsverträge umfassende Einheit in seinem Gutachten 1/91 unter Hinweis auf das Urteil Van Gend & Loos(50) mit völlig eindeutigen Worten betont:

"Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes haben die Gemeinschaftsverträge eine neue Rechtsordnung geschaffen, zu deren Gunsten die Staaten in immer weiteren Bereichen ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt haben und deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch deren Bürger sind ... Die wesentlichen Merkmale der so verfassten Rechtsordnung der Gemeinschaft sind ihr Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten und die unmittelbare Wirkung zahlreicher für ihre Staatsangehörigen und für sie selbst geltender Bestimmungen."(51)

Eben diese Einheit der Gemeinschaftsrechtsordnung war für den Gerichtshof bereits seit langem(52) Anlaß, in zahllosen Urteilen eine weitestgehende Kohärenz(53) bei der Auslegung von EWG- und EGKS-Bestimmungen anzustreben: Ich erwähne nur den Beschluß in der Rechtssache Camera Care, in dem sich der Gerichtshof zur Frage der Aufteilung der Aufgaben zwischen Kommission und Gerichtshof bei einstweiligen Maßnahmen auf den zum EGKS-Vertrag erlassenen Beschluß in der Rechtssache National Carbonising Company bezogen hat(54), das Urteil Foto-Frost, in dem der Gerichtshof für die Frage nach seiner Befugnis gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag, die Handlung eines Organs für ungültig zu erklären, an den EGKS-Vertrag anzuknüpfen sucht(55), das Urteil Busseni, in dem der Gerichtshof sich veranlasst sah, im Zusammenhang mit dem EWG-Vertrag seine Auslegungsbefugnis mit Artikel 41 EGKS-Vertrag zu begründen(56), die Parallele, die der Gerichtshof in seinem Urteil Francovich zwischen den Artikeln 5 EWG-Vertrag und 86 EGKS-Vertrag zur Begründung der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Schadensersatz bei einem Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht gezogen hat(57), und, besonders erheblich für die vorliegende Rechtssache, das Urteil Busseni, in dem der Gerichtshof seine Rechtsprechung zur möglichen unmittelbaren Wirkung nicht umgesetzter Richtlinien für Empfehlungen im Sinne des EGKS-Vertrags uneingeschränkt angewendet hat(58).

Vor allem aus dem zuletzt genannten Urteil geht hervor, daß es dem Gerichtshof nicht schwer fällt, die Kriterien für die unmittelbare Wirkung auf die EGKS-Bestimmungen zu übertragen. Wenn der Gerichtshof dies für Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts tut - und sogar in bezug auf Vertragsbestimmungen, die in Assoziierungs- oder Kooperationsabkommen der Gemeinschaft mit Drittländern enthalten sind(59) - sehe ich keinen Grund, warum er dies nicht erst recht für EGKS-Vertragsbestimmungen, also in einem Gemeinschaftsvertrag enthaltene Bestimmungen, tun sollte.

Übrigens führt eine Anwendung der Kriterien des Urteils Van Gend & Loos auf den EGKS-Vertrag - die der Gerichtshof niemals ausdrücklich vorgenommen hat - zum selben Ergebnis. Die in diesem Urteil als für die unmittelbare Wirkung ausschlaggebend erachteten Merkmale sind nämlich dem EWG- und dem EGKS-Vertrag gemeinsam, wobei ich vor allen Dingen erwähnen darf: i) die Parallelität der Ziele beider Verträge, insbesondere, was die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die Schaffung gemeinsamer Organe betrifft(60), wobei sich aus der Präambel des EGKS-Vertrags ergibt, daß sich auch dieser Vertrag - und sei es nur auf dem begrenzten Gebiet des Marktes für Kohle und Stahl - unmittelbar an die Völker Europas richtet(61), ii) der übernationale Charakter des institutionellen Rahmens beider Verträge(62), wobei auffällt, daß von der Gründung der EGKS an den Bewohnern der Mitgliedstaaten auf dem Weg über ihre Vertretung in der Gemeinsamen Versammlung und dem Beratenden Ausschuß eine gewisse (wenn auch hauptsächlich überwachende und beratende) Rolle zugebilligt wurde(63), sowie iii) nicht zuletzt die Rolle, die dem Gerichtshof in beiden Verträgen durch das Vorabentscheidungsverfahren (Artikel 177 EWG-Vertrag bzw. 41 EGKS-Vertrag) zugebilligt wird, das einem gemeinsamen Zweck dient, den der Gerichtshof in seinem Urteil Busseni hevorgehoben hat(64). Schließlich gibt es, wie bereits ausgeführt worden ist (Nr. 13) in der älteren EGKS-Rechtsprechung Präzedenzfälle, in denen der Gerichtshof die unmittelbare Wirkung - wenn auch mit anderen Worten, nämlich "unmittelbare Anwendbarkeit" ("applicabilité immédiate"), - einer EGKS-Vertragsbestimmung, nämlich von Artikel 4, anerkannt hat. Seit Gründung der EGKS hat übrigens ein erheblicher Teil der Lehre die unmittelbare Anwendbarkeit von EGKS-Vertragsbestimmungen befürwortet(65); diesen Standpunkt hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 14. April 1955(66) übernommen, auf das sich sowohl die Beklagte als auch die britische Regierung, insbesondere im Hinblick auf die vierte Frage, berufen.

26. Die Unterschiede zwischen der Systematik des EGKS- und der des EWG-Vertrags, die die Beklagte anführt, bestehen tatsächlich, wiegen jedoch keineswegs die genannten gemeinsamen Grundsätze und Merkmale auf. So trifft es zu, daß der EGKS-Vertrag nur eine teilweise, auf den Kohle- und Stahlsektor beschränkte Integration vorschreibt, während der EWG-Vertrag praktisch die gesamte Wirtschaft der Mitgliedstaaten betrifft, und daß - wie der Gerichtshof selbst im Urteil Busseni eingeräumt hat(67) - die Kommission im Rahmen des EGKS-Vertrags eine viel herausragendere Rolle spielt als im EWG-Vertrag. Dem steht jedoch erstens gegenüber, daß viele Bestimmungen des EGKS-Vertrags detaillierter sind als der EWG-Vertrag (weshalb der erstgenannte auch als "traité-loi" und der letztgenannte als "traité-cadre" oder "traité de procédure" bezeichnet wird)(68) und daß viele dieser Vorschriften im Unterschied zu den meisten Bestimmungen des EWG-Vertrags (die sich mit Ausnahme der Wettbewerbsbestimmungen vornehmlich an die Mitgliedstaaten richten) an Unternehmen gerichtete Verhaltensnormen sind. In diesem Sinne eignen sich viele Bestimmungen des EGKS-Vertrags selbst besser für die (horizontale) unmittelbare Wirkung als diejenigen des EWG-Vertrags (siehe im folgenden Nrn. 28 ff.).

Zweitens, was die Befugnisse der Kommission im Rahmen des EGKS-Vertrags angeht: Diese sind hauptsächlich Durchführungsbefugnisse und beziehen sich vor allem auf die Gewährleistung dessen, daß die in den Geltungsbereich des EGKS-Vertrags fallenden Unternehmen die betreffenden Gemeinschaftsvorschriften beachten (siehe beispielsweise Artikel 66 § 7: im folgenden Nr. 34). Mit anderen Worten, die Hohe Behörde ist eher eine Wächterin, die die genaue Beachtung von (bereits für sich hinreichend deutlichen) Vertragsbestimmungen durchzusetzen hat, als eine politische Behörde mit weitreichenden politischen Befugnissen. Daß die ihr auf diese Weise zugewiesene Rolle kein stichhaltiges Argument gegen die unmittelbare Wirkung darstellt, ergibt sich übrigens bereits aus dem Urteil Van Gend & Loos, in dem der Gerichtshof ausdrücklich das Argument zurückgewiesen hat, daß "die Tatsache, daß der Vertrag der Kommission Mittel zur Verfügung stellt, um die Einhaltung der den Vertragsunterworfenen obliegenden Verpflichtungen zu gewährleisten, die Möglichkeit ausschließt, die Verletzung dieser Verpflichtungen in Prozessen zwischen Privatpersonen vor nationalen Gerichten geltend zu machen"(69).

B - Die für die unmittelbare Wirkung von EGKS-Vertragsbestimmungen geltenden Kriterien

27. Aus alldem ergibt sich wohl, daß die Kriterien für die unmittelbare Wirkung, die im Zusammenhang mit dem EWG-Vertragsrecht entwickelt worden sind, in gleicher Weise auch auf den EGKS-Vertrag Anwendung finden. Diese Kriterien sind hinreichend bekannt; im Urteil Hurd vom 15. Januar 1986 hat sie der Gerichtshof wie folgt zusammengefasst:

"Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes erzeugt eine Bestimmung unmittelbare Wirkungen in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und ihren Angehörigen, wenn sie klar und unbedingt ist und keiner im Ermessen stehenden Ausführung bedarf."(70)

Näher betrachtet ergeben sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes einige Nuancierungen in der Formulierung dieser Bedingungen(71), die allerdings vor allem der Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien zu entnehmen sind(72). In seiner neueren Rechtsprechung, insbesondere in den Urteilen Francovich und Marshall II, hat der Gerichtshof zudem die besagten Bedingungen weit ausgelegt. Selbst die Tatsache, daß die Mitgliedstaaten zwischen mehreren möglichen Mitteln zur Erreichung des durch eine Richtlinie vorgeschriebenen Ziels wählen können(73), steht nach Ansicht des Gerichtshofes der unmittelbaren Wirkung nicht entgegen, solange der Inhalt der Rechte, die die Richtlinie dem einzelnen verleiht, "sich bereits aufgrund der Richtlinie mit hinreichender Genauigkeit bestimmen lässt"(74).

Beide Umstände bestätigen meines Erachtens den ausserordentlich praktischen Charakter des Kriteriums für die "unmittelbare Wirkung": Sofern und soweit eine Gemeinschaftsbestimmung für sich allein hinreichend brauchbar für die Anwendung durch das Gericht ist, entfaltet sie unmittelbare Wirkung. Die Deutlichkeit, Genauigkeit, Unbedingtheit, Vollständigkeit oder Perfektion der Norm und der Gesichtspunkt, daß diese keiner im Ermessen stehenden Durchführungsmaßnahme bedarf, sind in dieser Hinsicht nur Facetten ein und desselben Merkmals, das die Regelung aufweisen muß, nämlich, daß sie geeignet sein muß, vom Gericht auf einen Einzelfall angewandt zu werden(75).

C - Prüfung der unmittelbaren Wirkung der in Rede stehenden EGKS-Vertragsbestimmungen

28. Ich komme nun zur Prüfung der unmittelbaren Wirkung der vom vorlegenden Gericht angeführten EGKS-Vertragsartikel. Was Artikel 4 Buchstabe d EGKS-Vertrag betrifft, kann ich mich bereits auf die zuvor (Nr. 13) angeführten Urteile Groupement des Industries Sidérurgiques Luxembourgeoises und die Urteile vom 21. bzw. 26. Juni 1958 berufen: In diesen Urteilen wird unmißverständlich ausgeführt, daß Artikel 4 "selbständig und ohne weiteres anwendbar" ist, mit anderen Worten, unmittelbare Wirkung entfaltet, soweit diese Bestimmung nicht in einer anderen Bestimmung des EGKS-Vertrags näher ausgestaltet wird. Die Verbote in diesem Artikel, insbesondere in den Buchstaben b und d, "gelten", wie der Gerichtshof ausgeführt hat (Nrn. 14 und 13) in ihrer "ganzen Strenge" und "genügen sich selbst".

29. Ebensowenig gibt es meines Erachtens überzeugende Einwände gegen die unmittelbare Wirkung von Artikel 60 § 1 EGKS-Vertrag, obwohl, wie bereits dargelegt worden ist (Nr. 18), diese Bestimmung im Ausgangsverfahren keine Anwendung findet. Dieser Artikel enthält nämlich bloß eine deutliche und unbedingte Klarstellung der bereits in Artikel 4 verankerten Verbote in bezug auf Preispraktiken der Verkäufer. Dies ergibt sich aus der Formulierung von Artikel 60 § 1 selbst, wonach "auf dem Gebiet der Preise ... die zu den Artikeln 2, 3 und 4 in Widerspruch stehenden Praktiken verboten" sind, an die sich zwei Konkretisierungen des Verbots anschließen, nämlich bei unlauteren Wettbewerbspraktiken, die - insbesondere durch nur vorübergehende oder nur örtliche Preissenkungen - auf Erlangung einer Monopolstellung innerhalb des Gemeinsamen Marktes gerichtet sind, und bei diskriminierenden Praktiken, bei denen ein Verkäufer auf dem Gemeinsamen Markt auf vergleichbare Geschäfte ungleiche Bedingungen insbesondere wegen der Staatsangehörigkeit der Käufer anwendet. Der unmittelbaren Wirkung tut es im Gegensatz zum Vorbringen der Beklagten keinen Abbruch, daß Artikel 60 § 1 a. E. die Hohe Behörde ermächtigt (sie "kann ... bezeichnen"), durch Entscheidungen Praktiken, die unter das Verbot des § 1 fallen, zu bezeichnen(76). Der Gerichtshof hat in den Rechtssachen 1/54 und 2/54 ausdrücklich bestätigt, daß die Tragweite des genannten Verbots hiervon nicht abhängig ist:

"Artikel 60 Nr. 1 verbietet unmittelbar und zwingend bestimmte Praktiken; die Hohe Behörde ist ermächtigt, sie näher zu bezeichnen, darf jedoch das Verbot nicht in seinem Wesensgehalt antasten."(77)

30. Wenn man die Kriterien für die unmittelbare Wirkung auf Artikel 65 § 1 EGKS-Vertrag anwendet, lässt sich meines Erachtens nicht leugnen, daß auch hier eine hinreichend wirksame Bestimmung vorliegt: Das in dieser Vorschrift verankerte Verbot ist nämlich besonders eindringlich formuliert, deutlich, unbedingt und bedarf keiner ins Ermessen gestellten Durchführungsmaßnahme. Die beträchtlichen Ähnlichkeiten zwischen dieser Bestimmung und Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag - der Gerichtshof selbst hat seinerzeit eingeräumt, daß beiden Artikeln "die gleichen Vorstellungen zugrunde liegen"(78) - machen es beinahe selbstverständlich, daß die ständige Rechtsprechung, die der Gerichtshof seit dem Urteil BRT I zu Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag entwickelt hat, auch für Artikel 65 § 1 EGKS-Vertrag gilt. In diesem Urteil heisst es:

"Da die in den Artikeln 85 Absatz 1 und 86 enthaltenen Verbote ihrer Natur nach geeignet sind, in den Beziehungen zwischen einzelnen unmittelbare Wirkungen zu erzeugen, lassen sie unmittelbar in deren Person Rechte entstehen, welche die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben."(79)

31. Liest man jedoch Artikel 65 weiter, stösst man auf ein Problem, auf das die Beklagte und die britische Regierung in erheblichem Umfang ihre Ansicht stützen, daß Artikel 65 § 1 keine unmittelbare Wirkung entfalte. Nachdem nämlich in Artikel 65 § 4 Absatz 1 bestimmt wird, daß nach § 1 dieses Artikels untersagte Vereinbarungen oder Beschlüsse nichtig sind und eine Berufung auf sie vor keinem Gericht der Mitgliedstaaten zulässig ist, heisst es in Artikel 65 § 4 Absatz 2:

"Vorbehaltlich der bei dem Gerichtshof zu erhebenden Klagen ist die Hohe Behörde ausschließlich zuständig, darüber zu entscheiden, ob die genannten Vereinbarungen oder Beschlüsse mit den Bestimmungen dieses Artikels in Einklang stehen."

Was ist davon zu halten? Sieht man in diesem Absatz eine Verweisung auf den gesamten Artikel 65 und somit auch auf die Anwendbarkeit des Verbots des § 1, dann scheint es in der Tat so zu sein, daß von einer unmittelbaren Wirkung der zuletzt genannten Bestimmung nicht gesprochen werden kann. Dies führt jedoch zu dem wenig befriedigenden Ergebnis, daß, obwohl die nach Artikel 65 § 1 verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse automatisch nichtig sind und eine Berufung auf sie vor keinem Gericht der Mitgliedstaaten zulässig ist, die Hohe Behörde ausschließlich zuständig ist, darüber zu entscheiden, ob derartige Vereinbarungen "mit den Bestimmungen dieses Artikels", und somit auch mit § 1, in Einklang stehen.

Mit der Kommission neige ich zu der Ansicht, daß eine derartige Auslegung nicht zulässig ist. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich zunächst ein Argument zurückweisen, das die Gegner einer unmittelbaren Wirkung von Artikel 65 § 1 anführen. Sie meinen nämlich, daß Artikel 65 § 4 Absatz 2 von den Vertragsverfassern bewusst so formuliert worden sei, um zu verhindern, daß eine freie Anwendung von Artikel 65 § 1 durch nationale Gerichte die einheitliche Anwendung des EGKS-Vertrags gefährde. Zwar konnte diese Befürchtung ursprünglich gerechtfertigt sein, seit dem Erlaß des Urteils Busseni gibt es hierfür jedoch keine Gründe mehr, zumindest nicht mehr Gründe als bei Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag. Wie bereits ausgeführt (vorstehend unter Nr. 25), hat der Gerichtshof in diesem Urteil analog zu Artikel 177 EWG-Vertrag entschieden, daß die dem Gerichtshof in Artikel 41 EGKS-Vertrag zugebilligte Vorabentscheidungsbefugnis nicht nur die Gültigkeitsprüfung, sondern auch die Auslegung umfasst(80). Die einheitliche Anwendung von Artikel 65 § 1 durch die nationalen Gerichte kann deshalb dadurch gewährleistet werden, daß dem Gerichtshof Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt werden.

32. Um die wahre Tragweite der der Hohen Behörde in Artikel 65 § 4 EGKS-Vertrag verliehenen ausschließlichen Zuständigkeit zu verstehen, muß man sich eine Unterscheidung vor Augen halten, die im EWG-Wettbewerbsrecht getroffen wird, und zwar gestützt auf Artikel 9 der Verordnung Nr. 17 des Rates über die Durchführung der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag(81), wie ihn der Gerichtshof auslegt. Es handelt sich um den Unterschied zwischen den Befugnissen der Kartellbehörden - das sind die Kommission und, solange diese kein Verfahren nach der Verordnung Nr. 17 eingeleitet hat, die nationalen Kartellbehörden -, aufgrund von Artikel 9 Absatz 2 bzw. Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 Artikel 85 Absatz 1 und Artikel 86 anzuwenden(82), einerseits und der Zuständigkeit der nationalen Gerichte(83), "vor denen die Verbotsvorschriften der Artikel 85 und 86 in einem Zivilrechtsstreit herangezogen werden"(84), andererseits. Die Zuständigkeit dieser Gerichte - die nach dem Urteil BRT I nicht als "Behörden der Mitgliedstaaten" im Sinne von Artikel 9 der Verordnung Nr. 17 anzusehen sind - "zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts, insbesondere in Streitsachen dieser Art, ergibt sich aus der unmittelbaren Geltung dieses Rechts"(85). Diese Zuständigkeit darf den Gerichten nach Ansicht des Gerichtshofes nicht unter Berufung auf Artikel 9 abgesprochen weden, da sonst "den einzelnen Rechte genommen würden, die ihnen aufgrund des Vertrages selbst zustehen"(86).

33. Im Lichte dieser im EWG-Wettbewerbsrecht getroffenen Unterscheidung und unter Berücksichtigung der notwendigen Kohärenz der Auslegung des EGKS- und des EWG-Vertrags sowie eines möglichst vollständigen Rechtsschutzes für die Unternehmen ist Artikel 65 § 4 EGKS-Vertrag zu verstehen. Der erste Absatz dieser Bestimmung betrifft die sich aus der unmittelbaren Wirkung von Artikel 65 § 1 ergebende Zuständigkeit der nationalen Gerichte, in einem Zivilrechtsverfahren, in dem diese Bestimmung geltend gemacht wird, das darin enthaltene Verbot und die damit verbundene Nichtigkeit von Amts wegen festzustellen(87). Der zweite Absatz, der ausschließlich der Hohen Behörde die Zuständigkeit verleiht, darüber zu entscheiden, ob eine Vereinbarung "mit den Bestimmungen dieses Artikels in Einklang" steht, betrifft demgegenüber die Zuständigkeit der Kartellbehörde der Gemeinschaft, die Bestimmungen des Artikels 65 unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbspolitik anzuwenden, also, soweit bei der Anwendung ein Ermessen besteht. Ein solches Ermessen besteht bei der Gewährung einer Freistellung vom Wettbewerbsverbot im Sinne von Artikel 65 § 2 (sowie bei der Verhängung von Geldbussen und Zwangsgeldern im Sinne von Artikel 65 § 5). Für die Gewährung einer derartigen Freistellung (und die Verhängung derartiger Geldbussen und Zwangsgelder) ist gemäß Artikel 65 § 4 nur die Hohe Behörde unter Ausschluß nationaler Kartellbehörden, aber auch der nationalen Gerichte befugt, da Artikel 65 § 2 (und § 5) keine unmittelbare Wirkung entfaltet(88).

Ich komme daher zu dem Ergebnis, daß Artikel 65 § 4 Absatz 2 der unmittelbaren Wirkung von Artikel 65 § 1 EGKS-Vertrag und der daraus folgenden Zuständigkeit der nationalen Gerichte für die Nichtigerklärung der durch diese Bestimmung verbotenen Vereinbarungen nicht entgegensteht.

34. Es bleibt zu prüfen, ob Artikel 66 § 7 EGKS-Vertrag unmittelbare Wirkung entfaltet. Auch hierüber herrscht zwischen den Beteiligten des Verfahrens vor dem Gerichtshof Uneinigkeit. Die Klägerin und die Kommission vertreten die Ansicht, daß unmittelbare Wirkung vorliege, die Beklagte und die Regierung des Vereinigten Königreichs verneinen dies. Die Argumentation der beiden zuletzt genannten Beteiligten gegen die unmittelbare Wirkung ist weitgehend gleich: Im Unterschied zu Artikel 86 EWG-Vertrag, der von "Mißbrauch" spreche, sei die Anwendung von Artikel 66 § 7 EGKS-Vertrag davon abhängig, daß die Kommission feststelle, daß ein Verhalten vorliege, das "mit diesem Vertrag im Widerspruch" stehe. Artikel 66 § 7 laufe auf die Frage hinaus, wie die Kommission sich in einer solchen Situation verhalten müsse. Die britische Regierung führt dazu aus, daß, während Artikel 86 EWG-Vertrag ausdrücklich bestimme, daß die "mißbräuchliche Ausnutzung" einer beherrschenden Stellung "verboten" sei, Artikel 66 § 7 EGKS-Vertrag diese Formulierung vermeide.

35. Zweifellos unterscheidet sich der Wortlaut von Artikel 86 EWG-Vertrag erheblich von demjenigen des Artikels 66 § 7 EGKS-Vertrag. So liegt in der zuletzt genannten Bestimmung das Gewicht tatsächlich auf dem Verhalten der Hohen Behörde, die verpflichtet ist, wenn ein Unternehmen seine beherrschende Stellung zu mit dem EGKS-Vertrag im Widerspruch stehenden Zwecken verwendet, die entsprechenden Empfehlungen auszusprechen und, wenn diese nicht ausgeführt werden, Maßnahmen zu erlassen, um zu erreichen, daß das betreffende Unternehmen seine Stellung nicht für die genannten Zwecke ausnutzt; Artikel 86 EWG-Vertrag verbietet hingegen den Unternehmen unmittelbar, eine beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben mißbräuchlich auszunutzen.

Jedoch überwiegen meines Erachtens die Argumente zugunsten der unmittelbaren Wirkung von Artikel 66 § 7. Zunächst kommt hier ungeachtet des Gewichts, das auf das Verhalten der Hohen Behörde gelegt wird, vorerst das Argument nicht zum Tragen, das auf Artikel 65 § 4 zweiter Absatz gestützt werden könnte (vorstehend Nr. 31): Artikel 66 § 7 spricht nirgendwo von einer ausschließlichen Befugnis der Hohen Behörde, Schritte gegen den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung zu unternehmen.

Zweitens ist Artikel 66 § 7 deutlich formuliert und gibt die Voraussetzungen für seine Anwendung genau an: Verlangt wird, daß i) öffentliche oder private Unternehmen, ii) die rechtlich oder tatsächlich auf dem Markt eines in den Geltungsbereich des EGKS-Vertrags fallenden Erzeugnisses eine beherrschende Stellung einnehmen oder erwerben, durch die sie einem tatsächlichen Wettbewerb in einem beträchtlichen Teil des Gemeinsamen Marktes entzogen werden, iii) diese Stellung zu im EGKS-Vertrag im Widerspruch stehenden Zwecken verwenden. Diese Verweisung auf die Vertragsziele enthält offensichtlich eine Verweisung auf Artikel 4 EGKS-Vertrag - der unmittelbare Wirkung entfaltet -, so daß es klar ist, daß die nach Buchstaben b und d dieses Artikels verbotenen diskriminierenden Maßnahmen/Praktiken bzw. auf eine Aufteilung oder Ausbeutung der Märkte abzielenden einschränkenden Praktiken zu den durch Artikel 66 § 7 mißbilligten Verhaltensweisen gehören. Dies relativiert das Vorbringen der britischen Regierung, daß Artikel 66 § 7 im Unterschied zu Artikel 86 EWG-Vertrag nicht als Verbot des Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung formuliert sei, erheblich.

Ausschlaggebend ist schließlich meines Erachtens, daß Artikel 66 § 7 der Kommission wenig oder kein Ermessen lässt: Ihre Entscheidung, ob ein Verstoß vorliegt, ist von genauen Kriterien abhängig, und die Schritte, die sie unternehmen muß, um einen drohenden oder gegenwärtigen Mißbrauch abzustellen, sind genau definiert (eine Empfehlung, und wenn diese nicht ausgeführt wird, eine Entscheidung). Von einem Ermessen oder einer Befugnis zur Klarstellung bzw. zur Freistellung ist nicht die Rede: Es handelt sich nur um eine Anwendungsbefugnis, bei der die Kommission beim Erlaß einer Entscheidung höchstens die Wahl zwischen der Festlegung von Preisen und Verkaufsbedingungen oder Fabrikations- oder Lieferprogrammen hat. Daß dies der unmittelbaren Wirkung nicht entgegensteht, jedenfalls nicht in der weiten Auslegung, die der Gerichtshof in den Urteilen Francovich und Marshall II vornimmt (vorstehend Nr. 27), versteht sich von selbst.

V - Die Befugnis und/oder Verpflichtung des nationalen Gerichts, bei Verstoß gegen die genannten Vertragsbestimmungen Schadensersatz zuzubilligen

A - Prüfung der gemeinschaftsrechtlichen Grundlage für den Schadensersatzanspruch bei Verstoß gegen Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft

36. Unter den Problemen, die sich in der vorliegenden Rechtssache stellen, wirft die vierte Frage des vorlegenden Gerichts zweifellos das grundlegendste auf. Ich möchte die Frage ins Gedächtnis rufen: Ist das nationale Gericht nach Gemeinschaftsrecht befugt und/oder verpflichtet, bei Verstössen gegen die genannten Artikel des EGKS-Vertrags (und gegebenenfalls des EWG-Vertrags), Ersatz für die aufgrund dieser Verstösse entstandenen Schäden zuzubilligen? Drei Bemerkungen erscheinen mir erforderlich, bevor diese Frage untersucht werden kann: Erstens: Im folgenden gehe ich entsprechend den bisherigen Ergebnissen meiner Ausführungen (vorstehend Nrn. 8 und 9) davon aus, daß auf den vorliegenden Fall der EGKS-Vertrag Anwendung findet. Meine Untersuchung betrifft daher nicht die Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag, obwohl ich der Ansicht bin, daß die Ergebnisse einer solchen Untersuchung auf den vorliegenden Fall sehr wohl anwendbar wären. Zweitens: Ich werde meine Untersuchung ausschließlich auf die Frage nach Schadensersatz bei einem Verstoß gegen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts konzentrieren, die unmittelbare Wirkung entfalten. Zuvor bin ich ja zu dem Ergebnis gelangt, daß alle von dem vorlegenden Gericht genannten auf den vorliegenden Fall anwendbaren Bestimmungen des EGKS-Vertrags unmittelbar herangezogen werden können. Drittens: Ich werde mich ausschließlich auf die Frage nach der Haftung eines Unternehmens bei einem Verstoß gegen Vertragsbestimmungen mit unmittelbarer Wirkung konzentrieren. Die Problematik der Amtshaftung bei einem Verstoß gegen Vertragsbestimmungen mit unmittelbarer Wirkung, insbesondere die Einzelheiten der Forderung nach Ersatz des Schadens, der einem Rechtsbürger aufgrund einer gegen die Gemeinschaftsverträge verstossenden nationalen Regelung entstehen kann, werden hier nicht behandelt: Diese Frage stellt sich in zwei weiteren zur Zeit beim Gerichtshof anhängigen Rechtssachen, nämlich in den verbundenen Rechtssachen C-46/93 und C-48/93(89).

37. Ich möchte ganz kurz auf die Standpunkte der Verfahrensbeteiligten eingehen, die sich auch in diesem Punkt erheblich voneinander unterscheiden. Die Klägerin vertritt, u. a. gestützt auf das Urteil Francovich(90), die Ansicht, daß auch die genannte Schadensersatzforderung im Gemeinschaftsrecht begründet sei. Bei einem Verstoß gegen Vertragsbestimmungen mit unmittelbarer Wirkung muß nach ihrer Ansicht ein effektiver Rechtsschutz vor dem nationalen Gericht zur Verfügung stehen; die Zubilligung von Schadensersatz sei insbesondere wesentlich für die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, zumal dadurch Unternehmen von wettbewerbswidrigem Verhalten abgeschreckt würden. Auch die Kommission verweist auf das Urteil Francovich und leitet daraus her, daß das nationale Gericht aufgrund der Artikel 5 EWG-Vertrag bzw. 86 EGKS-Vertrag verpflichtet sei, Schadensersatz zuzubilligen; da der Gerichtshof in diesem Urteil die Schadensersatzpflicht im Falle von Richtlinienbestimmungen ohne unmittelbare Wirkung anerkannt habe, gelte diese Verpflichtung erst recht bei einem Verstoß gegen eine Vertragsbestimmung mit unmittelbarer Wirkung.

Zurückhaltender sind die Beklagte und die britische Regierung. Die Erstgenannte räumt ein, daß das nationale Gericht bei einem Verstoß gegen Bestimmungen des EWG-Vertrags mit unmittelbarer Wirkung Schadensersatz nach den gleichen Regeln, wie sie für rein nationalrechtliche Angelegenheiten gälten, zubilligen müsse; da jedoch keine der zur Debatte stehenden Bestimmungen des EGKS-Vertrags unmittelbare Wirkung entfalte, komme dies im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß es Sache des nationalen Gerichts sei, im Rahmen seines eigenen Rechts und entsprechend den Umständen des Einzelfalls, zu entscheiden, ob ein Verstoß gegen eine Vertragsbestimmung mit unmittelbarer Wirkung durch Schadensersatz sanktioniert werden müsse. Bestimmte Vorschriften, die das vorlegende Gericht anführe, entfalteten jedoch keine unmittelbare Wirkung und gewährten deshalb keine Rechte, so daß das nationale Gericht aufgrund des Gemeinschaftsrechts weder befugt noch verpflichtet sein könne, bei deren Verletzung Schadensersatz zuzubilligen.

38. Gibt es im Gemeinschaftsrecht eine Rechtsgrundlage für die Befugnis oder Verpflichtung des nationalen Gerichts, bei Verstoß gegen eine Vertragsbestimmung mit unmittelbarer Wirkung Schadensersatz zuzbilligen? Gestatten Sie mir gleichzeitig den Hinweis, daß nach ständiger Rechtsprechung

"die den einzelnen gegebene Möglichkeit, sich vor den innerstaatlichen Gerichten auf unmittelbar anwendbare Vertragsbestimmungen zu berufen, ... nur eine Mindestgarantie dar[stellt] und für sich allein nicht aus[reicht], um die uneingeschränkte Anwendung des EWG-Vertrags zu gewährleisten"(91).

Die unmittelbare Wirkung einer gemeinschaftlichen Vertragsbestimmung ist daher in den Augen des Gerichtshofes ein erstes, jedoch gewiß nicht das letzte Mittel in dem Instrumentarium, das das Gemeinschaftsrecht im Hinblick auf seine vollständige Anwendung und den dazu erforderlichen Rechtsschutz zur Verfügung stellt. Im Laufe der Zeit hat der Gerichtshof nicht nur die nationalen Gesetzgeber zur Erfuellung ihrer gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen angehalten(92), sondern insbesondere klargestellt, welche Rolle dem nationalen Gericht im Rahmen seiner Zuständigkeiten zukommt, damit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ihre volle Wirkung entfalten können. Diese Rolle liegt zunächst im Rahmen des Rechtsschutzes: Jedes nationale Gericht hat, so der Gerichtshof in seinem Urteil Simmenthal, "angerufen im Rahmen seiner Zuständigkeit, als Organ eines Mitgliedstaats, die Aufgabe ..., die Rechte zu schützen, die das Gemeinschaftsrecht den einzelnen verleiht"(93). Die Rechtsgrundlage für diese Verpflichtung ist nach ständiger Rechtsprechung, wie sie im Urteil Factortame I zusammengefasst worden ist, Artikel 5 EWG-Vertrag:

"Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes haben die innerstaatlichen Gerichte entsprechend dem in Artikel 5 EWG-Vertrag ausgesprochenen Grundsatz der Mitwirkungspflicht den Rechtsschutz zu gewährleisten, der sich für den einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts ergibt ..."(94)

Die genaue Bedeutung dieser Verpflichtung des nationalen Gerichts zur Gewährung von Rechtsschutz untersuche ich sogleich. Hier möchte ich nur kurz darauf hinweisen, daß der genannte Grundsatz zur Zusammenarbeit in vollem Umfang im EGKS-Rahmen gilt: Artikel 86 EGKS-Vertrag enthält nämlich, wie der Gerichtshof in seinem Urteil Francovich festgestellt hat (siehe unter Nr. 25) eine "ähnliche Bestimmung"(95), da er - bis auf einige geringfügige Unterschiede - die gleiche Verpflichtung der EGKS-Vertragsstaaten und somit ihrer Gerichte zu einer loyalen Zusammenarbeit enthält.

39. Der Gerichtshof hat die Verpflichtungen der nationalen Gerichte zu vollständiger Gewährung des vom Gemeinschaftsrecht verlangten Rechtsschutzes ständig klargestellt. Die bedeutendsten Meilensteine in diesem Zusammenhang sind die Urteile Simmenthal, Factortame I und Francovich.

Im Urteil Simmenthal hieß es,

"daß jeder im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene staatliche Richter verpflichtet ist, das Gemeinschaftsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es den einzelnen verleiht, zu schützen, indem er jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig, ob sie früher oder später als die Gemeinschaftsnorm ergangen ist, unangewendet lässt"(96).

Im Urteil Factortame I hat der Gerichtshof diese Rechtsprechung auf nationale prozeßrechtliche Vorschriften angewandt:

"Die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts würde auch dann abgeschwächt, wenn ein mit einem nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes Gericht durch eine Vorschrift des nationalen Rechts daran gehindert werden könnte, einstweilige Anordnungen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Gemeinschaftsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen. Ein Gericht, das unter diesen Umständen einstweilige Anordnungen erlassen würde, wenn dem nicht eine Vorschrift des nationalen Rechts entgegenstuende, darf diese Vorschrift somit nicht anwenden."(97)

Im Urteil Francovich hat der Gerichtshof schließlich einen entscheidenden Schritt unternommen, indem er aus der Systematik und den wesentlichen Grundsätzen des EWG-Vertrags (siehe im folgenden unter Nr. 40) abgeleitet hat, daß "der Grundsatz einer Haftung des Staates für Schäden, die dem einzelnen durch dem Staat zurechenbare Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, ... somit aus dem Wesen der mit dem EWG-Vertrag geschaffenen Rechtsordnung [folgt]".(98) Der Gerichtshof hat nämlich ausgeführt:

"Die volle Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen würde beeinträchtigt und der Schutz der durch sie begründeten Rechte gemindert, wenn der einzelne nicht die Möglichkeit hätte, für den Fall eine Entschädigung zu erlangen, daß seine Rechte durch einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht verletzt werden, der einem Mitgliedstaat zuzurechnen ist."(99)

40. Daß die im Urteil Francovich in Rede stehenden Gemeinschaftsbestimmungen in einer Richtlinie(100) enthalten waren und vom Gerichtshof nach eingehender Untersuchung nicht für unmittelbar anwendbar befunden wurden(101), kann natürlich kein Argument dafür sein, Schadensersatz bei einem Verstoß gegen Vertragsbestimmungen mit unmittelbarer Wirkung abzulehnen. Mit der Kommission erblicke ich vielmehr im Vorliegen der unmittelbaren Wirkung ein Erst-recht-Argument: Im Urteil Foster hat der Gerichtshof übrigens im Falle einer Richtlinienbestimmung mit unmittelbarer Wirkung entschieden, daß ein einzelner gegen den Staat (in sehr weitem Sinn: siehe im folgenden unter Nr. 41) einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verstosses gegen eine derartige Bestimmung geltend machen kann(102).

Man kann sich zwar die Frage stellen, ob sich die Präzedenzwirkung des Urteils Francovich auf Ansprüche erstreckt, die ein einzelner (oder ein Unternehmen) gegen einen anderen einzelnen (oder ein Unternehmen) auf Ersatz des Schadens geltend macht, der ihm aus dessen Verstoß gegen eine Vertragsbestimmung entsteht, die auch in den Beziehungen zwischen einzelnen unmittelbare Wirkung entfaltet. Der Gerichtshof hat in diesem Urteil nämlich ausdrücklich entschieden, daß es

"ein Grundsatz des Gemeinschaftsrechts [ist], daß die Mitgliedstaaten zum Ersatz der Schäden verpflichtet sind, die dem einzelnen durch Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, die diesen Staaten zuzurechnen sind"(103).

41. Diese Frage ist meines Erachtens zu bejahen, obwohl bemerkt sei, daß der Gerichtshof sie in der vorliegenden Rechtssache nach einem bewährten Rezept umgehen kann. Die Beklagte ist nämlich, wie sich gezeigt hat (Nr. 2), eine durch Gesetz errichtete Gesellschaft, die vollständig in Staatseigentum steht und eine Reihe gesetzlich festgelegter Rechte und Pflichten hat, zu denen ein grundsätzliches Monopol auf die Förderung und den Abbau von Kohle in Großbritannien gehört. In diesem Sinne fällt sie zweifellos unter den sehr weiten Begriff "Staat", den der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien entwickelt hat, nämlich

"eine Einrichtung, die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und die hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über das hinausgehen, was für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gilt".(104)

Eine solche Lösung empfehle ich dem Gerichtshof jedoch keineswegs. Sie würde ernstliche Zweifel daran fortbestehen lassen, ob es eine gemeinschaftsrechtliche Grundlage für Schadensersatzklagen wegen eines Verstosses gegen gemeinschaftsrechtliche Wettbewerbsregeln durch Privatunternehmen, für die diese Regeln in erster Linie gelten, gibt. Zudem erscheint mir die Unterscheidung Staat/einzelner so heikel und schwierig zu handhaben, zumal in Industriebereichen wie Kohle und Stahl, in denen staatliche Eingriffe in vielerlei Formen stattfinden, daß es nicht ratsam erscheint, sie hier entsprechend der Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien anzuwenden.

42. Daß das Urteil in der Rechtssache Francovich auch Präzedenzwirkung für die vorliegende Rechtssache hat, folgt meines Erachtens aus den grundsätzlichen Erwägungen, mit denen der Gerichtshof in den Randnummern 31 und 32 des Urteils den Grundsatz der Haftung des Staates aus dem "allgemeinen System und [den] wesentliche[n] Grundsätze[n] des EWG-Vertrags" ableitet(105):

"Der EWG-Vertrag hat eine eigene Rechtsordnung geschaffen, die in die Rechtsordnung in den Mitgliedstaaten aufgenommen worden und von den nationalen Gerichten anzuwenden ist. Rechtssubjekte dieser Rechtsordnung sind nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch der einzelne, dem das Gemeinschaftsrecht, ebenso wie es ihm Pflichten auferlegt, auch Rechte verleihen kann. Solche Rechte entstehen nicht nur, wenn der EWG-Vertrag dies ausdrücklich bestimmt, sondern auch aufgrund von eindeutigen Verpflichtungen, die der EWG-Vertrag dem einzelnen wie auch den Mitgliedstaaten und den Organen der Gemeinschaft auferlegt ...

Nach ständiger Rechtsprechung müssen die nationalen Gerichte, die im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden haben, die volle Wirkung dieser Bestimmungen gewährleisten und die Rechte schützen, die das Gemeinschaftsrecht dem einzelnen verleiht ..."

Diese allgemeinen Grundsätze werden vom Gerichtshof dann auf den Sachverhalt angewandt, daß ein Mitgliedstaat das Gemeinschaftsrecht verletzt und hierdurch einzelnen einen Schaden verursacht (Randnrn. 33 und 34)(106): Da das Gemeinschaftsrecht seine volle Wirkung nur dann entfaltet, wenn der einzelne wegen dieses Schadens Rückgriff auf den Staat nehmen kann, folgt der Grundsatz der Staatshaftung nach Ansicht des Gerichtshofes "aus dem Wesen der mit dem EWG-Vertrag geschaffenen Rechtsordnung"(107). Selbst die Verweisung auf Artikel 5 EWG-Vertrag wird vom Gerichtshof nur als zusätzliche Stütze der Staatshaftung ("findet auch ... eine Stütze") genannt(108).

43. Die allgemeine Grundlage, auf die der Gerichtshof im Urteil Francovich die Staatshaftung gestellt hat, gilt ebenfalls dann, wenn ein einzelner eine seiner Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht verletzt und hierdurch einem anderen einzelnen einen Schaden verursacht. Es handelt sich dann immer um die Situation, die der Gerichtshof auch in der zitierten Randnummer 31 des Urteils Francovich (und zuvor im Urteil Van Gend & Loos(109)) beschreibt, nämlich die Verletzung des Rechts eines einzelnen, das aufgrund einer Verpflichtung entsteht, die das Gemeinschaftsrecht einem anderen einzelnen auferlegt. Auch dann würde die volle Wirkung des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt, wenn der erstgenannte einzelne oder das erstgenannte Unternehmen nicht die Möglichkeit hätte, Schadensersatz von der Partei zu erlangen, der die Verletzung des Gemeinschaftsrechts zuzurechnen ist. Dies gilt selbstverständlich erst recht, wenn gegen eine Gemeinschaftsbestimmung mit unmittelbarer Wirkung verstossen wird. Der Gerichtshof hat hierzu bereits in seinem Urteil Simmenthal ausgeführt, daß solche Bestimmungen

"unmittelbare Quelle von Rechten und Pflichten für alle diejenigen [sind], die sie betreffen, einerlei, ob es sich um die Mitgliedstaaten oder um solche Einzelpersonen handelt, die an Rechtsverhältnissen beteiligt sind, welche dem Gemeinschaftsrecht unterliegen"(110).

Daß zu diesen Gemeinschaftsbestimmungen, die gegenüber dem einzelnen unmittelbare Wirkung entfalten, die Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag gehören, ist seit langem (insbesondere seit dem Urteil BRT I, vorstehend Nr. 30) allgemein bekannt; aus meinen bisherigen Ausführungen geht hervor, daß das gleiche für die Artikel 4, 65 § 1 und 66 § 7 EGKS-Vertrag gilt. Wenn ein Unternehmen, das diesen Bestimmungen unterliegt, gegen sie verstösst, kann ihm entsprechend den Entscheidungsgründen des Urteils Francovich dieser Verstoß zugerechnet werden, und es ist für den Schaden, der durch seinen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht verursacht wurde, haftbar zu machen.

44. Auf einem Gebiet wie dem Wettbewerbsrecht sprechen im übrigen starke zusätzliche Argumente für eine im Gemeinschaftsrecht verankerte Möglichkeit für Unternehmen, den Schaden ersetzt zu erhalten, den sie dadurch erleiden, daß andere Unternehmen ihren gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen. Ich nenne nur zwei davon.

Erstens bildet die Zubilligung eines solchen Schadensersatzanspruchs die logische Folge der horizontalen Direktwirkung der betreffenden Bestimmungen: Die Urteile Simmenthal und Factortame I (vorstehend Nr. 39) bieten nämlich keine Lösung, wenn ein nationales Gericht nicht über eine nationale Rechtsvorschrift zu befinden hat, die es unangewendet lassen kann, sondern über eine privatrechtliche Situation, in der ein oder mehrere Unternehmen gegen eine Wettbewerbsbestimmung verstossen und dadurch einem Dritten ein Schaden verursacht wird. Das nationale Gericht kann unter diesen Umständen die verletzten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen mit unmittelbarer Wirkung nur in der Weise in vollem Umfang wahren, daß die Rechte der geschädigten Partei durch Schadensersatz wiederhergestellt werden. Selbst die Feststellung der Nichtigkeit der Rechtsbeziehung zwischen den Parteien - für die sich im Gemeinschaftsrecht eine ausdrückliche Grundlage finden lässt(111) - kann den einem Dritten (bereits) entstandenen Schaden nicht wiedergutmachen.

Daneben kommt einer solchen Schadensersatzregelung eine wichtige Rolle bei einer wirksameren Gestaltung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsbestimmungen zu, zumal die Kommission als Hüterin dieser Bestimmungen selbst einräumt, daß sie bei der Durchsetzung der Bestimmungen auf die Mitwirkung des nationalen Gerichts angewiesen ist(112). Schadensersatzklagen von Privatpersonen haben übrigens auch in den Vereinigten Staaten seit einiger Zeit ihren Nutzen bei der Durchsetzung der bundesrechtlichen Anti-Trust-Bestimmungen bewiesen(113).

45. Aus dem Vorstehenden schließe ich, daß der Anspruch auf Ersatz des Schadens, der dadurch entstanden ist, daß ein Unternehmen gegen gemeinschaftliche Wettbewerbsvorschriften mit unmittelbarer Wirkung verstösst, seine Grundlage in der Gemeinschaftsrechtsordnung selbst findet. Aufgrund seiner Verpflichtung, die volle Wirkung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und die Rechte zu schützen, die dem einzelnen nach diesem Recht verliehen werden, ist ein nationales Gericht entsprechend verpflichtet, Ersatz des Schadens zuzubilligen, der einem Unternehmen infolge eines Verstosses gegen eine gemeinschaftliche Wettbewerbsbestimmung mit unmittelbarer Wirkung durch ein anderes Unternehmen entsteht.

B - Einzelheiten einer Schadensersatzklage wegen Verstosses gegen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts

46. Daß dem genannten Anspruch eine gemeinschaftsrechtliche Grundlage verschafft wird, hat zwei bedeutsame Folgen. Erstens ist es sonach Sache des Gerichtshofes, die Einzelheiten der betreffenden Schadensersatzklagen klarzustellen. Auf diese Problematik möchte ich sogleich eingehen: Obwohl das nationale Gericht dem Gerichtshof nur die grundsätzliche Frage nach der richterlichen Verpflichtung zur Zubilligung von Schadensersatz vorgelegt hat, erscheint es mir für die Erledigung des Ausgangsverfahrens sinnvoll, zunächst die Voraussetzungen ins Gedächtnis zu rufen, die die vom nationalen Gericht dem einzelnen zu verschaffende Wiedergutmachung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes erfuellen muß (im folgenden unter Nr. 48). Sodann werde ich prüfen, ob sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere im Zusammenhang mit Artikel 215 EWG-Vertrag, auch Leitlinien für die besonderen Anspruchsvoraussetzungen in bezug auf die Begriffe Schaden und Schadensersatz im Rahmen von Wettbewerbsangelegenheiten ableiten lassen (im folgenden unter Nrn. 49 ff.).

Nicht weniger bedeutsam, so meine ich, ist eine zweite Folge: Wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts findet die in den Urteilen Simmenthal und Factortame I entwickelte Rechtsprechung (vorstehend unter Nr. 39) auch hier Anwendung. Mit anderen Worten, das nationale Gericht muß Bestimmungen seines nationalen Rechts unangewendet lassen, wenn diese eine vollständige Geltendmachung des gemeinschaftsrechtlichen Schadensersatzanspruchs, wie er vom Gerichtshof definiert worden ist, verhindern. Dies bedeutet insbesondere, daß die vom Gerichtshof aufgestellten Anspruchsvoraussetzungen "ein wirksames Zustandekommen neuer staatlicher Gesetzgebungsakte insoweit [verhindern], als diese mit Gemeinschaftsnormen unvereinbar wären"(114).

47. Beide Gesichtspunkte erhellen den erheblichen Fortschritt, den die gemeinschaftsrechtliche Grundlage der in Rede stehenden Schadensersatzklagen für das Gemeinschaftsrecht bedeutet. Lange Zeit wurde nämlich davon ausgegangen, daß Verstösse gegen die EGKS- oder EWG-Wettbewerbsbestimmungen vor den nationalen Gerichten ausschließlich aufgrund der anwendbaren privatrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten angefochten werden könnten und daß die in diesem Zusammenhang geltenden Beschränkungen deshalb ebenso für die Durchsetzung dieser Wettbewerbsbestimmungen gälten(115). Es bedarf keiner Erörterung, daß eine Verweisung auf das nationale Recht, obwohl dies in verschiedenerlei Hinsicht dem Gemeinschaftsrecht eine starke Unterstützung gewährt(116), erhebliche Gefahren für die einheitliche und somit wirksame Anwendung dieses Rechts aufweist, wenn zu viele Einzelheiten dem nationalen Recht überlassen werden(117). Die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist aber nach Ansicht des Gerichtshofes in seinem Urteil Zuckerfabrik Süderdithmarschen "ein Grunderfordernis der gemeinschaftlichen Rechtsordnung"(118).

Indem Schadensersatzklagen wegen Verstosses gegen (Wettbewerbs-) Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts eine Grundlage im Gemeinschaftsrecht selbst verschafft wird, entsteht übrigens eine stärkere Wechselwirkung zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht, während diese Beziehung vorher in einer ausschließlichen Abhängigkeit des Gemeinschaftsrechts von den Durchsetzungsmechanismen des nationalen Rechts bestand(119).

1. Gemeinschaftlich geregelte Mindestvoraussetzungen für die Wiedergutmachung durch das nationale Gericht

48. Der Gerichtshof hat in seinem Urteil Francovich ausdrücklich bestätigt, daß im Falle einer gemeinschaftsrechtlichen Schadensersatzklage die Folgen des verursachten Schadens "im Rahmen des nationalen Haftungsrechts" zu beheben sind(120). Er hat nämlich ausgeführt:

"Mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung ist es nämlich Sache der nationalen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und das Verfahren für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten soll ..."(121) Damit hat der Gerichtshof eine ständige Rechtsprechung bestätigt, die beim Fehlen gemeinschaftlicher Harmonisierungsbestimmungen für die Geltendmachung der vom Gemeinschaftsrecht zugebilligten Rechte auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten verweist(122). Unbeschadet dieses Ausgangspunkts geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes eine deutliche Tendenz hervor, eine Reihe von Mindestvoraussetzungen aufzustellen, denen die nationalen Bestimmungen genügen müssen. Ich nenne die wichtigsten.

- Erstens hat der Gerichtshof anerkannt, daß der Anspruch auf wirksamen rechtlichen Schutz gegen Handlungen, die gegen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts verstossen - mit anderen Worten, die Möglichkeit eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes - ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist(123). Obwohl das Gemeinschaftsrecht selbst neben den bereits im nationalen Recht bestehenden Rechtsmitteln keine anderen gerichtlichen Möglichkeiten zu seiner Durchsetzung vorsehen wollte, setzt das gemeinschaftliche Rechtsschutzsystem voraus, "daß es möglich sein muß, zur Gewährleistung der Beachtung unmittelbar wirkenden Gemeinschaftsrechts von jeder im nationalen Recht vorgesehenen Klagemöglichkeit unter denselben Zulässigkeits- und sonstigen Verfahrensvoraussetzungen Gebrauch zu machen, wie wenn es sich um die Gewährleistung der Beachtung des nationalen Rechts handelte"(124).

- Sodann dürfen die materiellen und formellen Voraussetzungen (einschließlich also der Zuständigkeits- und der prozeßrechtlichen Bestimmungen), die die nationalen Rechtssysteme bezueglich auf Gemeinschaftsrecht beruhender Forderungen enthalten, nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen innerstaatlichen Ansprüchen, und sie dürfen nicht so ausgestaltet sein, daß sie die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen(125). Im Urteil Francovich hat der Gerichtshof diese Rechtsprechung ausdrücklich auf das "Schadensersatzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten" angewandt und dabei klargestellt, daß es die nationalen Bestimmungen nicht "praktisch unmöglich machen oder übermässig erschweren [dürfen], die Entschädigung zu erlangen"(126).

- Ferner dürfen es die nationalen Beweisvorschriften nicht praktisch unmöglich oder übermässig schwierig machen, die vom Gemeinschaftsrecht verlangte Wiedergutmachung zu erreichen, insbesondere durch Vermutungen oder Beweisregeln, die dem Betroffenen eine unangemessen schwere Beweislast auferlegen, oder durch besondere Beschränkungen hinsichtlich der Form der zu erbringenden Beweise, wie den Ausschluß aller Beweismittel ausser dem Urkundenbeweis(127).

- Die vom nationalem Recht gesetzten Klagefristen, innerhalb deren ein auf das Gemeinschaftsrecht gestützter Anspruch geltend gemacht werden muß und nach deren Ablauf der Anspruch verfällt, müssen angemessen sein(128); jedenfalls kann ein Mitgliedstaat sie einem einzelnen nicht entgegenhalten, solange dieser Mitgliedstaat der betreffenden Gemeinschaftsbestimmung nicht nachgekommen ist(129).

- Das Gemeinschaftsrecht verwehrt es einem nationalen Gericht jedoch nicht, nach seinem nationalen Recht darüber zu wachen, daß der Schutz der von der Gemeinschaftsrechtsordnung gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führt(130).

2. Einheitliche Haftungsvoraussetzungen bei Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht

49. Vor allem zu den Einzelheiten einer Schadensersatzklage liegt die gesamte Rechtsprechungsentwicklung noch vor dem Gerichtshof. Jedoch lassen sich aus der bisherigen Rechtsprechung insbesondere zur ausservertraglichen Haftung der Gemeinschaft nach Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag bereits eine Reihe von Grundsätzen ableiten. Daß diese Rechtsprechung auch für die vorliegende Problematik gilt, scheint mir ausser Zweifel zu stehen: Die Kriterien, die der Gerichtshof in diesem Rahmen entwickelt hat, beruhen nämlich im Sinne von Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag auf den "allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind", und gelten deshalb für alle Formen der ausservertraglichen Haftung(131).

Bevor ich darauf eingehe, möchte ich zu der Präzedenzwirkung des Urteils Francovich auf die vorliegende Frage folgendes ausführen. Obwohl sich diese Präzedenzwirkung, wie bereits ausgeführt worden ist, unbedingt auf den Grundsatz der Haftung der Gemeinschaft selbst erstreckt (siehe vorstehend Nrn. 42 und 43), gilt dies meines Erachtens nicht unbeschränkt für die in diesem Urteil entwickelten Haftungsvoraussetzungen. Dies ergibt sich aus dem nuancierten Standpunkt, den der Gerichtshof selbst in diesem Urteil eingenommen hat: Er entschied ausdrücklich, daß "die Voraussetzungen, unter denen diese gemeinschaftsrechtlich gebotene Staatshaftung einen Entschädigungsanspruch eröffnet, ... von der Art des Verstosses gegen das Gemeinschaftsrecht ab[hängen], der dem verursachten Schaden zugrunde liegt(132)", und beschränkte sich im folgenden auf die Haftungsvoraussetzungen im Falle des Verstosses eines Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtung aus Artikel 189 Absatz 3 EWG-Vertrag, alle erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung des durch eine Richtlinie vorgeschriebenen Ziels zu erlassen(133).

50. In seiner Rechtsprechung zu Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag hat der Gerichtshof aus den allgemeinen Grundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind, abgeleitet, daß für eine Haftung der Gemeinschaft drei Voraussetzungen erfuellt sein müssen: Diese sind das Vorliegen eines Schadens, der Kausalzusammenhang zwischen dem der Gegenpartei zur Last gelegten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden sowie die Rechtswidrigkeit des der Gegenpartei zur Last gelegten Verhaltens(134). Diese Haftungsvoraussetzungen gelten meines Erachtens in vollem Umfang für Klagen aufgrund von Verstössen gegen gemeinschaftsrechtliche Wettbewerbsbestimmungen mit unmittelbarer Wirkung. Ich werde sie im folgenden behandeln.

51. Das Vorliegen eines Schadens. Diejenige Partei, die sich auf die Haftung beruft, muß den Beweis dafür erbringen, daß ihr ein Schaden entstanden ist. Das Merkmal "Schaden" ist zwar im Urteil Francovich nicht unter den Voraussetzungen der Staatshaftung aufgeführt(135), höchstwahrscheinlich, weil das Schadenserfordernis in den betreffenden Rechtssachen offensichtlich erfuellt war (nämlich die unterbliebene Befriedigung der Lohnansprüche von Arbeitnehmern durch ihren in Konkurs geratenen Arbeitgeber), und wird auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Artikel 215 EWG-Vertrag kaum erläutert. Dieser Rechtsprechung lassen sich jedoch folgende Einzelheiten entnehmen. Erstens muß ein tatsächlicher Schaden(136) eingetreten seien. Ein bloß spekulativer Schaden ist deshalb nicht ausreichend(137), obwohl für die Feststellung der Haftung ein "unmittelbar bevorstehende[r] und mit hinreichender Sicherheit vorhersehbare[r]" Schaden ausreicht, "auch wenn [dieser] noch nicht genau beziffert werden kann"(138). Nach Ansicht des Gerichtshofes kann es sich nämlich "zur Verhinderung noch bedeutenderer Schäden ... als zweckmässig erweisen, das Gericht bereits dann anzurufen, wenn die Schadensursache feststeht. Diese Feststellung wird durch die in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten bestehenden Vorschriften bestätigt: Die meisten dieser Rechtsordnungen - wenn nicht alle - lassen eine Haftungsklage bei einem künftigen Schaden zu, wenn dessen Entstehung hinreichend gewiß ist"(139).

Zweitens ist bei der Berechnung der Höhe des zu ersetzenden Schadens, so hat der Gerichtshof in seinem vor kurzem ergangenen Urteil Mulder und Heinemann entschieden, "wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen - der entgangene Gewinn zur berücksichtigen"(140). Im selben Urteil hat der Gerichtshof damit eine dem Geschädigten obliegende Schadensbegrenzungspflicht verknüpft: Er hat nämlich ausgeführt, daß die Rechtssysteme der Mitgliedstaaten einen gemeinsamen Grundsatz haben, "wonach der Geschädigte sich in angemessener Form um die Begrenzung des Schadensumfangs bemühen muß, wenn er nicht Gefahr laufen will, den Schaden selbst tragen zu müssen"(141). Bei der Berechnung des Schadens muß allerdings entsprechend dem zuvor (Nr. 48) dargelegten Verbot der unrechtmässigen Bereicherung einer möglichen Abwälzung des Schadens durch das klagende Unternehmen über die Verkaufspreise Rechnung getragen werden(142).

Der Gerichtshof hat sich auch zu den Methoden der Schadensbemessung geäussert: Im Urteil Société Anonyme des Laminoirs hat er ausgeführt, daß in Fällen, in denen die einzig brauchbare Methode zur Bemessung des durch einen Amtsfehler verursachten Schadens in der Ermittlung der Lage besteht, die bestanden hätte, wenn der Fehler nicht unterlaufen wäre, "es die in wirtschaftlichen Untersuchungen üblicherweise angewandten Stichprobenverfahren [dem Gericht erlauben], ausgehend von ausreichend zuverlässigen Grundlagen annehmbare Näherungswerte zu erzielen"(143).

Was schließlich den Nachweis des Schadens angeht, hat der Gerichtshof entschieden, daß die Rechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten in bezug auf ausservertragliche Haftung "allgemein dadurch gekennzeichnet [sind], daß das Gericht in der Würdigung aller ihm vorgelegten Beweisstücke frei ist"(144).

52. Der Kausalzusammenhang zwischen Rechtsverletzung und Schaden. Sowohl die Rechtsprechung zu Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag als auch das Urteil Francovich(145) verlangen einen Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht und dem dem Geschädigten entstandenen Schaden. Im übrigen hat der Gerichtshof diese Kausalitätsvoraussetzung nicht näher erläutert. Der Gerichtshof hat jedoch im Urteil Dumortier Frères ausgeführt, daß dann, wenn der Schaden (in diesem Fall die Schließung eines Unternehmens) zwar durch den in Rede stehenden Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht (unterbliebene Erstattungen) verursacht wurde, jedoch keine unmittelbare Folge des betreffenden rechtswidrigen Verhaltens war, keine Haftung eintritt: Die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze, auf die Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag verweist, können daher nicht herangezogen werden, "um eine Verpflichtung zum Ersatz für jede auch noch so entfernte nachteilige Folge rechtswidriger Vorschriften stützen"(146). Dies schließt an die Rechtsprechung zur Haftung der Gemeinschaft aufgrund von Artikel 40 EGKS-Vertrag an: Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang wiederholt entschieden, daß die Haftung nur in Betracht kommt, wenn die Klagepartei einen unmittelbaren Kausalzusammenhang ("un lien immédiat de cause à effet") zwischen dem gerügten Amtsfehler und dem entstandenen Schaden nachweist(147).

53. Rechtswidrigkeit des gerügten Verhalten. Hierzu kann ich mich an dieser Stelle verhältnismässig kurz fassen. Da diesem Erfordernis im vorliegenden Fall genügt ist, reicht es aus, daß ein Unternehmen die unmittelbar wirkenden Bestimmungen des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts verletzt. Von der Anwendung eines für die denjenigen, der diese Verhaltensweise an den Tag legt, günstigeren Kriteriums, wie es der Gerichtshof in Rechtssachen nach Artikel 215 bei der Ausübung eines weiten Ermessens durch Behörden angewandt hat, und zwar, daß "eine hinreichend qualifizierte Verletzung einer höherrangigen, die einzelnen schützenden Rechtsnorm"(148) vorliegen muß, kann hier nicht gesprochen werden: Die fraglichen Wettbewerbsbestimmungen enthalten nämlich genaue und unmittelbar wirkende Verpflichtungen, die dazu führen, daß für den einzelnen Rechte entstehen (siehe vorstehend Nr. 43)(149). Sobald objektiv ein Verstoß gegen eine derartige Bestimmung vorliegt, ist eine Schadensersatzklage aufgrund des Gemeinschaftsrechts möglich, ohne daß hiergegen dem nationalen Recht entlehnte Rechtfertigungsgründe in Anspruch genommen werden können. Genau wie der Gerichtshof im Urteil Decker(150) in bezug auf das Diskriminierungsverbot in den Artikeln 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates(151) betreffend die "Gleichbehandlung von Männern und Frauen" entschieden hat, können die im Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft enthaltenen Verbote nicht vom Nachweis eines Verschuldens oder dem Fehlen von Rechtfertigungsgründen abhängig gemacht werden. Diese Verbote sollen nämlich einen unverfälschten Wettbewerb und die Wettbewerbsfreiheit der auf dem Gemeinsamen Markt tätigen Unternehmen gewährleisten, wobei es auf die Wirkung der verbotenen Verhaltensweisen und nicht auf die Absicht der Urheber dieser Verhaltensweisen ankommt(152).

54. Schadensersatz und Zinsen. Insbesondere zum Aspekt des Schadensersatzes hat die Rechtsprechung vor kurzem einige wichtige Entwicklungen erfahren. Zur Anwendung von Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag hat der Gerichtshof in dem bereits zitierten Urteil Mulder und Heinemann ausgeführt, daß "die Höhe der von der Gemeinschaft geschuldeten Entschädigungen ... dem von der Gemeinschaft verursachten Schaden entsprechen" muß(153). Damit hat er deutlich zu erkennen gegeben, daß der Schadensersatz vollständig sein muß, d. h., daß er sich auf die Wiedergutmachung der durch das unrechtmässige Verhalten verursachten Vermögenseinbusse erstrecken muß (sogenannte restitutio in integrum)(154). Implizit ist dieser Grundsatz bereits seit einiger Zeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofes verankert: Er ergibt sich aus der ständigen Beschlusspraxis beim Erlaß einstweiliger Anordnungen, wonach der Präsident einen finanziellen Schaden nur dann als schwer und nicht wiedergutzumachend ansieht (und zu dessen Verhinderung einstweilige Anordnungen erlässt), wenn der Schaden "im Falle eines Obsiegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren nicht vollständig ersetzt werden könnte"(155). Dies ergibt sich auch aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes seit 1979 - als er zu dem Ergebnis gelangte, daß nach den den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätzen "ein Zinsanspruch grundsätzlich gegeben" ist -, nach der von dem geschuldeten Entschädigungsbetrag Verzugszinsen vom Tag der Verkündung des Urteils an zu zahlen sind, durch das die Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt wird(156).

In diesem Zusammenhang ist auch die Rechtsprechung zum Schadensersatz als Sanktion für Verstösse gegen die vorstehend (Nr. 53) bereits genannte Richtlinie 76/207 anzuführen. Im Urteil Von Colson und Kamann hat der Gerichtshof entschieden, daß, auch wenn die Richtlinie keine bestimmte Sanktion vorschreibt, die Sanktion dennoch geeignet sein muß, einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten, und eine wirklich abschreckende Wirkung haben muß, was dazu führt, daß, wenn sich der Mitgliedstaat dafür entscheidet, als Sanktion für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in der Richtlinie eine Entschädigung zu gewähren, diese jedenfalls in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muß und nicht rein symbolisch sein darf(157).

In dem vor kurzem erlassenen Urteil Marshall II hat der Gerichtshof im Falle einer diskriminierenden Entlassung hierzu ausgeführt:

"Wird als Maßnahme zur Erreichung des vorstehend beschriebenen Ziels [einer tatsächlichen Chancengleichheit] die finanzielle Wiedergutmachung gewählt, so muß diese angemessen in dem Sinne sein, daß sie es erlaubt, die durch die diskriminierende Entlassung tatsächlich entstandenen Schäden gemäß den anwendbaren staatlichen Regeln in vollem Umfang auszugleichen"(158).

Aus dieser vollständigen Schadensersatzpflicht hat der Gerichtshof zudem zwei wichtige Grundsätze in bezug auf die Einzelheiten der Entschädigung abgeleitet. Erstens hat er die Festlegung einer Obergrenze für die Entschädigung nicht als ordnungsgemässe Durchführung der Richtlinie 76/207 erachtet, "da sie den Entschädigungsbetrag von vornherein auf einem Niveau festsetzt, das nicht notwendig dem Erfordernis entspricht, durch eine angemessene Wiedergutmachung des durch die diskriminierende Entlassung entstandenen Schadens tatsächliche Chancengleichheit zu gewährleisten"(159). Zweitens hat der Gerichtshof die Frage, ob auf den Hauptbetrag der Entschädigung vom Tag der Diskriminierung bis zum Tag der Zahlung der Entschädigung Zinsen geschuldet sind, bejaht: Es "genügt die Feststellung, daß für die völlige Wiedergutmachung des durch eine diskriminierende Entlassung entstandenen Schadens nicht von Umständen abgesehen werden kann, die, wie der Zeitablauf, den tatsächlichen Wert der Wiedergutmachung verringern können. Die Zuerkennung von Zinsen nach den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften ist daher als unerläßlicher Bestandteil einer Entschädigung anzusehen, die die Wiederherstellung tatsächlicher Gleichbehandlung ermöglicht."(160)

Ich meine, daß diese Rechtsprechung in vollem Umfang auf die Verletzung gemeinschaftsrechtlicher Wettbewerbsverbote Anwendung findet. Wie ich bereits (Nr. 53) ausgeführt habe, dienen diese Verbote der Gewährleistung eines Systems des unverfälschten Wettbewerbs und der Wettbewerbsfreiheit der auf dem Gemeinsamen Markt tätigen Unternehmen, und ein Verstoß gegen dieses System muß vollständig wiedergutgemacht werden.

VI - Bedeutung einer von der Kommission in einem vergleichbaren Wettbewerbsverfahren erlassenen Entscheidung für das nationale Gericht

55. Die fünfte und die sechste Frage des vorlegenden Gerichts (für den Wortlaut siehe Nr. 6) werfen das Problem des Verhältnisses zwischen der Rolle der Kommission als Kartellbehörde im Rahmen des EGKS-Vertrags und der Rolle des nationalen Gerichts auf.

Die Antwort auf die fünfte Frage ergibt sich aus der Untersuchung der dritten und der vierten Frage. Es wurde festgestellt, daß die Artikel 4, 65 § 1 und 66 § 7 unmittelbare Wirkung entfalten und daß das nationale Gericht nach dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet ist, Schadensersatz mit dem Ziel einer möglichst vollständigen Wiedergutmachung für die in ihren Rechten verletzten Beteiligten zuzubilligen. Der Vollzug der in den betreffenden Vertragsbestimmungen angegebenen Schritte oder Verfahren und die Ausschöpfung etwaiger anderer im EGKS-Vertrag vorgesehener Rechtsbehelfe - insbesondere der Untätigkeitsklage nach Artikel 35 EGKS-Vertrag - ist keine Voraussetzung hierfür; dies würde im übrigen darauf hinauslaufen, daß die unmittelbare Wirkung der genannten Bestimmungen beeinträchtigt und die Interessen des einzelnen, deren Wahrung Aufgabe der nationalen Gerichte im Zusammenhang damit ist, verletzt würden(161).

56. Heikler ist die sechste Frage, mit der das nationale Gericht Auskunft über die Bindungswirkung einer Entscheidung der Kommission in Wettbewerbssachen gegenüber dem nationalen Gericht begehrt, und zwar sowohl im Hinblick auf die in der Entscheidung getroffenen Tatsachenfeststellungen als auch im Hinblick auf die von der Kommission vorgenommene Auslegung von Artikeln des EGKS-Vertrags. Für eine richtige Beantwortung dieser Fragen ist es meines Erachtens notwendig, an die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu der Rolle der Kommission und des nationalen Gerichts bei der Durchsetzung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsbestimmungen zu erinnern. Obwohl diese Rechtsprechung die EWG-Wettbewerbsvorschriften betrifft, ist sie meines Erachtens angesichts der Gleichheit der einschlägigen EGKS-und EWG-Bestimmungen (vorstehend Nrn. 30 bis 35) sowie der Notwendigkeit der Kohärenz bei ihrer Anwendung in vollem Umfang auf die EGKS-Wettbewerbsbestimmungen anwendbar.

A - Die Rolle der Kommission bzw. des nationalen Gerichts bei der Durchsetzung gemeinschaftlicher Wettbewerbsbestimmungen

57. Der Gerichtshof hat wiederholt über die Aufgabenverteilung zwischen der Kommission und dem nationalen Gericht bei der Durchsetzung der Wettbewerbsbestimmungen der Gemeinschaft entschieden(162). Zuletzt und systematisch ist dies im Urteil Delimitis erfolgt:

"Hierzu ist zunächst festzustellen, daß die Kommission für die Durchführung und die Ausrichtung der Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft verantwortlich ist. Sie hat vorbehaltlich der Nachprüfung durch das Gericht erster Instanz und den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Einzelfallentscheidungen nach den geltenden Verfahrensregelungen zu treffen und Freistellungsverordnungen zu erlassen. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe ist notwendigerweise mit komplexen Beurteilungen wirtschaftlicher Art verbunden, insbesondere wenn zu beurteilen ist, ob eine Vereinbarung unter Artikel 85 Absatz 3 fällt. Gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 ... ist ausschließlich die Kommission zum Erlaß von Entscheidungen zur Durchführung des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag befugt.

Dagegen verfügt die Kommission nicht über die ausschließliche Befugnis zur Anwendung der Artikel 85 Absatz 1 und 86. Sie teilt insoweit die Befugnis zur Anwendung dieser Bestimmung mit den nationalen Gerichten. Wie der Gerichtshof nämlich in dem Urteil vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 127/73 (BRT, Slg. 1974, 51) ausgeführt hat, erzeugen die Artikel 85 Absatz 1 und 86 in den Beziehungen zwischen einzelnen unmittelbare Wirkungen und lassen unmittelbar in deren Person Rechte entstehen, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben."(163)

Die im vorhergehenden Absatz beschriebene Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und dem nationalen Gericht kann bei der konkreten Anwendung der Wettbewerbsbestimmungen der Gemeinschaft zu kollidierenden Entscheidungen führen. Der Gerichtshof hat hierzu im Urteil Delimitis ausgeführt, daß

"die Gefahr besteht, daß diese nationalen Gerichte Entscheidungen erlassen, die im Gegensatz zu denjenigen stehen, die die Kommission zur Anwendung der Artikel 85 Absatz 1 und 86 wie auch des Artikels 85 Absatz 3 getroffen hat oder zu treffen beabsichtigt. Solche gegensätzlichen Entscheidungen stuenden im Widerspruch zu dem allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit. Sie sind daher zu vermeiden, wenn die nationalen Gerichte über Vereinbarungen oder Praktiken befinden, zu denen noch eine Entscheidung der Kommission ergehen kann."(164)

Der Gerichtshof hat daher dem nationalen Gericht geraten, "um die Notwendigkeit einer Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen mit seiner Pflicht zur Entscheidung über das Begehren der sich auf die Nichtigkeit der Vereinbarung berufenden Prozesspartei in Einklang zu bringen", folgende Erwägungen heranzuziehen:

Sind die Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 1 offensichtlich nicht erfuellt und besteht somit kaum die Gefahr einer anderslautenden Entscheidung der Kommission, so kann das nationale Gericht das Verfahren fortsetzen und über die streitige Vereinbarung entscheiden. Ebenso verhält es sich, wenn die Unvereinbarkeit der Vereinbarung mit Artikel 85 Absatz 1 ausser Zweifel steht und unter Berücksichtigung der Freistellungsverordnungen und der bisherigen Entscheidungspraxis der Kommission für den Vertrag keinesfalls eine Freistellungsentscheidung gemäß Artikel 85 Absatz 3 in Betracht kommt(165).

Gelangt das nationale Gericht unter Berücksichtigung der Verordnungs- und Entscheidungspraxis der Kommission zu der Auffassung, daß der Vertrag gegebenenfalls für eine Freistellungsentscheidung gemäß Artikel 85 Absatz 3 in Betracht kommt, oder stellt es fest, daß im Rahmen der Anwendung der Artikel 85 Absatz 1 und 86 die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht, so kann es beschließen, nach Maßgabe seines nationalen Verfahrensrechts das Verfahren auszusetzen oder einstweilige Maßnahmen zu treffen. Es kann sich dann nach Maßgabe des einschlägigen nationalen Verfahrensrechts bei der Kommission nach dem Stand des von dieser gegebenenfalls eingeleiteten Verfahrens sowie nach dessen zu erwartendem Ablauf erkundigen; unter denselben Voraussetzungen kann es Kontakt mit der Kommission aufnehmen, wenn die konkrete Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 oder des Artikels 86 besondere Schwierigkeiten bereitet, um die wirtschaftlichen und rechtlichen Auskünfte zu erlangen, die die Kommission ihm erteilen kann(166).

In jedem Fall kann das nationale Gericht das Verfahren aussetzen und den Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag um Vorabentscheidung ersuchen(167).

Die Kommission übernahm diese Grundsätze vollständig in ihrer vor kurzem veröffentlichten "Bekanntmachung über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag"(168). Unter Nr. 45 wird zwar erklärt, daß sich diese Bekanntmachung nicht auf die Wettbewerbsregeln des EGKS-Vertrags beziehe, diese Unterscheidung ist jedoch, so hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, nur durch die zwischen den EWG- und den EGKS-Bestimmungen bestehenden verfahrensrechtlichen Unterschiede (insbesondere, weil die Verordnung Nr. 17 nur für EWG-Angelegenheiten gelte) veranlasst: Dies verhindere jedoch nicht, so hat die Kommission hinzugefügt, daß die Bekanntmachung entsprechend auch für die Anwendung der EGKS-Bestimmungen gelte.

B - Inwieweit ist das nationale Gericht an die tatsächlichen und/oder rechtlichen Feststellungen in einer Entscheidung der Kommission gebunden?

58. Die Standpunkte der Beteiligten weichen in diesem Punkt ebenfalls stark voneinander ab. Am einen Ende des Spektrums befindet sich die Klägerin, nach deren Ansicht eine Entscheidung der Kommission gegenüber dem nationalen Gericht weder rechtlich noch tatsächlich eine Bindungswirkung entfaltet; am anderen Ende steht die Beklagte, die eine Entscheidung sowohl rechtlich als auch tatsächlich als bindend erachtet. Die Erklärungen der britischen Regierung und der Kommission liegen dazwischen. Die Regierung macht geltend, daß eine Entscheidung der Kommission in bezug auf die Tatsachenfeststellungen - beispielsweise die Feststellung, daß bestimmte Preispraktiken gegen Kapitel V des Dritten Titels des EGKS-Vertrags verstießen - für das nationale Gericht bindend seien; das nationale Gericht sei jedoch nicht an die Auslegung des EGKS-Vertrags gebunden, die die Kommission im Rahmen der Begründung in ihren Entscheidungen vornehme, wohl aber könnten sich die Parteien zur Stützung ihres Vorbringens darauf berufen, und das Gericht könne diese Auslegung berücksichtigen. Die Kommission schließlich führt aus, daß ihre Entscheidungen zwar in bezug auf rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte keine Bindungswirkung gegenüber dem nationalen Gericht entfalteten, letzteres jedoch nicht befugt sei, eine solche Entscheidung für nichtig zu erklären; das nationale Gericht müsse zudem, um die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, bestrebt sein, Entscheidungen der Kommission in Wettbewerbsangelegenheiten zu berücksichtigen, und erforderlichenfalls durch eine Vorlage an den Gerichtshof alles Notwendige unternehmen, um die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen auszuschalten.

59. Die Antwort muß meines Erachtens abgestuft sein. Ausgangspunkt ist die Unterscheidung, die der Gerichtshof im Urteil Delimitis (vorstehend Nr. 57) zwischen der ausschließlichen Befugnis der Kommission gemäß Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag (im EGKS-Zusammenhang Artikel 65 § 2 EGKS-Vertrag), das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 (bzw. Artikel 65 § 1) für nicht anwendbar zu erklären, und der Befugnis, die sie mit dem nationalen Richter teilt, nämlich, die Artikel 85 Absatz 1 und 86 (bzw. die Artikel 65 § 1 und 66 § 7 EGKS-Vertrag) anzuwenden. Konkret bedeutet dies, daß in Fällen, in denen die Kommission aufgrund der genannten ausschließlichen Befugnis das Verbot in Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag oder Artikel 65 § 1 EGKS-Vertrag für nicht anwendbar erklärt, das nationale Gericht an die Freistellungsentscheidung gebunden ist. Erst wenn die Kommission die betreffende Entscheidung widerrufen oder das Gemeinschaftsgericht diese Handlung für nichtig erklären sollte, entfällt deren Bindungswirkung(169).

60. Ganz anders ist die Lage, wenn die Kommission durch ein Schreiben ihrer Verwaltung oder sogar ein Negativattest(170), mitteilt, daß sie nicht beabsichtige, gegen bestimmte Abmachungen nach Artikel 85 Absatz 1 (bzw. Artikel 65 § 1 EGKS-Vertrag) vorzugehen, oder umgekehrt, eine Entscheidung erlässt, mit der ein Verstoß gegen diesen Artikel festgestellt wird. Zum erstgenannten Fall hat der Gerichtshof in den "Parfüm"-Rechtssachen ausgeführt, daß ein solches Schreiben der Verwaltung "die innerstaatlichen Gerichte, vor denen die Unvereinbarkeit der fraglichen Vereinbarungen mit Artikel 85 geltend gemacht wird, nicht daran [hindert], aufgrund der ihnen vorliegenden Tatsachen eine andere Beurteilung dieser Vereinbarung vorzunehmen"(171).

Er hat jedoch hinzugefügt:

"Die in derartigen Schreiben mitgeteilte Ansicht bindet zwar die innerstaatlichen Gerichte nicht; sie stellt aber einen tatsächlichen Umstand dar, den diese Gerichte bei ihrer Prüfung der Frage, ob die betreffenden Vereinbarungen und Verhaltensweisen mit Artikel 85 vereinbar sind, berücksichtigen können."(172)

Komplexer, jedoch nicht grundlegend anders, ist die Lage im zweiten Fall, wenn die Kommission mit einer Entscheidung einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag (oder Artikel 86 EWG-Vertrag bzw. die entsprechenden Bestimmungen des EGKS-Vertrags) feststellt. Streng genommen ist eine solche Entscheidung aufgrund ihrer Rechtsnatur nur für diejenigen verbindlich, die sie bezeichnet(173). Allerdings kommt einer solchen Entscheidung meines Erachtens eine grössere Bedeutung zu als den zuvor erwähnten Schreiben der Verwaltung und Negativattesten.

Dies geht zunächt aus dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Foto-Frost hervor, wonach die nationalen Gerichte nicht befugt sind, selbst die Ungültigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane festzustellen, sondern diese Befugnis dem Gerichtshof vorbehalten ist, gegebenenfalls im Rahmen einer Vorlagefrage des betreffenden Gerichts(174). Daneben bringt die Pflicht zur Zusammenarbeit, die Artikel 86 EGKS-Vertrag bzw. Artikel 5 EWG-Vertrag dem nationalen Gericht auferlegt (und die sich ausdrücklich auf die Handlungen der Organe erstreckt), für die letztgenannten die Verpflichtung mit sich, im Hinblick auf eine von der Kommission erlassene Entscheidung, auf die sich Parteien vor ihm berufen oder die diese vor ihm anfechten, im Interesse der Gemeinschaft die Gefahr eines dieser Entscheidung zuwiderlaufenden Urteils weitestmöglich zu begrenzen. Als Organ, das über die Beachtung der Wettbewerbsbestimmungen der Gemeinschaft wacht und zu diesem Zweck über hierauf spezialisierte Stellen verfügt, hat die Kommission nämlich eine langjährige Erfahrung, so daß von ihren Feststellungen durchaus eine, wenn auch nicht verbindliche, Autorität ausgeht. Es versteht sich jedoch von selbst, daß Dritten nichts in den Weg gelegt werden darf, wenn sie vor den nationalen Gerichten Feststellungen angreifen wollen, zu denen die Kommission in einer derartigen Entscheidung gelangt ist(175).

61. Kommt das Gericht aufgrund des Vorbringens der Parteien tatsächlich zu dem Ergebnis, daß die tatsächlichen und/oder rechtlichen Feststellungen der Kommission nicht richtig oder nicht ausreichend sind, oder hat es hieran zumindest erhebliche Zweifel(176), dann empfiehlt sich im Lichte des Urteils Delimitis (vorstehend Nr. 57) folgendes Vorgehen. Handelt es sich um Feststellungen, die für das Ergebnis der Entscheidung nicht ausschlaggebend waren und deshalb den Erwägungen der Kommission nicht zugrunde liegen, dann steht es dem Gericht frei, eine andere Auffassung zu vertreten: Die Möglichkeit einander widersprechender Entscheidungen und die damit verbundene Beeinträchtigung des Grundsatzes der Rechtssicherheit ist dann äusserst gering(177); geht es hingegen um Feststellungen, die das Ergebnis der Entscheidung, zu dem die Kommission gelangt ist, beeinflussen, tut das Gericht gut daran, die Entscheidung der Rechtssache entsprechend den Bestimmungen seines nationalen Verfahrensrechts auszusetzen und bei der Kommission die erforderlichen Erkundigungen einzuholen oder unmittelbar den Gerichtshof um Vorabentscheidung über die Gültigkeit der betreffenden Entscheidung bzw. die Auslegung der in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsbestimmungen zu ersuchen.

Antrag

62. Ich schlage folgende Antworten vor:

1) Lizenzen für den Abbau von Rohkohle und die damit verbundenen Gebühren und Zahlungsbedingungen fallen in den Geltungsbereich des EGKS-Vertrags. Die Artikel 4, 65 § 1 und 66 § 7 EGKS-Vertrag sind hierauf anwendbar, jedoch nicht Artikel 60 EGKS-Vertrag.

2) Die Artikel 4, 65 § 1 und 66 § 7 EGKS-Vertrag entfalten unmittelbare Wirkung.

3) Das nationale Gericht ist nach dem Gemeinschaftsrecht grundsätzlich verpflichtet, Ersatz für den Schaden zuzusprechen, der aufgrund eines Verstosses gegen eine Wettbewerbsbestimmung des EGKS-Vertrags mit unmittelbarer Wirkung entsteht.

4) Das nationale Gericht ist nicht an eine Entscheidung der Kommission gebunden, in der diese Artikel 65 § 1 und/oder Artikel 66 § 7 EGKS-Vertrag anwendet. Aufgrund der Pflicht zur Zusammenarbeit nach Artikel 86 EGKS-Vertrag muß es jedoch das Risiko eines der Entscheidung der Kommission zuwiderlaufenden Urteils so weit wie möglich einschränken. Kommt es zu dem Ergebnis, daß tatsächliche und/oder rechtliche Feststellungen der Kommission, die das Ergebnis ihrer Entscheidung beeinflussen, nicht richtig oder nicht ausreichend sind, oder hat es in diesem Zusammenhang erhebliche Zweifel, tut es gut daran, die Entscheidung der Rechtssache nach den Bestimmungen seines nationalen Prozeßrechts auszusetzen und bei der Kommission die insoweit erforderlichen Erkundigungen einzuholen und/oder den Gerichtshof um Vorabentscheidung über die Gültigkeit der betreffenden Entscheidung bzw. die Auslegung der in Rede stehenden Wettbewerbsbestimmungen der Gemeinschaft zu ersuchen.

(*) Originalsprache: Niederländisch.

(1) - Die Beklagte hieß 1946 noch National Coal Board . Nach dem Coal Industry Act 1987 wurde diese Bezeichnung in British Coal Corporation geändert.

(2) - Gemäß Section 1(1)(a) des CINA 1946. Aus den Zahlen, die die Kommission in ihrer Entscheidung vom 23. Mai 1991 (nachstehend unter Nr. 3) nennt, ergibt sich, daß die gesamte Kohleerzeugung im Vereinigten Königreich 1989/90 ungefähr 96 Millionen t betrug, von denen die Beklagte ungefähr 93 Millionen t (d. h. ungefähr 97 %) erzeugte; siehe auch nachstehend unter Nr. 23.

(3) - Section 1(1)(b) des CINA 1946.

(4) - Section 36 des CINA 1946.

(5) - Nach den in der in Fußnote 2 zitierten Entscheidung der Kommission angegebenen Zahlen betrug die gesamte Kohleförderung aufgrund von Lizenzen 1989/90 ungefähr 3 Millionen t.

(6) - Am 5. Juni 1990 folgte noch eine Beschwerde der South Wales Small Mines Association (SWSMA), mit der die gleichen Vorwürfe erhoben werden.

(7) - Die Entscheidung wurde nicht im Amtsblatt bekanntgemacht. Sie erging in Form eines vom Vizepräsidenten der Kommission Sir Leon Brittan unterzeichneten Schreibens an die NALOO, die FSMGB und SWSMA.

(8) - Dies ist sowohl in Absatz 1 der Entscheidung (nicht numeriert) als auch unter Nr. 79 angegeben.

(9) - Nr. 80 der Entscheidung.

(10) - Nr. 47 der Entscheidung.

(11) - Nr. 69 der Entscheidung.

(12) - Nr. 81 der Entscheidung.

(13) - Nr. 82 der Entscheidung. In Nr. 67 der Entscheidung vertritt die Kommission die Ansicht, daß die Entscheidung auf die Annahme gestützt werde, daß diese Verträge die diskriminierende Unterscheidung zwischen der Beklagten und den lizenzierten Bergwerksbetreibern beseitige, und daß sie sich das Recht vorbehalte, das Verfahren wiederzueröffnen, sofern sich diese Annahme als unbegründet erweise.

(14) - Der gleiche Zweck liegt Artikel 232 Absatz 2 EWG-Vertrag zugrunde, der vorschreibt, daß der EWG-Vertrag nicht die Vorschriften des Vertrages zur Gründung der Atomgemeinschaft beeinträchtigt.

(15) - Gleichzeitig regelt diese Bestimmung eine Ausnahme von dem völkerrechtlichen Grundsatz lex posterior derogat priori : siehe Vedder, C.: Artikel 232 , in Grabitz: Kommentar zum EWG-Vertrag, München, Beck, S. 1, Nr. 1.

(16) - Urteil vom 24. Oktober 1985 in der Rechtssache 239/84 (Gerlach, Slg. 1985, 3507, Randnr. 9).

(17) - Urteil vom 15. Dezember 1987 in der Rechtssache 328/85, Deutsche Babcock (Slg. 1987, 5119, Randnr. 10).

(18) - Vgl. Petersmann, E. U.: Artikel 232 in Von der Gröben-Thiesing-Ehlermann: Kommentar zum EWG-Vertrag, IV, Baden-Baden, Nomos, 1991, S. 5715 f.

(19) - Hervorhebung von mir. Artikel 79 Absatz 1 EGKS-Vertrag legt fest, innerhalb welcher Gebiete der EGKS-Vertrag Anwendung findet.

(20) - Urteil vom 14. Juli 1961 in den verbundenen Rechtssachen 9/60 und 12/60 (Vlöberghs, Slg. 1961, 426, 461 (Hervorhebung von mir). Siehe bereits die Definition des Begriffs Produktionstätigkeit im Sinne von Artikel 80 EGKS-Vertrag durch Generalanwalt Lagrange in der Rechtssache Société des Fonderies de Pont-à-Mousson als Gesamtheit der Verarbeitungsphasen des am weitesten verarbeiteten Erzeugnisses, von der Förderung des Rohstoffes bis zum Stadium der Fertigstellung, das als Endstadium betrachtet wird : Rechtssache 14/59 (Slg. 1959, 502, 511).

(21) - Siehe auch die Schlussanträge von Generalanwalt Römer in den verbundenen Rechtssachen 9/60 und 12/60, wonach aus Anlage I zum EGKS-Vertrag hervorgeht, daß auch im Bereich der Kohle von Produktion gesprochen wird, und zwar sogar bei Rohbraunkohle, obwohl hier nichts umgestaltet, sondern lediglich ein Rohstoff gefördert wird. Die blosse Gewinnung von Kohle ist also Produktion im Sinne des Vertrages (Slg. 1961, 476, 482).

(22) - Urteil vom 17. Dezember 1959 in der Rechtssache 14/59 (Slg. 1959, 464, 489).

(23) - A. a. O., 490.

(24) - Ich halte es nicht für erforderlich, die beiden weiteren Argumente näher zu behandeln, die die britische Regierung dafür anführt, daß Rohkohle kein Erzeugnis im Sinne der Anlage I des EGKS-Vertrags sei: i) das erste Argument, wonach sich dies daraus ergebe, daß Rohstoffe im Sinne der Kennzahl Nr. 4190 der ÖES-Nomenklatur nicht von der Bestimmung der Anlage I umfasst würden, ist nicht stichhaltig, da diese Kennzahl nach Fußnote 1 zu dieser Anlage nur andere, sonst nicht genannte Rohstoffe für die Erzeugung von Roheisen und Stahl und somit nicht Brennstoffe betrifft, zu denen Steinkohle gehört; ii) das zweite Argument, das auf eine Bekanntmachung der Kommission im Jahre 1986 zur Auslegung der Begriffe Steinkohle im Sinne der Anlage I zum EGKS-Vertrag gestützt wird (Bekanntmachung 86/C254/02, ABl. 1986, C 254, S. 2) halte ich für ebensowenig stichhaltig: Daraus, daß die Kommission sich dafür entschied, bestimmte in Spanien erzeugte Brennstoffe als Steinkohle im Sinne der genannten Anlage zu betrachten, lässt sich meines Erachtens nicht ableiten, daß sie damit ausschließen wollte, daß diese Steinkohle im Rohzustand kein Erzeugnis im Sinne der Anlage I zum EGKS-Vertrag darstellen solle.

(25) - Auf Artikel 4 wird auch in zahlreichen anderen Bestimmungen des EGKS-Vertrags ausdrücklich verwiesen. So die Artikel 58 § 2, 60 § 1 (siehe nachstehend unter Nr. 17), 66 § 2 Absatz 2, 86 Absatz 2, 88 Absatz 3 und 95 Absätze 1 und 3 EGKS-Vertrag.

(26) - Urteile vom 21. Dezember 1954 in den Rechtssachen 1/54 (Frankreich/Hohe Behörde, Slg. 1954, 7, 23) und 2/54 (Italien/Hohe Behörde, Slg. 1954, 79, 97). Der Gerichtshof hat dies u. a. im Urteil vom 23. April 1956 in den verbundenen Rechtssachen 7/54 und 9/54 (Groupement des Industries Sidérurgiques Luxembourgeoises, Slg. 1956, 53, 90 f.)bestätigt; siehe auch in neuerer Zeit das Urteil vom 18. März 1980 in den verbundenen Rechtssachen 154/78, 205/78, 206/78, 226/78 bis 228/78, 263/78 und 264/78, 39/79, 31/79, 83/79 und 85/79 (Valsabbia, Slg. 1980, 907, Randnr. 82).

(27) - Nach diesem Artikel sind unter dem Ausdruck dieser Vertrag ... die Bestimmungen des Vertrages und seiner Anlagen, der Zusatzprotokolle und des Abkommens über die Übergangsbestimmungen zu verstehen.

(28) - Urteil in der Rechtssache Groupement des Industries Sidérurgiques Luxembourgeoises, bereits zitiert in Fußnote 26, Slg. 1956, 90.

(29) - Urteil Groupement des Industries Sidérurgiques Luxembourgeoises, Slg. 1956, 90.

(30) - Entscheidung Nr. 2/57 der Hohen Behörde vom 26. Januar 1957 über die Schaffung einer finanziellen Einrichtung zur Sicherstellung einer gleichmässigen Schrottversorgung des Gemeinsamen Marktes (ABl. 1957, Nr. 4, S. 61). Mit dieser Entscheidung schuf die Hohe Behörde aufgrund von Artikel 53 EGKS-Vertrag mehrere Verrechnungssysteme für Schrott.

(31) - Urteile vom 21. Juni 1958 in den Rechtssachen 8/57 (Groupement des Hauts Fourneaux et Acíéries belges, Slg. 1958, 231, 251 f.) und 13/57 (Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie u. a., Slg. 1958, 271, 300); Urteile vom 26. Juni 1958 in der Rechtssache 9/57 (Chambre Syndicale de la Sidérurgie Française, Slg. 1958, 381, 403); in der Rechtssache 10/57 (Société des Anciens Établissements Aubert et Duval, Slg. 1958, 421, 440); 11/57 (Société d' Électro-Chimie, d' Électro-Métallurgie et des Aciéries Électriques d' Ugine, Slg. 1958, 459, 479) und 12/57 (Syndicat de la Sidérurgie du Centre-Midi, Slg. 1958, 497, 518).

(32) - Urteil vom 20. März 1957 in der Rechtssache 2/57 (Geitling, Slg. 1957, 9, 44 f.).

(33) - Stellungnahme 1/61 des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1961 (Slg. 1961, 525, 566).

(34) - Stellungnahme 1/61, S. 567.

(35) - Nämlich dem Clayton Act von 1914 und dem Robinson-Patman Act von 1936.

(36) - Schlussanträge in der Rechtssache 8/83 (Bertoli, Slg. 1984, 1665, 1666). Dies erklärt auch, so der Generalanwalt, weshalb im EWG-Vertrag keine mit Artikel 60 EGKS-Vertrag vergleichbare Bestimmung zu finden sei: Die meisten Wirtschaftsbereiche, die unter den EWG-Vertrag fielen, hätten 1958 keinen derartigen oligopolistischen Charakter gehabt.

(37) - Urteile in der Rechtssache 1/54 (a. a. O., S. 20, Fußnote 26) und in der Rechtssache 2/54 (a. a. O., S. 94). Etwas später hat der Gerichtshof noch den Instrumentalcharakter der Veröffentlichungsregeln in § 2 hervorgehoben: Der EGKS-Vertrag sieht diese als ein geeignetes Hilfsmittel zur Erreichung der in Artikel 60 Nr. 1 genannten Ziele an, S. 25 bzw. S. 99.

(38) - Urteile in der Rechtssache 1/54, S. 24, und in der Rechtssache 2/54, S. 98.

(39) - Das Zitat wurde dem Urteil vom 12. Juli 1979 in der Rechtssache 149/78 (Rumi, Slg. 1979, 2523, Randnr. 10) entnommen; Urteil in der Rechtssache 1/54, S. 24, und in der Rechtssache 2/54, S. 98. Der Gerichtshof hat in den beiden zuletzt genannten Urteilen hinzugefügt, daß die Veröffentlichung nur eines der vom EGKS-Vertrag vorgeschriebenen Mittel zur Erreichung der genannten Ziele ist, und für sich betrachtet keine ausreichende Gewähr dafür bietet, daß die Ziele auch tatsächlich erreicht werden.

(40) - Urteile in der Rechtssache 1/54, S. 27, und in der Rechtssache 2/54, S. 101.

(41) - Artikel 60 § 1 a. E. EGKS-Vertrag (siehe oben unter Nr. 17) ermächtigt die Hohe Behörde, durch Entscheidungen die von dem Verbot des § 1 betroffenen Praktiken näher zu bezeichnen. Die Hohe Behörde hat dies durch die Entscheidung Nr. 30/53 vom 2. Mai 1953 über die innerhalb des gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl durch Artikel 60 § 1 des Vertrages verbotenen Praktiken (ABl. 1953, Nr. 6, S. 109; seither geändert durch Entscheidung 1/54 vom 7. Januar 1954, ABl. 1954, Nr. 1, S. 210, durch Entscheidung 19/63 vom 11. Dezember 1963, ABl. 1963, Nr. 187, S. 2969, durch Entscheidung 72/440 EGKS vom 22. Dezember 1972, ABl. 1972, L 297, S. 39 und durch Entscheidung 1834/81/EGKS vom 3. Juli 1981, ABL 1981, L 184, S. 7) getan. Die in den Artikeln 2, 4, 5 und 6 dieser Entscheidung als durch Artikel 60 § 1 EGKS-Vertrag verboten bezeichneten Verhaltensweisen sind sämtlich Preispraktiken der Verkäufer.

(42) - Siehe unter anderem die von der Kommission angeführte Entscheidung 4/53 der Hohen Behörde vom 12. Februar 1953 über die Arten der Preisstellung für den Verkauf von Kohle auf dem Gemeinsamen Markt (ABl. 1953, Nr. 2, S. 3; seither geändert durch Entscheidung 22/63 vom 11. Dezember 1963, ABl. 1963, Nr. 187, S. 2795, durch Entscheidung 19/67 vom 21. Juli 1967, ABl. 1967, Nr. 124, S. 2429, und durch Entscheidung 72/442/EGKS vom 22. Dezember 1972, ABl. 1972, L 297, S. 44).

(43) - Namentlich die spezielle Art des betreffenden Erzeugnisses (insbesondere der Umstand, daß dieses in einem bestimmten Mitgliedstaat noch nicht im Handel ist) als auch der Einzelheiten der betreffenden Lizenzen (insbesondere deren offener oder ausschließlicher Charakter): Urteil vom 8. Juni 1982 in der Rechtssache 258/78 (Nungesser, Slg. 1982, 2015, Randnrn. 53 ff.).

(44) - Ich sehe übrigens nicht, wie aus den von der Beklagten angeführten Begründungserwägungen und den Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 2349/84 der Kommission vom 23. Juli 1984 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Patentlizenzvereinbarungen (ABl. L 219, S. 15) und der Verordnung (EWG) Nr. 556/89 der Kommission vom 30. November 1988 zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Know-how-Vereinbarungen (ABl. 1989, L 61, S. 1) abgeleitet werden könnte, daß Artikel 85 EWG-Vertrag auf die Höhe der nach den Vereinbarungen zu entrichtenden Beträge keine Anwendung finden soll.

(45) - Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76 (Hoffmann-La Roche, Slg. 1979, 461, Randnr. 116). Der Gerichtshof hat dem hinzugefügt, daß es der Kommission deshalb freisteht, insbesondere unter Berücksichtigung der Art der wechselseitig übernommenen Verpflichtungen und der wettbewebsmässigen Stellung der Vertragspartner auf dem einschlägigen Markt oder den einschlägigen Märkten, ein Verfahren nach Artikel 85 oder nach Artikel 86 durchzuführen .

(46) - Urteil vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86 (Ahmed Säed Flugreisen u. a., Slg. 1989, 803, Randnr. 37).

(47) - Urteil vom 10. Juli 1990 in der Rechtssache T-51/89 (Tetra Pak, Slg. 1990, II-309, Randnr. 21). In diesem Urteil untersucht das Gericht im einzelnen die Frage nach der Vereinbarkeit der Anwendung von Artikel 86 EWG-Vertrag mit dem Vorliegen einer Gruppenfreistellung.

(48) - Urteil vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache 53/87 (CICRA, Slg. 1988, 6039, Randnr. 15) (im Rahmen von Artikel 86 EWG-Vertrag).

(49) - Für die Anwendung von Artikel 86 EWG-Vertrag siehe die Urteile vom 5. Oktober 1988 in den Rechtssachen 53/87 (CICRA, a. a. O., Fußnote 48, Randnr. 16) und 238/87 (Volvo, Slg. 1988, 6211, Randnr. 9). Der Gerichtshof hat in diesen Rechtssachen in bezug auf die Ausübung eines ausschließlichen Rechts durch den Inhaber eines Geschmacksmusterrechts an Karosserieteilen von Kraftfahrzeugen entschieden, daß diese gemäß Artikel 86 EWG-Vertrag verboten sein kann, wenn sie bei einem Unternehmen, das eine beherrschende Stellung einnimmt, zu bestimmten mißbräuchlichen Verhaltensweisen führt, etwa der Festsetzung unangemessener Ersatzteilpreise.

(50) - Urteil vom 5. Februar 1963 in der Rechtssache 26/62 (Van Gend & Loos, Slg. 1963, 1).

(51) - Gutachten 1/91 vom 14. Dezember 1991 (Slg. 1991, I-6079, Randnr. 21, Hervorhebung von mir).

(52) - Diese Einstellung ergibt sich nämlich bereits aus dem Urteil vom 13. Juni 1958 in der Rechtssache 9/56 (Meroni, Slg. 1958, 9, 28), in dem der Gerichtshof entschieden hat, daß eine Partei gegenüber einer sie betreffenden individuellen Entscheidung sämtliche in Artikel 33 EGKS-Vertrag genannten Klagegründe geltend machen kann, und als weiteres Argument hierfür eine Analogie mit den Artikeln 184 EWG-Vertrag und 156 EAG-Vertrag gefunden hat.

(53) - Siehe die ausdrückliche Erwähnung der Kohärenz der Verträge im Urteil vom 22. Februar 1990 in der Rechtssache C-221/88 (Busseni, Slg. 1990, I-495, Randnr. 16).

(54) - Beschluß vom 17. Januar 1980 in der Rechtssache 792/79 R (Camera Care, Slg. 1980, 119, Randnr. 20), in dem der Gerichtshof mit Bezug auf den EWG-Vertrag dieselben Grundsätze des Aufbaus der Gemeinschaft als anwendbar erachtet hat, wie sie nach der Entscheidung in der Rechtssache National Carbonising Company für den EGKS-Vertrag gelten: Beschluß vom 22. Oktober 1975 in der Rechtssache 109/75 R (National Carbonising Company, Slg. 1975, 1193, Randnr. 8).

(55) - Urteil vom 22. Oktober 1987 in der Rechtssache 314/85 (Foto-Frost, Slg. 1987, 4199). In dem in Fußnote 53 zitierten Urteil Busseni hat der Gerichtshof eingeräumt, daß mit dem genannten Urteil in der Sache die ausdrückliche Regelung des Artikels 41 EGKS-Vertrag übernommen worden ist: Randnr. 14 dieses Urteils.

(56) - Urteil Busseni, bereits zitiert in Fußnote 53, Randnrn. 9 bis 17.

(57) - Urteil vom 19. November 1991 in den verbundenen Rechtssachen C-6/90 und C-9/90 (Francovich u. a., Slg. 1991, I-5357, Randnr. 36). Der Gerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf sein aufgrund des EGKS-Vertrags erlassenes Urteil in der Rechtssache 6/60 (Humblet, Slg. 1960, 1163).

(58) - Urteil Busseni, Randnr. 21: Es handelt sich nämlich, so der Gerichtshof, um Akte, die dieselbe Rechtsnatur haben: Sie sind hinsichtlich des von ihnen bestimmten Ziels für den Adressaten verbindlich, doch lassen sie ihm die Wahl der für die Erreichung dieses Ziels geeigneten Mittel. In den Randnrn. 22 und 23 bestätigt der Gerichtshof seine ständige Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien.

(59) - Siehe insbesondere die Urteile vom 30. September 1987 in der Rechtssache 12/86 (Demirel, Slg. 1987, 3719, Randnr. 14) und vom 31. Januar 1991 in der Rechtssache C-18/90 (Kziber, Slg. 1991, I-199, Randnr. 15).

(60) - Gemäß Artikel 1 EGKS-Vertrag beruht die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl auf einem gemeinsamen Markt, verfolgt gemeinsame Ziele und hat gemeinsame Organe . Diese gemeinsamen Ziele werden in Artikel 2 EGKS-Vertrag erläutert, der Artikel 2 EWG-Vertrag sehr ähnelt.

(61) - In der fünften Begründungserwägung der Präambel des EGKS-Vertrags zeigen sich die Staatsoberhäupter der vertragschließenden Staaten entschlossen, an die Stelle der jahrhundertealten Rivalitäten einen Zusammenschluß ihrer wesentlichen Interessen zu setzen, durch die Errichtung einer wirtschaftlichen Gemeinschaft den ersten Grundstein für eine weitere und vertiefte Gemeinschaft unter Völkern zu legen, die lange Zeit durch blutige Auseinandersetzungen entzweit waren, und die institutionellen Grundlagen zu schaffen, die einem nunmehr allen gemeinsamen Schicksal die Grundrichtung weisen können .

(62) - Als besonders bedeutungsvoll erachte ich in diesem Zusammenhang den ursprünglichen Artikel 9 EGKS-Vertrag, der die Mitglieder der Hohen Behörde verpflichtete, jede Handlung zu unterlassen, die mit dem überstaatlichen Charakter ihrer Tätigkeit unvereinbar ist , und alle Mitgliedstaaten verpflichtete, diesen überstaatlichen Charakter zu achten .

(63) - Siehe die Artikel 20 bzw. 18 EGKS-Vertrag.

(64) - Urteil Busseni, a. a. O., Fußnote 53, Randnr. 13: nämlich, die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts bestmöglich sicherzustellen und zugleich zu diesem Zweck eine wirksame Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten zu schaffen .

(65) - So bereits Bayer, W. F.: Das Privatrecht der Montanunion , Rabels Zeitschrift, 1952, S. 325, 329. Allerdings bestand in diesem Zusammenhang Streit: Für eine gute Übersicht über die Lehre und eine beachtliche Argumentation für die unmittelbare Wirkung siehe Ballerstedt, K.: Übernationale und nationale Marktordnung. Eine montanrechtliche Studie, Tübingen, Mohr, 1955, S. 12 bis 16.

(66) - BGHZ 30, 74; veröffentlicht in NJW 1959, S. 1176, und in englischer Übersetzung in 2 Common Market Law Reports, 1963, S. 251. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Urteil entschieden, daß die Bestimmungen des Montanunionvertrages ... auch für die in Art. 80 MUV bezeichneten Unternehmen unmittelbar verbindliches Recht sind .

(67) - Siehe Urteil Busseni, Randnr. 15, wo der Gerichtshof einräumt, daß die nationalen Gerichte wegen der Art der den Gemeinschaftsbehörden, insbesondere der Kommission, im EGKS-Vertrag übertragenen Befugnisse diesen Vertrag und die auf seiner Grundlage ergangenen Rechtslage nicht so oft anzuwenden und deshalb auch nicht so oft nach ihrer Auslegung zu fragen [brauchen] .

(68) - Der Begriff geht zurück auf Reuter, P.: Organisations européennes, Paris, Presses Universitaires de France, 1970, zweite Auflage, S. 188. Dieser Unterschied in der Regelungsdichte lässt sich zweifellos unter anderem mit dem Umstand erklären, daß die Märkte für Kohle und Stahl Märkte mit monopolistischer oder oligopolistischer Struktur sind, die seinerzeit eine Schlüsselstellung in den Volkswirtschaften einnahmen: Kapteyn, P. J. G., und VerLoren Van Themaat, P.: Introduction to the Law of the European Communities (Ed. W. Gormley), Deventer, Boston, Kluwer Law and Taxation, zweite Auflage, 1988, S. 29.

(69) - Urteil Van Gend & Loos, bereits zitiert in Fußnote 50, S. 26.

(70) - Urteil vom 15. Januar 1986 in der Rechtssache 44/84 (Hurd, Slg. 1986, 29, Randnr. 47).

(71) - Manchmal spricht der Gerichtshof von einem klaren und eindeutigen Verbot oder Gebot, an das die Mitgliedstaaten keinen Vorbehalt geknüpft [haben], der sein Wirksamwerden von einem positiven innerstaatlichen Rechtsakt oder einem Einschreiten der Gemeinschaftsorgane abhängig machen würde : Siehe z. B. Urteil vom 19. Juni 1973 in der Rechtssache 77/72 (Capolongo, Slg. 1973, 611, Randnr. 11) (in bezug auf Artikel 13 Absatz 2 EWG-Vertrag); vgl. mit dem Wortlaut des Urteils vom 16. Juni 1966 in der Rechtssache 57/65 (Lütticke II, Slg. 1966, 257, 266).

(72) - Der Gerichtshof verlangt hier, daß eine Bestimmung inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheint, damit sich einzelne vor den nationalen Gerichten auf sie berufen können: Urteil vom 19. Januar 1982 in der Rechtssache 8/81 (Becker, Slg. 1982, 53, Randnr. 25); für Bestätigungen in neuerer Zeit siehe u. a. die Urteile vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-297/89 (Ryborg, Slg. 1991, I-1943, Randnr. 37, vom 30. Mai 1991 in den verbundenen Rechtssachen C-19/90 und C-20/90 (Karella und Karellas, Slg. 1991, I-2691, Randnr. 17). Auch in Urteilen aus jüngerer Zeit werden entsprechende Nuancierungen sichtbar: So ist im Urteil des Gerichtshofes vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-345/89 (Stöckel, Slg. 1991, I-4047, Randnr. 12) von hinreichend genau und unbedingt die Rede, während in den Urteilen vom 24. März 1992 in der Rechtssache C-381/89 (Syndesmos, Slg. 1992, I-2111, Randnr. 39) und vom 31. März 1992 in der Rechtssache 200/90 (Dansk Denkavit, Slg. 1992, I-2217, Randnr. 17) eindeutig, genau und unbedingt formuliert wird. In den älteren Urteilen vom 22. September 1983 in der Rechtssache 271/82 (Auer, Slg. 1983, 2727, Randnr. 16) und vom 15. Dezember 1983 in der Rechtssache 5/83 (Rienks, Slg. 1983, 4233, Randnr. 8) hat der Gerichtshof formuliert: klare, vollständige, genaue und unbedingte Verpflichtungen , die für eine Ermessensausübung keinen Raum lassen .

(73) - Im Urteil Francovich ging es um einen gewissen Gestaltungsspielraum, den die Richtlinie 80/987/EWG (Fundstelle siehe im folgenden Fußnote 100) den Mitgliedstaaten in bezug auf die Methoden für die Festsetzung der Garantie für die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers und die Begrenzung dieses Garantiebetrags einräumte.

(74) - Urteil Francovich, zitiert in Fußnote 57, Randnr. 17, weiter ausgeführt in Randnrn. 18 bis 22; Urteil vom 2. August 1993 in der Rechtssache C-271/91 (Marshall II, Slg. 1993, I-4367, Randnr. 37).

(75) - Siehe auch die Ansicht von Hartley, T. C.: The foundations of European Community Law, Oxford, Clarendon Preß, zweite Auflage, 1988, S. 195, und lange vorher Pescatore, P.: The Doctrine of Direct Effect : An Infant Disease of Community Law , European Law Review, 1983, S. 155, 177.

(76) - Daß die Kommission von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht hat, ergibt sich aus der in Fußnote 41 zitierten Entscheidung 30/53.

(77) - Urteil in der Rechtssache 1/54, a. a. O., S. 25, und in der Rechtssache 2/54, a. a. O., S. 99.

(78) - Urteil vom 18. Mai 1962 in der Rechtssache 13/60 (Geitling, Slg. 1962, 177, 214).

(79) - Urteil vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 127/73 (BRT I, Slg. 1974, 51, Randnr. 16). Für seither erfolgte Bestätigungen siehe unter anderem die Urteile vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 37/79 (Marty, Slg. 1980, 2481, Randnr. 13); vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-234/89 (Delimitis, Slg. 1991, I-935, Randnr. 45); siehe auch das in Fußnote 47 zitierte Urteil des Gerichts in der Rechtssache T-51/89 (Tetra Pak, a. a. O., Randnr. 42).

(80) - Urteil zitiert in Fußnote 53. Der Gerichtshof hat zunächst die gemeinsamen Ziele des Vorabentscheidungsverfahrens in den Artikeln 41 EGKS-Vertrag und 177 EWG-Vertrag betont (siehe hierzu oben unter Nr. 27) und sodann in Randnr. 16 ausgeführt: Es widerspräche deshalb dem Ziel und der Kohärenz der Verträge, wollte man die Feststellung des Sinns und der Bedeutung von Bestimmungen, die auf dem EWG- und dem EAG-Vertrag beruhen, in letzter Instanz gemäß den wortgleichen Artikeln 177 EWG-Vertrag und 150 EAG-Vertrag dem Gerichtshof übertragen, was ihre einheitliche Anwendung sichert, diese Feststellung aber für Normen, die auf den EGKS-Vertrag zurückgehen, allein den zahlreichen nationalen Gerichten überlassen, deren Auslegung divergieren kann, und dem Gerichtshof die Befugnis zur einheitlichen Auslegung dieser Normen entziehen. Obwohl es in der Rechtssache Busseni nur um die Auslegung einer aufgrund des EGKS-Vertrags erlassenen Handlung, nämlich eine Empfehlung der Kommission, ging, gilt die Entscheidung des Gerichtshofes eindeutig auch für EGKS-Vertragsbestimmungen: Dies ergibt sich insbesondere aus den Randnummern 9, 15 und 16.

(81) - Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204).

(82) - Was die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag betrifft, verfügt die Kommission hingegen über eine ausschließliche Zuständigkeit, also unter Ausschluß der nationalen Kartellbehörden: siehe Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17.

(83) - Mit Ausnahme der Gerichte, die besonders damit betraut sind, das nationale Wettbewerbsrecht anzuwenden oder die Gesetzmässigkeit seiner Anwendung durch die Verwaltungsbehörden zu überwachen , wobei diese Gerichte den Kartellbehörden der Mitgliedstaaten gleichgestellt werden: siehe Urteil BRT I, Randnr. 19.

(84) - Urteil BRT I, Randnr. 14.

(85) - Urteil BRT I, Randnr. 15.

(86) - A. a. O., Randnr. 17. Hier lässt sich eine Parallele zur Rechtsprechung zu staatlichen Beihilfen ziehen: Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-354/90, Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires (Slg. 1991, I-5505, Randnr. 14) entschieden hat, unterscheidet sich die der Kommission durch die Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag vorbehaltene zentrale und ausschließliche Rolle bei der Feststellung der etwaigen Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt grundlegend von derjenigen, die den nationalen Gerichten hinsichtlich des Schutzes der Rechte zukommt, die die einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des in Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag enthaltenen Verbots (für die Mitgliedstaaten, vor Abschluß des Verfahrens nach Artikel 92 die beabsichtigten Beihilfemaßnahmen durchzuführen) ziehen: Bis zu einer abschließenden Entscheidung der Kommission müssen sie die Rechte der einzelnen gegen eine mögliche Verletzung dieses Verbots schützen.

(87) - Vgl. die entsprechende Bestimmung des Artikels 85 Absatz 2 EWG-Vertrag, wonach die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse nichtig sind. Im Urteil Brasserie de Hächt hat der Gerichtshof zu dieser Bestimmung entschieden, daß nicht nur die Kommission gegebenenfalls aufgrund der in Artikel 87 vorgesehenen Verordnungen und Richtlinien tätig werden kann, sondern auch die Gerichte wegen der unmittelbaren Geltung von Artikel 85 Absatz 2 befugt sind, die Nichtigkeit verbotener Vereinbarungen und Beschlüsse festzustellen , jedoch auch ausgeführt: Während nun der erste Weg [genügend Flexibilität bietet], um den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht zu werden, eröffnet der zweite Absatz des Artikels 85, der darauf abzielt, mit aller Strenge ein [bedeutsames] Verbot durchzusetzen, seiner Natur nach dem Richter nicht die Möglichkeit, mit derselben [Flexibilität] vorzugehen : Urteil vom 6. Februar 1973 in der Rechtssache 48/72 (Brasserie de Hächt, Slg. 1973, 77, Randnrn. 4 und 5 (Hervorhebung von mir).

(88) - Eine Freistellungsentscheidung setzt natürlich voraus, daß zunächst von der Hohen Behörde festgestellt wird, daß die betreffende Vereinbarung unter das Verbot von Artikel 65 § 1 fällt. Hieraus können Zuständigkeitsstreitigkeiten mit den nationalen Gerichten entstehen, die im EWG-Recht wohlbekannt sind: Hierzu später unter Nrn. 56 ff.

(89) - In der Rechtssache C-46/93 (Brasserie du Pêcheur) legt der Bundesgerichtshof einige Fragen zu dieser Problematik vor, er wurde hierzu durch eine Schadensersatzklage veranlasst, die das Unternehmen Brasserie du Pêcheur SA, eine französische Brauerei, gegen die deutschen Behörden wegen des durch das deutsche Biersteuergesetz entstandenen Schadens erhoben hat, dessen Reinheitsgebot vom Gerichtshof in einem Urteil vom 12. März 1987 in der Rechtssache 178/84 (Kommission/Deutschland, Slg. 1987, 1227) als Verstoß gegen Artikel 30 EWG-Vertrag erachtet worden ist. In der Rechtssache C-48/93 (Factortame) legt der High Court of Justice, Queen' s Bench Division, Divisional Court, dem Gerichtshof einige Fragen zu derselben Problematik vor. Diese Fragen stellen sich im Zusammenhang mit den Forderungen einiger Gesellschaften und Einzelpersonen gegen die britischen Behörden nach Ersatz des Schadens, den sie durch den Merchant Shipping Act 1988 erlitten haben; der Gerichtshof hat einige Bestimmungen aus diesem Gesetz als Verstoß gegen den EWG-Vertrag erachtet (Urteile vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-221/89, Factortame II, Slg. 1991, I-3905, und vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C-246/89, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1991, I-4585).

(90) - Urteil zitiert in Fußnote 57.

(91) - Urteile vom 26. Februar 1991 in den Rechtssachen T-120/88 (Kommission/Italien, Slg. 1991, I-621, Randnr. 10), C-119/89 (Kommission/Spanien, Slg. 1991, I-641, Randnr. 9) und C-159/89 (Kommission/Griechenland, Slg. 1991, I-691, Randnr. 10); siehe auch die Urteile vom 20. März 1986 in der Rechtssache 72/85 (Kommission/Niederlande, Slg. 1986, 1219, Randnr. 20) und vom 15. Oktober 1986 in der Rechtssache 168/85 (Kommission/Italien, Slg. 1986, 2945, Randnr. 11). Auch im Urteil Emmott hat der Gerichtshof in bezug auf seine Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien festgestellt, daß es hier nur um eine Mindestgarantie geht: Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-208/90 (Slg. 1991, I-4269, Randnr. 20).

(92) - Dies vor allem im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren: Der Fortbestand mit dem Gemeinschaftsrecht kollidierender nationaler Regelungen schafft nämlich Unsicherheit über die Rechte und Pflichten der Rechtsbürger, was gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Rechtsschutzes verstösst. Es ist dann Sache des regionalen Gesetzgebers, dieser Situation abzuhelfen und die Wirkung des Gemeinschaftsrechts in vollem Umfang durchzusetzen: siehe u. a. die in der vorhergehenden Fußnote angeführten Urteile vom 26. Februar 1991 (Kommission/Italien, Randnr. 11; Kommission/Spanien, Randnr. 10, und Kommission/Griechenland, Randnr. 11); Urteil vom 21. Juni 1988 in der Rechtssache 257/86 (Kommission/Italien, Slg. 1988, 3249, Randnr. 12). Auch im Zusammenhang mit der Sanktionierung wendet sich der Gerichtshof an die nationalen Gesetzgeber: Enthält eine gemeinschaftliche Regelung selbst keine besonderen Sanktionierungsmechanismen, so sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten , und zwar nach Artikel 5 EWG-Vertrag: Urteil vom 21. September 1989 in der Rechtssache 68/88 (Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 2965, Randnr. 23).

(93) - Urteil vom 9. März 1978 in der Rechtssache 106/77 (Simmenthal, Slg. 1978, 629, Randnr. 16).

(94) - Urteil vom 19. Juni 1990 in der Rechtssache C-213/89 (Factortame I, Slg. 1990, I-2433, Randnr. 19). Wegen früherer Bestätigungen siehe die Urteile vom 16. Dezember 1976 in den Rechtssachen 33/76 (Rewe, Slg. 1976, 1989, Randnr. 5) und 45/76 (Comet, Slg. 1976, 2043, Randnr. 12); Urteile vom 27. Februar 1980 in der Rechtssache 68/79 (Just, Slg. 1980, 501, Randnr. 25), vom 27. März 1980 in der Rechtssache 61/79 (Denkavit Italiana, Slg. 1980, 1205, Randnr. 25); Urteile vom 10. Juli 1980 in den Rechtssachen 811/79 (Ariete, Slg. 1980, 2545, Randnr. 12) und 826/79 (Mireco, Slg. 1980, 2559, Randnr. 13). Siehe noch früher das Urteil vom 19. Dezember 1968 in der Rechtssache 13/68 (Salgoil, Slg. 1968, 680, 693).

(95) - Urteil Francovich, Randnr. 36.

(96) - Urteil Simmenthal, zitiert in Fußnote 93, Randnr. 21.

(97) - Urteil Factortame I, zitiert in Fußnote 94, Randnr. 21.

(98) - Urteil Francovich, zitiert in Fußnote 57, Randnr. 35.

(99) - Urteil Francovich, Randnr. 33. In Randnr. 34 hat der Gerichtshof dem hinzugefügt, daß die Möglichkeit einer Entschädigung vor allem dann unerläßlich ist, wenn, wie im vorliegenden Fall (es ging um die unterbliebene Duchführung einer Richtlinie), die volle Wirkung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ... davon abhängt, daß der Staat tätig wird, und der einzelne deshalb im Falle einer Untätigkeit des Staates die ihm durch das Gemeinschaftsrecht zuerkannten Rechte vor den nationalen Gerichten nicht geltend machen kann .

(100) - Nämlich der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23).

(101) - Siehe Randnrn. 10 bis 27 des Urteils Francovich. Es wird vertreten, daß der Gerichtshof die unmittelbare Wirkung nicht anerkannt habe, da er ein rechtliches Instrument gegen die unterbliebene Durchführung von Richtlinien durch einen Mitgliedstaat unabhängig von dem Erfordernis der unmittelbaren Wirkung habe entwickeln wollen; auf diese Weise habe der Gerichtshof die Probleme im Zusammenhang mit der nicht horizontalen Wirkung von Richtlinien umgehen wollen: Steiner, J.: From direct effects to Francovich: shifting means of enforcement of Community law , European Law Review, 1993, (3), S. 9; siehe auch Timmermans, C. W. A.: La sanction des infractions au droit communautaire , in La sanction des infractions au droit communautaire, fünfzehnter FIDE-Kongreß in Lissabon, II, 1992, S. 24, der ausführt, daß das durch das Urteil Francovich entwickelte Rechtsinstrument in gewissem Sinne die Lehre von der direkten Wirkung ersetze.

(102) - Urteil vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache C-188/89 (Foster u. a., Slg. 1990, I-3313, Randnr. 22 und Tenor).

(103) - Urteil Francovich, Randnr. 37 (Hervorhebung von mir).

(104) - Urteil Foster, zitiert in Fußnote 102, Randnr. 20. Die Rechtsstellung des staatseigenen Unternehmens, um das es in dieser Rechtssache ging, British Gas Corporation, war zur Zeit des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren in weitem Umfang vergleichbar mit der Rechtsstellung der Beklagten: Die British Gas Corporation war aufgrund des Gas Act 1972 (der den Gas Act 1948, das Gesetz, durch das die Gasindustrie im Vereinigten Königreich verstaatlicht wurde, ersetzt hat) mit dem Monopol für die Gasversorgung in Großbritannien und einigen im Zusammenhang damit stehenden Aufgaben betraut. Erst später, durch den Gas Act 1986, wurde diese Industrie privatisiert: siehe Nr. 3 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Foster, S. I-3327 und S. I-3328.

(105) - Urteil Francovich, Randnr. 30. Die Hervorhebung an dieser Stelle und auch in den folgenden Randnummern wurde von mir vorgenommen.

(106) - Siehe vorstehend unter Nr. 37 und Fußnote 86.

(107) - Urteil Francovich, Randnr. 35.

(108) - Urteil Francovich, Randnr. 36.

(109) - Urteil Van Gend & Loos, S. 25.

(110) - Urteil Simmenthal, Randnr. 15 (Hervorhebung von mir).

(111) - Artikel 85 Absatz 2 EWG-Vertrag; Artikel 65 § 4 EGKS-Vertrag.

(112) - Siehe Kommission, Dreizehnter Bericht über die Wettbewerbspolitik, 1984, Brüssel-Luxemburg, S. 147 bis 149, Nrn. 217 und 218; Vierzehnter Bericht über die Wettbewerbspolitik, 1985, Nr. 47, S. 59; und insbesondere Fünfzehnter Bericht über die Wettbewerbspolitik, 1986, S. 52 bis 55, Nrn. 38 bis 43; siehe auch die Antwort der Kommission auf die schriftliche Frage Nr. 519/72, ABl. 1973, C 67, S. 54, und später die Antwort von Herrn Andrießen namens der Kommission auf die schriftliche Frage Nr. 1935/83, ABl. 1984, C 144, S. 14. Aus einer internen Prüfung soll sich ergeben, daß ungefähr die Hälfte der an die Kommission gerichteten Beschwerden im Zusammenhang mit Verstössen gegen die Wettbewerbsbestimmungen der Gemeinschaft aufgrund einer rein rechtlichen Untersuchung erledigt und daher hinlänglich von den nationalen Gerichten behandelt werden konnten: Fünfzehnter Bericht über die Wettbewerbspolitik, S. 54, Nr. 40. Im Hinblick darauf hat die Kommission vor kurzem eine bedeutsame Bekanntmachung über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 85 und 86 des EWG-Vertrags (ABl. 1993, C 39, S. 6) veröffentlicht.

(113) - Einzelne haben in den Vereinigten Staaten Anspruch auf dreifachen Ersatz des ihnen durch einen Verstoß gegen die bundesrechtlichen Anti-Trust-Bestimmungen entstandenen Schadens (sogenannte treble damages ): Sowohl nach dem Sherman Act als auch nach dem Clayton Act gilt, daß jeder einzelne injured in his busineß or property by reason of anything forbidden in the antitrust laws ... shall recover threefold the damages by him sustained, and the cost of suit, including a reasonable attorney' s fee : Siehe hierfür mit zahlreichen Nachweisen Areeda, Ph., und Kaplow, L.: Antitrust Analysis. Problems, Text, Cases, Boston-Toronto, Little, Brown & Company, vierte Auflage, 1988, S. 83, Nrn. 146 ff.

(114) - Urteil Simmenthal, Randnr. 17.

(115) - Siehe beispielsweise den Bericht Schadensersatzanspräche bei einer Verletzung der Artikel 85 und 86 des Vertrags zur Gründung der EWG, Kollektion Studien, Reihe Wettbewerb, Nr. 1, Kommission, Brüssel, 1966, S. 5. Letzteres entsprach der Ansicht des Bundesgerichtshofs in seinem bereits (in Fußnote 66) zitierten Urteil vom 14. April 1959, jedoch war gerade dies der Grund dafür, daß der Bundesgerichtshof, obwohl er, wie bereits ausgeführt worden ist (siehe die genannte Fußnote), die unmittelbare Wirkung von Artikel 60 § 1 EGKS-Vertrag anerkannt hat, damit keine privatrechtlichen Folgen verbinden wollte: Dies führte nach seiner Ansicht zu einer je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen Beurteilung, was gerade gegen die vom EGKS-Vertrag beabsichtigte Gleichbehandlung verstosse. Für eine Kritik dieses Urteils siehe u. a. Janssen Van Raay, J. L.: Een beslissing van het Bundesgerichtshof over EGKS-Recht , Nederlands Juristenblad, 1960, (437), S. 444 und 445.

(116) - Besonders insoweit, als die Durchsetzung der Gemeinschaftsbestimmungen auf das verfahrens- und materiell-rechtliche Rechtsschutzsystem gestützt werden kann, das in den Mitgliedstaaten bereits besteht.

(117) - Die Lücken und Schwächen des nationalen Rechts wirken sich dann auch auf die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts aus. Auf diese Gefahren wurde wiederholt hingewiesen: siehe u. a. Bridge, J.: Procedural Aspects of the Enforcement of European Community Law through the Legal System of the Member States , European Law Review, 1984, (28), S. 31 und 32; Curtin, D.: The Decentralised Enforcement of Community Law Rights. Judicial Snakes and Ladders , in Constitutional Adjudication in European Community and National Law. Essays for the Hon. Mr. Justice T. F. O' Higgins, Dublin, Butterworth, (33), S. 34; siehe auch Timmermans, C. W. A.: La sanction des infractions au droit communautaire , zitiert in Fußnote 101, S. 21.

(118) - Urteil vom 21. Februar 1991 in den verbundenen Rechtssachen C-143/88 und C-92/89 (Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Söst, Slg. 1991, I-415, Randnr. 26).

(119) - Bridge, J.: Aufsatz, zitiert in Fußnote 117, S. 29.

(120) - Urteil Francovich, Randnr. 42. Bereits in seinem Urteil vom 22. Januar 1976 in der Rechtssache 60/75 (Russo, Slg. 1976, 45, Randnr. 9; Hervorhebung von mir) hat der Gerichtshof ausgeführt: Ist ein solcher Schaden [den ein Erzeuger erlitten hat] infolge der Verletzung des Gemeinschaftsrechts entstanden, so ist der betreffende Staat verpflichtet, gegenüber dem Geschädigten im Rahmen der Bestimmungen des nationalen Rechts über die Staatshaftung die Folgen zu tragen.

(121) - A. a. O. Der Gerichtshof verweist unter dieser Randnummer u. a. auf die Urteile in der Rechtssache 33/76 (Rewe, a. a. O., Fußnote 94) und vom 7. Juli 1981 in der Rechtssache 158/80 (Rewe, Slg. 1981, 1805).

(122) - Siehe bereits das in Fußnote 94 zitierte Urteil Salgoil, S. 645, und die dort zitierten Urteile Rewe, Randnr. 5, Comet, Randnr. 15, Ariete, Randnr. 12 und Mireco, Randnr. 13. Siehe auch das Urteil vom 9. Juli 1985 in der Rechtssache 179/84 (Bozzetti, Slg. 1985, 2301, Randnr. 17).

(123) - Siehe die Urteile vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84 (Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnr. 18; in Randnr. 20 spricht der Gerichtshof vom Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ); und vom 15. Oktober 1987 in der Rechtssache 222/86 (Heylens, Slg. 1987, 4097, Randnr. 14). Dieses Erfordernis ist, so der Gerichtshof in den genannten Urteilen, Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, der den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten zugrunde liegt und auch in den Artikeln 6 und 13 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist.

(124) - Urteil in der Rechtssache 158/80 (Rewe, a. a. O., Fußnote 121, Randnr. 44).

(125) - Diese Erfordernisse der Nichtdiskriminierung und der praktischen Möglichkeit sind vom Gerichtshof bereits in den genannten Urteilen Rewe und Comet entwickelt worden: Urteile Rewe, Randnr. 5, und Comet, Randnrn. 13 und 16; siehe ferner die in Fußnote 94 zitierten Urteile Just, Randnr. 25, Denkavit Italiana, Randnr. 25, Ariete, Randnr. 12, Mireco, Randnr. 13, Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 199/82 (San Giorgio, Slg. 1983, 3595, Randnr. 12), Urteil Emmott, zitiert in Fußnote 91, Randnr. 16. Die selbständige Bedeutung des zweiten Erfordernisses ergibt sich aus Randnr. 17 des Urteils San Giorgio: In dieser Entscheidung hat der Gerichtshof klargestellt, daß das Diskriminierungsverbot keinen Rechtfertigungsgrund gibt, wenn weder für den jeweiligen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht noch für eine ähnliche Verletzung des nationalen Rechts eine Wiedergutmachung (in diesem Fall Erstattung zu Unrecht erhobener Abgaben) möglich ist.

(126) - Urteil Francovich, Randnr. 43 (Hervorhebung von mir). Es ist zu bemerken, daß in diesem Urteil das Erfordernis der unmittelbaren Wirkung, das in der in Fußnote 125 angeführten Rechtsprechung aufgestellt wird, nicht genannt wird.

(127) - Siehe die Rechtsprechung, die der Gerichtshof zur Erstattung von Abgaben entwickelt hat, die unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhoben wurden: Urteil San Giorgio, Randnr. 14, Urteil vom 24. März 1988 in der Rechtssache 104/86 (Kommission/Italien, Slg. 1988, 1799, Randnr. 7).

(128) - Urteile Rewe, zitiert in Fußnote 94, Randnr. 5, Comet, Randnr. 17, und Emmott, Randnr. 17.

(129) - Siehe zum Fall einer von einem Mitgliedstaat noch nicht ordnungsgemäß in seine interne Rechtsordnung umgesetzten Richtlinie das Urteil Emmott, Randnrn. 23 und 24 und Tenor.

(130) - Der Gerichtshof hat dies insbesondere in steuerrechtlichen Streitigkeiten entschieden, in denen der Möglichkeit Rechnung getragen werden musste, daß ein Unternehmen zu Unrecht erhobene Abgaben in seine Preiskalkulation einbezogen und auf seine Abnehmer abgewälzt hatte: Urteile Just, Randnr. 26 und 27, Denkavit Italiana, Randnrn. 26 und 28, Ariete, Randnr. 13, und Mireco, Randnr. 14.

(131) - Wie Generalanwalt Mischo bereits in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Francovich ausgeführt hat, sollte übrigens die Haftung der Gemeinschaftsorgane wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts nicht grundlegend anders ausgestaltet werden als die Haftung der nationalen Behörden (oder des einzelnen) wegen Verletzung desselben Gemeinschaftsrechts: Slg. 1991, I-5370, 5396, Nr. 71, mit Verweisung auf das Urteil vom 27. September 1988 in den verbundenen Rechtssachen 106/87 bis 120/87 (Asteris, Slg. 1988, 5515, Randnr. 18).

(132) - Urteil Francovich, Randnr. 38.

(133) - Siehe Randnrn. 39 und 40 des Urteils Francovich: Diese Voraussetzungen sind, so der Gerichtshof, von dreifacher Art: i) das durch die Richtlinie vorgeschriebene Ziel muß die Verleihung von Rechten an einzelne beinhalten, ii) der Inhalt dieser Rechte muß auf der Grundlage der Richtlinie bestimmt werden können, und iii) zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat auferlegte Verpflichtung und dem dem Geschädigten entstandenen Schaden muß ein Kausalzusammenhang bestehen.

(134) - Dies ist seit langem ständige Rechtsprechung: Siehe bereits das Urteil vom 28. April 1971 in der Rechtssache 4/79 (Lütticke, Slg. 1971, 325, Randnr. 10); siehe auch Urteil vom 14. Januar 1987 in der Rechtssache 281/84 (Zuckerfabrik Bedburg, Slg. 1987, 49, Randnr. 17).

(135) - Siehe die in Fußnote 133 zitierte Randnr. 40 des Urteils Francovich.

(136) - Dies ist ständige Rechtsprechung: Siehe u. a. die Urteile vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache 153/73 (Holtz & Willemsen, Slg. 1974, 675, Randnr. 7), vom 4. März 1980 in der Rechtssache 49/79 (Pool, Slg. 1980, 569, Randnr. 7) und vom 8. Dezember 1987 in der Rechtssache 50/86 (Grands Moulins de Paris, Slg. 1987, 4833, Randnr. 7).

(137) - Urteil vom 14. Juli 1967 in den verbundenen Rechtssachen 5/66, 7/66 und 13/66 bis 24/66 (Kampffmeyer u. a., Slg. 1967, 331, 358), in dem sich der Gerichtshof gegenüber einem geltend gemachten im entgangenen Gewinn bestehenden Schaden zurückhaltend gezeigt hat, der auf wesentlich spekulativen Faktoren beruht.

(138) - Urteile vom 2. Juli 1976 in den verbundenen Rechtssachen 56/74 bis 60/74 (Kampffmeyer, Slg. 1976, 711, Randnr. 6), vom 2. März 1977 in der Rechtssache 44/76 (Milch-, Fett- und Eierkontor, Slg. 1977, 393, Randnr. 8), vom 29. Januar 1985 in der Rechtssache 147/83 (Binderer, Slg. 1985, 257, Randnr. 19) und in der Rechtssache 281/84 (Zuckerfabrik Bedburg, zitiert in Fußnote 134, Randnr. 14). Diese Urteile stehen im Einklang mit früherer Rechtsprechung: So hat der Gerichtshof bereits im Urteil vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62 (Plaumann, Slg. 1963, 211, 239) entschieden, daß ein Rechtsbürger in der Klageschrift einen Feststellungsantrag stellen kann, der den aus der angefochtenen Entscheidung etwa entstehenden Schaden zum Gegenstand hat, und daß er diesen im Laufe des schriftlichen und mündlichen Verfahrens präzisieren und den Schaden beziffern kann.

(139) - Urteil Kampffmeyer, zitiert in Fußnote 139, Randnr. 6.

(140) - Urteil vom 19. Mai 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-104/89 und C-37/90 (Mulder und Heinemann, Slg. 1992, I-3061, Randnr. 26, und meine Schlussanträge auf S. I-3121, Randnr. 47.

(141) - Urteil Mulder und Heinemann, Randnr. 33, und meine Schlussanträge auf S. I-3122, Nr. 49.

(142) - Siehe die Urteile vom 4. Oktober 1979 in der Rechtssache 238/78 (Ireks-Arkady, Slg. 1979, 2955, Randnr. 14), in den verbundenen Rechtssachen 241/78, 242/78 und 245/78 bis 250/78 (DGV, Slg. 1979, 3017, Randnr. 15), in den verbundenen Rechtssachen 261/78 und 262/78 (Interquell Stärke-Chemie, Slg. 1979, 3045, Randnr. 17) und in den verbundenen Rechtssachen 64/76 und 113/76, 167/78 und 239/78, 27/79, 28/78 und 45/79 (Dumortier Frères, Slg. 1979, 3091, Randnr. 15).

(143) - Urteil vom 9. Dezember 1965 in den verbundenen Rechtssachen 29/63, 31/63, 36/63, 39/63 bis 47/63, 50/63 und 51/63 (Société Anonyme des Laminoirs u. a., Slg. 1965, 1197, 1234).

(144) - Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 261/78 (Interquell Stärke-Chemie, Slg. 1982, 3271, Randnr. 11).

(145) - Randnr. 40 des Urteils Francovich, zusammengefasst in Fußnote 133.

(146) - Urteil Dumortier Frères, Randnr. 21.

(147) - Urteil Vlöberghs, zitiert in Fußnote 20, 467, Urteil vom 12. Juli 1962 in der Rechtssache 18/60 (Worms, Slg. 1962, 377, 401); zuletzt bestätigt im Urteil vom 30. Januar 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-363/88 und C-364/88 (Finsider u. a./Kommission, Slg. 1992, I-359, Randnr. 25); in Randnr. 45 dieses Urteils wiederholt der Gerichtshof, daß dargetan sein muß, daß ein hinreichend schwerwiegender Amtsfehler vorliegt, der den geltend gemachten Schaden unmittelbar verursacht hat.

(148) - Urteil vom 25. Mai 1978 in den verbundenen Rechtssachen 83/76 und 94/76, 4/77, 15/77 und 40/77 (HNL/Rat und Kommission, Slg. 1978, 1209, Randnr. 4), Urteil Mulder und Heinemann, Randnr. 12.

(149) - Auch im Urteil Francovich lag ein Verstoß, allerdings seitens der Behörden, gegen eine genau definierte Verpflichtung zur Umsetzung der betreffenden Richtlinie innerhalb einer genau festgelegten Frist vor. Daher bestand auch in dieser Rechtssache kein Anlaß zur Anwendung des im Zusammenhang mit der Ausübung behördlichen Ermessens in Artikel 215 EWG-Vertrag und vorstehend im Text genannten flexibleren Kriteriums.

(150) - Urteil vom 8. November 1990 in der Rechtssache C-177/88 (Decker, Slg. 1990, I-3941, Randnrn. 19 ff.).

(151) - Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40).

(152) - Auch hier gilt deshalb, daß die praktische Wirksamkeit der Wettbewerbsbestimmungen erheblich beeinträchtigt würde, wenn der Nachweis des Verschuldens verlangt würde: Urteil Decker, a. a. O., Randnr. 24. Ganz anders ist es beim Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit als Voraussetzung für die Verhängung einer Geldbusse: siehe im EWG-Zusammenhang Artikel 15 der Verordnung Nr. 17.

(153) - Urteil Mulder und Heinemann, Randnr. 34.

(154) - Bereits aus der rechtsvergleichenden Untersuchung, die Generalanwalt Capotorti in der Rechtssache Dumortier angestellt hat, ergibt sich, daß dies ein allgemeiner Grundsatz ist, der den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten gemeinsam ist: Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen 64/76 und 113/76, 167/78 und 239/78, 27/79, 28/79 und 45/79 (Dumortier/Rat, Slg. 1982, 1752, 1756 bis 1758, Nr. 4).

Der Generalanwalt kam aufgrund seiner rechtsvergleichenden Untersuchung zu dem Ergebnis, daß innerhalb der Gemeinschaft recht klar eine allgemeine Tendenz besteht, daß bei der Feststellung des Schadensersatzes wegen ausservertraglicher Haftung auch der Einfluß zu berücksichtigen ist, den nach dem Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses eintretende Umstände wie eine Geldentwertung ausüben können.

(155) - Beschluß vom 19. Dezember 1990 in der Rechtssache C-358/90 R (Compagnia Italiana Alcool/Kommission, Slg. 1990, I-4887, Randnr. 26, Hervorhebung von mir); siehe auch die Beschlüsse vom 26. September 1988 in der Rechtssache 29/88 R (Cargill/Kommission, Slg. 1988, 5183, Randnr. 17), vom 23. Mai 1990 in den verbundenen Rechtssachen C-51/90 R und C-59/90 R (Comos Tank u. a./Kommission, Slg. 1990, I-2167, Randnr. 24) und vom 25. Oktober 1990 in der Rechtssache C-257/90 R (Italsolar/Kommission, Slg. 1990, I-3941, Randnr. 15).

(156) - Urteile Ireks-Arkady/Rat und Kommission, Randnr. 20, DGV/Rat und Kommission, Randnr. 22, Interquell Stärke-Chemie/Rat und Kommission, Randnr. 23 und Dumortier Frères/Rat, Randnr. 25; ausdrücklich bestätigt im Urteil Mulder und Heinemann/Rat und Kommission, Randnr. 35.

(157) - Urteil vom 10. April 1984 in der Rechtssache 14/83 (Von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891, Randnrn. 23 und 24); übernommen im Urteil Decker (a. a. O., Fußnote 150, Randnr. 23) und im Urteil Marshall II (a. a. O., Fußnote 74, Randnr. 18); die Richtlinie lässt vielmehr, so der Gerichtshof, den Mitgliedstaaten einen Beurteilungsspielraum bei der Wahl zwischen den verschiedenen Lösungen zur Erreichung des Ziels der Richtlinie.

(158) - Urteil Marshall II, Randnr. 26 (Hervorhebung und Einschub von mir).

(159) - Urteil Marshall II, Randnr. 30.

(160) - Urteil Marshall II, Randnr. 31. In Randnr. 32 und Nr. 1 des Tenors hat der Gerichtshof daher auf die Vorlagefrage geantwortet, daß Artikel 6 der Richtlinie 76/207 so auszulegen ist, daß er es nicht zulässt, daß der Ersatz des einer Person durch eine diskriminierende Entlassung entstandenen Schadens durch eine im voraus festgelegte Obergrenze und dadurch begrenzt wird, daß keine Zinsen zum Ausgleich des Verlustes gewährt werden, der dem Inhaber des Entschädigungsanspruchs durch den Zeitablauf bis zur tatsächlichen Zahlung des ihm zuerkannten Kapitalbetrags entsteht .

(161) - Vgl. das in Fußnote 86 zitierte Urteil Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires, insbesondere Randnr. 16.

(162) - Siehe insbesondere das Urteil Brasserie de Hächt, zitiert in Fußnote 87, insbesondere Randnrn. 4 bis 12, und die in Fußnote 79 zitierten Urteile BRT I, Randnrn. 15 bis 23, und Marty, Randnrn. 13 und 14.

(163) - Urteil Delimitis, zitiert in Fußnote 79, Randnrn. 44 und 45.

(164) - Urteil Delimitis, Randnr. 47.

(165) - Urteil Delimitis, Randnr. 50. In Randnr. 51 bemerkt der Gerichtshof hierzu, daß ein Vertrag nur dann Gegenstand einer Freistellungsentscheidung sein kann, wenn er angemeldet wurde oder nicht anmeldungsbedürftig ist.

(166) - Urteil Delimitis, Randnrn. 52 und 53. Die Kommission ist nämlich, so hat der Gerichtshof hinzugefügt, nach Artikel 5 EWG-Vertrag zu loyaler Zusammenarbeit mit den Gerichten der Mitgliedstaaten verpflichtet.

(167) - Urteil Delimitis, Randnr. 54.

(168) - Siehe den Nachweis in Fußnote 112.

(169) - Vgl. die Schlussanträge des zum Generalanwalt bestellten Richters Kirschner in der Rechtssache T-51/89 (Tetra Pak/Kommission, Slg. 1990, II-312, II-345 f., Nr. 104), der dem zu Recht, gestützt auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Verordnung Nr. 67/67, hinzufügt, daß dem nationalen Gericht die Möglichkeit verbleibt, eine (überdies unmittelbar wirkende) Gruppenfreistellungsverordnung auszulegen, um zu prüfen, ob eine Vereinbarung unter diese fällt oder nicht: Der Gefahr von Wertungswidersprüchen lässt sich durch Vorabentscheidungsverfahren begegnen.

(170) - Siehe hierzu die Schlussanträge des Generalanwalts Reischl in der Rechtssache Marty (Slg. 1980, 2502, 2507) und die in Fußnote 169 zitierten Schlussanträge des zum Generalanwalt bestellten Richters Kirschner in der Rechtssache Tetra Pak, a. a. O.

(171) - Urteile vom 10. Juli 1980 in den verbundenen Rechtssachen 253/78 und 1/79 bis 3/79 (Giry und Guerlain, Slg. 1980, 2327, Randnr. 13), in der Rechtssache Marty, zitiert in Fußnote 79, Randnr. 10, in der Rechtssache 99/79 (Lancôme, Slg. 1980, 2511, Randnr. 11) und nochmals im Urteil vom 11. Dezember 1980 in der Rechtssache 31/80 (L' Oréal, Slg. 1980, 3775, Randnr. 11).

(172) - A. a. O.

(173) - Für EGKS-Einzelfallentscheidungen siehe Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 15 Absatz 2 EGKS-Vertrag; für EWG-Entscheidungen siehe Artikel 189 Absatz 4 EWG-Vertrag.

(174) - Urteil Foto-Frost, zitiert in Fußnote 55; siehe auch das in derselben Fußnote zitierte Urteil Busseni, Randnr. 14.

(175) - Dies gilt natürlich nicht für den Adressaten der Entscheidung der Kommission oder Personen, von denen ohne weiteres feststeht, daß diese Entscheidung sie unmittelbar und individuell betrifft: Ihnen steht, wenn sie die Rechtmässigkeit der in der Entscheidung getroffenen tatsächlichen oder rechtlichen Feststellungen anfechten wollen, nur die Nichtigkeitsklage im Sinne von Artikel 173 EWG-Vertrag offen.

(176) - Vgl. die Voraussetzung, die der Gerichtshof im Urteil Zuckerfabrik Süderdithmarschen, zitiert in Fußnote 118, für die Aussetzung der Vollziehung eines auf einer Gemeinschaftsverordnung beruhenden nationalen Verwaltungsakts aufstellt: Urteil Zuckerfabrik Süderdithmarschen, Randnrn. 23 und 33 und Nr. 2 des Tenors.

(177) - Es geht dann ohnehin nur um Feststellungen, die, da sie als Begründung für den verfügenden Teil nicht erforderlich waren (im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Artikel 190 EWG-Vertrag: Hierzu meine Schlussanträge vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache C-137/92 P, (BASF, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Nrn. 15 bis 17), nicht mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden können: Urteil des Gerichts vom 17. September 1992 in der Rechtssache T-138/89 (NBV und NVB, Slg. 1992, II-2181, Randnr. 31).