61990C0085

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 8. April 1992. - WILLIAM DOWLING GEGEN IRLAND, ATTORNEY GENERAL UND MINISTER FOR AGRICULTURE AND FOOD. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: SUPREME COURT - IRLAND. - ZUSAETZLICHE ABGABE AUF MILCH. - RECHTSSACHE C-85/90.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite I-05305


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. In dieser Rechtssache bittet der Supreme Court of Ireland den Gerichtshof, noch einmal Artikel 3a der Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 (ABl. L 90, S. 13) auszulegen, der mit der Verordnung Nr. 764/89 des Rates vom 20. März 1989 (ABl. L 84, S. 2) eingefügt wurde.

Das einschlägige Recht

2. Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68, eingefügt mit Verordnung Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 (ABl. L 90, S. 10), führte eine zusätzliche Abgabe auf die Milcherzeugung ein, die für die Milchmengen zu zahlen war, die eine bestimmte Referenzmenge oder "Quote" überstiegen. In Artikel 1 der Verordnung Nr. 857/84 des Rates wird diese Abgabe festgesetzt; Artikel 2 regelt, welche Quoten jedem Erzeuger zugeteilt werden. Diese Quoten werden unter Bezugnahme auf die Milchmengen berechnet, die in einem bestimmten Jahr geliefert wurden; dieses Referenzjahr kann nach Wahl des Mitgliedstaats eines der drei Kalenderjahre 1981, 1982 oder 1983 sein. Artikel 3 der Verordnung beschreibt bestimmte besondere Situationen, die bei der Berechnung der Quoten zu berücksichtigen sind. Artikel 3 Absatz 3 schreibt vor:

"Erzeuger, deren Milcherzeugung in dem nach Artikel 2 gewählten Referenzjahr von aussergewöhnlichen Ereignissen nachhaltig betroffen wurde, die vor oder während des betreffenden Jahres eingetreten sind, können auf Antrag erwirken, daß ein anderes Kalenderreferenzjahr innerhalb des Zeitraums 1981 bis 1983 berücksichtigt wird."

Beispiele solcher aussergewöhnlichen Ereignisse finden sich in Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2. Kraft Artikel 3 der Verordnung Nr. 1456/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 (ABl. L 139, S. 12) gehört dazu auch der Fall der

"langfristigen Berufsunfähigkeit des Erzeugers, falls dieser den Betrieb selbst geführt hat".

3. Artikel 3a wurde mit Verordnung Nr. 764/89 in die Verordnung Nr. 857/84 eingefügt, und zwar infolge der Urteile des Gerichtshofes in den Rechtssachen 120/86 (Mulder, Slg. 1988, 2321) und 170/86 (von Deetzen, Slg. 1988, 2355). Zweck des neuen Artikels war es, daß Milcherzeugern eine Quote zugeteilt werden konnte, die aufgrund der Verordnung Nr. 1078/77 des Rates vom 17. Mai 1977 (ABl. L 131, S. 1) eine Nichtvermarktungs- oder Umstellungsverpflichtung eingegangen waren und deswegen während des fraglichen Referenzjahres keine Milch erzeugt hatten. Nach der ersten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 764/89 sind in der Liste bestimmter besonderer Situationen in Artikel 3 der Verordnung Nr. 857/84 die Erzeuger nicht berücksichtigt, die eine Verpflichtung im Rahmen der Verordnung Nr. 1078/77 eingegangen sind und daher in dem vom betreffenden Mitgliedstaat zugrunde gelegten Referenzjahr keine Milch geliefert haben. Die Begründungserwägung endet mit den Worten, daß "die Liste der in Artikel 3 genannten besonderen Situationen durch einen neuen Artikel zu ergänzen [ist], damit die betreffenden Erzeuger eine spezifische Referenzmenge ... erhalten". Im Anschluß an die Urteile des Gerichtshofes in der Rechtssache C-189/89 (Spagl, Slg. 1990, I-4539) und C-217/89 (Pastätter, Slg. 1990, I-4585) wurde Artikel 3a durch die Verordnung Nr. 1639/91 des Rates vom 13. Juni 1991 (ABl. L 150, S. 35) geändert.

4. Vor der Änderung hatte Artikel 3a Absatz 1, soweit hier erheblich, folgenden Wortlaut:

"Die Erzeuger ...

° deren Nichtvermarktungs- bzw. Umstellungszeitraum gemäß der Verpflichtung im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 nach dem 31. Dezember 1983 bzw. [in bestimmten Fällen einschließlich Irlands] nach dem 30. September 1983 abläuft, ...

erhalten auf Antrag, der binnen drei Monaten nach dem 29. März 1989 eingereicht werden muß, vorläufig eine spezifische Referenzmenge."

In der Rechtssache C-189/89 (Spagl) wurden die Endtermine für den Ablauf der Nichtvermarktungs- oder Umstellungsverpflichtungen in dieser Bestimmung jedoch für ungültig erklärt. Artikel 3a Absatz 1 wurde daraufhin mit der Verordnung Nr. 1639/91 geändert, um auch Antragstellern eine Quote zukommen zu lassen, deren Verpflichtungen im Laufe des Jahres 1983 (gegebenenfalls zwischen dem 1. Januar und dem 30. September 1983) abliefen, soweit sie den Antrag innerhalb von drei Monaten nach dem 1. Juli 1991 stellten. In der vierten Begründungserwägung zur Verordnung Nr. 1639/91 heisst es dazu:

"Der Gerichtshof hat in den genannten Urteilen [Spagl und Pastätter] anerkannt, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber berechtigt war, eine Frist für den Ablauf des Nichtvermarktungs- bzw. Umstellungszeitraums festzusetzen, um diejenigen Erzeuger von den Bestimmungen des Artikels 3a der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 auszuschließen, die aus nicht in Zusammenhang mit der Nichtvermarktungs- oder Umstellungsverpflichtung stehenden Gründen während des gesamten oder eines Teils des betreffenden Bezugsjahres keine Milch angeliefert haben. Alle betroffenen Mitgliedstaaten haben das Jahr 1983 als Bezugsjahr gewählt. Es kann davon ausgegangen werden, daß Erzeuger, die die Milcherzeugung zwischen dem 1. Januar 1983 und dem 1. April 1984 nicht wiederaufgenommen haben, obwohl sie die Möglichkeit dazu gehabt hätten, damit hinreichend begründet haben, daß die Milcherzeugung aus persönlichen Gründen, die nicht mit der eingegangenen Verpflichtung oder den sich daraus ergebenden Konsequenzen in Zusammenhang stehen, aufgegeben wurde. Demnach sollten nur diejenigen Erzeuger von Artikel 3a erfasst werden, deren Nichtvermarktungs- oder Umstellungszeitraum am 31. Dezember 1982 abgelaufen ist."

Wenn in dieser Begründungserwägung auch auf beide Urteile des Gerichtshofes Bezug genommen wird, so hat sich der Gerichtshof doch nur in der Rechtssache Spagl mit dem Endtermin des Artikels 3a Absatz 1 beschäftigt. In den Randnummern 15 und 16 dieses Urteils führt der Gerichtshof aus, diese Bestimmung sei insoweit ungültig, als sie Erzeuger von der Anwendung des Artikels 3 ausschließt, die während des gesamten oder eines Teils des Referenzjahres in Erfuellung einer gemäß der Verordnung Nr. 1078/77 eingegangenen Verpflichtung keine Milch geliefert hätten. Bei der Änderung des Endtermins ging der Gesetzgeber also davon aus, Erzeuger könnten im Einklang mit dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Spagl von der Anwendung des Artikels 3a dann ausgeschlossen werden, wenn sich die von diesen Erzeugern eingegangenen Verpflichtungen nicht mit dem Referenzjahr für eine Quote nach Artikel 2 überschnitten.

Sachverhalt

5. Der Kläger beantragte 1978 eine Umstellungsprämie nach der Verordnung Nr. 1078/77. Sein Antrag wurde angenommen; er verpflichtete sich demgemäß, für vier Jahre bis zum 22. November 1982 keine Milch zu erzeugen. 1980 hatte er eine Herzattacke; im Februar 1981 wurde er am offenen Herzen operiert. 1982 und 1983 war er zu körperlicher Arbeit unfähig, nahm aber 1984 in beschränktem Umfang wieder körperliche Tätigkeit auf.

6. Nach den schriftlichen Erklärungen des Klägers wurde die Landwirtschaft auf seinem Betrieb ungeachtet seiner Arbeitsunfähigkeit infolge seiner Herzattacke im Jahre 1980 mit Hilfe seines Sohnes fortgeführt. Aufgrund der eingegangenen Verpflichtung handelte es sich dabei um Viehzucht, nicht um Milchwirtschaft. Der Kläger nahm aber auch nach Ablauf der Umstellungszeit trotz der Hilfe seines Sohnes die Milchwirtschaft nicht wieder auf. Bei der Einführung der zusätzlichen Abgabe auf die Milcherzeugung und der Quotenregelung für Milch im Jahre 1984 konnte der Kläger keine Quote nach Artikel 2 der Verordnung Nr. 857/84 erlangen, weil er im einschlägigen Referenzjahr 1983 keine Milch erzeugt hatte. Da er auch 1981 und 1982 keine Milch erzeugt hatte, konnte er auch die Möglichkeit des Artikels 3 Absatz 3 der Verordnung nicht ausnutzen, ein anderes Referenzjahr in dem Zeitraum 1981 bis 1983 zu benennen.

7. Als der neue Artikel 3a in die Verordnung Nr. 857/84 eingefügt wurde, um denjenigen Erzeugern, die eine Nichtvermarktungs- oder Umstellungsverpflichtung eingegangen waren, die Möglichkeit einer Quote zu eröffnen, beantragte der Kläger eine Quote unter dieser Bestimmung. Sein Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, die Voraussetzungen im ersten Gedankenstrich des Artikels 3a Absatz 1, die ich unter Nr. 4 zitiert habe, seien nicht erfuellt, da sein Umstellungszeitraum vor dem 1. Oktober 1983 abgelaufen sei. Am 6. Oktober 1989 erhob der Kläger Klage zum High Court mit dem Antrag, ihm eine Quote zuzusprechen. Der High Court wies die Klage ab. Daraufhin legte er Berufung zum Supreme Court ein.

8. Der Supreme Court hat die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Hat ein Landwirt gemäß Artikel 3c der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 764/89 einen Anspruch auf Zuteilung einer vorläufigen spezifischen Referenzmenge, wenn er

° als Gegenleistung für eine Unstellungsprämie nach der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 vom 23. November 1978 bis zum 22. November 1982 keine Milch erzeugt hat;

° im Jahr 1983 berufsunfähig und daher ausserstande war, die Milcherzeugung in diesem Jahr aufzunehmen, so daß die nationalen Behörden nachträglich anerkannt haben, daß er gemäß Artikel 3 Nr. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 berechtigt gewesen wäre, entweder 1981 oder 1982 als alternatives Referenzjahr zu bestimmen;

° sich zur Sicherung einer Referenzmenge nach der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 deshalb nicht auf die Milcherzeugung des Jahres 1981 oder des Jahres 1982 berufen konnte, weil beide Jahre in den oben genannten Umstellungszeitraum fallen?

Die Bezugnahme auf Artikel 3c der Verordnung Nr. 857/84 im ersten Teil der Frage ist ein offensichtlicher Irrtum, da es diesen Artikel nicht gibt. Gemeint ist offensichtlich Artikel 3a. In diesen Schlussanträgen werde ich das Tatbestandsmerkmal im ersten Gedankenstrich des Artikels 3a Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 schlicht als den "Endtermin" bezeichnen. Die Frage bezieht sich auf Erzeuger, die, wie der Kläger, eine Umstellungsverpflichtung nach der Verordnung Nr. 1078/77 abgegeben haben; dieselben Grundsätze gelten aber auch für Erzeuger, die eine Nichtvermarktungsverpflichtung unter derselben Verordnung abgegeben haben. Da aber Nichtvermarktungsverpflichtungen fünf Jahre galten, während Umstellungsverpflichtungen nur vier Jahre galten, wäre eine im November 1978 eingegangene Nichtvermarktungsverpflichtung erst im November 1983 abgelaufen.

Auslegung des Endtermins

9. Da die Umstellungsverpflichtung des Klägers im November 1982 auslief, hatte er nach dem Wortlaut des ersten Gedankenstrichs des Artikels 3a Absatz 1 keine Aussicht auf eine Quote nach Artikel 3a. Zwar wurde die Bestimmung anschließend geändert, um eine Quote auch Erzeugern gewähren zu können, deren Verpflichtung im Laufe des Referenzjahres 1983 auslief; das ändert aber nichts an der Position des Klägers, da seine Verpflichtung bereits vor Ende 1982 auslief. Weiter ergibt sich aus dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Spagl, daß die fragliche Bestimmung nach ihrem Wortsinn auszulegen ist; vgl. die Nrn. 14 bis 15. Der Kläger trägt vor, die Bestimmung mit dem Endtermin sei nicht nach ihrem Wortsinn auszulegen, da eine solche Auslegung zu einer rechtswidrigen Diskriminierung von Erzeugern in seiner Position führen würde. Er trägt nicht vor, daß die Verordnung Nr. 857/84 deshalb ungültig sei. Vielmehr seien Lücken in den Verordnungen über die Milchquoten durch die Anwendung des Gleichheitssatzes auszufuellen; EWG-Verordnungen könnten im Wege der Analogie ergänzt und angewandt werden, um Diskriminierungen zu vermeiden.

10. Zweifelsfrei ist Gemeinschaftsrecht weitestmöglich entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts einschließlich des Grundsatzes der Gleichbehandlung (für Landwirtschaft vgl. Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag) und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes auszulegen. Der Gerichtshof geht bei der Auslegung von Gemeinschaftsrecht davon aus, daß der Gesetzgeber diese übergeordneten Grundsätze des Gemeinschaftsrechts nicht verletzen wollte. Jedoch gibt es Grenzen für die Auslegung. Jenseits dieser Grenzen kann der Gerichtshof Sekundärrecht nur wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts für ungültig erklären, da er keine allgemeine Befugnis hat, Sekundärrecht, das sonst ungültig wäre, zu ergänzen: Rechtssache C-37/89, Weiser, Slg. 1990, I-2395, und insbesondere Generalanwalt Darmon auf S. I-2415.

11. Der Kläger stützt sein Vorbringen, der Gerichtshof könne den Wortlaut von Sekundärrecht ausser acht lassen, auf die Rechtssache 109/76 (Blottner/Nieuwe Algemene Bedrijfsvereniging, Slg. 1977, 1141), in der der Gerichtshof den Ausdruck "gegenwärtige oder künftige Durchführungsmaßnahme" in Artikel 1 Buchstabe j der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149, S. 2), auszulegen hatte. Nach Artikel 40 Absatz 1 der Verordnung sind Versicherungszeiten zusammenzurechnen, wenn ein Arbeitnehmer nacheinander oder nebeneinander dem Recht zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten unterstand. Artikel 1 Buchstabe j definiert "Recht" für diesen Zweck als Gesetze, Verordnungen und andere Maßnahmen "sowie alle anderen gegenwärtigen oder künftigen Durchführungsmaßnahmen". Der Gerichtshof legte diesen Ausdruck dahin aus, daß er Maßnahmen einschloß, die im Zeitpunkt des Erlasses der einschlägigen Gemeinschaftsverordnung nicht mehr in Kraft waren. In Randnummer 12 des Urteils heisst es:

"Das Ziel [der Zusammenrechnung von Zeiträumen für Zwecke der Leistungen der sozialen Sicherheit nach Maßgabe des Artikels 51 EWG-Vertrag] würde nicht erreicht, wenn der Arbeitnehmer die Versicherteneigenschaft ... allein deshalb verlöre, weil zur Zeit des Erlasses dieser Verordnungen an die Stelle der nationalen Rechtsvorschriften, die in Kraft waren, als der Arbeitnehmer versichert war, andere Rechtsvorschriften getreten sind."

Der Zweck des Artikels 40 Absatz 1 der Verordnung wäre also durch eine engere Auslegung des Artikels 1 Buchstabe j verfehlt worden. Wie Generalanwalt Warner in seinen Schlussanträgen (S. 1158) ausführte, hätte jede andere Auslegung zu einem offenkundigen Widersinn geführt; aus den von ihm gegebenen Gründen lief diese Auslegung letztlich dem Wortlaut der Bestimmung nicht zuwider. Die Rechtssache Blottner zeigt daher allenfalls, daß der Gerichtshof erforderlichenfalls dem klaren Ziel einer Bestimmung durch eine weite Auslegung ihres Wortlauts Wirksamkeit verschaffen wird.

12. Der Kläger verweist auch auf die verbundenen Rechtssachen 201/85 und 202/85 (Klensch/Secrétaire d' Etat, Slg. 1986, 3477). In dieser Rechtssache führte der Gerichtshof aus, unter bestimmten Umständen müsste eine Quote ganz oder teilweise der nationalen Reserve zugeführt werden; der Erwerber, dem sie gemäß Formel B in Artikel 2 der Verordnung Nr. 857/84 zugewiesen worden sei, könne sie nicht behalten, und das ungeachtet des Umstands, daß die Verordnung für eine solche Anpassung unter diesen Umständen keine Vorsorge getroffen hatte: vgl. Randnrn. 19 bis 22 des Urteils. Da die Verordnung aber auch keine Bestimmungen über den Ausschluß einer solchen Anpassung vorsah, kann sich der Kläger auf das Vorgehen des Gerichtshofes in der Rechtssache Klentsch nicht berufen. Schließlich führt der Kläger die Rechtssache 165/84 (Krohn/BALM, Slg. 1985, 3997) an, in der der Gerichtshof ausführte, daß eine Gemeinschaftsverordnung, die eine mit einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts unvereinbare Lücke enthalte, unter bestimmten Ausnahmeumständen auf Sachlagen erstreckt werden könne, die diese Verordnung nicht im Auge habe: vgl. Randnr. 14 des Urteils. Der Gerichtshof entschied jedoch nicht, daß eine solche Erstreckung der Verordnung zulässig sei, wo dies ihrem ausdrücklichen Wortlaut oder ihrer klaren Absicht widerspräche.

13. Die Grenzen dessen, was der Gerichtshof durch die Auslegung von Gemeinschaftsrecht erreichen kann, werden durch das Minenfeld für die Gesetzgebung eindrücklich illustriert, um das es hier geht. Hier hat der Gerichtshof zweimal Verordnungen für ungültig erklärt. Die Verordnung Nr. 857/84 wurde zuerst in der Rechtssache 120/86 (Mulder) und 170/86 (von Deetzen) für ungültig erklärt. In diesen Fällen entschied der Gerichtshof, daß der völlige, dauerhafte Ausschluß von Erzeugern, die eine Verpflichtung nach der Verordnung Nr. 1078/77 eingegangen waren, von der Milcherzeugung gegen deren geschütztes Vertrauen verstosse: vgl. Randnr. 26 des Urteils in der Rechtssache Mulder, Randnr. 15 des Urteils in der Rechtssache von Deetzen. Der Gerichtshof hielt es nicht für möglich, die fraglichen Bestimmungen derart auszulegen, daß die Erzeuger eine solche Quote erhielten. In Randnummer 15 des Urteils in der Rechtssache Mulder heisst es:

"Wie die Untersuchung des Aufbaus und des Zwecks der Artikel 3 und 4 der Verordnung Nr. 857/84 des Rates zeigt, zählen diese Bestimmungen die Situationen abschließend auf, in denen besondere oder zusätzliche Referenzmengen von den Mitgliedstaaten zugeteilt werden können. Da diese Bestimmungen keine Regelung für die Situation eines Erzeugers vorsehen, der wegen einer nach der Verordnung Nr. 1078/77 eingegangenen Nichtvermarktungsverpflichtung im Referenzjahr keine Milch geliefert hat, hat ein solcher Erzeuger nur insoweit Anspruch auf eine Referenzmenge, als er unter einen oder mehrere der hierfür besonders vorgesehenen Tatbestände fällt."

14. Der Rat war daher gezwungen, die Verordnung Nr. 857/84 zu ändern und die Liste der besonderen Situationen, in denen Quoten zugeteilt werden konnten, zu ergänzen. Zu diesem Zweck wurde ein neuer Artikel 3a in die Verordnung eingefügt. In den Rechtssachen C-189/89 (Spagl) und C-217/89 (Pastätter) wurde Artikel 3a jedoch selbst unter zwei Gesichtspunkten für ungültig erklärt. Die Regel in Artikel 3a Absatz 2, daß die spezifische Referenzmenge, die gemäß Artikel 3a Absatz 1 vorläufig zugeteilt werden konnte, auf 60 % der früher gelieferten Milchmenge beschränkt wurde, wurde für ungültig erklärt, da der Kürzungssatz, der nur auf die Erzeuger anwendbar war, die nach Erfuellung einer Verpflichtung unter der Verordnung Nr. 1078/77 wieder erzeugen wollten, im Verhältnis zu dem Kürzungssatz für andere Erzeuger unverhältnismässig hoch war: vgl. Randnr. 23 des Urteils in der Rechtssache Spagl, Randnr. 14 des Urteils in der Rechtssache Pastätter. Zudem wurde in der Rechtssache Spagl auch der Endtermin im ersten Gedankenstrich des Artikels 3a Absatz 1 für ungültig erklärt, da er von der Anwendung des Artikels 3a Erzeuger ausschloß, die während des gesamten oder eines Teils des Referenzjahres in Erfuellung einer gemäß der Verordnung Nr. 1078/77 eingegangenen Verpflichtung keine Milch geliefert hatten.

15. Hätte der Gerichtshof den Endtermin in Artikel 3a Absatz 1 oder den 40%igen Kürzungssatz in Artikel 3a Absatz 2 beseitigen oder anpassen können, so wäre es nicht erforderlich gewesen, diese Bestimmungen für ungültig zu erklären. Obwohl diese beiden Bestimmungen bei wörtlicher Auslegung das geschützte Vertrauen derjenigen Erzeuger verletzten, die eine Verpflichtung gemäß der Verordnung Nr. 1078/77 erfuellt hatten, und obwohl Artikel 3a gerade zu dem Zweck in die Verordnung Nr. 857/84 eingefügt wurde, das Vertrauen dieser Erzeuger zu schützen, sah sich der Gerichtshof nicht in der Lage, diese Bestimmungen gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. Er konnte das nicht tun, weil der Zweck der Gesetzgebung zwar fehlerhaft, aber völlig klar war und somit keine Möglichkeit bestand, vom Wortlaut der Bestimmungen abzuweichen. Da die Absicht des Gesetzgebers einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts widersprach, konnte der Gerichtshof die Bestimmungen, die diese Absicht umsetzten, nur für ungültig erklären.

16. Ebenso wurde die Verordnung Nr. 857/84 ursprünglich, vor der Einfügung des Artikels 3a, für ungültig erklärt, weil die Artikel 3 und 4 der Verordnung nicht dahin ausgelegt werden konnten, daß sie auch Erzeuger erfassten, die im maßgeblichen Referenzjahr wegen einer Verpflichtung gemäß der Verordnung Nr. 1078/77 keine Milch geliefert hatten. Wie der Gerichtshof in Randnummer 15 seines Urteils in der Rechtssache 120/86 (Mulder) ausführte, ergibt eine Untersuchung der Artikel 3 und 4 der Verordnung Nr. 857/84, daß die dort enthaltene Liste der Sondersituationen ausschließlich sein sollte. Der Gerichtshof konnte daher eine Lücke in der Regelung nicht durch Einfügung einer weiteren Sondersituation fuellen: Er konnte die Regelung nur insoweit für ungültig erklären, als sie eine solche Bestimmung nicht vorsah.

17. Als der Gesetzgeber die ursprüngliche Fassung des Artikels 3a Absatz 1 in Kraft setzte, beabsichtigte er zweifellos, mit dem Endtermin alle Erzeuger auszuschließen, deren Umstellungsverpflichtungen vor dem gesetzten Endtermin ausgelaufen waren. Dieselbe Absicht ergibt sich ebenso offenkundig aus der mit der Verordnung Nr. 1639/91 geänderten Verordnung, insbesondere aus deren vierter Begründungserwägung, die ich in Nr. 4 zitiert habe. Kein Zweifel besteht auch daran, daß die Liste der Sondersituationen in der Verordnung Nr. 857/84 auch nach der Einfügung des Artikels 3a und der späteren Änderung dieses Artikels abschließend ist. Artikel 3a sieht also eine neue Sondersituation vor, in der eine Quote zugeteilt werden kann, ändert aber nicht die Bedeutung von Artikel 3 Absatz 3 dahin, daß für die Zwecke dieser Bestimmung ein weiteres alternatives Referenzjahr eingeführt wurde.

18. Der Kläger kann also in diesem Verfahren nur Erfolg haben, wenn die Verordnung Nr. 857/84 insoweit für ungültig erklärt wird, als sie einen Erzeuger in seinen Verhältnissen nicht erfasst. Wenn die Frage der Gültigkeit auch weder vorgelegt noch in den Erklärungen vor dem Gerichtshof erörtert wurde, so kann der Gerichtshof sie doch von Amts wegen aufwerfen, zumal der Kläger vorgetragen hat, daß die Verordnung bei grammatischer Auslegung gegen allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts verstösst. Die Erörterung vor dem Gerichtshof hat sich also auf Fragen bezogen, die sich unmittelbar auf die Gültigkeit der Verordnung beziehen. Das Vorbringen genügt jedoch nicht, um sie für ungültig zu halten.

Die Gültigkeit des Endtermins

19. Nach Auffassung des Klägers widerspricht der Endtermin bei grammatischer Auslegung unter zwei Gesichtspunkten allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts. Zum einen fielen Erzeugern in der Lage des Klägers unter die Urteile in den Rechtssachen 120/86 (Mulder) und 170/86 (von Deetzen); das Vertrauen des Klägers, daß er die Milcherzeugung wieder aufnehmen könne, sollte vom Gerichtshof geschützt werden. Zum zweiten widerspräche es dem Diskriminierungsverbot, wenn ihm keine Quote eingeräumt würde. Ich gehe auf dieses Vorbringen nacheinander ein.

20. In den Rechtssachen Mulder und von Deetzen führte der Gerichtshof aus, ein Erzeuger, der freiwillig für einen bestimmten Zeitraum die Erzeugung eingestellt habe, könne nicht darauf vertrauen, die Erzeugung unter denselben Voraussetzungen wie früher wieder aufnehmen zu können; habe ihn freilich eine Gemeinschaftsmaßnahme zu der Verpflichtung ermuntert, die Vermarktung für einen bestimmten Zeitraum einzustellen, so könne er darauf vertrauen, nach Ablauf seiner Verpflichtung nicht Beschränkungen unterworfen zu werden, die ihn gerade deswegen besonders träfen, weil er diese Regelung in Anspruch genommen habe. Damit kommt es auf die Frage an, ob der Kläger bei Ablauf seiner Verpflichtung im November 1982 gemeinschaftsrechtlichen Beschränkungen unterlag, die die spezifische Folge seiner Beteiligung an der Umstellungsregelung waren.

21. Die Antwort ist klar. Bei Ablauf der Verpflichtung des Klägers unterlag er keinen gemeinschaftsrechtlichen Beschränkungen der Milcherzeugung. Die zusätzliche Abgabe auf die Milcherzeugung und damit die Quotenregelung wurde erst am 1. April 1984 eingeführt. Während des ganzen Jahres 1983 hätte der Kläger die Milcherzeugung wiederaufnehmen können; da 1983 das Referenzjahr für die Zwecke des Artikels 2 der Verordnung Nr. 857/84 war, hätte er später eine Quote nach dieser Bestimmung erlangen können. Tatsächlich war der Kläger aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert, die Milcherzeugung im Jahr 1983 wiederaufzunehmen, und erlangte daher keine Quote. Daß er nicht rechtzeitig die Milcherzeugung wiederaufnahm, ist daher nicht Folge der Durchführung der Umstellungsverpflichtung; es ist Folge seiner Krankheit.

22. Sicherlich konnte der Kläger nicht unter Berufung auf Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung 1981 oder 1982 als alternative Referenzjahre angeben, da er während dieser Jahre keine Milch erzeugt hatte; das nun ist Folge der Umstellungsverpflichtung. Diese Möglichkeit, nach Artikel 3 Absatz 3 ein alternatives Referenzjahr zu wählen, ergab sich jedoch nur, weil der Kläger während des Referenzjahres 1983 berufsunfähig war. Diese Berufsunfähigkeit, nicht die klägerische Verpflichtung, führte zu der Möglichkeit der Wahl eines anderen Referenzjahrs und zu der entsprechenden Notwendigkeit. Zwischen der Erfuellung der Umstellungsverpflichtung durch den Kläger und der Versagung einer Quote besteht damit kein hinreichend enger Zusammenhang. Nach dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-189/89 (Spagl) kann der Gemeinschaftsgesetzgeber von der Anwendung des Artikels 3a Erzeuger ausschließen, die während des einschlägigen Referenzjahrs aus anderen Gründen als der Erfuellung der Verpflichtung gemäß der Verordnung Nr. 1078/77 keine Milch lieferten: Randnr. 13 des Urteils; vgl. auch Urteil vom 10. Januar 1992 in der Rechtssache C-177/90 (Kühn, Slg. 1992, I-35, Randnr. 15).

23. Das Vertrauen des Klägers darauf, am Ende des Umstellungszeitraums die Milcherzeugung wiederaufnehmen zu dürfen, wurde nicht durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht verletzt, sondern durch seinen Gesundheitszustand im Jahre 1983. Andererseits wurde er ohne Zweifel unter den einschlägigen Bestimmungen anders behandelt als ein Erzeuger, der während eines der beiden in Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 857/84 zugelassenen alternativen Referenzjahre erzeugen konnte. Daher stellt sich die Frage, ob diese unterschiedliche Behandlung eine rechtswidrige Diskriminierung zwischen Erzeugern in der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 40 Absatz 3 EWG-Vertrag ist.

24. In der Rechtssache 84/87 (Erpelding, Slg. 1988, 2647) führte der Gerichtshof aus, die Regel, daß Erzeuger, deren Milcherzeugung in dem Zeitraum 1981 bis 1983 erheblich geringer war, keine Quote nach Maßgabe ihrer repräsentativen Erzeugung erlangen konnten, benachteilige diese Erzeuger gegenüber anderen, die während eines Referenzjahrs eine solche Erzeugung aufwiesen. Die Regel war gleichwohl durch das Erfordernis gerechtfertigt, die Zahl der möglichen Referenzjahre im Interesse der Rechtssicherheit und der Wirksamkeit der Quotenregelung zu beschränken: vgl. Randnr. 30 des Urteils sowie Rechtssache 113/88 (Leukhardt, Slg. 1989, 1991). In der vorliegenden Rechtssache gelten genau dieselben Erwägungen. Der Kläger könnte nur eine Quote erhalten, wenn er anstelle des Referenzjahres 1983 ein Jahr ausserhalb des Dreijahreszeitraums 1981 bis 1983 benennen könnte. Mit dem Antrag auf Anwendung des Artikels 3a der Verordnung Nr. 857/84 erhebt er den Anspruch, die zwölf Monate vor seinem Antrag auf Umstellungsprämie als Grundlage für die Quotenzuteilung zu nehmen: vgl. Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung. Er hat keine besseren Gründe dafür, als Referenzjahr ein Jahr ausserhalb des Dreijahreszeitraums zu nehmen, als jeder andere Erzeuger, der aus beliebigen Gründen nicht in der Lage war, während dieser drei Jahre eine genügende Menge Milch zu erzeugen. Auch die Rüge einer Diskriminierung ist daher zu verwerfen. Somit sind keine Gründe vorgetragen worden, die zu dem Ergebnis führten, daß die Verordnung Nr. 857/84 insoweit ungültig sei, als sie einem Erzeuger in der Position des Klägers keine Quote zugute kommen lässt.

Antrag

25. Ich beantrage daher, die Vorlagefrage des Supreme Court of Ireland wie folgt zu beantworten:

Lief der Umstellungszeitraum eines Erzeugers nach einer Verpflichtung gemäß der Verordnung Nr. 1078/77 vor dem 1. Januar 1983 ab, so hat dieser Erzeuger keinen Anspruch auf eine vorläufige spezifische Referenzmenge nach Artikel 3a der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnungen Nrn. 764/89 und 1639/91, selbst wenn er im Jahr 1983 berufsunfähig war, was es ihm unter Umständen ermöglicht hätte, gemäß Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 857/84 ein anderes Kalenderjahr innerhalb des Zeitraums 1981 bis 1983 als Referenzjahr zu wählen, hätte er nicht die Umstellungsverpflichtung erfuellt.

(*) Originalsprache: Englisch.