SITZUNGSBERICHT

in der Rechtssache C-260/89 ( *1 )

I — Sachverhalt und Verfahren

1. Rechtlicher Rahmen

1.

Nach Artikel 15 der griechischen Verfassung von 1975 unterstehen Rundfunk und Fernsehen der unmittelbaren Kontrolle des Staates und dienen der objektiven und ausgewogenen Verbreitung von Informationen und Nachrichten sowie von Werken des Geistes und der Kunst; nach demselben Artikel ist stets das qualitative Niveau der Sendungen gemäß ihrer gesellschaftlichen Aufgabe und der kulturellen Entwicklung des Landes sicherzustellen.

2.

Die Aktiengesellschaft „Elliniki Radiofonia Tileorasi Anonymi Etairia“ (im folgenden: ERT), ein der Kontrolle und der Aufsicht des Staates unterstehendes öffentliches Unternehmen, wurde durch das Gesetz Nr. 1730/1987 {Amtsblatt der Griechischen Republik, Abteilung I, Nr. 145 vom 18. 8. 1987, S. 144) geschaffen.

Die ERT umfaßt das Griechische Fernsehen (ET 1 und ET 2), den Griechischen Rundfunk, das Institut für audiovisuelle Medien sowie die Gesellschaft für die Herstellung und den Vertrieb von Sendungen und Programmen in Rundfunk und Fernsehen ERT.

Artikel 2 Absätze 1 bis 3 des Gesetzes Nr. 1730/1987 bestimmt:

„1.

Der Zweck der ERT AE besteht in der Organisation, dem Betrieb und der Fortentwicklung des Rundfunk- und Fernsehwesens sowie darin, mit diesen Medien a) zur Information, b) zur Bildung und c) zur Unterhaltung des griechischen Volkes beizutragen. Die Tätigkeit der ERT AE ist nicht auf die Erzielung eines Gewinns gerichtet.

2.

Der Staat räumt der ERT AE eine ausschließliche Rundfunk- und Fernsehkonzession für alle Tätigkeiten ein, die zur Erreichung ihres Zwecks beitragen. Diese Konzession ist nicht übertragbar und berechtigt insbesondere dazu,

a)

von jedem zu Lande, zu Wasser und in der Luft gelegenen inländischen Ort aus mit den Methoden des Rundfunks und des Fernsehens Ton- und Bildsendungen aller Art auszustrahlen, die dazu bestimmt sind, entweder allgemein oder mit besonderen geschlossenen Kabelsystemen oder geschlossenen Systemen anderer Art empfangen zu werden;

b)

Anlagen zur Veranstaltung von Rundfunk und Fernsehen zu errichten, also Sender, Relaisstationen, Bodenstationen für die Übermittlung durch Satellit, Kabelsysteme, kabelgebundene Übertragungen allgemein mit jeder technischen Methode und unter Anwendung der Technologie, die zur Übertragung von Ton und Bild zum Empfang durch die Allgemeinheit beiträgt.

3.

Die ERT AE produziert Rundfunk- und Fernsehsendungen und verwertet sie auf jede Weise, sie schafft Einrichtungen zur Herstellung von Gütern und zur Erbringung von Dienstleistungen jeder Art, die mit den optischen, akustischen und audiovisuellen Massenkommunikationsmitteln zusammenhängen, und sie übt allgemein alle Tätigkeiten aus, die zur Erreichung des Ziels der ERT AE beitragen.“

Nach Artikel 16 Absatz 1 ist es

„jeder juristischen oder natürlichen Person verboten, ... Sendungen irgendwelcher Art auszustrahlen, für die die ERT AE eine ausschließliche Konzession und Berechtigung nach Artikel 2 besitzt“.

Das Gesetz Nr. 1730/1987 sieht jedoch eine Ausnahme von diesem Verbot vor: Der Verwaltungsrat der ERT kann eine Genehmigung für die Einrichtung von internen Systemen zur Übertragung von Rundfunk-und Fernsehsendungen von lokaler Bedeutung über Draht oder Kabel erteilen. Die Genehmigung wird jedoch nur für den Empfang von Ton und Bild erteilt. Die Voraussetzungen und die Modalitäten der Erteilung der Genehmigung sowie bestimmte Erfordernisse in bezug auf den Betrieb der betreffenden Systeme werden durch Präsidialdekret geregelt.

Wer gegen Artikel 16 Absatz 1 verstößt, wird nach Artikel 16 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Monaten bestraft. In demselben Urteil wird auch die Einziehung der zur Ausstrahlung von Ton und Bild dienenden Mittel zugunsten der ERT angeordnet.

3.

Am 6. Oktober 1989 wurde das Gesetz Nr. 1866/1989 erlassen, das unter anderem die Möglichkeit vorsieht, durch gemeinsame Entscheidung des Ministers im Amt des Präsidenten des Ministerrats, des Innenministers, des Finanzministers und des Ministers für Verkehr und Kommunikation Aktiengesellschaften oder Gebietskörperschaften eine Genehmigung für die Einrichtung und den Betrieb von Fernsehstationen mit lokaler Reichweite zu erteilen.

2. Vorgeschichte des Ausgangsverfahrens

4.

Am 31. Dezember 1988 gründeten die Firma Dimotiki Etairia Pliroforisis (im folgenden: „DEP“) und der Oberbürgermeister von Thessaloniki, Sotirios Kouvelas, in Thessaloniki einen Fernsehsender mit der Bezeichnung „TV 100“, der am selben Tag mit der Ausstrahlung von Sendungen begann.

Gegenüber diesem Vorgehen beantragte die ERT am 24. Dezember 1988 beim Monomeies Protodikeio (Einzelrichter als Gericht erster Instanz) Thessaloniki die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes. In diesem Verfahren machte die ERT geltend, die Tätigkeit der DEP und des Oberbürgermeisters sei rechtswidrig, da sie unter den Begriff der „Ausstrahlung von Sendungen“ und der „Errichtung von Anlagen“ im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 des Gesetzes Nr. 1730/1987 falle und damit gemäß Artikel 16 Absatz 1 dieses Gesetzes verboten sei. Darüber hinaus trug die ERT vor, die streitige Tätigkeit habe ihr wirtschaftlichen Schaden zugefügt und verursache zugleich erhebliche technische Störungen für das Rundfunk-und Fernsehkommunikationssystem des Landes und die Ausübung ihrer Tätigkeiten.

Die Antragsgegner des Ausgangsverfahrens beantragten, den Antrag zurückzuweisen. Sie machten geltend, das Gesetz Nr. 1730/1987, insbesondere seine Artikel 2 Absatz 2 sowie 16, verstießen gegen die griechische Verfassung, gegen Artikel 10 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte sowie gegen den EWG-Vertrag, insbesondere gegen die Artikel 59 ff. und 85 ff.

3. Vorabentscheidungsfragen

5.

Das Monomeies Protodikeio Thessaloniki ist der Auffassung, daß die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhänge. Es hat daher am 11. April 1989 beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1)

Steht ein Gesetz, wonach es einem einzigen Fernsehveranstalter gestattet ist, das Fernsehmonopol im gesamten Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats innezuhaben und Fernsehübertragungen jeder Art vorzunehmen, mit dem EWG-Vertrag und dem abgeleiteten Recht in Einklang?

2)

Bejahendenfalls: Liegt — gegebenenfalls inwieweit — ein Verstoß gegen die in Artikel 9 EWG-Vertrag verbürgte grundlegende Freiheit des Warenverkehrs im Hinblick darauf vor, daß die Ausübung der ausschließlichen Fernsehkonzession durch einen einzigen Veranstalter für die übrigen Gemeinschaftsbürger das Verbot zur Folge hat, Material, Tonträger, Filme, Fernsehdokumentarsendungen und andere Erzeugnisse, die zur Ausstrahlung von Fernsehsendungen verwendet werden können, außer zur Verwirklichung der Zwecke des betreffenden Veranstalters, des Inhabers der ausschließlichen Fernsehkonzession, in den betreffenden Mitgliedstaat auszuführen oder dort zu vermieten oder auf irgendeine Weise zu verteilen, wobei der betreffende Veranstalter sich nach seinem Ermessen für einheimisches Material und einheimische Erzeugnisse statt für Material und Erzeugnisse der anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft entscheiden und ersteren den Vorzug vor letzteren geben kann?

3)

Stellt — gegebenenfalls inwieweit — die Erteilung der Fernsehkonzession an einen einzigen Veranstalter eine durch Artikel 30 EWG-Vertrag ausdrücklich verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung dar?

4)

Ist die Erteilung der zu Fernsehübertragungen jeder Art im gesamten Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats berechtigenden ausschließlichen Fernsehkonzession durch Gesetz an einen einzigen Fernsehveranstalter etwa deshalb als rechtmäßig anzusehen, weil sie unter Artikel 36 EWG-Vertrag, wie er vom Gerichtshof ausgelegt worden ist, fällt, da diese Konzessionserteilung einem zwingenden Erfordernis gerecht wird und einem im öffentlichen Interesse liegenden Ziel dient, wie es die Ausgestaltung des Fernsehens als Dienstleistung für das öffentliche Interesse ist? Geht sie — gegebenenfalls inwieweit — über dieses angestrebte Ziel hinaus, das heißt wird dieses Ziel — der Schutz des öffentlichen Interesses — auf die am wenigsten belastende Art verfolgt, also auf eine Art, die den freien Warenverkehr möglichst wenig beeinträchtigt?

5)

Stehen — gegebenenfalls inwieweit — die ausschließlichen Rechte, die ein Mitgliedstaat einem Unternehmen (Veranstalter) in bezug auf Fernsehübertragungen einräumt, und die Ausübung dieser Rechte mit den Wettbewerbsregeln des Artikels 85 in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe f EWG-Vertrag in Einklang, wenn die Vornahme bestimmter Handlungen durch das betreffende Unternehmen, insbesondere a) die Ausstrahlung von Werbesendungen, b) das Inverkehrbringen von in der Gemeinschaft produzierten Filmen, Dokumentarsendungen und anderen Fernsehwerken und c) die — in seinem Ermessen stehende — Entscheidung für die Verbreitung und Ausstrahlung von Fernsehsendungen, Filmen, Dokumentarsendungen und anderen Werken — all dies (a bis c) nur durch dieses Unternehmen —, den Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher in der Gemeinschaft in seinem Tätigkeitsbereich im gesamten Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verhindert, einschränkt oder verfälscht, wenngleich das Unternehmen zu solchem Handeln nach dem Gesetz berechtigt ist?

6)

Für den Fall, daß der Mitgliedstaat das mit der Veranstaltung des Fernsehens betraute Unternehmen ferner hinsichtlich dessen kommerzieller Tätigkeiten — insbesondere hinsichtlich der Werbung — als Unternehmen einsetzt, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist: Stehen — gegebenenfalls inwieweit — die Wettbewerbsregeln des Artikels 85 in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe f der Erfüllung der dem Unternehmen übertragenen Aufgaben entgegen?

7)

Ist anzunehmen, daß ein solches Unternehmen, dem durch Gesetz des Mitgliedstaats das Fernsehmonopol für Fernsehübertragungen jeder Art in dessen gesamtem Hoheitsgebiet eingeräumt worden ist, eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes innehat?

8)

Bejahendenfalls: Stellt — gegebenenfalls inwieweit — die zum Nachteil der Verbraucher in der Gemeinschaft erfolgende Festsetzung (Fehlen jedes anderen Wettbewerbs auf dem Markt) von Monopolpreisen für Fernsehwerbesendungen sowie — nach dem Ermessen des Unternehmens — von Vorzugspreisen durch das Unternehmen und die Vornahme der in der Frage 5 aufgeführten, zur Ausschaltung des Wettbewerbs führenden Handlungen durch das Unternehmen in dessen Tätigkeitsbereich eine mißbräuchliche Ausnutzung seiner beherrschenden Stellung dar?

9)

Steht es — gegebenenfalls inwieweit — zum einen mit dem durch den EWG-Vertrag (Präambel und Artikel 2) verfolgten gemeinschaftlichen Ziel der stetigen Verbesserung der Lebensbedingungen der europäischen Völker und der raschen Hebung ihrer Lebenshaltung und zum anderen mit Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte vom 4. November 1950 in Einklang, wenn einem einzigen Fernsehveranstalter durch Gesetz das Fernsehmonopol für Fernsehübertragungen jeder Art im gesamten Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eingeräumt wird?

10)

Erlegen — unabhängig vom Vorhandensein geschriebenen Gemeinschaftsrechts — der in Artikel 10 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte niedergelegte Anspruch auf freie Meinungsäußerung und das erwähnte, in der Präambel und in Artikel 2 aufgeführte Ziel des EWG-Vertrags per se den Mitgliedstaaten Verpflichtungen auf und gegebenenfalls welche?

In seiner Vorlageentscheidung nimmt das vorlegende Gericht auf einige Grundsätze des Gemeinschaftsrechts sowie auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu diesen Grundsätzen Bezug. Insbesondere die Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr und die Wettbewerbsregeln haben bei dem vorlegenden Gericht Zweifel daran geweckt, ob das Monopol für Fernsehsendungen, das der ERT durch das Gesetz Nr. 1730/1987 eingeräumt worden ist, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

4. Verfahren

6.

Die Vorlageentscheidung ist am 16. August 1989 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofs eingetragen worden.

Gemäß Artikel 20 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes der EWG haben schriftliche Erklärungen eingereicht: die ERT, Antragstellerin des Ausgangsverfahrens, vertreten durch die Rechtsanwälte V. Kostopoulos, K. Kalavros und N. Papageorgiou, Athen, die juristische Person des Privatrechts DEP und S. Kouvelas, Antragsgegner des Ausgangsverfahrens, vertreten durch die Rechtsanwälte A. Vamvakopoulos, A. Panagopoulos und P. Ladas, Thessaloniki, die Regierung der Französischen Republik, vertreten durch E. Belliard, Directeur adjoint in der Direktion für Rechtsfragen des Außenministeriums, und durch G. de Bergues, Secrétaire adjoint principal für auswärtige Angelegenheiten im Außenministerium, als Bevollmächtigte, sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Marenco, B. Jansen und M. Condou-Durande, alle Juristischer Dienst der Kommission, als Bevollmächtigte.

Der Gerichtshof hat auf Bericht des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

II — Beim Gerichtshof eingereichte schriftliche Erklärungen

7.

Die beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen beziehen sich auf die Vereinbarkeit eines Monopols für Fernsehsendungen mit 1) den Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr, 2) den Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr, 3) den Wettbewerbsregeln, 4) Artikel 2 EWG-Vertrag und 5) Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

1. Der freie Warenverkehr

8.

Die ERT verweist zunächst auf das Urteil des Gerichtshofes vom 30. April 1974 in der Rechtssache 155/73 (Sacchi, Sig. 1974, 409), in dem der Gerichtshof entschieden habe, daß die Ausstrahlung von Fernsehsendungen unter die Vertragsvorschriften über Dienstleistungen falle. Was den freien Warenverkehr angehe, habe der Gerichtshof folgendes festgestellt:

„Steht einem Unternehmen eines Mitgliedstaats das ausschließliche Recht für Fernsehwerbesendungen zu, so ist dies nicht schon an sich mit dem Grundsatz des freien Verkehrs der Waren unvereinbar, deren Vermarktung diese Sendungen zu fördern suchen. Etwas anderes müßte jedoch dann gelten, wenn das Ausschließlichkeitsrecht dazu benutzt würde, innerhalb der Gemeinschaft bestimmte Handelsströme oder Wirtschaftsunternehmen gegenüber anderen zu fördern.“

In diesem Zusammenhang trägt die ERT vor, sie benutze ihre ausschließliche Konzession nicht dazu, bestimmte Handelsströme zu fördern. Vielmehr beschaffe sie sich die für die Sendungen erforderlichen Erzeugnisse nach einer Ausschreibung, an der alle interessierten Firmen teilnähmen.

9.

Die französische Regierung führt aus, Artikel 9 EWG-Vertrag, der die anläßlich oder aufgrund der Einfuhr geforderten Abgaben betreffe, stehe in keiner Weise dem entgegen, daß ein Mitgliedstaat einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer ein Fernsehmonopol einräume.

10.

Was die Artikel 30 und 36 angeht, zitiert die französische Regierung ebenfalls die oben genannte Randnummer der Entscheidungsgründe des Urteils in der Rechtssache Sacchi. Sie weist außerdem darauf hin, daß der Gerichtshof in dieser Rechtssache festgestellt habe, daß der Handel mit sämtlichen Materialien, Tonträgern und sonstigen Erzeugnissen, die für die Ausstrahlung von Fernsehsendungen benutzt würden, unter den freien Warenverkehr falle. Darüber hinaus habe der Gerichtshof im Urteil vom 28. Juni 1983 in der Rechtssache 271/81 (Mialocq, Slg. 1983, 2057) nicht ausgeschlossen, daß ein Dienstleistungsmonopol mittelbar den Warenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten beeinflussen könne. Nach Auffassung des Gerichtshofes könne daher ein Unternehmen, das ein Dienstleistungsmonopol innehabe, insbesondere dann gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstoßen, wenn dieses Monopol zu einer Diskriminierung eingeführter Erzeugnisse gegenüber den einheimischen Erzeugnissen führen würde. Im vorliegenden Fall habe das vorlegende Gericht aber keine dahin gehenden Angaben gemacht.

Auch die Kommission nimmt auf die oben zitierte Passage in der Rechtssache Sacchi Bezug. Sie folgert daraus, daß die Erteilung einer Konzession für die Ausstrahlung von Fernsehsendungen an einen einzigen Wirtschaftsteilnehmer und die damit verbundene Einräumung der Befugnis zur Einfuhr der zur Ausstrahlung der Sendungen erforderlichen Materialien und Erzeugnisse als solche nicht unter die Artikel 30 ff. EWG-Vertrag fielen. Erst wenn dieses Monopol vom Staat unmittelbar oder mittelbar dazu eingesetzt werde, eine Diskriminierung der eingeführten Erzeugnisse gegenüber den einheimischen Erzeugnissen vorzunehmen, könnten die Vorschriften über den freien Warenverkehr angewendet werden. Wenn eine eventuelle Diskriminierung auf eine autonome Entscheidung des Unternehmens zurückzuführen sei, sei eher von einem Verstoß gegen Artikel 86 zu sprechen. Es sei Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die ERT ihr Monopol in einer Art und Weise ausübe, die zu einer Diskriminierung eingeführter Erzeugnisse führe.

2. Freier Dienstleistungsverkehr

11.

Die ER T trägt vor, nach den Urteilen des Gerichtshofes in der Rechtssache Sacchi (bereits zitiert) und in der Rechtssache Debauve (Urteil vom 18. März 1980 in der Rechtssache 52/79, Slg. 1980, 833) stellten die Ausstrahlung und die Weiterleitung von Fernsehsendungen Dienstleistungen im Sinne des EWG-Vertrags dar. Im Urteil vom 26. April 1988 in der Rechtssache 352/85 (Bond van Adverteerders, Slg. 1988, 2085) habe der Gerichtshof jedoch anerkannt, daß innerstaatliche Vorschriften, die ohne Unterschied für Dienstleistungen ohne Rücksicht auf deren Ursprung gälten, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar seien. Darüber hinaus ergebe sich aus dem EWG-Vertrag und der Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß die Mitgliedstaaten Beschränkungen der Ausübung von Tätigkeiten im Bereich von Rundfunk und Fernsehen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit usw. vorsehen könnten, soweit diese Beschränkungen aus Gründen des allgemeinen Interesses gerechtfertigt seien und nicht in einem Mißverhältnis zum angestrebten Ziel stünden.

12.

Die DEP und Herr Kouvelas führen aus, es verstoße gegen die Dienstleistungsfreiheit, daß nach griechischem Recht weder griechische Staatsangehörige noch Ausländer irgendeine Tätigkeit im Bereich der Herstellung, der Lieferung, der Übermittlung oder der Übertragung von Ton- oder Bildaufzeichnungen in Griechenland ausüben könnten. Darüber hinaus könne ein Monopol im Fernsehsektor, das so absolut und radikal wie das in Griechenland geltende sei, nicht durch Gründe des öffentlichen Interesses oder durch andere von der Rechtsordnung anerkannte Gründe gerechtfertigt sein.

13.

Die Kommission trägt vor, zwar hindere das Bestehen eines Sendemonopols schon seinem Begriff nach das Zustandekommen von Lizenzverträgen über Urheberrechte zwischen Autoren aus anderen Mitgliedstaaten und Fernsehanstalten, die ohne das Monopol zustande kommen könnten; eine derartige Beschränkung stelle jedoch als solche keine Beschränkung des freien grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Artikels 59 EWG-Vertrag dar. Mit einer derartigen Beschränkung habe man es nur zu tun, wenn das betreffende Unternehmen durch eine staatliche Maßnahme dazu veranlaßt würde, diskriminierende Unterscheidungen zugunsten von einheimischen Werken vorzunehmen.

14.

Was die Niederlassungsfreiheit angeht, macht die Kommission geltend, das streitige ausschließliche Recht umfasse schon seinem Begriff nach das für andere Rechtsubjekte, also auch für Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten, bestehende Verbot, sich in Griechenland niederzulassen. Dieses Verbot treffe Inländer jedoch ebenso wie Ausländer. Die Niederlassungsfreiheit sei daher grundsätzlich nicht betroffen. Etwas anderes müßte jedoch dann gelten, wenn das ausschließliche Recht nicht aus Gründen des öffendichen Interesses eingeräumt worden wäre, die eine zentralisierte Ausübung der betroffenen Tätigkeit rechtfertigten, sondern zu dem Zweck, den Wirtschaftsteilnehmer, der das ausschließliche Recht innehabe, vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Das Monopol für die Erstausstrahlung stelle wohl die praktische Umsetzung der in Artikel 15 der Verfassung und in Artikel 2 des Gesetzes Nr. 1730/1987 genannten Ziele dar.

15.

Die Kommission äußert schließlich Bedenken in bezug auf die Kumulierung der beiden ausschließlichen Rechte bei der ERT, nämlich des Rechts auf Erstausstrahlung von Sendungen und des Rechts auf Übertragung von Programmen aus anderen Mitgliedstaaten. Zwar seien nach dem Gesetz Nr. 1730/1987 Genehmigungen für die Einrichtung von Draht- oder Kabelnetzen für Rundfunk und Fernsehen zum Empfang von Ton und Bild vorgesehen. Soweit der Kommission bekannt, sei das dazu erforderliche Präsidialdekret jedoch niemals erlassen worden. Zur Übertragung von Programmen über Hertzsche Wellen führt die Kommission aus, im Gesetz sei keine Ausnahme vom Monopol der ERT vorgesehen, obwohl ein ausschließliches Recht nicht erforderlich erscheine, um Interferenzen zu verhindern. Die Verteilung der Frequenzen könne nämlich ganz genau geplant werden. Die Kommission gelangt unter Bezugnahme auf das Urteil vom 3. Februar 1976 in der Rechtssache 59/75 (Manghera, Slg. 1976, 91) zu dem Ergebnis, daß die Kumulierung der Monopole für die Erstausstrahlung und für die Weiterleitung von Programmen eine Beschränkung und eine durch die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr verbotene Diskriminierung darstellt. Während die ERT aufgrund ihres Monopols die Möglichkeit habe und insbesondere auch daran interessiert sei, eigene Sendungen auszustrahlen, sei das gleiche Interesse in bezug auf die Programme aus anderen Mitgliedstaaten nicht gewährleistet.

3. Die Wettbewerbsregeln

16.

Die ER T macht geltend, sie sei ein dem allgemeinen Interesse dienendes Unternehmen, bei dem der öffentliche Charakter vorherrsche. Sie sei als ein Unternehmen anzusehen, das unter Artikel 90 Absatz 2 EWG-Vertrag falle und für das die besonderen Regelungen in Artikel 86 daher keine Geltung hätten. Die Wettbewerbsregeln seien auf sie nur insoweit anwendbar, als die Anwendung dieser Regeln die Erfüllung der ihr übertragenen besonderen Aufgabe nicht verhindere.

17.

Hilfsweise gibt die ERT einige Erklärungen zu den Artikeln 85 und 86 EWG-Vertrag ab.

Zu Artikel 85 trägt sie vor, sie habe sich niemals zum Nachteil der Verbraucher abgestimmter Verhaltensweisen bedient, die den Wettbewerb verhinderten, einschränkten oder verfälschten.

Zu Artikel 86 führt sie aus, es gebe von ihrer Seite keinerlei mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben, durch die der Handel zwischen Mitgliedstaaten im Bereich von Rundfunk und Fernsehen dadurch beeinträchtigt werden könnte. Der Gerichtshof müsse zunächst prüfen, ob das griechische Staatsgebiet einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstelle.

Die ERT trägt vor, keine der in Artikel 86 EWG-Vertrag nicht abschließend aufgezählten verbotenen Praktiken sei gegeben: Die Kunden des Unternehmens zahlten keine übermäßig hohen Preise; die ERT zwinge den Lieferanten keine extrem niedrigen Preise auf; sie verhandele frei mit den Vereinigungen der einzelnen Beschäftigtengruppen und schließe mit ihnen Rahmenverträge; sie schränke die Erzeugung, den Absatz oder die technische Entwicklung in keiner Weise zum Schaden der Verbraucher ein; aufgrund ihres öffentlichen Charakters und der unmittelbaren Aufsicht, die die Regierung über sie ausübe, habe sie keine Möglichkeit, gegenüber ihren Handelspartnern unterschiedliche Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen anzuwenden oder den Abschluß von Verträgen an die Bedingung zu knüpfen, daß die Vertragspartner zusätzliche Leistungen übernähmen, die nicht in Beziehung zum Vertragsgegenstand stünden.

18.

Die DEP und Herr Kouvelas machen geltend, die ausschließlichen Rechte der ERT bezweckten und bewirkten eine Verhinderung und Verfälschung des Wettbewerbs. Die Konzession der ERT werde durch die Verwendung eines von ihrem Sender belegten Fernsehkanals in keiner Weise beeinträchtigt. In Griechenland stünden 49 Kanäle für die Ausstrahlung von Fernsehsendungen zur Verfügung. Davon benutze die ERT gegenwärtig in Saloniki nur vier. Der Umstand, daß die Antragsgegner eine Frequenz benutzten, hindere die ERT aber in keiner Weise daran, ihre Aufgabe auf den anderen verfügbaren Kanälen zu erfüllen. Die ERT mißbrauche demnach dadurch, daß sie versuche, natürlichen oder juristischen Personen jede Art von Tätigkeiten im Bereich des Fernsehens im griechischen Hoheitsgebiet zu verwehren, die beherrschende Stellung, die sie aufgrund ihrer Konzession innehabe.

19.

Oie französische Regierung trägt vor, die Einräumung eines Fernsehmonopols an einen einzigen Wirtschaftsteilnehmer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats könne schon begrifflich nicht unter Artikel 85 EWG-Vertrag fallen. Dieser gelte nämlich für Vereinbarungen zwischen mehreren Unternehmen. Außerdem lasse nichts in der Vorlageentscheidung die Annahme zu, daß es ein Kartell gebe, an dem das griechische Unternehmen und ein anderer Fernsehveranstalter beteiligt seien.

Was Artikel 86 EWG-Vertrag angeht, nimmt die französische Regierung auf das Urteil in der Rechtssache Sacchi Bezug, in dem der Gerichtshof folgendes ausgeführt hat:

„Der Vertrag hindert die Mitgliedstaaten in keiner Weise daran, aus Gründen, die im öffentlichen Interesse liegen, Fernsehsendungen, einschließlich Kabelsendungen, dem Wettbewerb zu entziehen, indem sie einer oder mehreren Anstalten das ausschließliche Recht zu deren Verbreitung verleihen.

Diese Anstalten haben jedoch bei der Erfüllung ihrer Aufgabe die Diskriminierungsverbote zu beachten und fallen, soweit die Erfüllung ihrer Aufgaben Tätigkeiten wirtschaftlicher Art mit sich bringt, unter die in Artikel 90 genannten Bestimmungen über öffentliche Unternehmen und solche Unternehmen, denen die Staaten besondere oder ausschließliche Rechte gewähren.“

Die französische Regierung folgert daraus, daß ein Monopol eines Unternehmens, dem der Staat ausschließliche Rechte eingeräumt habe, als solches nicht unvereinbar mit Artikel 86 sei. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sei es Sache des nationalen Gerichts, das Vorliegen von Verhaltensweisen festzustellen, die Mißbräuche darstellen könnten. Wie der Gerichtshof ausgeführt habe, sei jedoch auch Artikel 90 Absatz 2 zu berücksichtigen, wonach für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut seien, die Vorschriften des Vertrages gälten, soweit dies nicht mit der Erfüllung ihrer Aufgabe unvereinbar sei.

20.

Die Kommission führt vorab aus, daß die Artikel 85 und 86 das Verhalten von Unternehmen beträfen. Im vorliegenden Fall gehe die Schaffung eines Monopols für Sendungen und Übertragungen im Bereich des Fernsehens vom Staat aus. In diesem Zusammenhang trägt die Kommission vor, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes verpflichte Artikel 5 EWG-Vertrag die Mitgliedstaaten, keine Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten, die die praktische Wirksamkeit der Wettbewerbsregeln ausschalten könnten. Es verstoße daher gegen diese Verpflichtung, wenn ein Mitgliedstaat mißbräuchliche Praktiken eines Unternehmens, das eine beherrschende Stellung innehabe, zum Beispiel die Festsetzung übermäßig hoher Preise, vorschreibe oder fördere. In der vorliegenden Rechtssache gebe es jedoch keinen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür, daß die ERT übermäßig hohe Preise anwende oder daß die öffentliche Hand in die Preisbildung eingreife. Die Schaffung eines Monopols und damit einer beherrschenden Stellung stelle als solche noch keinen Mißbrauch dar. Eine derartige Maßnahme des Staates verstoße deshalb nicht gegen die Artikel 5 und 86 EWG-Vertrag.

21.

Die Kommission nimmt dann auf Artikel 90 EWG-Vertrag Bezug. Sie ist der Auffassung, die ERT falle unter diese Vorschrift, weil sie ein öffentliches Unternehmen sei, dem der Staat ausschließliche Rechte eingeräumt habe. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes gehe hervor, daß Artikel 90 Absatz 1 der Errichtung eines Monopols im Bereich des Fernsehens nicht entgegenstehe. Eine derartige Maßnahme sei nämlich aus nichtwirtschaftlichen Gründen des allgemeinen Interesses gerechtfertigt. Die gleiche Vorschrift verpflichte den betreffenden Mitgliedstaat, für die Beachtung der anderen Bestimmungen des Vertrages Sorge zu tragen. Die Beachtung des Artikels 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 durch den Mitgliedstaat impliziere das Verbot einer Kumulierung ausschließlicher Rechte, nämlich des Rechts zur Erstausstrahlung und des Rechts zur Übertragung von Programmen. Eine derartige Kumulierung beziehe sich auf entgegengesetzte Interessen innerhalb ein und desselben Unternehmens, das zwangsläufig dazu veranlaßt werde, die eine seiner Tätigkeiten zugunsten der anderen zu vernachlässigen. Dies komme einer Einschränkung der Erzeugung im Sinne des Artikels 86 Buchstabe b gleich. Die Kommission führt in diesem Zusammenhang aus, nach den ihr zur Verfügung stehenden Informationen habe die ERT es seit ihrer Gründung bis zum Oktober 1988 unterlassen, Programme aus anderen Mitgliedstaaten zu übertragen. Daraus folge, daß der griechische Gesetzgeber eine Interessenkollision innerhalb der ERT geschaffen habe, die einer ihrer Tätigkeiten gegenüber der anderen den Vorrang einräumen müsse und damit ihre beherrschende Stellung mißbrauche. Sie könne nämlich ihre Wahl treffen, ohne die Marktströme zu berücksichtigen, da es solche nicht gebe.

Die Kommission prüft schließlich die Frage, ob der Verstoß des griechischen Staates gegen Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 nach Artikel 90 Absatz 2 gerechtfertigt sein könnte. Sie räumt zwar ein, daß die Sendung und die Übertragung von Fernsehprogrammen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse angesehen werden können, hält aber die Kumulierung von zwei Monopolen innerhalb eines einzigen Unternehmens für nicht gerechtfertigt.

4. Artikel 2 EWG-Vertrag

22.

Die französische Regierung macht geltend, da die Einräumung eines Fernsehmonopols im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats mit den Artikel 30 bis 36 und 85 bis 90 EWG-Vertrag vereinbar sei, verstoße dieses ausschließliche Recht nicht gegen Artikel 2.

Außerdem sei ein Mitgliedstaat, wenn er eine Regelung wie das streitige griechische Gesetz erlasse, verpflichtet, in gleicher Weise wie Artikel 2 EWG-Vertrag auch die in der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegten Grundsätze zu beachten. Die griechischen Rechtsvorschriften erschienen ihr jedoch als solche in vollem Umfang mit Artikel 10 der Konvention vereinbar.

23.

Die Kommission trägt vor, die Präambel und Artikel 2 des EWG-Vertrags beinhalteten allgemeine Verpflichtungen, die die Gemeinschaft zu berücksichtigen habe, wenn sie Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene ergreife. Da sie jedoch sehr allgemein gehalten seien, könnten sie nicht dahin ausgelegt werden, daß sie den Mitgliedstaaten eine konkrete Verpflichtung, wie etwa die, ein Monopol zu beseitigen, auferlegten.

5. Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte

24.

Die ERT trägt vor, im Rahmen des Artikels 10 der Konvention stehe es dem nationalen Gesetzgeber frei, die Organisationsform zu wählen, die er für geeignet halte; es könne sich daher entweder um die Form eines Staatsmonopols oder, sofern die Voraussetzungen für die Erteilung der betreffenden Genehmigungen erfüllt seien, um die eines rein privaten Rundfunks und Fernsehens handeln. Darüber hinaus sei das durch Artikel 10 gewährleistete Recht ein Abwehrrecht. Es handele sich um ein Schutzrecht und nicht um ein Recht auf eine Leistung. Es schließe daher keinen Anspruch auf die Einräumung von Sendezeiten in Rundfunk und Fernsehen ein.

Die ERT macht sodann geltend, Artikel 10 der Konvention könne dem Gerichtshof nicht zur Auslegung vorgelegt werden. In diesem Zusammenhang verweist die ERT auf das Urteil vom 11. Juli 1985 in den verbundenen Rechtssachen 60/84 und 61/84 (Cinéthèque, Sig. 1985, 2605), in dem der Gerichtshof folgendes festgestellt hat:

„Der Gerichtshof hat zwar für die Einhaltung der Grundrechte auf dem Gebiet des Gemeinschaftsrechts zu sorgen; er kann jedoch nicht prüfen, ob ein nationales Gesetz, das wie im vorliegenden Fall zu einem Bereich gehört, der in das Ermessen des nationalen Gesetzgebers fällt, mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist.“

Das streitige griechische Gesetz falle gerade in dieses Ermessen.

25.

Die DEP una Herr Kouvelas tragen vor, das Gesetz Nr. 1730/1987 verstoße unmittelbar gegen Artikel 10 der Konvention sowie gegen die Artikel 59 ff., 85, 86 und 90 ff. EWG-Vertrag. Die Bestimmungen des Vertrages seien auch im Geiste der Bestimmungen der Konvention auszulegen. Unter diesem Gesichtspunkt könne das absolute Monopol der ERT nicht durch die Anwendung der nach dem Gemeinschaftsrecht zulässigen Ausnahmeregelungen gerechtfertigt werden.

26.

Die französische Regierung vertritt unter Bezugnahme auf das Urteil in der Rechtssache Cinéthèque die Auffassung, es sei nicht Sache des Gerichtshofes, darüber zu wachen, daß nationale Rechtsvorschriften im Einklang mit Artikel 10 der Konvention stünden.

27.

Die Kommission macht ebenfalls geltend, aus dem Urteil in der Rechtssache Cinéthèque gehe hervor, daß die Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit der Konvention keine Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts darstelle.

6. Von der Kommisson vorgeschlagene Antworten auf die Vorlagefragen

28.

Auf der Grundlage ihrer Erklärungen schlägt die Kommisson dem Gerichtshof vor, die Fragen des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten:

1)

Ein Gesetz, wonach es einem einzigen Fernsehveranstalter gestattet ist, das Fernsehmonopol im gesamten Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats innezuhaben und Fernsehübertragungen jeder Art vorzunehmen, ist nicht als solches mit dem freien Verkehr der Waren und der Dienstleistungen unvereinbar, die dieses Unternehmen für die Ausübung seiner Tätigkeit benötigt. Etwas anderes würde jedoch dann gelten, wenn das Ausschließlichkeitsrecht aufgrund einer staatlichen Maßnahme dazu eingesetzt würde, einheimische Waren oder Dienstleistungen gegenüber Waren oder Dienstleistungen aus anderen Mitgliedstaaten zu bevorzugen.

2)

Ein Gesetz, das die unter 1 genannten Merkmale aufweist, ist insoweit nicht mit Artikel 59 EWG-Vertrag vereinbar, als das Monopol für die Ausstrahlung von Fernsehprogrammen dem gleichen Unternehmen eingeräumt wird, das auch das Monopol für die Übertragung von Fernsehprogrammen aus anderen Mitgliedstaaten innehat. Ein derartiges Gesetz ist auch unvereinbar mit Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86, wenn das Unternehmen, das das Monopol innehat, eine beherrschende Stellung in einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes einnimmt.

3)

Die Präambel und Artikel 2 des EWG-Vertrags erlegen den Mitgliedstaaten keine konkreten Verpflichtungen auf.

4)

Die Frage, ob die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats mit den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sind, ist keine Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts.

P. J. G. Kapteyn

Berichterstatter


( *1 ) Verfahrenssprache: Griechisch.


 URTEIL DES GERICHTSHOFES

18. Juni 1991 ( 1 )

In der Rechtssache C-260/89

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EWG-Vertrag vom Monomeies Protodikeio Thessaloniki in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Elliniki Radiophonia Tileorassi Anonimi Etairia,

Streithelferin :

Panellinia omospondia syllogon prosopikou ERT,

gegen

Dimotiki Etairia Pliroforisis (DEP),

Sotirios Kouvelas,

Streithelfer:

Nikolaos Avdellas u. a.

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des EWG-Vertrags, insbesondere der Artikel 2, 3 Buchstabe f, 9, 30, 36, 85 und 86,

erläßt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Due, der Kammerpräsidenten T. F. O'Higgins, G. C. Rodríguez Iglesias und M. Diez de Velasco, der Richter Sir Gordon Slynn, C. N. Kakouris, R. Joliét, F. Schockweiler und P. J. G. Kapteyn,

Generalanwalt: C. O. Lenz

Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

der Elliniki Radiofonia Tileorasi Anonymi Etairia, vertreten durch Rechtsanwalt V. Kostopoulos, Athen,

der Dimotiki Etairia Pliroforisis und des Sotirios Kouvelas, vertreten durch die Rechtsanwälte A. Vamvakopoulos, A. Panagopoulos und P. Ladas, Thessaloniki,

der Regierung der Französischen Republik, vertreten durch E. Belliard, Directeur adjoint in der Direktion für Rechtsfragen des Außenministeriums, und durch G. de Bergues, Secrétaire adjoint principal für auswärtige Angelegenheiten im Außenministerium, als Bevollmächtigte,

der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater G. Marenco sowie durch B. Jansen und M. Condou-Durande, beide Juristischer Dienst der Kommission, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Elliniki Radiofonia Tileorasi Anonymi Etairia, der Dimotiki Etairia Pliroforisis und der Kommission in der Sitzung vom 27. November 1990,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Januar 1991,

folgendes

Urteü

1

Das Monomeies Protodikeio (Einzelrichter als Gericht erster Instanz) Thessaloniki hat mit einem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erlassenen Urteil vom 11. April 1989, beim Gerichtshof eingegangen am 16. August 1989, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung des EWG-Vertrags, insbesondere der Artikel 2, 3 Buchstabe f, 9, 30, 36, 85 und 86 sowie des Artikels 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (im folgenden: Europäische Menschenrechtskonvention) zur Vorabentscheidung vorgelegt, um beurteilen zu können, ob ein nationales System von ausschließlichen Rechten im Bereich des Fernsehens mit diesen Vorschriften vereinbar ist.

2

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Elliniki Radiofonia Tileorasi Anonymi Etairia (Griechische Rundfunk- und Fernsehanstalt; im folgenden: ERT), der der griechische Staat ausschließliche Rechte zur Ausübung ihrer Tätigkeiten eingeräumt hat, auf der einen Seite, und der Dimotiki Etairia Pliroforisis (Städtische Informationsgesellschaft; im folgenden: DEP), Thessaloniki, und S. Kouvelas, dem Oberbürgermeister dieser Stadt, auf der anderen Seite. Ungeachtet der ausschließlichen Rechte der ERT gründeten die DEP und der Oberbürgermeister von Thessaloniki dort 1989 eine Fernsehanstalt, die im gleichen Jahr mit der Ausstrahlung von Fernsehsendungen begann.

3

Die ERT wurde durch das Gesetz Nr. 1730/1987 (Amtsblatt der Griechischen Republik, Abteilung I, Nr. 145, vom 18. 8. 1987) gegründet. Nach Artikel 2 Absatz 1 dieses Gesetzes besteht der Zweck der ERT in der Organisation, dem Betrieb und der Fortentwicklung des Rundfunk- und Fernsehwesens sowie darin, zur Information, zur Bildung und zur Unterhaltung des griechischen Volkes beizutragen, ohne daß mit dieser Tätigkeit ein Gewinn erzielt wird. Gemäß Artikel 2 Absatz 2 räumt der Staat der ERT eine ausschließliche Rundfunk- und Fernsehkonzession für alle Tätigkeiten ein, die zur Erreichung ihres Zwecks beitragen. Die Konzession berechtigt insbesondere dazu, vom griechischen Hoheitsgebiet aus mit den Methoden des Rundfunks und des Fernsehens Ton- und Bildsendungen aller Art auszustrahlen, die dazu bestimmt sind, entweder allgemein oder mit besonderen geschlossenen Kabelsystemen oder geschlossenen Systemen anderer Art empfangen zu werden, sowie Rundfunk- und Fernsehanlagen zu errichten. Gemäß Artikel 2 Absatz 3 produziert die ERT Rundfunk- und Fernsehsendungen und verwertet sie auf jede Weise. Artikel 16 Absatz 1 des Gesetzes verbietet es jedermann, ohne Genehmigung der ERT Tätigkeiten auszuüben, für die die ERT ein ausschließliches Recht besitzt.

4

Die ERT war der Auffassung, daß die Tätigkeiten der DEP und des Oberbürgermeisters von Thessaloniki in den Bereich ihrer ausschließlichen Rechte fielen, und beantragte beim Monomeies Protodikeio Thessaloniki die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, um auf der Grundlage des Artikels 16 des Gesetzes Nr. 1730/1987 ein Verbot der Ausstrahlung von Sendungen, die Anordnung des Arrests zur Sicherung der Vollstreckung in die technischen Einrichtungen und die Anordnung der Zwangsverwaltung dieser Einrichtungen zu erzielen. Vor diesem Gericht haben die DEP und Herr Kouvelas sich hauptsächlich auf Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und der Europäischen Menschenrechtskonvention berufen.

5

Das nationale Gericht ist der Ansicht, die Sache werfe wichtige Fragen des Gemeinschaftsrechts auf, und hat daher das Verfahren ausgesetzt, um dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1)

Steht ein Gesetz, wonach es einem einzigen Fernsehveranstalter gestattet ist, das Fernsehmonopol im gesamten Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats innezuhaben und Fernsehübertragungen jeder Art vorzunehmen, mit dem EWG-Vertrag und dem abgeleiteten Recht in Einklang?

2)

Bejahendenfalls: Liegt — gegebenenfalls inwieweit — ein Verstoß gegen die in Artikel 9 EWG-Vertrag verbürgte grundlegende Freiheit des Warenverkehrs im Hinblick darauf vor, daß die Ausübung der ausschließlichen Fernsehkonzession durch einen einzigen Veranstalter für die übrigen Gemeinschaftsbürger das Verbot zur Folge hat, Material, Tonträger, Filme, Fernsehdokumentarsendungen und andere Erzeugnisse, die zur Ausstrahlung von Fernsehsendungen verwendet werden können, außer zur Verwirklichung der Zwecke des betreffenden Veranstalters, des Inhabers der ausschließlichen Fernsehkonzession, in den betreffenden Mitgliedstaat auszuführen oder dort zu vermieten oder auf irgendeine Weise zu vertreiben, wobei der betreffende Veranstalter sich nach seinem Ermessen für einheimisches Material und einheimische Erzeugnisse statt für Material und Erzeugnisse der anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft entscheiden und ersteren den Vorzug vor letzteren geben kann?

3)

Stellt — gegebenenfalls inwieweit — die Erteilung der Fernsehkonzession an einen einzigen Veranstalter eine durch Artikel 30 EWG-Vertrag ausdrücklich verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung dar?

4)

Ist die Erteilung der zu Fernsehübertragungen jeder Art im gesamten Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats berechtigenden ausschließlichen Fernsehkonzession durch Gesetz an einen einzigen Fernsehveranstalter etwa deshalb als rechtmäßig anzusehen, weil sie unter Artikel 36 EWG-Vertrag, wie er vom Gerichtshof ausgelegt worden ist, fällt, da diese Konzessionserteilung einem zwingenden Erfordernis gerecht wird und einem im öffentlichen Interesse liegenden Ziel dient, wie es die Ausgestaltung des Fernsehens als Dienstleistung für das öffentliche Interesse ist? Geht sie — gegebenenfalls inwieweit — über dieses angestrebte Ziel hinaus, das heißt wird dieses Ziel — der Schutz des öffentlichen Interesses — auf die am wenigsten belastende Art verfolgt, also auf eine Art, die den freien Warenverkehr möglichst wenig beeinträchtigt?

5)

Stehen — gegebenenfalls inwieweit — die ausschließlichen Rechte, die ein Mitgliedstaat einem Unternehmen (Veranstalter) in bezug auf Fernsehübertragungen einräumt, und die Ausübung dieser Rechte mit den Wettbewerbsregeln des Artikels 85 in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe f EWG-Vertrag in Einklang, wenn die Vornahme bestimmter Handlungen durch das betreffende Unternehmen, insbesondere a) die Ausstrahlung von Werbesendungen, b) das Inverkehrbringen von in der Gemeinschaft produzierten Filmen, Dokumentarsendungen und anderen Fernsehwerken und c) die — in seinem Ermessen stehende — Entscheidung für die Verbreitung und Ausstrahlung von Fernsehsendungen, Filmen, Dokumentarsendungen und anderen Werken — all dies (a bis c) nur durch dieses Unternehmen —, den Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher in der Gemeinschaft in seinem Tätigkeitsbereich im gesamten Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verhindert, einschränkt oder verfälscht, wenngleich das Unternehmen zu solchem Handeln nach dem Gesetz berechtigt ist?

6)

Für den Fall, daß der Mitgliedstaat das mit der Veranstaltung des Fernsehens betraute Unternehmen ferner hinsichtlich dessen kommerzieller Tätigkeiten — insbesondere hinsichtlich der Werbung — als Unternehmen einsetzt, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist: Stehen — gegebenenfalls inwieweit — die Wettbewerbsregeln des Artikels 85 in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe f der Erfüllung der dem Unternehmen übertragenen Aufgaben entgegen?

7)

Ist anzunehmen, daß ein solches Unternehmen, dem durch Gesetz des Mitgliedstaats das Fernsehmonopol für Fernsehübertragungen jeder Art in dessen gesamtem Hoheitsgebiet eingeräumt worden ist, eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes innehat?

8)

Bejahendenfalls: Stellt — gegebenenfalls inwieweit — die zum Nachteil der Verbraucher in der Gemeinschaft erfolgende Festsetzung (Fehlen jedes anderen Wettbewerbs auf dem Markt) von Monopolpreisen für Fernsehwerbesendungen sowie — nach dem Ermessen des Unternehmens — von Vorzugspreisen durch das Unternehmen und die Vornahme der in der Frage 5 aufgeführten, zur Ausschaltung des Wettbewerbs führenden Handlungen durch das Unternehmen in dessen Tätigkeitsbereich einen Mißbrauch seiner beherrschenden Stellung dar?

9)

Steht es — gegebenenfalls inwieweit — zum einen mit dem durch den EWG-Vertrag (Präambel und Artikel 2) verfolgten gemeinschaftlichen Ziel der stetigen Verbesserung der Lebensbedingungen der europäischen Völker und der raschen Hebung ihrer Lebenshaltung und zum anderen mit Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte vom 4. November 1950 in Einklang, wenn einem einzigen Fernsehveranstalter durch Gesetz das Fernsehmonopol für Fernsehübertragungen jeder Art im gesamten Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eingeräumt wird?

10)

Erlegen — unabhängig vom Vorhandensein geschriebenen Gemeinschaftsrechts — der in Artikel 10 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte niedergelegte Anspruch auf freie Meinungsäußerung und das erwähnte, in der Präambel und in Artikel 2 aufgeführte Ziel des EWG-Vertrags per se den Mitgliedstaaten Verpflichtungen auf und gegebenenfalls welche?

8

Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens und des Ausgangsrechtsstreits, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

7

Aus dem Vorlageurteil ergibt sich im wesentlichen, daß die erste Frage des vorlegenden Gerichts dahin geht, ob das Gemeinschaftsrecht einem Fernsehmonopol entgegensteht, das eine einzige Gesellschaft innehat, der ein Mitgliedstaat zu diesem Zweck ausschließliche Rechte eingeräumt hat. Die zweite, die dritte und die vierte Frage gehen dahin, ob die Vorschriften über den freien Warenverkehr, insbesondere Artikel 9 und die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag, einem solchen Monopol entgegenstehen. Da diese Fragen ein Dienstleistungsmonopol betreffen, ist anzunehmen, daß sie sich nicht nur auf die Vorschriften des Vertrages über den freien Warenverkehr, sondern auch auf die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr und insbesondere auf Artikel 59 EWG-Vertrag beziehen.

8

Die fünfte, die sechste, die siebte und die achte Frage betreffen die Auslegung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln. In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht erstens wissen, ob Artikel 3 Buchstabe f und Artikel 85 EWG-Vertrag dem entgegenstehen, daß ein Staat im Bereich des Fernsehens ausschließliche Rechte einräumt. Zweitens fragt sich das vorlegende Gericht, ob ein Unternehmen, das ein ausschließliches Recht im Bereich des Fernsehens im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats besitzt, aus diesem Grund eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Marktes im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag innehat und ob bestimmte Verhaltensweisen einen Mißbrauch dieser beherrschenden Stellung darstellen. Drittens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Anwendung der Wettbewerbsregeln die Erfüllung der einem solchen Unternehmen übertragenen besonderen Aufgabe verhindert.

9

Die neunte und die zehnte Frage beziehen sich auf die Prüfung einer Monopolstellung im Bereich des Fernsehens im Hinblick auf Artikel 2 EWG-Vertrag zum einen und auf Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention zum anderen.

Zum Fernsehmonopol

10

Im Urteil vom 30. April 1974 in der Rechtssache 155/73 (Sacchi, Sig. 1974, 409, Randnr. 14) hat der Gerichtshof für Recht erkannt, daß der Vertrag die Mitgliedstaaten in keiner Weise daran hindert, aus im öffentlichen Interesse liegenden Gründen nichtwirtschaftlicher Art, Fernsehsendungen dem Wettbewerb zu entziehen, indem sie einer oder mehreren Anstalten das ausschließliche Recht zu deren Verbreitung verleihen.

11

Aus Artikel 90 Absätze 1 und 2 EWG-Vertrag geht jedoch hervor, daß die Art und Weise, in der dieses Monopol ausgestaltet ist oder ausgeübt wird, gegen die Vorschriften des Vertrages verstoßen kann, insbesondere gegen die Vorschriften über den freien Warenverkehr und über den freien Dienstleistungsverkehr sowie gegen die Wettbewerbsregeln.

12

Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, daß das Gemeinschaftsrecht der Einräumung eines Fernsehmonopols aus im öffentlichen Interesse liegenden Gründen nichtwirtschaftlicher Art nicht entgegensteht. Die Modalitäten der Ausgestaltung und der Ausübung eines solchen Monopols dürfen jedoch weder gegen die Vertragsvorschriften über den freien Warenverkehr und über den freien Dienstleistungsverkehr noch gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen.

Zum freien Warenverkehr

13

Vorab ist festzustellen, daß die Ausstrahlung von Fernsehsendungen, wie sich aus dem genannten Urteil vom 30. April 1974 in der Rechtssache Sacchi ergibt, unter die Vertragsvorschriften über Dienstleistungen fällt und daß ein Fernsehmonopol, da es sich dabei um ein Dienstleistungsmonopol handelt, als solches nicht gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstößt.

14

Wie jedoch aus demselben Urteil hervorgeht, unterliegt der Handel mit sämtlichen Materialien, Tonträgern, Filmen und sonstigen Erzeugnissen, die für die Ausstrahlung von Fernsehsendungen benutzt werden, den Bestimmungen über den freien Warenverkehr.

15

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß es für sich genommen keine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Artikel 30 EWG-Vertrag darstellt, wenn einem einzigen Unternehmen ausschließliche Rechte im Bereich der Ausstrahlung von Fernsehsendungen eingeräumt werden und ihm zu diesem Zweck die ausschließliche Befugnis verliehen wird, die zur Verbreitung der Sendungen erforderlichen Materialien und Erzeugnisse einzuführen, zu vermieten oder zu vertreiben.

16

Etwas anderes würde gelten, wenn sich daraus unmittelbar oder mittelbar eine Diskriminierung eingeführter Erzeugnisse gegenüber inländischen Erzeugnissen ergäbe. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das allein für die Feststellung des Sachverhalts zuständig ist, zu prüfen, ob dies in der vorliegenden Rechtssache der Fall ist.

17

Was Artikel 9 EWG-Vertrag angeht, genügt die Feststellung, daß diese Vorschrift das Verbot enthält, zwischen den Mitgliedstaaten Ein- und Ausfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung zu erheben. Da die Akten keinen Anhalt dafür bieten, daß die streitige Regelung die Erhebung einer Einfuhr- oder einer Ausfuhrabgabe impliziert, ist Artikel 9 offensichtlich für die Beurteilung des streitigen Monopols anhand der Vorschriften über den freien Warenverkehr nicht erheblich.

18

Es ist daher zu antworten, daß die Artikel des EWG-Vertrags über den freien Warenverkehr dem nicht entgegenstehen, daß einem einzigen Unternehmen ausschließliche Rechte im Bereich der Ausstrahlung von Fernsehsendungen eingeräumt werden und ihm zu diesem Zweck die ausschließliche Befugnis verliehen wird, die für die Ausstrahlung erforderlichen Materialien und Erzeugnisse einzuführen, zu vermieten oder zu vertreiben, soweit sich daraus keine Diskriminierung eingeführter Erzeugnisse gegenüber inländischen Erzeugnissen ergibt.

Zum freien Dienstleistungsverkehr

19

Nach Artikel 59 EWG-Vertrag waren die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, bis zum Ende der Übergangszeit aufzuheben. Diese Vorschrift gebietet insbesondere die Beseitigung jeglicher Diskriminierung eines Erbringers von Dienstleistungen, der in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ansässig ist, in dem die Leistung erbracht werden soll.

20

Wie in Randnummer 12 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist ein Dienstleistungsmonopol zwar als solches nicht mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar, es kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß das Monopol möglicherweise so ausgestaltet ist, daß es gegen die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr verstößt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Monopol dazu führt, daß aus anderen Mitgliedstaaten stammende Fernsehsendungen gegenüber inländischen diskriminiert werden.

21

Was das im Ausgangsverfahren streitige Monopol betrifft, geht aus Artikel 2 Absatz 2 des Gesetzes Nr. 1730/1987 sowie aus der Rechtsprechung des griechischen Staatsrats hervor, daß die ausschließliche Konzession der ERT sowohl das Recht zur Austrahlung von eigenen Sendungen (im folgenden : die Ausstrahlung) als auch das Recht zum Empfang und zur Übertragung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten (im folgenden : die Übertragung) umfaßt.

22

Wie die Kommission ausgeführt hat, ermöglicht es die Zusammenfassung des Aus-strahlungs- und des Übertragungsmonopols bei ein und demselben Unternehmen diesem, seine eigenen Programme auszustrahlen und gleichzeitig die Übertragung von Programmen aus anderen Mitgliedstaaten zu beschränken. Diese Möglichkeit kann — wenn es keine Garantie für die Übertragung von Programmen aus anderen Mitgliedstaaten gibt — das Unternehmen dazu veranlassen, seine eigenen Programme gegenüber ausländischen Programmen zu bevorzugen. In einem solchen System besteht daher die Gefahr, daß die Chancengleichheit zwischen der Ausstrahlung von eigenen Programmen und der Übertragung von Programmen aus anderen Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigt wird.

23

Die Frage, ob die Zusammenfassung des ausschließlichen Rechts zur Ausstrahlung mit dem zur Übertragung tatsächlich zu einer Diskriminierung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten führt, ist Teil der Beurteilung des Sachverhalts, für die allein das vorlegende Gericht zuständig ist.

24

Die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr stehen einer nationalen Regelung, die solche diskriminierenden Auswirkungen hat, entgegen, sofern diese Regelung nicht unter die Ausnahmebestimmung des Artikels 56 EWG-Vertrag fällt, auf die Artikel 66 verweist. Nach Artikel 56, der eng auszulegen ist, können diskriminierende Vorschriften aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sein.

25

Aus den vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen geht hervor, daß der Zweck der streitigen Regelung allein darin bestand, Störungen infolge der beschränkten Zahl von verfügbaren Kanälen zu verhindern. Ein solcher Zweck kann jedoch keine Rechtfertigung dieser Regelung im Sinne von Artikel 56 EWG-Vertrag darstellen, wenn das betreffende Unternehmen nur eine beschränkte Zahl der verfügbaren Kanäle nutzt.

26

Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, daß Artikel 59 EWG-Vertrag einer nationalen Regelung, die ein Monopol von ausschließlichen Rechten zur Ausstrahlung von eigenen Sendungen und zur Übertragung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten schafft, entgegensteht, wenn sich dieses Monopol auf Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten diskriminierend auswirkt und die Regelung nicht durch einen der Gründe gerechtfertigt ist, die in Artikel 56 angegeben sind, auf den Artikel 66 EWG-Vertrag verweist.

Zu den Wettbewerbsregeln

27

Vorab ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 3 Buchstabe f EWG-Vertrag nur ein Ziel der Gemeinschaft nennt, das in mehreren Vorschriften des Vertrages über die Wettbewerbsregeln, insbesondere in den Artikeln 85, 86 und 90, genauer umschrieben ist.

28

Das autonome Verhalten eines Unternehmens ist nach den für Unternehmen geltenden Vorschriften des Vertrages, das heißt insbesondere nach den Artikeln 85, 86 und 90 Absatz 2, zu beurteilen.

29

Was Artikel 85 angeht, genügt die Feststellung, daß diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut für Vereinbarungen „zwischen Unternehmen“ gilt. Aus dem Vorlageurteil ergibt sich aber kein Hinweis auf das Bestehen irgendeiner Vereinbarung zwischen Unternehmen. Es besteht daher kein Anlaß zu einer Auslegung dieser Vorschrift.

30

Artikel 86 EWG-Vertrag erklärt die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

31

Ein Unternehmen, das ein gesetzliches Monopol besitzt, kann als Inhaber einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag angesehen werden (siehe Urteil vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84, CBEM, Slg. 1985, 3261, Randnr. 16). Ferner kann das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, auf das sich dieses Monopol erstreckt, einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen (siehe Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin, Slg. 1983, 3461, Randnr. 28).

32

Zwar verbietet Artikel 86 EWG-Vertrag ein Monopol nicht als solches, er steht jedoch seiner mißbräuchlichen Ausnutzung entgegen. Dazu zählt Artikel 86 eine Reihe von mißbräuchlichen Praktiken als Beispiele auf.

33

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß nach Artikel 90 Absatz 2 EWG-Vertrag für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, die Wettbewerbsregeln so lange weitergelten, wie nicht nachgewiesen ist, daß die Anwendung dieser Regeln mit der Erfüllung ihrer besonderen Aufgabe unvereinbar ist (siehe insbesondere Urteil vom 30. April 1974, Sacchi, a. a. O., Randnr. 15).

34

Daher hat das vorlegende Gericht die Vereinbarkeit der Praktiken eines solchen Unternehmens mit Artikel 86 zu beurteilen und zu prüfen, ob diese Praktiken, falls sie gegen diese Vorschrift verstoßen, durch die Notwendigkeiten gerechtfertigt sein können, die sich aus der dem Unternehmen gegebenenfalls übertragenen besonderen Aufgabe ergeben.

35

Was staatliche Maßnahmen und insbesondere die Einräumung von ausschließlichen Rechten angeht, ist festzustellen, daß die Artikel 85 und 86 sich zwar ausschließlich auf Unternehmen beziehen, daß der Vertrag die Mitgliedstaaten aber dennoch verpflichtet, keine Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten, die die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmungen ausschalten könnten (siehe Urteil vom 16. November 1977 in der Rechtssache 13/77, INNO, Slg. 1977, 2115, Randnrn. 31 und 32).

36

So sieht Artikel 90 Absatz 1 vor, daß die Mitgliedstaaten in bezug auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem Vertrag widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten werden.

37

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß Artikel 90 Absatz 1 EWG-Vertrag dem entgegensteht, daß ein Mitgliedstaat einem Unternehmen, das ein ausschließliches Recht zur Ausstrahlung von Sendungen besitzt, ein ausschließliches Recht zur Übertragung von Fernsehsendungen einräumt, wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der das Unternehmen durch eine seine eigenen Programme bevorzugende diskriminierende Sendepolitik gegen Artikel 86 EWG-Vertrag verstößt.

38

Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, daß Artikel 90 Absatz 1 EWG-Vertrag der Einräumung eines ausschließlichen Rechts zur Ausstrahlung von Sendungen und eines ausschließlichen Rechts zur Übertragung von Fernsehsendungen an ein einziges Unternehmen entgegensteht, wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der das Unternehmen durch eine seine eigenen Programme bevorzugende diskriminierende Sendepolitik gegen Artikel 86 verstößt; dies gilt jedoch nicht, wenn die Anwendung des Artikels 86 die Erfüllung der dem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgabe verhindert.

Zu Artikel 2 EWG-Vertrag

39

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (siehe insbesondere Urteil vom 24. Januar 1991 in der Rechtssache C-339/89, Alsthom, Slg. 1991, I-107) beschreibt Artikel 2 EWG-Vertrag, der in der neunten und in der zehnten Vorabentscheidungsfrage genannt wird, die Aufgabe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Die in dieser Bestimmung genannten Ziele betreffen das Bestehen und die Arbeitsweise der Gemeinschaft; sie werden durch die Errichtung des Gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten verwirklicht.

40

Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, daß sich Artikel 2 EWG-Vertrag keine Kriterien für die Beurteilung der Vereinbarkeit eines nationalen Fernsehmonopols mit dem Gemeinschaftsrecht entnehmen lassen.

Zu Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention

41

Was den in der neunten und in der zehnten Frage genannten Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention angeht, ist vorab darauf hinzuweisen, daß die Grundrechte nach ständiger Rechtsprechung zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat. Dabei geht der Gerichtshof von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen aus, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluß die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind (siehe insbesondere Urteil vom 14. Mai 1974 in der Rechtssache 4/73, Nold, Slg. 1974, 491, Randnr. 13). Hierbei hat die Europäische Menschenrechtskonvention eine besondere Bedeutung (siehe insbesondere Urteil vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnr. 18). Wie der Gerichtshof im Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 5/88 (Wachauf, Slg. 1989, 2609, Randnr. 19) bekräftigt hat, ergibt sich daraus, daß in der Gemeinschaft keine Maßnahmen als Rechtens anerkannt werden können, die mit der Beachtung der so anerkannten und gewährleisteten Menschenrechte unvereinbar sind.

42

Nach seiner Rechtsprechung (siehe Urteile vom 11. Juli 1985 in den verbundenen Rechtssachen 60/84 und 61/84, Cinéthèque, Sig. 1985, 2605, Randnr. 26, und vom 30. September 1987 in der Rechtssache 12/86, Demirel, Sig. 1987, 3719, Randnr. 28) kann der Gerichtshof eine nationale Regelung, die nicht im Rahmen des Gemeinschaftsrechts ergangen ist, nicht im Hinblick auf die Europäische Menschenrechtskonvention beurteilen. Fällt eine solche Regelung dagegen in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts, so hat der Gerichtshof, wenn er im Vorabentscheidungsverfahren angerufen wird, dem vorlegenden Gericht alle Auslegungskriterien an die Hand zu geben, die es benötigt, um die Vereinbarkeit dieser Regelung mit den Grundrechten beurteilen zu können, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat und die sich insbesondere aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben.

43

Insbesondere wenn ein Mitgliedstaat sich auf Artikel 66 in Verbindung mit Artikel 56 beruft, um eine Regelung zu rechtfertigen, die geeignet ist, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit zu behindern, ist diese im Gemeinschaftsrecht vorgesehene Rechtfertigung im Lichte der allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere der Grundrechte auszulegen. Die in Artikel 66 in Verbindung mit Artikel 56 vorgesehenen Ausnahmen können daher für die betreffende nationale Regelung nur dann gelten, wenn sie im Einklang mit den Grundrechten steht, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat.

44

In einem solchen Fall hat folglich das vorlegende Gericht und gegebenenfalls der Gerichtshof die Anwendung dieser Vorschriften unter Berücksichtigung aller Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zu beurteilen einschließlich der in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgten Meinungsfreiheit als eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dessen Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat.

45

Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, daß die Beschränkungen der Befugnis der Mitgliedstaaten, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit die in Artikel 66 in Verbindung mit Artikel 56 genannten Regelungen anzuwenden, unter Beachtung des allgemeinen Grundsatzes der in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgten Meinungsfreiheit zu beurteilen sind.

Kosten

46

Die Auslagen der französischen Regierung und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

 

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Monomeies Protodikeio Thessaloniki mit Urteil vom 11. April 1989 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

 

1)

Das Gemeinschaftsrecht steht der Einräumung eines Fernsehmonopols aus im öffentlichen Interesse liegenden Gründen nichtwirtschaftlicher Art nicht entgegen. Die Modalitäten der Ausgestaltung und der Ausübung eines solchen Monopols dürfen jedoch weder gegen die Vertragsvorschriften über den freien Warenverkehr und über den freien Dienstleistungsverkehr noch gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen.

 

2)

Die Artikel des EWG-Vertrags über den freien Warenverkehr stehen dem nicht entgegen, daß einem einzigen Unternehmen ausschließliche Rechte im Bereich der Ausstrahlung von Fernsehsendungen eingeräumt werden und ihm zu diesem Zweck die ausschließliche Befugnis verliehen wird, die für die Ausstrahlung erforderlichen Materialien und Erzeugnisse einzuführen, zu vermieten oder zu vertreiben, soweit sich daraus keine Diskriminierung eingeführter Erzeugnisse gegenüber inländischen Erzeugnissen ergibt.

 

3)

Artikel 59 EWG-Vertrag steht einer nationalen Regelung, die ein Monopol von ausschließlichen Rechten zur Ausstrahlung von eigenen Sendungen und zur Übertragung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten schafft, entgegen, wenn sich dieses Monopol auf Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten diskriminierend auswirkt und die Regelung nicht durch einen der Gründe gerechtfertigt ist, die in Artikel 56 angegeben sind, auf den Artikel 66 EWG-Vertrag verweist.

 

4)

Artikel 90 Absatz 1 EWG-Vertrag steht der Einräumung eines ausschließlichen Rechts zur Ausstrahlung von Sendungen und eines ausschließlichen Rechts zur Übertragung von Fernsehsendungen an ein einziges Unternehmen entgegen, wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der das Unternehmen durch eine seine eigenen Programme bevorzugende diskriminierende Sendepolitik gegen Artikel 86 verstößt; dies gilt jedoch nicht, wenn die Anwendung des Artikels 86 die Erfüllung der dem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgabe verhindert.

 

5)

Artikel 2 EWG-Vertrag lassen sich keine Kriterien für die Beurteilung der Vereinbarkeit eines nationalen Fernsehmonopols mit dem Gemeinschaftsrecht entnehmen.

 

6)

Die Beschränkungen der Befugnis der Mitgliedstaaten, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit die in den Artikeln 66 in Verbindung mit Artikel 56 genannten Regelungen anzuwenden, sind unter Beachtung des allgemeinen Grundsatzes der in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgten Meinungsfreiheit zu beurteilen.

 

Due

O'Higgins

Rodríguez Iglesias

Diez de Velasco

Slynn

Kakouris

Joliét

Schockweiler

Kapteyn

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. Juni 1991.

Der Kanzler

J.-G. Giraud

Der Präsident

O. Due


( 1 ) Verfahrenssprache: Griechisch.