SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

SIR GORDON SLYNN

vom 12. Dezember 1985 ( *1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

Trans Tirreno Express SpA, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, befördert Personen und Waren auf dem Seewege zwischen dem Hafen von Livorno auf dem italienischen Festland und dem von Olbia auf der Insel Sardinien, die zum italienischen Hoheitsgebiet und zu den Gemeinschaften gehört. Am 1. Oktober 1981 verlangte das für die Mehrwertsteuer zuständige Amt von der Klägerin die Zahlung von Mehrwertsteuer in Höhe von 943479000 LIT für die gesamten auf derartige Beförderungen im Jahre 1980 entfallenden Umsätze. Die Klägerin hielt dies für rechtswidrig, da für den Teil der Umsätze, der der — bei weitem größeren — in internationalen Gewässern zurückgelegten Strecke entspreche, keine Mehrwertsteuer geschuldet sei.

Der Rechtsstreit gelangte vor die Commissione tributaria di secondo grado Sassari, die das Verfahren aussetzte und dem Gerichtshof folgende Frage vorlegte: „Stellt Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b der Sechsten EWG-Richtlinie (Richtlinie des Rates vom 17. 5. 1977, 77/388, ABL. L 145, S. 1) für die Erhebung der Mehrwertsteuer nur auf die innerhalb des Hoheitsgebiets von Mitgliedstaaten zurückgelegten Beförderungsstrecken bei internationalen Beförderungen (von Staat zu Staat) oder auch auf nationale Beförderungen (von einem Punkt zu einem anderen desselben Staates) ab, die — wie im vorliegenden Fall — überwiegend über exterritoriale Gewässer führen?“

Gegenstand der Richtlinie ist nach ihrem Titel die „Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage“. Nach Artikel 1 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten ihre gegenwärtige Mehrwertsteuerregelung den Bestimmungen der Richtlinie anzupassen.

Die Richtlinie bestimmt unter anderem:

„Artikel 2

Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1)

Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

2)

die Einfuhr von Gegenständen.“

„Artikel 3

1)

Für die Anwendung dieser Richtlinie ist unter ‚Inland‘der Anwendungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu verstehen, wie er in Artikel 227 für jeden Mitgliedstaat definiert ist.“

„Artikel 9

1)

Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort.

2)

Es gilt jedoch ...

b)

als Ort einer Beförderungsleistung der Ort, an dem die Beförderung nach Maßgabe der zurückgelegten Beförderungsstrecke jeweils stattfindet ...“

Nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c des Decreto del Presidente della Repubblica Nr. 633 vom 26. Oktober 1972 (Suppi. ord. GURI Nr. 292, S. 2) in der Fassung des Dekrets Nr. 94 vom 31. März 1979 (GURI Nr. 93, S. 3011) gelten Beförderungsleistungen entsprechend der im Hoheitsgebiet des Staates zurückgelegten Beförderungsstrecke als dort erbracht.

Die aufgeworfene Frage ist nicht nur für Italien von Bedeutung. Sie gilt auch für Beförderungen z. B. zwischen dem französischen Festland und Korsika (bei denen für die Beförderung von Personen gemäß Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b in Verbindung mit Anhang F Nr. 17 unter den bestehenden Bedingungen eine Ausnahme gewährt wird), dem dänischen Festland und Bornholm sowie Berlin und dem übrigen Bundesgebiet. Sie wird auch für Griechenland Bedeutung erlangen.

Nach Auffassung der Klägerin und der Bundesrepublik Deutschland sieht die Richtlinie eine Pflicht und ein Recht zur Erhebung der Mehrwertsteuer nur im Hinblick auf Beförderungen innerhalb des Hoheitsgebiets und der Hoheitsgewässer eines Mitgliedstaats vor, auch wenn die Beförderung im Hoheitsgebiet dieses Staates beginnt und endet. Jedes andere Ergebnis würde darauf hinauslaufen, Hoheitsgewalt in einem Gebiet auszuüben, das nicht zu einem Mitgliedstaat gehöre.

Die Bundesrepublik Deutschland stützt sich insbesondere auf den Wortlaut des Vorschlags der Kommission für eine Neunzehnte Richtlinie des Rates über die Um-satzsteuern (ABl. C 347 vom 29. Dezember 1984, S. 5), in der es heißt, daß „die Auslegungsunterschiede bezüglich der Territorialität bestimmter Beförderungsleistungen im Luft- und Seeverkehr... beseitigt werden [müssen]“, und deren Artikel 1 vorsieht, daß in Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie folgender Text angefügt wird: „Eine See- oder Flugreise gilt als völlig innerhalb eines Landes zurückgelegt, wenn sich Abreise- und Ankunftsort in diesem Land befinden und kein Zwischenaufenthalt in einem anderen Land vorgenommen wird“.

Nach Auffassung Frankreichs sind die Mitgliedstaaten nicht zur Erhebung von Mehrwertsteuer im Zusammenhang mit Beförderungen durch internationale Gewässer verpflichtet. Die Erhebung einer Steuer auf derartige Beförderungen würde Seetransporte z. B. von Nizza nach Korsika, bei denen die gesamte Reise mehrwertsteuerpflichtig wäre, gegenüber solchen von Genua nach Korsika benachteiligen, bei denen die Erhebung von Mehrwertsteuer für die Reise durch internationale Gewässer nicht zulässig wäre.

Italien, Dänemark und die Kommission sind gegenteiliger Auffassung. Zwar räumen sie ein, daß die Sechste Richtlinie keine ausdrückliche Regelung enthalte, jedoch machen sie geltend, es spreche nichts dafür, daß Beförderungen durch internationale Gewässer ausgeschlossen seien, wenn die Reise in ein und demselben Mitgliedstaat beginne und ende. Anderenfalls würden die Schiffe versuchen, ihre Route so weit wie möglich durch internationale Gewässer und nicht durch nationale Gewässer zu legen. Für Beförderungen auf einem Schiff des Landes, in dem die Reise beginne und ende, solle das Recht des Flaggenstaats gelten, so daß die Gegenstände und Passagiere so behandelt würden, als befänden sie sich stets auf nationalem Hoheitsgebiet. Anderenfalls käme es zu dem absurden Ergebnis, daß Gegenstände als aus ein und demselben Mitgliedstaat ausgeführt und in diesen eingeführt anzusehen wären.

Im Hinblick auf Gegenstände macht die Kommission geltend, gemäß Artikel 8 der Richtlinie gelte als Ort der Lieferung für den Fall, daß die Beförderung eines Gegenstands in ein und demselben Staat beginne und ende, der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung befinde, und gemäß Artikel 11 Teil A Absatz 2 Buchstabe b seien in die Besteuerungsgrundlage „die Nebenkosten wie Provisions-, Verpak-kungs-, Beförderungs- und Versicherungskosten, die der Leistungserbringer von dem Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger fordert“, einzubeziehen. Im Hinblick auf Personen sei als Ort, an dem die Beförderungsleistungen erbracht würden, der Ort anzusehen, an dem die Beförderung nach Maßgabe der zurückgelegten Beförderungsstrecke jeweils stattfinde, und gemäß Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a sei die Besteuerungsgrundlage „alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer ... [unter anderem vom Abnehmer] erhält oder erhalten soll“. Anders sehe es dagegen aus, wenn Gegenstände und Personen von einem Mitgliedstaat in einen anderen befördert würden. Gemäß Artikel 11 Teil B Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 15 Nrn. 1 und 13 würden Gegenstände im Einfuhrland unter Zugrundelegung eines Werts besteuert, der die vollen Beförderungskosten einschließe; im Ausfuhrland seien sie von der Steuer befreit. Für Personen erhebe jeder Mitgliedstaat Steuer auf den Teil der Reise, der innerhalb seines Hoheitsgebiets absolviert werde.

Aus dem Vorschlag für die Neunzehnte Richtlinie läßt sich meiner Ansicht nach für die Auslegung der Sechsten Richtlinie nichts herleiten. Es ist offensichtlich, daß unterschiedliche Auffassungen bestehen und daß die Kommission zum Ausdruck bringen will, wie diese Meinungsverschiedenheiten nach der Sechsten Richtlinie richtigerweise zu lösen wären. Die Sechste Richtlinie muß ganz für sich betrachtet werden.

In seinem Urteil vom 4. Juli 1985 in der Rechtssache 168/84 (Berkholz/Finanzamt Hamburg-Mine-Altstadt, Slg. 1985, 2251) hatte der-Gerichtshof Artikel 9 der Sechsten Richtlinie zu prüfen. Er kam zu dem Ergebnis, daß diese Bestimmung durch die einheitliche Festlegung des Ortes, an dem die Steuer zu zahlen ist, eine angemessene Abgrenzung des jeweiligen Geltungsbereichs des nationalen Mehrwertsteuerrechts herbeiführen soll. Dies soll verhindern, daß zwei Staaten Steuern erheben und damit die Steuer eventuell zweimal verlangt wird, und in bestimmten Fällen soll es die Umgehung von Steuern verhindern. Auf der Grundlage von Artikel 3 kam der Gerichtshof ferner zu dem Ergebnis, daß der Geltungsbereich der Richtlinie sich für jeden Mitgliedstaat mit dem Geltungsbereich des jeweiligen Steuerrechts deckt. Artikel 9 schränkt demnach nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten ein, ihrer Hoheitsgewalt unterliegende Schiffe außerhalb des Gebiets, über das sie Souveränität besitzen, zu besteuern. Der Gerichtshof entschied in dieser Rechtssache, daß ein Mitgliedstaat von Betreibern von Geldspielautomaten, die auf einem Fährschiff installiert sind, am Ort ihres Sitzes oder ihrer festen Niederlassung Steuern erheben kann.

In dieser Rechtssache ging es allerdings um Artikel 9 Absatz 1, der die allgemeine Regel aufstellt, daß die Dienstleistung an dem Ort erbracht wird, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, bzw. an seinem Wohnort oder üblichen Aufenthaltsort, und nicht um Artikel 9 Absatz 2, der eine Ausnahmeregelung enthält und als Ort der Dienstleistung den Ort bestimmt, an dem die Beförderung stattfindet.

Meines Erachtens hat die Kommission bei ihrem allgemeinen Verständnis der Richtlinie recht. Bei der Lieferung von Gegenständen innerhalb eines Mitgliedstaats gilt als Ort der Lieferung der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung befindet, und die Besteuerungsgrundlage schließt die Beförderungskosten ein (Artikel 8 und 11 Teil A Absatz 2 Buchstabe b). Bei der Lieferung von Gegenständen von einem Mitgliedstaat in einen anderen unterliegen die Kosten einschließlich der Beförderungskosten im Ausfuhrstaat nicht der Steuer; die Steuer ist jedoch im Einfuhrstaat von einem Betrag zu zahlen, der die Beförderungskosten einschließt (Artikel 15 Nrn. 1 und 13, 10 Absatz 3, 11 Teil B Absatz 3 Buchstabe b).

Bei der Beförderung von Personen innerhalb eines Mitgliedstaats unterliegt die innerhalb dieses Staates zurückgelegte Strecke der Mehrwertsteuer; „die Leistung“ findet über die ganze Strecke hinweg statt, und die Steuer ist auf den Wert der Gegenleistung zu entrichten. Werden bei der Beförderung einer Person zwei oder mehr Mitgliedstaaten berührt, ist in jedem Mitgliedstaat für den Teil der Beförderung Steuer zu zahlen, der dort stattfindet, weil jeder Teil einen eigenen Leistungsort darstellt. Gemäß Artikel 28 Absatz 5 wird schließlich die Personenbeförderung im Rahmen einer endgültigen Regelung für die gesamte Beförderung innerhalb der Gemeinschaft im Ausgangsland besteuert werden.

In einem Punkt kann ich mich der Auffassung der Kommission allerdings nicht anschließen. Sie trägt vor, Artikel 9 Absatz 2 gelte nur für die Beförderung von Personen. Abweichend von anderen Artikeln trifft diese Vorschrift jedoch keine ausdrückliche Unterscheidung zwischen der Beförderung von Personen und von Gegenständen. Ihr Wortlaut ist allgemein gehalten. Meiner Auffassung nach kann sie ohne weiteres auch auf die Beförderung von Gegenständen als eine selbständige Tätigkeit Anwendung finden, wenn auch nicht auf eine Beförderung von Gegenständen, die Bestandteil der Lieferung dieser Gegenstände ist. Wäre es anders, so wiese die Richtlinie eine offensichtliche Lücke auf. Meines Erachtens gibt es eine solche Lücke nicht.

Wie sich aus der Präambel ergibt, war es ein wesentliches Ziel der Richtlinie, Kompetenzkonflikte zwischen den Mitgliedstaaten auszuräumen. In diesem Zusammenhang sollen die Artikel 8 und 9 den Ort der Leistung festlegen, in erster Linie, um Diskussionen darüber, in welchem Mitgliedstaat die Leistung erfolgt, auszuschließen. Wenn die gesamte Leistung innerhalb eines Mitgliedstaats erbracht wird, gibt es keinen derartigen Konflikt: Entscheidend ist dann die Frage: a) nach dem Zeitpunkt, zu dem der Steuertatbestand eintritt — gemäß Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Zeitpunkt, „zu dem die Lieferung des Gegenstands oder die Dienstleistung bewirkt wird“, und b) nach der Besteuerungsgrundlage — gemäß Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a „alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende ... vom Abnehmer ... erhält oder erhalten soll“, und zwar gemäß Artikel 11 Teil A Absatz 2 Buchstabe b einschließlich der Beförderungskosten. Auch wenn dies die entscheidenden Fragen sind, verstehe ich die Artikel 8 und 9 im Gegensatz zur Auffassung Italiens dahin, daß sie den Ort der Leistung für alle Leistungen einschließlich derjenigen, die ausschließlich innerhalb eines Mitgliedstaats erfolgen, festlegen.

Ausgehend von der in der Rechtssache 168/84 getroffenen Feststellung, daß sich der Geltungsbereich der Richtlinie mit dem Geltungsbereich des maßgeblichen Steuerrechts deckt, halte ich es für die entscheidende Frage, ob die Richtlinie es in irgendeiner Weise einem Mitgliedstaat verwehrt, Mehrwertsteuer auf die gesamte Beförderung zwischen zwei Punkten seines Hoheitsgebiets zu erheben, obwohl die Beförderung teilweise durch internationale Gewässer erfolgt. Solange kein Teil der Beförderung das Hoheitsgebiet einschließlich der Hoheitsgewässer eines anderen Mitgliedstaats berührt, sehe ich in der Richtlinie nichts, was einen Mitgliedstaat an einem solchen Vorgehen hindern könnte. Zudem scheint mir eine solche Befugnis mit Artikel 10 Absatz 2 vereinbar zu sein, wonach Beförderungsleistungen dann als „bewirkt“ anzusehen sind, wenn die Beförderung beginnt (auf dem Festland) oder, wie ich (in Analogie zur Lieferung von Gegenständen) annehmen möchte, wenn sie abgeschlossen ist (in Sardinien).

Italien steht es somit nach der Richtlinie frei, die gesamte Beförderung vom Festland nach Sardinien als mehrwertsteuerpflichtige Erbringung von Beförderungsleistungen anzusehen, auch wenn sie teilweise durch internationale Gewässer führt. Dies ist meines Erachtens nicht aus irgendeinem völkerrechtlichen Grundsatz in bezug auf die Flagge des Schiffes abzuleiten, selbst wenn ein unter italienischer Flagge fahrendes Schiff für die Feststellung des Ortes der Beförderung auch als italienisches Hoheitsgebiet betrachtet werden könnte. Für Gegenstände oder Personen, die auf Schiffen befördert werden, die eine andere Flagge führen, gilt dieselbe Regel. Sie ergibt sich nicht aus flaggenrechtlichen Vorschriften, sondern aus einer sachgerechten Auslegung des Anwendungsbereichs der Richtlinie.

Administrative Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Teils der Beförderung, der durch internationale Gewässer führt, wären kein hinreichender Grund für eine Auslegung der Richtlinie entgegen ihrem klaren Wortlaut, sondern sprechen für eine Auslegung dahin gehend, daß die ganze Beförderung zwischen zwei Punkten eines Mitgliedstaats, die nicht über ein anderes Hoheitsgebiet führt, erfaßt werden muß.

Frankreich stimmt diesem Ergebnis, daß ein Mitgliedstaat auf die ganze Beförderung einschließlich der Passage durch internationale Gewässer Mehrwertsteuer erheben darf, zu. Italien, Dänemark und die Kommission gehen darüber hinaus und meinen, es bestehe eine Pflicht zur Besteuerung der gesamten Beförderung. Nach Auffassung der Bundesrepublik Deutschland ist es unzulässig, die Passage durch internationale Gewässer als Teil der Beförderung anzusehen.

Für seine Entscheidung im vorliegenden Fall braucht das italienische Gericht nicht zu wissen, ob diese Steuer erhoben werden muß; es genügt, daß sie erhoben werden darf. Deswegen und weil möglicherweise eine Klage nach Artikel 169 EWG-Vertrag vor dem Plenum des Gerichtshofes gegen einen anderen Mitgliedstaat erhoben wird, ist es vielleicht nicht wünschenswert und auch unnötig, daß die Kammer darüber entscheidet, ob eine Pflicht zur Erhebung einer solchen Steuer für die gesamte Beförderung besteht. Für den Fall, daß die Kammer meint, hierüber entscheiden zu sollen, muß ich diese Frage behandeln.

Das Urteil in der Rechtssache 168/84 enthält keine Entscheidung hierüber. Der Gerichtshof stellte dort fest, daß die Richtlinie die Befugnis der Mitgliedstaaten, den betreffenden Vorgang zu besteuern, nicht einschränkt. Er sagte nicht, daß ein Mitgliedstaat hierzu verpflichtet ist.

Wie wir gesehen haben, enthält die Richtlinie keine ausdrückliche Bestimmung dahin, daß die gesamte Beförderung, einschließlich des durch internationale Gewässer führenden Teils, entsprechend zu besteuern ist. Andererseits ist es das Hauptziel der Richtlinie, das Mehrwertsteuerrecht in der Gemeinschaft zu harmonisieren; der Untertitel „Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage“ weist darauf hin. Wenn feststeht, daß eine Beförderung zwischen zwei Punkten eines Mitgliedstaats erfolgt, sollten in allen Mitgliedstaaten die gleichen Vorschriften gelten. Wenn für die Begründung der Steuerpflicht in einem Mitgliedstaat an den Ort der Leistung und den Steuertatbestand angeknüpft wird, muß die Steuer meines Erachtens aufgrund der in dieser Rechtssache vorgetragenen Argumente auf die gesamte Beförderung erhoben werden, auch wenn diese teilweise durch internationale Gewässer führt. Es wäre ungewöhnlich, wenn das Besteuerungsverfahren Unterschiede vorsähe, je nachdem, ob es sich um eine Land- oder Seebeförderung zwischen denselben zwei Punkten eines Mitgliedstaats handelt.

Andere Überlegungen spielen jedoch eine Rolle, wenn ein Teil der Beförderung durch das Hoheitsgebiet, einschließlich der Hoheitsgewässer und des Luftraums, eines anderen Staates führt, unabhängig davon, ob er der Gemeinschaft angehört oder nicht, so daß die hier vorgetragene Auffassung auf die Beförderung zwischen Berlin und dem übrigen Bundesgebiet nicht unmittelbar anwendbar ist.

Unter den gegebenen Umständen sollte die vorgelegte Frage jedenfalls folgendermaßen beantwortet werden:

Die Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, insbesondere ihr Artikel 9 Absatz 2, ist nicht dahin zu verstehen, daß sie es einem Mitgliedstaat verwehrt, die Beförderung von Gegenständen und Personen von einem Punkt zu einem anderen im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, auch wenn die Beförderung überwiegend oder teilweise durch internationale Gewässer führt, sofern kein Teil der Beförderung im Hoheitsgebiet einschließlich der Hoheitsgewässer eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittstaats stattfindet.

Die Entscheidung über die Kosten der Parteien des Ausgangsverfahrens ist Sache des nationalen Gerichts; die Auslagen der Mitgliedstaaten, die sich beteiligt haben, und der Kommission sind nicht erstattungsfähig.


( *1 ) Aus dem Englischen übersetzt.