SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS ALBERTO TRABUCCHI

VOM 6. JULI 1976 ( 1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

Die Fragen des Giudice Conciliatore Rovigo gehen im wesentlichen dahin, ob eine private Sportorganisation nach Gemeinschaftsrecht bei Berufsfußballspielern die Teilnahme an den Spielen vom Besitz der Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates abhängig machen kann.

Das italienische Gericht stellt sich diese Frage, weil die Federazione Italiana del Gioco del Calcio (Italienischer Fußballverband — F.I.G.C.), die sich aus den nationalen Fußballvereinen zusammensetzt und der einzige Verband mit der Befugnis ist, den Fußballsport im nationalen Hoheitsgebiet zu regeln, die Teilnahme an den Spielen vom Besitz des Verbandsausweises abhängig macht; dieser Ausweis wird nach Artikel 28 Buchstabe g des Verbandsstatuts gewöhnlich nur Spielern italienischer Staatsangehörigkeit mit Wohnsitz in Italien erteilt. Für ausländische Staatsangehörige wird eine Ausnahme gemacht, sofern sie niemals in die Spielerliste eines ausländischen Verbands eingetragen waren, in Italien wohnen und ihre Eintragung als „Jugendliche“, „Amateure“ oder als „Freizeitsportler“ beantragen. Für die Eintragung aller übrigen Spieler — ob Italiener oder Ausländer —, die vorher ausländischen Verbänden angehörten, sieht die genannte Bestimmung des Statuts des FIGC vor, daß „der Verbandsvorstand bis spätestens 30. April jeden Jahres entscheidet“. Es besteht also die Möglichkeit, für Berufsspieler eine Ausnahme zu machen, doch handelt es sich dabei immer um eine reine Ermessensentscheidung des Spitzengremiums des Verbandes. Als Grundsatz bleibt, daß ausländische Fußballspieler von der Ausübung beruflicher Betätigung italienischer Vereine ausgeschlossen sind. Ein dem Verband nicht angeschlossener Fußballverein wäre natürlich durch nichts daran gehindert, ohne irgendwelche Schranken die Leistungen ausländischer Spieler in Anspruch zu nehmen; doch muß betont werden, daß die Fußballvereine nur dann an Meisterschaften teilnehmen können, wenn sie der FIGC angeschlossen sind. Wo keine Teilnahme an Meisterschaften möglich ist, kann praktisch auch eine sportliche Betätigung nicht berufsmäßig ausgeübt werden.

Der Gerichtshof hat in dem Urteil in der Rechtssache 36/74, Walrave, für Recht erkannt, daß für sportliche Betätigungen, sofern sie einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne von Artikel 2 des Vertrages ausmachen und sich insbesondere als entgeltliche Arbeits- oder Dienstleistung kennzeichnen lassen, die Vorschriften der Artikel 48 bis 51 oder 59 bis 66 des Vertrages gelten; diese Bestimmungen konkretisieren den in Artikel 7 des Vertrages enthaltenen Grundsatz und verbieten bei der Ausübung der in ihnen aufgeführten Tätigkeiten jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung (Slg. 1974, 1418). In der genannten Rechtssache war das Merkmal beruflicher Betätigung, das den sportlichen Aspekt in der Beziehung zwischen Sportler und Verein verdrängt, ganz eindeutig gegeben, denn es handelte sich um eine besondere Art des Radrennsports, bei der einem der — am Ausgangsverfahren beteiligten — Sportler eine zweitrangige und abhängige Stellung zukam. Bei einer Fußballmannschaft läßt sich diese — sagen wir — wettkämpferische Abhängigkeit nicht feststellen;… jedoch bleibt, daß die Spieler berufliche oder halbberufliche Qualifikation haben, die sich genau mit den Merkmalen eines Arbeitsverhältnisses mit dem mannschaftsführenden Verein deckt.

Dies genügt zur Beantwortung der zweiten Frage des nationalen Gerichts und damit auch zur Beantwortung der ersten Frage insoweit, als es für die Lösung des dem vorlegenden Gericht unterbreiteten Falles von Interesse ist.

In dem vorgenannten Urteil stellte der Gerichtshof jedoch fest, daß dem erwähnten allgemeinen Grundsatz Schranken gesetzt sind. Er betonte nämlich, daß die Aufstellung von Wettkampfmannschaften, „etwa“ in der Form von Nationalmannschaften, nicht unter das Verbot des Artikels 7 und die zu seiner Konkretisierung ergangenen Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und den freien Dienstleistungsverkehr fällt, „da es bei der Bildung dieser Mannschaften um Fragen geht, die ausschließlich von sportlichem Interesse sind und als solche nichts mit wirtschaftlicher Betätigung zu tun haben“.

Obwohl diese Einschränkung des allgemeinen Grundsatzes eng auszulegen ist, hat der Gerichtshof doch eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß der von ihm angeführte Fall einer Mannschaft, die ein Land bei internationalen Wettkämpfen vertritt, nur als Beispiel gemeint war. Zu denken wäre etwa auch an die Aufstellung von Wettkampfmannschaften zur Teilnahme an nationalen Ausscheidungskämpfen. In solchen Fällen ist es meiner Ansicht nach nicht ausgeschlossen, daß die Errichtung bestimmter Schranken für die Aufnahme oder jedenfalls für die Teilnahme ausländischer Spieler an den Wettkämpfen aus rein sportbezogenen Gründen gerechtfertigt sein kann, wenn mit diesen Maßnahmen sichergestellt werden soll, daß die siegreiche Mannschaft den Staat, dessen Spitzenmannschaft sie sein wird, auch tatsächlich repräsentiert. Ein Bedürfnis in dieser Richtung wird noch deutlicher, wenn man sich vor Augen hält, daß die Mannschaft, die aus nationalen Meisterschaften als Sieger hervorgeht, in der Regel ihr Land bei internationalen Wettkämpfen zu vertreten hat.

Das gleiche gilt natürlich, wie übrigens der Bevollmächtigte der Kommission in der Sitzung anerkannte, auch auf regionaler Ebene, wenn lokale Sportmannschaften tatsächlich repräsentativ für das betreffende Gebiet oder die Region sein sollen. In diesem zweiten Falle müssen die Schranken natürlich nicht nur für Ausländer, sondern auch für diejenigen Staatsangehörigen gelten, die nicht derselben Region wie die hierfür repräsentative Lokalmannschaft angehören. Während die ausschließlich regionale Rekrutierung innerhalb dieser Grenzen als Ausfluß der Organisationsgewalt in der Regel im Belieben der Sportvereine steht, muß, wenn die Begrenzung den Ausschluß ausländischer Staatsangehöriger bedeutet, eine auf eindeutig sportbezogene oder wettkämpferische Anforderungen beruhende Rechtfertigung vorliegen, damit eine Ausnahme von der vollen Anwendung der Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und den freien Dienstleistungsverkehr gemacht werden kann.

Ich bin daher aus all diesen Gründen der Ansicht, daß auch sportliche Betätigungen mit wirtschaftlichem Charakter gleichwohl dem Anwendungsbereich der fundamentalen Vertragsbestimmungen über das Verbot unterschiedlicher Behandlung entzogen sein können, wenn die auf die Staatsangehörigkeit der Spieler abstellenden Beschränkungen rein sportlichen Zielen dienen und die Beschränkungen geeignet und angemessen sind, um dieses Ziel zu erreichen.

Dem Urteil Walrave kommt in der Tat doppelte Bedeutung zu. Der Gerichtshof hat weise auch den Wert sportlicher Betätigung als solcher und die Notwendigkeit ihrer Beachtung hervorgehoben, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz des Rechts auf Freizügigkeit derer betont, die auf dem Gebiet des Sports eine überwiegend wirtschaftliche Tätigkeit berufsmäßig ausüben wollen.

Der Bevollmächtigte der Kommission hat das Augenmerk des Gerichtshofes darauf gelenkt, daß das Verbot nationaler Diskriminierungen nicht nur bei Einstellungen gelten muß, sondern auch für die nachfolgende Teilnahme an den Spielen. Ich möchte jedoch bemerken, daß sich allein aufgrund des EWG-Vertrages ohne eine vertragliche Abmachung sicher kein Recht ausländischer Berufsspieler, die einem Fußballverein eines anderen Mitgliedstaats angehören, auf aktive Teilnahme an Meisterschaftsspielen denken läßt. So wie es kein Recht auf Aufnahme, sondern nur ein Recht darauf gibt, daß der Aufnahme ausländischer Fußballspieler durch einen dazu bereiten Fußballverein keine rechtlichen Hindernisse — auch nicht von privater Seite — entgegengesetzt werden, läßt sich auch im Bereich des Gemeinschaftsrechts kein Recht eines Fußballspielers (auch wenn er Ausländer ist) darauf vorstellen, gegen den Willen der betreffenden Vereinsleitung an Spielen teilzunehmen. Der Spieler hat nur Anspruch darauf, daß keine an seine Staatsangehörigkeit anknüpfenden rechtlichen Hindernisse für seine Teilnahme an den Spielen bestehen, es sei denn, daß die betreffenden Hindernisse aus den gleichen rein sportbezogenen Gründen gerechtfertigt wären, die, wie oben ausgeführt wurde, auch Einstellungsbeschränkungen zulässig machen könnten.

Mit diesen Klarstellungen und Vorbehalten läßt sich meiner Ansicht nach die dritte Frage des Giudice Conciliatore Rovigo beantworten, indem auf die Ausführungen des Gerichtshofes in dem bereits genannten Urteil Walrave über den persönlichen Anwendungsbereich der Artikel 7, 48 und 59 des Vertrages Bezug genommen wird. Die in diesen Artikeln aufgestellten Verbote gelten nicht nur für Akte der staatlichen Behörden, sondern erstrecken sich auch auf sonstige Maßnahmen, die eine kollektive Regelung im Arbeits- und Dienstleistungsbereich enthalten. Andernfalls, so hat der Gerichtshof ausgeführt, wäre die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gefährdet, wenn die Beseitigung der staatlichen Schranken dadurch in ihren Wirkungen wieder aufgehoben würde, daß privatrechtliche Vereinigungen oder Einrichtungen kraft ihrer rechtlichen Autonomie derartige Hindernisse aufrichteten.

Auch die vierte Frage findet eine klare Antwort in der früheren Rechtsprechung, die besagt, daß das Verbot jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung seit dem Ende der Übergangszeit sowohl auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer als auch im Dienstleistungsverkehr unmittelbar geltendes Recht ist.

Dagegen kann man meiner Ansicht nach dem Klägervertreter nicht darin folgen, daß — wie er den Gerichtshof zu entscheiden bittet — die staatlichen Behörden unter den dem Vorabentscheidungsersuchen des Giudice Conciliatore Rovigo zugrunde liegenden Umständen mitverantwortlich seien für das Bestehen einer privatrechtlichen Regelung der im Statut der FIGC enthaltenen Art, die unzulässigerweise Rechte beschränkt, die ausländische Spieler aus unmittelbar geltenden Bestimmungen des EWG-Vertrags herleiten können. Ich halte es für grundsätzlich ausgeschlossen, daß der Staat allein deshalb für in seinem Hoheitsgebiet von einzelnen im Rahmen ihrer Vertragsautonomie entfaltete Tätigkeiten verantwortlich gemacht werden kann, weil die Betreffenden Vertragsbestimmungen geschaffen haben, die den unmittelbar geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zuwiderlaufen.

Bei einer Körperschaft, die zwar auf privatrechtlichen Gebieten tätig wird, jedoch der Fachaufsicht durch die staatliche Verwaltung unterliegt (was zum Beispiel im Bank- oder Versicherungswesen der Fall sein kann), ließe sich möglicherweise ein Einstehenmüssen für fahrlässiges Unterlassen der Staatsorgane denken. Bei der hier interessierenden Fallgestaltung lag und liegt die Aufgabe des Staates lediglich darin, festzustellen, daß private Rechtssubjekte — die Fußballvereine — die Möglichkeit haben, unter Nichtbeachtung einer in der einschlägigen kollektiven Regelung enthaltenen gegenteiligen Vorschrift ausländische Spieler einzustellen.

Dies genügt zum Schutze des ausländischen Spielern nach dem Vertrag zustehenden Rechts, das, wie gesagt, nicht in einem Anspruch auf Aufnahme in einen Verein besteht, weil dem keine entsprechende Verpflichtung des Sportvereins gegenüberstünde, sondern darin, daß die Möglichkeit zur Einstellung erhalten bleibt. Also kann sich, um zum konkreten Fall zu kommen, der Fußballverein Rovigo seiner Verpflichtung gegenüber Herrn Donà nicht dadurch entziehen, daß er sich auf einen rechtlichen Hinderungsgrund beruft, falls die herangezogene Klausel des Fußballreglements sich nach den obengenannten Kriterien als rechtswidrig und somit ungültig erweisen sollte.

Hinzu tritt, daß ich in einem privatrechtlichen Bereich, in dem das Gemeinschaftsrecht unmittelbar gilt, — lassen wir einmal die Gerichte beiseite — keinen Raum für ein Eingreifen staatlicher Stellen sehe. Da es sich um eine private Tätigkeit handelt, die sich völlig im Bereich des Privatrechts abspielt, ließe sich nur schwerlich ein Eingreifen der staatlichen Verwaltung vorstellen. Ferner könnten im Rahmen eines staatlichen Vorgehens nur die gemeinschaftsrechtlichen Gebote wiederholt werden, die bereits als solche unmittelbar gelten. Die Forderung des Klägervertreters, die nationalen Regierungen müßten tätig werden, um ihre Bürger zur Beachtung der hier einschlägigen Gemeinschaftsnormen anzuhalten, könnte also in Widerspruch stehen zu dem von diesem Gerichtshof bekräftigten und im übrigen auch vom italienischen Verfassungsgerichtshof mit Urteil Nr. 232/1975 ausdrücklich aufgegriffenen Grundsatz, daß der Erlaß einzelstaatlicher Rechtsvorschriften, die in Gestalt eines nationalen Rechtsetzungsakts den Inhalt unmittelbar geltender Gemeinschaftsnormen wiederholen, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist, weil solche Bestimmungen gefährliche Unklarheiten über die Natur des geltenden Rechts und Störungen im Funktionieren der im Vertrag vorgesehenen gerichtlichen Kontrollmechanismen hervorrufen könnten.

Falls die vom EWG-Vertrag der Vertragsfreiheit einzelner gesetzten Schranken sich als unzulänglich für ein geordnetes Funktionieren des Gemeinschaftssystems erweisen sollten und ein öffentliches Interesse der Gemeinschaft an einer tatsächlich einheitlichen Regelung einer der Rechtsetzungsbefugnis der Gemeinschaft entzogenen Materie bestünde, die in den oder in einigen Mitgliedstaaten der Privatautonomie überlassen sind, könnte die Kommission in den Schranken und unter den Voraussetzungen der Artikel 100 ff. des Vertrages auf eine Harmonisierung oder Angleichung nationaler Rechtsvorschriften hinarbeiten, und zwar auch in der Richtung, daß diese Materie und das Verhalten Privater auf diesem Gebiet erforderlichenfalls der Kontrolle durch die Gemeinschaftsstellen unterliegen. Aber eine solche Wertung ist offensichtlich Sache der Kommission und des Rates und sicherlich nicht die des Gerichtshofes im Rahmen dieses Verfahrens.

Ich glaube schließlich nicht, daß diese Rechtssache der geeignete Rahmen für die Erörterung der Frage ist, die vom Bevollmächtigten der Kommission angesprochen wurde, ob nämlich ein Recht der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen darauf besteht, ohne an ihre Staatsangehörigkeit anknüpfende Einschränkungen Sportvereinen des Gastlandes zur Ausübung von Freizeitsport beizutreten. Die Lösung dieses Problems ist keineswegs präjudiziert, wenn der vom Gerichtshof in Ziffer 1 der Entscheidungsformel im Urteil Walrave ausgesprochene Grundsatz auf Betätigungen von Berufssportlern mit wirtschaftlichem Charakter beschränkt bleibt. Diese Frage betrifft nämlich nicht die Freizügigkeit der Berufssportler, die im Gemeinschaftsrecht gerade nur dann gewährleistet ist, wenn es sich um eine wirtschaftliche Betätigung handelt, sondern vielmehr die Lebensbedingungen der Auswanderer und ihrer Familienangehörigen im Gastland. Unter diesem Aspekt, den der Gerichtshof in der Rechtssache Walrave nicht zu erörtern brauchte, ist es denkbar, daß im Anwendungsbereich des Verbots auf der Staatsangehörigkeit beruhender unterschiedlicher Behandlung auch Betätigungen außerwirtschaftlicher Art in Betracht gezogen werden.

Aber diese Fragen betreffen die Auslegung von Bestimmungen, insbesondere der Verordnung Nr. 1612/68, die vollständig aus dem Rahmen der Fragen fallen, die das nationale Gericht hier gestellt hat.

Aus den vorstehenden Gründen schlage ich vor, auf die Fragen des Giudice Conciliatore Rovigo im wesentlichen unter Bezugnahme auf die bereits in der Rechtssache 36/74 (Walrave) aufgestellten Grundsätze zu antworten, jedoch mit der weiteren Klarstellung, daß sportliche Betätigungen mit wirtschaftlichem Charakter dem Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbots entzogen sein können, wenn die auf die Staatsangehörigkeit des Spielers abstellenden Beschränkungen auf rein sportlichen Bedürfnissen beruhen und rein sportliche Ziele verfolgen sowie objektiv geeignet und angemessen sind, um ihren Zweck zu erreichen.


( 1 ) Aus dem Italienischen übersetzt