21.2.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 64/7


MITTEILUNG DER KOMMISSION

Leitlinien zur Erleichterung der Anwendung der IPI-Verordnung* durch öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber sowie durch Wirtschaftsteilnehmer

(2023/C 64/04)

Inhalt

1.

Bestimmung der Herkunft eines Wirtschaftsteilnehmers 8

1.1.

Beweismittel, anhand deren festgestellt werden kann, ob eine juristische Person in einem bestimmten Land „in erheblichem Umfang Geschäftstätigkeiten“ ausübt 8

1.2.

Unterlagen, die zum Nachweis von „Geschäftstätigkeiten in erheblichem Umfang“ herangezogen werden können 8

2.

Bestimmung des Ursprungs von Dienstleistungen 9

3.

Bestimmung des Ursprungs von Waren 9

3.1.

Ursprung von Waren auf der Grundlage des Begriffs der in einem einzigen Land vollständig gewonnenen oder hergestellten Waren 9

3.2.

Ursprung der Waren, an denen mehr als ein Land beteiligt ist, und Begriff der „letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung“ 10

3.2.1.

Bestimmung des Ursprungs von Erzeugnissen, die in Anhang 22-01 der UZK-DelR aufgeführt sind 10

3.2.2.

Bestimmung des Ursprungs von Erzeugnissen, die nicht in Anhang 22-01 der UZK-DelR aufgeführt sind 10

4.

Verpflichtungen des erfolgreichen Bieters 11

4.1.

Pflichten im Zusammenhang mit der Vergabe von Unteraufträgen bei der Ausführung des Vertrags 11

4.2.

Verpflichtungen hinsichtlich des Ursprungs der in Ausführung des Vertrags verwendeten Waren 12

4.3.

Verpflichtungen in Bezug auf die Vorlage geeigneter Nachweise auf Verlangen 12

4.4.

Verpflichtungen in Bezug auf die Zahlung einer anteiligen Strafgebühr 13

5.

Wie und wann sollten öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber eine IPI-Maßnahme anwenden? 13

Die Verordnung (EU) 2022/1031 (im Folgenden „IPI-Verordnung“) (1) enthält die von der Kommission zu befolgenden Verfahren, wenn sie Untersuchungen über gegen Wirtschaftsteilnehmer, Waren und Dienstleistungen aus der Union gerichtete mutmaßliche Maßnahmen oder Praktiken von Drittländern einleitet und mit den betreffenden Drittländern Konsultationen aufnimmt. In dieser Verordnung ist auch vorgesehen, dass die Kommission im Zusammenhang mit derartigen Maßnahmen oder Praktiken von Drittländern IPI-Maßnahmen vorschreiben kann, um den Zugang von Wirtschaftsteilnehmern, Waren oder Dienstleistungen aus Drittländern zu öffentlichen Vergabeverfahren der Union zu beschränken.

Artikel 12 der IPI-Verordnung sieht vor, dass die Kommission innerhalb von sechs Monaten ab dem 29. August 2022 Leitlinien herausgibt, um die Anwendung der IPI-Verordnung durch öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber sowie durch Wirtschaftsteilnehmer zu erleichtern.

Nach Erwägungsgrund 34 der genannten Verordnung sollten diese Leitlinien insbesondere Informationen über das Konzept der Herkunft natürlicher und juristischer Personen und der Herkunft von Waren und Dienstleistungen, zusätzliche Verpflichtungen und die Anwendung dieser Bestimmungen im Rahmen dieser Verordnung enthalten. Diese Leitlinien sollten auch dem besonderen Informationsbedarf von KMU bei der Anwendung der IPI-Verordnung Rechnung tragen, um eine Überlastung von KMU zu vermeiden.

1.   Bestimmung der Herkunft eines Wirtschaftsteilnehmers

Für die Zwecke der Anwendung der IPI-Verordnung sollte die Herkunft eines Wirtschaftsteilnehmers wie folgt bestimmt werden:

Ist ein Wirtschaftsteilnehmer eine natürliche Person, gilt als seine Herkunft das Land, dessen Staatsangehörigkeit die Person besitzt oder in dem diese Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht hat.

Ist ein Wirtschaftsteilnehmer eine juristische Person, gilt als seine Herkunft das Land, in dem die juristische Person gegründet oder anderweitig errichtet wurde, sofern die juristische Person in dessen Hoheitsgebiet in erheblichem Umfang Geschäftstätigkeiten ausübt.

Das Kriterium der Geschäftstätigkeit in erheblichem Umfang soll verhindern, dass IPI-Maßnahmen, die nach der genannten Verordnung ergriffen wurden, umgangen werden, indem natürliche oder juristische Personen mit Herkunft aus einem einer IPI-Maßnahme unterliegenden Land Stroh- oder Briefkastenfirmen in einem anderen Land gründen.

1.1.    Beweismittel, anhand deren festgestellt werden kann, ob eine juristische Person in einem bestimmten Land „in erheblichem Umfang Geschäftstätigkeiten“ ausübt

Eine juristische Person übt in einem bestimmten Land „in erheblichem Umfang Geschäftstätigkeiten“ aus, wenn es sich bei ihren Geschäftstätigkeiten im Hoheitsgebiet dieses Landes nicht lediglich um ein künstliches Konstrukt handelt, das vor allem steuerlichen Zwecken oder der Umgehung einer IPI-Maßnahme dient.

Um nachzuweisen, dass er in einem bestimmten Land „in erheblichem Umfang Geschäftstätigkeiten“ ausübt, kann sich der Wirtschaftsteilnehmer unter anderem auf folgende Elemente berufen:

Art der Geschäftstätigkeit (z. B. Produktionsstätte, Vertretungsbüro, FuE-Zentrum usw.);

Umfang/Intensität/prozentualer Anteil der Geschäftstätigkeit in diesem Land;

Kapitalinvestitionen in diesem Land;

Zahl der Beschäftigten in diesem Land;

Angaben zu den Kunden in diesem Land;

Dauer der Niederlassung des Unternehmens in diesem Land;

Geschäfts- oder Postanschrift in diesem Land;

Steuerzahlungen in diesem Land.

Diese nicht erschöpfend aufgezählten Elemente sollten in ihrer Gesamtheit und von Fall zu Fall bewertet werden. Für die Zwecke dieser Bewertung könnten je nach den Merkmalen des jeweiligen Falls andere Elemente berücksichtigt werden.

1.2.    Unterlagen, die zum Nachweis von „Geschäftstätigkeiten in erheblichem Umfang“ herangezogen werden können

Beispiele für Nachweise, die von Wirtschaftsteilnehmern, einschließlich KMU, angefordert werden können, wenn Zweifel daran bestehen, dass sie im Hoheitsgebiet des Landes, in dem sie gegründet oder anderweitig errichtet wurden, „in erheblichem Umfang Geschäftstätigkeiten“ ausüben:

Geschäftsunterlagen (Verkäufe und sonstige Vorgänge) – Rechnungen, Quittungen, Geschäftsverträge, Akkreditive, Versandunterlagen, Geschäftspläne, Schriftverkehr mit Lieferanten/Gläubigern und Käufern sowie Verzeichnis der Lieferanten/Gläubiger und Käufer, Aufzeichnungen über gekaufte Lagerbestände und verkaufte Waren, Bericht über Unternehmensbesuche usw.;

Finanzinformationen – geprüfter Abschluss, Jahresabschluss, Bankauszug, Steuererklärungen und -bescheide der zuständigen Stellen usw. sowie

Angaben zu den Beschäftigten – Aufzeichnungen über Beiträge zu Krankenversicherungen oder Renten-/Altersversorgungssystemen, Arbeitsverträge usw.

Die oben genannte Liste von Beispielen ist nicht erschöpfend. Öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber können alle Arten von Nachweisen anfordern, die sie für geeignet halten, um das Land zu bestimmen, in dem ein Wirtschaftsteilnehmer seine wesentlichen Geschäftstätigkeiten ausübt.

2.   Bestimmung des Ursprungs von Dienstleistungen

Für die Zwecke der IPI-Verordnung wird der Ursprung einer Dienstleistung auf der Grundlage der Herkunft des Wirtschaftsteilnehmers bestimmt, der sie erbringt. Die Leitlinien, die für die Bestimmung der Herkunft des Wirtschaftsteilnehmers relevant sind, sind somit auch für die Bestimmung des Ursprungs von Dienstleistungen relevant.

3.   Bestimmung des Ursprungs von Waren

Für die Zwecke der IPI-Verordnung sollte der Ursprung von Waren, die in Ausführung eines öffentlichen Auftrags geliefert werden, auf Grundlage der im Zollkodex der Union (UZK) (2) festgelegten und durch die einschlägigen Bestimmungen der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission (UZK-DelR) (3) näher erläuterten nichtpräferenziellen Ursprungsregeln bestimmt werden.

Nichtpräferenzielle Ursprungsregeln dienen im Wesentlichen dazu, das Ursprungsland von Waren für die Anwendung der Meistbegünstigung (MFN) (d. h. der standardmäßigen Zollbehandlung in der Union) zu bestimmen, aber auch zur Umsetzung einer Reihe von handelspolitischen Maßnahmen wie Antidumping- oder Ausgleichszöllen, Handelsembargos, Schutzmaßnahmen und mengenmäßigen Beschränkungen oder Zollkontingenten. Sie werden auch für die Handelsstatistik, öffentliche Ausschreibungen und die Ursprungskennzeichnung genutzt. Die Union wendet ihre eigenen nichtpräferenziellen Ursprungsregeln an, die sich von denen aller Drittländer unterscheiden können.

Der nichtpräferenzielle Ursprung kann sich von dem präferenziellen Ursprung unterscheiden, der im Rahmen einer Präferenzregelung für Waren bestimmt wird, etwa im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems der Union oder eines Freihandelsabkommens, in dem eine Zollpräferenzbehandlung vorgesehen ist. Zu beachten ist, dass im Zusammenhang mit der Anwendung von IPI-Maßnahmen der Ursprung der zur Ausführung eines Auftrags verwendeten Waren gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber oder dem Auftraggeber auch dann auf der Grundlage nichtpräferenzieller Ursprungsregeln erklärt werden sollte, wenn für die betreffenden Waren bei der Einfuhr in die Union eine Zollpräferenz gewährt und ihr Ursprung auf der Grundlage der präferenziellen Ursprungsregeln bestimmt wurde, die für den Handel mit dem Ausfuhrland gelten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Ursprungsland nicht notwendigerweise das Land ist, aus dem die Waren versandt und/oder geliefert wurden.

Zunächst ist es wichtig, die richtige Einreihung des Enderzeugnisses in das „Harmonisierte System“ (4) (HS) zu kennen, da für jede Ware eine besondere Ursprungsregel entsprechend ihrer Einreihung im HS gilt.

Zur Bestimmung des nichtpräferenziellen Ursprungs von Waren werden zwei Grundbegriffe verwendet, nämlich der Begriff der „vollständig in einem Land gewonnenen oder hergestellten“ Waren und der Begriff der Waren, die einer „letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung“ unterzogen wurden.

3.1.    Ursprung von Waren auf der Grundlage des Begriffs der in einem einzigen Land vollständig gewonnenen oder hergestellten Waren

Nach Artikel 60 Absatz 1 des UZK gelten „Waren, die in einem einzigen Land oder Gebiet vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, … als Ursprungswaren dieses Landes oder Gebiets“.

Artikel 31 der UZK-DelR enthält eine vollständige Liste der Waren, die als in einem einzigen Land oder Gebiet vollständig gewonnen oder hergestellt gelten. Diese Liste bezieht sich hauptsächlich auf Erzeugnisse, die in ihrem natürlichen Zustand gewonnen werden, sowie Produkte, die aus vollständig gewonnenen oder hergestellten Erzeugnissen hergestellt werden. Daher können diese Waren auch für die Zwecke der IPI-Verordnung als in einem einzigen Land oder Gebiet vollständig gewonnen oder hergestellt gelten.

3.2.    Ursprung der Waren, an denen mehr als ein Land beteiligt ist, und Begriff der „letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung“

Nach Artikel 60 Absatz 2 des UZK gelten „Waren, an deren Herstellung mehr als ein Land oder Gebiet beteiligt ist, … als Ursprungswaren des Landes oder Gebiets, in dem sie der letzten wesentlichen, wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen wurden, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen wurde und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt“.

Der Begriff der „letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung“ bedeutet, dass die letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses führen oder eine wichtige Herstellungsstufe darstellen sollte.

Um in der Praxis beurteilen zu können, wo die letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung stattgefunden hat, müssen die an dem Vergabeverfahren teilnehmenden Wirtschaftsbeteiligten Informationen zu allen verwendeten Materialien einholen. Insbesondere sind die im letzten Herstellungsland verwendeten Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft zu ermitteln. Diese Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft müssen nämlich im letzten Land wesentlich be- oder verarbeitet worden sein, damit das Land der Herstellung des Enderzeugnisses als Ursprung der betreffenden Waren gilt.

Im Wesentlichen sollte eine in einem Land neu hergestellte Ware charakteristische Eigenschaften und Funktionen aufweisen, die sich von denen der bei ihrer Herstellung verwendeten Materialien unterscheiden, damit dieses Herstellungsland als Ursprung gilt.

Das Kriterium der „letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung“ ist auf zwei verschiedene Arten zu prüfen, je nachdem, ob die betreffende Ware in Anhang 22-01 der UZK-DelR aufgeführt ist (siehe Nummer 3.2.1) oder nicht (siehe Nummer 3.2.2) (5).

3.2.1.   Bestimmung des Ursprungs von Erzeugnissen, die in Anhang 22-01 der UZK-DelR aufgeführt sind

Die in Anhang 22-01 (einschließlich der einleitenden Bemerkungen) aufgeführten Regeln gelten nur für Waren, die im genannten Anhang mit einer mindestens vierstelligen HS-Position aufgeführt sind.

Für die im genannten Anhang aufgeführten Waren wird davon ausgegangen, dass sie ihrer letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung, die zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt, in dem Land oder Gebiet unterzogen wurden, in dem die in diesem Anhang aufgeführten Primär- oder Restregeln erfüllt sind oder das durch diese Regeln ermittelt wird. Zu den in Anhang 22-01 der UZK-DelR aufgeführten Waren gehören bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (z. B. Fleisch, Kaffee, gemahlenes Getreide), bestimmte chemische Erzeugnisse, Textilwaren, Bekleidung, Schuhe sowie bestimmte Eisen- und Stahlerzeugnisse, Metallwerkzeuge und Maschinenprodukte einschließlich elektrischer Maschinen. Die Liste ist recht begrenzt und deckt nicht das gesamte Spektrum von Waren ab, die in die Kombinierte Nomenklatur der Union eingereiht sind.

Die für Erzeugnisse nach Anhang 22-01 geltenden Regeln sind in der Tabelle der „Listenregeln“ (6) aufgeführt und hervorgehoben. Kann das letzte Herstellungsland nicht auf der Grundlage der aufgeführten spezifischen Primärregeln bestimmt werden, sollte es mithilfe der zu Beginn jedes Kapitels festgelegten „Restregeln“ bestimmt werden.

3.2.2.   Bestimmung des Ursprungs von Erzeugnissen, die nicht in Anhang 22-01 der UZK-DelR aufgeführt sind

Bei Waren, die nicht in Anhang 22-01 der UZK-DelR aufgeführt sind, wird der Ursprung von Fall zu Fall bestimmt, indem jedes Verfahren oder jede Verarbeitung vor dem Hintergrund des Begriffs der letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung im Sinne des Artikels 60 Absatz 2 der UZK bewertet wird.

Um die Auslegung des Grundsatzes der „letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung“ für nicht in Anhang 22-01 der UZK-DeIR aufgeführte Waren stärker zu harmonisieren, wurden spezifische, nicht rechtsverbindliche Leitlinien für solche Erzeugnisse ausgearbeitet. Die Leitlinien für diese Erzeugnisse sind ebenfalls in der oben genannten Tabelle der „Listenregeln“ aufgeführt (jedoch nicht hervorgehoben).

Ist die Listenregel im letzten Herstellungsland nicht erfüllt, wird das Ursprungsland durch Anwendung der zu Beginn jedes Kapitels festgelegten „Restregeln“ bestimmt.

Die öffentlichen Auftraggeber und die Auftraggeber sowie die Auftragnehmer, einschließlich KMU, sollten die jeweiligen Regeln einhalten und die Leitlinien für den nichtpräferenziellen Ursprung berücksichtigen (siehe die Leitlinien zu den nichtpräferenziellen Ursprungsregeln) (7).

Bei Zweifeln am Ursprung von Waren oder zur Gewährleistung der Rechtssicherheit können Auftragnehmer, insbesondere KMU, die möglicherweise nicht über das erforderliche Fachwissen verfügen, verbindliche Ursprungsauskünfte beantragen. Weitere Informationen: https://trade.ec.europa.eu/access-to-markets/de/content/verbindliche-ursprungsinformationen-0

4.   Verpflichtungen des erfolgreichen Bieters

Artikel 8 der IPI-Verordnung enthält eine Reihe von Verpflichtungen für erfolgreiche Bieter bei öffentlichen Vergabeverfahren, auf die eine IPI-Maßnahme Anwendung findet, sowie im Falle von Verträgen, die auf der Grundlage von Rahmenvereinbarungen vergeben wurden (sogenannten Direktabrufen), die Gegenstand der IPI-Maßnahme waren, und zwar in Bezug auf i) die Vergabe von Unteraufträgen; ii) den Ursprung der in Ausführung des Vertrags verwendeten Waren; iii) die Vorlage geeigneter Nachweise hinsichtlich der Vergabe von Unteraufträgen und des Ursprungs von Waren auf Verlangen und iv) die Zahlung einer anteiligen Strafgebühr bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen in Bezug auf Unteraufträge und Warenursprung.

Öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber müssen in die Vergabeunterlagen von Verfahren, die einer IPI-Maßnahme unterliegen, einen Verweis auf diese Verpflichtungen aufnehmen, damit Wirtschaftsteilnehmer, die sich an entsprechenden Verfahren beteiligen, insbesondere KMU, sich über die geltenden Anforderungen vollständig im Klaren sind, falls sie den Zuschlag erhalten.

4.1.    Pflichten im Zusammenhang mit der Vergabe von Unteraufträgen bei der Ausführung des Vertrags

„Unterauftragsvergabe“ bezeichnet die Ausführung eines Teils eines Vertrags durch einen Dritten und umfasst nicht die bloße Lieferung von Waren oder Teilen, die für die Erbringung einer Dienstleistung erforderlich sind.

Wirtschaftsteilnehmer, die den Zuschlag für einen Auftrag zur Erbringung von Dienstleistungen (einschließlich Bauaufträgen) erhalten haben, dürfen nicht mehr als 50 % des gesamten Auftragswerts als Unteraufträge an Wirtschaftsteilnehmer mit Herkunft aus einem einer IPI-Maßnahme unterliegenden Drittland vergeben.

Bei Bauaufträgen stellt die bloße Verwendung von Materialien, Waren und Komponenten, die im Rahmen eines Bauauftrags in dauerhafte Bauten eingebaut werden oder Teil davon sind, keine Unterauftragsvergabe dar und sollte daher nicht in die Berechnung der Schwelle von 50 % einbezogen werden. Betrifft der vergebene Auftrag beispielsweise den Bau einer Brücke, sollten die Kosten der verwendeten Materialien (wie Stahl, Beton, Stein, Asphalt usw.) nicht in die Berechnung des Auftragswerts für die Zwecke der 50 %-Schwelle einbezogen werden.

Darüber hinaus sollten Waren, die der Auftragnehmer zur Verwendung während der Ausführung des Vertrags erwirbt (z. B. Maschinen, die von einem Lieferauftragnehmer für die Erprobung und Installation der gelieferten Waren verwendet werden, Ausrüstung, die von einem Bauauftragnehmer für den Bau einer Straße verwendet wird, Computer, die von einem Dienstleistungsauftragnehmer für die Erstellung einer Studie genutzt werden) nicht in die Berechnung des Auftragswerts für die Zwecke der 50 %-Schwelle einbezogen werden.

4.2.    Verpflichtungen hinsichtlich des Ursprungs der in Ausführung des Vertrags verwendeten Waren

Bei Verträgen, deren Gegenstand die Lieferung von Waren umfasst, müssen die Wirtschaftsteilnehmer, die den Zuschlag erhalten haben, sicherstellen, dass die in Ausführung des Vertrags gelieferten Waren oder erbrachten Dienstleistungen, die aus einem Drittland stammen, für das eine IPI-Maßnahme gilt, nicht mehr als 50 % des Gesamtwerts des Vertrags ausmachen.

Mehr als 50 % der für die Ausführung von Warenlieferverträgen verwendeten Waren müssen daher aus der Union oder einem Drittland stammen, für das die IPI-Maßnahme nicht gilt.

Der Schwellenwert gilt für alle Waren, die im Rahmen eines Lieferauftrags zu liefern sind. „Waren“ bezeichnet gemäß der Definition die im Gegenstand eines öffentlichen Vergabeverfahrens und in den Spezifikationen des entsprechenden Vertrags genannten Waren, jedoch nicht die in den gelieferten Waren enthaltenen Vorleistungen, Materialien oder Bestandteile. Daher gilt der Schwellenwert nicht für Materialien, Waren und Bestandteile, die in die beschafften Waren eingehen oder Teil davon sind. Betrifft beispielsweise die Beschaffung die Lieferung elektronischer Geräte, werden Halbleiter, die bei der Herstellung solcher Geräte verwendet werden, nicht auf den Schwellenwert von 50 % angerechnet, aber mehr als 50 % der elektronischen Geräte müssen ihren Ursprung in einem Land haben, das der IPI-Maßnahme nicht unterliegt.

Die Informationen über den Ursprung der verwendeten Güter können vom öffentlichen Auftraggeber oder vom Auftraggeber jederzeit während der Ausführung eines Auftrags angefordert werden.

Auf Verlangen muss der erfolgreiche Bieter, der den Zuschlag erhält, ausdrücklich versichern, dass die in Ausführung des Vertrags gelieferten Waren die Anforderungen im Zusammenhang mit dem Schwellenwert hinsichtlich des Ursprungs erfüllen. Zu diesem Zweck sollte der Auftragnehmer dem öffentlichen Auftraggeber eine Erklärung vorlegen, die folgendermaßen lauten kann: „Hiermit bestätige ich, dass nicht mehr als 50 % der in Ausführung des Vertrags XXX gelieferten Waren ihren Ursprung in dem Land [X] haben, das der IPI-Maßnahme [XYZ] vom [Datum: xx.yy.zz] unterliegt.“

Die Kommission empfiehlt, dass öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber im Rahmen der Risikobewertungs- und Kontrollverfahren zur Umsetzung des Artikels 8 der IPI-Verordnung den erfolgreichen Bieter auffordern, in einer freiwilligen Erklärung den prozentualen Anteil der Waren oder Dienstleistungen aus IPI-Maßnahmen unterliegenden Ländern am Gesamtwert des Auftrags anzugeben.

Diese freiwillige Erklärung sollte grundsätzlich vor der Abschlusszahlung des Vertrags abgegeben werden und kann sich auf die bestehenden Systeme zur Kontrolle der Lieferkette und Rückverfolgbarkeit stützen, die das Unternehmen im Rahmen seiner normalen Geschäftstätigkeit eingerichtet hat. Werden solche Erklärungen vorgelegt, kann von einem niedrigeren Umgehungsrisiko als bei Fehlen solcher Angaben ausgegangen werden.

4.3.    Verpflichtungen in Bezug auf die Vorlage geeigneter Nachweise auf Verlangen

Der Auftragnehmer ist verpflichtet, auf Verlangen des öffentlichen Auftraggebers oder des Auftraggebers geeignete Nachweise für die Einhaltung des Schwellenwerts in Bezug auf den Ursprung der Waren vorzulegen. In diesem Zusammenhang reicht es aus nachzuweisen, dass mehr als 50 % des Gesamtwerts des Auftrags ihren Ursprung in der Union oder in Drittländern haben, die der IPI-Maßnahme nicht unterliegen.

In der Praxis können bei einem Vertrag über die Lieferung von Waren zwei Situationen eintreten:

a)

Der Auftragnehmer kann die zur Ausführung des Vertrags verwendeten Enderzeugnisse in der Union (oder einem Drittland) oder in einem Land, das der IPI-Maßnahme unterliegt, erwerben, oder

b)

der Auftragnehmer kann die Waren unter Verwendung von Komponenten oder Bestandteilen mit Ursprung in der Union (oder einem Drittland) oder einem Land, das der IPI-Maßnahme unterliegt, herstellen lassen.

Die vorstehend erläuterten nichtpräferenziellen Ursprungsregeln gelten in beiden Fällen gleichermaßen.

Im ersten Fall darf der Anteil der eingeführten Enderzeugnisse 50 % des Auftragswerts nicht übersteigen, wenn sie aus einem Land stammen, für das eine IPI-Maßnahme gilt. Dies bedeutet, dass über 50 % der auf der Grundlage des Vertrags gelieferten Waren ihren Ursprung in der Union oder in Drittländern (die der IPI-Maßnahme nicht unterliegen) haben sollten. Der Auftragnehmer kann die Einhaltung dieses Schwellenwerts durch Vorlage entsprechender Rechnungen und/oder begleitender Erklärungen externer Lieferanten nachweisen. Wurde auf den Rechnungen eine Fremdwährung verwendet, wird ihr Wert auf der Grundlage des zum Zeitpunkt des Erwerbs geltenden Wechselkurses in EUR umgerechnet.

Im zweiten Fall muss der Auftragnehmer nachweisen, dass die Mehrheit (mehr als 50 %) der auf der Grundlage des Vertrags hergestellten und gelieferten Waren die Eigenschaft des Ursprungs in der Union oder in einem (der IPI Maßnahme nicht unterliegenden) Drittland erworben hat. Auch wenn Bestandteile mit Ursprung in einem Land, das der IPI-Maßnahme unterliegt, verwendet werden können, müssen sie im Herstellungsprozess einer wesentlichen Be- oder Verarbeitung unterzogen worden sein, sodass das Enderzeugnis entsprechend den oben erläuterten nichtpräferenziellen Ursprungsregeln die Eigenschaft des Ursprungs in der Union oder einem (der IPI-Maßnahme nicht unterliegenden) Drittland erhält.

Der Auftragnehmer sollte alle Informationen, Bescheinigungen, Belege oder Erklärungen vorlegen, die die Einhaltung des Schwellenwerts in Bezug auf den Ursprung beweisen. Ein solcher Nachweis besteht aus Dokumenten, aus denen hervorgeht, dass mehr als 50 % der Waren ihren Ursprung in der Union oder in einem Drittland haben, das keiner IPI-Maßnahme unterliegt. Er kann auch eine Beschreibung der Herstellungsverfahren, einschließlich Mustern, Beschreibungen oder Fotografien, umfassen, die die Feststellung des Ursprungs der gelieferten Waren ermöglicht. Der Nachweis kann ebenfalls in einer Erklärung oder einem Nachweis anderer Art von einem Warenlieferanten in der Union bestehen, wenn der Auftragnehmer die Waren auf dem Unionsmarkt erworben hat.

Relevante Dokumente könnten auch Erklärungen oder Ursprungszeugnisse sein. Entsprechende Dokumente könnten von der zuständigen Stelle des angegebenen Ursprungslandes der Waren (z. B. der Handelskammer) ausgestellt werden. Solche Erklärungen oder Ursprungszeugnisse enthalten jedoch keine Angaben über die Richtigkeit des angemeldeten Ursprungs, da in Drittländern unterschiedliche Regeln für die Bestimmung des Ursprungs von Waren gelten könnten. Sie liefern lediglich einen Hinweis auf den Ort der Herstellung oder die Herkunft der Waren. Daher sind Ursprungserklärungen oder -zeugnisse nicht als rechtliche Nachweise zu betrachten, sondern als nützliches Element für die Feststellung des Ursprungs, das im Zweifel weitere Kontrollen erleichtern kann.

4.4.    Verpflichtungen in Bezug auf die Zahlung einer anteiligen Strafgebühr

Stellt der öffentliche Auftraggeber oder der Auftraggeber fest, dass der Auftragnehmer seinen Verpflichtungen nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstaben a und b nicht nachgekommen ist, oder hat er begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit der vom Auftragnehmer gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe c vorgelegten Nachweise, kann er eine anteilige Strafgebühr zwischen 10 % und 30 % des Auftragswerts (gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe d) erheben. Die tatsächliche Höhe dieser Strafgebühr muss von Fall zu Fall ermittelt werden und kann auf einem Teil der Waren und Dienstleistungen, bei denen begründete Zweifel bestehen, beruhen, muss aber nicht darauf beschränkt sein.

5.   Wie und wann sollten öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber eine IPI-Maßnahme anwenden?

Nach Artikel 6 Absatz 4 der IPI-Verordnung gilt die IPI-Maßnahme nur für öffentliche Vergabeverfahren mit einem geschätzten Wert über einem Schwellenwert, der von der Kommission unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Untersuchung und der Konsultationen sowie der in Absatz 3 festgelegten Kriterien (8) festgelegt wird. Dieser geschätzte Wert sollte bei Bauleistungen und Konzessionen mindestens 15 000 000 EUR ohne Mehrwertsteuer und bei Waren und Dienstleistungen mindestens 5 000 000 EUR ohne Mehrwertsteuer betragen.

Für die Anwendung der in der genannten Verordnung festgelegten Schwellenwerte sollte der maßgebliche geschätzte Vertrags- oder Auftragswert nach Artikel 8 der Richtlinie 2014/23/EU, Artikel 5 der Richtlinie 2014/24/EU bzw. Artikel 16 der Richtlinie 2014/25/EU berechnet werden.

Eine IPI-Maßnahme gilt nur für betroffene öffentliche Vergabeverfahren, die zwischen dem Inkrafttreten der IPI-Maßnahme und ihrem Auslaufen, ihrer Zurücknahme oder ihrer Aussetzung eingeleitet werden.

Bei Rahmenverträgen werden IPI-Maßnahmen nur einmal beim Abschluss der Rahmenvereinbarung angewandt. IPI-Maßnahmen gelten nicht für Verträge, die auf einer Rahmenvereinbarung beruhen (in der Phase der sogenannten Abrufe).

Nach Artikel 13 Absatz 2 der IPI-Verordnung haben die öffentlichen Auftraggeber und die Auftraggeber der Kommission im Rahmen der Informationen über die Auftragsvergabe über die Anwendung von IPI-Maßnahmen im Rahmen von Tender Electronic Daily zu berichten. Dieser Bericht enthält für jedes einschlägige Verfahren Informationen über die Anwendung der IPI-Maßnahmen, die Zahl der Angebote aus Drittländern, die der betreffenden IPI-Maßnahme unterliegen, die Zahl der Angebote, bei denen der Ausschluss des Angebots oder eine Bewertungsanpassung vorgenommen wurde, und die Anwendung spezifischer Ausnahmen von der IPI-Maßnahme.

In TED wird es spezifische Felder geben, die die öffentlichen Auftraggeber ausfüllen müssen.

Eine IPI-Maßnahme in Form einer Bewertungsanpassung sollte in der Phase der Bewertung der Zuschlagskriterien angewendet werden (genauer gesagt bei der Berechnung der Endpunktzahl).

Eine IPI-Maßnahme in Form eines Ausschlusses sollte in der Phase der Bewertung der Auswahlkriterien angewendet werden.


(1)  Verordnung (EU) 2022/1031 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juni 2022 über den Zugang von Wirtschaftsteilnehmern, Waren und Dienstleistungen aus Drittländern zum Unionsmarkt für öffentliche Aufträge und Konzessionen und über die Verfahren zur Unterstützung von Verhandlungen über den Zugang von Wirtschaftsteilnehmern, Waren und Dienstleistungen aus der Union zu den Märkten für öffentliche Aufträge und Konzessionen von Drittländern (Instrument betreffend das internationale Beschaffungswesen – IPI). ABl. L 173 vom 30.6.2022, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1).

(3)  Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (ABl. L 343 vom 29.12.2015, S. 1).

(4)  https://trade.ec.europa.eu/access-to-markets/de/content/harmonisiertes-system-0

(5)  Siehe auch die Leitlinien zu den nichtpräferenziellen Ursprungsregeln: https://taxation-customs.ec.europa.eu/system/files/2022-03/Guidance%20on%20non-preferential%20rules%20of%20origin.pdf.

(6)  https://taxation-customs.ec.europa.eu/table-list-rules-conferring-non-preferential-origin-products-following-classification-cn_de

(7)  https://taxation-customs.ec.europa.eu/system/files/2022-03/Guidance%20on%20non-preferential%20rules%20of%20origin.pdf.

(8)  Insbesondere: a) Verhältnismäßigkeit der IPI-Maßnahme gegenüber der Maßnahme oder Praxis des Drittlands und b) Verfügbarkeit alternativer Bezugsquellen für die betreffenden Waren und Dienstleistungen, um erhebliche negative Auswirkungen auf die öffentlichen Auftraggeber und die Auftraggeber zu vermeiden oder auf ein Mindestmaß zu reduzieren.