Brüssel, den 11.5.2022

SWD(2022) 146 final

ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN

BERICHT ÜBER DIE FOLGENABSCHÄTZUNG (ZUSAMMENFASSUNG)

[…]

Begleitunterlage zum

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates

zur Festlegung von Vorschriften für einen Freibetrag zur Reduzierung der steuerlichen Begünstigung von Fremd- gegenüber Eigenkapitalfinanzierungen und für die Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Zinsen für Körperschaftsteuerzwecke

{COM(2022) 216 final} - {SEC(2022) 204 final} - {SWD(2022) 144 final} - {SWD(2022) 145 final}


Zusammenfassung

Folgenabschätzung für eine Initiative gegen Verschuldungsanreize – „DEBRA“

A. Handlungsbedarf

Worin besteht das Problem und warum muss ihm auf EU-Ebene begegnet werden?

Steuersysteme in der EU ermöglichen den Abzug von Schuldzinszahlungen bei der Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage für Körperschaftsteuerzwecke, während mit Eigenkapitalfinanzierung verbundene Kosten wie etwa Dividenden größtenteils nicht steuerabzugsfähig sind. Dieses Ungleichgewicht begünstigt Fremd- gegenüber Eigenkapital zur Finanzierung von Investitionen und trägt – neben anderen Faktoren wie der Tatsache, dass bestehende Kapitaleigener Fremdfinanzierungen bevorzugen, um eine Verwässerung ihrer Kontroll-/Stimmrechte zu vermeiden, dass Eigenkapitalfinanzierungen nur begrenzt zugänglich sind oder dass Fremdfinanzierung kostengünstiger als Eigenkapitalfinanzierung ist – bei nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften zu einer übermäßigen Schuldenanhäufung bei. Übermäßige Schuldenstände machen Unternehmen anfällig für unvorhersehbare Änderungen im Unternehmensumfeld und erhöhen insbesondere in Krisenzeiten ihr Insolvenzrisiko.

Außerdem sind heute Anreize für Eigenkapitalinvestitionen notwendiger als je zuvor, um den Anforderungen des grünen und des digitalen Wandels gerecht zu werden. Die Verknappung und Verteuerung von Eigenkapital betrifft alle Unternehmen, insbesondere aber die jungen und innovativen Unternehmen, die aufgrund ihres Risikoprofils oft begrenzten Zugang zu externer Schuldenfinanzierung haben und von Eigenkapitalinvestitionen abhängig sind.

Sechs Mitgliedstaaten sind Vorreiter bei der Einführung einer Art von Steuerfreibetrag auf Eigenkapital, um Verschuldungsanreize zu reduzieren. Allerdings können diese nationalen Maßnahmen zu Verzerrungen und einer Fehlallokation von Investitionen im Binnenmarkt führen, wenn Unternehmen ihre Entscheidung darauf basieren, ob es einen Freibetrag auf Eigenkapital gibt oder nicht. Werden diese Maßnahmen lediglich auf nationaler Ebene, ohne einen harmonisierten Rahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidung auf EU-Ebene, angewandt, können auch Schlupflöcher entstehen, die für die Zwecke aggressiver Steuerplanung ausgenutzt werden können und den schädlichen Steuerwettbewerb zwischen Mitgliedstaaten erhöhen.

Was soll erreicht werden?

Das allgemeine Ziel der Initiative besteht darin, in der gesamten EU einheitlich gegen Verschuldungsanreize vorzugehen und dadurch zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen.

Mit der Initiative sollen insbesondere die folgenden drei Ziele erreicht werden:

1.Anreize für Eigenkapitalinvestitionen zu geben, die die Wirtschaft der EU stabiler und widerstandsfähiger machen,

2.den Zugang von KMU sowie von jungen und innovativen Unternehmen zu Eigenkapitalinvestitionen zu vereinfachen, um den digitalen und den grünen Wandel zu fördern, und

3.einen gemeinsamen und starken Rahmen von Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung einzuführen, um zu verhindern, dass der Steuerfreibetrag zu Zwecken aggressiver Steuerplanung missbraucht wird.

Worin besteht der Mehrwert des Tätigwerdens auf EU-Ebene (Subsidiarität)?

Das Problem ist in allen Mitgliedstaaten der EU das gleiche, weil alle Mitgliedstaaten der EU bei ihrer steuerlichen Behandlung die Fremdfinanzierung gegenüber der Eigenkapitalfinanzierung bevorzugen. Darüber hinaus kann ein von sechs Mitgliedstaaten getragenes Flickwerk aus Maßnahmen gegen Verschuldungsanreize unerwünschte Auswirkungen haben, zu Fehlallokationen von Investitionen führen und Schlupflöcher lassen, die für schädliche Steuerpraktiken ausgenutzt werden können.

Innerhalb der Union könnten nationale Ansätze den Binnenmarkt verzerren und einige Mitgliedstaaten anfällig für Steuerarbitrage machen. Nur ein gemeinsamer EU-Rahmen kann das System einfacher und effizienter für Unternehmen machen und gleichzeitig einem Missbrauch zu Zwecken der Steuervermeidung vorbeugen.

B. Lösungen

Worin bestehen die Optionen zur Verwirklichung der Ziele? Wird eine dieser Optionen bevorzugt? Falls nicht, warum nicht?

Die Ausgangslage (Option 0) stellt den Status quo dar: Die Unterschiede in der steuerlichen Behandlung von Eigen- und Fremdkapital bestehen fort und führen zu einem anhaltenden Verschuldungsanreiz. Von sechs Mitgliedstaaten umgesetzte nationale Maßnahmen können Investitionsentscheidungen im Binnenmarkt verzerren. Es gibt keinen gemeinsamen EU-Rahmen gegen die Verschuldungsanreize, was bedeutet, dass das Problem fortbesteht. Daher wurden verschiedene politische Optionen in Erwägung gezogen.

Option 1 würde die Einführung eines Steuerfreibetrags auf den Eigenkapitalbestand von Unternehmen 1 vorsehen. Gewinne und Verluste wären ausgenommen, um sicherzustellen, dass der Freibetrag nur für langfristig verfügbares Eigenkapital gewährt wird. Die Dauer des Freibetrags ist unbegrenzt.

Option 2 würde die Einführung eines progressiven Steuerfreibetrags für Eigenkapital von Unternehmen (gleiche Definition des Begriffs „Eigenkapital von Unternehmen“ wie in Option 1) vorsehen, der in diesem Fall aber basierend auf der Differenz zwischen der Höhe des Nettoeigenkapitals am Ende des Steuerjahres und der Höhe des Nettoeigenkapitals am Ende des vorangegangenen Steuerjahres gewährt wird. Dieser Freibetrag würde für zehn Jahre gewährt, um die durchschnittliche Laufzeit von Schulden nachzubilden.

Option 3 würde eine identische Steuerabzugsfähigkeit von fiktiven Zinsen für Fremd- und Eigenkapital vorsehen, d. h. heißt einen Steuerfreibetrag auf Gesellschaftskapital (d. h. Eigenkapital im Sinne der Optionen 1/2 und Fremdkapital) bei gleichzeitiger Abschaffung der derzeitigen Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen. Mit dieser Option wird der Verschuldungsanreiz optimal beseitigt, sie hat jedoch fiskalische Auswirkungen, die von der Höhe des gewählten fiktiven Zinssatzes abhängig sind. Da der Freibetrag auf dem Gesamtbestand an Kapital beruht, ist die Dauer des Freibetrags wie in Option 1 unbegrenzt.

Mit Option 4 würde die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen vollständig abgeschafft. Damit wird die steuerliche Behandlung von Eigen- und Fremdkapitalkosten vollständig angeglichen, indem beide nicht abzugsfähig gemacht werden. Ebenso wie Option 3 beseitigt auch diese Option in Gänze den Verschuldungsanreiz, allerdings auf Kosten des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigung. Außerdem würde sie Mitgliedstaaten zwingen, ihre Doppelbesteuerungsabkommen neu auszuhandeln, und neue Schlupflöcher für Steuergestaltungsmöglichkeiten öffnen. Sie könnte ferner negative Auswirkungen auf die unternehmerische Wettbewerbsfähigkeit des EU-Binnenmarkts gegenüber anderen Steuergebieten haben, in denen es diese Abzugsfähigkeit gibt.

Option 5 würde einen progressiven Steuerfreibetrag für Eigenkapital von Unternehmen (wie unter Option 2 vorgeschlagen) mit einer teilweisen Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit verbinden, welche durch eine Verringerung der Zinsabzugsfähigkeit um einen bestimmten Anteil für alle Unternehmen erreicht werden könnte. Es wird vorgeschlagen, die Abzugsfähigkeit auf 85 % der überschüssigen Fremdkapitalkosten (gezahlte Zinsen abzüglich erhaltener Zinsen) zu beschränken. Ebenso wie bei Option 2 würde der Freibetrag für zehn Jahre gewährt.

Option 5 ist die bevorzugte Option. Sie löst erfolgreich das Problem des Verschuldungsanreizes und gleicht außerdem die Auswirkungen auf die Haushalte aus und trägt den Fairness-Aspekten des Steuersystems Rechnung. Sie wird voraussichtlich positive Auswirkungen auf Investitionen und BIP sowie geringfügige Auswirkungen auf die Beschäftigung nach sich ziehen.

Welchen Standpunkt vertreten die verschiedenen Interessenträger? Wer unterstützt welche Option?

Die meisten Wirtschaftsverbände und Unternehmen (die die Mehrheit der Befragten ausmachen) würden eine EU-weite Maßnahme länderspezifischen Maßnahmen vorziehen. Sie sind der Ansicht, dass ein Freibetrag für Eigenkapital die wirtschaftliche Erholung von der COVID-19-Krise fördern und Unternehmen bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten im Binnenmarkt helfen würde. Ein Freibetrag für Eigenkapital (Optionen 1, 2 und 5) wird gegenüber einer Nichtanerkennung von Zinsabzügen (Option 4) oder einer identischen Steuerabzugsfähigkeit von fiktiven Zinsen für Fremdkapital ebenso wie für Eigenkapital (Option 3) deutlich bevorzugt.

Einige Wirtschaftsverbände unterstützen eine Sondermaßnahme für KMU, weil der Zugang zu Eigenkapital und Fremdfinanzierungen für diese Unternehmen schwieriger ist, und diese Teilnehmer der öffentlichen Konsultation betonen, wie wichtig die Gestaltung wirksamer Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung ist. Einige Wirtschaftsverbände sind gegen jedwede Änderung bei der Abzugsfähigkeit von Fremdkapital. Schließlich schlägt ein Finanzinstitut vor, den Freibetrag auf neues Eigenkapital zu bevorzugen (Option 2 und 5), weil dies die einzige Maßnahme sei, die Neuinvestitionen in Eigenkapital wirksam fördern würde.

Eine NRO stimmt zu, dass Verschuldungsanreize ein Problem sind, warnt aber vor fiskalischen Auswirkungen. Einigen Bürgerinnen und Bürgern zufolge sind die derzeit niedrigen Kredit- und Darlehenssätze kein Hinweis darauf, dass in diesen Markt eingegriffen werden muss, indem die Verschuldung von Unternehmern verringert wird. Ein Wissenschaftler erachtet eine EU-Maßnahme zugunsten eines Freibetrags für Eigenkapital als problematisch, da damit nicht der Wechselwirkung zwischen der Einkommensbesteuerung von Unternehmen und Einzelpersonen Rechnung getragen werde.

C. Auswirkungen der bevorzugten Option

Worin bestehen die Vorteile der bevorzugten Option bzw. der wichtigsten Optionen?

Option 5 sieht eine Verringerung des Verschuldungsanreizes vor und beugt gleichzeitig negativen Auswirkungen auf die Haushalte der Mitgliedstaaten vor. Eine Begrenzung der Dauer des Freibetrags auf zehn Jahre verhindert, dass sich die Maßnahme mit der Zeit in einen bestandsbasierten Freibetrag verwandelt, und begrenzt die Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen im Vergleich zu Option 1 somit noch stärker. Außerdem wird diese Option weniger kostspielig als Option 2 sein, da sie den Freibetrag mit einer Verringerung der steuerlichen Abzugsfähigkeit schuldenbezogener Zinszahlungen verbindet.

Diese Option wird, wie die anderen auch, einen gemeinsamen und starken Rahmen von Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung vorsehen, um aggressive Steuerplanungspraktiken auf EU-Ebene zu verhindern. Sie wird gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und die Finanzstabilität europäischer Privatunternehmen stärken, während sie gleichzeitig den Zugang junger und innovativer Unternehmen zum Finanzmarkt erleichtern wird.

Welche Kosten entstehen bei Umsetzung der bevorzugten Option bzw. der wichtigsten Optionen?

Die Verwaltungskosten für Unternehmen sind geringfügig oder sehr niedrig. Der Verwaltungsaufwand von Unternehmen, die grenzüberschreitende Tätigkeiten ausüben, würde aufgrund der Harmonisierung von Freibeträgen für Eigenkapital in den Mitgliedstaaten gesenkt. Die Befolgungskosten für grenzüberschreitend tätige Unternehmen werden voraussichtlich sinken.

Kosten für Steuerverwaltungen würden auf einige zusätzliche Kontrollen bei der Prüfung von Steuerpflichtigen begrenzt.

Worin bestehen die Auswirkungen auf KMU und die Wettbewerbsfähigkeit?

Mit der Initiative sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen in der gesamten EU erreicht werden. Derzeit können KMU nur von einem Freibetrag für Eigenkapital profitieren, wenn sie in einem der sechs Mitgliedstaaten, die über einen nationalen Freibetrag verfügen, steuerlich ansässig sind, während multinationale Unternehmen (MNU) ein Tochterunternehmen in einem dieser Mitgliedstaaten nutzen können, um den Freibetrag in Anspruch zu nehmen. Mit DEBRA wird ein Freibetrag für Eigenkapital allen Unternehmen einschließlich KMU in allen 27 Mitgliedstaaten der EU zur Verfügung stehen und ihnen somit erhebliche Vorteile bringen.

Mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit würde die Initiative die Eigenkapitalkosten senken und Eigenkapital für KMU sowie für junge und innovative Unternehmen zugänglicher machen, wodurch Investitionen gefördert und die Stabilität des europäischen Finanzmarktes erhöht würden, was wiederum die Unternehmen im europäischen Finanzmarkt stabiler und widerstandsfähiger gegenüber Finanzkrisen machen würde.

Wird es spürbare Auswirkungen auf nationale Haushalte und Behörden geben?

Die Folgenabschätzung zeigt, dass die Auswirkungen auf die nationalen Haushalte sehr begrenzt wären.

Auf die Kontrollkosten für Steuerverwaltungen, die bereits über einen nationalen Freibetrag für Eigenkapital verfügen, sind keine Auswirkungen zu erwarten. Für Steuerverwaltungen der anderen Mitgliedstaaten müssen zusätzliche Elemente überprüft werden, in Bezug auf den Arbeitsaufwand werden jedoch keine spürbaren Auswirkungen erwartet.

Wird es andere nennenswerte Auswirkungen geben?

Nein

Verhältnismäßigkeit

Die Maßnahme würde nicht über das zur Unterbindung des Verschuldungsanreizes erforderliche Maß hinausgehen. Unter Berücksichtigung der Beschränkung des Zinsabzugs wird sie etwaige Kosten für nationale Haushalte stark senken oder sogar unterbinden und das Ziel mit begrenzten fiskalischen Auswirkungen erreichen.

D. Folgemaßnahmen

Wann wird die Maßnahme überprüft?

Die Kommission wird die Umsetzung und Durchsetzung der Initiative in den verschiedenen Mitgliedstaaten regelmäßig bewerten. Diese Bewertung wird hauptsächlich auf der Grundlage von Daten aus den Mitgliedstaaten erfolgen.

Fünf Jahre nach Beginn der Umsetzung des Instruments wird die Kommission die Ergebnisse der Politik im Hinblick auf ihre Ziele und die Gesamtauswirkungen auf die Bekämpfung von Verschuldungsanreizen bewerten. Außerdem werden die wirksame Anwendung des Rahmens zur Bekämpfung von Steuermissbrauch sowie die Gesamtauswirkungen auf Steuereinnahmen, Unternehmen und Binnenmarkt bewertet.

(1)

Unter die Definition von Eigenkapital im Sinne dieser Initiative fallen gezeichnetes Kapital, Agiorücklagen, Neubewertungsrücklage und Rücklagen.