30.12.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 528/10


MITTEILUNG DER KOMMISSION

Kriterien für die Würdigung der Vereinbarkeit von staatlichen Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse mit dem Binnenmarkt

(2021/C 528/02)

1.   EINLEITUNG

1.

Diese Mitteilung enthält Erläuterungen zur Würdigung der staatlichen Finanzierung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse („Important Projects of Common European Interest“, im Folgenden „IPCEI“) nach den Beihilfevorschriften der Union.

2.

IPCEI können einen sehr wichtigen Beitrag zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz von Industrie und Wirtschaft in der Union leisten und deren offene strategische Autonomie stärken, indem sie bahnbrechende Innovationen und Infrastrukturvorhaben im Rahmen einer grenzübergreifenden Zusammenarbeit ermöglichen, die positive Spill-over-Effekte auf den Binnenmarkt und die ganze Gesellschaft haben.

3.

Im Rahmen von IPCEI können Wissen, Know-how, finanzielle Mittel und Wirtschaftsbeteiligte aus der gesamten Union zusammengeführt werden, um ein schwerwiegendes Markt- oder Systemversagen zu beheben oder gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen, die nicht auf anderem Wege gelöst werden können. Sie sind so ausgestaltet, dass der öffentliche und der private Sektor gemeinsam großangelegte Vorhaben durchführen, die für die Union und ihre Bürger von erheblichem Nutzen sind.

4.

IPCEI können zu allen auf gemeinsame europäische Ziele ausgerichteten Strategien und Maßnahmen einen Beitrag leisten, insbesondere zum europäischen Grünen Deal (1), zur Digitalstrategie (2) und zur digitalen Dekade (3), zur neuen Industriestrategie für Europa (4) und deren Aktualisierung (5), zur europäischen Datenstrategie (6) und zu „Next Generation EU“ (7). Zudem können IPCEI nach beträchtlichen Störungen des Wirtschaftslebens, wie sie durch die COVID-19-Pandemie ausgelöst wurden, zu einer nachhaltigen Erholung beitragen und die Bemühungen zur Stärkung der sozialen und wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit der Union unterstützen.

5.

Unter Berücksichtigung der aktualisierten neuen Industriestrategie und der Strategie für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) (8) ist es von besonderer Bedeutung, dass KMU und Start-ups an IPCEI teilnehmen und von ihnen profitieren können. Die Kommission berücksichtigt bei der beihilferechtlichen Würdigung alle Umstände, die darauf hindeuten, dass eine übermäßige Verfälschung des Wettbewerbs durch die angemeldete Beihilfe weniger wahrscheinlich ist. Dies könnte beispielsweise aufgrund der Höhe der Beihilfe der Fall sein.

6.

IPCEI erfordern häufig eine erhebliche Beteiligung der öffentlichen Hand, wenn der Markt derartige Vorhaben nicht finanzieren würde. In dieser Mitteilung sind die Vorschriften dargelegt, die einzuhalten sind, wenn die staatliche Finanzierung derartiger Vorhaben eine staatliche Beihilfe darstellt, damit eine solche Beihilfe als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden kann. Insbesondere soll gewährleistet werden, dass solche Beihilfen keine übermäßigen negativen Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben und ihre Auswirkungen auf Handel und Wettbewerb auf das erforderliche Minimum begrenzt sind.

7.

Nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden. Dementsprechend werden in dieser Mitteilung die Kriterien dargelegt, die die Kommission bei der Würdigung staatlicher Beihilfen zur Förderung von IPCEI zugrunde legt. Zunächst wird der Anwendungsbereich umrissen. Anschließend werden die Kriterien dargelegt, die die Kommission bei der Würdigung der Art und der Bedeutung von IPCEI zwecks Anwendung von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV zugrunde legt. Dann wird erläutert, wie die Kommission die Vereinbarkeit staatlicher Finanzierungen von IPCEI mit den Vorschriften über staatliche Beihilfen prüft.

8.

Diese Mitteilung schließt nicht die Möglichkeit aus, Beihilfen zur Förderung der Durchführung von IPCEI auch auf der Grundlage anderer Bestimmungen des AEUV, insbesondere des Artikels 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV, als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen. Allerdings spiegeln diese AEUV-Bestimmungen unter Umständen die Relevanz, Besonderheiten und Merkmale von IPCEI nicht vollumfänglich wider. Dafür können spezifische Vorschriften über die Beihilfefähigkeit, die Vereinbarkeit und die Verfahren gemäß dieser Mitteilung erforderlich sein.

2.   ANWENDUNGSBEREICH

9.

Die Kommission wendet die in dieser Mitteilung dargelegten Grundsätze auf IPCEI in allen Wirtschaftszweigen an.

10.

Diese Grundsätze gelten jedoch nicht für:

a)

Maßnahmen, die Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien (9) oder etwaiger Folgeleitlinien umfassen, mit Ausnahme von Unternehmen, die sich am 31. Dezember 2019 nicht in Schwierigkeiten befanden, aber im Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum Ende der Anwendung des Befristeten Rahmens (10) zu Unternehmen in Schwierigkeiten wurden,

b)

Maßnahmen, die Beihilfen für Unternehmen umfassen, die einer Rückforderungsanordnung aufgrund eines früheren Beschlusses der Kommission zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt nicht nachgekommen sind,

c)

Beihilfemaßnahmen, die als solche, aufgrund der mit ihnen verknüpften Bedingungen oder aufgrund ihrer Finanzierungsmethode zwangsläufig einen Verstoß gegen Unionsrecht (11) darstellen, insbesondere:

i)

Beihilfemaßnahmen, bei denen die Gewährung der Beihilfe davon abhängig ist, dass der Beihilfeempfänger seinen Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat hat oder überwiegend in diesem Mitgliedstaat niedergelassen ist,

ii)

Beihilfemaßnahmen, bei denen die Gewährung der Beihilfe davon abhängig ist, dass der Beihilfeempfänger einheimische Waren verwendet oder einheimische Dienstleistungen in Anspruch nimmt,

iii)

Beihilfemaßnahmen, mit denen die Möglichkeit eingeschränkt wird, dass die Beihilfeempfänger die Ergebnisse von Forschung, Entwicklung und Innovation in anderen Mitgliedstaaten nutzen.

3.   BEIHILFEFÄHIGKEITSKRITERIEN

11.

Um festzustellen, ob ein Vorhaben unter Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV fällt, legt die Kommission die in den Abschnitten 3.1, 3.2 und 3.3 dargelegten Kriterien zugrunde.

3.1.   Definition eines Vorhabens

12.

Der Beihilfevorschlag muss ein Einzelvorhaben betreffen, dessen Ziele und Durchführungsbedingungen, einschließlich der Teilnehmer und der Finanzierung, klar festgelegt sind. (12)

13.

Die Kommission kann ferner ein „integriertes Vorhaben“ als beihilfefähig ansehen. Hierbei handelt es sich um eine Gruppe einzelner Vorhaben, die Teil einer gemeinsamen Struktur, eines „Fahrplans“ oder eines Programms sind, dasselbe Ziel verfolgen und sich auf einen kohärenten systemischen Ansatz gründen. Die einzelnen Bestandteile des integrierten Vorhaben können sich auf verschiedene Stufen der Wertschöpfungskette beziehen, müssen aber einander ergänzen und mit ihrem Beitrag zu dem europäischen Ziel einen erheblichen Mehrwert bieten. (13)

3.2.   Gemeinsames europäisches Interesse

3.2.1.   Allgemeine kumulative Kriterien

14.

Das Vorhaben muss einen konkreten, klaren und erkennbaren wichtigen Beitrag zu den Zielen oder Strategien der Union leisten, beispielsweise zum europäischen Grünen Deal, zur Digitalstrategie, zur digitalen Dekade oder zur europäischen Datenstrategie, zur neuen Industriestrategie für Europa und deren Aktualisierung, zu „Next Generation EU“, zur europäischen Gesundheitsunion (14), zum neuen Europäischen Forschungsraum für Forschung und Innovation (15), zum neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (16) oder zum Ziel der Union, bis 2050 klimaneutral zu werden. Außerdem muss das Vorhaben erhebliche Auswirkungen auf ein nachhaltiges Wachstum haben.

15.

Das Vorhaben muss nachweislich auf die Behebung eines schwerwiegenden Markt- oder Systemversagens, das verhindert, dass das Vorhaben ohne die Beihilfe in gleichem Umfang oder in gleicher Weise durchgeführt wird, oder auf gesellschaftliche Herausforderungen, die andernfalls nicht adäquat angegangen oder bewältigt würden, ausgerichtet sein.

16.

An dem Vorhaben müssen in der Regel mindesten vier Mitgliedstaaten beteiligt sein, sofern nicht die Art des Vorhabens eine geringere Zahl rechtfertigt (17), und es darf nicht nur den Mitgliedstaaten, die die Finanzierung übernehmen, sondern muss auch anderen Teilen der Union zugutekommen. Die Vorteile des Vorhabens müssen klar und auf eine konkrete und erkennbare Art und Weise definiert sein. (18)

17.

Allen Mitgliedstaaten muss eine echte Gelegenheit geboten werden, sich an einem neu entstehenden Vorhaben zu beteiligen. Die Mitgliedstaaten, die ein Vorhaben anmelden, müssen nachweisen, dass alle Mitgliedstaaten z. B. durch Kontakte, Allianzen, Treffen oder Matchmaking-Veranstaltungen, an denen auch KMU und Start-ups teilgenommen haben, über die mögliche Auflegung des Vorhabens informiert wurden und dass ihnen ausreichend Gelegenheit zur Teilnahme gegeben wurde.

18.

Die Vorteile des Vorhabens dürfen sich nicht auf die Unternehmen oder den betreffenden Wirtschaftszweig beschränken, sondern müssen von größerer Relevanz sein und durch positive Spill-over-Effekte breiteren Nutzen in der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft haben (z. B. systemische Auswirkungen auf mehreren Ebenen der Wertschöpfungskette oder der vor- bzw. nachgelagerten Märkte, alternative Verwendung in anderen Wirtschaftszweigen oder Verkehrsverlagerung).

19.

Der Beihilfeempfänger muss einen erheblichen Kofinanzierungsbeitrag zu dem Vorhaben leisten. (19)

20.

Die Mitgliedstaaten müssen nachweisen, dass bei dem Vorhaben der Grundsatz der Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen im Sinne des Artikels 17 der Verordnung (EU) 2020/852 (20) oder vergleichbare Methoden beachtet werden. Bei der Abwägung der positiven Auswirkungen der Beihilfe gegen ihre negativen Auswirkungen auf Handel und Wettbewerb zieht die Kommission die Beachtung dieses Grundsatzes als wichtigen Bestandteil der Würdigung heran. Bei Investitionen, die ein erhebliche Beeinträchtigung der Umweltziele im Sinne des Artikels 17 der Verordnung (EU) 2020/852 bewirken, ist es in der Regel unwahrscheinlich, dass ihre positiven Auswirkungen ihre negativen Auswirkungen auf Wettbewerb und Handel überwiegen. Die positiven Auswirkungen eines Vorhabens im Hinblick auf die Behebung eines schwerwiegenden Markt- oder Systemversagens oder die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen sind immer im Einzelfall zu prüfen.

3.2.2.   Allgemeine positive Indikatoren

21.

Die Kommission bewertet neben der Erfüllung sämtlicher Kriterien des Abschnitts 3.2.1 auch folgende von den Mitgliedstaaten vorgeschlagene Aspekte positiv:

a)

An der Ausgestaltung des Vorhabens sind die Kommission oder juristische Einheiten beteiligt, denen die Kommission Befugnisse übertragen hat, beispielsweise die Europäische Investitionsbank oder der Europäische Investitionsfonds.

b)

An der Auswahl der Vorhaben sind die Kommission oder juristische Einheiten beteiligt, denen die Kommission Befugnisse übertragen hat, sofern diese Einheiten zu diesem Zweck als Durchführungsstruktur agieren.

c)

An der Governance-Struktur des Vorhabens sind die Kommission oder juristische Einheiten, denen die Kommission Befugnisse übertragen hat, und die teilnehmenden Mitgliedstaaten beteiligt.

d)

Das Vorhaben zeichnet sich durch ein hohes Maß an Zusammenarbeit in Bezug auf die Anzahl der Partner, die Beteiligung von Organisationen aus verschiedenen Wirtschaftszweigen oder die Einbindung von Unternehmen verschiedener Größe und insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Großunternehmen und KMU, einschließlich Start-ups, in verschiedenen Mitgliedstaaten aus und fördert die Entwicklung benachteiligter Gebiete.

e)

Das Vorhaben umfasst eine Teilförderung bzw. Kofinanzierung aus einem Unionsfonds (21) mit direkter, indirekter oder geteilter Mittelverwaltung.

f)

Das Vorhaben umfasst einen erheblichen Beitrag unabhängiger privater Investoren. (22)

g)

Mit dem Vorhaben wird einer klar umrissenen, erheblichen strategischen Abhängigkeit begegnet.

3.2.3.   Besondere Kriterien

22.

Vorhaben in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Innovation („FEI“) müssen sehr innovativ sein oder angesichts des Stands der Technik in dem betreffenden Wirtschaftszweig einen wesentlichen Mehrwert im Hinblick auf FEI darstellen. (23)

23.

Vorhaben, die eine erste gewerbliche Nutzung einschließen, müssen die Entwicklung eines neuen Produkts oder einer neuen Dienstleistung mit hohem Forschungs- und Innovationsgehalt oder die Einführung eines grundlegend innovativen Produktionsprozesses ermöglichen. Regelmäßige Aktualisierungen ohne eine innovative Dimension der vorhandenen Einrichtungen und die Entwicklung neuer Versionen bereits bestehender Produkte kommen nicht als erste gewerbliche Nutzung in Betracht.

24.

Für die Zwecke dieser Mitteilung bezeichnet der Begriff „erste gewerbliche Nutzung“ die Hochskalierung von Pilotanlagen, Demonstrationsanlagen oder neuartiger Ausrüstungen und Einrichtungen. Er deckt die auf die Pilotphase folgenden Schritte (einschließlich der Testphase) ab, nicht aber die Massenproduktion oder kommerzielle Tätigkeiten (24). Für die Bestimmung des Endes der ersten gewerblichen Nutzung werden unter anderem die relevanten FEI-Leistungsindikatoren herangezogen, die darauf hindeuten, dass die Massenproduktion aufgenommen werden kann. Erste gewerbliche Nutzungen können mit staatlichen Beihilfen finanziert werden, sofern die erste gewerbliche Nutzung das Ergebnis von FEI-Tätigkeiten ist und selbst eine wesentliche FEI-Komponente umfasst, die ein fester Bestandteil und für die erfolgreiche Umsetzung des Vorhabens notwendig ist. Die erste gewerbliche Nutzung muss nicht durch das Unternehmen erfolgen, das auch die FEI-Tätigkeit ausgeführt hat, solange das Unternehmen die Rechte auf Nutzung der Ergebnisse der vorangegangenen FEI-Tätigkeit erwirbt und die FEI-Tätigkeit sowie die erste gewerbliche Nutzung im Vorhaben beschrieben sind.

25.

Infrastrukturvorhaben in den Bereichen Umwelt, Energie, Verkehr, Gesundheit oder Digitales müssen, soweit sie nicht unter die Randnummern 22 und 23 fallen, für die Strategien der Union für Umwelt, Klima, Energie (einschließlich der Energieversorgungssicherheit), Verkehr, Gesundheit, Industrie oder Digitales von großer Bedeutung sein oder in diesen spezifischen oder anderen Bereichen einen signifikanten Beitrag zum Binnenmarkt leisten. Sie können dann unterstützt werden, bis sie nach dem Bau voll einsatzfähig werden.

3.3.   Bedeutung des Vorhabens

26.

Für die Einstufung als IPCEI muss ein Vorhaben sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht bedeutend sein. Es sollte einen besonders großen Umfang oder besonders breiten Anwendungsbereich haben und/oder mit einem hohen technologischen oder finanziellen Risiko verbunden sein. Die Kommission beurteilt die Bedeutung eines Vorhabens anhand der in Abschnitt 3.2 dargelegten Kriterien.

4.   VEREINBARKEITSKRITERIEN

27.

Bei der Prüfung, ob eine Beihilfe zur Förderung eines IPCEI nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, berücksichtigt die Kommission die in den Abschnitten 4.1, 4.2 und 4.3 dieser Mitteilung dargelegten Kriterien. (25)

28.

Im Rahmen der Abwägungsprüfung im Sinne des Abschnitts 4.2 untersucht die Kommission, ob die erwarteten positiven Auswirkungen der Beihilfe ihre möglichen negativen Auswirkungen überwiegen.

29.

Unter Berücksichtigung der Art des Vorhabens kann die Kommission die Auffassung vertreten, dass das Vorliegen eines schwerwiegenden Markt- oder Systemversagens oder gesellschaftlicher Herausforderungen sowie der Beitrag zu einem gemeinsamen europäischen Interesse für die einzelnen Bestandteile eines integrierten Vorhabens angenommen werden kann, wenn das Vorhaben die in Abschnitt 3 dargelegten Kriterien für Beihilfefähigkeit erfüllt.

4.1.   Erforderlichkeit und Angemessenheit der Beihilfe

30.

Die Beihilfe darf weder eine Subvention für die Kosten eines Vorhabens darstellen, die ein Unternehmen ohnehin zu tragen hätte, noch das übliche Geschäftsrisiko einer Wirtschaftstätigkeit ausgleichen. Ohne die Beihilfe wäre die Realisierung des Vorhabens nicht, nur in geringerem Umfang oder mit einem engerem Anwendungsbereich, nicht schnell genug oder nur auf andere Art und Weise möglich, wodurch der zu erwartende Nutzen erheblich eingeschränkt würde. (26) Beihilfen gelten nur dann als angemessen, wenn dasselbe Ergebnis nicht auch mit einer geringeren Beihilfe erreicht werden könnte.

31.

Die Mitgliedstaaten müssen der Kommission sachdienliche Informationen zum geförderten Vorhaben sowie eine ausführliche Beschreibung des kontrafaktischen Szenarios übermitteln, bei dem kein Mitgliedstaat eine Beihilfe gewähren würde. (27) Das kontrafaktische Szenario kann im Fehlen eines alternativen Vorhabens bestehen – wenn Hinweise darauf vorliegen, dass dies das wahrscheinlichste kontrafaktische Szenario ist – oder in einem alternativen Vorhaben, das die Beihilfeempfänger bei ihren internen Entscheidungsprozessen berücksichtigen, und kann mit einem alternativen Vorhaben in Verbindung stehen, das ganz oder teilweise außerhalb der EU durchgeführt wird. Die Mitgliedstaaten, die das Vorhaben anmelden, werden aufgefordert, relevante interne Unterlagen der Beihilfeempfänger (z. B. Präsentationen des Vorstands, Analysen, Berichte und Studien) zur Verfügung zu stellen, um die Glaubwürdigkeit des von den Beihilfeempfängern dargelegten kontrafaktischen Szenarios zu belegen. (28)

32.

Wenn es kein alternatives Vorhaben gibt, vergewissert sich die Kommission, dass die Höhe der Beihilfe nicht das Minimum übersteigt, das erforderlich ist, um eine hinreichende Rentabilität des Vorhabens zu gewährleisten, indem beispielsweise sichergestellt wird, dass der interne Zinsfuß die branchen- oder unternehmensspezifische Benchmark oder Mindestrendite erreicht. Dafür können auch die normale Rendite, die der Beihilfeempfänger im Rahmen anderer ähnlicher Vorhaben erreichen muss, seine Gesamtkapitalkosten oder die in der jeweiligen Branche üblichen Renditen herangezogen werden. Alle für die gesamte Lebensdauer des Vorhabens erwarteten relevanten Kosten und Gewinne müssen berücksichtigt werden.

33.

Die zulässige Beihilfehöchstintensität richtet sich nach der festgestellten Finanzierungslücke in Bezug auf die beihilfefähigen Kosten. Wenn die Analyse der Finanzierungslücke dies rechtfertigt, könnte die Beihilfeintensität alle beihilfefähigen Kosten abdecken. Die Finanzierungslücke entspricht der Differenz zwischen den positiven und den negativen Cashflows während der Lebensdauer der Investition, abgezinst auf ihren aktuellen Wert auf der Grundlage eines angemessenen Diskontierungsfaktors, der dem Zinssatz Rechnung trägt, den der Empfänger für die Durchführung des Vorhabens insbesondere in Anbetracht der damit verbundenen Risiken benötigt. Die beihilfefähigen Kosten sind im Anhang (29) aufgeführt.

34.

Wenn zum Beispiel durch interne Unternehmensunterlagen nachgewiesen wird, dass der Beihilfeempfänger eindeutig die Wahl hat, sich für ein gefördertes Vorhaben oder eine Alternative ohne Beihilfeförderung zu entscheiden, vergleicht die Kommission den erwarteten Nettogegenwartswert der Investition in das geförderte Vorhaben mit jenem der Investition in das kontrafaktische Vorhaben und berücksichtigt dabei die Wahrscheinlichkeit der unterschiedlichen Geschäftsszenarien.

35.

Staatliche Beihilfen zur Förderung von IPCEI können mit Unionsmitteln oder anderen staatlichen Beihilfen kumuliert werden, sofern der Gesamtbetrag der für dieselben beihilfefähigen Kosten gewährten öffentlichen Mittel den in den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts festgelegten günstigsten Finanzierungssatz nicht übersteigt.

36.

Die Kommission kann den Mitgliedstaat, der das Vorhaben anmeldet, auffordern, einen Rückforderungsmechanismus als zusätzliche Vorkehrung einzuführen, um zu gewährleisten, dass die staatliche Beihilfe angemessen und auf das erforderliche Maß beschränkt bleibt. (30) Der Rückforderungsmechanismus sollte eine ausgewogene Aufteilung zusätzlicher Gewinne gewährleisten, wenn das Vorhaben rentabler ist, als in der angemeldeten Analyse der Finanzierungslücke vorhergesehen. Er sollte nur auf die Investitionen angewendet werden, bei denen eine nachträgliche Analyse der Cashflows und der Beihilfezahlungen belegen, dass die erzielte Rendite die Kapitalkosten der Beihilfeempfänger übersteigt. Ein derartiger Rückforderungsmechanismus sollte vorab klar festgelegt werden, damit die Empfänger zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Teilnahme an einem Vorhaben die Finanzströme absehen können. Der Mechanismus sollte so konzipiert sein, dass für die Beihilfeempfänger weiterhin starke Anreize bestehen, ihre Investition und die Leistung ihres Vorhabens zu maximieren.

37.

Bei ihrer Analyse berücksichtigt die Kommission folgende Aspekte:

a)

Konkrete Angaben zur beabsichtigten Verhaltensänderung: Der Mitgliedstaat muss präzisieren, welche Verhaltensänderung infolge der staatlichen Beihilfe erwartet wird, d. h., ob ein Anreiz für ein neues Vorhaben geschaffen oder ein bestehendes Vorhaben in Bezug auf den Umfang oder den Anwendungsbereich ausgeweitet oder beschleunigt werden soll. Die Verhaltensänderung muss anhand eines Vergleichs der Ergebnisse und des Umfangs der beabsichtigten Tätigkeit, die mit Beihilfe und ohne Beihilfe zu erwarten wären, ermittelt werden. Der Unterschied zwischen den beiden Szenarios entspricht der Auswirkung der Beihilfemaßnahme und ihrem Anreizeffekt.

b)

Rentabilität: Wenn ein Vorhaben für ein privatwirtschaftliches Unternehmen nicht rentabel, aber von erheblichem Nutzen für die Gesellschaft wäre, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Beihilfe einen Anreizeffekt hat.

38.

Um tatsächliche oder potenzielle direkte oder indirekte Verzerrungen des internationalen Handels zu vermeiden, kann die Kommission der Tatsache Rechnung tragen, dass Wettbewerber außerhalb der Union in den vergangenen drei Jahren für vergleichbare Vorhaben direkt oder indirekt Beihilfen gleicher Intensität für ähnliche Vorhaben erhalten haben bzw. noch erhalten werden. Wenn jedoch nach drei Jahren noch mit Verzerrungen des internationalen Handels zu rechnen ist, kann der Bezugszeitraum entsprechend den besonderen Gegebenheiten des jeweiligen Wirtschaftszweigs verlängert werden. Soweit möglich, legt der betreffende Mitgliedstaat der Kommission ausreichende Informationen vor, damit sie die Lage und insbesondere die Notwendigkeit, den Wettbewerbsvorteil eines Wettbewerbers in einem Drittland zu berücksichtigen, beurteilen kann. Liegen der Kommission keine Fakten zur gewährten oder geplanten Beihilfe vor, so kann sie sich bei ihrem Beschluss auch auf Indizienbeweise stützen. Die Kommission kann auch geeignete Maßnahmen ergreifen, um durch außerhalb der Union erhaltene Subventionen bedingte Wettbewerbsverfälschungen zu beseitigen.

39.

Bei der Beweiserhebung kann die Kommission ihre Befugnis zur Einholung von Auskünften ausüben. (31)

40.

Die Wahl des Beihilfeinstruments muss mit Blick auf das Marktversagen oder ein anderes schwerwiegendes Systemversagen erfolgen, das es zu beheben gilt. Handelt es sich bei dem zugrunde liegenden Problem um einen mangelnden Zugang zu Finanzmitteln, so sollten die Mitgliedstaaten in der Regel auf Liquiditätshilfen wie Kredite oder Garantien zurückgreifen. (32) Ist darüber hinaus ein gewisser Grad an Risikoteilung für das Unternehmen erforderlich, dürfte normalerweise ein rückzahlbarer Vorschuss das geeignete Instrument sein. Rückzahlbare Beihilfeinstrumente werden im Allgemeinen als positiver Indikator angesehen.

41.

Die Auswahl der Beihilfeempfänger im Wege eines offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens wird als positiver Indikator betrachtet.

4.2.   Vermeidung unverhältnismäßiger Wettbewerbsverfälschungen und Abwägungsprüfung

42.

Die Mitgliedstaaten müssen nachweisen, dass die geplante Beihilfe ein geeignetes Politikinstrument zur Erreichung des Ziels des Vorhabens darstellt. Eine Beihilfe wird nicht als geeignet betrachtet, wenn das gleiche Ergebnis mit anderen, weniger wettbewerbsverfälschenden Politikinstrumenten oder Beihilfearten erzielt werden könnte.

43.

Damit die Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, müssen die nachteiligen Folgen der Beihilfemaßnahme in Form von Wettbewerbsverfälschungen und Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten begrenzt und durch die positiven Effekte eines Beitrags zum Erreichen eines Ziels von gemeinsamem europäischen Interesse aufgewogen werden.

44.

Bei der Prüfung der nachteiligen Auswirkungen einer Beihilfemaßnahme konzentriert sich die Kommission auf die vorhersehbaren Auswirkungen der Beihilfe auf den Wettbewerb zwischen Unternehmen in den betreffenden Produktmärkten, einschließlich vor- oder nachgelagerter Märkte, und auf das Risiko der Überkapazität.

45.

Die Kommission prüft das Risiko einer Marktabschottung und Marktbeherrschung. Vorhaben, die den Bau einer Infrastruktur (33) umfassen, müssen den Grundsätzen des offenen und diskriminierungsfreien Zugangs zur Infrastruktur, der diskriminierungsfreien Preisgestaltung und des diskriminierungsfreien Netzbetriebs Rechnung tragen, einschließlich der im Unionsrecht festgelegten Grundsätze. (34)

46.

Die Kommission prüft das Vorhaben auf mögliche negative Auswirkungen auf den Handel und das Risiko eines Subventionswettlaufs zwischen den Mitgliedstaaten, das sich insbesondere im Hinblick auf die Auswahl eines Standorts ergeben kann.

47.

Bei der Prüfung der möglichen negativen Auswirkungen auf den Handel berücksichtigt die Kommission, ob die Beihilfe von der Verlagerung einer Produktionstätigkeit oder einer anderen Tätigkeit des Beihilfeempfängers aus dem Gebiet einer anderen Vertragspartei des EWR-Abkommens in das Gebiet des Mitgliedstaats, der die Beihilfe gewährt, abhängig gemacht wird. Eine solche Bedingung dürfte unabhängig von der Zahl der in der ursprünglichen Niederlassung des Beihilfeempfängers im EWR tatsächlich verlorenen Arbeitsplätze den Binnenmarkt beeinträchtigen und in der Regel nicht durch positive Auswirkungen ausgeglichen werden können.

4.3.   Transparenz

48.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass folgende Informationen in der Transparenz-Datenbank (Tranparency Award Modul) der Kommission oder auf nationaler oder regionaler Ebene auf einer ausführlichen Beihilfe-Website veröffentlicht werden:

a)

der vollständige Wortlaut des Gewährungsbeschlusses für Einzelbeihilfen und seiner Durchführungsbestimmungen, oder ein Link dazu,

b)

Angaben zu(r) Bewilligungsbehörde(n),

c)

Name und Kennzeichnung jedes Beihilfeempfängers, mit Ausnahme von Geschäftsgeheimnissen und sonstigen vertraulichen Informationen in hinreichend gerechtfertigten Fällen und vorbehaltlich der Zustimmung der Kommission gemäß der Mitteilung der Kommission zum Berufsgeheimnis in Beihilfeentscheidungen, (35)

d)

das Beihilfeinstrument (36), das Beihilfeelement und, falls nicht identisch, der Nominalbetrag der Beihilfe, ausgedrückt als voller Betrag in Landeswährung, der jedem Beihilfeempfänger gewährt wurde,

e)

Tag der Gewährung und Tag der Veröffentlichung,

f)

Art des Beihilfeempfängers (KMU/großes Unternehmen/Start-up),

g)

Region, in der der Beihilfeempfänger seinen Standort hat (auf NUTS-2-Ebene oder darunter),

h)

Hauptwirtschaftszweig, in dem der Beihilfeempfänger tätig ist (auf Ebene der NACE-Gruppe),

i)

Zweck der Beihilfe.

49.

Diese Informationen müssen für Einzelbeihilfen von mehr als 100 000 EUR veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung muss nach Erlass des Beschlusses zur Gewährung der Beihilfe erfolgen, mindestens 10 Jahre lang aufrechterhalten werden und ohne Einschränkungen für die Öffentlichkeit zugänglich sein. (37)

5.   ANMELDUNG, BERICHTERSTATTUNG UND ANWENDUNG

5.1.   Anmeldepflicht

50.

Nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV müssen die Mitgliedstaaten die Kommission vorab von jeder beabsichtigten Gewährung oder Umgestaltung einer staatlichen Beihilfe, einschließlich IPCEI-Beihilfen, unterrichten.

51.

Mitgliedstaaten, die an demselben IPCEI beteiligt sind, werden gebeten, der Kommission nach Möglichkeit eine gemeinsame Anmeldung mit einem gemeinsamen Wortlaut zu übermitteln, in dem das IPCEI beschrieben und seine Beihilfefähigkeit nachgewiesen wird.

5.2.   Ex-post-Evaluierung und Berichterstattung

52.

Die Durchführung des Vorhabens unterliegt einer regelmäßigen Berichterstattung. Bei Bedarf kann die Kommission die Durchführung einer Ex-post-Evaluierung verlangen.

5.3.   Anwendung

53.

Die Kommission wendet die in dieser Mitteilung dargelegten Grundsätze ab dem 1. Januar 2022 an.

54.

Sie wendet diese Grundsätze auf alle angemeldeten Beihilfevorhaben an, über die sie am oder nach dem 1. Januar 2022 zu beschließen hat, selbst wenn die Vorhaben vor diesem Tag angemeldet wurden.

55.

Gemäß der Bekanntmachung der Kommission über die zur Beurteilung unrechtmäßiger staatlicher Beihilfen anzuwendenden Regeln (38) wendet die Kommission im Falle nichtangemeldeter Beihilfen die Grundsätze dieser Mitteilung an, wenn die Beihilfe am oder nach dem 1. Januar 2022 gewährt wurde, und legt in allen anderen Fällen die Vorschriften zugrunde, die in Kraft waren, als die Beihilfe gewährt wurde.


(1)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Der europäische Grüne Deal (COM(2019) 640 final vom 11. Dezember 2019).

(2)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Gestaltung der digitalen Zukunft Europas (COM(2020) 67 final vom 19. Februar 2020).

(3)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Digitaler Kompass 2030: der europäische Weg in die digitale Dekade (COM(2021) 118 final vom 9. März 2021).

(4)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Eine neue Industriestrategie für Europa (COM(2020) 102 final vom 10. März 2020).

(5)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Aktualisierung der neuen Industriestrategie von 2020: einen stärkeren Binnenmarkt für die Erholung Europas aufbauen (COM(2021) 350 final vom 5. Mai 2021).

(6)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Eine europäische Datenstrategie (COM(2020) 66 final vom 19. Februar 2020).

(7)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Die Stunde Europas: Schäden beheben und Perspektiven für die nächste Generation eröffnen (COM(2020) 456 final vom 27. Mai 2020).

(8)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Eine KMU-Strategie für ein nachhaltiges und digitales Europa (COM(2020) 103 final vom 10. März 2020).

(9)  Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. C 249 vom 31.7.2014, S. 1). Wie dort unter Randnummer 23 erläutert, kann ein Unternehmen in Schwierigkeiten, da es in seiner Existenz bedroht ist, nicht als geeignetes Mittel zur Förderung anderer Ziele des öffentlichen Interesses dienen, bis seine Rentabilität gewährleistet ist.

(10)  Mitteilung der Kommission – Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19 (ABl. C 91I vom 20.3.2020, S. 1) und dessen Änderungen.

(11)  Siehe zum Beispiel Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, C-156/98, Slg. 2000, ECLI:EU:C:2000:467, Rn. 78, und Urteil des Gerichtshofs vom 22. Dezember 2008, Régie Networks/Rhône-Alpes Bourgogne, C-333/07, Slg. 2008, ECLI:EU:C:2008:764, Rn. 94 bis 116.

(12)  Wenn auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung zwei oder mehr FuE-Vorhaben nicht eindeutig voneinander getrennt werden können und einzeln betrachtet keine Aussicht auf technologischen Erfolg haben, sind sie als Einzelvorhaben zu betrachten.

(13)  Im Folgenden werden Einzelvorhaben und integrierte Vorhaben als „Vorhaben“ bezeichnet.

(14)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Schaffung einer europäischen Gesundheitsunion: Die Resilienz der EU gegenüber grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren stärken (COM(2020) 724 final vom 11. November 2020).

(15)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Ein neuer EFR für Forschung und Innovation (COM(2020) 628 final vom 30. September 2020).

(16)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft: Für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa (COM(2020) 98 final vom 11. März 2020).

(17)  Eine geringere Zahl von Mitgliedstaaten – jedoch nicht weniger als zwei – kann in hinreichend begründeten Ausnahmefällen gerechtfertigt sein, z. B. wenn das Vorhaben miteinander verbundene Forschungsinfrastrukturen oder TEN-E- oder TEN-V-Vorhaben betrifft, die von grundlegender grenzübergreifender Bedeutung sind, da sie Teil eines physisch verbundenen grenzübergreifenden Netzes oder von entscheidender Bedeutung für die Verbesserung des grenzübergreifenden Verkehrsmanagements oder der Interoperabilität sind, oder wenn das Vorhaben aus EU-Mitteln finanziert wird und aufgrund von Rechtsvorschriften, die bei Einsatz solcher Mittel bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten gelten, weniger Mitgliedstaaten teilnehmen können. In allen Fällen müssen die Vorhaben im Einklang mit Randnummer 17 transparent gestaltet sein.

(18)  Die bloße Tatsache, dass das Vorhaben von Unternehmen in verschiedenen Ländern durchgeführt wird oder dass die Forschungsinfrastruktur anschließend von in verschiedenen Mitgliedstaaten niedergelassenen Unternehmen genutzt wird, reicht nicht für eine Einstufung als IPCEI aus. Der Gerichtshof hat die Politik der Kommission bestätigt, der zufolge ein Vorhaben als Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse im Sinne des Artikels 107 Absatz 3 Buchstabe b eingestuft werden kann, wenn es Teil eines von den Regierungen verschiedener Mitgliedstaaten unterstützten zwischenstaatlichen europäischen Programms ist oder zu einer zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten abgestimmten Unternehmung gehört, durch die eine gemeinsame Gefahr bekämpft werden soll. Urteil des Gerichtshofs vom 8. März 1988, Exécutif régional wallon und SA Glaverbel/Kommission, 62/87 und 72/87, Slg. 1988, ECLI:EU:C:1988:132, Rn. 22.

(19)  Die Kommission berücksichtigt bei der Beurteilung des Umfangs der Kofinanzierung die Besonderheiten bestimmter Wirtschaftszweige und von KMU. In hinreichend begründeten Ausnahmefällen kann die Kommission die Beihilfe selbst ohne eine erhebliche Kofinanzierung des Beihilfeempfängers als gerechtfertigt erachten.

(20)  Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (ABl. L 198 vom 22.6.2020, S. 13). Bei Maßnahmen, die mit Maßnahmen im Rahmen der vom Rat genehmigten Aufbau- und Resilienzpläne identisch sind, gilt die Einhaltung des der Grundsatzes der Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen als erfüllt, da dies bereits geprüft wurde.

(21)  Unionsmittel, die von den Organen, Einrichtungen, gemeinsamen Unternehmen oder sonstigen Stellen der Union zentral verwaltet werden und nicht direkt oder indirekt der Kontrolle der Mitgliedstaaten unterstehen, stellen keine staatliche Beihilfe dar. Staatliche Beihilfen können mit einer Finanzierung aus einem Unionsfonds kumuliert werden, sofern die unter Randnummer 35 dargelegte Voraussetzung erfüllt ist.

(22)  Beiträge in Form von materiellen und immateriellen Vermögenswerten sowie von Grundstücken sind zum Marktpreis auszuweisen.

(23)  Darunter können unter Umständen auch Schritte zur Erreichung des Stands der Technik fallen, soweit das betreffende Vorhaben klar und glaubwürdig darauf ausgerichtet ist, den Stand der Technik zu übertreffen, und beschrieben wird, wie dies erreicht werden soll.

(24)  Begrenzte ggf. in dem spezifischen Sektor erfolgende Verkäufe im Zusammenhang mit der Testphase (z. B. Verkauf von Mustern, Verkauf zur Feedbackerhaltung oder Verkauf zum Zwecke der Zertifizierung) fallen nicht unter den Begriff „kommerzielle Tätigkeiten“.

(25)  Dem Gerichtshof zufolge verfügt die Kommission bei der Würdigung der Vereinbarkeit von IPCEI über einen Ermessensspielraum: Urteil des Gerichtshofs vom 8. März 1988, Exécutif régional wallon und SA Glaverbel/Kommission, 62/87 und 72/87, Slg. 1988, ECLI:EU:C:1988:132, Rn. 21.

(26)  Der Beihilfeantrag muss vor Beginn der Arbeiten gestellt werden, d. h. entweder vor Aufnahme von Bauarbeiten für die Investition oder der ersten rechtsverbindlichen Verpflichtung zur Bestellung von Ausrüstung oder einer anderen Verpflichtung, die die Investition unumkehrbar macht, wobei der früheste dieser Zeitpunkte maßgebend ist. Der Kauf von Grundstücken und Vorarbeiten wie die Einholung von Genehmigungen und die Erstellung vorläufiger Durchführbarkeitsstudien gelten nicht als Beginn der Arbeiten.

(27)  Bei Vorhaben von KMU kann das kontrafaktische Szenario, wie unter Randnummer 32 dargelegt, im Fehlen eines alternativen Vorhabens bestehen.

(28)  Wenn die zur Verfügung gestellten Informationen unter das Berufsgeheimnis fallen, müssen sie im Einklang mit Artikel 30 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. L 248 vom 24.9.2015, S. 9) behandelt werden.

(29)  Im Falle eines integrierten Vorhabens müssen die beihilfefähigen Kosten für jedes Einzelvorhaben angegeben werden.

(30)  Für KMU-Vorhaben muss nur unter außergewöhnlichen Umständen ein Rückforderungsmechanismus eingeführt werden, wobei insbesondere die Höhe der für solche Vorhaben angemeldeten Beihilfen zu berücksichtigen ist.

(31)  Siehe Artikel 25 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. L 248 vom 24.9.2015, S. 9).

(32)  Beihilfen in Form von Garantien müssen zeitlich befristet sein, und bei Beihilfen in Form von Krediten müssen Rückzahlungsfristen festgelegt werden.

(33)  Der Klarheit halber sei angemerkt, dass Pilotanlagen nicht als Infrastrukturen gelten.

(34)  Betrifft das Vorhaben eine Energieinfrastruktur, so unterliegt es der Entgelt- und Zugangsregulierung und den Entflechtungsanforderungen, sofern dies nach den Binnenmarktvorschriften erforderlich ist.

(35)  C(2003) 4582 (ABl. C 297 vom 9.12.2003, S. 6).

(36)  Zuschuss/Zinszuschuss, Darlehen/rückzahlbare Vorschüsse/rückzahlbarer Zuschuss, Garantie, Steuervergünstigung oder Steuerbefreiung, Risikofinanzierung, Sonstiges. Falls die Beihilfe über mehrere Beihilfeinstrumente gewährt wird, ist der Beihilfebetrag für jedes Instrument anzugeben.

(37)  Diese Informationen sind innerhalb von sechs Monaten ab dem Tag der Gewährung zu veröffentlichen. Im Falle rechtswidriger Beihilfen sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Veröffentlichung dieser Informationen nachträglich, spätestens sechs Monate nach dem Tag des Kommissionsbeschlusses sicherzustellen. Die Informationen sind in einem Format (z. B. CSV oder XML) bereitzustellen, das es ermöglicht, Daten abzufragen, zu extrahieren und leicht im Internet zu veröffentlichen.

(38)  Bekanntmachung der Kommission über die zur Beurteilung unrechtmäßiger staatlicher Beihilfen anzuwendenden Regeln (ABl. C 119 vom 22.5.2002, S. 22).


ANHANG

Beihilfefähige Kosten

a)

Durchführbarkeitsstudien, einschließlich vorbereitender technischer Studien, sowie Kosten für den Erhalt von Genehmigungen, die zur Durchführung des Vorhabens erforderlich sind.

b)

Kosten für Instrumente und Ausrüstungen (einschließlich Anlagen und Transportmittel), sofern und solange sie für das Vorhaben genutzt werden. Werden diese Instrumente und Ausrüstungen nicht während ihrer gesamten Lebensdauer für das Vorhaben verwendet, gilt nur die nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung ermittelte Wertminderung während der Dauer des Vorhabens als beihilfefähig.

c)

Kosten für den Erwerb (oder Bau) von Gebäuden, Infrastruktur und Grundstücken, sofern und solange sie für das Vorhaben genutzt werden. In Fällen, in denen diese Kosten im Hinblick auf den Wert des wirtschaftlichen Übergangs oder die tatsächlich entstandenen Kapitalkosten im Gegensatz zur Wertminderung bestimmt werden, sollte der Restwert des Grundstücks, der Gebäude oder der Infrastruktur von der Finanzierungslücke entweder ex ante oder ex post abgezogen werden.

d)

Kosten für sonstige Materialien, Bedarfsmittel und dergleichen, die für das Vorhaben erforderlich sind.

e)

Kosten für die Erlangung, Validierung und Verteidigung von Patenten und anderen immateriellen Vermögenswerten. Kosten für Auftragsforschung, Fachwissen und Patente, die von externen Quellen zu marktüblichen Bedingungen erworben oder lizenziert wurden, sowie Kosten für Beratung und gleichwertige Dienstleistungen, die ausschließlich für das unterstützte Vorhaben verwendet werden.

f)

Personal- und Verwaltungskosten (einschließlich Gemeinkosten), die für die FEI-Tätigkeiten unmittelbar anfallen, einschließlich der FEI-Tätigkeiten im Zusammenhang mit der ersten gewerblichen Nutzung oder im Falle eines Infrastrukturvorhabens beim Bau der Infrastruktur angefallene Kosten.

g)

Bei Beihilfen für Vorhaben der ersten gewerblichen Nutzung: die Investitionsaufwendungen und Betriebskosten, sofern die gewerbliche Nutzung ein Ergebnis von FEI-Tätigkeiten ist und selbst eine wichtige FEI-Komponente umfasst, die ein integraler und notwendiger Faktor für die erfolgreiche Umsetzung des Vorhabens ist. Die Betriebskosten müssen zu einer derartigen Komponente des Vorhabens in Bezug stehen.

h)

Sonstige Kosten, sofern sie gerechtfertigt und mit der Realisierung des Vorhabens untrennbar verbunden sind, mit Ausnahme der nicht von Buchstabe g abgedeckten Betriebskosten.