29.12.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 526/1


BEKANNTMACHUNG DER KOMMISSION —

Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2021/C 526/01)

INHALT

EINLEITUNG 5

1

ANWENDUNGSBEREICH DER UGPRL 5

1.1

Sachlicher Geltungsbereich 5

1.1.1

Nationale Rechtsvorschriften, die Geschäftspraktiken betreffen, aber andere als die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher schützen 6

1.1.2

Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen oder die ausschließlich die wirtschaftlichen Interessen von Wettbewerbern beeinträchtigen 7

1.2

Zusammenwirken der Richtlinie mit anderen EU-Rechtsvorschriften 8

1.2.1

Zusammenwirken mit anderen EU-Rechtsvorschriften 8

1.2.2.

Nach anderen EU-Rechtsvorschriften als „wesentlich“ eingestufte Informationen 10

1.2.3

Zusammenwirken mit der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher 12

1.2.4

Zusammenwirken mit der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen 13

1.2.5

Zusammenwirken mit der Richtlinie über Preisangaben 15

1.2.6

Zusammenwirken mit der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung 16

1.2.7

Zusammenwirken mit der Dienstleistungsrichtlinie 17

1.2.8

Zusammenwirken mit der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr 17

1.2.9

Zusammenwirken mit der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste 17

1.2.10

Zusammenwirken mit der Datenschutz-Grundverordnung und der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation 18

1.2.11

Zusammenwirken mit den Artikeln 101–102 AEUV (EU-Wettbewerbsvorschriften) 19

1.2.12

Zusammenwirken mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union 20

1.2.13

Zusammenwirken mit den Artikeln 34–36 AEUV 20

1.2.14

Zusammenwirken mit der P2B-Verordnung 21

1.3

Das Verhältnis zwischen der UGPRL und Selbstkontrolle 21

1.4

Durchsetzung und Rechtsbehelfe 22

1.4.1

Öffentlich- und zivilrechtliche Durchsetzung 22

1.4.2

Sanktionen 22

1.4.3

Rechtsschutz für Verbraucher 25

1.4.4

Anwendung der UGPRL auf Gewerbetreibende mit Sitz in Drittländern 25

2

WESENTLICHE KONZEPTE DER UGPRL 25

2.1

Das Funktionieren der UGPRL – Flussdiagramm zur Richtlinie 25

2.2

Das Konzept des Gewerbetreibenden 26

2.3

Das Konzept der „Geschäftspraxis“ 28

2.3.1

Geschäftspraktiken in der Nachverkaufsphase einschließlich der Einziehung von Forderungen 29

2.3.2

Gewerbetreibende, die Produkte von Verbrauchern kaufen 30

2.4

Prüfung des Vorliegens einer geschäftlichen Entscheidung 30

2.5

Durchschnittsverbraucher 33

2.6

Schutzbedürftige Verbraucher 35

2.7

Artikel 5 – berufliche Sorgfaltspflicht 36

2.8

Artikel 6 – Irreführende Handlungen 38

2.8.1

Allgemeine irreführende Angaben 39

2.8.2

Preisvorteile 41

2.8.3

Vermarktungsformen, die eine Verwechslungsgefahr begründen 42

2.8.4

Verstöße gegen Verhaltenskodizes 43

2.8.5

Vermarktung von Produkten von „zweierlei Qualität“ 44

2.9

Artikel 7 – Irreführende Unterlassungen 49

2.9.1.

Wesentliche Informationen 50

2.9.2

Versteckte Werbung/unterlassener Hinweis auf einen kommerziellen Zweck 50

2.9.3

Unklare Darstellung wesentlicher Informationen 51

2.9.4

Die tatsächlichen Umstände und die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmediums 52

2.9.5

Wesentliche Informationen in Aufforderungen zum Kauf – Artikel 7 Absatz 4 53

2.9.6

Kostenlose Probeangebote und Abo-Fallen 58

2.10

Artikel 8 und 9 – Aggressive Geschäftspraktiken 59

3

SCHWARZE LISTE UNLAUTERER GESCHÄFTSPRAKTIKEN (ANHANG I) 60

3.1

Produkte, die legal nicht verkauft werden können – Ziffer 9 61

3.2

Schneeballsysteme – Ziffer 14 62

3.3

Produkte zur Heilung von Erkrankungen, Funktionsstörungen und Missbildungen – Ziffer 17 63

3.4

Verwendung der Angabe „kostenlos“ – Ziffer 20 66

3.5

Wiederverkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen an Verbraucher, wenn der Gewerbetreibende diese Eintrittskarten unter Verwendung automatisierter Verfahren erworben hat – Ziffer 23a 69

3.6

Ständige Werbung in für den Fernabsatz geeigneten Medien – Ziffer 26 69

3.7

Direkte Aufforderungen an Kinder – Ziffer 28 70

3.8

Preise – Ziffer 31 71

4

ANWENDUNG DER UGPRL AUF BESTIMMTE SEKTOREN 72

4.1

Nachhaltigkeit 72

4.1.1

Behauptungen zum Umweltschutz 72

4.1.1.1

Zusammenwirken mit anderen EU-Rechtsvorschriften über Behauptungen zum Umweltschutz 73

4.1.1.2

Grundsätze 75

4.1.1.3

Anwendung von Artikel 6 UGPRL auf Behauptungen zum Umweltschutz 76

4.1.1.4

Anwendung von Artikel 7 UGPRL auf Behauptungen zum Umweltschutz 79

4.1.1.5

Anwendung von Artikel 12 UGPRL auf Behauptungen zum Umweltschutz 81

4.1.1.6

Anwendung von Anhang I auf Behauptungen zum Umweltschutz 82

4.1.1.7

Vergleichende Behauptungen zum Umweltschutz 83

4.1.2

Geplante Obsoleszenz 84

4.2

Digitaler Sektor 86

4.2.1

Online-Plattformen und deren Geschäftspraktiken 87

4.2.2

Vermittlung von Verbraucherverträgen mit Dritten 89

4.2.3.

Transparenz von Suchergebnissen 90

4.2.4

Nutzerbewertungen 93

4.2.5

Soziale Medien 96

4.2.6

Influencer-Marketing 97

4.2.7

Datengesteuerte Verfahren und Dark Patterns 99

4.2.8

Preisbildung 102

4.2.9

Computerspiele 103

4.2.10

Verwendung von Verfahren zur Geolokalisierung 105

4.2.11

Bindung der Verbraucher durch Lock-In-Effekte 106

4.3

Reisebranche und Verkehrssektor 107

4.3.1

Bereichsübergreifende Aspekte 107

4.3.2

Pauschalreisen 109

4.3.3

Teilzeitnutzungsverträge 109

4.3.4

Für den Luftverkehr relevante Aspekte 110

4.3.5

Besonders relevante Aspekte bei Mietwagen 114

4.3.6.

Besonders relevante Aspekte bei Reiseportalen 115

4.4

Finanzdienstleistungen und Immobilien 116

4.4.1

Bereichsübergreifende Aspekte 116

4.4.2

Besondere Aspekte bei Immobilien 117

4.4.3

Besondere Aspekte bei Finanzdienstleistungen 118
ANHANG 121

EINLEITUNG

Die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (1) (im Folgenden „UGPRL“) ist die übergreifende EU-Rechtsvorschrift über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt. Sie gilt für alle Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und nach Rechtsgeschäften.

Zweck dieser Bekanntmachung über Leitlinien (im Folgenden „Bekanntmachung“) ist es, die ordnungsgemäße Anwendung der Richtlinie zu vereinfachen. Die Leitlinien beruhen auf den Leitlinien von 2016 und ersetzen diese früheren Leitlinien (2). Mit der Bekanntmachung wird außerdem das Ziel verfolgt, die Richtlinie allen interessierten Parteien wie Verbrauchern, Unternehmen, den Behörden der Mitgliedstaaten, einschließlich der nationalen Gerichte und Angehörigen der Rechtsberufe, in der gesamten EU näher zu bringen. Sie deckt die mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) eingeführten Änderungen zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union ab, die am 28. Mai 2022 in Kraft treten werden. Dementsprechend werden in einem Teil dieser Leitlinien die Vorschriften behandelt und erörtert, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Mitteilung noch nicht in Kraft getreten sind. Die einschlägigen Abschnitte und Punkte sind klar gekennzeichnet. Hervorhebungen in Zitaten aus der Richtlinie oder aus Urteilen des Gerichtshofs wurden von der Kommission vorgenommen.

Diese Leitlinien sind an die EU-Mitgliedstaaten sowie an Island, Liechtenstein und Norwegen als Unterzeichnerstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gerichtet. Bezugnahmen auf die EU, die Union oder den Binnenmarkt sind daher so zu verstehen, dass sie sich auf den EWR oder den EWR-Markt beziehen.

Diese Bekanntmachung ist lediglich als Leitlinie gedacht – Rechtskraft besitzt ausschließlich der Wortlaut der EU-Rechtsvorschriften. Jede verbindliche Auslegung des Rechts muss sich aus dem Wortlaut der Richtlinie und unmittelbar aus den Entscheidungen des Gerichtshofs ergeben. In dieser Bekanntmachung werden die Urteile des Gerichtshofs berücksichtigt, die bis Oktober 2021 veröffentlicht wurden; der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann jedoch nicht vorgegriffen werden.

Die in diesem Dokument vertretenen Auffassungen berühren nicht den Standpunkt der Europäischen Kommission vor dem Gerichtshof. Die hier enthaltenen Informationen sind lediglich allgemeiner Art und befassen sich nicht speziell mit bestimmten Personen, Einrichtungen oder Unternehmen. Weder die Europäische Kommission noch Personen, die im Auftrag der Europäischen Kommission handeln, können für die Verwendung der folgenden Informationen verantwortlich gemacht werden.

Da diese Bekanntmachung den Stand der Technik zur Zeit der Veröffentlichung widerspiegelt, können die vorgestellten Leitlinien unter Umständen zu einem späteren Zeitpunkt geändert werden.

1   ANWENDUNGSBEREICH DER UGPRL

Artikel 3 Absatz 1

Diese Richtlinie gilt für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5 von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts.

Die Richtlinie ist eine horizontale Richtlinie, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher schützt. Die von bestimmten Grundsätzen ausgehenden Bestimmungen betreffen vielfältige Praktiken und sind so weit gefasst, dass auch sich rasch entwickelnde Produkte und Verkaufsstrategien abgedeckt werden.

1.1   Sachlicher Geltungsbereich

Die UGPRL beruht auf dem Grundsatz der vollständigen Angleichung. Um Binnenmarkthindernisse abzubauen und die Rechtssicherheit für Verbraucher und Unternehmen zu erhöhen, schafft sie einen einheitlichen Rechtsrahmen unter Angleichung nationaler Vorschriften. Daher ist in der UGPRL festgelegt, dass die Mitgliedstaaten keine strengeren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen dürfen, auch nicht, um ein höheres Verbraucherschutzniveau zu erreichen, es sei denn, dies ist nach der Richtlinie selbst zulässig (4).

Der Gerichtshof bestätigte diesen Grundsatz in mehreren Urteilen. So stellte der Gerichtshof in der Rechtssache Total Belgium fest, dass die Richtlinie ein nationales Verbot von Kopplungsangeboten ausschließt (5). In der Rechtssache Europamur Alimentación urteilte der Gerichtshof, dass die UGPRL einem nationalen allgemeinen Verbot, Waren mit Verlust zum Kauf anzubieten oder zu verkaufen, entgegensteht (6). In derselben Rechtssache stellte der Gerichtshof auch klar, dass zu den strengeren nationalen Maßnahmen auch die Umkehr der Beweislast gehört (7).

In diesem Zusammenhang wird mit Artikel 3 Absatz 9 die mit der UGPRL angestrebte vollständige Angleichung wie folgt beschränkt: „Im Zusammenhang mit ‚Finanzdienstleistungen‘… und Immobilien können die Mitgliedstaaten Anforderungen stellen, die im Vergleich zu dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich restriktiver und strenger sind.“ Demnach können die Mitgliedstaaten in diesen Sektoren restriktivere und strengere Vorschriften als in der UGPRL einführen, solange sie mit dem EU-Recht vereinbar sind. In Abschnitt 4.4 wird im Einzelnen erläutert, wie die UGPRL auf die Bereiche Finanzdienstleistungen und Immobilien anzuwenden ist.

Darüber hinaus hindert die Richtlinie gemäß Artikel 3 Absatz 5 in der durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 geänderten Fassung die Mitgliedstaaten nicht daran, zusätzliche Bestimmungen zum Schutz der berechtigten Interessen der Verbraucher in Bezug auf aggressive oder irreführende Vermarktungs- oder Verkaufspraktiken im Zusammenhang mit unerbetenen Besuchen eines Gewerbetreibenden in der Wohnung eines Verbrauchers oder Ausflügen, die von einem Gewerbetreibenden in der Absicht oder mit dem Ergebnis organisiert werden, dass für den Verkauf von Produkten bei Verbrauchern geworben wird oder Produkte an Verbraucher verkauft werden, zu erlassen. Allerdings müssen diese Bestimmungen verhältnismäßig, nichtdiskriminierend und aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt sein. In Erwägungsgrund 55 der Richtlinie (EU) 2019/2161 wird erläutert, dass diese Bestimmungen diese Verkaufskanäle als solche nicht verbieten sollten, und es werden einige nicht erschöpfende Beispiele für mögliche nationale Maßnahmen genannt.

Nach Artikel 3 Absatz 6 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission die erlassenen nationalen Vorschriften und alle späteren Änderungen mitzuteilen, damit die Kommission diese Informationen den Verbrauchern und Gewerbetreibenden auf einer speziellen Website leicht zugänglich machen kann (8).

Nach Erwägungsgrund 14 UGPRL hindert die vollständige Angleichung die Mitgliedstaaten nicht daran, in ihren nationalen Rechtsvorschriften für bestimmte Produkte, zum Beispiel Sammlungsstücke oder elektrische Geräte, die wesentlichen Kennzeichen festzulegen, deren Weglassen bei einer Aufforderung zum Kauf rechtserheblich wäre. Außerdem wird erläutert, dass die UGPRL die Bestimmungen des EU-Rechts nicht berührt, das den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Wahl zwischen mehreren Regelungsoptionen für den Verbraucherschutz in Bezug auf Geschäftspraktiken lässt.

In Bezug auf die Verbraucherinformation wird in Erwägungsgrund 15 UGPRL erklärt, dass die Mitgliedstaaten die Informationsanforderungen in Bezug auf das Vertragsrecht oder mit vertragsrechtlichen Auswirkungen aufrechterhalten oder erweitern können, wenn dies aufgrund der Mindestklauseln in den bestehenden gemeinschaftlichen Rechtsakten zulässig ist, um ein höheres Schutzniveau für die individuellen vertraglichen Rechte der Verbraucher zu gewährleisten. Siehe auch Abschnitt 1.2.3, in dem das Zusammenwirken mit den vorvertraglichen Informationspflichten der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher näher erläutert wird.

1.1.1   Nationale Rechtsvorschriften, die Geschäftspraktiken betreffen, aber andere als die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher schützen

Artikel 1

Zweck dieser Richtlinie ist es, durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen.

Nationale Vorschriften zum Schutz nicht wirtschaftlicher Interessen werden von der UGPRL nicht berührt. Daher beeinträchtigt die UGPRL nicht die Möglichkeit von Mitgliedstaaten, Vorschriften zur Regelung von Geschäftspraktiken aus Gründen des Gesundheits- oder Umweltschutzes sowie aus Sicherheitsgründen festzulegen.

Auch nationale Vorschriften über Marketing und Werbung, die auf der Grundlage von „guten Sitten und Anstand“ beruhen, werden von der UGPRL nicht berührt. Erwägungsgrund 7 führt zur Richtlinie aus: „Diese Richtlinie … bezieht sich nicht auf die gesetzlichen Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands, die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind. … Die Mitgliedstaaten sollten daher im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht in ihrem Hoheitsgebiet weiterhin Geschäftspraktiken aus Gründen der guten Sitten und des Anstands verbieten können, auch wenn diese Praktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen.“

Daher ist die UGPRL für die Anwendung nationaler Vorschriften zum Schutz der Menschenwürde, zur Verhinderung sexueller, rassistischer und religiöser Diskriminierung oder zur Darstellung von Nacktheit, Gewalt und asozialem Verhalten nicht von Bedeutung.

Der Gerichtshof hat beispielsweise festgestellt, dass die UGPRL nicht auf eine nationale Vorschrift anwendbar ist, mit der verhindert werden soll, dass ein Gewerbetreibender sein Ladengeschäft an sieben Tagen in der Woche öffnet, indem sie Gewerbetreibende verpflichtet, ihre Läden an einem Tag pro Woche geschlossen zu halten; diese spezifische Vorschrift berührt nämlich keine Ziele des Verbraucherschutzes (9).

Der Gerichtshof hat ferner klargestellt, dass die UGPRL einer nationalen Vorschrift nicht entgegensteht, die die öffentliche Gesundheit und die Würde des Zahnarztberufs schützt, indem sie zum einen jegliche Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung allgemein und ausnahmslos verbietet und zum anderen bestimmte Anforderungen in Bezug auf die Schlichtheit von Zahnarztpraxisschildern aufstellt (10).

Umgekehrt fallen nationale Regelungen, die auf den Schutz der wirtschaftlichen Interessen von Verbrauchern abzielen, selbst wenn dies in Verbindung mit anderen Interessen geschieht, in ihren Anwendungsbereich.

In Bezug auf nationale Vorschriften zum Verbot von Verkäufen mit Zugaben hat der Gerichtshof klargestellt, dass die UGPRL ein allgemeines nationales Verbot von Verkäufen mit Zugaben ausschließt, das nicht nur auf den Schutz der Verbraucher abzielt, sondern auch andere Ziele verfolgt, z. B. die Aufrechterhaltung der Medienvielfalt (11).

In Bezug auf nationale Vorschriften, mit denen ein Ausverkauf nur dann angekündigt werden kann, wenn er von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde bewilligt wurde, stellte der Gerichtshof fest, dass das vorlegende Gericht implizit angenommen habe, dass diese Bestimmung den Schutz der Verbraucher und nicht nur den Schutz der Mitbewerber und der sonstigen Marktteilnehmer bezwecke. Daher sei die UGPRL anwendbar (12).

1.1.2   Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen oder die ausschließlich die wirtschaftlichen Interessen von Wettbewerbern beeinträchtigen

Erwägungsgrund 6

[Diese Richtlinie] erfasst und berührt nicht die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern schädigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen; die Mitgliedstaaten können solche Praktiken, falls sie es wünschen, unter uneingeschränkter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht weiterhin regeln.

Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen („B2B“) fallen nicht in den Anwendungsbereich der UGPRL. Sie unterliegen teilweise der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung des Europäischen Parlaments und des Rates (13). Die Richtlinie (EU) 2019/633 des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Handelspraktiken (14) regelt auch die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette. Die Mitgliedstaaten können durch ihre nationalen Rechtsvorschriften jedoch den Schutz ausweiten, den die UGPRL für Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen vorsieht.

Eine nationale Vorschrift fällt nicht in den Anwendungsbereich der UGPRL, wenn sie nur, wie vom vorlegenden Gericht dargestellt, die Beziehungen zwischen Wettbewerbern regelt und nicht dem Verbraucherschutz dienen soll (15).

Nur solche nationalen Maßnahmen, die ausschließlich dem Schutz der Interessen von Mitbewerbern dienen, fallen nicht in den Anwendungsbereich der UGPRL. Wenn nationale Rechtsvorschriften eine Geschäftspraxis mit dem zweifachen Ziel des Schutzes von Verbrauchern und Mitbewerbern regeln, so liegen sie im Anwendungsbereich der UGPRL.

Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen den Interessen von Verbrauchern und von Mitbewerbern hat der Gerichtshof festgestellt:

„39

… Vom Anwendungsbereich der [UGPRL] sind dementsprechend, wie aus ihrem sechsten Erwägungsgrund hervorgeht, nur solche nationalen Rechtsvorschriften ausgenommen, die unlautere Geschäftspraktiken betreffen, die ‚lediglich‘ die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern schädigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen.

40

… dies [ist] bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Vorschriften ganz offensichtlich nicht der Fall, da … [sie] ausdrücklich auf den Schutz der Verbraucher und nicht lediglich auf den Schutz der Mitbewerber und der anderen Marktteilnehmer abzielen.“ (16)

Die Beurteilung, ob eine nationale Vorschrift darauf abzielt, die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher zu schützen, obliegt den nationalen Behörden.

Diesbezüglich hat der Gerichtshof festgestellt:

„29

Das vorlegende Gericht und nicht der Gerichtshof muss daher klären, ob die fraglichen nationalen Vorschriften… [zur Ankündigung von Preisermäßigungen] tatsächlich dem Verbraucherschutz dienen, damit festgestellt werden kann, ob solche Bestimmungen in den Anwendungsbereich der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken fallen.“ (17)

Außerdem hat der Gerichtshof festgestellt, dass die UGPRL eine nationale Vorschrift ausschließt, die Verlustverkäufe nur dann verbietet, wenn sie nicht dem Verbraucherschutz dienen (18).

Bezüglich der nationalen Vorschriften zum Verbot von Preisermäßigungen in Zeiten vor den Schlussverkaufszeiten hat der Gerichtshof klargestellt, dass derartige Verbote mit der UGPRL nicht vereinbar sind, soweit mit diesen Verboten die wirtschaftlichen Interessen von Verbrauchern geschützt werden sollen (19).

1.2   Zusammenwirken der Richtlinie mit anderen EU-Rechtsvorschriften

Artikel 3 Absatz 4

Kollidieren die Bestimmungen dieser Richtlinie mit anderen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, so gehen die Letzteren vor und sind für diese besonderen Aspekte maßgebend.

Erwägungsgrund 10

Es muss sichergestellt werden, dass diese Richtlinie insbesondere in Fällen, in denen Einzelvorschriften über unlautere Geschäftspraktiken in speziellen Sektoren anwendbar sind[,] auf das geltende Gemeinschaftsrecht abgestimmt ist. … Diese Richtlinie gilt dementsprechend nur insoweit, als keine spezifischen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts vorliegen, die spezielle Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, wie etwa Informationsanforderungen oder Regeln darüber, wie dem Verbraucher Informationen zu vermitteln sind. Sie bietet den Verbrauchern in den Fällen Schutz, in denen es keine spezifischen sektoralen Vorschriften auf Gemeinschaftsebene gibt, und untersagt es Gewerbetreibenden, eine Fehlvorstellung von der Art ihrer Produkte zu wecken. Dies ist besonders wichtig bei komplexen Produkten mit einem hohen Risikograd für die Verbraucher, wie etwa bestimmten Finanzdienstleistungen. Diese Richtlinie ergänzt somit den gemeinschaftlichen Besitzstand in Bezug auf Geschäftspraktiken, die den wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher schaden.

Durch ihren allgemeinen Geltungsbereich ist die Richtlinie auf zahlreiche Geschäftspraktiken anwendbar, die auch durch andere allgemeine oder sektorbezogene EU-Rechtsvorschriften geregelt sind.

1.2.1   Zusammenwirken mit anderen EU-Rechtsvorschriften

Artikel 3 Absatz 4 und Erwägungsgrund 10 enthalten wesentliche Elemente der UGPRL. Dort wird erläutert, dass die UGPRL andere Rechtsvorschriften der EU („Rechtsvorschriften der Gemeinschaft“) ergänzt, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln. Entsprechend gewährleistet die UGPRL als „Sicherheitsnetz“, dass in allen Sektoren ein gemeinsamer Schutz der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken auf hohem Niveau erhalten werden kann – u. a. durch Ergänzung anderer EU-Rechtsvorschriften und durch das Schließen von Lücken in diesen Rechtsvorschriften.

Bei EU-Rechtsvorschriften, sektorbezogenen Vorschriften und bei anderen Rechtsvorschriften, deren Bestimmungen sich mit den Bestimmungen der UGPRL überschneiden, gehen die entsprechenden Bestimmungen der Lex specialis vor. In Artikel 3 Absatz 4 wird diesbezüglich klargestellt: „Kollidieren die Bestimmungen dieser Richtlinie mit anderen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, so gehen die Letzteren vor und sind für diese besonderen Aspekte maßgebend.“

In Verbindung mit Erwägungsgrund 10 ergibt sich aus Artikel 3 Absatz 4, dass EU-Rechtsvorschriften Vorrang vor der UGPRL haben, wenn die drei folgenden Bedingungen erfüllt sind:

Bei der betreffenden Bestimmung handelt es sich um eine EU-Rechtsvorschrift,

sie regelt einen besonderen Aspekt von Geschäftspraktiken, und

es besteht ein Konflikt zwischen den beiden Vorschriften, bzw. der Inhalt der anderen EU-Rechtsvorschrift überschneidet sich mit der maßgeblichen Bestimmung der UGPRL, beispielsweise, weil das jeweilige Verhalten genauer geregelt wird und/oder weil die Vorschrift auf einem bestimmten Sektor anwendbar ist (20).

Beispiele:

Artikel 12 der Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge (21) verbietet grundsätzlich Kopplungspraktiken, bei denen Vereinbarungen über ein Hypothekendarlehen nur zusammen mit einem anderen Finanzprodukt verkauft und nicht getrennt angeboten werden. Dieses Verbot steht als solches im Widerspruch zur UGPRL, weil die Koppelung von Geschäftspraktiken nach der UGPRL zunächst einer Einzelfallprüfung zu unterziehen ist und nur dann verboten ist, wenn sie nach dieser Einzelfallprüfung als unlauteres Verhalten eingestuft wird. Artikel 12 der Richtlinie hat Vorrang vor den allgemeinen Vorschriften der UGPRL. Daher sind Kopplungspraktiken im Sinne des Artikels 12 der Richtlinie über Hypothekarkredite als solche verboten.

Wenn alle drei genannten Bedingungen erfüllt sind, ist die UGPRL nicht auf den jeweiligen besonderen Aspekt der geregelten Geschäftspraxis (z. B. einer sektorbezogenen Vorschrift) anwendbar. Die UGPRL ist jedoch für die Bewertung anderer Aspekte der betreffenden Geschäftspraktiken maßgeblich, die den sektorbezogenen Vorschriften nicht unterliegen (beispielsweise aggressives Geschäftsverhalten eines Gewerbetreibenden).

Beispiele:

Wenn ein Verbraucher zu einem anderen Telekommunikationsanbieter wechseln möchte, verlangt der bisherige Anbieter, dass der Verbraucher ein Formular ausfüllt. Das Formular ist jedoch nicht online zugänglich, und der Anbieter antwortet nicht auf E-Mails/Anrufe des Verbrauchers. In Artikel 106 des europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (22) ist vorgesehen, dass Teilnehmer bei einem Anbieterwechsel ihre Telefonnummer behalten können und dass die Portierung der Rufnummer rasch erfolgt und nicht mit übermäßigen Kosten verbunden ist. In Artikel 106 Absatz 6 des europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation ist ferner vorgesehen, dass die Anbieter nach Treu und Glauben zusammenarbeiten müssen und das Verfahren nicht verzögern oder missbrauchen dürfen. Die nationalen Regulierungsbehörden sind dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass der Wechsel für den Endnutzer effizient und einfach ist. Darüber hinaus können die Praktiken der Gewerbetreibenden in Bezug auf den Anbieterwechsel nach Artikel 8 und nach Artikel 9 Buchstabe d der UGPRL bewertet werden, die unverhältnismäßige Hindernisse nicht vertraglicher Art für einen Wechsel als aggressive Geschäftspraxis verbieten.

Daraus ergibt sich, dass die Anwendung der UGPRL nicht nur deshalb generell ausgeschlossen wird, weil andere EU-Rechtsvorschriften besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln.

Der Gerichtshof stellte in der Rechtssache Abcur (23) Folgendes fest:

„… möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob für den Fall, dass Humanarzneimittel wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unter die Richtlinie 2001/83 fallen sollten, Werbemaßnahmen für diese Arzneimittel… auch unter die Richtlinie 2005/29 fallen können.

Wie der Gerichtshof festgestellt hat, ist die Richtlinie 2005/29 durch einen besonders weiten sachlichen Anwendungsbereich gekennzeichnet, der alle Geschäftspraktiken erfasst, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängen. …

Nach alledem ist… zu antworten, dass auch für den Fall, dass Humanarzneimittel wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unter die Richtlinie 2001/83 fallen sollten, Werbemaßnahmen für diese Arzneimittel… ebenfalls unter die Richtlinie 2005/29 fallen können, sofern die Anwendungsvoraussetzungen dieser Richtlinie vorliegen.“

Daher kann die UGPRL nur ergänzend zu und zusammen mit sektorbezogenen EU-Rechtsvorschriften angewendet werden, da die besonderen Anforderungen anderer EU-Rechtsvorschriften gewöhnlich die allgemeinen Vorschriften der UGPRL ergänzen. In der Regel kann die UGPRL dazu dienen, zu verhindern, dass Gewerbetreibende die nach den sektorbezogenen Rechtsvorschriften erforderlichen Informationen in irreführender oder aggressiver Weise bereitstellen, wenn der betreffende Aspekt in den sektorspezifischen Vorschriften nicht ausdrücklich geregelt ist.

Das Zusammenwirken mit den Informationspflichten in sektorspezifischen EU-Instrumenten wurde in der Rechtssache Dyson/BSH (24) deutlich. In diesem Fall ging es um die Kennzeichnung von Staubsaugern und die Frage, ob das Fehlen spezifischer Angaben zu den Testbedingungen, die nach den vorliegenden sektorspezifischen Vorschriften nicht erforderlich sind, (25) eine irreführende Unterlassung darstellen könnte. Der Gerichtshof bestätigte, dass im Falle eines Konflikts zwischen der UGPRL und sektorspezifischen Rechtsvorschriften letztere Vorrang haben, was in diesem Fall bedeutete, dass Informationen, die nicht durch das EU-Energieetikett vorgeschrieben sind, nicht als „wesentliche Informationen“ gelten und dass andere Informationen nicht angezeigt werden dürfen.

Das Zusammenwirken mit sektorspezifischen Vorschriften wurde auch in der Rechtssache Mezina (26) behandelt. In diesem Fall ging es um gesundheitsbezogene Angaben zu natürlichen Nahrungsergänzungsmitteln. Die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (27) gilt für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die in der kommerziellen Kommunikation gemacht werden, sei es bei der Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung von Lebensmitteln, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen. Im Falle eines Konflikts zwischen den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 und der UGPRL haben erstere in Bezug auf gesundheitsbezogene Angaben Vorrang.

1.2.2.   Nach anderen EU-Rechtsvorschriften als „wesentlich“ eingestufte Informationen

In der UGPRL ist vorgesehen, dass im Gemeinschaftsrecht festgelegte Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation als „wesentlich“ angesehen werden.

Artikel 7 Absatz 5

(5)

Die im Gemeinschaftsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung oder Marketing, auf die in der nicht erschöpfenden Liste des Anhangs II verwiesen wird, gelten als wesentlich.

Solche Informationsanforderungen finden sich in einer Reihe sektorspezifischer EU-Rechtsvorschriften. Beispiele:

Umwelt (z. B. die Verordnung zur Festlegung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung (28) und damit zusammenhängende delegierte Verordnungen, die Ökodesign-Richtlinie (29) und damit zusammenhängende delegierte Verordnungen, die Verordnung über die Kennzeichnung von Reifen (30) und die Kraftstoffverbrauch-Richtlinie (31)),

Finanzdienstleistungen (z. B. Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (32), Richtlinie über Zahlungsdienste (33), Verbraucherkreditrichtlinie (34), Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge (35), Richtlinie über Zahlungskonten (36) und Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIPs) (37)),

Gesundheit (z. B. die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (38)),

elektronische Kommunikationsdienste (europäischer Kodex für die elektronische Kommunikation (39)),

Verkehr (z. B. Verordnung über Luftverkehrsdienste (40), Verordnungen über Fluggastrechte (41)),

Lebensmittelbereich (z. B. die Verordnung zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts (42) und die Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (43)).

Diese Informationsanforderungen sind häufig konkreter als die Informationsanforderungen der UGPRL.

Nach Artikel 7 Absatz 5 der UGPRL gelten diese Informationsanforderungen „ als wesentlich “.

Beispiele:

Nach Artikel 23 der Verordnung über Luftverkehrsdienste müssen Luftfahrtunternehmen, ihre Bevollmächtigten und sonstige Flugscheinverkäufer beim Angebot von Flugscheinen den Endpreis aufschlüsseln (z. B. Luftfracht, Gebühren, Flughafenentgelte und sonstige Gebühren und Entgelte (wie etwa diejenigen, die mit der Sicherheit oder dem Kraftstoff in Zusammenhang stehen)). Dies sind wesentliche Informationen im Sinne von Artikel 7 Absatz 5 UGPRL.

Dementsprechend kann das Unterlassen solcher Informationen als irreführende Geschäftspraxis im Sinne der UGPRL gelten, sofern die allgemeine Prüfung auf Vorliegen einer geschäftlichen Entscheidung durchgeführt wird, d. h., wenn das Unterlassen den Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder dazu geeignet ist, eine solche Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte. Der Begriff der „wesentlichen Informationen“ im Sinne der UGPRL wird in Abschnitt 2.9.1 erörtert.

Nach Erwägungsgrund 15 können die Mitgliedstaaten vertragliche Informationsanforderungen aufrechterhalten oder ergänzen, wenn dies nach Maßgabe der Bestimmungen der bestehenden EU-Rechtsakte über mindestens vorzunehmende Angleichungen zulässig ist.

Beispiele:

Die Mitgliedstaaten können zusätzliche vorvertragliche Vorschriften für Verkäufe in Geschäftsräumen einführen, die der Bestimmung über die erforderliche Mindestangleichung nach Artikel 5 Absatz 4 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher unterliegen.

1.2.3   Zusammenwirken mit der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher

Die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher (44) gilt für alle Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern mit Ausnahme der Bereiche, die von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sind, wie Finanz- und Gesundheitsdienstleistungen. Mit ihr werden die vorvertraglichen Informationspflichten für Fernabsatz- (einschließlich Online-) und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (d. h. Verträge, die nicht in regulären Ladengeschäften geschlossen werden; siehe Artikel 2 Nummer 8 der Richtlinie für die vollständige Begriffsbestimmung) vollständig harmonisiert. Gleichzeitig werden die Mitgliedstaaten nach Artikel 6 Absatz 8 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher nicht daran gehindert, zusätzliche Informationspflichten gemäß der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen (45) und der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den elektronischen Geschäftsverkehr (46) vorzusehen (weitere Informationen finden sich in den Leitlinien zur Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, Abschnitt 4.1.1 (47)). Bei anderen Verträgen, insbesondere bei Verträgen, die in regulären Ladengeschäften geschlossen werden („innerhalb von Geschäftsräumen geschlossene“ Verträge) können die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie zusätzliche vorvertragliche Informationspflichten einführen oder aufrechterhalten (Artikel 5 Absatz 4). In der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher sind auch bestimmte vertragliche Rechte, insbesondere das Widerrufsrecht, geregelt.

Die in der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher enthaltenen vorvertraglichen Informationspflichten sind ausführlicher als die in Artikel 7 Absatz 4 UGPRL dargelegten Informationsanforderungen in Bezug auf Aufforderungen zum Kauf. Eine Aufforderung zum Kauf betrifft nach der UGPRL sowohl die in der Werbephase bereitgestellten Informationen (Werbung) als auch die Informationen, die vor der Vertragsunterzeichnung zur Verfügung gestellt werden. Bei den letztgenannten Informationen kann eine Überschneidung zwischen den Informationsanforderungen nach Artikel 7 Absatz 4 UGPRL und den vorvertraglichen Informationspflichten der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher bestehen. Der Unterschied zwischen den vorvertraglichen Informationspflichten und einer Aufforderung zum Kauf wird in Abschnitt 2.9.5 eingehender erläutert.

Angesichts des umfassenderen Rahmens der Informationspflichten nach Maßgabe der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher dürften in der Regel auch die Anforderungen nach Artikel 7 Absatz 4 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher hinsichtlich des Gegenstands der Informationen erfüllt sein, wenn die in der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher vorgesehenen Verpflichtungen in der vorvertraglichen Phase erfüllt werden. Bei der Beurteilung irreführender oder aggressiver Geschäftspraktiken eines Gewerbetreibenden, auch in Bezug auf die Form und die Darstellung dieser Informationen für die Verbraucher, ist die UGPRL jedoch weiterhin anwendbar.

Ein weiteres Beispiel für die sich ergänzenden Instrumente sind die Folgen von Trägheitsverkäufen, die nach Anhang I Ziffern 21 und 29 UGPRL verboten sind. In Artikel 27 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher heißt es dort mit Bezug auf Trägheitsverkäufe, dass „der Verbraucher von der Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung befreit“ ist und dass in diesen Fällen „das Ausbleiben einer Antwort des Verbrauchers … nicht als Zustimmung“ gilt.

Der Begriff des „Trägheitsverkaufs“ wurde vom Gerichtshof weiter ausgelegt. Der Gerichtshof stellte fest, dass es den nationalen Gerichten obliegt, im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften zu beurteilen, ob beispielsweise zwischen einem Wasserversorgungsunternehmen und einem Verbraucher ohne dessen ausdrückliche Zustimmung ein Vertragsschluss angenommen werden kann, da weder die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher noch die UGPRL das Zustandekommen von Verträgen regeln (48).

In diesem Zusammenhang stellte der Gerichtshof auch klar, dass Anhang I Ziffer 29 keine Geschäftspraxis eines Wasserversorgungsnetzes einschließt, die darin besteht, beim Einzug eines Verbrauchers in eine vorher bewohnte Wohnung ohne entsprechenden Antrag des Verbrauchers den Anschluss an das öffentliche Trinkwasserversorgungsnetz aufrechtzuerhalten, soweit der Verbraucher keine Möglichkeit zur Auswahl eines Lieferanten hat, dieser Tarife in Rechnung stellt, die kostendeckend, transparent, nichtdiskriminierend und verbrauchsabhängig sind und dem Verbraucher bewusst ist, dass die Wohnung an das öffentliche Wasserversorgungsnetz angeschlossen und die Lieferung von Wasser entgeltlich ist (49).

Der Gerichtshof stellte ferner klar, dass Artikel 27 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher in Verbindung mit Artikel 5 Absätze 1 und 5 UGPRL einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, wonach jeder Eigentümer einer Wohnung in einem in Miteigentum stehenden Gebäude, das an ein Fernwärmenetz angeschlossen ist, sich an den Kosten des Wärmeenergieverbrauchs der gemeinschaftlichen Teile und der internen Anlage des Gebäudes beteiligen muss, obwohl sie die Wärmelieferung nicht individuell bestellt haben und die Wärme in ihrer Wohnung nicht nutzen, da der Vertrag auf Antrag der Mehrheit der Eigentümer geschlossen wurde (50).

1.2.4   Zusammenwirken mit der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen

Die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (51) ist auf alle Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern anwendbar und betrifft Vertragsbedingungen, die im Vorfeld nicht einzeln verhandelt wurden (z. B. vorformulierte Standardklauseln). Vertragsklauseln können auf der Grundlage eines allgemeinen Verbots (52), einer indikativen Liste potenziell missbräuchlicher Klauseln (53) oder einer Verpflichtung zur transparenten Abfassung von Klauseln, d. h. in klarer und verständlicher Sprache (54), als missbräuchlich angesehen werden. Im Gegensatz zur UGPRL, die das Vertragsrecht unberührt lässt und keine Annullierung von Verträgen aufgrund unlauterer Geschäftspraktiken vorsieht, haben Verstöße gegen die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln vertragliche Folgen: Nach Artikel 6 Absatz 1 dieser Richtlinie sind missbräuchliche Klauseln in einem Vertrag mit einem Verbraucher „für den Verbraucher unverbindlich“ (55).

Zusammenhang zwischen missbräuchlichen Vertragsklauseln und unlauteren Geschäftspraktiken

Die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen gilt für Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern in allen Wirtschaftszweigen, sodass sie parallel zu anderen Bestimmungen des EU-Rechts, einschließlich anderer Verbraucherschutzvorschriften wie der UGPRL, gelten kann.

Der Gerichtshof hat in der Rechtssache Pereničová und Perenič bestimmte Elemente der Beziehung zwischen diesen Richtlinien erläutert. Gegenstand dieser Rechtssache war eine Kreditvereinbarung, bei der der angegebene Jahreszins unter dem effektiven Zinssatz lag (56).

Der Gerichtshof gelangte zu dem Schluss, dass derartige fehlerhafte Informationen über den Gesamtpreis des Kredits in den Vertragsbestimmungen „irreführend“ im Sinne der UGPRL sind, wenn die Informationen die Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen oder veranlassen könnten, die sie ansonsten nicht getroffen hätten.

Die Tatsache, dass ein Gewerbetreibender auf eine solche unlautere Geschäftspraxis zurückgegriffen hat, stellt einen der Anhaltspunkte dar, die bei der Beurteilung des missbräuchlichen Charakters der Vertragsklauseln nach der Richtlinie über missbräuchliche von Vertragsklauseln zu berücksichtigen sind (57). Dieser Anhaltspunkt kann insbesondere herangezogen werden, um festzustellen, ob eine darauf beruhende Vertragsklausel ein „erhebliches Missverhältnis“ bei den sich aus dem Vertrag ergebenden Rechten und Pflichten zum Nachteil des Verbrauchers gemäß Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen schafft. Desgleichen könnte dieser Anhaltspunkt bei der Beurteilung der Frage, ob eine Vertragsklausel gemäß Artikel 4 Absatz 2 und Artikel 5 der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen transparent ist, von Bedeutung sein (58). Zugleich hat die Feststellung, dass ein Gewerbetreibender auf eine unlautere Geschäftspraxis zurückgegriffen hat, keinen unmittelbaren Einfluss darauf, ob der Vertrag nach Artikel 6 Absatz 1 dieser Richtlinie gültig ist, unbeschadet nationaler Vorschriften, nach denen der auf der Grundlage unlauterer Geschäftspraktiken geschlossene Vertrag insgesamt nichtig ist (59).

Der Gerichtshof hat sich nicht direkt zu der Frage geäußert, ob die Verwendung missbräuchlicher Vertragsklauseln nach der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen im Umkehrschluss als unlautere Geschäftspraxis nach der UGPRL anzusehen ist. Es kann jedoch angeführt werden, dass die Verwendung solcher missbräuchlicher Vertragsklauseln, die für den Verbraucher rechtlich unverbindlich sind, in einigen Fällen für die Feststellung einer unlauteren Geschäftspraxis relevant sein kann. Insbesondere kann es sich um eine irreführende Handlung im Sinne von Artikel 6 UGPRL handeln, wenn sie zu falschen Informationen oder zur Irreführung des Durchschnittsverbrauchers über die Rechte und Pflichten der Vertragspartei führt. Darüber hinaus sollte der Rückgriff auf intransparente Vertragsklauseln, die nicht klar und verständlich formuliert sind, wie in Artikel 4 Absatz 2 und Artikel 5 der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vorgesehen, bei der Beurteilung der Transparenz wesentlicher Informationen und des Vorliegens einer irreführenden Unterlassung gemäß Artikel 7 UGPRL berücksichtigt werden (60). Ferner könnte die Verwendung missbräuchlicher Vertragsklauseln darauf hindeuten, dass ein Gewerbetreibender die Anforderungen an die berufliche Sorgfalt gemäß Artikel 5 UGPRL nicht erfüllt hat.

Nur in wenigen Mitgliedstaaten sind die Verbraucherschutzbehörden in besonderer Weise befugt, im Bereich der Vertragsbedingungen vorzugehen und ohne vorherigen Gerichtsbeschluss gegen den jeweiligen Gewerbetreibenden die Verwendung nicht verhandelter Standard-Vertragsbedingungen zu verbieten, die sie als missbräuchlich betrachten (61).

Prüfung von Amts wegen

Der Gerichtshof hat einheitlich festgestellt, dass nationale Gerichte verpflichtet sind, missbräuchliche Vertragsklauseln von Amts wegen zu prüfen (62) (d. h. in Fällen, in denen die Feststellung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln nicht vom Verbraucher beantragt wird). Diese Verpflichtung ergibt sich aus Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, wonach missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind, sowie aus dem Grundsatz der Wirksamkeit, demzufolge nationale Umsetzungsmaßnahmen die Ausübung der den Verbrauchern durch das EU-Recht verliehenen Rechte in der Praxis nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (63). Das Erfordernis einer Prüfung von Amts wegen wurde mit der Erwägung gerechtfertigt, dass das durch die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen geschaffene Schutzsystem auf dem Gedanken beruht, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwachen Position befindet, und zwar sowohl in Bezug auf die Verhandlungsmacht als auch auf den Wissensstand, was dazu führt, dass der Verbraucher den vom Gewerbetreibenden im Voraus aufgestellten Klauseln zustimmt, ohne den Inhalt dieser Klauseln beeinflussen zu können (64). Daher besteht die reale Gefahr, dass sich die Verbraucher, insbesondere aus Unkenntnis, nicht auf die Rechtsnorm verlassen, die sie eigentlich schützen soll.

Der Gerichtshof hat in der Rechtssache Bankia (65) darauf hingewiesen, dass ein nationales Gericht, das die Angemessenheit von Vertragsklauseln im Lichte der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – auch von Amts wegen – prüft, die Möglichkeit hat, im Rahmen dieser Prüfung die Unlauterkeit einer Geschäftspraxis zu beurteilen, auf deren Grundlage dieser Vertrag beruht (66).

Im Gegensatz dazu entschied der Gerichtshof, dass die nationalen Gerichte in den anderen Fällen nicht verpflichtet sind, von Amts wegen zu prüfen, ob ein bestimmter Vertrag oder eine seiner Bestimmungen unter dem Einfluss unlauterer Geschäftspraktiken geschlossen wurde (67). Insbesondere stellte der Gerichtshof fest, dass die nationalen Gerichte während des Hypothekenvollstreckungsverfahren nicht in der Lage sein müssen, zu prüfen, ob der vollstreckbare Titel gegen die UGPRL verstößt, da den nationalen Gerichten keine solche Verpflichtung durch die Richtlinie auferlegt wird.

Diese Auslegung wurde damit begründet, dass die UGPRL im Gegensatz zu Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen keine vertraglichen Folgen vorsieht. Ferner erklärte der Gerichtshof, dass die UGPRL, insbesondere ihr Artikel 11, keine Anforderung enthält, die mit Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vergleichbar sind, der nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die keine Möglichkeit einstweiliger Maßnahmen in Vollstreckungsverfahren vorsehen. Das Fehlen eines einstweiligen Rechtsschutzes würde die den Verbrauchern nach der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe auf einen bloßen nachträglichen Schutz mit reinem Entschädigungscharakter beschränken, wenn die Vollstreckungsmaßnahmen vor dem Urteil des Gerichts erfolgt, mit dem die Vertragsklausel, auf die sich die Hypothek stützt, für missbräuchlich erklärt und das Vollstreckungsverfahren aufgehoben wird (68).

Mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union werden jedoch in einem neuen Artikel 11a der UGPRL individuelle Rechtsbehelfe für Opfer von Verstößen gegen die Bestimmungen der UGPRL eingeführt, die ab dem 28. Mai 2022 gelten. Nach dieser neuen Bestimmung sollten Verbraucher, die durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigt wurden, Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen erhalten, einschließlich Ersatz des dem Verbraucher entstandenen Schadens sowie gegebenenfalls Preisminderung oder Beendigung des Vertrags (für weitere Informationen siehe Abschnitt 1.4). Die Aufnahme dieser klaren und eindeutigen neuen Bestimmung könnte dazu führen, dass das Erfordernis einer Prüfung von Amts wegen auf unlautere Geschäftspraktiken nach der UGPRL ausgedehnt wird (was vom Gerichtshof zu bestätigen wäre).

1.2.5   Zusammenwirken mit der Richtlinie über Preisangaben

Gemäß der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse (69) (im Folgenden „Richtlinie über Preisangaben“) müssen Händler den Verkaufspreis und den Preis je Maßeinheit bei Erzeugnissen angeben, um den Preisvergleich durch den Verbraucher zu erleichtern. Darüber hinaus wurden mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 spezifische Bestimmungen für „Preisermäßigungen“ in die Richtlinie über Preisangaben aufgenommen.

Hinsichtlich des Zusammenwirkens der UGPRL und den Anforderungen der Richtlinie über Preisangaben in Bezug auf die Angabe des Verkaufspreises hat der Gerichtshof in der Rechtssache Citroën (Rn. 44–46) klargestellt, dass die Richtlinie über Preisangaben bestimmte Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern im Sinne von Artikel 3 Absatz 4 UGPRL regelt, nämlich diejenigen, die sich auf die Angabe des Verkaufspreises der Waren in Verkaufsangeboten und in der Werbung beziehen (70). Daher ist die Richtlinie über Preisangaben und nicht die UGPRL (Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c) anwendbar, „[d]a der Aspekt des Verkaufspreises, der in einer Werbung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden angegeben ist, durch die Richtlinie 98/6 geregelt wird“.

In diesem Fall war der relevante Aspekt das Versäumnis des Händlers, als Verkaufspreis den Endpreis anzugeben, d. h. den Preis einschließlich der zusätzlichen, obligatorisch anfallenden Kosten, die in der Werbung für das Auto gesondert genannt wurden. Dementsprechend steht Artikel 2 der Richtlinie über Preisangaben, in der der Endpreis einschließlich aller Steuern und Abgaben definiert wird, der Anwendung anderer Anforderungen des Artikels 7 Absatz 4 Buchstabe c UGPRL nicht entgegen, die dort nicht geregelt sind. Insbesondere müssen Händler die Anforderungen der UGPRL erfüllen, wonach eine Aufforderung zum Kauf auch Informationen über mögliche zusätzliche Kosten enthalten muss, wenn diese vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können.

Die mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 eingeführten Änderungen an der Richtlinie über Preisangaben verpflichten die Mitgliedstaaten, besondere Vorschriften für Preisnachlässe zu erlassen (71). Gemäß Artikel 6a muss der Händler bei der Bekanntgabe einer „Preisermäßigung“ den „vorherigen Preis“ angeben, den der Händler innerhalb eines Zeitraums von mindestens 30 Tagen vor der Anwendung der Preisermäßigung angewandt hat.

Analog zu den Feststellungen des Gerichtshofs in der Rechtssache Citroën sollten die besonderen Vorschriften der Richtlinie über Preisangaben über Preisermäßigungen Vorrang vor der UGPRL haben, soweit es sich um die Aspekte der Preisermäßigung handelt, die in diesen besonderen Vorschriften geregelt sind, d. h. um die Definition und Angabe des „früheren“ Preises bei der Bekanntgabe von Preisermäßigungen. Allerdings bleibt die UGPRL auf andere Aspekte von Preisermäßigungen anwendbar, insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d über irreführende Behauptungen über das Vorliegen eines Preisvorteils. Sie könnte sich beispielsweise auf verschiedene irreführende Aspekte von Preisermäßigungspraktiken beziehen, z. B.:

übermäßig lange Zeiträume, in denen die angekündigten Preisermäßigungen gelten, im Vergleich zu dem Zeitraum, in dem die Waren zum „vollen“ Preis verkauft werden,

Werbung mit dem Hinweis „bis zu 70 % Rabatt“, wenn nur einige wenige Artikel um 70 % und die übrigen um einen geringeren Prozentsatz reduziert sind.

Solche Praktiken könnten als Verstoß gegen die UGPRL (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d) betrachtet werden, wobei eine Einzelfallprüfung vorzunehmen wäre, auch wenn der Gewerbetreibende die Anforderungen der Richtlinie über Preisangaben in Bezug auf die Definition und Angabe des „früheren“ Preises erfüllt hat. Umgekehrt könnte ein Händler, der gegen die Vorschriften der Richtlinie über Preisangaben über Preisermäßigungen, d. h. die Definition und Angabe des „früheren“ Preises, verstößt, auch gegen die UGPRL verstoßen.

Darüber hinaus gilt die Richtlinie über Preisangaben lediglich für materielle Güter und nicht für Dienstleistungen und digitale Inhalte, sodass die allgemeinen Vorschriften der UGPRL weiterhin in vollem Umfang auf die Preisermäßigungspraktiken für diese anderen Erzeugnisse anwendbar sind.

Da die Richtlinie für Preisangaben nur für „Preisermäßigungen“ im Sinne der darin enthaltenen Begriffsbestimmung gilt, bleibt die UGPRL in vollem Umfang anwendbar und regelt auch andere Arten von Praktiken zur Förderung von Preisvorteilen, z. B. Vergleiche mit anderen Preisen, kombinierte oder gekoppelte bedingte Angebote und Treueprogramme (siehe Abschnitt 2.8.2). Die UGPRL gilt auch für personalisierte Preise (siehe Abschnitt 4.2.8).

1.2.6   Zusammenwirken mit der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung

Die Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung (72) gilt für den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen. Die Vorschriften dieser Richtlinie in Bezug auf vergleichende Werbung ermöglichen jedoch weiterhin eine auf vollständig angeglichenen Kriterien beruhende Prüfung, ob vergleichende Werbung auch im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen rechtmäßig ist (73).

Nach Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a UGPRL gilt eine Geschäftspraxis einschließlich vergleichender Werbung als irreführend, wenn sie eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt, Warenzeichen, Warennamen oder anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers begründet. Gemäß Artikel 4 Buchstabe a der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung ist vergleichende Werbung zudem dann nicht zulässig, wenn sie im Sinne der Artikel 6 und 7 UGPRL irreführend ist.

Insoweit nehmen diese beiden Richtlinien wechselseitig aufeinander Bezug. Die Bedingungen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit vergleichender Werbung nach Artikel 4 der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung sind für den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und für den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen gleichermaßen von Bedeutung; sie sind verhältnismäßig weit gefasst und berücksichtigen auch einige mit unlauterem Wettbewerb verbundene Aspekte (z. B. die Verunglimpfung von Marken). Daher werden mit der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung einerseits für den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern Bedingungen für derartige Bewertungen nach Maßgabe der UGPRL und andererseits für den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen für Gewerbetreibende (in erster Linie Wettbewerber) zusätzliche Anforderungen festgelegt.

Für diejenigen Mitgliedstaaten, die die Bestimmungen der UGPRL vollständig oder teilweise auf den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen ausgeweitet haben, werden die in nationale Rechtsvorschriften umgesetzten Bestimmungen der UGPRL in der Praxis an die Stelle der die Beziehungen zwischen Unternehmen betreffenden Vorschriften der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung treten. Einige Länder haben zudem spezifische Vorschriften für den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen eingeführt.

Der Gerichtshof untersuchte das Zusammenwirken der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung und der UGPRL in der Rechtssache Carrefour (74), in der es um vergleichende Werbung ging, die gemäß Artikel 7 UGPRL irreführend sein könnte. Die Praxis bestand darin, in der Werbung die Preise von Produkten zu vergleichen, die in Geschäften unterschiedlicher Größe und Art vertrieben werden, wenn diese Geschäfte Teil von Handelsgruppen sind, von denen jede eine Reihe von Geschäften unterschiedlicher Größe und Art umfasst (z. B. Verbrauchermärkte und Supermärkte), und wenn der Werbende die Preise, die in den Geschäften größeren Umfangs oder größerer Art seiner Handelsgruppe verlangt werden, mit den Preisen vergleicht, die in Geschäften kleineren Umfangs oder kleinerer Art konkurrierender Handelsgruppen ermittelt wurden. Der Gerichtshof vertrat die Auffassung, dass diese Art von Werbepraxis im Sinne von Artikel 4 Buchstaben a und c der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung in Verbindung mit Artikel 7 Absätze 1 bis 3 UGPRL rechtswidrig sein könnte, es sei denn, die Verbraucher werden eindeutig und in der Werbung selbst darauf hingewiesen, dass der Vergleich zwischen den Preisen, die in den Geschäften größeren Umfangs oder größerer Art der Handelsgruppe des Werbenden verlangt werden, und den Preisen stattgefunden hat, die in Geschäften kleineren Umfangs oder kleinerer Art konkurrierender Handelsgruppen ermittelt wurden (75).

1.2.7   Zusammenwirken mit der Dienstleistungsrichtlinie

Im Gegensatz zu sektorbezogenen Rechtsvorschriften verfügt die Dienstleistungsrichtlinie (76) über einen breiten horizontalen Anwendungsbereich. Sie gilt mit wenigen Ausnahmen allgemein für Dienstleistungen gemäß der Definition im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Somit ist sie im Verhältnis zur UGPRL nicht als Lex specialis im Sinne von Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie anzusehen.

Entsprechend gelten die Informationsanforderungen nach Artikel 22 der Dienstleistungsrichtlinie zusätzlich zu den Informationsanforderungen für Aufforderungen zum Kauf gemäß Artikel 7 Absatz 4 UGPRL.

1.2.8   Zusammenwirken mit der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr

Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (77) ist auf Dienste der Informationsgesellschaft anwendbar. Zu diesen Diensten zählen normalerweise auch die Dienstleistungen der Betreiber von Websites und Online-Plattformen, auf denen Verbraucher Waren oder Dienstleistungen kaufen können.

In Artikel 5 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr werden allgemeine Informationspflichten für Diensteanbieter beschrieben. Artikel 6 enthält Bestimmungen zu den erforderlichen Angaben in der kommerziellen Kommunikation. Die Informationspflichten in diesen beiden Artikeln sind nicht erschöpfend.

Nach Artikel 6 müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Gewerbetreibende Angebote zur Verkaufsförderung (Preisnachlässe, Zugaben, Geschenke usw.) eindeutig kennzeichnen, soweit sie in den Mitgliedstaaten der Niederlassung des Diensteanbieters zulässig sind; außerdem müssen die Bedingungen für die Inanspruchnahme dieser Angebote leicht zugänglich sein und klar und eindeutig angegeben werden.

Die Kommission veröffentlichte am 15. Dezember 2020 Vorschläge für ein Gesetz über digitale Dienste (78) und ein Gesetz über digitale Märkte (79). Mit dem Gesetz über digitale Dienste sollen die Vorschriften für den elektronischen Handel und Plattformen in der EU überarbeitet und ausgeweitet werden, und mit dem Gesetz über digitale Märkte sollen bestimmten Diensten, die von sogenannten Gatekeepern betrieben werden, zusätzliche Verpflichtung auferlegt werden (80).

1.2.9   Zusammenwirken mit der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste

Die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) (81) ist auf lineare und nichtlineare audiovisuelle Mediendienste (d. h. Fernsehsendungen und Mediendienste auf Abruf) anwendbar; zu diesen Mediendiensten kann auch audiovisuelle kommerzielle Kommunikation zählen, mit der Waren oder Dienstleistungen mittelbar oder unmittelbar beworben werden (z. B. Fernsehwerbung, Sponsoring, Teleshopping oder Produktplatzierung).

Artikel 5 der AVMD-Richtlinie enthält allgemeine Informationsanforderungen für Diensteanbieter. In Artikel 9 werden die Anforderungen an audiovisuelle kommerzielle Kommunikation beschrieben. Gegenstand der Artikel 10 und 11 sind die Bedingungen für Sponsoring und für Produktplatzierungen in audiovisuellen Mediendiensten. Die AVMD-Richtlinie sieht auch weitere strengere Kriterien ausschließlich für Fernsehwerbung und für Teleshopping vor (Kapitel VII über Fernsehwerbung und Teleshopping).

Mit der Überarbeitung der Richtlinie (82) im Jahr 2018 wurden einige dieser Vorschriften auf Video-Sharing-Plattform-Dienste ausgedehnt (Artikel 28b). Sie müssen nunmehr die Anforderungen des Artikels 9 Absatz 1 in Bezug auf audiovisuelle kommerzielle Kommunikation, die von diesen Video-Sharing-Plattform-Anbietern vermarktet, verkauft oder zusammengestellt wird, erfüllen und angemessene Maßnahmen ergreifen, um die Anforderungen in Bezug auf audiovisuelle kommerzielle Kommunikation, die nicht vermarktet, verkauft oder zusammengestellt wird, zu erfüllen. Die überarbeitete Richtlinie enthält auch Offenlegungspflichten für die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation auf Video-Sharing-Plattform-Diensten. Die Kommission hat Leitlinien für die praktische Anwendung des Kriteriums der wesentlichen Funktion aus der Begriffsbestimmung für „Video-Sharing-Plattform-Dienst“ (83) angenommen.

Die UGPRL gilt für unlautere Geschäftspraktiken in Verbindung mit audiovisuellen Mediendiensten (z. B. irreführende und aggressive Praktiken), soweit diese nicht durch die oben genannten Bestimmungen geregelt sind.

1.2.10   Zusammenwirken mit der Datenschutz-Grundverordnung und der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation

Die Achtung des Privat- und Familienlebens und der Schutz personenbezogener Daten sind Grundrechte gemäß Artikel 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Nach Artikel 7 hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation. In Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten enthält Artikel 8 Absatz 2 der Charta die wesentlichen Grundsätze für den Datenschutz (Verarbeitung nach Treu und Glauben, Einwilligung oder gesetzlich geregelte legitime Grundlage, Recht auf Auskunft und Möglichkeit der Berichtigung). Nach Artikel 8 Absatz 3 der Charta wird die Einhaltung der Datenschutzvorschriften von einer unabhängigen Stelle überwacht (84).

Die Datenschutz-Grundverordnung (85) (DSGVO) regelt den Schutz personenbezogener Daten und den freien Datenverkehr. Die Datenschutzbestimmungen werden von nationalen Aufsichtsbehörden und Gerichten durchgesetzt. Die DSGVO gilt für die Verarbeitung „personenbezogener Daten“. Als personenbezogene Daten werden alle Informationen über eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person („betroffene Person“) bezeichnet. Als identifizierbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind.

Die Verarbeitung personenbezogener Daten, die die Erhebung und das Speichern personenbezogener Daten beinhaltet, muss rechtmäßig und nach Treu und Glauben erfolgen. Ein Aspekt einer Verarbeitung nach Treu und Glauben ist, dass die betroffene Person maßgebliche Informationen erhält, einschließlich des Zwecks der Verarbeitung, unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände, unter denen die Daten erhoben werden. Damit personenbezogene Daten nach Treu und Glauben und rechtmäßig verarbeitet werden können, müssen die Datenschutzgrundsätze eingehalten werden, und für jegliche Verarbeitungstätigkeit muss mindestens einer der sechs Gründe für eine rechtmäßige Verarbeitung gegeben sein (siehe Artikel 6 Absatz 1 DSGVO), beispielsweise die Einwilligung der betroffenen Person. Ein weiterer Aspekt ist, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche nach dem Unionsrecht oder dem Recht eines Mitgliedstaats gesetzlich verpflichtet ist, die Daten zu verarbeiten (z. B. aufgrund des „Know-your-Customer-Prinzips“).

Die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (86) präzisiert und ergänzt die DSGVO in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation insoweit, als sie den freien Verkehr solcher Daten und elektronischer Kommunikationsdienste erleichtert. Insbesondere ist in Artikel 5 Absatz 3 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation die Einwilligung der Nutzer zur Verwendung von „Cookies“ oder zur Nutzung sonstiger Formen des Zugangs zu Informationen und des Speicherns von Informationen auf dem Gerät eines Nutzers (z. B. einem Tablet oder einem Smartphone) vorgesehen, es sei denn, eine solche Speicherung oder ein solcher Zugang ist für die Übermittlung einer Nachricht oder für die Bereitstellung eines vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Dienstes der Informationsgesellschaft erforderlich.

Die Online-Welt ist zunehmend von datenbezogenen Geschäftsstrukturen geprägt. Insbesondere Online-Plattformen analysieren, verarbeiten und verkaufen Daten über Verbrauchervorlieben und andere nutzergenerierte Inhalte. Gemeinsam mit der Werbung sind diese Tätigkeiten häufig die wichtigste Einnahmequelle dieser Plattformen. Bei der Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten in diesen Fällen müssen die oben erläuterten rechtlichen Anforderungen der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation und der DSGVO erfüllt werden.

Dass ein Gewerbetreibender gegen die DSGVO oder die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation verstößt, bedeutet nicht grundsätzlich, dass die betreffende Praxis auch gegen die UGPRL verstößt. Die Möglichkeit derartiger Verstöße gegen die Privatsphäre und den Datenschutz sollte jedoch berücksichtigt werden, wenn geprüft wird, ob Geschäftspraktiken nach der UGPRL insgesamt als unlauter zu bewerten sind. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen ein Gewerbetreibender Verbraucherdaten unter Verstoß gegen Privatsphäre- und Datenschutzvorschriften verarbeitet (beispielsweise für Zwecke der Direktwerbung oder für sonstige kommerzielle Zwecke wie etwa Profiling, personenbezogene Preisgestaltung oder Anwendungen unter Nutzung von Massendaten (Big Data)).

Vor dem Hintergrund der UGPRL ist zunächst der Aspekt der Transparenz der jeweiligen Geschäftspraxis zu prüfen. Nach den Artikeln 6 und 7 der UGPRL dürfen Gewerbetreibende die Verbraucher nicht irreführend über Merkmale unterrichten, die sich wahrscheinlich auf ihre geschäftlichen Entscheidungen auswirken, und nach Artikel 7 Absatz 2 und Anhang I Ziffer 22 dürfen Gewerbetreibende den kommerziellen Zweck einer Geschäftspraxis nicht verheimlichen. Siehe auch Abschnitt 3.4 über die Verwendung der Angabe „kostenlos“ zur Beschreibung digitaler Produkte, die einen Verstoß gegen Anhang I Ziffer 20 darstellen könnte.

Darüber hinaus könnten die Informationspflichten aus der DSGVO und der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation als wesentliche Informationen im Sinne von Artikel 7 Absatz 5 UGPRL betrachtet werden. Personenbezogene Daten, Verbrauchervorlieben und andere - nutzergenerierte Inhalte haben einen wirtschaftlichen Wert und werden oft Dritten zur Verfügung gestellt. Informiert der Gewerbetreibende einen Verbraucher nicht darüber, dass die bereitgestellten Daten für kommerzielle Zwecke verwendet werden, könnte dies gemäß Artikel 7 Absatz 2 und Anhang I Ziffer 22 UGPRL als irreführende Unterlassung der Offenlegung wesentlicher Informationen sowie als Verstoß gegen die Transparenz- und sonstigen Pflichten aus den Artikeln 12 bis 14 DSGVO bewertet werden.

1.2.11   Zusammenwirken mit den Artikeln 101–102 AEUV (EU-Wettbewerbsvorschriften)

Die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates (87) bildet den Rechtsrahmen für die Durchführung der Wettbewerbsvorschriften der Artikel 101 und 102 AEUV. Beide Artikel lassen die UGPRL unberührt.

Artikel 101 Absatz 1 AEUV verbietet unter bestimmten Umständen Vereinbarungen zwischen Unternehmen sowie Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen wie die Festsetzung von An- oder Verkaufspreisen oder sonstiger Geschäftsbedingungen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs in der EU bezwecken oder bewirken.

Nach Artikel 102 AEUV ist unter bestimmten Umständen die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen verboten. Dieses missbräuchliche Verhalten kann beispielsweise in der Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei vergleichbaren Rechtsgeschäften mit anderen Handelspartnern derart, dass diese im Wettbewerb benachteiligt werden, oder in der mittelbaren oder unmittelbaren Festlegung unangemessener An- und Verkaufspreise bestehen.

Die Tatsache, dass ein bestimmtes Verhalten gegen Artikel 101 oder 102 AEUV verstößt, bedeutet nicht automatisch, dass es auch nach der UGPRL unlauter ist (oder umgekehrt). Der Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht sollte jedoch bei der Prüfung, ob Geschäftspraktiken nach der UGPRL als unlauter zu bewerten sind, insofern berücksichtigt werden, als sie als Verstoß gegen die Generalklauseln des Artikels 5 Absatz 2 UGPRL über die „berufliche Sorgfalt“ angesehen werden können.

1.2.12   Zusammenwirken mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

Nach Artikel 51 Absatz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gilt die Charta für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung von EU-Vorschriften und somit auch bei der Durchführung der Vorschriften der UGPRL. Die Charta enthält Vorschriften u. a. zum Schutz personenbezogener Daten (Artikel 8), zu den Rechten des Kindes (Artikel 24), zum Verbraucherschutz (Artikel 38) und zum Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren (Artikel 47).

Der Gerichtshof hat die Bedeutung von Artikel 47 der Charta über den Zugang zu Gerichten im Zusammenhang mit Rechtsmitteln unterstrichen, die den Verbrauchern nach Maßgabe von EU-Richtlinien zu Gebote stehen. Der vom Gericht betonte Grundsatz der Wirksamkeit bedeutet, dass nationale Verfahrensvorschriften die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (88).

1.2.13   Zusammenwirken mit den Artikeln 34–36 AEUV

Eine nationale Regelung in einem Bereich, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert wurde, ist anhand der fraglichen Harmonisierungsmaßnahme und nicht gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu beurteilen (89). Wenn eine nationale Regelung also der UGPRL unterliegt (siehe vorstehende Abschnitte 1.1 und 1.2), ist sie nach Maßgabe der UGPRL und nicht vor dem Hintergrund des AEUV zu bewerten.

Nationale Maßnahmen, die weder der UGPRL noch einem anderen Harmonisierungsinstrument des sekundären EU-Rechts unterliegen, sind nach den Artikeln 34–36 AEUV zu bewerten. Das Verbot von Maßnahmen mit einer Wirkung, die mengenmäßigen Beschränkungen nach Artikel 34 AEUV gleichkommen, betrifft alle von Mitgliedstaaten eingeführten Handelsregelungen, die geeignet sind, den Handel innerhalb der Union mittelbar oder unmittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (90). Weitere Hinweise zur Anwendung dieser Bestimmungen finden sich auch im Leitfaden der Kommission zu den Artikeln 34–36 AEUV (91).

Wann eine nationale Vorschrift geeignet ist, den Handel innerhalb der EU zu behindern, hat der Gerichtshof eingehend erläutert. Insbesondere in der Rechtssache Keck (92) hat der Gerichtshof festgestellt, dass nationale Vorschriften, die bestimmte Verkaufsregelungen beschränken oder verbieten, nicht an sich bereits unmittelbar, mittelbar, tatsächlich oder potenziell den Handel zwischen Mitgliedstaaten behindern; erstens gelten diese Vorschriften nämlich für alle betroffenen Gewerbetreibenden, die innerhalb des nationalen Territoriums tätig sind, und zweitens betreffen sie die Vermarktung nationaler Produkte und die Vermarktung von Produkten aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich und tatsächlich in derselben Weise (93). Der Gerichtshof hat Maßnahmen zur Regelung von Verkaufsmodalitäten und -methoden (94), Maßnahmen in Bezug auf den Zeitpunkt des Verkaufs von Waren (95), Maßnahmen in Verbindung mit dem Verkaufsort von Waren oder mit Beschränkungen hinsichtlich der Personen, die Waren verkaufen können, (96) und Maßnahmen im Zusammenhang mit Preiskontrollen in die Liste möglicher Verkaufsmodalitäten (97) aufgenommen.

Einige Beispiele für die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs genannten Verkaufsmodalitäten, insbesondere nationale Vorschriften zur Regelung der Vermarktungsbedingungen und -methoden, fallen in den Anwendungsbereich der UGPRL, wenn sie Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern betreffen und dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen von Verbrauchern dienen sollen.

Viele Geschäftspraktiken, die nicht in den Anwendungsbereich der UGPRL oder sonstiger sekundärer EU-Rechtsvorschriften fallen, sind nach der Rechtssache Keck offenbar als Verkaufsmodalitäten zu bewerten. Diese Verkaufsmodalitäten fallen unter Artikel 34 AEUV, wenn mit ihnen rechtlich oder tatsächlich eine Diskriminierung nach der Herkunft von Produkten erfolgt. Eine rechtliche Diskriminierung ist dann gegeben, wenn die Maßnahmen offenkundig diskriminierend sind; die Beurteilung einer tatsächlichen Diskriminierung gestaltet sich komplexer. Die betreffenden Maßnahmen sind im Einzelfall zu prüfen.

Auch wenn eine Maßnahme oder eine nationale Praxis gegen Artikel 34 AEUV verstößt, kann sie nach Artikel 36 AEUV oder nach einem der vom Gerichtshof anerkannten vorrangigen Erfordernisse grundsätzlich gerechtfertigt sein. Den nationalen Behörden obliegt der Nachweis, dass die Beschränkung des freien Warenverkehrs aus einem dieser Gründe gerechtfertigt ist (98). Außerdem müssen die Mitgliedstaaten nachweisen, dass ihre Rechtsvorschriften erforderlich sind, um die betroffenen öffentlichen Interessen wirksam zu schützen (99).

Diese Bestimmungen sind nur dann zulässig, wenn sie gemessen am verfolgten Ziel verhältnismäßig sind und wenn das Ziel durch Maßnahmen, die für den Handel innerhalb der EU weniger restriktiv sind, nicht erreicht werden kann (100). Kürzlich hat der Gerichtshof festgestellt: „Vielmehr ist zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der fraglichen Beschränkung noch zu prüfen, ob die in diesem Zusammenhang angewandten Mittel nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um das verfolgte legitime Ziel zu erreichen. Mit anderen Worten ist zu ermitteln, ob es nicht alternative Maßnahmen gibt, mit denen sich dieses Ziel ebenfalls erreichen lässt, die aber eine weniger beschränkende Auswirkung auf den innergemeinschaftlichen Handel haben.“ (101) Außerdem hat der Gerichtshof ausgeführt: „Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass eine beschränkende Maßnahme nur als den Anforderungen des Unionsrechts entsprechend angesehen werden kann, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, die Erreichung des verfolgten Ziels in kohärenter und systematischer Weise herbeizuführen.“ (102)

1.2.14   Zusammenwirken mit der P2B-Verordnung

Mit den in der P2B-Verordnung (103) festgelegten Vorschriften soll sichergestellt werden, dass für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und Nutzer mit Unternehmenswebsite im Hinblick auf Suchmaschinen eine angemessene Transparenz, Fairness und wirksame Rechtsbehelfsmöglichkeiten geschaffen werden. Die Transparenzanforderungen der P2B-Richtlinie beziehen sich auf das Ranking von Suchergebnissen (Artikel 5).

Die Kommission hat Leitlinien zur Transparenz des Rankings veröffentlicht, die es Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten und Anbietern von Online-Suchmaschinen erleichtern sollen, die Anforderungen zu erfüllen (104).

Eine ähnliche Anforderung in Bezug auf die Transparenz des Rankings im B2C-Bereich wurde mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 eingeführt, mit der die UGPRL um einen neuen Absatz 4a in Artikel 7 ergänzt wurde. Danach sind Gewerbetreibende verpflichtet, die Verbraucher über die Hauptparameter für die Festlegung des Rankings der dem Verbraucher im Ergebnis der Suche vorgeschlagenen Produkte sowie über die relative Gewichtung dieser Parameter zu informieren. Das Zusammenwirken zwischen der UGPRL und der P2B-Richtlinie im Bereich der Transparenz des Rankings wird in Abschnitt 4.2.3 behandelt.

1.3   Das Verhältnis zwischen der UGPRL und Selbstkontrolle

Artikel 2 Buchstabe f

„‚Verhaltenskodex‘[bezeichnet] eine Vereinbarung oder einen Vorschriftenkatalog, die bzw. der nicht durch die Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgeschrieben ist und das Verhalten der Gewerbetreibenden definiert, die sich in Bezug auf eine oder mehrere spezielle Geschäftspraktiken oder Wirtschaftszweige auf diesen Kodex verpflichten“.

Artikel 10

Verhaltenskodizes

Diese Richtlinie schließt die Kontrolle – die von den Mitgliedstaaten gefördert werden kann – unlauterer Geschäftspraktiken durch die Urheber von Kodizes und die Inanspruchnahme solcher Einrichtungen durch die in Artikel 11 genannten Personen oder Organisationen nicht aus, wenn entsprechende Verfahren vor solchen Einrichtungen zusätzlich zu den Gerichts- oder Verwaltungsverfahren gemäß dem genannten Artikel zur Verfügung stehen. Die Inanspruchnahme derartiger Kontrolleinrichtungen bedeutet keineswegs einen Verzicht auf einen Rechtsbehelf vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde gemäß Artikel 11.

In der UGPRL wird die Bedeutung von Selbstkontrollmechanismen anerkannt und klargestellt, welche Rolle den Urhebern von Kodizes und den Einrichtungen zur Selbstkontrolle bei der Durchsetzung zukommt. Die Mitgliedstaaten können Urheber von Kodizes dazu ermutigen, sich nicht auf die Durchsetzung der UGPRL zu beschränken, sondern außerdem zu prüfen, ob unlautere Geschäftsbedingungen gegeben sind.

Wenden die Urheber von Kodizes die in Selbstkontrollkodizes enthaltenen Regeln streng und rigoros an und/oder werden sie von unabhängigen Einrichtungen zur Selbstkontrolle energisch durchgesetzt, könnte dies dazu führen, dass weniger Durchsetzungsmaßnahmen seitens der Verwaltungsbehörden oder Gerichte erforderlich werden. Zudem könnten derartige Regeln – wenn die Standards streng sind und von Industrieunternehmen weitestgehend eingehalten werden – bei der Prüfung auf unlautere Geschäftspraktiken eine nützliche Bezugsgrundlage für nationale Behörden und Gerichte sein.

Die UGPRL enthält einige Bestimmungen, die Gewerbetreibende daran hindern, das etwaige Vertrauen von Verbrauchern in Selbstkontrollkodizes auszunutzen. Dies wird in Abschnitt 2.8.4 über Verstöße gegen Verhaltenskodizes erörtert.

1.4   Durchsetzung und Rechtsbehelfe

1.4.1   Öffentlich- und zivilrechtliche Durchsetzung

Gemäß Artikel 11 UGPRL sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, im Interesse der Verbraucher sicherzustellen, dass geeignete und wirksame Mittel zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken vorhanden sind, um die Einhaltung der Richtlinie durchzusetzen.

Zu diesen Mitteln gehören Rechtsvorschriften, nach denen Personen oder Organisationen, die nach nationalem Recht ein berechtigtes Interesse an der Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken haben, einschließlich Wettbewerbern, vor nationalen Gerichten und/oder einer Verwaltungsbehörde klagen können, die entweder über Beschwerden entscheiden oder geeignete rechtliche Schritte einleiten kann.

Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass sich die verschiedenen zuständigen öffentlichen Durchsetzungsbehörden nach Treu und Glauben abstimmen. In den Mitgliedstaaten, in denen unterschiedliche Behörden für die Durchsetzung der UGPRL und der sektorbezogenen Rechtsvorschriften zuständig sind, müssen die Behörden eng zusammenarbeiten, um zu gewährleisten, dass die jeweiligen Untersuchungen bei einem bestimmten Gewerbetreibenden und/oder einer bestimmten Geschäftspraxis zu konsistenten Ergebnissen führen.

Mit Blick auf die Durchsetzung der UGPRL durch Klagen vor den nationalen Gerichten bestätigte der Gerichtshof in der Rechtssache Movic, dass „eine Klage von Behörden eines Mitgliedstaats gegen in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gewerbetreibende [unter den Begriff ‚Zivil- und Handelssachen‘ nach Artikel 1 Absatz 1 der Brüssel-I-Verordnung]fällt, in deren Rahmen diese Behörden mit ihrem Hauptantrag die Feststellung von Verstößen, die vermeintlich widerrechtliche unlautere Geschäftspraktiken darstellen, und die Anordnung von deren Unterlassung begehren sowie des Weiteren beantragen, dass Maßnahmen zur Veröffentlichung angeordnet werden, dass ein Zwangsgeld für die festgestellten Verstöße verhängt wird und dass festgestellt wird, dass zukünftige Verstöße durch einfaches Protokoll festgestellt werden können, das von einem vereidigten Beamten einer dieser Behörden erstellt wird.“ (105)

Im Bereich der zivilrechtlichen Durchsetzung von Rechten wurde mit der Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher (106) in allen Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeführt, die UGPRL durch Verbandsklagen durchzusetzen. Solche Klagen können von qualifizierten Einrichtungen eingereicht werden, um Unterlassungs- und Entschädigungsmaßnahmen im Namen der betroffenen Verbraucher zu erwirken.

Schließlich fallen Personen, die Verstöße gegen die UGPRL (und die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher) melden, gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ix der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates (107) (Hinweisgeber-Richtlinie) unter die Schutzregelung dieser Richtlinie. Durch das Gefühl, seine Meinung sicher zu äußern, wird die Zahl der Meldungen von Hinweisgebern wahrscheinlich steigen, wodurch die Durchsetzung der UGPRL verbessert wird.

1.4.2   Sanktionen

In Artikel 13 UGPRL geht es um Sanktionen für Verstöße gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie. Nach Absatz 1 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Sanktionen festzulegen, die bei Verstößen gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie anzuwenden sind. Es bleibt dabei den Mitgliedstaaten überlassen, über die Art der verfügbaren Sanktionen zu entscheiden und die Verfahren für die Verhängung von Sanktionen festzulegen, solange diese wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.

Mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 wurde Artikel 13 geändert und zusätzliche Anforderungen wurden hinzugefügt. Erstens wurde der Artikel um eine nicht erschöpfende Liste von Kriterien für die Verhängung von Sanktionen ergänzt (Absatz 2). Zweitens wurden spezifischere Vorschriften (Absätze 3 und 4) für Geldbußen für weitverbreitete Verstöße und für weitverbreitete Verstöße mit Unions-Dimension festgelegt, die Gegenstand koordinierter Durchsetzungsmaßnahmen gemäß der Verordnung (EU) 2017/2394 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden (im Folgenden „CPC-Verordnung“) (108) unterliegen.

In Erwägungsgrund 15 der Richtlinie (EU) 2019/2161 werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, „[b]ei der Aufteilung der Einnahmen aus Geldbußen … eine Stärkung des Schutzes der allgemeinen Interessen der Verbraucher sowie anderer geschützter öffentlicher Interessen in Erwägung zu ziehen“.

Nach Artikel 13 Absatz 5 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission ihre Vorschriften und Maßnahmen und etwaige spätere Änderungen mitzuteilen, und zwar durch eine spezifische Mitteilung, in der die genauen nationalen Bestimmungen erläutert werden, und nicht nur im Rahmen der allgemeinen Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen.

Kriterien für die Anwendung von Sanktionen

In Artikel 13 Absatz 2 ist eine Liste von sechs nicht abschließenden und beispielhaften Kriterien enthalten, die die zuständigen Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Sanktionen berücksichtigen sollten. Sie gelten, „sofern zutreffend“, für Verstöße sowohl im Inland als auch in grenzüberschreitenden Fällen:

Artikel 13

(2)

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass bei der Verhängung der Sanktionen folgende als nicht abschließend zu verstehende und beispielhafte Kriterien, sofern zutreffend, berücksichtigt werden:

a)

die Art, die Schwere, der Umfang und die Dauer des Verstoßes;

b)

Maßnahmen des Gewerbetreibenden zur Minderung oder Beseitigung des Schadens, der Verbrauchern entstanden ist;

c)

frühere Verstöße des Gewerbetreibenden;

d)

vom Gewerbetreibenden aufgrund des Verstoßes erlangte finanzielle Vorteile oder vermiedene Verluste, wenn dazu die entsprechenden Daten verfügbar sind;

e)

Sanktionen, die gegen den Gewerbetreibenden für denselben Verstoß in grenzüberschreitenden Fällen in anderen Mitgliedstaaten verhängt wurden, sofern Informationen über solche Sanktionen im Rahmen des aufgrund der Verordnung (EU) 2017/2394 des Europäischen Parlaments und des Rates errichteten Mechanismus verfügbar sind;

f)

andere erschwerende oder mildernde Umstände im jeweiligen Fall.

In Erwägungsgrund 7 der Richtlinie (EU) 2019/2161 werden einige der Kriterien erläutert. In Erwägungsgrund 8 wird klargestellt, dass sie „möglicherweise nicht in allen Fällen, so insbesondere bei nicht schwerwiegenden Verstößen, relevant für die Entscheidung über Sanktionen [sind]. Die Mitgliedstaaten sollten auch anderen bei der Verhängung von Sanktionen anzuwendenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen wie dem Grundsatz non bis in idem Rechnung tragen.

Der vorsätzliche Charakter des Verstoßes ist für die Anwendung der unter den Buchstaben a und f genannten Kriterien von Bedeutung. Der Vorsatz ist jedoch keine notwendige Bedingung für die Anwendung von Sanktionen im Falle eines Verstoßes.

Das unter Buchstabe c genannte Kriterium bezieht sich auf gleiche oder andere frühere Verstöße des betreffenden Gewerbetreibenden gegen die UGPRL.

Das Kriterium nach Buchstabe e betrifft Fälle, in denen derselbe Verstoß in grenzüberschreitenden Fällen in anderen Mitgliedstaaten begangen wurde. Es gilt nur, sofern Informationen über von anderen Mitgliedstaaten verhängten Sanktionen im Rahmen des aufgrund der CPC-Verordnung errichteten Mechanismus für die Zusammenarbeit verfügbar sind.

Je nach den Umständen des Falles könnten die Sanktionen, die gegen denselben Gewerbetreibenden in anderen Mitgliedstaaten wegen desselben Verstoßes verhängt wurden, sowohl auf eine größere Schwere als auch auf eine größere Schwere gemäß Buchstabe a hindeuten und/oder als „früherer Verstoß“ gemäß Buchstabe c bewertet werden. Daher könnten Sanktionen, die für denselben Verstoß in anderen Mitgliedstaaten angewendet wurden, ein erschwerender Umstand sein. Die Anwendung von Sanktionen in anderen Mitgliedstaaten für denselben Verstoß könnte auch in Verbindung mit anderen „erschwerenden“ Umständen in Betracht gezogen werden, die unter die anderen Kriterien unter Buchstabe f fallen, in dem allgemein von allen anderen oder erschwerenden oder mildernden Umständen im jeweiligen Fall die Rede ist. Allerdings kann auch eine von einem anderen Mitgliedstaat gegen denselben Gewerbetreibenden wegen desselben Verstoßes angewendete Sanktion für die Anwendung des Grundsatzes „non bis in idem“ im Einklang mit dem nationalen Recht und Artikel 10 Absatz 2 der CPC-Verordnung relevant sein (109).

Sanktionen im Zusammenhang mit koordinierten Durchsetzungsmaßnahmen im Rahmen der Zusammenarbeit im Verbraucherschutz

Artikel 13 Absätze 3 und 4 enthalten zusätzliche, präskriptive Vorschriften (im Vergleich zur allgemeinen Vorschrift in Absatz 1) in Bezug auf Sanktionen, die nach nationalem Recht für Verstöße verfügbar sein müssen, die Gegenstand koordinierter Aktionen nach der CPC-Verordnung sind.

Nach Artikel 21 der CPC-Verordnung sind die von der koordinierten Aktion betroffenen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten verpflichtet, wirksam, effizient und in koordinierter Weise Durchsetzungsmaßnahmen, einschließlich der Verhängung von Sanktionen, gegen den für den weitverbreiteten Verstoß oder den weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Dimension verantwortlichen Unternehmer zu ergreifen. „Weitverbreitete Verstöße“ und „weitverbreitete Verstöße mit Unions-Dimension“ sind grenzüberschreitende Verstöße, die in Artikel 3 Nummer 3 und 4 der CPC-Verordnung (110) definiert werden.

Für diese Kategorie von Verstößen müssen die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 13 Absatz 3 UGPRL die Möglichkeit, Geldbußen zu verhängen, vorsehen, wobei sich der Höchstbetrag solcher Geldbußen auf mindestens 4 % des Jahresumsatzes des Gewerbetreibenden belaufen muss. Dementsprechend können die Mitgliedstaaten auch einen höheren Schwellenwert als 4 % des Jahresumsatzes des Gewerbetreibenden für den Höchstbetrag der Geldbuße festlegen. Sie können sich auch dafür entscheiden, die Geldbuße auf der Grundlage eines größeren Referenzumsatzes festzusetzen, z. B. des weltweiten Umsatzes des Gewerbetreibenden. Ebenso können sie die Sanktionen, die bei koordinierten Aktionen im Rahmen der CPC-Verordnung verhängt werden können, auf andere Arten von Verstößen ausdehnen, z. B. auf Verstöße im Inland.

Für den Fall, dass keine Informationen über den Jahresumsatz des Gewerbetreibenden verfügbar sind, z. B. bei neu gegründeten Unternehmen, müssen die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 13 Absatz 4 die Möglichkeit der Verhängung von Geldbußen mit einem Höchstbetrag von mindestens 2 Mio. EUR vorsehen. Auch hier können die Mitgliedstaaten einen höheren Schwellenwert als 2 Mio. EUR für den Höchstbetrag der Geldbuße festlegen.

Durch diese Harmonisierung der nationalen Vorschriften für Geldbußen soll sichergestellt werden, dass Durchsetzungsmaßnahmen in allen Mitgliedstaaten, die an einer koordinierten Durchsetzungsmaßnahmen im Rahmen des CPC-Netzes beteiligt sind, möglich und kohärent sind.

Die Anwendung von Geldbußen gemäß Artikel 13 Absätze 3 und 4 UGPRL unterliegt den in Artikel 13 Absatz 2 festgelegten gemeinsamen Kriterien, zu denen insbesondere „die Art, die Schwere, der Umfang und die Dauer des Verstoßes“ gehört. Die von der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Gericht in einem bestimmten Fall tatsächlich verhängte Geldbuße kann je nach Art, Schwere und anderen relevanten Merkmalen des Verstoßes niedriger sein als die oben beschriebenen Höchstbeträge.

Vorbehaltlich der Koordinierungspflichten gemäß der CPC-Verordnung kann die zuständige Behörde oder das zuständige Gericht beschließen, regelmäßige Geldbußen (z. B. tägliche Geldbußen) zu verhängen, bis der Gewerbetreibende den Verstoß einstellt. Die Behörde bzw. das Gericht könnte auch beschließen, die Geldbuße unter Vorbehalt zu verhängen, wenn der Gewerbetreibende den Verstoß trotz der Aufforderung zur Unterlassung nicht innerhalb der festgesetzten Frist beendet.

Der für die Berechnung der Geldbuße maßgebliche Umsatz ist der in dem Mitgliedstaat, der die Geldbuße anwendet, erzielte Umsatz. Nach Artikel 13 Absatz 3 kann die Geldbuße jedoch auch auf der Grundlage des Umsatzes festgelegt werden, den der Gewerbetreibende in allen von der koordinierten Aktion betroffenen Mitgliedstaaten erzielt hat, wenn die Koordinierung im Rahmen des CPC-Netzes dazu führt, dass ein einziger Mitgliedstaat die Geldbuße im Namen aller beteiligten Mitgliedstaaten verhängt.

In Erwägungsgrund 10 der Richtlinie (EU) 2019/2161 wird klargestellt, dass es sich „[b]ei dem Unternehmer … in [bestimmten] Fällen auch um eine Unternehmensgruppe handeln“ kann. Handelt es sich bei dem für den Verstoß verantwortlichen Unternehmer um eine Unternehmensgruppe, wird der gemeinsame Gruppenumsatz in den betreffenden Mitgliedstaaten für die Berechnung der Geldbuße herangezogen.

Das Bezugsjahr für die Bestimmung des Jahresumsatzes wird in der Richtlinie nicht festgelegt. Daher können die nationalen Behörden für die Festsetzung der Geldbuße z. B. die letzten verfügbaren Jahresumsatzdaten zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Sanktion (d. h. das vorangegangene Geschäftsjahr) heranziehen.

Gemäß Artikel 13 Absatz 3 können die Mitgliedstaaten die Verhängung von Geldbußen aus verfassungsrechtlichen Gründen beschränken auf: a) Verstöße gegen die Artikel 6, 7, 8 und 9 sowie gegen Anhang I dieser Richtlinie und b) die fortgesetzte Anwendung einer Geschäftspraktik durch einen Gewerbetreibenden, die von der zuständigen nationalen Behörde oder dem zuständigen nationalen Gericht als unlauter eingestuft worden ist, wenn diese Geschäftspraktik keinen Verstoß gemäß Buchstaben a darstellt. Dementsprechend ist diese Einschränkung für außergewöhnliche Umstände vorgesehen und versetzt die Mitgliedstaaten in die Lage, die Bestimmungen über Geldbußen nicht auf einmalige Verstöße anzuwenden, die der koordinierten Durchsetzung der CPC-Verordnung unterliegen und deren einzige Rechtsgrundlage Artikel 5 UGPRL über die berufliche Sorgfaltspflicht ist.

1.4.3   Rechtsschutz für Verbraucher

Mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 wurde die UGPRL um einen neuen Artikel 11a ergänzt, nachdem die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, sicherzustellen, dass Verbraucher, die durch Verstöße gegen die UGPRL geschädigt wurden, Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen, einschließlich Ersatz des dem Verbraucher entstandenen Schadens sowie gegebenenfalls Preisminderung oder Beendigung des Vertrags, haben, vorbehaltlich der auf nationaler Ebene festgelegten Bedingungen. Dementsprechend umfasst der Rechtsschutz für Verbraucher in der UGPRL sowohl vertragliche als auch außervertragliche Rechtsbehelfe.

Die Bedingungen für die Anwendung der Rechtsbehelfe werden von den Mitgliedstaaten festgelegt und können gegebenenfalls Umstände wie die Schwere und Art der unlauteren Geschäftspraxis, den erlittenen Schaden und andere relevante Umstände umfassen. Die genauen Auswirkungen der Rechtsbehelfe sind auch von den Mitgliedstaaten zu bestimmen, z. B. ob der Rechtsbehelf der Vertragsbeendigung die Nichtigkeit des Vertrags ab seinem Abschluss zur Folge hat (mit der Verpflichtung für beide Parteien, in den Zustand vor dem Vertrag zurückzukehren) oder nur die Beseitigung seiner künftigen Auswirkungen, unter der Voraussetzung, dass die Grundsätze der Angemessenheit und Wirksamkeit beachten werden und die praktische Wirksamkeit der Richtlinie gewahrt bleibt.

Diese Rechtsbehelfe gelten unbeschadet der Rechtsbehelfe, die in anderen Rechtsinstrumenten der EU vorgesehen sind, z. B. in der Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates über digitale Inhalte (111) und der Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Warenkauf (112). Diese Rechtsbehelfe können auch kollektiv durch Verbandsklagen gemäß der Richtlinie (EU) 2020/1828 geltend gemacht werden.

1.4.4   Anwendung der UGPRL auf Gewerbetreibende mit Sitz in Drittländern

Die Anwendbarkeit der UGPRL auf nicht in der EU ansässige Gewerbetreibende ist durch Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (113) („Rom II“) geregelt. Diese Verordnung gilt „für außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen“. Rom II ist bei zivil- und handelsrechtlichen Streitigkeiten anwendbar.

Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung „Rom II“:

Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten ist das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden.

Artikel 6 Absatz 4 der Verordnung „Rom II“:

Von dem nach diesem Artikel anzuwendenden Recht kann nicht durch eine Vereinbarung nach Artikel 14 abgewichen werden.

Wenn die Bedingungen des Artikels 6 Absatz 1 der Verordnung „Rom II“ erfüllt sind (beispielsweise, wenn irreführende Werbung an EU-Verbraucher gerichtet ist und dies die kollektiven Interessen von Verbrauchern in der EU beeinträchtigt), ist die UGPRL anwendbar. Nach Artikel 6 Absatz 4 der Verordnung „Rom II“ kann von dem anzuwendenden Recht nicht durch eine Vereinbarung über die freie Rechtswahl abgewichen werden.

2   WESENTLICHE KONZEPTE DER UGPRL

2.1   Das Funktionieren der UGPRL – Flussdiagramm zur Richtlinie

Dieses Flussdiagramm veranschaulicht die Beziehung zwischen den Geschäftspraktiken der „Schwarzen Liste“ im Anhang und den Generalklauseln der UGPRL, d. h. den Artikeln 6 bis 9 bzw. Artikel 5. Es muss lediglich eine der betreffenden Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine kommerzielle Praxis als unlauter gilt und somit nach der UGPRL verboten ist.

Die Geschäftspraxis …

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2.2   Das Konzept des Gewerbetreibenden

Artikel 2 Buchstabe b

„Gewerbetreibender“ [bezeichnet] jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt.

Diese Definition erstreckt sich nicht nur auf Gewerbetreibende, die für eigene Rechnung handeln, sondern auch auf Personen (einschließlich Verbrauchern), die „im Namen“ oder „im Auftrag“ eines anderen Gewerbetreibenden handeln.

Beispiele:

Ein nationales Gericht stellte fest, dass ein Unternehmen, das in den Medien Werbung im Namen und im Auftrag eines anderen als Diensteanbieter tätigen Unternehmens platziert hatte, als Gewerbetreibender im Sinne der nationalen Vorschriften zur Umsetzung der UGPRL zu betrachten war (114).

Nationale Verbraucherschutzbehörden haben über das Europäische Netz für Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Netz) eine gemeinsame Durchsetzungsmaßnahme im Zusammenhang mit Online-Spielen durchgeführt, bei denen In-App-Käufe angeboten wurden. Sie haben klargestellt, dass die Haftung für den Inhalt einer App zwar primär beim Entwickler der App liegt; allerdings könne es auch in der Verantwortung eines App-Store-Betreibers liegen, sicherzustellen, dass auf seiner Plattform angebotene Spiele keine Aufforderungen an Kinder enthalten (115).

Somit kann ein Gewerbetreibender nach Artikel 2 Buchstabe b in Verbindung mit den maßgeblichen nationalen Rechtsvorschriften über Haftung und Sanktionen gesamtschuldnerisch mit einem anderen Gewerbetreibenden für Zuwiderhandlungen gegen die UGPRL verantwortlich gemacht werden, die Letztere in seinem Namen begangen haben.

Außerdem hat der Gerichtshof klargestellt, dass die UGPRL in einer Situation anwendbar sein kann, in der die Geschäftspraktiken eines Wirtschaftsteilnehmers von einem anderen Unternehmen ausgeübt werden, das im Namen und/oder Auftrag dieses Wirtschaftsteilnehmers tätig wird, sodass die Bestimmungen dieser Richtlinie in bestimmten Situationen sowohl diesem Wirtschaftsteilnehmer als auch diesem Unternehmen entgegengehalten werden können, wenn beide der Definition des Gewerbetreibenden entsprechen (116). Das bedeutet, dass die Richtlinie auch dazu dienen kann, die Geschäftspraktiken von Gewerbetreibenden zu bewerten, wenn diese unmittelbar mit dem Geschäft zwischen einem Verbraucher und einem anderen Gewerbetreibenden zusammenhängen, in dessen Namen oder Auftrag der Gewerbetreibende handelt.

So können in bestimmten Situationen Einzelpersonen, die scheinbar Verbraucher sind und Produkte an andere Verbraucher verkaufen, in Wirklichkeit Gewerbetreibende sein oder im Namen von Gewerbetreibenden handeln („versteckte Geschäftspraktiken im Verkauf zwischen Unternehmen und Verbrauchern“).

Ob ein Verkäufer als „Gewerbetreibender“ oder als Verbraucher zu betrachten ist, muss im Einzelfall geprüft werden. In der Rechtssache Kamenova hatte eine Person insgesamt acht Verkaufsanzeigen für verschiedene neue und gebrauchte Waren auf einer Website veröffentlicht (117). Der Gerichtshof stellte fest, dass die bloße Tatsache, dass mit dem Verkauf ein Erwerbszweck verfolgt wurde oder dass eine Person gleichzeitig eine Reihe von Anzeigen, in denen neue und gebrauchte Waren zum Verkauf angeboten wurden, auf einer Online-Plattform veröffentlichte, für sich genommen nicht ausreicht, um diese Person als „Gewerbetreibenden“ einzustufen. Bei der Feststellung des Status durch das nationale Gericht sind verschiedene nicht erschöpfende und nicht ausschließliche Kriterien zu berücksichtigen.

Die zugrunde gelegten Kriterien umfassen folgende:

eine mögliche Gewinnerzielungsabsicht des Verkäufers (einschließlich etwa der Tatsache, dass er eine Vergütung oder einen sonstigen Ausgleich dafür erhalten hat, dass er im Namen eines bestimmten Gewerbetreibenden tätig ist),

Anzahl, Betrag und Häufigkeit der Geschäftshandlungen,

den Umsatz des Verkäufers, eine mögliche Wiederverkaufsabsicht seitens des Verkäufers beim Kauf von Produkten,

ob der Verkäufer mehrwertsteuerpflichtig ist,

ob der Verkauf über die Online-Plattform planmäßig erfolgte,

ob der Verkäufer eine Rechtsform hat, die ihm die Vornahme von Handelsgeschäften erlaubt,

ob die zum Verkauf gestellten Waren alle gleichartig sind oder denselben Wert haben, insbesondere, ob sich das Angebot auf eine begrenzte Anzahl von Waren konzentriert,

ob der Verkäufer über Informationen oder technische Fähigkeiten hinsichtlich der von ihm zum Verkauf angebotenen Waren verfügt, über die der Verbraucher nicht notwendigerweise verfügt, sodass er sich gegenüber diesem Verbraucher in einer vorteilhafteren Position befindet,

ob der Verkäufer neue oder gebrauchte Waren zum Zweck des Wiederverkaufs erwirbt und dieser Tätigkeit auf diese Weise eine gewisse Regelmäßigkeit, Häufigkeit und/oder Gleichzeitigkeit im Verhältnis zu seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit verleiht (118).

Personen beispielsweise, deren Tätigkeit im Wesentlichen darin besteht, Produkte online zu verkaufen und die Produkte erwerben, um sie zu einem höheren Preis weiterzuverkaufen, könnten unter die Definition des Begriffs „Gewerbetreibender“ fallen.

Personen, die online kommerzielle Werbung betreiben, z. B. Influencer-Marketing (siehe den Abschnitt 4.2.6 für weitere Informationen) könnten als Gewerbetreibende eingestuft werden, wenn sie solche Praktiken häufig anwenden, unabhängig von der Größe ihres Zielpublikums. Für den Fall, dass die Personen nicht als Gewerbetreibende eingestuft werden, könnten sie dennoch „im Auftrag“ des Gewerbetreibenden handeln, dessen Produkte durch die Praxis beworben werden, wodurch sie in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen würden. Die Verpflichtungen zur Klarstellung der kommerziellen Kommunikation, insbesondere nach Artikel 7 Absatz 2 der UGPRL, gilt für Gewerbetreibende unabhängig davon, ob sie der Lieferant der Produkte sind oder nicht.

Organisationen mit wohltätigen oder sonstigen ethischen Zielen gelten als Gewerbetreibende im Sinne der UGPRL, wenn sie an Geschäftstätigkeiten beteiligt sind (z. B. Verkauf von Produkten, bei denen bestimmte ethische Grundsätze eingehalten werden). Wenn sie als Gewerbetreibende handeln, müssen sie die Vorschriften der UGPRL erfüllen, soweit die bestehenden Anforderungen ihre Geschäftstätigkeit betreffen. Beispielsweise dürfen Angaben über den Ursprung des Produkts oder über seine ethischen Aspekte nicht irreführend sein.

Für die Bewertung, ob ein Unternehmen als Gewerbetreibender eingestuft werden kann, ist auch eine Konstituierung als „gemeinnütziges“ Unternehmen nicht entscheidend.

Entsprechendes gilt für öffentliche Stellen, die je nach Umständen ebenfalls als Gewerbetreibende eingestuft werden können, wenn sie kommerzielle Tätigkeiten durchführen.

Beispiele:

Eine Gemeinde, die ermäßigte Eintrittskarten für eine von ihr organisierte Kunstausstellung vermarktet, könnte unter den Begriff des Gewerbetreibenden im Sinne der UGPRL fallen.

In der Rechtssache BKK Mobil Oil hat der Gerichtshof bestätigt, dass eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die mit einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe wie der Verwaltung eines gesetzlichen Krankenversicherungssystems betraut ist, als „Gewerbetreibender“ eingestuft werden kann.

Dies wurde damit begründet, dass „der Unionsgesetzgeber den Begriff des Gewerbetreibenden besonders weit konzipiert hat als jede natürliche oder juristische Person, die eine entgeltliche Tätigkeit ausübt, und davon weder Einrichtungen, die eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe erfüllen, noch öffentlich-rechtliche Einrichtungen ausnimmt“ (119).

Außerdem hat der Gerichtshof festgestellt:

„… dass die Mitglieder der BKK, die offensichtlich als Verbraucher im Sinne der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken anzusehen sind, durch die von der BKK verbreiteten irreführenden Angaben getäuscht und damit davon abgehalten werden, eine informierte Wahl zu treffen … und im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie zu einer Entscheidung veranlasst werden, die sie ohne solche Angaben nicht getroffen hätten. In diesem Zusammenhang sind der öffentliche oder private Charakter der fraglichen Einrichtung sowie die spezielle von ihr wahrgenommene Aufgabe unerheblich.“ (120)

Insbesondere ist es nach Anhang I Ziffer 22 UGPRL (der „Schwarzen Liste“) verboten, fälschlicherweise zu behaupten oder den Eindruck zu erwecken, dass der Händler nicht für die Zwecke seines Handels, Geschäfts, Gewerbes oder Berufs handelt, oder fälschlicherweise als Verbraucher aufzutreten.

Dies schließt den Fall ein, dass ein Unternehmer zunächst als Gewerbetreibender auftritt, dann aber vorgibt, ein Verbraucher zu sein, z. B. wenn der Verkäufer sich für die Zwecke des Geschäfts als professioneller Autohändler ausgibt, den Vertrag aber später als natürliche Person unterzeichnet.

2.3   Das Konzept der „Geschäftspraxis“

Artikel 2 Buchstabe d

„Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern“ (nachstehend auch „Geschäftspraktiken“ genannt) [bezeichnen] jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt.

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass das einzige Kriterium in Artikel 2 Buchstabe d der UGPRL darin besteht, dass die Geschäftspraxis des Gewerbetreibenden unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängen muss (121).

Eine Geschäftspraxis kann „unmittelbar“ mit der Absatzförderung für ein Produkt zusammenhängen, etwa indem „Angaben zur Verfügbarkeit eines Produkts zu einem vorteilhaften Preis während eines bestimmten Zeitraums“ bereitgestellt werden (122). Nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung ist schwierig zu bestimmen, ab wann eine Geschäftspraxis nicht mehr „unmittelbar“ mit der Absatzförderung eines Produkts zusammenhängt. Wenn ein Gewerbetreibender beispielsweise einen Stadtplan verkauft, der keine Werbung enthält, und der Verbraucher anschließend mit diesem Stadtplan den Weg zu einem bestimmten Ladengeschäft findet, wäre es wohl verfehlt, den Verkauf dieses Stadtplans als Geschäftspraxis einzustufen, die „unmittelbar“ mit der Absatzförderung eines Produkts in diesem Ladengeschäft zusammenhängt.

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die UGPRL für Tätigkeiten eines Gewerbetreibenden gilt, die auf einem Handelsgeschäft im Zusammenhang mit einer Ware oder einer Dienstleistung beruhen und die sich an den Abschluss eines Vertrags anschließen oder während der Durchführung des Vertrags erfolgen (123).

Auf dieser Grundlage ist der Gerichtshof zu folgendem Schluss gelangt:

… in diesem Zusammenhang [ist] völlig unbeachtlich …, dass das Verhalten des betreffenden Gewerbetreibenden nur einmal vorkam und nur einen Verbraucher betraf.

Weder die Definitionen in Art. 2 Buchst. c und d, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken noch diese Richtlinie in ihrer Gesamtheit enthalten nämlich einen Hinweis darauf, dass die Handlung oder die Unterlassung des Gewerbetreibenden sich wiederholen oder mehr als ein Verbraucher davon betroffen sein müsste.

… die Erteilung einer falschen Auskunft durch einen Gewerbetreibenden an einen Verbraucher wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende [ist] als „irreführende Geschäftspraxis“ im Sinne dieser Richtlinie einzustufen …, auch wenn diese Auskunftserteilung nur einen Verbraucher betraf.“ (124)

Der Gerichtshof hat in der Rechtssache Kirschstein Leitlinien zu den Grenzen des Anwendungsbereichs der UGPRL in Bezug auf den Begriff der Geschäftspraktiken aufgestellt. Er vertrat die Auffassung, dass es einen Unterschied gibt zwischen den „Geschäftspraktiken“ des Gewerbetreibenden, die eng mit der Verkaufsförderung und dem Verkauf oder der Lieferung von Produkten an Verbraucher verbunden sind und daher unter die Richtlinie fallen, und den Vorschriften, auf die sich diese Praktiken beziehen, die das „Produkt“ selbst betreffen (z. B. die Zulassung von Dienstleistern, die Hochschulabschlüsse verleihen können) und die daher nicht in den Anwendungsbereich der UGPRL fallen.

„Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass bei einer nationalen Vorschrift, die bestimmen soll, welcher Wirtschaftsteilnehmer berechtigt ist, eine Dienstleistung zu erbringen, die Gegenstand eines Handelsgeschäfts ist, ohne unmittelbar die Praktiken zu regeln, die dieser Wirtschaftsteilnehmer sodann einsetzen darf, um den Absatz dieser Dienstleistung zu fördern oder voranzutreiben, nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie sich auf eine Geschäftspraktik bezieht, die unmittelbar mit der Erbringung dieser Dienstleistung im Sinne der Richtlinie 2005/29 zusammenhängt.“ (125)

Im Bereich der Werbung in Printmedien hat der Gerichtshof zwar die besonders weit gefasste Definition des Begriffs „Geschäftspraktiken“ anerkannt und festgestellt, dass die UGPRL in einer Situation anwendbar sein kann, in der die Geschäftspraktiken eines Wirtschaftsteilnehmers von einem anderen Unternehmen ausgeübt werden, doch hat er in der Rechtssache RLvS entschieden, dass es nicht möglich ist, sich gegenüber Presseverlegern auf die UGPRL und insbesondere Anhang I Ziffer 11 über als Information getarnte Werbung zu berufen (126). Der Gerichtshof verwies auf das Fehlen sekundärer Rechtsvorschriften der Union und erklärte, dass mit dieser Bestimmung als solche nicht bezweckt wurde, mögliche unlautere Geschäftspraktiken von Inserenten zu verhindern (127).

Gewerbetreibende müssen auch vorsichtig sein, wenn sie Aussagen zur ethischen und sozialen Verantwortung eines Unternehmens machen, die sich auf verschiedene Aspekte der Arbeitsmethoden der Gewerbetreibenden beziehen können, z. B. auf Arbeitsbedingungen, Tierschutz, Spenden für wohltätige Zwecke usw. Als soziale Verantwortung in Unternehmen wird das Verhalten von Unternehmen bezeichnet, die Verantwortung für die Wirkung ihres Unternehmens auf die Gesellschaft zu übernehmen, indem sie in ihrer Geschäftstätigkeit und in ihrer Unternehmensstrategie Prozesse zur Berücksichtigung sozialer, ökologischer, ethischer und verbraucherbezogener Aspekte eingerichtet haben.

Aussagen zu solchen Aspekten haben sich zu einem Vermarktungsinstrument entwickelt, mit dem den wachsenden Erwartungen von Verbrauchern Rechnung getragen werden soll, dass Unternehmen in ihrem Handeln ethische Standards berücksichtigen. Solche Aussagen können Auswirkungen auf die geschäftliche Entscheidung eines Verbrauchers haben, der zwischen zwei konkurrierenden Produkten mit ähnlicher Qualität und ähnlichem Preis wählen muss. Daher können sie als „unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhäng[en]“ gelten und insoweit als Geschäftspraxis im Sinne der UGPRL zu bewerten sein. Da zwischen Behauptungen zur ethischen Vertretbarkeit und der Übernahme sozialer Verantwortung in Unternehmen einerseits und Behauptungen in Bezug auf den Umweltschutz andererseits beträchtliche Überschneidungen bestehen, können die Grundprinzipien für Umweltaussagen auch für Behauptungen im Zusammenhang mit der Übernahme sozialer Verantwortung in Unternehmen gelten (siehe Abschnitt 4.1).

2.3.1   Geschäftspraktiken in der Nachverkaufsphase einschließlich der Einziehung von Forderungen

Nach Artikel 3 Absatz 1 werden Geschäftspraktiken nicht nur in den Phasen des Marketings oder der Lieferung manifest, sondern auch nach Geschäftsabschluss (Nachverkaufsphase), weshalb sie in den Anwendungsbereich der UGPRL fallen können.

Erwägungsgrund 13 der UGPRL verweist auf „unlautere Geschäftspraktiken sowohl außerhalb einer vertraglichen Beziehung zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern als auch nach Abschluss eines Vertrags und während dessen Ausführung“.

Maßnahmen zur Einziehung von Forderungen sollten als Geschäftspraktiken in der Nachverkaufsphase angesehen werden, da die Einziehung von Forderungen direkt mit dem Verkauf oder der Lieferung von Produkten zusammenhängt. Es gibt keine objektiven Gründe dafür, in diesem Zusammenhang zu unterscheiden, ob ein Gewerbetreibender diese Tätigkeit selbst durchführt oder spezialisierte Dienstleister beauftragt.

Dies ergibt sich auch aus Anhang I Ziffer 25. Dort wird die „Nichtbeachtung der Aufforderung des Verbrauchers bei persönlichen Besuchen in dessen Wohnung, diese zu verlassen bzw. nicht zurückzukehren außer in Fällen und in den Grenzen, in denen dies nach dem nationalen Recht gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen“, als unter allen Umständen unlautere Geschäftspraxis bezeichnet.

Der Gerichtshof bestätigte in der Rechtssache Gelvora, dass der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie das Rechtsverhältnis zwischen einer Inkassogesellschaft und einem zahlungsunfähigen Schuldner erfasst, gegen den aufgrund eines Verbraucherkreditvertrags eine Forderung besteht, die an diese Gesellschaft abgetreten wurde (128).

Beispiele:

Ein nationales Gericht stufte als aggressive Geschäftspraxis ein, dass ein Unternehmen einem Verbraucher, der seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommt, ankündigt, er werde in lokalen Medien namentlich als säumiger Schuldner genannt (129).

Eine Verbraucherschutzbehörde ging gegen ein Inkasso-Unternehmen vor, das ein Logo, eine Bezeichnung und Unterlagen verwendete, die dem Logo, der Bezeichnung und den Unterlagen offizieller Behörden ähnelten. Um Verbraucher zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten zu bewegen, vermittelte ein Gewerbetreibender Verbrauchern den irreführenden Eindruck, er setze gerichtliche Anordnungen durch, obwohl die betreffenden Befugnisse ausschließlich öffentlichen Stellen vorbehalten sind (130).

Eine Wettbewerbsbehörde bewertete die Einziehung von Forderungen als der UGPRL unterliegende Geschäftspraxis in der Nachverkaufsphase und verhängte eine Geldbuße gegen ein Inkassobüro, das in Verzug befindliche Verbraucher über den Umfang und die Schwere der Folgen irregeführt hatte, mit denen die Verbraucher konfrontiert würden, wenn sie die Forderungen nicht umgehend beglichen. Das Inkassobüro hatte die Verbraucher außerdem nicht ordnungsgemäß über die genaue vertragliche Grundlage der Forderungen unterrichtet und unangemessenen psychischen Druck ausgeübt (131).

2.3.2   Gewerbetreibende, die Produkte von Verbrauchern kaufen

Bestimmte Gewerbetreibende kaufen möglicherweise im Laufe ihrer Gewerbetätigkeit Produkte von Verbrauchern. Dies gilt etwa für Autohäuser, Antiquitätenhändler und Second-Hand-Läden.

Gemäß der Definition in der UGPRL sind Geschäftspraktiken lediglich Handlungen, „ die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhäng[en] “. Die umgekehrte Situation, d. h., dass Gewerbetreibende Produkte von Verbrauchern kaufen, fällt nicht in den Anwendungsbereich der UGPRL. Allerdings ist u. U. eine Verbindung herzustellen, wenn einerseits ein Verbraucher ein Produkt an einen Gewerbetreibenden verkauft und andererseits der Gewerbetreibende ein (anderes) Produkt bei diesem Verbraucher bewirbt bzw. an diesen Verbraucher verkauft oder liefert.

Im Kraftfahrzeughandel beispielsweise werden häufig Fahrzeuge in Zahlung genommen: Ein Gewerbetreibender kauft ein Gebrauchtfahrzeug von einem Verbraucher, der dann seinerseits ein Fahrzeug von diesem Gewerbetreibenden erwirbt. In diesen Fällen könnte der Ankauf durch den Gewerbetreibenden als Teil der Entgeltzahlung des Verbrauchers im Geschäftsverkehr zwischen einem Unternehmen und einem Verbraucher gelten. Inzahlungnahmen fallen somit eindeutig in den Anwendungsbereich der UGPRL.

Der Kauf und der Wiederverkauf von Gold könnte unter gewissen Umständen ebenfalls der UGPRL unterliegen. Die Tätigkeit eines Gewerbetreibenden beispielsweise, der den Verbrauchern vor dem Ankauf eine professionelle Wertermittlung ihres Goldes anbietet, könnte als Dienstleistung gegenüber den Verbrauchern angesehen werden. In diesem Fall würde die UGPRL zur Anwendung kommen, und entsprechend dürfte der Gewerbetreibende keine irreführenden Informationen über den tatsächlichen Wert des Goldes oder über den Preis der angebotenen Dienstleistung vermitteln (z. B. durch Verbergen von „Verwaltungsgebühren“).

Beispiele:

Ein Gewerbetreibender ist Fachmann für chinesische Keramik und erklärt einer Verbraucherin, dass eine Ming-Vase eine Fälschung sei. Trifft dies nicht zu, dürfte die Aussage eine irreführende Handlung darstellen.

2.4   Prüfung des Vorliegens einer geschäftlichen Entscheidung

Artikel 2 Buchstabe k

„[G]eschäftliche Entscheidung“ [bezeichnet] jede Entscheidung eines Verbraucher darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen, eine Zahlung insgesamt oder teilweise leisten, ein Produkt behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit dem Produkt ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher beschließt, tätig zu werden oder ein Tätigwerden zu unterlassen.

Die allgemeinen Bestimmungen der UGPRL (Artikel 5 bis 9) betreffen unlautere, irreführende und aggressive Geschäftspraktiken, die geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten von Verbrauchern zu beeinflussen und Verbraucher dadurch tatsächlich oder potenziell zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen, die sie ansonsten nicht getroffen hätten.

Der in Artikel 2 Buchstabe k der Richtlinie verwendete Wortlaut lässt darauf schließen, dass die Definition weit auszulegen ist und dass das Konzept der geschäftlichen Entscheidung vielfältige Entscheidungen umfassen sollte, die Verbraucher in Bezug auf ein Erzeugnis treffen.

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ sich nicht nur auf die Entscheidung darüber bezieht, ob ein Produkt überhaupt gekauft wird, sondern auch Entscheidungen betrifft, die unmittelbar mit dieser Entscheidung in Zusammenhang stehen, insbesondere die Entscheidung, ein Geschäft zu betreten.

„Da es bei der Geschäftspraxis im Ausgangsverfahren um Angaben zur Verfügbarkeit eines Produkts zu einem vorteilhaften Preis während eines bestimmten Zeitraums geht, ist nämlich zu klären, ob den möglichen Kauf eines Produkts vorbereitende Handlungen wie der Weg des Verbrauchers zum Geschäft oder das Betreten des Geschäfts als geschäftliche Entscheidungen im Sinne der Richtlinie angesehen werden können.

… Danach ist eine geschäftliche Entscheidung nämlich ‚jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will‘. Dieser Begriff erfasst deshalb nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts.

… Art. 2 Buchst. k dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass der Begriff ‚geschäftliche Entscheidung‘ sämtliche Entscheidungen erfasst, die mit der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts unmittelbar zusammenhängen.“ (132)

In diesem Sinne umfasst der Begriff der geschäftlichen Entscheidung auch vor und nach dem Kauf getroffene Entscheidungen.

Ein Verbraucher kann im Zusammenhang mit einer Ware oder einer Dienstleistung über die eigentliche Kaufentscheidung hinaus vielfältige weitere geschäftliche Entscheidungen treffen.

Diese geschäftlichen Entscheidungen können in Handlungen resultieren, die keine rechtlichen Folgen gemäß dem jeweiligen nationalen Vertragsrecht haben und jederzeit zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher erstmals mit einer Werbemaßnahme konfrontiert ist, und dem Ende des Lebenszyklus eines Produkts oder der abschließenden Inanspruchnahme einer Dienstleistung liegt, vorgenommen werden können.

Auch zahlreiche Entscheidungen vor einem Kauf könnten als geschäftliche Entscheidungen betrachtet werden.

Beispiele:

die infolge eines geschäftlichen Angebots getroffene Entscheidung, zu einer Verkaufsstelle oder zu einem Geschäft zu fahren,

die Entscheidung, der Verkaufsdarbietung eines Gewerbetreibenden beizuwohnen,

die Entscheidung, sich aufgrund eines geschäftlichen Angebots auf einer Website durch Klicken mit der Maus zu bewegen.

Auch viele Entscheidungen, die nach dem Kauf einer Ware oder nach der Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung getroffen werden, können als geschäftliche Entscheidungen betrachtet werden.

Beispiele:

die Entscheidung, von einem Dienstleistungsvertrag zurückzutreten oder den Vertrag zu kündigen oder

die Entscheidung, zu einem anderen Diensteanbieter zu wechseln.

Außerdem könnte eine unlautere Geschäftspraxis gegenüber einem Verbraucher eine geschäftliche Entscheidung eines anderen Verbrauchers nach sich ziehen, die Letzterer ansonsten nicht getroffen hätte.

Beispiele:

Die Geschäftspraktiken eines Gewerbetreibenden, der Online-Bewertungen von Nutzern veröffentlicht und negative Bewertungen herausfiltert, könnten als irreführendes Handeln oder als Unterlassen bewertet werden, selbst wenn die betreffende geschäftliche Entscheidung nicht mit dem Verbraucher, der zur Entfernung oder zum Verzicht auf die Übermittlung seiner negativen Bewertung gedrängt wurde, sondern mit einem anderen Verbraucher in Zusammenhang steht. Wenn der Gewerbetreibende in diesem Fall einen falschen oder irreführenden Gesamteindruck vom Charakter seiner Bewertungsseite oder davon vermittelt, wie die Seite geführt wird, könnte der Durchschnittsverbraucher aufgrund der Online-Bewertungen veranlasst werden, sich an einen dort genannten Gewerbetreibenden zu wenden (und anschließend einen Vertrag mit ihm zu schließen), obwohl er davon abgesehen hätte, wenn er gewusst hätte, dass negative Bewertungen unterdrückt werden.

Die allgemeinen Bestimmungen der UGPRL (Artikel 5 bis 9) betreffen unlautere, irreführende und aggressive Geschäftspraktiken, die geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten von Verbrauchern zu beeinflussen. Die betreffenden Anforderungen sind in diesen Bestimmungen mit einem leicht geändertem Wortlaut formuliert.

Nach Artikel 5 Absatz 2 UGPRL ist eine Geschäftspraxis unlauter, wenn sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers „ wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen “. Nach den Artikeln 6–8 sind irreführende oder aggressive Geschäftspraktiken jedoch verboten, wenn sie den Durchschnittsverbraucher „ zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlass[en], die er ansonsten nicht getroffen hätte “ oder wenn sie geeignet sind, ihn zu einer solchen Entscheidung zu veranlassen.

Die Anforderung, dass eine Geschäftspraxis nur dann als unlauter zu bewerten ist, wenn sie geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers zu beeinflussen, ist in Artikel 5 Absatz 2 etwas anders formuliert als in den Artikeln 6–8. Auf den ersten Blick könnte dieser scheinbare Widerspruch ein Auslegungsproblem darstellen. Artikel 5 Absatz 2 ist jedoch in Verbindung mit Artikel 2 Buchstabe e zu lesen. Dort wird wie folgt definiert:

Artikel 2 Buchstabe e

„wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ die Anwendung einer Geschäftspraxis, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Entscheidend dafür, ob eine Geschäftspraxis das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers „ wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen “, hängt nach Artikel 5 Absatz 2 daher davon ab, ob die Geschäftspraxis den Verbraucher zu „ einer geschäftlichen Entscheidung [veranlasst], die er ansonsten nicht getroffen hätte “, oder dazu geeignet ist, ihn zu einer solchen Entscheidung zu veranlassen.

Dies ist dasselbe Kriterium wie in den Artikeln 6–8. Somit unterscheiden sich Artikel 5 Absatz 2 und die letztgenannten Artikel zwar im Wortlaut; die Anforderung der wesentlichen Beeinflussung des Verbraucherverhaltens ist jedoch dieselbe.

Aufgrund des vom Gerichtshof entwickelten umfassenderen Konzepts der geschäftlichen Entscheidung (133) kann die UGPRL auf vielfältige Fälle angewendet werden, in denen das unlautere Verhalten eines Gewerbetreibenden nicht darauf beschränkt ist, den Verbraucher zu einem Rechtsgeschäft oder zum Abschluss einer Dienstleistungsvereinbarung zu veranlassen.

Geschäftspraktiken können nicht nur dann als unlauter angesehen werden, wenn sie den Durchschnittsverbraucher vermutlich zum Kauf oder Nichterwerb eines Produkts veranlassen, sondern auch dann, wenn sie den Verbraucher dazu veranlassen dürften, beispielsweise

ein Geschäft zu betreten,

durch die Verwicklung in einen Buchungsprozess mehr Zeit im Internet zu verbringen,

sich gegen den Wechsel zu einem anderen Gewerbetreibenden oder Produkt zu entscheiden,

auf einen Link oder eine Online-Anzeige zu klicken,

den Dienst durch Blättern oder Scrollen weiter zu nutzen.

Nach der UGPRL ist kein Nachweis dafür erforderlich, ob das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers (d. h. seine geschäftliche Entscheidung) tatsächlich beeinflusst wurde. Sie ermöglicht eine Prüfung, ob eine Geschäftspraxis geeignet ist, eine derartige Auswirkung auf den Durchschnittsverbraucher zu haben (d. h. ob sie diese Auswirkung haben könnte). Nationale Durchsetzungsbehörden sollten deshalb die Sachverhalte und Umstände eines Einzelfalls (in concreto) untersuchen, dabei ist jedoch auch prüfen, wie „wahrscheinlich“ die Auswirkung der betreffenden Geschäftspraxis auf die geschäftliche Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers (in abstracto) ist.

Beispiele:

In einer kommerziellen Mitteilung wurde ein neues Kraftfahrzeugmodell als „das sicherste Auto auf der Welt“ bezeichnet. Bei der Entscheidung darüber, ob diese Darstellung Verbraucher zu einer gut begründeten geschäftlichen Entscheidung veranlasst hatte, gelangte ein nationales Gericht zu dem Schluss, für die Einstufung als geschäftliche Entscheidung sei es hinreichend, dass die Werbung geeignet war, beim Durchschnittsverbraucher Interesse zu wecken und den Verbraucher zu weiterem Handeln zu bewegen (z. B. zum Aufsuchen eines Gewerbetreibenden oder zum Öffnen einer Website, um weitere Informationen über das Produkt zu erhalten) (134).

2.5   Durchschnittsverbraucher

Erwägungsgrund 18

Es ist angezeigt, alle Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken zu schützen; der Gerichtshof hat es allerdings bei seiner Rechtsprechung im Zusammenhang mit Werbung seit dem Erlass der Richtlinie 84/450/EWG für erforderlich gehalten, die Auswirkungen auf einen fiktiven typischen Verbraucher zu prüfen. Dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechend und um die wirksame Anwendung der vorgesehenen Schutzmaßnahmen zu ermöglichen, nimmt diese Richtlinie den Durchschnittsverbraucher, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist, unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren in der Auslegung des Gerichtshofs als Maßstab , enthält aber auch Bestimmungen zur Vermeidung der Ausnutzung von Verbrauchern, deren Eigenschaften sie für unlautere Geschäftspraktiken besonders anfällig machen. Richtet sich eine Geschäftspraxis speziell an eine besondere Verbrauchergruppe wie z. B. Kinder, so sollte die Auswirkung der Geschäftspraxis aus der Sicht eines Durchschnittsmitglieds dieser Gruppe beurteilt werden. […] Der Begriff des Durchschnittsverbrauchers beruht dabei nicht auf einer statistischen Grundlage . Die nationalen Gerichte und Verwaltungsbehörden müssen sich bei der Beurteilung der Frage, wie der Durchschnittsverbraucher in einem gegebenen Fall typischerweise reagieren würde, auf ihre eigene Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlassen.

Wie in Erwägungsgrund 18 sowie in den Artikeln 5–9 erläutert, wird in der UGPRL der sogenannte „Durchschnittsverbraucher“als Maßstab für die Bewertung der Auswirkungen einer Geschäftspraxis angenommen. Diesbezüglich hat der Gerichtshof festgestellt:

„…bei der Beurteilung, ob die betreffende Bezeichnung, Marke oder Werbeaussage geeignet war, den Käufer irrezuführen, [wird] auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abgestellt “ (135).

Dieses Konzept wurde vom Gerichtshof bereits vor der Annahme der UGPRL entwickelt. Anschließend wurde es durch die UGPRL kodifiziert, um den nationalen Behörden und Gerichten gemeinsame Kriterien an die Hand zu geben, um die Rechtssicherheit zu erhöhen und zu gewährleisten, dass vergleichbare Geschäftspraktiken möglichst einheitlich bewertet werden.

Der Durchschnittsverbraucher im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine kritische Person mit aufmerksamem und verständigem Marktverhalten.

Beispiele:

Von verständigen Verbrauchern kann erwartet werden, dass sie wissen, dass zwischen der Größe von Werbeaufdrucken, die auf eine Erhöhung der Menge des Erzeugnisses hinweisen, und dem Ausmaß dieser Erhöhung nicht notwendig ein Zusammenhang besteht (136). Der Durchschnittsverbraucher wird als „dermatologisch getestet“ ausgewiesenen Waren keine Heilwirkungen zuschreiben, die sie nicht besitzen (137).

Der Durchschnittsverbraucher im Sinne der UGPRL ist allerdings keinesfalls nicht allein deswegen, weil er stets in der Lage ist, die verfügbaren Informationen zu erhalten und ausgehend von diesen vernünftig zu handeln, in geringerem Umfang schutzbedürftig. Vielmehr wird in Erwägungsgrund 18 hervorgehoben, dass die Prüfung auf dem Verhältnismäßigkeitsprinzip beruht. In der UGPRL wurde dieses Konzept übernommen, um das Gleichgewicht zwischen notwendigem Verbraucherschutz und der Förderung des freien Handels in einem offenen, von Wettbewerb geprägten Markt herzustellen.

Daher ist das Konzept des Durchschnittsverbrauchers im Sinne der UGPRL immer im Zusammenhang mit Artikel 114 AEUV auszulegen, der einen hohen Verbraucherschutz vorsieht.

Gleichzeitig geht die UGPRL von dem Gedanken aus, dass beispielsweise nationale Verbote von Behauptungen, die lediglich sehr leichtgläubige, naive oder oberflächliche Verbraucher täuschen könnten, (z. B. „Marktschreierei“ (138)) im Hinblick auf die verfolgten Ziele unangemessen wären und ein ungerechtfertigtes Handelshindernis darstellen würden.

Wie in Erwägungsgrund 18 ausdrücklich erläutert, beruht der Begriff des Durchschnittsverbrauchers nicht auf einer statistischen Grundlage. Nationale Behörden und Gerichte sollten unter Berücksichtigung der mutmaßlichen allgemeinen Erwartung eines Durchschnittsverbrauchers in der Lage sein zu beurteilen, ob eine Geschäftspraxis den Durchschnittsverbraucher irreführen kann, ohne ein Sachverständigengutachten einzuholen oder eine Verbraucherbefragung in Auftrag zu geben (139).

Beispiele:

Ein nationales Gericht stellte fest, dass auch Personen mit eingeschränktem Sehvermögen als Durchschnittsverbraucher betrachtet werden könnten und dass der Abdruck von Informationen in sehr kleiner Schrift als irreführende Geschäftspraxis bewertet werden könne (140). Zu einem ähnlichen Schluss gelangte auch eine andere Durchsetzungsbehörde (141).

Ein nationales Gerichte stellte fest, dass ein vernünftig handelnder Verbraucher keinen Verdacht hegt und dazu neigt, erhaltene Informationen für zutreffend und genau zu halten. Ein vernünftig handelnder Verbraucher ist nicht zu weiteren Recherchen bezüglich des vollständigen und genauen Inhalts der an ihn gerichteten Botschaft verpflichtet, wenn der Absender der Botschaft ihn nicht ausdrücklich darauf aufmerksam macht oder wenn die Botschaft keinen deutlichen Verweis auf eine entsprechende Verpflichtung enthält (142).

In Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b UGPRL wird der Begriff des durchschnittlichen Verbrauchers weiter spezifiziert, indem auf die Interessen bestimmter Gruppen von Verbrauchern Bezug genommen wird. Wenn die Praxis an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern gerichtet ist, sollten die Auswirkungen dieser Praxis aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds der betreffenden Gruppe bewertet werden. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn eine Geschäftspraxis ein einzigartiges Produkt betrifft, das über Marketingkanäle beworben wird, um das Marketing auf eine spezifische und begrenzte Gruppe von Empfängern, wie einen bestimmten Berufsstand, auszurichten. In diesem Fall könnte das durchschnittliche Mitglied dieser bestimmten Gruppe über spezifischere Kenntnisse oder Eigenschaften verfügen, die ein Durchschnittsverbraucher nicht unbedingt hat. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Beurteilung der Auswirkungen einer Geschäftspraxis aus. In Abgrenzung zur allgemeinen Kategorie des Durchschnittsverbrauchers sollte die „bestimmte Gruppe von Verbrauchern“ hinreichend identifizierbar, von begrenztem Umfang und homogen sein. Kann keine bestimmte Gruppe identifiziert werden, so sollte sich die Beurteilung auf den fiktiven allgemeinen Durchschnittsverbraucher erstrecken.

Beispiele:

Im Zusammenhang mit irreführender Werbung für Babywindeln, in der ein Zusammenhang zwischen Allergien und den Windeln des betreffenden Gewerbetreibenden hergestellt wurde, hat ein nationales Gericht als Durchschnittsverbraucher Eltern kleiner Kinder bezeichnet, die nicht über besondere Kenntnisse über Allergien verfügen (143).

Es ist auch möglich, dass verschiedene Gruppen von Verbrauchern von ein und derselben Geschäftspraxis betroffen sind. So kann es beispielsweise einen Durchschnittsverbraucher geben, an den sich die Praxis richtet (Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b), und gleichzeitig kann die Praxis auf eine Gruppe von schutzbedürftigen Verbrauchern ausgerichtet sein. Grundsätzlich sollten bei der Beurteilung die Verbraucher berücksichtigt werden, die durch die Praxis tatsächlich erreicht wurden, unabhängig davon, ob es sich um die Verbraucher handelt, die der Gewerbetreibende zu erreichen beabsichtigte.

Bei der Gestaltung ihrer Werbebotschaften kommen Gewerbetreibende angesichts der besonderen Beschaffenheit der jeweiligen Produkte gelegentlich nicht umhin, bestimmte für die Durchschnittsverbraucher, für die die betreffenden Produkte vorgesehen sind, typische soziale, sprachliche und kulturelle Merkmale zu berücksichtigen. Bisweilen können diese sozialen, sprachlichen und kulturellen Merkmale, die auch spezifisch für einen bestimmten Mitgliedstaat sein können, eine abweichende Auslegung der im Rahmen einer bestimmten Geschäftspraxis kommunizierten Botschaft durch die zuständigen Behörden oder Gerichte rechtfertigen. Im Zusammenhang mit irreführender Kosmetikwerbung hat der Gerichtshof festgestellt:

„Bei der Anwendung dieses Kriteriums auf den vorliegenden Fall müssen mehrere Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Es ist vor allem zu prüfen, ob soziale, kulturelle oder sprachliche Eigenheiten es rechtfertigen können, dass das für eine Hautstraffungscreme verwendete Wort ‚Lifting‘von den deutschen [Durchschnitts-]Verbrauchern anders verstanden wird als von den Verbrauchern in anderen Mitgliedstaaten, oder ob schon die Angaben zur Anwendung des Produktes dafür sprechen, dass dessen Wirkungen nur vorübergehender Natur sind, und damit jede gegenteilige Schlussfolgerung entkräften, die aus dem Wort ‚Lifting‘ gezogen werden könnte“ (144).

Außerdem hat der Gerichtshof festgestellt:

„Die Möglichkeit, ein auf den irreführenden Charakter einer Marke gestütztes Vertriebsverbot zuzulassen, ist grundsätzlich nicht etwa deswegen ausgeschlossen, weil der gleichen Marke in anderen Mitgliedstaaten nicht diese Eigenschaft zugeschrieben wird. … es [ist] nämlich möglich, dass wegen sprachlicher, kultureller und sozialer Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten eine Marke, die in einem Mitgliedstaat nicht geeignet ist, den Verbraucher irrezuführen, diese Eignung in einem anderen Mitgliedstaat besitzt.“ (145)

Deshalb könnte es aufgrund sozialer, kultureller oder sprachlicher Eigenheiten theoretisch gerechtfertigt sein, auf der Grundlage des Kriteriums des Durchschnittsverbrauchers und trotz des vollständigen Harmonisierungscharakters der UGPRL vom ausländischen Gewerbetreibenden zusätzliche Angaben zu fordern. Anders als im Ursprungsland könnte die Vorenthaltung dieser Angaben Verbraucher im Zielland nämlich irreführen.

2.6   Schutzbedürftige Verbraucher

Artikel 5 Absatz 3 – Verbot unlauterer Geschäftspraktiken

(3) Geschäftspraktiken, die voraussichtlich in einer für den Gewerbetreibenden vernünftigerweise vorhersehbaren Art und Weise das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die aufgrund von geistigen oder körperlichen Gebrechen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese Praktiken oder die ihnen zugrunde liegenden Produkte besonders schutzbedürftig sind, werden aus der Perspektive eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe beurteilt . Die übliche und rechtmäßige Werbepraxis, übertriebene Behauptungen oder nicht wörtlich zu nehmende Behauptungen aufzustellen, bleibt davon unberührt.

Erwägungsgrund 19

Sind Verbraucher aufgrund bestimmter Eigenschaften wie Alter, geistige oder körperliche Gebrechen oder Leichtgläubigkeit besonders für eine Geschäftspraxis oder das ihr zugrunde liegende Produkt anfällig und wird durch diese Praxis voraussichtlich das wirtschaftliche Verhalten nur dieser Verbraucher in einer für den Gewerbetreibenden vernünftigerweise vorhersehbaren Art und Weise wesentlich beeinflusst, muss sichergestellt werden, dass diese entsprechend geschützt werden, indem die Praxis aus der Sicht eines Durchschnittsmitglieds dieser Gruppe beurteilt wird .

Die UGPRL beruht auf dem Gedanken, dass es zwar angemessen ist, alle Gruppen von Verbrauchern vor unlauteren Geschäftspraktiken zu schützen; für Verbraucher, die einer der in Artikel 5 Absatz 3 genannten Gruppen zuzurechnen sind, sollte jedoch ein höheres Schutzniveau gewährleistet werden als für den in Artikel 5 Absatz 2 genannten „Durchschnittsverbraucher“.

In Erwägungsgrund 19 der Präambel wird die Auslegung von Artikel 5 Absatz 3 näher erläutert: In Artikel 5 Absatz 3 werden Verbraucher offenbar ausschließlich wegen ihrer „geistigen oder körperlichen Gebrechen, Alter oder Leichtgläubigkeit“ als schutzbedürftig eingestuft. Erwägungsgrund 19 enthält jedoch eine nicht erschöpfende Liste von Eigenschaften, aufgrund derer Verbraucher „besonders … anfällig“ sein können.

Das Konzept der Schutzbedürftigkeit ist nicht auf die in Artikel 5 Absatz 3 aufgeführten Merkmale beschränkt, da auch kontextspezifische Merkmale der Schutzbedürftigkeit darunterfallen. Mehrschichtige Formen der Schutzbedürftigkeit (146) sind im digitalen Umfeld, das zunehmend durch die Erhebung von Daten über soziodemografische Merkmale, aber auch persönliche und psychologische Merkmale wie Interessen, Vorlieben, psychologische Profile und Stimmung, gekennzeichnet ist, besonders ausgeprägt. Das Konzept der Schutzbedürftigkeit im digitalen Umfeld wird in Abschnitt 4.2.7 weiter erörtert.

Beispiele:

In einer Sache betreffend die Vorenthaltung wesentlicher Informationen durch ein Kreditinstitut hat eine Durchsetzungsbehörde festgestellt, dass Verbraucher, die wegen geringer Zahlungskraft von Kreditinstituten abgelehnt wurden, bei einem bestimmten Angebot in besonderer Weise geschützt werden müssen (147).

Gebrechen (geistige oder körperliche): Diese umfassen Sinnesbeeinträchtigungen, eingeschränkte Mobilität und sonstige Behinderungen.

Beispiele:

Eine Verbraucherbehörde bewertete Werbung mit der irreführenden Darstellung, dass Produkte in der Lage seien, ernsthafte Erkrankungen zu heilen, als besonders schweren Fall, da durch diese Werbung schutzbedürftige Verbraucher (etwa von einer schweren Erkrankung betroffene Personen) zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden könnten, die sie ansonsten nicht getroffen hätten (148).

Außerdem könnte es angemessen sein, Geschäftspraktiken unter dem Aspekt unterschiedlicher Altersgruppen der Verbraucher zu betrachten.

Ältere Menschen sind aufgrund ihres Alters potenziell in höherem Maße schutzbedürftig. Aggressive Haustürgeschäfte haben vielleicht keine Wirkung auf den Durchschnittsverbraucher; sie sind aber geeignet, eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern – darunter insbesondere ältere Menschen – aufgrund des aggressiven Verkaufsverhaltens einzuschüchtern.

Zusätzlich zu Artikel 5 Absatz 3 UGPRL kommt Kindern ein besonderer Schutz durch das Verbot der direkten Aufforderung in Anhang I Ziffer 28 UGPRL zu. Dieses Verbot, das auch für Fälle gilt, in denen Kinder unter Druck gesetzt werden, um ein Produkt entweder selbst zu kaufen oder Erwachsene zu überreden, Produkte für sie zu kaufen („kindertypisches Anspruchsverhalten“), wird in Abschnitt 3.7 weiter erörtert.

Die Fähigkeit, Online- und Offline-Werbung zu verstehen, ist von Kind zu Kind und je nach Alter und individueller Reife sehr unterschiedlich ausgeprägt (149). In gewissem Umfang kann dies insoweit im Rahmen der Anwendung der UGPRL berücksichtigt werden, als Artikel 5 Absatz 3 die Bewertung einer Geschäftspraxis aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds einer bestimmten Altersgruppe ermöglicht.

Teenager stellen eine weitere Verbrauchergruppe dar, die häufig im Fadenkreuz unseriöser Gewerbetreibender steht. Bei der Bewerbung von Produkten, die für Teenager besonders ansprechend sind, können die mangelnde Aufmerksamkeit oder Reflexion von Teenagern und deren auf Unreife und Leichtgläubigkeit zurückzuführendes Risikoverhalten ausgenutzt werden.

Der Begriff der Leichtgläubigkeit ist im Zusammenhang mit Verbrauchergruppen von Bedeutung, die bestimmten Aussagen leichter Glauben schenken. Er ist neutral und gleichzeitig unscharf und zielt auf den Schutz von Mitgliedern einer Gruppe ab, die aus einem beliebigen Grund besonders leicht durch bestimmte Geschäftspraktiken zu beeinflussen sind. Zu dieser Gruppe könnte jeder Verbraucher gehören.

In der Untersuchung der Kommission aus dem Jahr 2016 über die Schutzbedürftigkeit von Verbrauchern wurde festgestellt, dass Personen, die nach einer entsprechenden Prüfung als leichtgläubig eingestuft wurden, bei geschäftlichen Entscheidungen mit größerer Wahrscheinlichkeit Probleme haben als andere Verbraucher. Personen, die sich selbst als leichtgläubig einschätzen, beschweren sich zudem mit geringerer Wahrscheinlichkeit, wenn Probleme auftreten, und empfinden sich selbst als stärker schutzbedürftig.

Das Konzept des schutzbedürftigen Verbrauchers und die entsprechenden Kriterien finden Anwendung, wenn die betreffende Geschäftspraxis das wirtschaftliche Verhalten einer gefährdeten Gruppe von Verbrauchern „ in einer für den Gewerbetreibenden vernünftigerweise vorhersehbaren Art und Weise “ beeinflusst.

Mit diesem Kriterium kommt bei der Bewertung von Geschäftspraktiken im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit von Verbrauchern der Aspekt der Verhältnismäßigkeit hinzu.

Gewerbetreibende sollen demzufolge nur zur Rechenschaft gezogen werden, wenn die negative Auswirkung einer Geschäftspraxis auf eine Gruppe gefährdeter Verbraucher vom Gewerbetreibenden vernünftigerweise als vorhersehbar betrachtet wird.

In diesem Sinne wird von den Gewerbetreibenden lediglich angemessenes Handeln erwartet, sowohl bei der Abwägung, ob die betreffende Praxis in Bezug auf eine eindeutig bestimmbare Gruppe von Verbrauchern möglicherweise unlauter ist, als auch beim Ergreifen etwaiger Abhilfemaßnahmen.

Entsprechend wird eine Geschäftspraxis eher nicht als irreführend bewertet, wenn einige Verbraucher infolge von besonders ausgeprägter Naivität oder von Unkenntnis auch durch die lauterste Geschäftspraxis irregeführt oder in sonstige Weise zu unvernünftigem Handeln veranlasst würden.

Beispiele:

Einige Verbraucher könnten annehmen, dass „Spaghetti Bolognese“ tatsächlich in Bologna hergestellt wird. Gewerbetreibende können jedoch nicht für jede erdenkliche Auslegung ihrer Geschäftspraktiken durch bestimmte Verbraucher oder für entsprechende Reaktionen seitens dieser Verbraucher verantwortlich gemacht werden.

2.7   Artikel 5 – berufliche Sorgfaltspflicht

Artikel 5 – Verbot unlauterer Geschäftspraktiken  (150)

(1)

Unlautere Geschäftspraktiken sind verboten.

(2)

Eine Geschäftspraxis ist unlauter, wenn

a)

sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und

b)

sie in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet oder des durchschnittlichen Mitglieds einer Gruppe von Verbrauchern, wenn sich eine Geschäftspraxis an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen.

Artikel 2 Buchstabe h

[Als] „berufliche Sorgfalt“ [wird] der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt [bezeichnet], bei denen billigerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbetreibende sie gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten und/oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich anwendet[.]

Artikel 5 Absatz 2 enthält eine Generalklausel, mit der zwei kumulative Kriterien für die Prüfung vorgegeben werden, ob Geschäftspraktiken als unlauter einzustufen sind. Die Klausel fungiert als „Sicherheitsnetz“ und durch sie soll sichergestellt werden, dass auch alle unlauteren Praktiken, die durch andere Bestimmungen der UGPRL nicht abgedeckt sind (d. h. irreführende oder aggressive Praktiken oder in Anhang I nicht genannte Praktiken) bestraft werden können. Diese Bestimmung ist insoweit zukunftssicher, als sie auch neu aufkommende unlautere Geschäftspraktiken abdeckt.

Nach Artikel 5 Absatz 2 sind Geschäftspraktiken, die im Widerspruch zu den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht stehen, dann verboten, wenn sie geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

Dies ist ein eigenständiges Kriterium. Es ist nicht als Anforderung für eine zusätzliche kumulative Prüfung zu verstehen, die für die Feststellung erfüllt werden müsste, dass die betreffende Praxis bestimmten in den Artikeln 6–9 oder in Anhang I der UGPRL genannten Kategorien unlauterer Geschäftspraktiken zuzurechnen ist. Dies wird aus dem Flussdiagramm zur UGPRL deutlich.

In diesem Sinne hat auch der Gerichtshof geurteilt:

45

Demnach ist in Anbetracht sowohl des Wortlauts als auch der Struktur der Art. 5 und 6 Abs. 1 der Richtlinie sowie deren allgemeiner Systematik eine Geschäftspraxis als im Sinne der letztgenannten Bestimmung ‚irreführend‘ anzusehen, wenn die dort aufgeführten Kriterien erfüllt sind, ohne dass zu prüfen wäre, ob auch die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie aufgestellte Voraussetzung erfüllt ist, dass diese Praxis den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht.

46

Nur die vorstehende Auslegung ist geeignet, die praktische Wirksamkeit der spezielleren Regeln in den Art. 6 bis 9 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken zu wahren. Stimmten nämlich die Voraussetzungen für ihre Anwendung mit den in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie genannten überein, wären diese Artikel praktisch bedeutungslos, obwohl sie dazu dienen, den Verbraucher vor den am häufigsten anzutreffenden unlauteren Geschäftspraktiken zu schützen …“ (151).

Der Begriff der „beruflichen Sorgfaltspflicht“ beinhaltet Grundsätze, die in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auch vor Annahme der UGPRL bereits gut etabliert waren (z. B. die Grundsätze der „anständigen Marktgepflogenheiten“, „Treu und Glauben“ und „gängige Marktpraxis“). Diese Grundsätze unterstreichen normative Werte bei der jeweiligen speziellen wirtschaftlichen Tätigkeit. Dazu können Grundsätze gehören, die sich aus nationalen und internationalen Normen und Verhaltenskodizes ableiten (siehe auch Abschnitt 2.8.4 über Verstöße gegen Verhaltenskodizes).

Beispiele:

Eine Durchsetzungsbehörde ging gegen einen Gewerbetreibenden (einen Anbieter von Satellitenfernsehprogrammen) mit der Begründung vor, dass dieser seiner beruflichen Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen sei. Die betreffenden Verträge waren zwar zeitlich beschränkt; wenn die Verbraucher aber nicht selbst aktiv wurden, um eine automatische Verlängerung bei Vertragsablauf zu verhindern, betrachtete der Gewerbetreibende die Verträge als automatisch verlängert (152).

Ein nationales Gericht gelangte in einer Klage einer Vollstreckungsbehörde zu dem Schluss, dass ein Inkassobüro, das Druck auf die Verbraucher ausübte, Rechnung für rechtlich ungültige Verträge zu begleichen, und sich weigerte, deren Fragen zu beantworten, gegen die berufliche Sorgfaltspflicht verstoße. Die Verbraucher hätten das Recht zu erfahren, welche Forderung das Inkassobüro eintreibt und ob diese Forderung korrekt ist oder nicht. Bei der Auslegung der Anforderungen an die berufliche Sorgfalt stützte sich die Behörde auf den Verhaltenskodex eines Verbands von Inkassobüros, und ein nationales Gericht bestätigte diese Auslegung. Es befand zudem, dass dieser Verhaltenskodex auch für Unternehmen, die nicht Mitglied des Verbandes sind, als Referenz herangezogen werden kann, um zu bestimmen, was als gewerbliche Verhaltensweise gilt (153).

Damit eine Geschäftspraxis als Verstoß gegen die berufliche Sorgfaltspflicht festgestellt werden kann, muss nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b auch davon ausgegangen werden können, dass die Geschäftspraxis geeignet ist, das „wirtschaftliche Verhalten“ von Verbrauchern „wesentlich zu beeinflussen“. Dieses Konzept wurde im vorstehenden Abschnitt 2.4 näher erläutert.

Beispiele:

Eine Durchsetzungsbehörde erhob Klage gegen ein Inkassobüro. Die Behörde stellte fest, dass der Gewerbetreibende unangemessenen Druck auf Verbraucher ausübte und mehrfach aggressive Geschäftspraktiken angewendet hatte und dass dieses Verhalten im Widerspruch zu den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht stand und die Wahlfreiheit des Durchschnittsverbrauchers beeinträchtigte und ihn somit zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasste, die er ansonsten nicht getroffen hätte (154).

2.8   Artikel 6 – Irreführende Handlungen

Artikel 6 – Irreführende Handlungen

(1)

Eine Geschäftspraxis gilt als irreführend, wenn sie falsche Angaben enthält und somit unwahr ist oder wenn sie in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Präsentation, selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher in Bezug auf einen oder mehrere der nachstehend aufgeführten Punkte täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist und ihn in jedem Fall tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte:

a)

das Vorhandensein oder die Art des Produkts;

b)

die wesentlichen Merkmale des Produkts wie Verfügbarkeit, Vorteile, Risiken, Ausführung, Zusammensetzung, Zubehör, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, Verfahren und Zeitpunkt der Herstellung oder Erbringung, Lieferung, Zwecktauglichkeit, Verwendung, Menge, Beschaffenheit, geografische oder kommerzielle Herkunft oder die von der Verwendung zu erwartenden Ergebnisse oder die Ergebnisse und wesentlichen Merkmale von Tests oder Untersuchungen, denen das Produkt unterzogen wurde;

c)

den Umfang der Verpflichtungen des Gewerbetreibenden, die Beweggründe für die Geschäftspraxis und die Art des Vertriebsverfahrens, die Aussagen oder Symbole jeder Art, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen oder sich auf eine Zulassung des Gewerbetreibenden oder des Produkts beziehen;

d)

der Preis, die Art der Preisberechnung oder das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils;

e)

die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur;

f)

die Person, die Eigenschaften oder die Rechte des Gewerbetreibenden oder seines Vertreters, wie Identität und Vermögen, seine Befähigungen, seinen Status, seine Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen sowie gewerbliche oder kommerzielle Eigentumsrechte oder Rechte an geistigem Eigentum oder seine Auszeichnungen und Ehrungen;

g)

die Rechte des Verbrauchers einschließlich des Rechts auf Ersatzlieferung oder Erstattung gemäß der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter(1) oder die Risiken, denen er sich möglicherweise aussetzt.

(2)

Eine Geschäftspraxis gilt ferner als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte, und Folgendes beinhaltet:

a)

jegliche Art der Vermarktung eines Produkts, einschließlich vergleichender Werbung, die eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt, Warenzeichen, Warennamen oder anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers begründet;

b)

die Nichteinhaltung von Verpflichtungen, die der Gewerbetreibende im Rahmen von Verhaltenskodizes, auf die er sich verpflichtet hat, eingegangen ist, sofern

i)

es sich nicht um eine Absichtserklärung, sondern um eine eindeutige Verpflichtung handelt, deren Einhaltung nachprüfbar ist,

und

ii)

der Gewerbetreibende im Rahmen einer Geschäftspraxis darauf hinweist, dass er durch den Kodex gebunden ist;

c)

jegliche Art der Vermarktung einer Ware in einem Mitgliedstaat als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten vermarkteten Ware, obgleich sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist;

Zusammen mit Artikel 7 über irreführende Unterlassungen ist Artikel 6 die bei Durchsetzungsmaßnahmen bei Weitem am häufigsten herangezogene Bestimmung.

Neue verhaltensökonomische Erkenntnisse belegen, dass nicht nur die Inhalte bereitgestellter Informationen, sondern auch die Art und Weise, wie diese Informationen präsentiert werden, die Reaktion der Verbraucher signifikant beeinflussen können. Daher gilt Artikel 6 ausdrücklich für Fälle, in denen Geschäftspraktiken geeignet sind, Verbraucher „in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Präsentation“ zu täuschen, „selbst mit sachlich richtigen Angaben“.

Den nationalen Gerichten und Verwaltungsbehörden obliegt es, den irreführenden Charakter von Geschäftspraktiken unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse der Verhaltensökonomik zu bewerten. Die Vorgabe von Voreinstellungen (Optionen, von denen vorausgesetzt wird, dass die Kunden sie wünschen, wenn sie dies nicht ausdrücklich anderweitig angeben) beispielsweise könnte als irreführend betrachtet werden.

2.8.1   Allgemeine irreführende Angaben

Nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a bis g sind Handlungen verboten, die geeignet sind, den Durchschnittsverbraucher über vielfältige Elemente zu täuschen; dies gilt u. a. für

das Vorhandensein des Produkts,

die wesentlichen Merkmale des Produkts (Zusammensetzung, Herstellungsverfahren, geografische oder kommerzielle Herkunft, mit dem Gebrauch verbundene Risiken und Folgen usw.),

den Preis, die Art der Preisberechnung oder das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils,

die Person, die Eigenschaften oder die Rechte des Gewerbetreibenden.

Artikel 6 gilt eindeutig für jede Geschäftspraxis, die „ falsche Angaben enthält und somit unwahr ist “.

Die Informationen über die „wesentlichen Merkmale des Produkts“ müssen gemäß Artikel 7 Absatz 4 UGPRL in einer Aufforderung zum Kauf und vor dem Abschluss des Vertrags bereitgestellt werden. Nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b UGPRL ist die Erteilung unrichtiger Informationen über die wesentlichen Merkmale eines Produkts verboten, wenn dies geeignet ist, den Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Beispiele:

Eine Verbraucherschutzbehörde ging gegen einen Gewerbetreibenden vor, der unzutreffend angegeben hatte, dass er Verbrauchern Kredite zu den niedrigsten Zinssätzen am Markt anbiete. Außerdem enthielt Werbung dieses Gewerbetreibenden die unzutreffende Angabe, dass den Verbrauchern Kredite ohne Prüfung ihrer Kreditwürdigkeit gewährt würden (155).

Bei IT-Produkten wie externen Festplatten USB-Sticks, Mobiltelefonen und Tablets ist die Speicherkapazität (der „Speicher“) eines der wesentlichen Merkmale. Eine Verbraucherschutzbehörde ist gegen einen Gewerbetreibenden vorgegangen, der mit Speicherkapazitäten von IT-Produkten geworben hatte, die beträchtlich von den tatsächlichen Speicherkapazitäten der Produkte abwichen (156). Eine Verbraucherschutzvereinigung hat ebenfalls eine Sammelklage aufgrund von Untersuchungen bei mehreren IT-Herstellern erhoben, bei denen eine Abweichung von durchschnittlich einem Drittel zwischen der beworbenen und der tatsächlichen Speicherkapazität festgestellt worden war.

Eine Fluggesellschaft hat vor Abschluss des Geschäfts mit den Verbrauchern in einer Landessprache kommuniziert. Der Kundendienst wurde jedoch nur in englischer Sprache angeboten, worüber die Verbraucher vor dem Kauf nicht informiert wurden. Diese Geschäftspraxis wurde als Verstoß gegen Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b UGPRL in Verbindung mit Anhang I Ziffer 8 eingestuft (157).

Nach Auffassung eines nationalen Gerichts stellt die Tatsache, dass eine Eintrittskarte wiederverkauft wurde, ein wesentliches Merkmal der Eintrittskarte dar, da dem Käufer, der eine wiederverkaufte Eintrittskarte gekauft hat, von dem ursprünglichen Verkäufer der Zutritt verweigert werden könnte (158).

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f betreffen verschiedene Angaben über den Gewerbetreibenden und die Art des Vertriebsverfahrens. Dazu können auch Geschäftspraktiken gehören, bei denen ein Händler fälschlicherweise behauptet oder den Eindruck erweckt, dass er berechtigt ist, ein Produkt zu verkaufen, obwohl das Produkt einem bestimmten Vertriebsnetz unterliegt.

Mit sogenannten „Bis-zu-Angaben“ verweisen Gewerbetreibende als Vermarktungsargument auf den maximalen Nutzen, den Verbraucher von der Verwendung eines Produkts erwarten können. „Bis-zu-Angaben“ können irreführend im Sinne der Artikel 6 sein, wenn sie dem tatsächlichen Sachverhalt des Angebots eines Gewerbetreibenden nicht entsprechen und wenn sie geeignet sind, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Außerdem können „Bis-zu-Angaben“ als irreführend eingestuft werden, wenn Gewerbetreibende nicht nachweisen können, dass die Verbraucher die zugesicherten maximalen Ergebnisse unter normalen Umständen erzielen. Siehe auch Abschnitt 2.8.2 über Preisvorteile.

Ob eine „Bis-zu-Angabe“ irreführend ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Dabei können mehrere Kriterien von Bedeutung sein. Beispielsweise sind die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

Wurden die Ergebnisse und Vorteile, die ein Durchschnittsverbraucher vernünftigerweise erwarten kann, einschließlich möglicher Gegebenheiten oder Beschränkungen klar benannt? Ansonsten könnte die Angabe irreführend in Bezug auf die „wesentlichen Merkmale“ des Produkts sein.

o Wurden wesentliche Informationen im Sinne von Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a vorenthalten (bei Aufforderungen zum Kauf)?

o War die Behauptung eine irreführende Handlung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b UGPRL?

Verfügt der Gewerbetreibende über geeignete und gut zugängliche Nachweise, mit denen er seine Behauptung im Sinne von Artikel 12 UGPRL begründen kann?

Die Angaben gegenüber den Verbrauchern dürfen Verbraucher nicht täuschen oder geeignet sein, Verbraucher zu täuschen; dies gilt auch für die sämtliche Umstände ihrer Präsentation, selbst mit sachlich richtigen Angaben.

Beispiele:

Ein Finanzinstitut bewarb ein Investmentprodukt als fünfjährige Anleihe mit geringem Risiko, mit vorteilhaften Zinsen und einer garantierten Kapitalverzinsung am Ende der Laufzeit. Tatsächlich verloren die Anleger die Zinsen auf ihr Kapital und einen erheblichen Anteil des ursprünglich angelegten Kapitals. Eine Verbraucherschutzbehörde bewertete diese Geschäftspraxis als irreführend, weil den Anlegern unangemessene und irreführende Informationen über das betreffende Finanzprodukt mitgeteilt wurden (159).

Ein nationales Gericht betrachtete die Werbung eines Mobilfunkbetreibers als irreführend, der vorgab, seine Mobilfunkgebühren seien um 30 % günstiger als die Gebühren seiner Wettbewerber, ohne jedoch klar darauf hinzuweisen, dass die erste Gesprächsminute nicht im Sekundentakt abgerechnet wird. Das Gericht gelangte zu dem Schluss, dass die Verbraucher wegen der mehrdeutigen Präsentation des Angebots keine informierte Entscheidung treffen konnten (160).

In der UGPRL ist keine förmliche Bestimmung enthalten, nach der die geografische (oder kommerzielle) Herkunft eines Produkts oder seine Zusammensetzung angegeben werden müssen (161). Solche Anforderungen können jedoch in sektorspezifischen Rechtsvorschriften bestehen (162). Zudem könnte die Irreführung der Verbraucher über diese Merkmale nach der UGPRL unter das Verbot in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der UGPRL fallen, wenn diese falschen oder täuschenden Angaben geeignet sind, den Verbraucher zu einer Kaufentscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Einige Entscheidungen nationaler Gerichte nehmen ausdrücklich auf die Anwendung der UGPRL auf irreführende Herkunftsangaben Bezug.

Beispiele:

Ein Unternehmen aus der Dominikanischen Republik vermarktete den erzeugten Rum in der Union unter mehrfacher Bezugnahme auf Kuba (auf den Flaschen und in im Geschäftsverkehr verwendetem Material). Ein nationales Gericht bewertete die Nennung eines berühmten geografischen Ortes auf einem Produkt, das tatsächlich nicht aus diesem Ort stammt, als irreführende Geschäftspraxis (163).

Es wurde auch die Frage aufgeworfen, welche Informationen über die Zusammensetzung von Produkten, z. B. Waren mit nicht-tierischen Bestandteilen, die mit dem Begriff „Leder“ gekennzeichnet sind, anzugeben sind.

Beispiele:

Nationale Gerichte bewerteten als irreführend, dass Möbel, die keinerlei Bestandteile aus Leder enthielten, mit der Behauptung vermarktet wurden, Teile der Möbel seien aus „Textilleder“ gefertigt. Die Gerichte betonten, der Durchschnittsverbraucher gehe davon aus, dass diese Möbel tatsächlich mit Bestandteilen aus Leder gefertigt würden (164).

Nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe g dürfen Gewerbetreibende die Verbraucher nicht über ihre Verbraucherrechte irreführen.

Beispiele:

Ein nationales Gericht hat den Rechtsmittelantrag eines Gewerbetreibenden zurückgewiesen, gegen den eine Durchsetzungsbehörde wegen der Irreführung von Verbrauchern über ihr Widerrufsrecht ein Bußgeld verhängt hatte. Statt des ausdrücklichen Hinweises darauf, dass Verbraucher innerhalb von 14 Tagen von einem Vertrag zurücktreten können, enthielten die Verträge nur einen Hinweis auf die betreffenden Bestimmungen des nationalen Rechts, der zudem unklar und irreführend formuliert war (165).

Ein Gewerbetreibender betonte in seiner Werbung eine kostenlose einjährige Garantie, um letztlich eine kostenpflichtige Verlängerung dieser Garantie um drei bzw. fünf Jahre zu verkaufen. Das Unternehmen hat die Verbraucher nicht zutreffend über das Bestehen der gesetzlichen Gewährleistung unterrichtet, auf die sie nach der Richtlinie zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter zwei Jahre nach Lieferung eines Produkts ohnehin Anspruch haben. Eine Verbraucherschutzbehörde bewertete diese Geschäftspraxis insbesondere auf der Grundlage von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe g UGPRL als irreführend (166). Diese Entscheidung wurde anschließend von einem nationalen Gericht bestätigt (167).

2.8.2   Preisvorteile

Nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d sind irreführende Angaben über den Preis verboten. Die Anwendung der UGPRL auf Preisnachlässe, für die in der Richtlinie 98/6/EG über Preisangaben besondere Vorschriften gelten, wird in Abschnitt 1.2.5 erörtert. Die UGPRL bleibt in vollem Umfang anwendbar und gilt auch für andere Arten von Praktiken zur Förderung von Preisvorteilen, z. B. Vergleiche mit anderen Preisen, Kopplungsangebote oder Angebote mit Vertragsbindung und Programme zur Kundenbindung. Mehrere Bestimmungen der UGPRL sind für solche absatzfördernde Praktiken relevant (z. B. Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d über das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils und Ziffer 20 über Gratisangebote). Die UGPRL gilt auch für personalisierte Preise (siehe Abschnitt 4.2.8).

Insbesondere fallen weiterhin absatzfördernde Praktiken unter die UGPRL, bei denen der Preis mit den Preisen anderer Gewerbetreibender oder mit anderen Referenzpreisen, wie den sogenannten „empfohlenen Verkaufspreisen“ der Hersteller, verglichen wird. Die jeweiligen Gewerbetreibenden müssen besonders darauf achten, den Verbraucher deutlich darüber zu informieren, dass es sich bei dem angegebenen Referenzpreis um einen Vergleich und nicht um eine Senkung des Preises handelt, den der Gewerbetreibende zuvor berechnet hat. Diese Erklärung muss unverzüglich und ohne Weiteres zusammen mit dem Referenzpreis angegeben werden. Dies gilt vor allem dann, wenn Praktiken wie durchgestrichene Referenzpreise zur Anwendung kommen, die von den Verbrauchern wahrscheinlich als eine Senkung des Preises, den derselbe Gewerbetreibende zuvor verlangt hat, wahrgenommen werden. Es obliegt den Behörden der Mitgliedstaaten, auf Einzelfallbasis zu beurteilen, ob solche Praktiken nicht irreführend sind und im Einklang mit der UGPRL stehen.

Jede Verwendung von „empfohlenen Verkaufspreisen“ in Preisvergleichen sollte erläutert werden. Ihre Verwendung könnte einen Verstoß gegen Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d UGPRL darstellen, wenn der Preis unangemessen hoch und unrealistisch ist und den Verbrauchern den Eindruck vermittelt, dass ihnen ein höherer Nachlass gewährt wird als tatsächlich angeboten.

In der Rechtssache Canal Digital Danmark (168) stellte der Gerichtshof klar, dass eine Geschäftspraxis, die darin besteht, den Preis eines Produkts in mehrere Bestandteile aufzuteilen und einen davon hervorzuheben, im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 als irreführend einzustufen ist, da sie geeignet wäre, erstens dem Durchschnittsverbraucher den falschen Eindruck zu vermitteln, dass ihm ein vorteilhafter Preis angeboten wird, und zweitens ihn dazu zu verleiten, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er ansonsten nicht getroffen hätte, was vom vorlegenden Gericht unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Ausgangsverfahrens zu prüfen ist (169).

Beispiele:

Im Jahr 2020 erhielten die Kommission und die nationalen Behörden im Rahmen des Netzwerks für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Netz) Zusagen von den Reiseportalen Booking und Expedia. Als Plattformen hatten sie sich verpflichtet, Preisnachlässe und Rabatte in Übereinstimmung mit dem Verbraucherrecht der EU klar darzustellen. Dazu gehört, dass

Preise, die in Bezug auf verschiedene Beherbergungsdaten berechnet wurden, nicht als Rabatt dargestellt werden (z. B. durch Durchstreichen oder Begriffe wie „% Rabatt“),

klar gekennzeichnet wird, wenn niedrigere Preise nur für Mitglieder von Prämienprogrammen gelten,

ein Angebot nicht als zeitlich begrenzt dargestellt wird, wenn es auch danach noch zum gleichen Preis erhältlich ist (170).

Ein Gewerbetreibender bewarb eine Sportausrüstung, indem er seinen Preis mit dem etwas höheren empfohlenen Verkaufspreis des Einführers verglich, obwohl der Einführer das Produkt nicht direkt an Endkunden verkaufte. Ein nationales Gericht bewertete diese Praxis als irreführend und verbot dem Gewerbetreibenden, seinen Preis mit dem empfohlenen Verkaufspreis zu vergleichen, wenn dieser Preis nicht mit dem Preis übereinstimmt, den andere Einzelhändler tatsächlich für das gleiche Produkt verlangen (171).

Ein nationales Gericht befand, dass ein Gewerbetreibender gegen Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d UGPRL verstieß, da er durchgestrichene Referenzpreise für Möbel verwendete, obwohl diese Produkte nie zu diesem Preis angeboten wurden. Dadurch schuf der Gewerbetreibende einen nicht existierenden Preisvorteil, der die Verbraucher irreführte oder irreführen könnte (172).

2.8.3   Vermarktungsformen, die eine Verwechslungsgefahr begründen

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a der UGPRL betrifft Vermarktungsformen, die eine Verwechslungsgefahr begründen.

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a:

Eine Geschäftspraxis gilt ferner als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte, und Folgendes beinhaltet:

a)

jegliche Art der Vermarktung eines Produkts, einschließlich vergleichender Werbung, die eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt, Warenzeichen, Warennamen oder anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers begründet;

Beispiele:

Ein nationales Gericht hat festgestellt, dass der Versand von Rechnungen, die an die Gestaltung der Marke eines anderen Gewerbetreibenden (Name, Marken und Layout der Rechnung) angelehnt sind und den Eindruck erwecken, dass die betreffenden Dienstleistungen von diesem anderen Gewerbetreibenden erbracht wurden, als unlautere Geschäftspraxis zu bewerten ist. Außerdem stand diese Praxis im Widerspruch zu Anhang I Ziffer 21 UGPRL (Beifügen einer Rechnung oder eines ähnlichen Dokuments mit einer Zahlungsaufforderung zu Werbematerial, das den Eindruck vermittelt, dass der Verbraucher das beworbene Produkt bereits bestellt hat, obwohl dies nicht zutrifft) (173).

Dasselbe Gericht gelangte außerdem zu dem Schluss, dass gelbe Schilder mit den Aufschriften „Taxi“ und „Taxi Göteborg“ auf einem Taxi als vergleichende Werbung einzustufen sind und mit den Marken eines Wettbewerbers verwechselt werden. Ein anderer Gewerbetreibender bot nämlich seit 1922 Taxidienste in Göteborg an und verwendete die Aufschrift „Taxi Göteborg“ und die gelbe Farbe als Marken (174).

Eine Praxis, bei der sich die Frage der Vereinbarkeit mit dieser Bestimmung stellt, ist die Verwendung von „Nachahmerverpackungen“, die in den Offline- und Online-Vertriebskanälen vorkommen kann. Gemeint ist die Praxis, dass die Verpackung von Produkten („Verkaufsaufmachung“) so gestaltet wird, dass sie einer konkurrierenden etablierten Marke ähnelt.

Die Nachahmung von Verpackungen ist nicht mit einer Fälschung gleichzusetzen, da bei Fälschungen normalerweise auch die Marken nachgeahmt werden. Das Risiko der Nachahmung von Verpackungen liegt darin, dass Verbraucher irregeführt werden können und folglich ihr wirtschaftliches Verhalten beeinflusst wird.

Verbraucher können durch Nachahmerverpackungen auf unterschiedliche Weise getäuscht werden:

vollständige Irreführung – der Verbraucher erwirbt ein Nachahmerprodukt und hält es für das Originalprodukt,

Täuschung über die Herkunft – der Verbraucher erkennt, dass sich das Nachahmerprodukt vom Originalprodukt unterscheidet, ist aber aufgrund der ähnlichen Verpackung der Auffassung, dass beide Produkte vom selben Hersteller stammen,

Täuschung über die Qualität oder Beschaffenheit – auch in diesem Fall erkennt der Verbraucher, dass sich das Nachahmerprodukt vom Originalprodukt unterscheidet, geht aber wegen der ähnlichen Verpackung davon aus, dass die Qualität des Nachahmerprodukts mit der des kopierten Produkts vergleichbar ist oder ihr zumindest nahekommt.

Die ähnliche Verpackung suggeriert den Verbrauchern, dass das Nachahmerprodukt hinsichtlich seiner Qualität oder Beschaffenheit dem Original-Markenprodukt vergleichbar oder zumindest ähnlicher ist, als sie dies sonst annehmen würden. Den Verbrauchern wird durch die Ähnlichkeit der Verpackung der Eindruck vermittelt, die beiden Produkte unterschieden sich allein im Preis (und nicht auch in ihrer Beschaffenheit).

Beispiele:

Ein Gewerbetreibender wählt für seine neuen Sonnenbrillen eine Bezeichnung oder einen Markennamen, die der Bezeichnung oder dem Markennamen der Sonnenbrillen eines Mitbewerbers sehr ähnlich sind. Wenn die Ähnlichkeit der beiden Produkte den Durchschnittsverbraucher irreführt und ihn zum Kauf des Nachahmerprodukts veranlasst, obwohl er das Produkt ansonsten nicht erworben hätte, verstößt diese Praxis gegen Artikel 6 Absatz 2 UGPRL.

Anhang I der UGPRL verbietet unter allen Umständen einige konkrete Geschäftspraktiken in Verbindung mit Vermarktungsformen, die eine Verwechslungsgefahr im Zusammenhang mit Marken, Handelsnamen usw. begründen:

ANHANG I Ziffer 3

Die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung.

ANHANG I Ziffer 4

Die Behauptung, dass ein Gewerbetreibender (einschließlich seiner Geschäftspraktiken) oder ein Produkt von einer öffentlichen oder privaten Stelle bestätigt, gebilligt oder genehmigt worden sei, obwohl dies nicht der Fall ist, oder die Aufstellung einer solchen Behauptung, ohne dass den Bedingungen für die Bestätigung, Billigung oder Genehmigung entsprochen wird.

ANHANG I Ziffer 13

Werbung für ein Produkt, das einem Produkt eines bestimmten Herstellers ähnlich ist, in einer Weise, die den Verbraucher absichtlich dazu verleitet, zu glauben, das Produkt sei von jenem Hersteller hergestellt worden, obwohl dies nicht der Fall ist.

Eine für Verbraucher u. U. irreführende Praxis ist der von Gewerbetreibenden oder Online-Marktplätzen betriebene Verkauf von Marken als Schlüsselwörter, wenn dies hinsichtlich der Identität des Gewerbetreibenden, der das Produkt anbietet, eine Verwechslungsgefahr begründet. Die UGPRL, insbesondere Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a, kommt dann ins Spiel, wenn die angezeigten Suchergebnisse geeignet sind, Verbraucher hinsichtlich der Beschaffenheit des jeweiligen Produkts, Warenzeichens oder Warennamens zu täuschen oder wenn die Suchergebnisse zu Verwechslungen zwischen Warennamen oder anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers führen können. Wenn Unternehmen an Marken gebundene Schlüsselwörter zum Verkauf gefälschter Produkte verwenden, könnte dies möglicherweise einen Verstoß gegen Anhang I Ziffer 9 der UGPRL darstellen.

2.8.4   Verstöße gegen Verhaltenskodizes

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b:

(2)

Eine Geschäftspraxis gilt ferner als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte, und Folgendes beinhaltet:

b)

die Nichteinhaltung von Verpflichtungen, die der Gewerbetreibende im Rahmen von Verhaltenskodizes, auf die er sich verpflichtet hat, eingegangen ist, sofern

i)

es sich nicht um eine Absichtserklärung, sondern um eine eindeutige Verpflichtung handelt, deren Einhaltung nachprüfbar ist,

und

ii)

der Gewerbetreibende im Rahmen einer Geschäftspraxis darauf hinweist, dass er durch den Kodex gebunden ist.

Die UGPRL enthält einige Bestimmungen, die Gewerbetreibende daran hindern, das etwaige Vertrauen von Verbrauchern in Selbstkontrollkodizes auszunutzen. Sie legt keine spezifischen Regeln zur Gültigkeit eines Verhaltenskodex fest, sondern beruht auf der Annahme, dass irreführende Angaben über eine Mitgliedschaft des Gewerbetreibenden oder über die Billigung durch eine Einrichtung zur Selbstkontrolle das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher beeinträchtigen und das Vertrauen von Verbrauchern in Selbstkontrollkodizes untergraben können. Erstens müssen Gewerbetreibende nach Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b Selbstkontrollkodizes einhalten, wenn sie in kommerzieller Kommunikation darauf hinweisen, dass sie an diese Kodizes gebunden sind.

In der Rechtssache Bankia stellte der Gerichtshof klar, dass die UGPRL einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die einem Verhaltenskodex keine rechtliche Bindungswirkung zuerkennt (175). Zwar räumte der Gerichtshof ein, dass Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b bestimmt, dass die Nichteinhaltung eines Verhaltenskodex durch einen Gewerbetreibenden eine unlautere Geschäftspraxis darstellen kann, allerdings verpflichtet die Richtlinie als solche die Mitgliedstaaten nicht dazu, unmittelbare Rechtsfolgen für Gewerbetreibende nur aus dem Grund vorzusehen, dass sie einen Verhaltenskodex nicht eingehalten haben (176).

Beispiele:

Eine Verbraucherschutzbehörde ging aufgrund dieser Bestimmung gegen einen Energieversorger vor. Der Gewerbetreibende war Mitglied eines Verbandes der Energiewirtschaft und erklärte sich an einen Verhaltenskodex des Verbandes gebunden. Nach diesem Verhaltenskodex sollten Verbraucher, die nur bestimmte Informationen wünschen, keine Produkt- oder Leistungsangebote erhalten. In dieser Sache erhielten die Verbraucher jedoch entweder nicht die gewünschten Informationen oder sahen sich schließlich an einen Vertrag gebunden, dem sie nicht zugestimmt hatten. Im Verhaltenskodex war ferner festgelegt, dass Mitglieder des Verbandes die Unerfahrenheit oder die (altersbedingte) Schutzbedürftigkeit von Verbrauchern nicht ausnutzen sollten. Der Energieversorger hatte jedoch zu mehreren älteren Menschen Kontakt aufgenommen und sich die Schutzbedürftigkeit dieser Menschen zunutze gemacht (177).

Zweitens verbietet Anhang I der UGPRL bestimmte Praktiken unter allen Umständen, um sicherzustellen, dass sich Gewerbetreibende in ihrer Werbung in verantwortungsvoller Weise an Verhaltenskodizes (Anhang I Ziffern 1 und 3 zu Verhaltenskodizes, Ziffer 2 zu Qualitäts- und Gütekennzeichen und Ziffer 4 zur Bestätigung durch eine öffentliche oder private Stelle) orientieren.

2.8.5   Vermarktung von Produkten von „zweierlei Qualität“

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c

(2)

Eine Geschäftspraxis gilt ferner als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte, und Folgendes beinhaltet:

c)

jegliche Art der Vermarktung einer Ware in einem Mitgliedstaat als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten vermarkteten Ware, obgleich sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist;

Freier Warenverkehr bedeutet aber nicht unbedingt, dass jedes Produkt in jedem Winkel des Binnenmarkts identisch sein muss. So wie es den Verbrauchern freisteht, die Produkte ihrer Wahl zu kaufen, so steht es auch den Unternehmern frei, Waren mit unterschiedlicher Zusammensetzung oder unterschiedlichen Merkmalen zu vermarkten und zu verkaufen, sofern sie voll und ganz mit den EU-Rechtsvorschriften (über die Produktsicherheit und die Kennzeichnung sowie sonstigen horizontalen oder sektoralen Vorschriften) im Einklang stehen.

Wie in Erwägungsgrund 52 der Richtlinie (EU) 2019/2161 dargelegt, kann die mitgliedstaatenübergreifende Vermarktung von Waren als identisch, obgleich diese sich in Wirklichkeit in ihrer Zusammensetzung oder ihren Eigenschaften wesentlich voneinander unterscheiden, für Verbraucher jedoch irreführend sein und sie zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen, die sie ansonsten nicht getroffen hätten. Eine solche Marketingmethode wird oft als Vermarktung von Produkten von „zweierlei Qualität“ bezeichnet.

Daher wurde mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 eine spezielle Bestimmung (Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c) in die UGPRL aufgenommen, um Situationen zu regeln, in denen Gewerbetreibende Produkte in verschiedenen Mitgliedstaaten als identisch vermarkten, obgleich sich diese Waren in Wirklichkeit in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, und in denen dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist. Die Anwendung von Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c beruht auf den objektiven und offensichtlichen Umständen der Aufmachung und der Zusammensetzung oder der Merkmale des betreffenden Produkts.

In Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c UGPRL wird klargestellt, dass die UGPRL auf irreführende Vermarktungspraktiken von Produkten von „zweierlei Qualität“ anwendbar ist, und die nationalen Verbraucherschutzbehörden erhalten eine klarere und spezifischere Rechtsgrundlage, um gegen solche irreführenden Praktiken vorzugehen. Diese Leitlinien ersetzen die Bekanntmachung der Kommission aus dem Jahr 2017 zur Anwendung der ursprünglichen UGPRL auf Lebensmittel von zweierlei Qualität (178).

Gegenstand und betroffene Wirtschaftsbeteiligte

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c gilt nur für Produkte, die in der UGPRL nicht bestimmt sind. Die UGPRL gilt für „Produkte“, die im weitesten Sinne Waren, Dienstleistungen und digitale Inhalte umfassen. Daher sollte die Definition des Begriffs „Waren“ in der Richtlinie (EU) 2019/771 über den Warenkauf analog angewendet werden. Als „Waren“ gelten demnach bewegliche körperliche Gegenstände sowie Wasser, Gas und Strom, wenn sie in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden. Folglich gilt Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c nicht für Dienstleistungen und digitale Inhalte, für die weiterhin die allgemeinen Vorschriften der UGPRL über irreführende Handlungen und Unterlassungen gelten.

Bei der Vermarktung von Produkten von „zweierlei Qualität“ bestehen die größten Probleme im Lebensmittelbereich (einschließlich Getränken). Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c UGPRL gilt jedoch auch für andere Arten von Waren.

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c gilt für die „Vermarktung“, ein weit gefasster Begriff, der sowohl die Präsentation der Waren auf ihrer Verpackung, die damit verbundene Werbung und Verkaufsförderung als auch den Verkauf der Waren an die Verbraucher umfasst.

Die Hauptzielgruppe von Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c sind die Gewerbetreibenden, die die Präsentation und Zusammensetzung der betreffenden Waren bestimmen. Dabei handelt es sich in der Regel um die Hersteller, einschließlich der Inhaber von „Eigenmarken“ und Einzelhandelsmarken. Die Durchsetzungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c sollten daher in erster Linie auf die Hersteller von Waren ausgerichtet sein.

Reine Einzelhändler haben gewöhnlich weder Einfluss auf die Zusammensetzung noch auf die Verpackung der von ihnen verkauften Waren. Sobald allerdings eine irreführende Praxis in Bezug auf Waren von „zweierlei Qualität“ festgestellt wird, können die Durchsetzungsbehörden auch Abhilfemaßnahmen von den Einzelhändlern verlangen, die die betreffende Ware verkaufen. Insbesondere können sie von den Einzelhändlern verlangen, den Verbrauchern am Verkaufsort zusätzliche Informationen zur Verfügung zu stellen, um sicherzustellen, dass die Verbraucher darauf hingewiesen werden, dass die betreffende Ware nicht mit der in anderen Ländern verkauften Ware identisch ist. Da die UGPRL auf Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen (B2B) keine Anwendung findet, enthält sie keine Bestimmungen über die Folgen solcher Durchsetzungsmaßnahmen im Rahmen von vertraglichen Beziehungen zwischen Einzelhändlern und Herstellern.

Aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters von Fällen von Produkten von „zweierlei Qualität“ müssen die zuständigen Behörden gegebenenfalls im Rahmen der CPC-Verordnung (EU) 2017/2394 zusammenarbeiten. In der CPC-Verordnung sind insbesondere klare Verpflichtungen zur Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden festgelegt, um sicherzustellen, dass die Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, die notwendigen Maßnahmen treffen, damit ein Verstoß, der Verbraucher in anderen Gebieten der Union beeinträchtigt, eingestellt wird.

Feststellung der Unterschiede und Feststellung, ob die Waren als „identisch“ vermarktet werden

Nach Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c UGPRL liegt möglicherweise eine unlautere Vermarktungspraxis in Bezug auf eine Ware von „zweierlei Qualität“ vor, wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:

1.

eine Ware wird als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten vermarkteten Ware vermarktet, und

2.

die Ware unterscheidet sich in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich von der in anderen Mitgliedstaaten vermarkteten Ware.

Die Bezugnahme auf „andere Mitgliedstaaten“ sollte so verstanden werden, dass damit ein oder mehrere andere Mitgliedstaaten als derjenige gemeint sind, der die Vollstreckung durchführt (179).

Der Begriff „Vermarktung [einer Ware] als identisch“ bezieht sich auf die Art und Weise, wie die Waren präsentiert und von einem Durchschnittsverbraucher wahrgenommen werden. Die Präsentation der Ware muss also nicht in allen Punkten völlig identisch sein, um von einer durchschnittlichen Person als identisch wahrgenommen zu werden. Nach Erwägungsgrund 53 der Richtlinie (EU) 2019/2161 sollten die zuständigen nationalen Behörden prüfen, ob die Unterschiede der Waren von den Verbrauchern leicht zu erkennen sind, indem sie die Verfügbarkeit und Angemessenheit von Informationen berücksichtigen.

Werden Verbrauchern in verschiedenen Mitgliedstaaten Versionen einer Ware angeboten, die sich in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich unterscheiden, sollten sich die Gewerbetreibenden in die Lage des Durchschnittsverbrauchers versetzen und prüfen, ob der Durchschnittsverbraucher diese verschiedenen Versionen als identisch wahrnehmen wird. In dieser Hinsicht können sich die Gewerbetreibenden von den bestehenden guten Marketingpraktiken inspirieren lassen, bei denen die Unternehmen verschiedene Versionen ihrer Lebensmittelerzeugnisse (die parallel auf den einzelnen nationalen Märkten angeboten werden) so präsentieren, dass die Unterschiede für den Verbraucher sehr deutlich werden, während die gemeinsamen Elemente, die die Marke ausmachen, erhalten bleiben.

Da die Anwendung von Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c durch das Vorliegen von „Unterschieden“ ausgelöst wird, ist die Bestimmung eines „Referenzguts“ nicht erforderlich. Es muss also nicht festgestellt werden, welche der als identisch vermarkteten Waren die „ursprüngliche“ und welche die „unterschiedliche“ Ware ist. Entscheidend ist nur, ob sich die in verschiedenen Mitgliedstaaten vermarkteten Waren in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich unterscheiden oder nicht. Das bedeutet auch, dass es den Gewerbetreibenden überlassen bleibt, wie sich sicherstellen, dass die verschiedenen Versionen ihrer Waren für die Verbraucher klar zu unterscheiden sind.

Zur Feststellung der Unterschiede zu den in anderen Mitgliedstaaten vermarkteten Waren müssen die nationalen Durchsetzungsbehörden die verfügbaren Informationen auf der Verpackung (d. h. auf der Vorderseite der Verpackung und auf dem Etikett) vergleichen. Wenn sich die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben auf dem Etikett (durch Labortests) als falsch erweisen, ist dies in erster Linie ein Verstoß gegen das EU-Lebensmittelrecht – siehe weiter unten sowie in den Abschnitten 1.2.2 und 3.3.

Einzelfallprüfung und „Bedeutung“ des Unterschieds

Nach den allgemeinen Bestimmungen von Artikel 6 UGPRL ist die Vermarktung von Waren mit unterschiedlicher Zusammensetzung oder unterschiedlichen Merkmalen in verschiedenen Mitgliedstaaten als identisch irreführend und daher unlauter und verboten, wenn eine solche Vermarktung geeignet ist, den Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen. Hier ist eine Einzelfallprüfung der betreffenden Geschäftspraktiken erforderlich. Die Prüfung des Vorliegens einer geschäftlichen Entscheidung ist der Eckpfeiler und die Voraussetzung für die Anwendung aller wichtigen Bestimmungen der UGPRL über unlautere Geschäftspraktiken (d. h. Artikel 5 bis 9).

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Verbraucher im Binnenmarkt allgemein davon ausgehen, dass der freie Warenverkehr und der gleichberechtigte Zugang zu Waren gewährleistet sind. Marken wirken im Bewusstsein der Verbraucher insbesondere als Zertifikat für eine kontrollierte und konstante Qualität. Markenwerbung und Bemühungen um Imagepflege tragen zu einer solchen Verbraucherwahrnehmung bei. Darüber hinaus verstärken Angaben wie „Original“, „einzigartig“ und „Rezeptur des Gründers“, die z. B. auf Lebensmittelverpackungen häufig erscheinen, die Botschaft des Markeninhabers über die einheitlichen Eigenschaften der Ware auf allen Märkten.

Daher erwarten die Verbraucher nicht von vornherein, dass die in verschiedenen Ländern verkauften Markenprodukte eine unterschiedliche Zusammensetzung oder unterschiedliche Merkmale aufweisen. In der Folge könnten sie vom Kauf der Ware absehen, wenn sie wüssten, dass sich die in ihrem Land zum Verkauf angebotene Ware in ihren Merkmalen oder ihrer Zusammensetzung von der Ware unterscheidet, die den Verbrauchern in anderen Ländern angeboten wird. Eine Studie des JRC aus dem Jahr 2020 ergab jedoch in Bezug auf Lebensmittel, dass sich die Unterscheidung von Versionen bei den untersuchten Lebensmitteln in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich auf die Kaufentscheidungen der Verbraucher ausgewirkt hat. Die Information der Verbraucher über die Unterscheidung der Lebensmittel führte nämlich in einigen Fällen dazu, dass sie die „einheimischen“ Versionen und in anderen Fällen die „ausländischen“ Versionen der Lebensmittel bevorzugten (180).

In dem JRC-Bericht wurde auch festgestellt, dass das Verhalten der Verbraucher bei einer Unterscheidung der Waren auch vom Ausmaß der Unterschiede abhängt. Die geschäftliche Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers wird eher beeinflusst, wenn der Verbraucher weiß, dass sich z. B. in Lebensmitteln eine oder mehrere Hauptzutaten oder deren Gehalt wesentlich unterscheiden (181). Größere Unterschiede bei der Zusammensetzung führen mit größerer Wahrscheinlichkeit zu unterschiedlichen sensorischen Merkmalen, die für die Verbraucher eine der wichtigsten Determinanten für die Lebensmittelqualität sind. Allerdings sei an dieser Stelle auch hervorgehoben, dass die sensorische Wahrnehmung von Lebensmitteln nur einer der Faktoren ist, die die Wahl der Verbraucher beeinflussen können. So kann es sein, dass die Verbraucher bestimmte Arten von Zutaten aus verschiedenen Gründen, die nicht mit ihrer Gesundheit zusammenhängen (z. B. Allergene), vermeiden wollen. Die Verbraucher legen immer größeren Wert auf die Umweltauswirkungen bestimmter Waren oder ihrer Inhaltsstoffe, ihre geografische Herkunft, die Art ihrer Herstellung, ihre chemische Zusammensetzung usw (182).

Die Einstufung von „wesentlich“ und nicht „wesentlichen“ Unterschieden kann nicht im Voraus festgelegt werden, z. B. in Bezug auf bestimmte Zutaten von Lebensmitteln. Vielmehr ist die „Bedeutung“ des Unterschieds ein zentrales Element der Einzelfallprüfung der Auswirkungen der Vermarktung von Produkten von „zweierlei Qualität“ auf den Durchschnittsverbraucher. In diesem Sinne (Auswirkungen auf den Durchschnittsverbraucher) wird dieser Begriff in Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c UGPRL verwendet.

Berechtigte Ausnahmen

Nach Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c können Gewerbetreibende Waren, die sich in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterschieden, (weiterhin) als identisch vermarkten, sofern dies durch „legitime und objektive Faktoren“ gerechtfertigt ist. In Erwägungsgrund 53 der Richtlinie (EU) 2019/2161 ist eine nicht erschöpfende Liste solcher Faktoren aufgeführt, und zwar: nationale rechtliche Anforderungen, Verfügbarkeit/Saisonabhängigkeit von Rohstoffen, und freiwillige Strategien zur Verbesserung des Zugangs zu gesunden und nährstoffreichen Lebensmitteln sowie Berechtigung der Gewerbetreibenden, Waren derselben Marke in Packungen mit unterschiedlichem Gewicht oder unterschiedlicher Füllmenge auf verschiedenen geografischen Märkten anzubieten.

In einigen Ländern können in den nationalen Vorschriften besondere Anforderungen an die Zusammensetzung bestimmter Arten von Lebensmitteln festgelegt sein, die in anderen Mitgliedstaaten nicht existieren. Außerdem kann es aufgrund der geografischen und/oder saisonalen Verfügbarkeit von Rohstoffen objektive Unterschiede bei der Beschaffung geben, die sich auf die Zusammensetzung und/oder den Geschmack der Produkte auswirken. Die Gewerbetreibenden können auch neue Rezepturen im Rahmen einer freiwilligen ernährungsbezogenen Umstellung einführen, was technisch und wirtschaftlich nicht auf allen Märkten gleichzeitig möglich ist.

Da die in Erwägungsgrund 53 der Richtlinie (EU) 2019/2161 genannten Beispiele nicht erschöpfend sind, könnte die Unterscheidung von in verschiedenen Mitgliedstaaten vermarkteten Waren auch durch andere objektive Faktoren gerechtfertigt sein.

Die Stichhaltigkeit der von den Gewerbetreibenden vorgebrachten Rechtfertigungen für die Unterscheidung der Waren müsste auf Einzelfallbasis geprüft werden. Die Gewerbetreibenden müssen die Gültigkeit der Ausnahme nachweisen. So muss ein Gewerbetreibender, der seine nationalen Produktversionen an die Präferenzen der lokalen Verbraucher anpasst, in der Lage sein, nachzuweisen (z. B. durch Wirtschafts- oder Marktstudien), dass es Verbraucherpräferenzen gibt und dass diese Präferenzen bei der Unterscheidung der Produkte tatsächlich berücksichtigt werden.

In Erwägungsgrund 53 der Richtlinie (EU) 2019/2161 wird betont, dass Gewerbetreibende, die unterschiedliche Versionen ihrer Waren aufgrund legitimer und objektiver Faktoren anbieten, die Verbraucher weiterhin darüber informieren sollten. Zwar bleibt die Art und Weise, wie diese Informationen bereitgestellt werden, den Gewerbetreibenden überlassen, doch heißt es in diesem Erwägungsgrund, dass die Gewerbetreibenden Alternativen zur Bereitstellung von Information auf dem Etikett der Ware in der Regel bevorzugen sollten. Solche anderen Mittel können Informationen in den Geschäftsräumen des Einzelhändlers/auf Online-Verkaufsoberflächen, Produktwebsites (die z. B. durch Scannen eines QR-Codes auf der Verpackung leicht und direkt zugänglich sein sollten) oder Produktwerbung sein. In jedem Fall sollten die Informationen für den Durchschnittsverbraucher, auch für schutzbedürftige Verbraucher, leicht und direkt zugänglich sein. Durch eine aktive und transparente Kommunikation über die Unterscheidung von Waren durch diese anderen Mittel werden die Gewerbetreibenden nicht nur die Verbraucher informieren, sondern ihnen und den nationalen Durchsetzungsbehörden auch verdeutlichen, dass sie davon ausgehen, dass die weitere Vermarktung der betreffenden Waren als identisch im Sinne der UGPRL gerechtfertigt ist. Zudem sollte auch ein kommerzielles Interesse an einer solchen aktiven und transparenten Kommunikation bestehen, insbesondere dann, wenn die Unterscheidung der Warenversionen tatsächlich dem Zweck dient, nationale rechtliche Anforderungen zu erfüllen oder die Verbrauchererfahrung zu verbessern.

Die Behauptung des Gewerbetreibenden, dass es gerechtfertigt sei, die Waren trotz ihrer wesentlichen Unterschiede als identisch zu vermarkten, fällt unter Artikel 12 UGPRL. In Artikel 12 ist vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten den Gerichten oder Verwaltungsbehörden die Befugnis übertragen, den Beweis der Richtigkeit von Tatsachenbehauptungen vom Gewerbetreibenden zu verlangen. Diese Befugnis sollte auch für die Behauptung der Gewerbetreibenden in Bezug auf die Rechtfertigung einer Unterscheidung gelten.

Lebensmittelerzeugnisse

Das EU-Lebensmittelrecht gilt parallel zur UGPRL und kann auch bei der Behandlung von Fällen von „zweierlei Qualität“ von Bedeutung sein, da diese offenbar hauptsächlich im Lebensmittelsektor auftreten.

Konkret wird mit der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts das Ziel verfolgt, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit des Menschen und die Verbraucherinteressen bei Lebensmitteln zu schaffen, wobei ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts gewährleistet wird. Sie bildet die Grundlage des Lebensmittelrechts der Union. Darin werden unter anderem gemeinsame Grundsätze des Lebensmittelrechts (der Union und der Mitgliedstaaten) sowie die Anforderungen an die Lebens- und Futtermittelunternehmer in allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs von Lebens- und Futtermitteln festgelegt.

Insoweit wird der Schutz der Verbraucherinteressen als allgemeiner Grundsatz des Lebensmittelrechts festgeschrieben (183). Demnach muss das Lebensmittelrecht auf den Schutz der Verbraucherinteressen ausgerichtet sein und den Verbrauchern die Möglichkeit bieten, in Bezug auf die Lebensmittel, die sie verzehren, eine sachkundige Wahl zu treffen. Dabei müssen verhindert werden: a) Praktiken des Betrugs oder der Täuschung, b) die Verfälschung von Lebensmitteln und c) alle sonstigen Praktiken, die den Verbraucher irreführen können.

Sie enthält auch eine allgemeine Verpflichtung für die Lebensmittel- und Futtermittelunternehmen zur Kennzeichnung, Werbung und Aufmachung von Lebensmitteln oder Futtermitteln, auch in Bezug auf ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Verpackung, die verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art ihrer Anordnung und den Rahmen ihrer Darbietung sowie die über sie verbreiteten Informationen, gleichgültig über welches Medium, die Verbraucher nicht irreführen (184). Nur sichere Lebens- und Futtermittel dürfen in der Union in Verkehr gebracht werden (185). Die Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer sind schließlich dazu verpflichtet, auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen in den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen dafür zu sorgen, dass die Lebensmittel oder Futtermittel alle Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllen, die für ihre Tätigkeit gelten, und sie müssen die Einhaltung dieser Anforderungen überprüfen (186).

Ferner enthält die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (Lebensmittel-Informationsverordnung) allgemeine Kennzeichnungsvorschriften und -anforderungen, darunter das Erfordernis der Angabe von Lebensmitteln im Zutatenverzeichnis, der Menge bestimmter Zutaten oder Zutatenkategorien, von Informationen über Allergene sowie einer Nährwertdeklaration usw. Auf diese Weise können die Verbraucher umfassend über die Zusammensetzung der Lebensmittel informiert und irreführende Informationen über Lebensmittel vermieden werden. Informationen über Lebensmittel müssen klar, zutreffend und für die Verbraucher leicht verständlich sein. Zu diesem Zweck enthält die Lebensmittel-Informationsverordnung besondere Bestimmungen über die Darstellungsform der vorgeschriebenen Angaben, unter anderem über die Schriftgröße.

Mit dem EU-Lebensmittelrecht wird ein umfassender Rechtsrahmen geschaffen, der nicht nur ein hohes Gesundheitsschutzniveau für die Verbraucher und den Schutz ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen, sondern auch den freien Verkehr sicherer Lebensmittel im EU-Binnenmarkt gewährleisten soll.

Bei den in der Lebensmittel-Informationsverordnung festgelegten Informationsanforderungen handelt es sich um „wesentliche“ Informationen im Sinne von Artikel 7 Absatz 5 UGPRL. Die Unterlassung dieser Angabe könnte nach einer Einzelfallprüfung als irreführend angesehen werden, wenn wahrscheinlich ist, dass sie Auswirkungen auf die geschäftliche Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers hat.

Die Untersuchung potenziell irreführender Durchsetzungsmaßnahmen in Bezug auf Produkte von „zweierlei Qualität“ durch die für die UGPRL zuständigen nationalen Behörden erfolgt für gewöhnlich auf der Grundlage der Informationen über die Zusammensetzung des Produkts, die nach den Anforderungen des EU-Lebensmittelrechts auf der Verpackung bereitgestellt werden (187).

Irreführende Praktiken in Bezug auf Produkte von „zweierlei Qualität“ könnten jedoch auch dann vorkommen, wenn die Produktunterschiede nicht aus der Produktkennzeichnung ersichtlich sind. In diesen Fällen prüfen die für das Lebensmittelrecht zuständigen Behörden, ob die Lebensmittel-Informationsverordnung und die geltenden produktspezifischen Vorschriften zur Festlegung von Normen für die Zusammensetzung eingehalten werden. In den Mitgliedstaaten, in denen unterschiedliche Behörden für die Durchsetzung der UGPRL und des einschlägigen Lebensmittelrechts zuständig sind, sollten diese Behörden eng zusammenarbeiten, um zu gewährleisten, dass die jeweiligen Untersuchungen bei einem bestimmten Gewerbetreibenden und/oder einer bestimmten Geschäftspraxis zu konsistenten Ergebnissen führen.

Andere Waren

Da das Verbot irreführender Praktiken in Bezug auf Produkte von „zweierlei Qualität“ nicht auf Lebensmittel beschränkt ist, führt die Kommission ab 2021 angesichts der Bedenken hinsichtlich ähnlicher Praktiken bei anderen Konsumgütern (188) eine Pilotstudie im Bereich der Reinigungsmittel, Waschmittel und Kosmetika durch. Mit dieser Studie wird das Ziel verfolgt, zu untersuchen, ob das oben genannte, von der Gemeinsamen Forschungsstelle im Bereich der Lebensmittel entwickelte harmonisierte Prüfverfahren auf den Vergleich der Zusammensetzung solcher Waren ausgedehnt werden kann und ob die Schaffung eines Überwachungsinstruments für Fälle von Produkten von „zweierlei Qualität“ durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, nichtstaatliche Organisationen oder die Industrie möglich ist.

2.9   Artikel 7 – Irreführende Unterlassungen

Artikel 7 – Irreführende Unterlassungen

(1)

Eine Geschäftspraxis gilt als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte.

(2)

Als irreführende Unterlassung gilt es auch, wenn ein Gewerbetreibender wesentliche Informationen gemäß Absatz 1 unter Berücksichtigung der darin beschriebenen Einzelheiten verheimlicht oder auf unklare, unverständliche, zweideutige Weise oder nicht rechtzeitig bereitstellt oder wenn er den kommerziellen Zweck der Geschäftspraxis nicht kenntlich macht, sofern er sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und dies jeweils einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

(3)

Werden durch das für die Geschäftspraxis verwendete Kommunikationsmedium räumliche oder zeitliche Beschränkungen auferlegt, so werden diese Beschränkungen und alle Maßnahmen, die der Gewerbetreibende getroffen hat, um den Verbrauchern die Informationen anderweitig zur Verfügung zu stellen, bei der Entscheidung darüber, ob Informationen vorenthalten wurden, berücksichtigt.

(4)

Im Falle der Aufforderung zum Kauf gelten folgende Informationen als wesentlich, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben:

a)

die wesentlichen Merkmale des Produkts in dem für das Medium und das Produkt angemessenen Umfang;

b)

Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden, wie sein Handelsname und gegebenenfalls Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden, für den er handelt;

c)

der Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben oder in den Fällen, in denen der Preis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Zustellkosten oder in den Fällen, in denen diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzliche Kosten anfallen können;

d)

die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen, falls sie von den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt abweichen;

e)

für Produkte und Rechtsgeschäfte, die ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht beinhalten, das Bestehen eines solchen Rechts;

f)

für Produkte, die auf Online-Marktplätzen angeboten werden, ob es sich bei dem Dritten, der die Produkte anbietet, um einen Gewerbetreibenden handelt oder nicht, auf der Grundlage der Erklärung dieses Dritten gegenüber dem Anbieter des Online-Marktplatzes.

(4a)

Wenn Verbrauchern die Möglichkeit geboten wird, mithilfe eines Stichworts, einer Wortgruppe oder einer anderen Eingabe nach Produkten zu suchen, die von verschiedenen Gewerbetreibenden oder von Verbrauchern angeboten werden, gelten, unabhängig davon, wo Rechtsgeschäfte letztendlich abgeschlossen werden, allgemeine Informationen, die die Hauptparameter für die Festlegung des Rankings der dem Verbraucher im Ergebnis der Suche vorgeschlagenen Produkte sowie die relative Gewichtung dieser Parameter im Vergleich zu anderen Parametern betreffen und die in einem bestimmten Bereich der Online-Benutzeroberfläche zur Verfügung gestellt werden, der von der Seite, auf der die Suchergebnisse angezeigt werden, unmittelbar und leicht zugänglich ist, als wesentlich. Dieser Absatz gilt nicht für Anbieter von Online-Suchmaschinen im Sinne von Artikel 2 Nummer 6 der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates.

(5)

Die im Gemeinschaftsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung oder Marketing, auf die in der nicht erschöpfenden Liste des Anhangs II verwiesen wird, gelten als wesentlich.

(6)

Wenn ein Gewerbetreibender Verbraucherbewertungen von Produkten zugänglich macht, gelten Informationen darüber, ob und wie der Gewerbetreibende sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von Verbrauchern stammen, die die Produkte tatsächlich verwendet oder erworben haben, als wesentlich.

2.9.1.   Wesentliche Informationen

In Artikel 7 ist in den Absätzen 1 und 2 in sehr allgemeiner Form eine positive Verpflichtung für Gewerbetreibende zur Bereitstellung sämtlicher Informationen, die der Durchschnittskunde für eine informierte Kaufentscheidung benötigt, vorgesehen. Diese Informationen werden in Artikel 7 als „wesentliche Informationen“ bezeichnet.

In der UGPRL werden „wesentliche Informationen“ nur in Artikel 7 Absatz 4 im Zusammenhang mit dem Sonderfall einer „Aufforderung zum Kauf“ definiert (siehe Abschnitt 2.9.5). Außerdem wird in der UGPRL in Artikel 7 Absatz 5 erläutert: „Die im Gemeinschaftsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung … gelten als wesentlich“ (siehe Abschnitt 1.2.2).

Haben die Mitgliedstaaten dagegen, wie in Erwägungsgrund 15 erläutert, auf der Grundlage von Mindestklauseln Informationsanforderungen eingeführt, die über das hinausgehen, was im Gemeinschaftsrecht geregelt ist, so kommt das Vorenthalten dieser Informationen einem irreführenden Unterlassen nach dieser Richtlinie nicht gleich.

Um im Einzelfall zu entscheiden, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, müssen nationale Behörden und Gerichte alle Merkmale und Umstände einer Geschäftspraxis einschließlich der Beschränkungen des jeweiligen Kommunikationsmediums berücksichtigen.

Beispiele:

Eine nationale Behörde ging gegen einen Gewerbetreibenden vor, der Lebensversicherungen angeboten und in der Werbung wesentliche Informationen vorenthalten hatte. Der Gewerbetreibende hatte erklärt, dass sämtliche mit der Versicherung verbundenen Leistungen nach dem Tod des Versicherungsnehmers den Angehörigen zukommen würden. Er hatte jedoch nicht darauf hingewiesen, dass die Angehörigen nur einen beschränkten Teil der Leistungen erhielten, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb der ersten 24 Monate nach Abschluss des Vertrags sterben sollte und der Tod nicht auf einen Unfall zurückzuführen wäre (189).

Einige Vergleichsplattformen verwenden Behauptungen wie „Bestes Angebot“ nicht unbedingt für die billigsten Angebote, sondern eher für die Angebote mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis. Die Vorenthaltung von Informationen über die Kriterien für die Bezeichnung als „Bestes Angebot“ könnte nach Artikel 7 UGPRL irreführend sein.

2.9.2   Versteckte Werbung/unterlassener Hinweis auf einen kommerziellen Zweck

Wenn ein Gewerbetreibender den kommerziellen Zweck einer Geschäftspraxis nicht kenntlich macht, wird dies nach Artikel 7 Absatz 2 als irreführende Unterlassung bewertet, wenn diese Unterlassung geeignet ist, den Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (190), die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (191) und die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (192) enthalten in ähnlicher Weise bestimmte diesbezügliche Anforderungen an kommerzielle Kommunikation und an Direktwerbung per E-Mail. Ein besonderer Aspekt versteckter Werbung ist auch in Artikel 8 Absatz 5 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher geregelt.

Artikel 8 Absatz 5 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher:

Ruft der Unternehmer den Verbraucher im Hinblick auf den Abschluss eines Fernabsatzvertrags an, so hat er … zu Beginn des Gesprächs mit dem Verbraucher seine Identität und gegebenenfalls die Identität der Person, in deren Auftrag er anruft, sowie den geschäftlichen Zweck des Anrufs offenzulegen.

Diese Vorschriften betreffen bestimmte Geschäftspraktiken oder Sektoren; Artikel 7 Absatz 2 ist hingegen allgemeiner und umfassender gehalten und bezieht sich auf beliebige Geschäftspraktiken.

Beispiele:

Eine Verbraucherschutzbehörde ging gegen einen Gewerbetreibenden vor, der Verbraucher zu Treffen eingeladen und ihnen im Rahmen eines Programms „Ich achte auf meine Gesundheit“ einen kostenlosen Gesundheits-Check angeboten hatte. Der Gewerbetreibende hatte nicht offengelegt, dass der Zweck der Treffen in erster Linie darin bestand, den Verbrauchern Produkte zum Kauf zu präsentieren (193).

Zusätzlich zum Verbot in Artikel 7 Absatz 2 verbietet die UGPRL unter allen Umständen auch bestimmte Geschäftspraktiken, bei denen der zugrunde liegende kommerzielle Zweck nicht offengelegt wird.

Nach Anhang I Ziffer 11 ist folgende Geschäftspraxis verboten: „ Es werden redaktionelle Inhalte in Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung eingesetzt und der Gewerbetreibende hat diese Verkaufsförderung bezahlt, ohne dass dies aus dem Inhalt oder aus für den Verbraucher klar erkennbaren Bildern und Tönen eindeutig hervorgehen würde (als Information getarnte Werbung).

Beispiele:

Eine große Tageszeitung ging eine Kooperation mit einem Telekommunikationsbetreiber ein, der einen Teil der Zeitung mit dem Titel „Digitales Leben“ finanzierte. Dieser Teil und das gesamte Material in diesem Teil einschließlich der Werbung für bestimmte Produkte, die der Telekommunikationsbetreiber in nächster Zeit einzuführen beabsichtigte, wurden in der Zeitung als redaktionelle Inhalte dargestellt; über den kommerziellen Charakter des Materials wird die Öffentlichkeit nur mit dem unauffälligen Hinweis „in Zusammenarbeit mit“ gefolgt von der Marke des Telekommunikationsbetreibers informiert. Es wurde festgestellt, dass diese Praxis einen Verstoß gegen Anhang I Ziffer 11 UGPRL darstellt (194).

Anhang I Ziffer 22 verbietet die „[f]älschliche Behauptung oder Erweckung des Eindrucks, dass der Gewerbetreibende nicht für die Zwecke seines Handels, Geschäfts, Gewerbes oder Berufs handelt, oder fälschliches Auftreten als Verbraucher “.

Für Online-Händler kann Artikel 7 Absatz 2 zusammen mit Anhang I Ziffern 11 und 22 von besonderer Bedeutung sein (siehe die Abschnitte 4.2.5 über soziale Medien und 4.2.6 über Influencer-Marketing).

2.9.3   Unklare Darstellung wesentlicher Informationen

Nach Artikel 7 Absatz 2 gilt auch als irreführende Unterlassung, wenn wesentliche Informationen „auf unklare, unverständliche, zweideutige Weise oder nicht rechtzeitig“ bereitgestellt werden und wenn dieses Verhalten geeignet ist, den Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Beispiele:

Ein nationales Gericht gelangte zu dem Schluss, dass ein Gewerbetreibender gegen Artikel 7 UGPRL verstoßen hatte, indem er Verbraucher in unklarer, zweideutiger und nicht hinreichend verständlicher Weise über ihre Rechte informiert hatte. Der Gewerbetreibende hatte die Verbraucher über ihr Widerrufsrecht unterrichtet, indem er ihnen den Volltext einer Regierungsverordnung zur Kenntnis gab. Nach Auffassung des Gerichts wurde in dem Text auf zahlreiche Bestimmungen verwiesen, die auf die in Rede stehenden Verträge nicht anwendbar waren; außerdem wurde der Volltext der Regierungsverordnung nicht als Material bewertet, mit dem die Verbraucher einfach und konkret über ihr Recht auf Rücktritt vom Vertrag informiert worden wären (195).

Ein Fernmeldebetreiber warb im Fernsehen unter Hinweis auf die besonderen Preisvorteile für einen Mobilfunkvertrag. Die Einschränkungen und Bedingungen des Angebots wurden auf dem Bildschirm aber nur in kleiner Schrift und zudem nur sehr kurz dargestellt. Es wurde festgestellt, dass der Gewerbetreibende trotz der räumlichen und zeitlichen Beschränkungen des gewählten Mediums (Fernsehen) in keiner Weise daran gehindert gewesen wäre, derartige wesentliche Sachverhalte klar mitzuteilen. Da diese wesentlichen Informationen vorenthalten wurden, wurde die Werbung als irreführend bewertet (196).

Gegen die Anforderung, wesentliche Informationen in klarer, verständlicher und zeitnaher Weise bereitzustellen, könnte in einer Situation verstoßen werden, in der ein Online-Händler Verbraucher in einem bestimmten Mitgliedstaat anspricht, indem er einen Teil der wesentlichen Informationen in der Sprache dieses Landes bereitstellt, aber andere wesentliche Informationen nur in einer anderen Sprache (197), beispielsweise in den Standardbedingungen, zur Verfügung stellt (198). Die Anwendung der UGPRL in solchen Fällen ergänzt und berührt nicht spezifischere sprachliche Anforderungen, die im Einklang mit anderen EU-Rechtsvorschriften vorgesehen sind, wie etwa die in der Richtlinie 2011/83/EU über Vertragsinformationen bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vorgesehene regulatorische Option (siehe Abschnitt 4.1.8 der CRD-Leitlinien).

2.9.4   Die tatsächlichen Umstände und die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmediums

Bei der Prüfung, ob eine Geschäftspraxis als irreführend zu bewerten ist, muss eine Geschäftspraxis nach Artikel 7 Absatz 1 „unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums “ bewertet werden.

Artikel 7 Absatz 3 ist im Zusammenhang mit Artikel 7 Absatz 1 zu lesen. Nach Artikel 7 Absatz 3 sind bei der Prüfung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

die räumlichen und zeitlichen Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmediums,

alle Maßnahmen, die der Gewerbetreibende getroffen hat, um den Verbrauchern die Informationen anderweitig zur Verfügung zu stellen.

Die vorstehenden Bestimmungen gelten für alle Abschnitte des Artikels 7. Nach dem einleitenden Teil in Artikel 7 Absatz 4 brauchen Gewerbetreibende bei Aufforderungen zum Kauf jedoch keine Informationen vorzulegen, die sich unmittelbar aus den Umständen ergeben.

Der Gerichtshof hat klargestellt, dass im Rahmen der Beurteilung der irreführenden Unterlassung nach Artikel 7 Absatz 1 und 3 UGPRL die oben genannten Faktoren zu berücksichtigen sind, selbst wenn sich ein solches Erfordernis dem Wortlaut der betreffenden nationalen Regelung nicht ausdrücklich entnehmen lässt, sondern sich beispielsweise in vorbereitenden Arbeiten findet (199).

In derselben Rechtssache stellte der Gerichtshof ferner fest, dass die durch das verwendete Kommunikationsmedium bedingten räumlichen oder zeitlichen Beschränkungen gegen die Beschaffenheit und die Merkmale des betreffenden Produkts abzuwägen sind. Es ist festzustellen, ob es dem Gewerbetreibenden tatsächlich unmöglich war, die in Rede stehenden Informationen einzubeziehen oder sie klar bereitzustellen. Ist es unmöglich, sämtliche wesentlichen Informationen zu diesem Produkt bereitzustellen, kann der Gewerbetreibende für die übrigen Informationen auf seine Website verweisen. Allerdings muss diese Website gemäß den Anforderungen von Artikel 7 die Informationen zu den wesentlichen Merkmalen des Produkts, zum Preis und zu den anderen Bedingungen enthalten (200).

Nach Artikel 7 Absatz 2 gilt auch als irreführende Unterlassung, wenn wesentliche Informationen „auf unklare, unverständliche, zweideutige Weise oder nicht rechtzeitig“ bereitgestellt werden und wenn dieses Verhalten geeignet ist, den Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Beispiele:

Ein Fernmeldebetreiber warb im Fernsehen unter Hinweis auf die besonderen Preisvorteile für einen Mobilfunkvertrag. Die Einschränkungen und Bedingungen des Angebots wurden auf dem Bildschirm aber nur in kleiner Schrift und zudem nur sehr kurz dargestellt. Ein nationales Gericht gelangte zu dem Schluss, dass der Gewerbetreibende trotz der räumlichen und zeitlichen Beschränkungen des gewählten Mediums (Fernsehen) in keiner Weise daran gehindert gewesen wäre, derartige wesentliche Sachverhalte klar mitzuteilen. Da diese wesentlichen Informationen vorenthalten wurden, wurde die Werbung als irreführend bewertet (201).

Außerdem sind nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a bei Aufforderungen zum Kauf „das Medium und das Produkt“ bei der Entscheidung darüber zu berücksichtigen, ob die wesentlichen Merkmale des Produkts auch als wesentliche Information zu betrachten sind.

In der Rechtssache Ving Sverige hat das Gericht festgestellt: „[E]s könnte hinreichend sein, wenn nur die wesentlichen Merkmale eines Produkts angegeben werden und wenn der Gewerbetreibende zusätzlich auf seine Website verweist, sofern diese Website wesentliche Informationen über die wesentlichen Merkmale des Produkts, über den Preis und über sonstige Bedingungen gemäß den Anforderungen von Artikel 7 dieser Richtlinie enthält.“ (202)

Angesichts ihrer Bedeutung für die Kaufentscheidung des Verbrauchers sind Informationen über den Gesamtpreis und die wesentlichen Merkmale eines Produkts gut sichtbar darzustellen.

Beispiele:

Ein nationales Gericht bewertete eine Broschüre als irreführend, der zufolge Verbraucher bei ihren Einkäufen 3 % sparen sollten, wenn sie die beworbene Kreditkarte verwendeten. Das Gericht war der Auffassung, die allgemeine Aussage in der Broschüre veranlasse die Verbraucher zu der Annahme, dass Einsparungen bei allen Einkäufen mit der Kreditkarte erzielt würden. Tatsächlich aber bestanden wesentliche Einschränkungen. Diese Einschränkungen wurden aber nur in den Vertragsbedingungen erläutert. Dies wurde als nicht hinreichend beurteilt, da wesentliche Informationen über die Merkmale des beworbenen Produkts vorenthalten wurden (203).

Der Gesamtumfang der erforderlichen Informationen über die wesentlichen Merkmale eines Produkts muss unter Berücksichtigung der jeweiligen Aufforderung zum Kauf, der Art des Produkts und des verwendeten Kommunikationsmediums beurteilt werden.

2.9.5   Wesentliche Informationen in Aufforderungen zum Kauf – Artikel 7 Absatz 4

Aufforderungen zum Kauf

Artikel 2 Buchstabe i

[D]er Ausdruck „Aufforderung zum Kauf“ [bezeichnet] jede kommerzielle Kommunikation, die die Merkmale des Produkts und den Preis in einer Weise angibt, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen ist und den Verbraucher dadurch in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen.

Im Zusammenhang mit „Aufforderungen zum Kauf“ werden in Artikel 7 Absatz 4 UGPRL bestimmte Informationen als „wesentlich“ bezeichnet. Gewerbetreibende müssen den Verbrauchern die betreffenden Informationen mitteilen, wenn sie sich nicht aus dem Zusammenhang ergeben.

Die Anforderung, die „Merkmale des Produkts“ anzugeben, ist immer dann zu erfüllen, wenn ein Produkt genannt oder abgebildet ist. Eine andere Auslegung könnte Gewerbetreibenden veranlassen, in ihren kommerziellen Angeboten ungenaue Produktbeschreibungen bereitzustellen oder Informationen vorzuenthalten, um die in Artikel 7 Absatz 4 UGPRL festgelegten Informationsanforderungen zu umgehen.

Gemäß dem letzten Teil der Definition in Artikel 2 Buchstabe i („und den Verbraucher dadurch in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen“) ist es nicht erforderlich, dass die kommerzielle Kommunikation bestimmte Informationen (z. B. eine Telefonnummer oder einen Coupon) enthält, die dem Verbraucher direkt ermöglichen, einen Kauf zu tätigen. Die Klausel bedeutet lediglich, dass die im Produktmarketing enthaltenen Informationen ausreichen müssen, um dem Verbraucher eine Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob er ein bestimmtes Produkt zu einem bestimmten Preis kaufen möchte.

In der Rechtssache Ving Sverige hat der Gerichtshof festgestellt:

„Demnach setzt die Einstufung einer kommerziellen Kommunikation als Aufforderung nicht voraus, dass die betreffende Kommunikation eine tatsächliche Möglichkeit des Kaufs bietet oder im Zusammenhang mit einer solchen Möglichkeit steht.“ (204)

Der Begriff der Aufforderung zum Kauf ist enger gefasst als der Begriff der Werbung, und nicht alle kommerziellen Mitteilungen werden als Aufforderung zum Kauf im Sinne von Artikel 2 Buchstabe i zu bewerten sein.

Der Begriff der Aufforderung zum Kauf ist jedoch umfassender als der Begriff der vorvertraglichen Informationen. Die Anforderungen an vorvertragliche Informationen beziehen sich auf Informationen, die bereitzustellen sind, bevor der Verbraucher einen Vertrag abschließt; eine Aufforderung zum Kauf hingegen bedeutet nicht zwangsläufig, dass der nächste Schritt des Verbrauchers im Abschluss eines Vertrags mit einem Gewerbetreibenden besteht.

Beispiele:

Radiowerbung mit den Merkmalen eines Produkts und einer Preisangabe ist eine Aufforderung zum Kauf; die betreffenden Angaben werden in der Regel aber nicht als vorvertragliche Informationen betrachtet.

Diese Unterscheidung ist besonders wichtig im Hinblick auf das Zusammenwirken der UGPRL mit der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher. In zahlreichen Fällen wäre kommerzielle Kommunikation in der Regel als Aufforderung zum Kauf einzustufen.

Beispiele:

Eine Website einer Fluggesellschaft, auf der Flugangebote und Preise angegeben sind;

eine Werbeanzeige eines Versandhandelsunternehmens (205).

Werbeblätter eines Supermarkts, in denen bestimmte Produkte mit reduzierten Preisen beworben werden.

Die UGPRL lässt Gewerbetreibenden die Wahl, ob sie in ihrer kommerziellen Kommunikation Preise angeben oder nicht. Kommerzielle Kommunikation oder Werbung mit einer umfassenden Beschreibung einer Ware oder einer Dienstleistung sowie ihrer Merkmale und Vorteile ohne Angabe des Preises kann nicht als „Aufforderung zum Kauf“ im Sinne von Artikel 2 Buchstabe i UGPRL betrachtet werden. Ein Beispiel für kommerzielle Kommunikation, die keine Aufforderung zum Kauf darstellt, ist allgemein auf die Marke eines Gewerbetreibenden, nicht aber auf ein bestimmtes Produkt gerichtete Werbung (Markenwerbung).

Beispiele:

Ein nationales Gericht gelangte zu dem Schluss, dass Werbung, mit der ein Verbraucher zum Besuch einer Website aufgefordert wird, um dort ein Versicherungsangebot zu erhalten, keine Aufforderung zum Kauf darstellt (206).

Wesentliche Informationen

In Artikel 7 Absatz 4 werden verschiedene als wesentlich betrachtete Informationen genannt. Die Verpflichtung zur Bereitstellung dieser Informationen im Moment der Kaufaufforderung soll größtmögliche Rechtssicherheit für die Verbraucher gewährleisten (207). Artikel 7 Absatz 4 soll dafür sorgen, dass Gewerbetreibende zusammen mit ihren kommerziellen Angeboten stets klar und eindeutig formulierte, hinreichende Informationen bereitstellen, die den Verbrauchern eine informierte Kaufentscheidung ermöglichen, es sei denn, diese Informationen ergeben sich bereits aus dem Kontext.

Wenn den Verbrauchern in einer Aufforderung zum Kauf die in Artikel 7 Absatz 4 geforderten Informationen nicht bereitgestellt werden, ist eine irreführende Unterlassung gegeben, wenn der Durchschnittsverbraucher aufgrund der Vorenthaltung dieser Informationen zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden könnte, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Der Gerichtshof stellte klar, dass Artikel 7 Absatz 4 eine erschöpfende Liste der wesentlichen Informationen enthält, die bei einer Aufforderung zum Kauf aufgeführt sein müssen. Der Umstand, dass der Gewerbetreibende alle in Artikel 7 Absatz 4 aufgezählten Informationen bereitstellt, schließt jedoch nicht aus, dass diese Geschäftspraxis als irreführend im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 oder Artikel 7 Absatz 2 eingestuft werden kann (208).

Damit den Gewerbetreibenden jedoch keine unnötigen oder unverhältnismäßigen Informationspflichten auferlegt werden, sind die Anforderungen in Artikel 7 Absatz 4 nicht starr geregelt, und je nach Situation können unterschiedliche Informationen erforderlich sein. Dies ergibt sich insbesondere aus den Erläuterungen in Artikel 7 Absätze 1, 3 und 4, dass die tatsächlichen Umstände und die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmediums zu berücksichtigen sind (siehe auch vorstehenden Abschnitt).

In der Rechtssache Verband Sozialer Wettbewerb ging es um die Werbung einer Plattform, die verschiedene Produkte zeigte, die nicht von der Plattform selbst, sondern von Drittverkäufern auf der Plattform angeboten werden (209). Der Marktplatz erleichterte den Abschluss von Verträgen zwischen Händlern und Käufern, einschließlich Verbrauchern. Der Gerichtshof stellte klar, dass die Werbung nach Artikel 7 Absatz 4 beurteilt werden kann, insbesondere um zu prüfen, ob alle wesentlichen Informationen, z. B. die Namen der Händler, die bestimmte Produkte anbieten, bereitgestellt wurden, wobei die räumliche Beschränkung und andere besondere Umstände des Falls zu berücksichtigen sind. Der Gerichtshof stellte auch klar, dass es räumliche Beschränkungen im Sinne von Artikel 7 Absatz 3 geben kann, die es rechtfertigen könnten, die Angabe der Anschrift und der Identität jedes einzelnen Unternehmers zu unterlassen. Diese Informationen müssen jedoch auf einfache Weise und schnell beim Zugriff auf die Plattform bereitgestellt werden (210).

In Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a wird ausdrücklich festgestellt, dass bei der Bewertung, ob wesentliche Informationen über die wesentlichen Merkmale eines Produkts vorenthalten wurden, auch „das Medium und das Produkt“ zu berücksichtigen sind.

Die Bestimmung der wesentlichen Merkmale eines Produkts hängt daher von dem betreffenden Produkt ab und davon, was angesichts des vom Gewerbetreibenden für die kommerzielle Kommunikation verwendeten „Mediums“ als „angemessen“ angesehen werden kann.

Informationen über die wichtigsten Merkmale von Waren können bereits aus dem Aussehen, der Verpackung oder der Kennzeichnung hervorgehen, die der Verbraucher zum Zeitpunkt des Kaufs einsehen kann. Bei komplexeren Waren kann es erforderlich sein, zusätzliche Informationen – auf den Produktbeschreibungen im Geschäft oder auf den Online-Seiten – zur Verfügung zu stellen, um ihre wesentlichen Merkmale zu bestimmen.

Die Produktmerkmale und einschränkenden Bedingungen, die der Durchschnittsverbraucher bei der betreffenden Produktkategorie oder -art normalerweise nicht erwartet, müssen dem Verbraucher mitgeteilt werden, da diese besonders geeignet sind, seine geschäftlichen Entscheidungen zu beeinflussen. Bei solchen Merkmalen könnte es sich zum Beispiel um die Begrenzung der Dauer oder der Art und Leistung eines Dienstes (z. B. ob es sich bei einem „Glasfaser“-Internetdienst um einen Dienst mit der „Fibre-to-the-Home“-Technologie oder eine andere Art handelt) oder um eine bestimmte Zusammensetzung oder Spezifikation von Waren (z. B. die synthetische Herkunft von Edelsteinen wie Diamanten) handeln.

Sicherheitshinweise können im Einzelfall ein wesentliches Merkmal eines Produkts im Sinne von Artikel 7 Absatz 4 sein. Gegenwärtig sind Gewerbetreibende nach sektorbezogenen Rechtsvorschriften der EU über die Produktsicherheit nur verpflichtet, auf dem Produkt selbst und/oder auf seiner Verpackung über Sicherheitsaspekte des Produkts zu informieren. Bei Online-Verkäufen kann es daher schwierig für die Verbraucher sein, tatsächlich informierte geschäftliche Entscheidungen zu treffen, wenn auf einer Website in der Darstellung eines Produkts oder seiner Verpackung die Kennzeichnung nicht leserlich ist. Eine wichtige Ausnahme ist in Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie 2009/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Spielzeug (211) geregelt. Dort ist ausdrücklich vorgeschrieben, dass Sicherheitshinweise bei Spielzeug (etwa das Mindest- oder Höchstalter der Benutzer) vor dem Kauf deutlich sichtbar sein müssen und dass dies auch für Online-Käufe gilt. Bei den meisten anderen Produkten kann die UGPRL als Rechtsgrundlage herangezogen werden, nach der Gewerbetreibende insbesondere bei Online-Produktwerbung verpflichtet sind, die Verbraucher über die Sicherheitsaspekte zu informieren, die angesichts der Art des jeweiligen Produkts als wesentliche Merkmale im Sinne von Artikel 7 Absatz 4 betrachtet werden können.

Nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe b kann als irreführende Unterlassung bewertet werden, wenn ein Gewerbetreibender die Verbraucher nicht über seine Anschrift und seine Identität unterrichtet.

Beispiele:

Im Zusammenhang mit einem Dating-Portal hat ein nationales Gericht einen Gewerbetreibenden verpflichtet, seinen Namen, seine Anschrift, seine Handelsregisternummer und seine E-Mail-Adresse unmittelbar und immer anzugeben, wenn er seine Dienstleistung über das Internet bewirbt. Der Gerichtshof bewertete die unterlassene Angabe der Anschrift oder einer E-Mail-Adresse des Gewerbetreibenden auf seiner Website als irreführende Unterlassung, die geeignet sei, Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie ansonsten nicht getroffen hätten (212).

Andererseits könnte beim vermeintlichen Vorenthalten von Informationen über die Identität des Gewerbetreibenden unter Umständen aber auch festgestellt werden, dass diese Informationen sich im Sinne von Artikel 7 Absatz 4 „unmittelbar aus den Umständen ergeben“.

Beispiele:

Die Anschrift eines Ladengeschäfts oder Restaurants, das der Verbraucher bereits betreten hat.

Bei Online-Shops sind Gewerbetreibende nach Artikel 5 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verpflichtet, ihren Namen, ihre Anschrift sowie weitere Informationen (u. a. ihre E-Mail-Adresse) leicht, unmittelbar und ständig verfügbar zu machen. Darüber hinaus sind nach Artikel 10 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr bestimmte Informationen (z. B. die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsabschluss führen) vor der Aufgabe einer Bestellung zu erteilen.

Im Einzelfall könnte die Angabe des Handelsnamens eines Gewerbetreibenden hinreichend sein, um die Anforderung nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe b bezüglich der Identität des Gewerbetreibenden zu erfüllen. Die offizielle Bezeichnung ist in den Geschäftsbedingungen anzugeben, muss aber nicht zwingend als wesentliche Information im Sinne von Artikel 7 Absatz 4 betrachtet werden.

Beispiele:

In seiner Werbung braucht ein Fast-Food-Anbieter seine Rechtsform (GmbH, AG, GmbH & Co. KG usw.) nicht anzugeben.

Ergänzend zur Anforderung nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe b enthält die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher weitere Informationspflichten hinsichtlich der Kontaktdaten des Gewerbetreibenden, insbesondere in Artikel 5 Absatz 1 (Verkäufe innerhalb von Geschäftsräumen) und Artikel 6 Absatz 1 (Verkäufe außerhalb von Geschäftsräumen und Versandhandel).

Nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr müssen Anbieter von Online-Diensten den Nutzern ihrer Dienste und den zuständigen Behörden folgende Informationen zugänglich machen: „Angaben, die es ermöglichen, schnell mit dem Diensteanbieter Kontakt aufzunehmen und unmittelbar und effizient mit ihm zu kommunizieren, einschließlich seiner Adresse der elektronischen Post“.

Im elektronischen Handel kann die E-Mail-Adresse von Anbietern insoweit eine wesentliche Information nach Artikel 7 Absatz 5 UGPRL sein. Wesentliche Informationen sollten leicht zu finden (d. h. nicht nur in den allgemeinen Geschäftsbedingungen angegeben) und unmittelbar und ständig verfügbar sein.

Auch nach der DSGVO muss ein für die Verarbeitung Verantwortlicher der betroffenen Person bestimmte Informationen bereitstellen. Zu diesen Informationen zählen u. a. die Identität (und die Kontaktdaten) des für die Verarbeitung Verantwortlichen und ggf. seines Vertreters (wenn die betroffene Person nicht bereits über diese Informationen verfügt).

Nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c müssen Gewerbetreibende in einer Aufforderung zum Kauf den Gesamtpreis (Endpreis) angeben. Dieser Preis muss sämtliche Steuern (z. B. Mehrwertsteuer) und Abgaben beinhalten. Im Endpreis müssen ggf. zahlbare Abgaben und Steuern enthalten sein, die bei Veröffentlichung des Angebots unvermeidbar und vorhersehbar sind. Wenn der Preis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, müssen die Verbraucher angemessen über die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls über alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Zustellkosten oder in den Fällen, in denen diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, darüber informiert werden, dass solche zusätzliche Kosten anfallen können (siehe auch Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher).

In der Rechtssache Canal Digital Danmark stellte der Gerichtshof fest, dass in Fällen, in denen ein Gewerbetreibender den Preis für ein Abonnement so angibt, dass der Verbraucher sowohl eine Monatsgebühr als auch eine halbjährliche Gebühr zu entrichten hat, diese Praxis als irreführende Unterlassung im Sinne von Artikel 7 anzusehen ist, wenn die monatliche Gebühr in der Werbung besonders hervorgehoben wird, während die halbjährliche Gebühr gänzlich weggelassen oder nur in weniger auffälliger Weise dargestellt wird, wenn dies den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte (213).

Beispiele:

Eine Verbraucherschutzbehörde ging gegen einen Telekommunikationsbetreiber vor, der die Verbraucher nicht darüber unterrichtete, dass sie eine Aktivierungsgebühr zahlen sollten, um die angebotenen Dienste nutzen zu können. Die Verbraucher wurden erst nach Unterzeichnung des Vertrags über diese Gebühr informiert (214).

Eine Verbraucherschutzbehörde verhängte Geldbußen gegen einen Telekommunikationsbetreiber, der Gebühren für die Bereitstellung von Diensten berechnete, die das Unternehmen tatsächlich nicht erbringen konnte, und der die Verbraucher über diese Gebühren nicht informiert hatte (215).

Ein nationales Gericht bestätigte die Entscheidung einer Stadtverwaltung über die Verhängung einer Geldbuße gegen einen Internet-Diensteanbieter, der in seinen Werbemaßnahmen nicht den Gesamtpreis seiner Dienste angegeben und insbesondere nicht auf Netzgebühren und Steuern hingewiesen hatte (216).

Nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c UGPRL ist die Angabe von „Grundpreisen“, d. h. von bestimmten Mindestpreisen, dann zulässig, wenn der Endpreis „aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann“.

Beispiele:

Ein Reisebüro gab die Preise für Flüge oder Pauschalreisen als Mindestpreise („ab…“) an. Ein nationales Gericht entschied, dass die UGPRL die Verwendung von Grundpreisen zulässt, sofern die angegebenen Informationen die Informationsanforderungen der Richtlinie unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände erfüllen. In diesem Sinne stellte das Gericht fest: „Ein Verweis nur auf einen Grundpreis kann daher in den Fällen gerechtfertigt sein, in denen der Preis angesichts u. a. der Art und der Merkmale des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann“ (217).

Der Mindestpreis sollte jedoch ein tatsächlicher Preis bestimmter Produkte sein und mit dem in der Werbung genannten Preis übereinstimmen.

Beispiele:

Ein Unternehmen warb für den Verkauf von Wohnungen mit Aussagen wie „Billiger als Sie vielleicht denken. Preise ab 2 150 EUR/m2.“ Allerdings stellte sich heraus, dass zum angegebenen Preis keine Wohnungen verfügbar waren. Außerdem enthielt der genannte Preis keine Mehrwertsteuer. Diese Geschäftspraxis wurde als irreführend bewertet (218).

Geschäftspraktiken, bei denen Gewerbetreibende mit Preisen werben, die tatsächlich nicht angeboten werden, könnten auch gegen Anhang I Ziffern 5 und 6 UGPRL verstoßen, da sie als Lockangebote (Ziffer 5) oder als Angebote betrachtet werden könnten, mit denen das Interesse der Kunden geweckt werden soll, um tatsächlich andere Produkte zu verkaufen („bait-and-switch“-Technik, Ziffer 6).

Nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe d müssen Gewerbetreibende Angaben zu Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen machen, falls sie von den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht abweichen. Diese Angaben sind also nur dann erforderlich, wenn diese Regelungen gemessen an dem Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, der von einem Gewerbetreibenden beim Umgang mit Verbrauchern vernünftigerweise erwartet werden kann, nachteilig für die Verbraucher sind.

Die Anforderung, Informationen über die Richtlinien für die Bearbeitung von Beschwerden bereitzustellen, wurde nach den Änderungen durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 gestrichen. Diese Informationen sind vor allem in der vorvertraglichen Phase von Bedeutung, die bereits durch die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher geregelt ist, sodass die Anforderung für Aufforderungen zum Kauf in der Werbephase in der UGPRL nicht erforderlich war.

Nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe e ist bei Aufforderungen zum Kauf ggf. auf das Bestehen eines Rücktritts- oder Widerrufsrechts hinzuweisen. Nach dieser Bestimmung sind Gewerbetreibende jedoch lediglich verpflichtet, die Verbraucher über das Bestehen solcher Rechte in der Phase der Aufforderung zum Kauf zu informieren; sie müssen nicht die Bedingungen und Verfahren erläutern, die für die Wahrnehmung dieser Rechte erforderlich sind.

Die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher enthält weitere Vorschriften über vorvertragliche Informationen, die den Verbrauchern vor Unterzeichnung eines Vertrags mitzuteilen sind, beispielsweise auf Websites im elektronischen Handel, beim Besuch eines Außendienstlers oder bei Telefonverkäufen (Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe d und Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe g).

Nach dieser Richtlinie sind Gewerbetreibende beispielsweise verpflichtet, Informationen über „den Gesamtpreis“ mitzuteilen, bevor sich ein Verbraucher vertraglich bindet (Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e). Außerdem haben Verbraucher einen Anspruch auf Erstattung zusätzlicher Zahlungen, wenn sie diesen Zahlungen nicht ausdrücklich zugestimmt haben und der Gewerbetreibende ihnen diese Zahlungen mit Voreinstellungen (z. B. mit bereits aktivierten Auswahlkästchen) auferlegt hat (Artikel 22).

Bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen muss der Gewerbetreibende über die Bedingungen, Fristen und Verfahren zur Ausübung des Widerrufsrechts informieren. Außerdem muss er das Muster-Widerrufsformular aus Anhang I Buchstabe B der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher zur Verfügung stellen (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe h).

Die in Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe f, Artikel 4a und Artikel 6 enthaltenen Verpflichtungen in Bezug auf Online-Marktplätze, die Transparenz von Suchergebnissen und Nutzerbewertungen werden in Abschnitt 4.2 erörtert.

2.9.6   Kostenlose Probeangebote und Abo-Fallen

Kostenlose Probeangebote sind Werbeinstrumente, bei denen die Verbraucher kostenlos oder für einen geringen Betrag (z. B. die Versandkosten einer zugeschickten Probe) ein Produkt bestellen oder eine Dienstleistung beziehen können. Bei einigen kostenlosen Probeangeboten handelt es sich um unlautere Geschäftspraktiken, die die Verbraucher zu einem Abonnement verleiten. In einer Untersuchung der Kommission aus dem Jahr 2017 über kostenlose Probeangebote und Abo-Fallen wurde festgestellt, dass die nachstehend beschriebenen Praktiken weitverbreitet sind (219).

Wenn ein Gewerbetreibender seine Anschrift und seine Identität bei einer Aufforderung zum Kauf nicht angibt, verstößt er möglicherweise gegen Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe b UGPRL. Außerdem sind Online-Händler nach Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher und nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verpflichtet, Informationen darüber zugänglich zu machen, wie die Verbraucher sie erreichen können. Die in diesen Richtlinien geforderten Informationen werden als wesentliche Informationen im Sinne von Artikel 7 Absatz 5 UGPRL betrachtet.

Wenn ein Gewerbetreibender gegenüber den Verbrauchern nicht deutlich macht, dass sie ein Abonnement abschließen, wenn sie sich für ein kostenloses Testprodukt anmelden, verstößt er möglicherweise gegen Artikel 7 Absätze 1 und 2 und Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a UGPRL, indem er wesentliche Informationen vorenthält. Je nach den gegebenen Umständen liegt außerdem möglicherweise eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a UGPRL vor.

Die Vorenthaltung von Informationen oder die Bereitstellung unklarer Informationen über wiederkehrende Kosten eines Abonnements kann einen Verstoß gegen Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d oder Artikel 7 Absätze 1 und 2 und Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c UGPRL darstellen.

Beispiele:

Ein Telekommunikationsbetreiber warb auf Werbetafeln damit, dass Verbraucher entweder zwei Tablets oder ein Mobiltelefon und ein Tablet zum Preis von 1,- PLN erhielten. Er unterrichtete die Verbraucher aber nicht eindeutig darüber, dass sie dieses Angebot nur dann in Anspruch nehmen konnten, wenn sie sowohl einen Vertrag mit einer Laufzeit von 24 Monaten als auch einen Kaufvertrag über die Produkte mit der Verpflichtung zur Zahlung von 36 Monatsraten abschlossen. Eine Verbraucherschutzbehörde bewertete diese Werbung als irreführend im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d UGPRL (220).

Im Jahr 2021 trafen die Kommission und nationale Verbraucherschutzbehörden Maßnahmen, um den Mangel an klaren Informationen bei Käufen mit Kreditkarten zu beheben, da dies zu Probleme führen kann, z. B. durch verborgene tatsächliche Kosten in versteckten oder klein gedruckten Informationen über wiederkehrende Zahlungen (221). Die Kreditkartenunternehmen sind zwar nicht diejenigen, die diese Programme durchführen, aber sie haben die Pflicht, ihre Kunden ordnungsgemäß zu informieren. Im Zahlungsfenster, in das die Verbraucher beim Online-Kauf ihre Kreditkartendaten eingeben, werden häufig nur Informationen über einen einmaligen Zahlungsbetrag, nicht aber über ein wiederkehrendes Abonnement angezeigt. Nach der UGPRL und der Richtlinie über Zahlungsdienste müssen die Verbraucher bei allen Zahlungsvorgängen, auch bei wiederkehrenden, über die jeweiligen Beträge informiert werden.

Eine nationale Behörde verhängte im Jahr 2020 eine Geldstrafe gegen den Betreiber zweier Dating-Websites wegen Verstößen gegen die UGPRL im Zusammenhang mit den Abonnementmodellen der Websites. Die Behörde stellte insbesondere fest, dass die Websites zwar als kostenlos beworben wurden, wesentliche Dienste (z. B. die Kontaktaufnahme mit anderen Nutzern) jedoch gebührenpflichtig waren und die Verbraucher irreführende Informationen über Abonnements, Verlängerungen und Gebühren erhielten. Die hohe Zahl von Verbraucherbeschwerden und ihre mangelhafte Bearbeitung deuteten ferner darauf hin, dass der Händler sich weigerte, seine Kommunikationspraktiken zu ändern (222).

Darüber hinaus enthält die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher in Artikel 8 Absatz 2 besondere Vorschriften zur Verbesserung der Transparenz von Zahlungen im Internet. Nach Artikel 8 Absatz 2 müssen Informationen über die wesentlichen Merkmale einer Ware oder eines Dienstes, den Preis einschließlich Steuern, die Laufzeit des Vertrags und die Pflichten der Verbraucher in auf elektronischem Wege geschlossenen Verträgen unmittelbar vor der Übermittlung der Bestellung des Verbrauchers klar und gut sichtbar dargestellt werden. Es reicht nicht aus, diese Informationen in den letzten Schritten des Bestellvorgangs zu machen. Außerdem muss der Verbraucher ausdrücklich bestätigen können, dass die Bestellung eine Zahlungsverpflichtung einschließlich wiederkehrender Beträge beinhaltet (beispielsweise durch Aktivieren einer eindeutig beschrifteten Schaltfläche zur Übertragung der Bestellung). Sowohl die Höhe einer einmaligen Zahlung als auch die Höhe der möglicherweise folgenden wiederkehrenden Zahlungen sollten dem Verbraucher eindeutig mitgeteilt werden.

Beispiele:

Ein Gewerbetreibender nahm über Telefonmarketing Kontakt mit Verbrauchern auf, um für den Verkauf eines kostenlosen Rätselbuchs in Verbindung mit einem sechsmonatigen Abonnements zu werben, das fünf weitere kostenpflichtige Bücher umfasst. Ein nationales Gericht vertrat die Auffassung, dass die Verbraucher aufgrund der bereitgestellten Informationen und der Hervorhebung des ersten kostenlosen Buches möglicherweise davon ausgegangen sein könnten, sie hätten sich zu einer einmaligen Zahlung verpflichtet, während sie tatsächlich ein Abonnement abgeschlossen hatten. Es wurde festgestellt, dass der Gewerbetreibende gegen Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a UGPRL verstoßen hatte, da er keine klaren Informationen über die Art des Produkts zur Verfügung gestellt hatte (223).

Auch die Beschreibung eines Produkts als „‚gratis‘, ‚umsonst‘, ‚kostenfrei‘ oder Ähnliches, obwohl der Verbraucher weitere Kosten als die Kosten zu tragen hat, die im Rahmen des Eingehens auf die Geschäftspraxis und für die Abholung oder Lieferung der Ware unvermeidbar sind“, gilt unter allen Umständen als unlauter und damit nach der UGPRL als verboten (siehe Anhang I Ziffer 20 UGPRL).

Trägheitsverkäufe (Aufforderung des Verbrauchers zur sofortigen oder späteren Bezahlung oder zur Rücksendung oder Verwahrung von Produkten, die der Verbraucher nicht bestellt hat) sind nach der UGPRL ebenfalls unter allen Umständen verboten (siehe Anhang I Ziffer 29 UGPRL).

2.10   Artikel 8 und 9 – Aggressive Geschäftspraktiken

Artikel 8 – Aggressive Geschäftspraktiken

Eine Geschäftspraxis gilt als aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf das Produkt durch Belästigung, Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder durch unzulässige Beeinflussung tatsächlich oder voraussichtlich erheblich beeinträchtigt und dieser dadurch tatsächlich oder voraussichtlich dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Artikel 9 – Belästigung, Nötigung und unzulässige Beeinflussung

Bei der Feststellung, ob im Rahmen einer Geschäftspraxis die Mittel der Belästigung, der Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder der unzulässigen Beeinflussung eingesetzt werden, ist abzustellen auf:

a)

Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer des Einsatzes;

b)

die Verwendung drohender oder beleidigender Formulierungen oder Verhaltensweisen;

c)

die Ausnutzung durch den Gewerbetreibenden von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers beeinträchtigen, worüber sich der Gewerbetreibende bewusst ist, um die Entscheidung des Verbrauchers in Bezug auf das Produkt zu beeinflussen;

d)

belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Gewerbetreibende den Verbraucher an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einem anderen Produkt oder einem anderen Gewerbetreibenden zu wechseln;

e)

Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen.

Die UGPRL enthält eine einzige Definition des Begriffs „aggressive Geschäftspraktiken“, die in der gesamten EU angewendet werden kann. Die Richtlinie verhindert, dass Gewerbetreibende Verkaufspraktiken anwenden, mit denen die Wahlfreiheit der Verbraucher oder ihr Verhalten hinsichtlich eines Produktes beschränkt werden und ihr wirtschaftliches Verhalten beeinträchtigt wird.

Als aggressiv werden Geschäftspraktiken bezeichnet, die mit Belästigung, Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder unzulässiger Beeinflussung einhergehen. Diese Geschäftspraktiken können Verhaltensweisen in der Werbephase, aber auch erst nach Abschluss eines Rechtsgeschäfts umfassen. Wie der Gerichtshof klarstellte, kann eine Geschäftspraxis, sofern sie nicht in Anhang I als verbotene Praxis eingestuft wird, erst dann als aggressiv eingestuft werden, „wenn ihre Bestandteile mittels einer Würdigung anhand der in den Art. 8 und 9 dieser Richtlinie genannten Kriterien konkret und einzelfallbezogen beurteilt worden sind.“ (224)

Beispiele:

Einem nationalen Gericht zufolge darf eine Geschäftspraxis die geschäftliche Entscheidung von Verbrauchern nicht beeinflussen und ausschließlich bestimmte Methoden beinhalten. Dies bedeutet u. a., dass eine aggressive Geschäftspraxis mit einem aktiven Verhalten des Gewerbetreibenden („Belästigung, Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder … unzulässige Beeinflussung“) einhergehen muss, die die Verbraucher in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt (225).

Aggressive Geschäftspraktiken können auch Verhaltensweisen umfassen, die anderen nationalen Rechtsvorschriften (u. a. dem Vertragsrecht und dem Strafrecht) unterliegen. Mit der UGPRL kommt eine weitere Schutzebene hinzu, die die Durchsetzungsbehörden in Anspruch nehmen können, ohne zunächst straf- oder zivilrechtliche Verfahren einleiten zu müssen.

Nach Artikel 9 Buchstabe c sind Praktiken verboten, mit denen unzulässiger Einfluss auf Verbraucher ausgeübt wird (beispielsweise, wenn ein Gewerbetreibender konkrete Unglückssituationen oder Umstände ausnutzt, bei denen er sich bewusst ist, dass sie die Entscheidung eines Verbrauchers bezüglich eines Produkts beeinflussen). Weitere Erläuterungen zur Bedeutung dieser Rechtsgrundlage im digitalen Umfeld sind in Abschnitt 4.2.7 zu finden.

Gemäß Artikel 9 Buchstabe d dürfen Gewerbetreibende keine unverhältnismäßigen Hindernisse nichtvertraglicher Art zum Nachteil von Verbrauchern schaffen, die beabsichtigen, ihre vertraglichen Rechte auszuüben (einschließlich des Rechts auf Kündigung des Vertrags oder auf den Wechsel zu einem anderen Produkt oder einem anderen Gewerbetreibenden). Diese Bestimmung ist insbesondere insoweit wichtig, als sie nichtvertragliche Hindernisse für einen Wechsel bei Verträgen über Telekommunikations- und Energieversorgungsdiensten (226) ausschließt. Weitere Erläuterungen zum Thema „Lock-In-Effekte für Verbraucher“ finden sich in Abschnitt 4.2.11.

Beispiele:

Ein nationales Gericht stellte fest, dass es ein Gewerbetreibender seinen Kunden derart schwer machte, die mit ihm geschlossenen Versorgungsverträge zu kündigen, dass sie de facto zu automatischen Verlängerungen gezwungen waren; dies wurde als aggressive Geschäftspraxis beurteilt (227).

Artikel 9 Buchstabe e betrifft Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen. Aggressive Geschäftspraktiken kommen häufig zum einen bei Haustürgeschäften oder bei anderen Formen des Verkaufs von Verbrauchsgütern außerhalb von Geschäftsräumen und zum anderen in der Timesharing-Branche vor. Außerdem können aggressive Geschäftspraktiken bei Inkassodiensten vorkommen, bei denen Dritte mit der Einziehung von Forderungen beauftragt werden. Auch belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse beim Anbieterwechsel sind als Praktiken nach Geschäftsabschluss anzusehen.

Beispiele:

Eine Verbraucherschutzbehörde bewertete die Zusendung einer Aufforderung an einen Verbraucher, vor einem Richter zu erscheinen, der in dieser Sache über keinerlei Zuständigkeit verfügte und bei dem keinerlei Antrag gestellt worden war, als aggressive Geschäftspraxis. Mit dieser Praxis sollten Verbraucher durch unzulässige Beeinflussung eingeschüchtert werden (228).

Der Gerichtshof gab weitere Anhaltspunkte für die Beurteilung aggressiver Praktiken in bestimmten Fällen.

In der Rechtssache Wind Tre entschied der Gerichtshof, dass der Verkauf von SIM-Karten mit vorinstallierten und voraktivierten Diensten, ohne dass der Verbraucher hierüber zuvor angemessen aufgeklärt wurde, eine verbotene aggressive Praxis des Trägheitsverkaufs gemäß Anhang I Nummer 29 darstellen könnte (229). Für die Zwecke der Beurteilung ist es unerheblich, ob der Verbraucher die Möglichkeit hatte, sich für die Abschaltung der fraglichen Dienste zu entscheiden oder sie über die Einstellungen seines Geräts abzuschalten, denn ohne hinreichende Informationen kann ein solches Handeln nicht als Ausübung der freien Wahl in Bezug auf die Dienste angesehen werden (230).

Der Gerichtshof stellte in der Rechtssache Waternet klar, dass Anhang I Ziffer 29 keine Praxis einschließt, die darin besteht, beim Einzug eines Verbrauchers in eine vorher bewohnte Wohnung ohne entsprechenden Antrag des Verbrauchers den Anschluss an das öffentliche Trinkwasserversorgungsnetz aufrechtzuerhalten, da der Verbraucher keine Möglichkeit zur Auswahl eines Lieferanten dieses Dienstes hat, dieser Lieferant Tarife in Rechnung stellt, die kostendeckend, transparent, nichtdiskriminierend und verbrauchsabhängig sind und dem Verbraucher bewusst ist, dass die Wohnung an das öffentliche Wasserversorgungsnetz angeschlossen und die Lieferung von Wasser entgeltlich ist (231). Der Gerichtshof unterschied dieses Szenario von der Rechtssache Wind Tre und stellte fest, dass die Wassernutzung eine bewusste Handlung des Verbrauchers erfordert und dass es einem Durchschnittsverbraucher wahrscheinlich bewusst ist, dass eine Wohnung an das öffentliche Wasserversorgungsnetz angeschlossen und die Lieferung von Wasser entgeltlich ist (232).

In der Rechtssache Orange Polska entschied der Gerichtshof, dass die Unterzeichnung eines Vertrags in Anwesenheit eines Kuriers nicht unter allen Umständen eine aggressive Geschäftspraxis darstellt, bei der eine unzulässige Beeinflussung im Sinne der Artikel 8 bis 9 zum Einsatz kommt (233). Zu berücksichtigen ist das Verhalten des Gewerbetreibenden im konkreten Fall, das dazu führt, dass Druck auf den Verbraucher in einer Weise ausgeübt wird, die dessen Entscheidungsfreiheit erheblich beeinträchtigt wie Verhaltensweisen, die den betreffenden Verbraucher verunsichern oder ihn daran hindern, eine wohlüberlegte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Daher ist die „Bedeutung“ der Beeinträchtigung der Wahl- oder Verhaltensfreiheit des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf ein Produkt zu beurteilen.

Der bloße Umstand, dass der Verbraucher nicht tatsächlich Zugang zu den Standardvertragsbedingungen hatte, reicht für sich genommen nicht aus, um dieses Vertragsmodell als aggressive Praxis einzustufen (Rn. 43). Der Gerichtshof nannte in Rn. 48 jedoch Beispiele für Szenarien, die als aggressiv angesehen werden können:

„Als ein derartiges Verhalten kann beispielsweise die Äußerung angesehen werden, jede Verzögerung bei der Unterzeichnung des Vertrags oder der Zusatzvereinbarung würde bedeuten, dass der Vertrag oder die Zusatzvereinbarung später nur zu ungünstigeren Bedingungen geschlossen werden könne oder dass der Verbraucher Gefahr laufe, Vertragsstrafen zahlen zu müssen, oder im Fall einer Vertragsänderung damit rechnen müsse, dass der Gewerbetreibende die Erbringung der Leistung aussetze. Als ein derartiges Verhalten könnte es ebenfalls angesehen werden, wenn der Kurier dem Verbraucher mitteilt, dass er bei fehlender oder verspäteter Unterzeichnung des Vertrags oder der Zusatzvereinbarung, den bzw. die er diesem ausgehändigt habe, durch seinen Arbeitgeber negativ beurteilt werden könnte.“

3   SCHWARZE LISTE UNLAUTERER GESCHÄFTSPRAKTIKEN (ANHANG I)

Artikel 5 Absatz 5

Anhang I enthält die Liste der Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter zu betrachten sind. Diese Liste gilt einheitlich in allen Mitgliedstaaten und kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie geändert werden.

Erwägungsgrund 17

Es ist wünschenswert, dass diejenigen Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen unlauter sind, identifiziert werden, um größere Rechtssicherheit zu schaffen. Anhang I enthält daher eine umfassende Liste solcher Praktiken. Hierbei handelt es sich um die einzigen Geschäftspraktiken, die ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Artikel 5 bis 9 als unlauter gelten können. Die Liste kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden.

Die Liste in Anhang I wurde erstellt, um Durchsetzungsstellen, Gewerbetreibenden, Werbefachleuten und Verbrauchern die Erkennung bestimmter Praktiken zu ermöglichen und unmittelbarer auf diese Praktiken reagieren zu können. Insoweit trägt diese Liste zu größerer Rechtssicherheit bei. Wenn nachgewiesen werden kann, dass ein Gewerbetreibender eine in der Schwarzen Liste genannte Praxis angewendet hat, können nationale Durchsetzungsstellen einschreiten, und Sanktionen gegen diesen Gewerbetreibenden festsetzen, ohne eine Einzelfallprüfung vornehmen zu müssen, bei der die wahrscheinlichen Auswirkungen der Praxis auf das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen wären.

3.1   Produkte, die legal nicht verkauft werden können – Ziffer 9

Anhang I Ziffer 9

Behauptung oder anderweitige Herbeiführung des Eindrucks, ein Produkt könne rechtmäßig verkauft werden, obgleich dies nicht der Fall ist.

Diese Praxis wurde verboten, um zu verhindern, dass Gewerbetreibende ein Produkt oder eine Dienstleistung vertreiben, ohne dabei die Verbraucher angemessen über bestimmte Rechtsvorschriften zu informieren, die den Verkauf, Besitz oder die Verwendung des Produkts einschränken. Dies gilt auch für Produkte oder Dienste, deren Verkauf unter allen Umständen verboten oder illegal ist (z. B. der Verkauf illegaler Drogen oder gestohlener Waren). Da diese Praktiken häufig mit Straftaten und/oder unter Beteiligung unehrlicher Wirtschaftsbeteiligter einhergehen, sind sie leicht zu erkennen. Gewöhnlich stellen diese Praktiken zudem schwere Verstöße gegen andere Rechtsvorschriften dar, die in der Regel enger gefasst sind und Vorrang vor der UGPRL haben.

Zum anderen betrifft die Vorschrift verbotene Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit Produkten oder Dienstleistungen, die an sich nicht illegal sind, aber nur unter bestimmten Bedingungen und/oder mit bestimmten Einschränkungen legal beworben und verkauft werden dürfen.

Beispiele:

Pauschalreisen können nur von Gewerbetreibenden organisiert werden, die die in der Richtlinie über Pauschalreisen (234) festgelegten Insolvenzschutzanforderungen erfüllen. Ein nationales Gericht stellte fest, dass ein Reisebüro, das solche Pauschalreisen anbot, ohne eine Sicherheit bei einem nationalen Insolvenzfonds hinterlegt zu haben, insoweit gegen Anhang I Ziffer 9 verstoßen hatte, als den Verbrauchern der falsche Eindruck vermittelt worden war, sie erhielten ein Angebot, das mit dem Gesetz voll im Einklang stand (235).

Nach dem Urteil des EFTA-Gerichts in einem Fall, in dem es um die Vermarktung und den Weiterverkauf von Eintrittskarten für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2012 in London durch einen Gewerbetreibenden ging, gilt es als unlautere Geschäftspraktik, den Eindruck zu erwecken, dass Eintrittskarten auf legale Art und Weise verkauft werden können, obwohl ein nationales gesetzliches Verbot im EWR-Staat des Verkaufs, im EWR-Staat der Leistung oder in beiden besteht (236).

3.2   Schneeballsysteme – Ziffer 14

Anhang I Ziffer 14

Einführung, Betrieb oder Förderung eines Schneeballsystems zur Verkaufsförderung, bei dem der Verbraucher die Möglichkeit vor Augen hat, eine Vergütung zu erzielen, die hauptsächlich durch die Einführung neuer Verbraucher in ein solches System und weniger durch den Verkauf oder Verbrauch von Produkten zu erzielen ist.

Diese Praxis wurde verboten, um zu verhindern, dass Gewerbetreibende Verbraucher in ein System locken, das ihnen eine Vergütung verspricht, obwohl sie tatsächlich eine Vergütung nicht für den Verkauf oder Verbrauch von Produkten erhalten, sondern in erster Linie dafür, dass sie dem System neue Mitglieder zuführen. Die Schneeballwirkung dieser Systeme ist gewöhnlich so angelegt, dass sie letztlich nur zum Vorteil der Organisatoren dient, während die gewonnenen Verbraucher im Allgemeinen keine realistische Chance auch nur auf die Rückgewinnung ihrer Investition haben. Der Gerichtshof hat die Bedingungen klargestellt, unter denen ein Verkaufsförderungssystem als „Schneeballsystem“ im Sinne von Anhang I Ziffer 14 betrachtet werden kann:

„[D]as Verbot der Schneeballsysteme … [beruht] auf drei gemeinsamen Voraussetzungen …. Zunächst basiert eine solche Absatzförderung auf der Zusage, dass der Verbraucher die Möglichkeit haben wird, einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen. Sodann hängt die Einhaltung dieser Zusage von der Einführung weiterer Verbraucher in dieses System ab. Schließlich stammt der Großteil der Einkünfte, mit denen die den Verbrauchern zugesagte Vergütung finanziert werden kann, nicht aus einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit.“ (237)

Außerdem stellte der Gerichtshof in diesem Urteil fest,

„dass ein Schneeballsystem nur dann unter allen Umständen eine unlautere Geschäftspraxis darstellt, wenn ein solches System vom Verbraucher einen finanziellen Beitrag gleich welcher Höhe im Austausch für die Möglichkeit verlangt, eine Vergütung zu erzielen, die hauptsächlich durch die Einführung neuer Verbraucher in ein solches System und weniger durch den Verkauf oder Verbrauch von Produkten zu erzielen ist“ (238).

In dieser Sache hatte ein Unternehmen mit einer Prämie geworben, die neue Kunden für jeden weiteren von ihnen geworbenen Kunden erhalten sollten. Jeder neu gewonnene Kunde musste eine Anmeldegebühr zahlen. Das Gericht äußerte Zweifel daran, ob die Möglichkeit, dass die Verbraucher eine Vergütung erhielten, hauptsächlich auf der Einführung anderer Verbraucher in das System bestand, und stellte fest, dass die den bereits vorhandenen Mitgliedern gezahlten Prämien nur zu einem sehr geringen Teil aus den von den neuen Teilnehmern verlangten finanziellen Beiträgen finanziert wurden. Außerdem erinnerte der Gerichtshof daran, dass auch Geschäftspraktiken, die nach den Bestimmungen von Anhang I nicht verboten sind, nach den allgemeinen Bestimmungen der Richtlinie (Artikel 5 bis 9) unlauter sein können.

In einer anderen Rechtssache (Rechtssache Loterie Nationale) ging es um ein System, bei dem Teilnehmer zum gemeinsamen Spielen von Lotto angeworben wurden. Es wurden ständig neue Spieler geworben, die im Rahmen des Systems de facto dafür gesorgt haben, dass andere Teilnehmer, die bereits vorher beigetreten waren, höhergestuft wurden, wovon vor allem die Organisatoren des Systems profitierten. Die neuen Mitglieder würden 10 EUR als Einführungsgebühr und etwa 43 EUR monatlich für die Teilnahme entrichten. Die Gewinner würden effektiv 50 % ihres Gewinns erhalten, und es gab auch eine Obergrenze für Gewinne über 1 Mio. EUR, die nicht an die Teilnehmer ausgezahlt wurden. Der Gerichtshof stellte klar, dass ein mittelbarer Zusammenhang zwischen den von neuen Teilnehmern gezahlten Beiträgen und von bereits vorhandenen Teilnehmern bezogenen Vergütungen/Gewinnen ausreicht, um ein solches System als Schneeballsystem einzustufen. Eine gegenteilige Auslegung würde dem Verbot seine Wirksamkeit nehmen (239).

„Dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich hingegen nicht entnehmen, dass der geforderte finanzielle Zusammenhang zwingend unmittelbar sein muss. Maßgeblich ist, dass die von neuen Teilnehmern an einem solchen System gezahlten Beiträge als „hauptsächlich“ oder „grundsätzlich“ zu qualifizieren sind.“ (240)

Beispiele:

Eine Verbraucherschutzbehörde ging in drei Fällen gegen Schneeballsysteme vor: Ein Fall betraf eine Verkaufsregelung, bei der das Vergütungssystem nicht auf dem Umsatz, sondern auf der Anzahl neuer Verkaufsvertreter beruhte, die von den einzelnen Wiederverkäufern für das System geworben wurden (241). Gegenstand eines anderen Falls war ein Verkaufsprogramm, bei dem das Anreizkonzept vor allem darauf abzielte, neue Verbraucher dadurch zu gewinnen, dass die Mitglieder bestrebt waren, ihre Anmeldegebühren durch die Anwerbung weiterer Vertreter wieder hereinzuholen (242). In einem dritten Fall wurde Verbrauchern angeboten, Produkte im Rahmen von Regelungen zu erwerben, die darauf abzielten, weitere Verkäufer zu gewinnen, die sich jeweils zu einer Anzahlung oder zu bestimmten Käufen verpflichteten (243). Die Behörde prüfte auch, wie die Regelungen sich in der Praxis auswirkten. Sie ging dabei von der Anzahl der Vertreter aus, die tatsächlich Umsätze erwirtschaftet hatten, und setzte diese Anzahl in Beziehung zur Gesamtzahl der gewonnenen Verbraucher und der unterschiedlichen Höhe der durch die Vertreter und durch Verkäufe an Dritte erzielten Einnahmen/Akquisitionen. Die Untersuchungen ergaben, dass die Verbraucher bei diesen Regelungen keinen Beitrag im Austausch für die Möglichkeit leisten konnten, eine Vergütung zu erzielen, die im Wesentlichen auf der Einführung anderer Verbraucher in das System und nicht auf dem Verkauf oder dem Verbrauch von Produkten beruhte.

Hierarchische Strukturen wie etwa bei Schneeballsystemen sind komplex, und es kann schwierig sein, die mit der Einführung neuer Mitglieder verbundenen Vorteile für das jeweilige Unternehmen zu beziffern. Außerdem können die Vergütungen, die vorhandenen Mitgliedern gezahlt wurden, auf unterschiedliche Weise berechnet werden.

Beispiele:

Eine Verbraucherschutzbehörde ging gegen ein Schneeballsystem vor, bei dem der Betreiber den Teilnehmern die Auszahlung von Bargeld als Gegenleistung für die Einführung neuer Mitglieder in das System anbot (244). Um diesen finanziellen Gewinn zu erzielen, mussten die Teilnehmer eine Anmeldegebühr zahlen, eine Barzahlung an einen anderen Teilnehmer leisten und eine Provision an den Betreiber des Systems abführen. Die Chance, Barzahlungen von einem neuen Teilnehmer zu erhalten, sollte nur dann bestehen, wenn ein „Blauer Zirkel“ aus Teilnehmern bestand, die von Menschen eingeführt worden waren, die auch ihrerseits erst kürzlich zum System hinzugekommen waren.

Es erscheint notwendig, zwischen der verbotenen Geschäftspraxis nach Ziffer 14, bei der Teilnehmer Einnahmen hauptsächlich oder ausschließlich durch die Gewinnung neuer Teilnehmer erzielen, und Multi-Level-Marketing zu unterscheiden, bei dem die Vertriebskräfte eine Vergütung in erster Linie für Umsätze erhalten, die sie persönlich generieren, denen aber auch Umsätze der von ihnen gewonnen weiteren Verkäufer vergütet werden.

Schwierig ist auch, klar zwischen Verbrauchern und Gewerbetreibenden zu unterscheiden: Ein Verbraucher, der in ein System eingetreten ist, könnte ab dem Zeitpunkt, ab dem er selbst für das System wirbt, auch als Gewerbetreibender betrachtet werden und damit seinerseits dem Verbot nach Maßgabe der UGPRL in Bezug auf gewerbliche Verhaltensweisen im Rahmen des Programms unterliegen.

3.3   Produkte zur Heilung von Erkrankungen, Funktionsstörungen und Missbildungen – Ziffer 17

Anhang I Ziffer 17

Falsche Behauptung, ein Produkt könne Krankheiten, Funktionsstörungen oder Missbildungen heilen.

Dieses Verbot deckt Fälle ab, in denen ein Gewerbetreibender behauptet, sein Produkt oder seine Dienstleistung könne bestimmte physische oder psychische Leiden heilen oder lindern.

Beispiele:

Eine Verbraucherschutzbehörde gelangte zu dem Schluss, dass die Behauptung, ein Sessel habe beim Menschen heilende Wirkung (u. a. bei Rücken- und Kreislauferkrankungen), dem Verbot nach Anhang I Ziffer 17 unterliegt (245).

Fehlinformationen in Bezug auf gesundheitsbezogene Angaben waren während der COVID-19-Pandemie weitverbreitet. Unseriöse Gewerbetreibende bewarben und verkauften Produkte wie Schutzmasken, Baretthauben und Handdesinfektionsmittel, die angeblich eine Infektion verhindern oder heilen sollten. Solche Aussagen wurden jedoch häufig ohne Bezugnahme auf solide wissenschaftliche Erkenntnisse oder gänzlich ohne offizielle Empfehlungen von Sachverständigen abgegeben. Sie können gegen Artikel 5 und 6 UGPRL verstoßen, nach denen irreführende Handlungen in Bezug auf die wesentlichen Merkmale des Produkts verboten sind; in bestimmten Fällen können solche Behauptungen nach Anhang I Ziffer 17 verboten sein. Zur Bekämpfung solcher Praktiken hat die Kommission die nationalen Behörden, die im Netz für Zusammenarbeit im Verbraucherschutz tätig sind, an einen Tisch gebracht und einen gemeinsamen Standpunkt (246) zum Umgang mit Betrügereien im Zusammenhang mit COVID-19 festgelegt.

Beispiele:

Eine nationale Behörde sperrte die Website eines Händlers, der ein Medikament mit antiviralen Wirkstoffen zur Behandlung von HIV als „einziges Medikament gegen das Coronavirus (COVID-19)“ und als „einziges Mittel zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19)“ anpries, obwohl es nach offiziellen Angaben der Gesundheitsbehörden kein wirksames Mittel zur Bekämpfung des Virus gibt (247).

In drei Fällen, in denen Gewerbetreibende Produkte vermarkteten und dabei den Eindruck erweckten, dass die Produkte vor dem Coronavirus schützen könnten, stellten die nationalen Behörden und ein Gericht fest, dass solche Praktiken aggressiv waren. Insbesondere wurde festgestellt, dass die Gewerbetreibenden die Angst der Verbraucher vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus ausnutzten und dadurch ihr Urteilsvermögen verringerten und bei den spezifischen Marketingpraktiken eine Situation ernster gesellschaftlicher Bedenken missbrauchten (248).

Diese Behauptungen unterliegen zum Teil auch spezifischen Rechtsvorschriften der EU. Außerdem gilt die UGPRL unbeschadet bestehender Rechtsvorschriften der EU über gesundheitsrelevante Merkmale von Produkten. Insoweit ist Ziffer 17 nur ergänzend zu bestehenden Rechtsvorschriften der EU über die Gesundheit betreffende Behauptungen anwendbar. Irreführende Praktiken in Bezug auf Gesundheits- und Wellness-Produkte können jedoch auch nach Artikel 6 UGPRL bewertet werden (beispielsweise, wenn die Präsentation insgesamt eine Täuschung darstellt).

Das Verbot betrifft zunächst sämtliche Behauptungen im Zusammenhang mit physischen Leiden, die in der Medizin als Krankheiten, Funktionsstörungen oder Missbildungen bezeichnet werden. Da diese Behauptungen aber auch sektorbezogenen EU-Rechtsvorschriften unterliegen, hat Ziffer 17 im Hinblick auf derartige Praktiken in der Praxis nur marginale Bedeutung.

Nach Artikel 7 Absatz 3 der Lebensmittel-Informationsverordnung (249) dürfen Informationen, die ein Gewerbetreibender einem Verbraucher über ein Lebensmittel zukommen lässt, „diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen“. Diese allgemeine Vorschrift gilt für Lebensmittelunternehmer auf allen Stufen der Lebensmittelkette, sofern deren Tätigkeiten die Bereitstellung von Information über Lebensmittel an die Verbraucher betreffen. Der Begriff „Informationen über Lebensmittel“ bezeichnet jede Information, die ein Lebensmittel betrifft und durch ein Etikett, sonstiges Begleitmaterial oder in anderer Form, einschließlich über moderne technologische Mittel oder mündlich, zur Verfügung gestellt wird.

Außerdem enthält die EU-Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben (250) detaillierte Vorschriften für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben in kommerzieller Kommunikation, unabhängig davon, ob diese Angaben bei der Kennzeichnung oder Aufmachung von Lebensmitteln oder in der Werbung gemacht werden.

Nach der Verordnung sind nährwertbezogene Angaben („jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt“) nur zulässig, wenn sie im Anhang aufgeführt sind und den in der Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben festgelegten Bedingungen entsprechen. Gesundheitsbezogene Angaben („jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht“) sind verboten, es sei denn, sie sind gemäß der Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben zugelassen und in den Listen der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgeführt. Nach der Verordnung sind die folgenden gesundheitsbezogenen Angaben nicht zulässig: (251)

Angaben, die den Eindruck erwecken, bei Verzicht auf das Lebensmittel könnte die Gesundheit beeinträchtigt werden,

Angaben über Dauer und Ausmaß einer Gewichtsabnahme,

Angaben, die auf Empfehlungen von einzelnen Ärzten oder Angehörigen von Gesundheitsberufen und von Vereinigungen, die nicht in Artikel 11 genannt werden, verweisen.

Gesundheitsbezogene Angaben unterliegen auch den Gesundheits- und Arzneimittel-Rechtsvorschriften der EU. Nach Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2001/83/EG über Humanarzneimittel können Arzneimittel erst nach Erteilung einer Genehmigung der Gemeinschaft für das Inverkehrbringen in einem Mitgliedstaat in Verkehr gebracht werden. Die Artikel 86 bis 100 dieser Richtlinie enthalten zudem konkrete Vorschriften für die Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel. Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel und Produkte, die psychotrope oder narkotische Wirkstoffe enthalten, ist verboten. Die Mitgliedstaaten können ferner die Werbung für Produkte verbieten, die erstattet werden. Werbung für Produkte, die rezeptfrei erhältlich sind, ist erlaubt, allerdings unter genau festgelegten Bedingungen. Beispiele:

Die Werbung muss so gestaltet sein, dass der Werbecharakter der Mitteilung deutlich zum Ausdruck kommt und das Produkt klar als Arzneimittel dargestellt wird,

sie muss einen zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern, indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellt,

sie darf nicht irreführend sein,

sie darf nicht ausschließlich oder hauptsächlich für Kinder gelten,

sie darf nicht in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise bildliche Darstellungen der Veränderungen des menschlichen Körpers aufgrund von Krankheiten oder Schädigungen oder der Wirkung eines Arzneimittels im menschlichen Körper verwenden,

sie darf sich nicht auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern oder von im Gesundheitswesen tätigen Personen beziehen, deren Bekanntheitsgrad zum Arzneimittelverbrauch verleiten könnte.

Mit Artikel 7 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte (252) und Artikel 7 der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates über In-vitro-Diagnostika (253) wurde auf Unionsebene ein Verbot von Angaben bei der Kennzeichnung, den Gebrauchsanweisungen und der Bewerbung von Produkten eingeführt, die den Anwender oder Patienten hinsichtlich der Zweckbestimmung, Sicherheit und Leistung des Produkts irreführen können, indem sie

dem Produkt Funktionen und Eigenschaften zuschreiben, die es nicht besitzt,

einen falschen Eindruck hinsichtlich der Behandlung oder Diagnose und der Funktionen oder Eigenschaften, die das Produkt nicht besitzt, erwecken,

den Nutzer oder Patienten nicht über die zu erwartenden Risiken, die mit der Verwendung des Produkts gemäß seiner Zweckbestimmung verbunden sind, informieren,

andere Verwendungsmöglichkeiten für das Produkt empfehlen als diejenigen, für welche angegeben wird, dass sie Teil der Zweckbestimmung sind, für die die Konformitätsbewertung durchgeführt wurde.

Außerdem bestehen spezifische Einschränkungen (d. h. Verbote) für die Werbung für Arzneimittel und für medizinische Behandlungen zwischen Fachleuten, d. h. Händlern und Ärzten. Die Wahl des Produkts/die Behandlungsform ist von der Beratung des Arztes oder Spezialisten abhängig, der ein Produkt oder eine Behandlung anordnet. Bei jeglicher irreführender Werbung in diesem Bereich (ungeachtet, ob es sich um einen befugten Gewerbetreibenden handelt oder nicht) greifen automatisch die einschlägigen Vorschriften auf EU- oder nationaler Ebene. Auf diese Weise werden die entsprechenden Durchsetzungsmechanismen und Sanktionen aktiviert. Diese haben Vorrang vor der UGPRL.

Ziffer 17 gilt auch für Waren oder Dienstleistungen wie kosmetische Behandlungen, Wellness-Produkte und Ähnliches, wenn sie mit der falschen Behauptung vermarktet werden, sie könnten Krankheiten, Funktionsstörungen oder Missbildungen heilen.

Nach Artikel 20 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über kosmetische Mittel (254) müssen die Mitgliedstaaten verbieten, dass in der Kennzeichnung von kosmetischen Produkten sowie beim Inverkehrbringen und bei der Werbung für diese Produkte Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen verwendet werden, die ein Merkmal vortäuschen, das die betreffenden Erzeugnisse nicht besitzen.

Wenn ein Gewerbetreibender keine geeigneten und aussagekräftigen Nachweise über die physikalischen Wirkungen vorlegen kann, die ein Verbraucher von der Verwendung eines Produktes erwarten kann, und die sektorbezogenen EU-Rechtsvorschriften nicht greifen, kommt ebenfalls die Bestimmung über die verbotene Geschäftspraxis nach Ziffer 17 zur Anwendung, weil eine falsche Behauptung zum Ausdruck gebracht wurde.

Die Gewerbetreibenden müssen in der Lage sein, sämtliche derartigen Tatsachenbehauptungen wissenschaftlich zu belegen, damit sie nicht verboten werden. Dass die Beweislast dem Gewerbetreibenden obliegt, entspricht dem folgenden in Artikel 12 UGPRL allgemeiner formulierten Grundsatz: „Die Mitgliedstaaten übertragen den Gerichten oder Verwaltungsbehörden Befugnisse, die sie ermächtigen, in den … Verfahren vor den Zivilgerichten oder Verwaltungsbehörden a) vom Gewerbetreibenden den Beweis der Richtigkeit von Tatsachenbehauptungen im Zusammenhang mit einer Geschäftspraxis zu verlangen, wenn ein solches Verlangen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Gewerbetreibenden und anderer Verfahrensbeteiligter im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint.“

Beispiele:

Ein Online-Händler warb auf seiner Website für verschiedene Produkte (u. a. Kleidung und Kosmetika) unter Verweis auf unterschiedliche gesundheitsfördernde Wirkungen (lindern Schmerzen, fördern die Nachtruhe, beseitigen Falten usw.). Er konnte seine Behauptungen jedoch nicht mit geeigneten Belegen untermauern. Eine nationale Behörde sah in diesem Verhalten eine nach Anhang I UGPRL verbotene irreführende Geschäftspraktik (255).

3.4   Verwendung der Angabe „kostenlos“ – Ziffer 20

Anhang I Ziffer 20

Ein Produkt wird als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder Ähnliches beschrieben, obwohl der Verbraucher weitere Kosten als die Kosten zu tragen hat, die im Rahmen des Eingehens auf die Geschäftspraktik und für die Abholung oder Lieferung der Ware unvermeidbar sind.

Dieses Verbot beruht auf der Vorstellung, dass Verbraucher ein „Gratis“-Angebot im Wortsinn als „kostenlos“ verstehen, d. h., dass sie etwas erhalten, ohne Geld dafür bezahlen zu müssen. Entsprechend darf ein Angebot nur dann als gratis beschrieben werden, wenn der Verbraucher nicht mehr bezahlt als

die unvermeidbaren Mindestkosten, die bei einer Reaktion auf die Geschäftspraxis entstehen (z. B. derzeit geltende Postgebühren, Kosten für einen Anruf zum Inlandstarif (maximal) oder unvermeidbare Mindestkosten für eine SMS),

die tatsächlichen Fracht- oder Lieferkosten,

die Kosten der Reise, die der Verbraucher unternimmt, um das Angebot entgegenzunehmen, einschließlich der anfallenden Nebenkosten.

Gewerbetreibende dürfen folglich kein Entgelt für Verpackung, Warenumschlag und Bearbeitung eines als „kostenlos“ beworbenen Produkts verlangen. Wenn Gewerbetreibende „Gratisangebote“ machen, müssen sie also in allen Materialien angeben, in welchem Umfang der Verbraucher für unvermeidbare Kosten im oben genannten Sinne aufkommen muss.

Wenn die Angabe „gratis“ im Zusammenhang mit kombinierten Angeboten, d. h. kommerziellen Angeboten aus mehr als einem Produkt bzw. mehr als einer Dienstleistung, verwendet wird, ist schwieriger zu beurteilen, ob eine Geschäftspraxis unlauter ist. Kombinierte Angebote sind gewöhnlich an Bedingungen geknüpfte Werbemaßnahmen oder Paketangebote. Im Folgenden werden einige Grundsätze erläutert, die nationale Behörden bei der Bewertung kombinierter Angebote berücksichtigen könnten. In bestimmten Regulierungskodizes für den Werbebereich sind sie bereits enthalten.

Gewerbetreibende dürfen nicht versuchen, ihre Kosten durch die Verringerung der Qualität oder der Bestandteile oder durch die Überhöhung des Preises eines Produkts, dessen Erwerb die Voraussetzung für den Erhalt eines separaten mit der Beschreibung „gratis“ beworbenen Produkts ist, weiterzugeben.

Gewerbetreibende dürfen ein Einzelelement eines Pakets nicht als „gratis“ beschreiben, wenn seine Kosten im Paketpreis enthalten sind.

Beispiele:

In einem kombinierten Angebot eines Mobiltelefons mit Vertrag gab ein Telekommunikationsanbieter den Preis mit „0 kr“ an. Nachdem die Verbraucher das Angebot angenommen hatten, wurden jedoch die monatlichen Vertragsgebühren angehoben. Ein nationales Gericht vertrat die Auffassung, dass auf diese Geschäftspraxis Anhang I Ziffer 20 UGPRL anwendbar sei (256).

Eine Verbraucherschutzbehörde stellte fest, dass das Angebot eines „kostenlosen Kredits“ unter Anhang I Ziffer 20 UGPRL fällt, wenn der Verbraucher eine kostenpflichtige Kreditversicherung abschließen muss, damit der Kredit gewährt wird.

Das Verbot hindert Gewerbetreibende nicht, die Angabe „gratis“ bei an Bedingungen geknüpften Werbemaßnahmen zu verwenden, bei denen Verbraucher zum Kauf anderer Artikel verpflichtet sind (z. B. „2 für den Preis von 1“ oder ähnliche Angebote), sofern

den Verbrauchern deutlich gemacht wird, dass sie für sämtliche Kosten aufkommen müssen,

weder die Qualität noch die Bestandteile der kostenpflichtigen Waren verringert wurden, und

der Preis der kostenpflichtigen Waren nicht überhöht wurde, um die Kosten der Bereitstellung des Gratisprodukts zu decken.

Beispiele:

Ein Gewerbetreibender schaltete eine Werbekampagne im Internet und in Tageszeitungen, in denen er zwei Autoreifen gratis anbot, wenn ein Verbraucher zwei neue Reifen kaufte. Tatsächlich war der in der Kampagne angegebene Preis für die beiden Reifen doppelt so hoch wie der zuvor verlangte Einzelhandelspreis. Eine nationale Behörde stellte fest, dass diese an Bedingungen geknüpfte Werbemaßnahme nach Anhang I Ziffer 20 verboten war (257).

Von Werbemaßnahmen für an Bedingungen geknüpfte Käufe unterscheidet sich diese Praxis in erster Linie darin, dass der Verbraucher die als „gratis“ beschriebene Ware zusätzlich zur kostenpflichtigen Ware erhalten muss und dass das Gratisprodukt ein separates Produkt darstellt. Bei diesen an Bedingungen geknüpften Werbemaßnahmen müssen die Gewerbetreibenden also nachweisen können,

dass das Gratisprodukt entweder tatsächlich zusätzlich zu dem/den Produkt(en), das/die üblicherweise zu dem betreffenden Preis erhältlich ist/sind, bereitgestellt wird oder getrennt von dem/den kostenpflichtigen Produkt(en) erhältlich ist,

dass die Gewerbetreibenden das Gratisprodukt nur dann zusammen mit dem/den kostenpflichtigen Produkt(en) bereitstellen, wenn der Verbraucher die mit der Werbemaßnahme verknüpften Bedingungen einhält, und

dass die Verbraucher den Preis des/der von ihnen bezahlten Produkts/Produkte kennen und wissen, dass dieser Preis unabhängig vom Gratisprodukt gleich bleibt.

Beispiele:

Die Werbung „Gratisposter beim Kauf der Donnerstagsausgabe“ ist rechtmäßig, wenn die Zeitung an einem anderen Tag ohne Poster zum gleichen Preis verkauft wird.

Die Werbung „kostenlose Reiseversicherung für Kunden, die ihren Urlaub online buchen“ ist rechtmäßig, wenn Verbrauchern, die dieselbe Reise telefonisch buchen, derselbe Preis, aber keine kostenlose Versicherung angeboten wird.

Die Werbung, dass Verbraucher ein „kostenloses Abonnement für einen Streaming-Dienst für eine bestimmte Anzahl von Monaten“ zusammen mit dem Kauf einer Ware, z. B. eines Fernsehers, erhalten, ist rechtmäßig, wenn der Verbraucher nicht für dieses Abonnement zahlen muss und der Preis der Ware durch das zusätzliche Abonnement nicht erhöht wird.

Nach Anhang I Ziffer 20 ist die Verwendung der Bezeichnung „gratis“ zur Beschreibung eines einzelnen Elements eines Paketangebots verboten, wenn die Kosten dieses Elements im Paketpreis enthalten sind. Ein „Paketangebot“ wird hier als eine im Voraus festgelegte Kombination aus Elementen verstanden, die langfristig zu einem Pauschalpreis angeboten werden. Die Verbraucher können hierbei nicht wählen, wie viele Elemente des Pakets sie zu diesem Preis erhalten.

Beispiele:

Für ein Fahrzeug wird mit einem Paket geworben, das Ledersitze, Klimaanlage und Multimediasystem umfasst und im Standardpreis von 10 000 EUR enthalten ist. Der Verbraucher zahlt einen Pauschalpreis für das Fahrzeug entsprechend der Verkaufsbeschreibung. Würde eines der angegebenen Elemente wegfallen, wäre dies eine Verringerung der Qualität und der Bestandteile des Fahrzeugs, für das der Verbraucher 10 000 EUR zahlt. Wenn der Gewerbetreibende mit einem Gratis-Multimediasystem werben will und behauptet, der Preis von 10 000 EUR beziehe sich auf die beiden anderen Elemente des Pakets, muss er nachweisen, dass entweder a) die Anforderungen an eine Werbemaßnahme für einen an Bedingungen geknüpften Kauf erfüllt sind oder b) das Multimediasystem ein neues zusätzliches Element ist und der Preis des Fahrzeugs nicht erhöht wurde.

Gelegentlich fügen Gewerbetreibende ihren bestehenden Paketen jedoch neue Elemente hinzu, ohne den Preis des Pakets zu erhöhen oder die Qualität oder die bereits im Paket enthaltenen Bestandteile zu verringern. In diesen Fällen betrachten die Verbraucher das Element, das dem Paket hinzugefügt wurde, normalerweise als zusätzliches Element, um das das bestehende Paket nach seiner Einführung erweitert wurde. Wenn ein Paketpreis jedoch erhöht wird oder die Qualität oder die Bestandteile des Pakets verringert werden, nachdem ein Element hinzugefügt wurde, darf das neue Element nicht als „gratis“ beschrieben werden.

Auch wenn Einmalkosten entstehen, z. B. beim Kauf oder bei der Installation von Anlagen, ist die Aussage berechtigt, die nicht im Vertrag enthaltenen gelieferten Produkte oder erbrachten Dienstleistungen seien „gratis“ im Sinne von Anhang I Ziffer 20. So können z. B. digitale Fernsehkanäle nur von Verbrauchern empfangen werden, die über die entsprechende Ausrüstung für den Digitalempfang verfügen. Ebenso stehen Telefontarifpakete nur denjenigen Verbrauchern zur Verfügung, die ein Telefon bzw. einen Anschluss haben.

Ähnlich stehen einem Dritten zu zahlende Verbindungsgebühren für die Aktivierung eines Internetdienstes nicht im Widerspruch zur Behauptung, dass der Internetdienst kostenlos sei, sofern die Verbindungsgebühr nicht erhöht wurde, um die Kosten der Bereitstellung des kostenlosen Internetdienstes zu decken. Gewerbetreibende müssen die Verbraucher jedoch angemessen informieren, wenn derartige Vorabzahlungen erforderlich sind.

Im Online-Sektor werden Produkte besonders häufig als „gratis“ dargestellt. Vielfach werden bei diesen Diensten jedoch personenbezogene Daten von Nutzern (beispielsweise ihre Identität und ihre E-Mail-Adresse) gesammelt. Wichtig ist, dass die UGPRL alle Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit „Gratis“-Produkten abdeckt und als Voraussetzung für ihre Anwendung keine Geldzahlung erforderlich ist. Bei datengesteuerten Verfahren bestehlt ein Zusammenspiel zwischen den europäischen Datenschutzvorschriften und der UGPRL. Die wirtschaftliche Bedeutung von Informationen über Verbrauchervorlieben sowie von personenbezogenen Daten und anderen nutzergenerierten Inhalten wird zunehmend erkannt. Wenn diese Produkte als „kostenlos“ beworben werden, ohne den Verbrauchern angemessen zu erläutern, wie ihre Vorlieben, personenbezogenen Daten und nutzergenerierten Inhalte verwendet werden, könnte dies als eine irreführende Praxis und darüber hinaus möglicherweise als Verstoß gegen die Datenschutzvorschriften betrachtet werden.

Zudem gilt die Richtlinie (EU) 2019/770 (258) für Verträge, bei denen Verbrauchern digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden und die Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellen oder sich dazu verpflichten, diese bereitzustellen. Die Richtlinie über digitale Inhalte gilt unabhängig davon, ob personenbezogene Daten dem Gewerbetreibenden zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung gestellt werden, z. B. wenn der Verbraucher seine Einwilligung zur Verarbeitung personenbezogener Daten erteilt. Nach den Änderungen durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 gilt (ab dem 28. Mai 2022) auch die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher für Verträge über die Erbringung digitaler Dienstleistungen und Inhalte, bei denen die Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellen oder sich dazu verpflichten, diese bereitzustellen.

Beispiele:

Eine Verbraucherschutzbehörde verhängte gegen eine Online-Plattform eine Geldbuße wegen irreführender Informationen auf der Grundlage von Artikel 6 UGPRL, da das Unternehmen seine Einnahmen aus der Analyse privater Daten von Nutzern und der Weitergabe dieser Informationen an gewerbetreibende Dritte bezog (259).

Eine Verbraucherbehörde verhängte gegen eine Online-Plattform eine Geldbuße, da sie die Nutzer (gemäß Artikel 6 und 7 UGPRL) zur Registrierung irregeführt und sie bei der Einrichtung des Kontos nicht unverzüglich und angemessen darüber informiert hatte, dass die bereitgestellten Daten zu kommerziellen Zwecken verwendet werden, und ihnen auch nicht die entgeltlichen Zwecke, die dem Dienst zugrunde liegen, mitgeteilt hatte, stattdessen aber den kostenlosen Charakter des Dienstes betont hatte (260).

3.5   Wiederverkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen an Verbraucher, wenn der Gewerbetreibende diese Eintrittskarten unter Verwendung automatisierter Verfahren erworben hat – Ziffer 23a

Anhang I Ziffer 23a

Der Wiederverkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen an Verbraucher, wenn der Gewerbetreibende diese Eintrittskarten unter Verwendung automatisierter Verfahren erworben hat, die dazu dienen, Beschränkungen in Bezug auf die Zahl der von einer Person zu erwerbenden Eintrittskarten oder andere für den Verkauf der Eintrittskarten geltende Regeln zu umgehen.

Mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 wurde die UGPRL um eine neue verbotene Geschäftspraxis in Ziffer 23a ergänzt, wonach es Gewerbetreibenden untersagt ist, Eintrittskarten für Kultur- und Sportveranstaltungen, die sie mithilfe spezieller Software („Bots“) erworben haben, an Verbraucher wiederzuverkaufen.

Solche automatisierten Mittel ermöglichen es Gewerbetreibenden, Eintrittskarten über die vom Erstverkäufer auferlegten technischen Beschränkungen hinaus zu kaufen oder andere technische Mittel zu umgehen, die der Erstverkäufer eingerichtet hat, um den Zugang zu Eintrittskarten für alle Personen sicherzustellen (z. B. die Organisation einer Online-Einkaufswarteschlange). Das Verbot würde auch für den Fall gelten, dass die Eintrittskarten von der automatischen Software „reserviert“, dann aber separat auf anderem Wege bezahlt werden. Es gilt auch für den Fall, dass der Wiederverkäufer die Eintrittskarten von einem Dritten erwirbt, der Bots zum Kauf von Eintrittskarten eingesetzt hat. Der Umstand, dass der Wiederverkäufer von der Verwendung des Bots wusste, ist für die Zwecke des Verbots unerheblich, solange der Wiederverkäufer durch die Verwendung des Bots in die Lage versetzt wird, diese Eintrittskarten in größeren Mengen zu erwerben, als dies anderen Käufern möglich war.

Das Verbot gilt allgemein für „Veranstaltungen“, zu denen Kultur- und Sportveranstaltungen gehören, die in Erwägungsgrund 50 der Richtlinie (EU) 2019/2161 ausdrücklich genannt werden, sowie andere Arten von Freizeitaktivitäten. Es gilt nur für technische Maßnahmen, die der Wiederverkäufer einsetzt, um die technischen Maßnahmen zu umgehen, die der primäre Verkäufer der Eintrittskarten eingeführt hat, um die Anzahl der an jeden Käufer verkauften Karten zu begrenzen oder den Verkaufsprozess zu verwalten. Solche Maßnahmen könnten vom primären Verkäufer aus eigener Initiative oder auf der Grundlage von Anforderungen in den nationalen Rechtsvorschriften umgesetzt werden.

Das Verbot in Anhang I Ziffer 23a ergänzt die allgemeinen Bestimmungen der UGPRL in Bezug auf diesen besonderen Aspekt des Wiederverkaufs von Eintrittskarten. In Erwägungsgrund 50 der Richtlinie (EU) 2019/2161 wird erläutert, dass dieses Verbot jede andere Maßnahme unberührt lässt, die die Mitgliedstaaten ergreifen können, um die berechtigten Interessen der Verbraucher zu schützen und die Kulturpolitik sowie einen breiten Zugang aller zu Kultur- und Sportveranstaltungen sicherzustellen, etwa die Regulierung der Wiederverkaufspreise für Eintrittskarten.

3.6   Ständige Werbung in für den Fernabsatz geeigneten Medien – Ziffer 26

Anhang I Ziffer 26

Kunden werden durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon, Fax, E-Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien geworben, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen ein solches Verhalten nach den nationalen Rechtsvorschriften gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen. Dies gilt unbeschadet des Artikels 10 der Richtlinie 97/7/EG sowie der Richtlinien 95/46/EG und 2002/58/EG.

Dieses Verbot soll Verbraucher vor Belästigungen durch Medien für den Fernabsatz schützen. Nach Anhang I Ziffer 26 ist Werbung bei Fernabsatzgeschäften nicht an sich verboten. Das Verbot gilt vielmehr für hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen (261).

Beispiele:

Ein Versicherungsberater suchte online und offline in Zeitungen nach Berichten über Unfälle, um anschließend Standardschreiben an die Opfer zu schicken, in denen er ihnen Beratung und Hilfe bei der Durchsetzung von Ansprüchen anbot. Ein nationales Gericht stellte fest, dass der Versand eines einzigen Schreibens an eine bestimmte Person nicht als „hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen“ im Sinne von Anhang I Ziffer 26 zu bewerten ist (262).

Artikel 13 der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) enthält spezifische Vorschriften in Bezug auf unerwünschte Kommunikation über elektronische Kommunikationsnetze (telefonisch oder per E-Mail). Automatische Anrufmaschinen, Telefaxgeräte oder elektronische Post sind für Zwecke der Direktwerbung nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer gestattet. Allerdings kann eine natürliche oder juristische Person, wenn sie von ihren Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung deren elektronische Kontaktinformationen für elektronische Post erhalten hat, diese zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen verwenden, sofern die Kunden klar und deutlich die Möglichkeit erhalten, eine solche Nutzung ihrer elektronischen Kontaktinformationen zum Zeitpunkt ihrer Erhebung und bei jeder Übertragung gebührenfrei und problemlos abzulehnen, wenn der Kunde diese Nutzung nicht von vornherein abgelehnt hat. Diese sektorbezogenen Vorschriften haben Vorrang von der UGPRL. Daher braucht das Ansprechen in diesen Fällen nicht hartnäckig zu sein, und die Mitgliedstaaten müssen derartige Ansprachen ab dem ersten Anruf und ab der ersten E-Mail bestrafen.

Wenn ein für die Verarbeitung Verantwortlicher für die Werbung personenbezogene Daten verwendet (z. B. den Namen und/oder die Anschrift des Empfängers oder sonstige Daten im Zusammenhang mit einer identifizierbaren Person), ist dies als Verarbeitung der betreffenden Daten im Sinne des EU-Datenschutzrechts zu verstehen. Die Vorschriften über Sicherheiten und Verpflichtungen nach Maßgabe der DSGVO müssen eingehalten werden, u. a. durch Informieren der Verbraucher über die vorgesehene Verarbeitung, bevor die Werbung erfolgt, und indem den Verbrauchern die Möglichkeit eingeräumt wird, der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten für diesen Zweck zu widersprechen (Artikel 21 Absatz 2 DSGVO).

Ähnliche sektorbezogene EU-Rechtsvorschriften für Werbung per Post und für sonstige gedruckte Werbung existieren nicht. Derartige Werbung unterliegt der UGPRL und insbesondere Anhang I Ziffer 26. Daher würden nationale Vorschriften zum Verbot jeglicher Form nicht adressierter Postwurfsendungen über die vollständig angeglichen Bestimmungen der UGPRL hinausgehen, wenn die Verbraucher nicht zuvor ausdrücklich ihre Zustimmung erklärt haben („Opt-in“). Ein derartiges Verbot wäre nur dann zulässig, wenn es nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie fiele, d. h. es muss nicht darauf abzielen, die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher zu schützen. Einige Mitgliedstaaten haben solche Verbote aus unterschiedlichen Gründen verteidigt (beispielsweise aus Gründen des Umweltschutzes (weniger durch Werbematerial bedingte Papierabfälle)).

3.7   Direkte Aufforderungen an Kinder – Ziffer 28

Anhang I Ziffer 28

Einbeziehung einer direkten Aufforderung an Kinder in eine Werbung, die beworbenen Produkte zu kaufen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene zu überreden, die beworbenen Produkte für sie zu kaufen. Diese Bestimmung gilt unbeschadet des Artikels 16 der Richtlinie 89/552/EWG über die Ausübung der Fernsehtätigkeit.

Dieses Verbot gilt auch für Fälle, in denen Kinder unter Druck gesetzt werden, damit sie ein Produkt entweder selbst kaufen oder Erwachsene überreden, Produkte für sie zu kaufen („kindertypisches Anspruchsverhalten“). Häufig machen Gewerbetreibende im Zusammenhang mit diesem Verbot geltend, dass es schwierig sein könne, zu unterscheiden, ob Werbung an Kinder oder an andere Verbraucher gerichtet sei. Außerdem sei manchmal nicht klar, ob eine Geschäftspraxis eine direkte Aufforderung an Kinder beinhalte.

Ob eine Geschäftspraxis unter Anhang I Ziffer 28 fällt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Tatsachen und Umstände zu prüfen. Bei dieser Prüfung können verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, z. B. der Marketingmechanismus, das für das Marketing verwendete Medium, die Art der verwendeten Sprache, die Verwendung von Themen oder Figuren, die Kinder besonders ansprechen, etwaige Altersbeschränkungen, Kaufzugang über direkte Links usw (263). Die nationalen Durchsetzungsbehörden oder Gerichte sind dabei nicht an die vom Gewerbetreibenden für die betreffende Geschäftspraxis verwendete Zielgruppendefinition gebunden, obwohl diese Definition berücksichtigt werden kann. Bei der Prüfung sollten auch die Maßnahmen berücksichtigt werden, die der Gewerbetreibende ergriffen hat, um Minderjährige vor direkter Erpressung zu schützen. Die Gewerbetreibenden sollten ihre Werbung an den Verbrauchern, die durch die Praxis tatsächlich erreicht werden können, und nicht nur an der beabsichtigten Zielgruppe ausrichten.

Beispiele:

Im Online-Handel im Zusammenhang mit einer Gameplaying-Community, in der Kinder virtuelle Puppen anziehen, bestand eine Geschäftspraxis darin, die Kinder mit folgender Werbung zu konfrontieren: „Mehr kaufen“, „Hier kaufen“, „Upgrade sofort“ und „Upgrade auf Superstar“. Ein nationales Gericht verbot diese Praktiken mit der Begründung, dass diese Werbebotschaften unmittelbare Aufforderungen an Kinder im Sinne von Anhang I Ziffer 28 darstellten (264).

Ein Konzertveranstalter hatte Eintrittskarten für ein Konzert von Justin Bieber mit Formulierungen wie „Echt – es gibt noch RIMI-Karten in vielen Stores. Haltet euch ran, schwingt euch aufs Fahrrad oder lasst euch fahren“ und „Wenn ihr heute bei RIMI Karten für das Konzert kauft, holt euch gleich auch die Karten für den Bieberexpress“ beworben. Ein nationales Gericht sah dies als Verstoß gegen Anhang I Ziffer 28 an (265).

Eine nationale Behörde bewertete die Direktwerbung einer Bank in Form eines Briefs an Kinder kurz vor ihrem zehnten Geburtstag als aggressive Praxis. In dem Brief wurde den Kindern mitgeteilt, in einer Niederlassung der Bank erhielten sie zu ihrem 10. Geburtstag eine persönliche Visa-Electron-Karte (266).

Eine nationale Behörde wurde auf eine direkte Aufforderung in einer Gewinnspielwerbung aufmerksam, die mithilfe der erweiterten Realität (Augmented Reality, AR) durchgeführt wurde. Der Leser würde eine AR-Anwendung auf sein Telefon herunterladen und damit die Schautafeln scannen, um eine Geschichte mit Videomaterial zu sehen. Die Videos enthielten zahlreiche comicartige visuelle Elemente und Toneffekte. Am Ende der Geschichte wurde in der Anwendung ein Glücksrad gezeigt, bei dem der Leser die Chance hatte, Eintrittskarten für ein Konzert zu gewinnen. Hatte der Leser kein Glück, erschien neben dem Glücksrad ein Link, mit dem der Leser aufgefordert wurde, sich „die Eintrittskarten anzusehen“. In ebendieser Situation forderte ein virtueller Avatar den Leser auf, „hier zu klicken und die Eintrittskarten zu kaufen“. Nach Ansicht der nationalen Behörde handelte es sich dabei um eine direkte Aufforderung zum Kauf, da es möglich war, über den angezeigten Link die Eintrittskarten zu erwerben. Die nationale Behörde vertrat ferner die Auffassung, dass der AR-Inhalt und die Werbung auf Kinder ausgerichtet waren, da sie in einem Comic-Magazin veröffentlicht wurden, das an Kinder gerichtet war (267).

Ein Gericht eines Mitgliedstaats befasste sich mit der Frage, ob die Anzeige eines Links zu einem Online-Shop eine direkte Aufforderung zum Kauf darstellte. Das Gericht stellte fest, dass sich eine Werbung, in der der Betrachter in der zweiten Person Singular angesprochen wird und in der für Kinder typische Begriffe verwendet werden, in erster Linie an Kinder richtet und dass solche direkten Aufforderungen zum Kauf unter Anhang I Ziffer 28 fallen, selbst wenn die Preise und Merkmale der beworbenen Produkte erst angezeigt werden, wenn der Link angeklickt wird (268).

In einem ähnlichen Fall vertrat das Gericht eines Mitgliedstaats die Auffassung, dass indirekte Aufforderungen zum Kauf nicht unter das Verbot nach Anhang I Ziffer 28 fallen und als Hinweise auf den Verwendungszweck der beworbenen Produkte bestimmt sind. In diesem Fall wurden die Werbebotschaften und die Links zum Online-Shop mit dem folgenden Hinweis versehen: „Wenn Sie auch ein Exemplar für sich selbst haben möchten, können Sie es über die Links unten auch für Ihre Konsole bestellen“. Es wurde befunden, dass die Bereitstellung von Informationen über eine Kaufmöglichkeit oder die Einladung an den Nutzer zu virtuellen Geschäftsräumen nicht unzulässig ist (269).

Im Jahr 2021 verhängte eine Durchsetzungsbehörde gegen den Betreiber eines Online-Spiels und mehrere Online-Influencer-Agenturen eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen das Verbot in Anhang I Ziffer 28. Die Werbung für das Spiel wurde über eine Reihe von Online-Kanälen verbreitet und Kinder und Jugendliche wurden aufgefordert, mit einer Tierfigur durch den Versand von Mehrwert-SMS-Nachrichten zu interagieren. Dadurch wurden Kinder direkt zum Kauf aufgefordert. Außerdem wurden bei der Geldbuße irreführende Praktiken des Gewerbetreibenden und der Influencer berücksichtigt, da bestimmte Anzeigen und Werbeaktionen nicht entsprechend gekennzeichnet waren und die Verbraucher irregeführt wurden, sich eine Werbung anzusehen (270).

In den Jahren 2013–2014 führten die Kommission und die nationalen Behörden koordinierte Durchsetzungsmaßnahmen in Bezug auf Online-Spiele durch, die die Möglichkeit bieten, während des Spieles Käufe zu tätigen (In-App-Käufe) und die Kinder ansprechen oder von ihnen gespielt werden könnten (siehe Abschnitt 4.2.9) (271). Die Behörden stellten fest, dass Anhang I Ziffer 28 UGPRL für Spiele gilt, die für Kinder wahrscheinlich attraktiv sind, und nicht auf ausdrücklich für Kinder vorgesehene Spiele beschränkt ist. Ein Spiel oder eine Anwendung und die dort enthaltene Aufforderung kann als im Sinne von Anhang I Ziffer 28 an Kinder gerichtet betrachtet werden, wenn vernünftigerweise erwartet werden konnte, dass der Gewerbetreibende erkennt, dass sein Spiel für Kinder attraktiv sein könnte.

3.8   Preise – Ziffer 31

Anhang I Ziffer 31

Erwecken des fälschlichen Eindrucks, der Verbraucher habe bereits einen Preis gewonnen, werde einen Preis gewinnen oder werde durch eine bestimmte Handlung einen Preis oder einen sonstigen Vorteil gewinnen, obwohl:

es in Wirklichkeit keinen Preis oder sonstigen Vorteil gibt,

oder

die Möglichkeit des Verbrauchers, Handlungen in Bezug auf die Inanspruchnahme des Preises oder eines sonstigen Vorteils vorzunehmen, in Wirklichkeit von der Zahlung eines Betrags oder der Übernahme von Kosten durch den Verbraucher abhängig gemacht wird.

Die Bewertung der Situationen der ersten Kategorie (d. h. kein Preis) ist verhältnismäßig einfach. Um nicht gegen das Verbot zu verstoßen, müssen Gewerbetreibende immer nachweisen können, dass sie die Preise genauso vergeben bzw. entsprechende Vorteile bzw. genauso gewährt haben, wie in ihrer Ankündigung gegenüber dem Verbraucher mitgeteilt. Ansonsten fällt das betreffende Verhalten unter dieses Verbot.

Beispiele:

Ein Gewerbetreibender erweckte fälschlicherweise den Eindruck, dass Verbraucher einen Preis gewinnen könnten. Der Gewerbetreibende hatte erklärt, dass jeder, der an einer bestimmten Lotterie teilnehme, einen Laptop gewinnen könne. Tatsächlich gab es jedoch keinen Laptop als Gewinn (272).

Ein Gewerbetreibender erweckte den falschen Eindruck, dass ein Verbraucher einen Preis gewonnen hätte, indem er in einem Schreiben an den Verbraucher unmissverständlich mitteilte, dass er einen Preis in Höhe von 18 000 EUR gewonnen habe, obwohl dieser Preis tatsächlich nicht existierte. Ein nationales Gericht stellte fest, dass diese Geschäftspraxis im Widerspruch zu der nationalen Rechtsvorschrift zur Umsetzung von Anhang I Ziffer 31 UGPRL stand (273).

Der zweite Teil von Anhang I Ziffer 31 (d. h. die Inanspruchnahme des Preises oder Vorteils ist von der Zahlung eines Betrags oder der Übernahme von Kosten durch den Verbraucher abhängig) deckt unlautere Praktiken ab, in deren Rahmen Verbrauchern z. B. mitgeteilt wird, sie hätten einen Preis gewonnen, müssten aber zur Inanspruchnahme des Preises eine Rufnummer mit erhöhtem Tarif anrufen. Außerdem gilt der zweite Teil von Ziffer 31 für Fälle, in denen Verbraucher zunächst darüber informiert wurden, dass sie einen Preis gewonnen hätten, um anschließend festzustellen, dass sie eine andere Ware oder einen anderen Dienst bestellen müssen, um den Preis bzw. den entsprechenden Vorteil tatsächlich zu erhalten bzw. in Anspruch nehmen zu können.

Der Gerichtshof hat klargestellt, dass Geschäftspraktiken bereits bei minimalen Kosten (gemessen an einem in Aussicht gestellten Preis), die einem Verbraucher bei Handlungen zur Inanspruchnahme dieses Preises entstehen (d. h. bei Erkundigungen nach der Art des Preises – etwa durch die Frankierung eines Schreibens – oder bei der Entgegennahme des Preises), unter Anhang I Ziffer 31 fallen – selbst dann, wenn die Übernahme dieser Kosten dem Gewerbetreibenden keinem Vorteil bringt (274).

Beispiele:

Ein Versandhandelsunternehmen schickte Werbematerial mit der Post, in dem Verbrauchern erklärt wurde: „Es ist zu 100 % garantiert, dass der Verbraucher einer der ausgewählten Personen ist, die ein Elektronikprodukt erhalten. Dieses Produkt ist kostenlos!“ Tatsächlich mussten die Verbraucher aber innerhalb von zwei Tagen antworten und 19,99 EUR Gebühren für „Verwaltung und Versand“ zahlen. Nach Auffassung einer Verbraucherschutzbehörde war die Geschäftspraxis, mit der Verbrauchern fälschlicherweise der Eindruck vermittelt wurde, dass sie bereits einen Preis gewonnen hätten, während sie gleichzeitig aufgefordert wurden, innerhalb von zwei Tagen nach Eingang der Mitteilung über die Werbeaktion eine Gebühr zu zahlen, der Praxis in Anhang I Ziffer 31 und weiteren in der Schwarzen Liste genannten Praktiken zuzurechnen (beispielsweise infolge der Verwendung des Begriffs „kostenlos“ unter Ziffer 20) ist (275).

4   ANWENDUNG DER UGPRL AUF BESTIMMTE SEKTOREN

4.1   Nachhaltigkeit

4.1.1   Behauptungen zum Umweltschutz

Die Begriffe „Behauptungen zum Umweltschutz“ und „Umweltaussagen“ beziehen sich auf die Praxis der Erweckung des Eindrucks oder einer sonstigen Vermittlung des Anscheins (in kommerzieller Kommunikation oder in Werbe- oder Verkaufsmaterial), dass eine Ware oder eine Dienstleistung sich positiv oder zumindest nicht nachteilig auf die Umwelt auswirkt oder weniger schädlich für die Umwelt ist als konkurrierende Waren oder Dienstleistungen. Die Behauptungen können durch die Zusammensetzung, die Art der Fertigung, die Art der Entsorgung und die Verringerung des mit der Verwendung einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung verbundenen Energieverbrauchs oder die Reduzierung der zu erwartenden Umweltbelastung begründet sein. Wenn diese Behauptungen nicht zutreffend oder nicht überprüfbar sind, wird die betreffende Praxis als „Greenwashing“ bezeichnet. Das koordinierte Durchforsten von Websites („Sweep“), das die Kommission und die nationalen Verbraucherschutzbehörden im Jahr 2020 durchgeführt haben, bestätigte, dass die Behauptungen zum Umweltschutz ungenau, übertrieben, falsch oder irreführend waren (276).

Ökologische Schönfärberei im Kontext der Beziehungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern kann bei allen Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit Umwelteigenschaften von Produkten vorkommen und in Aussagen, Informationen, Symbolen, Logos, Grafiken und Marken aller Art und ihrem Zusammenwirken mit Farben, Verpackungen, Kennzeichnungen und Werbematerialien in allen Medien (auch auf Websites) zum Ausdruck kommen und von Organisationen aller Art betrieben werden, die unter den Begriff des „Gewerbetreibenden“ fallen und Geschäftspraktiken gegenüber Verbrauchern anwenden.

Die UGPRL enthält keine bestimmten Vorschriften über Behauptungen zum Umweltschutz. Sie bildet allerdings eine Rechtsgrundlage, die sicherstellt, dass Gewerbetreibende keine Behauptungen zum Umweltschutz auf gegenüber Verbrauchern unlautere Weise vortragen. Nach ihr ist die Verwendung von „Behauptungen zum Umweltschutz“ nicht verboten, solange diese nicht unlauter sind. Vielmehr kann die UGPRL Gewerbetreibende dabei unterstützen, in die Umweltleistung ihrer Produkte zu investieren, indem ihnen das Kommunizieren der entsprechenden Anstrengungen in transparenter Weise erlaubt und irreführende Behauptungen von Wettbewerbern zum Umweltschutz verhindert werden.

Die Neue Verbraucheragenda (277) und der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft 2020 (278) enthalten weitere Vorschläge zur Bekämpfung der Grünfärberei. Ferner arbeitet die Kommission an Initiativen wie der Festlegung von Standards für die Zertifizierung der Entfernung von Kohlendioxid (279).

In Bezug auf den Rechtsschutz für Verbraucher, die durch einen Verstoß gegen die UGPRL im Zusammenhang mit Umweltaussagen geschädigt wurden und Schadensersatz, eine Preisminderung oder eine Vertragskündigung fordern, siehe Abschnitt 1.4.3.

4.1.1.1   Zusammenwirken mit anderen EU-Rechtsvorschriften über Behauptungen zum Umweltschutz

In Artikel 3 Absatz 4 und Erwägungsgrund 10 wird der Grundsatz beschrieben, dass die UGPRL andere EU-Rechtsvorschriften als „Sicherheitsnetz“ ergänzt und damit allgemein die Aufrechterhaltung eines hohen gemeinsamen Schutzes der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken in allen Sektoren gewährleistet. Im Bereich der Umweltaussagen stellt die UGPRL eine Ergänzung zu folgenden Instrumenten dar:

Verordnung (EG) Nr. 66/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 über das EU-Umweltzeichen (280);

Verordnung (EU) 2017/1369 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung (281);

Richtlinie 1999/94/EG über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen bei der Vermarktung neuer Personenkraftwagen;

Richtlinie 2012/27/EU zur Energieeffizienz (282), geändert durch die Richtlinie (EU) 2018/2002 (283);

Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (284);

Verordnung (EU) 2020/740 über die Kennzeichnung von Reifen in Bezug auf die Kraftstoffeffizienz und andere Parameter (285);

Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (286);

Richtlinie 2009/125/EG zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte (287);

Verordnung (EU) 2018/848 des Europäischen Parlaments und des Rates über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen (288);

Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (289);

Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt (290).

Im Folgenden wird das Zusammenwirken der UGPRL und spezifischer EU-Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit Behauptungen zum Umweltschutz an einigen Beispielen erläutert.

Beispiele:

Nach der Verordnung (EU) 2017/1369 zur Festlegung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung sind zusätzliche Kennzeichnungen und Symbole, die als solche die Verbraucher in Bezug auf den Verbrauch von Energie oder anderen Ressourcen irreführen können, verboten (291). Sie enthält jedoch keine besonderen Bestimmungen dazu, was als irreführend zu betrachten wäre. An diesem Punkt kann die UGPRL ansetzen. Ein Gericht bewertete beispielsweise die Verwendung der Angabe „sehr sparsam im Energieverbrauch“ für eine Kühlgefrierkombination der Energieeffizienzklasse „A“ als irreführende Geschäftspraxis im Sinne der UGPRL. Auf dem Markt erfüllten damals 308 von 543 angebotenen Geräten die Anforderungen der Energieeffizienzklasse „A+“, und 17 % aller erhältlichen Geräte sogar die Anforderungen der Energieeffizienzklasse „A++“ (292).

Ein Reifenhersteller hatte in der Werbung für seine Reifen ein eigenes Etikett verwendet. Das Etikett sollte Auskunft über die Fahreigenschaften eines Reifens bei winterlichen Witterungsverhältnissen geben. Das firmeneigene Etikett war der seit November 2012 vorgeschriebenen offiziellen Reifenkennzeichnung der EU  (293) sehr ähnlich. Der Reifenhersteller hat seine Reifen mit dem eigenen Etikett beworben, das Verbrauchern den irreführenden Eindruck vermittelt haben könnte, dass die Reifen die Test- und Klassifizierungsanforderungen der EU-Reifenkennzeichnung erfüllten. Außerdem vermittelte das Reifenetikett kein zuverlässiges Bild von den Merkmalen der Reifen im Vergleich zu den Reifen anderer Hersteller, die mit der EU-Kennzeichnung versehen waren. Ein Gericht untersagte dem Reifenhersteller die Verwendung des firmeneigenen Etiketts in der Verbraucherwerbung, wenn das Unternehmen sein Etikett nicht so gestaltete, dass es eindeutig von der EU-Reifenkennzeichnung zu unterscheiden war (294).

Gemäß der Richtlinie (EU) 2019/944 müssen die Stromversorger in den Abrechnungen „Informationen über die Umweltauswirkungen, zumindest über CO2-Emissionen und radioaktiven Abfall aus der durch den Gesamtenergieträgermix des Versorgers im vorangegangenen Jahr erzeugten Elektrizität“, angeben. Zudem müssen die Versorgungsunternehmen den tatsächlichen CO2-Fußabdruck ihres Gesamtenergieträgermixes gemäß Anhang I Nummer 5 Buchstabe b angeben.

Ein Gewerbetreibender bewarb seine Dieselfahrzeuge gegenüber den Verbrauchern als „umweltfreundlich“, während die Abgastests in Wirklichkeit durch den Einsatz von Abschalteinrichtungen („Dieselgate-Skandal“) manipuliert wurden. Auf der Website des Gewerbetreibenden, in Werbematerialien und in Produktverzeichnissen wurden Angaben zu den Umweltmerkmalen der in Rede stehenden Fahrzeuge gemacht. Der Gerichtshof bestätigte in seinem Urteil vom 17. Dezember 2020 in der Rechtssache C-693/18, dass die Software für Abschalteinrichtungen nach den Vorschriften für die Typgenehmigung der EU nicht rechtmäßig war (295). Die fragliche Praxis wirft aus Sicht der UGPRL Bedenken in Bezug auf Artikel 5 (Praktiken, die gegen die berufliche Sorgfaltspflicht verstoßen), Artikel 6 (Bereitstellung irreführender Informationen für den Verbraucher über die wesentlichen Merkmale des Produkts, z. B. die beworbenen Umweltauswirkungen des Produkts) und Anhang I Ziffer 4 (Behauptung, dass ein Produkt von einer öffentlichen Stelle genehmigt wurde, ohne dass den Bedingungen für die Bestätigung entsprochen wird). Die nationalen Verbraucherschutzbehörden haben auf der Grundlage dieser Bestimmungen Geldbußen verhängt (296).

4.1.1.2   Grundsätze

Die Anwendung der UGPRL auf Behauptungen zum Umweltschutz lässt sich mit den folgenden wesentlichen Grundsätzen (297) zusammenfassen.

Gemäß Artikel 6 und 7 UGPRL über irreführende Handlungen und Unterlassungen müssen Behauptungen zum Umweltschutz wahr sein, dürfen sie keine falschen Informationen enthalten und müssen sie klar, spezifisch, genau und eindeutig zum Ausdruck gebracht werden, damit Verbraucher nicht irregeführt werden.

Nach Artikel 12 UGPRL müssen Gewerbetreibende über wissenschaftliche Belege zur Stützung ihrer Aussagen verfügen und bereit sein, diese in leicht verständlicher Weise zuständigen Durchsetzungsbehörden vorzulegen, falls eine Aussage angezweifelt wird.

Außerdem enthält Anhang I UGPRL eine Liste unlauterer Praktiken, die in allen Fällen verboten sind. In mehreren Punkten von Anhang I geht es um spezifische Angaben oder die Vermarktung einschlägiger Zertifizierungen, Kennzeichnungen oder Verhaltenskodizes.

Die allgemeine Klausel in Artikel 5 Absatz 2 UGPRL bietet eine zusätzliche Möglichkeit für die Prüfung, ob Geschäftspraktiken als unlauter einzustufen sind. Die Klausel fungiert als zusätzliches „Sicherheitsnetz“, um alle unlauteren Praktiken zu erfassen, die durch andere Bestimmungen der UGPRL nicht abgedeckt sind (d. h. irreführende oder aggressive Praktiken oder in Anhang I nicht genannte Praktiken). Geschäftspraktiken, die im Widerspruch zu den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht stehen, sind dann verboten, wenn sie geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

Der Standard der beruflichen Sorgfaltspflicht im Bereich der Behauptungen zum Umweltschutz kann Grundsätze umfassen, die sich aus nationalen und internationalen Normen und Verhaltenskodizes ableiten lassen. Im Rahmen der beruflichen Sorgfaltspflicht kann beispielsweise verlangt werden, dass Zertifizierungssysteme, mit denen Händler für die Umweltfreundlichkeit ihrer Produkte werben, solchen Standards entsprechen und den Verbrauchern wesentliche Vorteile bieten, und dass sie unabhängig kontrolliert und geprüft werden. Praktiken, die der beruflichen Sorgfaltspflicht zuwiderlaufen, sind dann unlauter, wenn sie den Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte, oder dazu geeignet sind, z. B. wenn sie ihn dazu veranlassen, ein bestimmtes Produkt aufgrund der erwarteten Vorteile zu kaufen, die sich aus der behaupteten Einhaltung eines Zertifizierungssystems ergeben. Die nationalen Durchsetzungsbehörden werden solche Situationen auf der Grundlage der Fakten und Umstände jedes Einzelfalls prüfen.

4.1.1.3   Anwendung von Artikel 6 UGPRL auf Behauptungen zum Umweltschutz

Nach Artikel 6 der UGPRL müssen Verbraucher den Behauptungen von Gewerbetreibenden zum Umweltschutz vertrauen können. Damit Behauptungen zum Umweltschutz nicht irreführend sind, müssen sie wahr sein, dürfen keine falschen Informationen enthalten und müssen klar, spezifisch, genau und eindeutig formuliert werden.

Eine Behauptung zum Umweltschutz kann irreführend sein, wenn sie nach einem der in Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a bis g genannten Kriterien „ falsche Angaben enthält und somit unwahr ist “.

Beispiele:

Die Verwendung des Begriffs „biologisch abbaubar“ bei einem Produkt, das tatsächlich nicht biologisch abgebaut werden kann oder bei dem dies nicht mittels Tests geprüft wurde (298).

Die·Darstellung elektrischer Geräte (Bügeleisen, Staubsauger, Kaffeemaschinen usw.) als „umweltfreundlich“ („Öko-“), obwohl Tests ergeben haben, dass diese Geräte häufig nicht besser abschneiden als vergleichbare Produkte, oder an denen keine Tests durchgeführt wurden (299).

Die·Darstellung von Autoreifen als „Öko-Reifen“ und Werbung mit ihrer Umweltleistung und ihren Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch, obwohl Tests mit gemischten Ergebnissen abgeschlossen wurden (300).

Die Darstellung von Bambusgeschirr als nachhaltige, wiederverwertbare und umweltfreundliche Alternative zu Kunststoffen, obwohl es sich in Wirklichkeit um eine Mischung aus Kunststoff, Bambus (teils Bambusstaub) und Harz aus Melamin und Formaldehyd handelt, die zur Herstellung verschiedener Formen (Teller, Schalen usw.) und Härtegraden erforderlich ist (301).

Eine Behauptung zum Umweltschutz kann auch irreführend sein, wenn sie in Bezug auf einen der in Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a bis g genannten Punkte „ selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher… täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist “.

Demnach sollten die Illustration und die Gesamtpräsentation eines Produkts (d. h. Gestaltung, Farbwahl, Illustrationen, Bilder, Geräusche, Symbole und Kennzeichnungen) den Umweltnutzen hinsichtlich seines Umfangs wahrheitsgemäß und genau darstellen und nicht übertreiben. Ungenaue Aussagen können je nach den Umständen des Einzelfalles die Verwendung von Illustrationen (z. B. Bäume, Regenwälder, Wasser, Tiere) und Farben (z. B. blauer oder grüner Hintergrund oder Text) umfassen, die mit ökologischer Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht werden.

Behauptungen zum Umweltschutz sind wahrscheinlich irreführend, wenn sie auf ungenauen und allgemeinen Aussagen zum Umweltnutzen beruhen, ohne dass dieser Nutzen angemessen belegt wird und ohne Angabe des einschlägigen Merkmals des Produkts, auf den sich die Angabe bezieht. Beispiele für solche Behauptungen sind „umweltfreundlich“, „umweltschonend“, „Öko“, „grün“, „naturfreundlich“, „ökologisch“, „umweltgerecht“, „klimafreundlich“, „umweltverträglich“, „schadstofffrei“, „biologisch abbaubar“, „emissionsfrei“, „CO2-freundlich“, „verringerte CO2-Emissionen“, „CO2-neutral“, „klimaneutral“ und sogar weiter gefasste Angaben wie „bewusst“ und „verantwortungsbewusst“.

Solche nicht belegten Behauptungen können Verbrauchern jedoch in manchen Fällen den Eindruck vermitteln, dass ein Produkt oder die Tätigkeit eines Gewerbetreibenden keine negativen Auswirkungen bzw. ausschließlich positive Auswirkungen auf die Umwelt hat. Sie könnten unter Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a und b UGPRL fallen, wenn sie geeignet sind, den Durchschnittsverbraucher zu täuschen und ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Da sich Begriffe wie „bewusst“ und „verantwortungsbewusst“ auf zahlreiche Merkmale, einschließlich sozialer oder wirtschaftlicher Bedingungen, beziehen können, könnten solche Behauptungen als irreführend angesehen werden, selbst wenn sie erläutert werden können, da sie ungenau und mehrdeutig sind.

Werden ungenaue und mehrdeutige Angaben gemacht, so müssen die Eigenschaften hinreichend genau erläutert werden, damit die Angabe nicht anders verstanden werden kann als vom Gewerbetreibenden beabsichtigt.

Beispiele:

Die Behauptung, dass die Vermietung von Elektroautos „ökologisch“ sei, kann als irreführend angesehen werden, wenn keine Informationen zur Verfügung gestellt werden, die diese Behauptung rechtfertigen. Stammt der zum Aufladen der Fahrzeuge benötigte Strom nicht aus erneuerbaren Energiequellen, würde sich die Vermietung dieser Autos durch den Autovermietungsdienst dennoch negativ auf die Umwelt auswirken (302).

Gewerbetreibende behaupten zunehmend, dass sie CO2-neutral sind, indem sie in Projekte investieren, mit denen die CO2-Emissionen kompensiert werden. So bietet beispielsweise ein Autovermietungsunternehmen den Verbrauchern die Möglichkeit, „CO2-neutral zu fahren“, indem die Verbraucher eine Option wählen, bei der die Emissionen kompensiert werden. Die Praxis kann problematisch sein, wenn die zugrunde liegenden Kohlenstoffgutschriften nur eine geringe ökologische Integrität aufweisen oder nicht ordnungsgemäß verbucht werden, sodass sie keine wirkliche und zusätzliche Emissionsverringerung darstellen. Die Behauptungen in Bezug auf die Entfernung von Kohlendioxid sollten authentisch, solide, transparent, berichtspflichtig, überwach- und überprüfbar, glaubwürdig und zertifiziert sein, die Maßnahmen zur kurzfristigen Verringerung der Emissionen in den emittierenden Sektoren nicht untergraben, Zusätzlichkeit garantieren und eine angemessene Anrechnung des entfernten Kohlendioxids in den nationalen Treibhausgasinventaren ermöglichen. Eine nationale Verbraucherschutzbehörde vertrat in ihren Leitlinien die Auffassung, dass die Verbraucher angemessen über die Wirkung der Maßnahmen zum Ausgleich von CO2-Emissionen informiert werden sollten, z. B. über die Anzahl der Kilometer, die vollständig ausgeglichen werden, und die Art und Weise, wie dies erreicht wird und wo der Ausgleich verbucht wird (303).

Ein Gericht vertrat die Auffassung, dass die Angaben „Öko“ und „Bio“, die ein Gewerbetreibender in der Werbung für seine Haar- und Hautpflegeprodukte verwendet hatte, um anzugeben, dass seine Produkte ökologisch sind, ungenau und nicht erläutert waren. Das Gericht stellte auch fest, dass das grafische Symbol/Logo/Etikett einer Zertifizierung durch Dritte allein nicht eindeutig genug ist, um zu erläutern, was „Bio“ und/oder „Öko“ bedeuten (304).

Ein Gewerbetreibender hatte eine Tüte mit Süßigkeiten mit der Aussage beworben, er werde für jede verkaufte Tüte einen Baum pflanzen. Der Gewerbetreibende hatte sich allerdings unabhängig von der Anzahl der verkauften Süßigkeitentüten bereits verpflichtet, eine bestimmte Anzahl an Bäumen zu pflanzen. Ein nationales Gericht bestätigte eine Bewertung des jeweiligen Bürgerbeauftragten, nach dessen Auffassung diese Behauptung als irreführende Werbung einzustufen sei, da die Leichtgläubigkeit von Verbrauchern, die um ihre Umwelt besorgt seien, ausgenutzt werde (305).

Bei Bedarf sollten sie einer Neubewertung und Aktualisierung vor dem Hintergrund technischer Entwicklungen und der Markteinführung vergleichbarer Produkte oder sonstiger Umstände unterzogen werden, die für die Richtigkeit und die Relevanz der Behauptungen von Bedeutung sein können. Behauptungen zum Umweltschutz dürfen sich nur dann auf eine Verbesserung gegenüber einem Produkt desselben Gewerbetreibenden oder eines Wettbewerbers beziehen, das nicht mehr auf dem Markt ist oder das der Gewerbetreibende nicht mehr an Verbraucher verkauft, wenn diese Verbesserung erheblich ist und erst kürzlich eingeführt wurde.

Wenn ein Gewerbetreibender Behauptungen zum Umweltschutz in seinem Firmennamen, Markennamen, Produktnamen usw. führt, und dieser Name für Werbezwecke verwendet wird, unterliegt diese Werbung den gleichen Anforderungen an die Verfügbarkeit von Nachweisen wie auch sonstige in Werbematerial enthaltene Behauptungen zum Umweltschutz, es sei denn, das Unternehmen kann nachweisen, dass dieser Name keine umweltbezogene Konnotation hat oder bereits vorher bestand. Damit nicht gegen die UGPRL verstoßen wird, darf eine in der Werbung verwendete Bezeichnung den Durchschnittsverbraucher nicht irreführen und nicht geeignet sein, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Beispiele:

Ein Gericht hat sich mit der Werbung für ein Ölprodukt befasst und ist zu dem Schluss gelangt, dass der Begriff „Umwelt“ in Verbindung mit der Bezeichnung „Plus“ in der Produktbezeichnung den Eindruck vermittelte, dass das Produkt bestimmte Vorteile für die Umwelt habe, obwohl fossiles Öl grundsätzlich schädlich für die Umwelt ist. Daher entschied das Gericht, dass der Begriff „Umwelt“ in der Produktbezeichnung nicht verwendet werden darf (306).

Bei der Bewertung einer Behauptung zum Umweltschutz sind die wesentlichen Umweltauswirkungen des jeweiligen Produkts während seines gesamten Lebenszyklus einschließlich der Lieferkette von Bedeutung. Eine Behauptung zum Umweltschutz sollte sich auf Merkmale beziehen, denen für die Umweltauswirkungen des Produkts signifikantes Gewicht zukommt.

Stark umweltbelastende Industriebereiche sollten sicherstellen, dass ihre Behauptungen zum Umweltschutz in einem relativen Sinne korrekt sind, z. B. „weniger umweltschädlich“ statt „umweltfreundlich“ (siehe auch Abschnitt 4.1.1.7 über vergleichende Behauptungen zum Umweltschutz). Dadurch wird der Durchschnittsverbraucher in die Lage versetzt, die relativen Auswirkungen des Produkts besser zu verstehen. Eine Behauptung zum Umweltschutz sollte in jedem Fall Merkmale betreffen, die bezüglich der Umweltauswirkungen des Produkts während seines Lebenszyklus signifikant sind. Stark umweltbelastende Industriebereiche können von Gerichten oder Behörden dazu verpflichtet werden, die Verbraucher in ihren Behauptungen zum Umweltschutz eindeutig darauf hinzuweisen, dass das Produkt insgesamt negative Auswirkungen auf die Umwelt hat.

Beispiele:

Eine Selbstregulierungsorganisation stellte fest, dass eine Behauptung auf einer Website, wonach Erdgas eine „umweltfreundliche Energiequelle“ sei, gegen die geltenden Werbevorschriften verstoße, da die Formulierung zu absolut sei und ohne Erläuterungen oder Zusammenhang verwendet werde (307).

Aus den Behauptungen sollte zudem klar und eindeutig hervorgehen, auf welchen Aspekt eines Produktes oder seines Lebenszyklus sie sich beziehen (308). Eine Behauptung zum Umweltschutz, in der ein Gewerbetreibender nur einen von mehreren Aspekten hervorhebt, die sich auf die Umwelt auswirken, könnte irreführend im Sinne von Artikel 6 oder 7 UGPRL sein.

Im Übrigen dürfen die Gewerbetreibenden keine verzerrten Behauptungen über die Zusammensetzung des Produkts (einschließlich der Rohstoffe), seine Verwendung, den Herstellungsprozess, den Transport oder die Auswirkungen am Ende der Lebensdauer machen, indem beispielsweise die Bedeutung positiver Aspekte übermäßig betont wird, die in Wirklichkeit nur marginal sind, oder wenn die sich aus dem Lebenszyklus des Produkts ergebenden Umweltauswirkungen insgesamt negativ sind.

Beispiele:

Die Behauptung „Verwendung von 100 % erneuerbarer Energie“ kann irreführend sein, wenn nicht angegeben wird, dass erneuerbare Energie nur in einer bestimmten Phase des Lebenszyklus des Produkts verwendet wurde. Im Gegensatz dazu wird mit der Angabe „100 % erneuerbare Materialien (ausgenommen Armaturen)“ klargestellt, welche Bestandteile des Produkts nicht aus erneuerbaren Materialien hergestellt wurden (309).

Die Werbung für ein Produkt, das „nachhaltige Baumwolle“ enthalten soll, könnte irreführend sein, wenn die Herkunft der Baumwolle weder festgestellt werden noch in der Produktionskette von der Herkunft konventioneller Baumwolle getrennt werden kann.

Wird ein Produkt wie Kunstrasen als umweltfreundlich beworben, weil es während der Nutzungsphase kein Wasser, keinen Dünger und keine Pflege braucht, könnte dies möglicherweise nicht gerechtfertigt sein, wenn bei der Herstellung und am Ende der Lebensdauer des Produkts erhebliche Umweltbelastungen entstehen.

Irreführende Informationen über die in den Abrechnungen angegebenen Energiequellen, z. B. abstrakte Informationen über den nationalen Energieträgermix oder irreführende Informationen über die Umweltauswirkungen bzw. den tatsächlichen Beitrag erneuerbarer Energiequellen zu dem vom Endkunden erworbenen Strom (z. B. übermäßiges Herausstellen des Anteils an erneuerbaren Energiequellen).

Der behauptete Nutzen sollte nicht dazu führen, dass Auswirkungen in unzulässiger Weise verlagert werden, d. h. es sollte vermieden werden, dass andere negative Umweltauswirkungen in anderen Phasen des Lebenszyklus des Produkts entstehen oder zunehmen, es sei denn, der Netto-Umweltnutzen wurde insgesamt erheblich erhöht. Dies ist ggf. durch eine Lebenszyklusanalyse oder nach anerkannten oder allgemein akzeptierten Verfahren für den betreffenden Produkttyp zu ermitteln und sollte von Dritten überprüft werden.

Beispiele:

Ein Hersteller behauptet, sein Produkt habe einen geringen Wasserverbrauch. Gleichzeitig verbraucht das Produkt aber mehr Energie als ein vergleichbares Produkt der betreffenden Kategorie. Dadurch erhöht sich die Summe der Umweltauswirkungen des Produkts erheblich. In diesem Fall könnte die Behauptung hinsichtlich der Art des Produkts (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a UGPRL) und bezüglich seiner wesentlichen Merkmale (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b UGPRL) irreführend sein.

Verhaltenskodizes können freiwillige Verpflichtungen hinsichtlich des Umweltschutzes oder eines umweltorientierten Verhaltens vorsehen. Ein Durchschnittsverbraucher erwartet eigentlich, dass diese Unterzeichner des Kodex Produkte verkaufen, die im Einklang mit dem Kodex stehen. Eine Behauptung eines Gewerbetreibenden, der seine Verpflichtung angekündigt hat, sich aber nicht an einen solchen Kodex hält, kann als irreführend angesehen werden, wenn die behauptete Einhaltung des Kodex geeignet ist, die geschäftliche Entscheidung der Verbraucher zu beeinflussen. Dieser Fall ist in Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b UGPRL geregelt.

Beispiele:

Ein Gewerbetreibender hat einen Verhaltenskodex unterzeichnet, der eine Verpflichtung zur nachhaltigen Nutzung von Holz enthält, und verwendet das Logo des Verhaltenskodex auf seiner Website. Der Verhaltenskodex besagt, dass die Unterzeichner kein Hartholz aus nicht nachhaltig bewirtschafteten Wäldern verwenden dürfen. Es wird jedoch festgestellt, dass die auf der Website beworbenen Produkte Holz aus eben solchen Wäldern enthalten. Unter diesen Umständen könnte die Behauptung einen Verstoß gegen Anhang I Ziffer 4 darstellen oder gemäß Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b UGPRL irreführend sein.

Bestimmte irreführende Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit Verhaltenskodizes gelten nach Anhang I UGPRL an sich als unlauter (siehe Abschnitt 4.1.1.6).

Von einem Durchschnittsverbraucher wird nicht erwartet, dass er die Bedeutung oder den Sinn der verschiedenen öffentlichen und privaten Verhaltenskodizes, Kennzeichnungssysteme, Zertifikate oder Logos kennt. Gewerbetreibende sollten die Verbraucher über diese Elemente und die für die betreffende Angabe relevanten Merkmale informieren und angeben, wo sämtliche Informationen über die Zertifizierung zu finden sind, einschließlich der Angabe, ob die Zertifizierung von einem Dritten vorgenommen wurde oder nicht. Die Gewerbetreibenden sollten auch dafür sorgen, dass die Verbraucher die Möglichkeit haben, zusätzliche Informationen in zugänglicher und verständlicher Form zu erhalten, z. B. über einen Link oder einen Abschnitt mit Informationen, der in der Nähe der Behauptung platziert wird. Gewerbetreibende sollten die Verbraucher beispielsweise über die privaten Zertifizierungssysteme, deren Logos sie anzeigen, informieren. Es reicht im Allgemeinen nicht aus, nur kurz auf eine Zertifizierung durch Dritte zu verweisen.

Wenn ein Gewerbetreibender oder eine Branche sich für Werbezwecke zur Verwendung privater Kennzeichnungssysteme, Symbole oder Zertifikate entscheidet, dürfen sie ausschließlich für die Produkte/Dienstleistungen verwendet werden, die die entsprechenden Verwendungskriterien erfüllen. Die Kriterien sollten klar Aufschluss über den Umweltnutzen im Vergleich zu konkurrierenden Produkten oder Gewerbetreibenden geben und für die Öffentlichkeit leicht zugänglich sein. Ansonsten könnte eine solche Kennzeichnung irreführend sein. Die Kennzeichnung muss möglicherweise weiter erläutert werden, indem die Bedeutung und die wichtigsten Kriterien der Kennzeichnung hervorgehoben werden (z. B. wenn die Verwendung von Wasser das wichtigste Kriterium für ein bestimmtes Produkt ist). Außerdem sollten Gewerbetreibende eine Überprüfung durch Dritte in Betracht ziehen, um die Glaubwürdigkeit und die Relevanz der Kennzeichnung sicherzustellen. Gegebenenfalls müssen dem Verbraucher der private Charakter der Kennzeichnung sowie ihre Bedeutung oder Aussagekraft deutlich gemacht werden. Schließlich darf bei diesen Kennzeichnungen keine Gefahr der Verwechslung mit anderen Kennzeichen einschließlich beispielsweise der Kennzeichen öffentlicher Kennzeichnungssysteme oder der Systeme von Wettbewerbern bestehen.

4.1.1.4   Anwendung von Artikel 7 UGPRL auf Behauptungen zum Umweltschutz

In Artikel 7 UGPRL werden bestimmte Elemente genannt, die für die Bewertung von Bedeutung sind, ob eine Geschäftspraxis mit einer irreführenden Unterlassung einhergeht.

Behauptungen zum Umweltschutz können irreführend sein, wenn sie aus ungenauen und allgemeinen Aussagen über den Umweltnutzen bestehen (siehe auch den vorherigen Abschnitt 4.1.1.3 über irreführende Handlungen). Diese Behauptungen sind unter Umständen weniger irreführend nach Artikel 7, wenn sie durch hervorgehobene Spezifikationen oder Erläuterungen zu den Umweltauswirkungen des betreffenden Produkts ergänzt werden, beispielsweise, indem eine Behauptung auf einen bestimmten Umweltnutzen beschränkt wird.

Die Mitteilung solcher ergänzender Informationen trägt dazu bei, die Einhaltung von Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a (bei Aufforderungen zum Kauf) einzuhalten, wonach es verboten ist, den Verbrauchern wesentliche Informationen zu den „wesentlichen Merkmalen des Produkts“ auf „unklare, unverständliche, zweideutige Weise oder nicht rechtzeitig“ bereitzustellen.

Stellt der Gewerbetreibende den Verbrauchern ergänzende Informationen zur Verfügung, z. B. auf seiner Website, so sollten diese Informationen für den Durchschnittsverbraucher klar und verständlich sein. Die Komplexität und der technische Charakter der Informationen sollten nicht dazu verwendet werden, die Verbraucher über den Wahrheitsgehalt der Behauptungen zum Umweltschutz irrezuführen.

Werden Behauptungen zum Umweltschutz auf der Produktverpackung und/oder auf anderen Kommunikationskanälen (z. B. auf Plakaten, Anschlagtafeln oder in Zeitschriften) verwendet, die nur einen begrenzten Platz für ergänzende Informationen bieten, so sollte der Durchschnittsverbraucher in der Lage sein, die Verbindung zwischen der wichtigsten Behauptung zum Umweltschutz und den ergänzenden Informationen zu dieser Behauptung zu erkennen. Werden ergänzende Informationen nicht oder auf unklare oder mehrdeutige Art und Weise erteilt, können sie je nach Prüfung der Umstände des Einzelfalls als irreführend angesehen werden. Wenn kein Platz für die Angabe der Behauptung zum Umweltschutz vorhanden ist, sollte die Behauptung im Allgemeinen nicht gemacht werden.

Im Bereich der nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel ist im Anhang unter Nummer 3 des Durchführungsbeschlusses der Kommission (2013/63/EU) (310) vorgesehen, dass nur dann auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für die Gesundheit verwiesen werden darf, wenn einem solchen Verweis eine spezielle gesundheitsbezogene Angabe aus den Listen der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben im EU-Register beigefügt ist. Für die Zwecke der Verordnung sollte die dem Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für die Gesundheit beigefügte zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe neben oder unter diesem Verweis angebracht werden. Wenn die Vorderseite der Umverpackung einen Verweis auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit enthält, während sich die spezielle gesundheitsbezogene Angabe, die diesem Verweis beigefügt sein soll, nur auf der Rückseite der Umverpackung befindet, sollte es nach Auffassung des Gerichtshofs einen ausdrücklichen Hinweis wie etwa einen Sternchenhinweis auf den Bezug zwischen den beiden Angaben geben, damit der Verbraucher ihn versteht (311).

Beispiele:

Gewerbetreibende stellen Informationen über Behauptungen zum Umweltschutz manchmal in einer Weise bereit, dass der Verbraucher zusätzliche Maßnahmen ergreifen muss, um sie abzurufen (z. B. muss ein Verbraucher im Rahmen eines Beitrags in den sozialen Medien oder bei einer Produktliste noch einmal klicken, um die erforderlichen ergänzenden Informationen zu erhalten), was in einigen Fällen irreführend sein kann. Vertreter des Europäischen Netzes für Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Netz) waren der Auffassung, dass es je nach den Umständen des Falles und insbesondere den Beschränkungen des Mediums irreführend sein kann, vom Verbraucher zu verlangen, dass er eine solche Maßnahme ergreift, um die einschlägigen Informationen zu erhalten, vor allem, wenn es möglich ist, diese Informationen an auffälliger Stelle, z. B. neben der Angabe, bereitzustellen (312).

Gewerbetreibende können sich dafür entscheiden, bestimmte Behauptungen zum Umweltschutz an auffälliger Stelle darzustellen (z. B. auf der Vorderseite einer Umverpackung eines Produkts), während sie ergänzende Informationen zu den Angaben an weniger auffälliger Stelle darstellen (z. B. auf der Rückseite der Umverpackung eines Produkts). Vertreter des Europäischen Netzes für Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Netz) vertraten die Auffassung, dass dies je nach den Umständen des Falls und insbesondere den Beschränkungen des Mediums irreführend sein kann (313).

Ein Gericht vertrat die Auffassung, dass die Erläuterungen für ungenaue Behauptungen wie „Öko“ und „Bio“ für bestimmte Produkte direkt neben den Angaben stehen sollten. Es reiche nicht aus, die Erläuterungen auf einer anderen Seite der Website zu platzieren (einen Klick von der Behauptung entfernt) (314).

Behauptungen auf der Umverpackung, dass ein Produkt „kompostierbar“ ist, sind wahrscheinlich irreführend, wenn es nur durch industrielle Verfahren kompostierbar ist und wenn auf der Umverpackung nicht angegeben ist, welche Maßnahmen der Verbraucher ergreifen muss, damit das Produkt kompostiert werden kann.

Die Verwendung einer Behauptung eines allgemeinen Nutzens (ohne weitere Erläuterungen) kann in einigen Fällen gerechtfertigt sein.

Dies gilt für Erzeugnisse mit der Behauptung „Bio“, die unter die Verordnung (EU) 2018/848 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen fallen.

Gleiches gilt für Erzeugnisse, wenn für ein Produkt eine Lizenz zur Verwendung des Umweltzeichens eines öffentlichen Umweltzeichenprogramms erteilt wurde (z. B. das EU-Umweltzeichen, der nordische Schwan, der deutsche Blaue Engel) oder wenn ein Produkt sonstigen strengen und anerkannten Kennzeichnungsprogrammen unterliegt (z. B. wird in Artikel 11 der Verordnung über das EU-Umweltzeichen auf national oder regional offiziell anerkannte Umweltkennzeichenregelungen nach EN ISO 14024 Typ I verwiesen).

Außerdem könnte dies der Fall sein, wenn in Lebenszyklusanalysen zu einem Produkt eine Umweltleistung nachgewiesen wurde (315). Diese Untersuchungen sollten nach anerkannten oder allgemein akzeptierten Verfahren für den betreffenden Produkttyp durchgeführt und von Dritten überprüft werden. Solche Untersuchungen der Umweltleistung können Vergleiche umfassen (siehe auch Abschnitt 4.1.1.7 über vergleichende Behauptungen zum Umweltschutz). Wenn solche Verfahren im betreffenden Bereich noch nicht entwickelt wurden, sollten die Gewerbetreibenden von Behauptungen hinsichtlich eines allgemeinen Nutzens absehen. Bei diesen Produkten sollten Gewerbetreibende jedoch die erforderliche Transparenz hinsichtlich der maßgeblichen Umweltaspekte sicherstellen und darauf achten, dass diese Informationen für Verbraucher gut zugänglich sind (u. a. unter Verwendung des betreffenden Logos).

Eine Behauptung zum Umweltschutz könnte nach Artikel 7 Absatz 2 auch irreführend sein, wenn sie auf unklare oder unverständliche Weise bereitgestellt wird. Dies könnte der Fall sein, wenn der Umfang und die Grenzen einer Behauptung nicht deutlich gemacht werden, und dies ist im Einzelfall zu prüfen.

Beispiele:

Es ist unklar, ob sich eine Behauptung auf das gesamte Produkt oder nur auf einen seiner Bestandteile oder auf die Umweltleistung des Unternehmens insgesamt oder nur auf bestimmte Tätigkeiten des Unternehmens bezieht oder welche Umweltauswirkungen oder Prozesse mit einer Behauptung gemeint sind.

Bei Behauptungen zum Umweltschutz sind die wesentlichen Umweltauswirkungen eines Produkts von Bedeutung. Außerdem muss sich eine Behauptung zum Umweltschutz in Bezug auf ein Produkt auf die tatsächlichen Umweltauswirkungen dieses spezifischen Produkts beziehen und sollte von allgemeineren Behauptungen zum Umweltschutz über den Gewerbetreibenden, seinen Praktiken und seinen Richtlinien zum Thema Nachhaltigkeit unterschieden werden.

Beispiele:

Ein Gewerbetreibender stellt auf seiner Website verschiedene allgemeine Behauptungen zum Umweltschutz auf, z. B. Behauptungen über sein Programm zur sozialen Verantwortung von Unternehmen und ein Nachhaltigkeitssiegel, das für bestimmte Produkte von Bedeutung ist. Um eine Irreführung der Verbraucher zu vermeiden, sollte der Gewerbetreibende sicherstellen, dass sich die Behauptungen zum Umweltschutz auf der Produktseite auf die tatsächlichen Umweltauswirkungen des jeweiligen Produkts beziehen und von anderen, allgemeineren Behauptungen über den Gewerbetreibenden und seine Praktiken unterschieden werden (316).

4.1.1.5   Anwendung von Artikel 12 UGPRL auf Behauptungen zum Umweltschutz

Artikel 12:

Die Mitgliedstaaten übertragen den Gerichten oder Verwaltungsbehörden Befugnisse, die sie ermächtigen, in den in Artikel 11 vorgesehenen Verfahren vor den Zivilgerichten oder Verwaltungsbehörden:

a)

vom Gewerbetreibenden den Beweis der Richtigkeit von Tatsachenbehauptungen im Zusammenhang mit einer Geschäftspraxis zu verlangen, wenn ein solches Verlangen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Gewerbetreibenden und anderer Verfahrensbeteiligter im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint, und

b)

Tatsachenbehauptungen als unrichtig anzusehen, wenn der gemäß Buchstabe a verlangte Beweis nicht angetreten wird oder wenn er von dem Gericht oder der Verwaltungsbehörde für unzureichend erachtet wird.

Nach Artikel 12 UGPRL müssen alle Behauptungen (auch Behauptungen zum Umweltschutz) auf Beweisen beruhen, die von den zuständigen Behörden überprüft werden können. Gewerbetreibende müssen Behauptungen zum Umweltschutz mit geeigneten Beweisen untermauern können. Daher sollten Behauptungen auf belastbaren, unabhängigen, nachprüfbaren und allgemein anerkannten Beweisen beruhen, bei denen aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden berücksichtigt wurden. In der UGPRL gibt es keine entsprechende Verpflichtung für den Gewerbetreibenden, den Verbrauchern Unterlagen oder andere Beweise zur Verfügung zu stellen.

Die Beweislast für die Richtigkeit der Behauptung liegt bei dem Gewerbetreibenden. Nach Artikel 12 Buchstabe a UGPRL können die Durchsetzungsbehörden „vom Gewerbetreibenden den Beweis der Richtigkeit von Tatsachenbehauptungen im Zusammenhang mit einer Geschäftspraxis … verlangen“.

Bei der Anwendung dieser Vorschrift müssen die berechtigten Interessen des Gewerbetreibenden berücksichtigt werden, etwa im Falle von Geschäftsgeheimnissen oder dem Schutz des geistigen Eigentums, die die Behörden möglicherweise vertraulich behandeln müssen.

Beispiele:

Ein Mineralwasserhersteller bewarb seine Produkte mit der Behauptung „Keine Umweltauswirkungen“, indem er angab., dass die Herstellung und der Vertrieb der Mineralwasserflaschen keinerlei Auswirkungen auf die Umwelt hätten. Das Unternehmen konnte jedoch nicht nachweisen, dass es bestimmte Maßnahmen zur Reduzierung der Umweltauswirkungen seiner Produkte getroffen hätte (abgesehen davon, dass das Unternehmen an einem Projekt zur Kompensation von Umweltschäden beteiligt war). Daher gelangte eine nationale Verbraucherschutzbehörde zu dem Schluss, dass die Werbekampagne mit dem Slogan „Keine Umweltauswirkungen“ eine unlautere Geschäftspraxis darstellte, die geeignet war, das geschäftliche Verhalten von Verbrauchern zu beeinflussen (317).

Um sicherzustellen, dass Behauptungen zum Umweltschutz bewiesen werden können, sollten Gewerbetreibende entweder die erforderlichen Beweismittel für ihre Behauptungen ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer Behauptungen bereithalten oder sicherstellen, dass die Beweise auf Aufforderung beschafft und vorgelegt werden können.

Eine Behauptung, die bei der erstmaligen Veröffentlichung einer Werbung für ein Produkt zutreffend und relevant sein könnte, verliert im Laufe der Zeit möglicherweise an Bedeutung. Um sicherzustellen, dass Gewerbetreibende nach Artikel 12 der Richtlinie in der Lage sind, nationalen Behörden die erforderlichen Unterlagen vorzulegen, sollten sie sicherstellen, dass die Unterlagen zur Untermauerung von Behauptungen aktuell sind, solange die Behauptungen in der Werbung verwendet werden.

Die vorgelegten Beweise sollten klar und belastbar sein. Das Ergebnis einer Prüfung durch unabhängige Dritte sollte den zuständigen Stellen vorgelegt werden, wenn eine Behauptung in Zweifel gezogen wird. Wenn Untersuchungen durch Sachverständige Anlass zur Feststellung erheblicher Unstimmigkeiten oder Zweifel hinsichtlich der Umweltauswirkungen bieten, sollten Gewerbetreibende vollständig auf die Behauptung verzichten. Inhalt und Umfang der vorzulegenden Unterlagen hängen vom Gegenstand der jeweiligen Aussage ab. In diesem Zusammenhang ist die Komplexität des Produkts oder der betreffenden Tätigkeit von Bedeutung.

4.1.1.6   Anwendung von Anhang I auf Behauptungen zum Umweltschutz

Die folgenden in Anhang I genannten Praktiken sind für Behauptungen zum Umweltschutz von besonderer Relevanz:

ANHANG I Ziffer 1

Die Behauptung eines Gewerbetreibenden, zu den Unterzeichnern eines Verhaltenskodex zu gehören, obgleich dies nicht der Fall ist.

Beispiele:

Ein Gewerbetreibender gibt auf seiner Website unzutreffend an, dass er einen Verhaltenskodex zur Umweltleistung seines Produkts unterzeichnet hat.

ANHANG I Ziffer 2

Die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung.

Beispiele:

Die Verwendung einer EU-Kennzeichnung oder einer nationalen Kennzeichnung (z. B. des EU-Umweltzeichens, des nordischen Schwans, des Blauen Engels oder einer anderen Kennzeichnung) ohne Genehmigung.

ANHANG I Ziffer 3

Die Behauptung, ein Verhaltenskodex sei von einer öffentlichen oder anderen Stelle gebilligt, obgleich dies nicht der Fall ist.

Beispiele:

Ein Gewerbetreibender behauptet fälschlicherweise, dass der Verhaltenskodex seines Fahrzeugherstellers von einer nationalen Umweltagentur, einem Ministerium oder einem Verbraucherschutzverband gebilligt wurde.

ANHANG I Ziffer 4

Die Behauptung, dass ein Gewerbetreibender (einschließlich seiner Geschäftspraktiken) oder ein Produkt von einer öffentlichen oder privaten Stelle bestätigt, gebilligt oder genehmigt worden sei, obwohl dies nicht der Fall ist, oder die Aufstellung einer solchen Behauptung, ohne dass den Bedingungen für die Bestätigung, Billigung oder Genehmigung entsprochen wird.

Beispiele:

Die fälschliche Behauptung, dass ein Fahrzeug den Bedingungen der Typgenehmigungsvorschriften entspricht, obwohl illegale Abschalteinrichtungen verwendet werden.

ANHANG I Ziffer 10

Den Verbrauchern gesetzlich zugestandene Rechte werden als Besonderheit des Angebots des Gewerbetreibenden präsentiert.

Mit dieser Bestimmung wird klargestellt, dass Gewerbetreibende Verbraucher nicht durch unangemessene Betonung von Eigenschaften irreführen dürfen, die auf rechtlichen Anforderungen beruhen.

Beispiele:

Gewerbetreibende dürfen nicht behaupten, dass ein Produkt frei von bestimmten Stoffen ist, wenn diese Stoffe ohnehin gesetzlich verboten sind.

4.1.1.7   Vergleichende Behauptungen zum Umweltschutz

Behauptungen zum Umweltschutz können den Eindruck erwecken, dass ein Produkt günstigere Auswirkungen auf die Umwelt hat oder weniger umweltschädlich ist als konkurrierende Produkte oder Dienstleistungen oder frühere Versionen der eigenen Produkte oder Dienstleistungen. Produkte mit solchen vergleichenden Behauptungen sollten anhand ähnlicher Produkte (oder gegebenenfalls anhand einer früheren Version desselben Produkts) bewertet werden. Für einen solchen Vergleich muss dieselbe Bewertungsmethode einheitlich angewandt werden.

Nationale Durchsetzungsbehörden und Selbstregulierungsorganisationen legen diesen Grundsatz gewöhnlich so aus, dass Vergleiche sich auf Produkte derselben Produktkategorie beziehen müssen. Ebenso wichtig erscheint jedoch, dass sich die Behauptungen zum Umweltschutz auf dasselbe Verfahren stützen, dass das Verfahren einheitlich angewendet wird (d. h. dass dieselben methodischen Ansätze und Regeln angewendet werden und die Ergebnisse reproduzierbar sind) und dass das angewendete Verfahren Vergleiche ermöglicht, da Vergleiche ansonsten irreführend sind (318). Je nach Produkt können vergleichende Behauptungen zum Umweltschutz zum Beispiel irreführend sein, wenn dabei Faktoren wie der Transport ausgeschlossen werden, die maßgeblich zum ökologischen Fußabdruck eines Produkts beitragen.

Beispiele:

Ein Unternehmen macht eine vergleichende Behauptung, dass ein Rasierer A weniger Kunststoff enthält als andere auf dem Markt erhältliche Rasierer. Diese Behauptung ist wahrscheinlich irreführend, wenn die anderen Rasierer, die für den Vergleich herangezogen wurden, für den Markt insgesamt nicht repräsentativ sind und der Kunststoffanteil in Rasierern im Allgemeinen im Durchschnitt niedriger ist als der von Rasierer A.

Eine Fluggesellschaft behauptet, sie sei die „grünste Fluggesellschaft“ und habe „die geringsten CO2-Emissionen aller großen Fluggesellschaften“ (319). In ihrer Werbung vergleicht die Fluggesellschaft ihre CO2-Emissionen pro Personenkilometer mit denen von vier anderen „großen“ europäischen Fluggesellschaften und zeigt auf, dass sie die geringsten CO2-Emissionen pro Personenkilometer verursacht. Diese Behauptung könnte irreführend sein, wenn die verglichenen Emissionen nicht in gleicher Weise berechnet wurden, wenn die gesamten CO2-Emissionen der Fluggesellschaft höher sind als die anderer Fluggesellschaften und wenn die Emissionen in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen sind. Eindeutiger wäre es, wenn sie im Vergleich zu den vier anderen großen europäischen Fluggesellschaften angibt, dass sie die niedrigsten CO2-Emissionen pro Passagierkilometer hat, vorausgesetzt, die Berechnungsmethode lässt einen solchen Vergleich zu und die Fluggesellschaft verdeckt nicht, dass ihre Emissionen in absoluten Zahlen gestiegen sind. Beruhen klimabezogene Aussagen auf dem Ausgleich von Kohlenstoff-/Treibhausgasemissionen, müssen diese angesichts der damit verbundenen Risiken der ökologischen Schönfärberei transparent und genau aufgeschlüsselt sein. Außerdem wäre ein Vergleich über alle einschlägigen Verkehrsträger hinweg, nicht nur über den Flugverkehr, noch objektiver und informativer. Die Mobilitätsbedürfnisse der Verbraucher können nicht nur durch einen Flug, sondern auch mit anderen Verkehrsmittel gedeckt werden, je nach Strecke. Daher würde ein Vergleich der durchschnittlichen Emissionen je Passagierkilometer zwischen den Verkehrsträgern Schiene, Straße und Flugzeug verhindern, dass die Verbraucher irregeführt werden und glauben, ihre Wahl sei „grün“, obwohl es praktikable Alternativen gibt, die geringere Emissionen verursachen.

Ein Unternehmen stellt die vergleichende Behauptung auf, dass sein „wiederaufbereitetes Produkt“ umweltfreundlicher ist als ein „neues Produkt“. Diese Behauptung könnte irreführend sein, wenn die anwendbaren Recycling- oder Rücknahmelösungen vergleichsweise schlechter sind und der ökologische Fußabdruck dadurch insgesamt größer ist.

In der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung, in der der Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen geregelt wird, werden die Bedingungen beschrieben, unter denen vergleichende Werbung zulässig ist. Diese Bedingungen sind auch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vergleichenden Werbung in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmern und Verbrauchern im Rahmen der UGPRL relevant. Für Vergleiche des Umweltnutzens von Produkten gilt u. a.:

1.

sie dürfen nicht irreführend im Sinne der Artikel 6 und 7 UGPRL sein,

2.

es werden Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung verglichen,

3.

es müssen eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften dieser Waren und Dienstleistungen objektiv verglichen werden.

Beispiele:

Ein nationales Gericht bewertete eine Werbung als irreführend, in der behauptet wurde, dass gefiltertes Wasser umweltfreundlicher als Mineralwasser sei, und in der Verbrauchern der Eindruck vermittelt wurde, die Verwendung von gefiltertem Wasser anstelle von Mineralwasser trage zum Schutz der Umwelt bei. Insbesondere wurde der Verweis auf den weiter reichenden Umweltschutz als irreführend betrachtet, da der Vergleich nicht auf einer objektiven Grundlage wie etwa einer Untersuchung der Umweltauswirkungen beruhte (320).

4.1.2   Geplante Obsoleszenz

Verbraucher können mit Praktiken der frühen Obsoleszenz konfrontiert werden, bei denen Produkte nicht so lange halten, wie sie nach vernünftigen Erwartungen der Verbraucher normalerweise halten sollten. Insbesondere kann das vorzeitige Ausfallen der Produkte auf die geplante Obsoleszenz oder die durch industrielle Gestaltung bedingte Veraltung zurückzuführen sein. Dabei handelt es sich um eine Geschäftspraxis, bei der ein Produkt vorsätzlich mit einer begrenzten Nutzungsdauer geplant oder konzipiert wird, damit es nach einem bestimmten Zeitraum veraltet ist oder nicht mehr funktioniert. Wie in Abschnitt 2.3.1 erläutert, deckt die UGPRL auch Geschäftspraktiken nach Geschäftsabschluss ab. Bei intelligenten und vernetzten Produkten können solche Geschäftspraktiken nach dem Kauf darin bestehen, dass die Funktionalität der Waren durch Software-Updates ohne triftigen Grund eingeschränkt oder der Betrieb verlangsamt wird.

In der UGPRL sind keine Bestimmungen speziell für die Obsoleszenz enthalten. Übt der Gewerbetreibende, einschließlich des Herstellers, jedoch Geschäftspraktiken gegenüber dem Verbraucher aus, kann sein Versäumnis, den Verbraucher darüber zu informieren, dass sein Produkt mit einer begrenzten Lebensdauer konzipiert wurde, vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung als Unterlassung der Offenlegung wesentlicher Informationen gemäß Artikel 7 UGPRL angesehen werden. Zudem können solche Praktiken auch im Widerspruch zu den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht nach Artikel 5 Absatz 2 UGPRL stehen, wenn sie geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

Beispiele:

Die Unterlassung der Offenlegung der Information, dass der Akku eines Smartphones (der einem besonderem Verschleiß unterliegt) nicht ausgetauscht werden kann oder dass die Tintenpatronen eines Druckers so programmiert sind, dass sie ausgetauscht werden müssen, bevor sie tatsächlich leer sind, könnte einen Verstoß gegen Artikel 7 UGPRL darstellen, selbst wenn es technische Gründe dafür gibt, das Produkt auf diese Weise zu gestalten.

Eine nationale Verbraucherschutzbehörde verhängte eine Geldbuße gegen einen Hersteller von Druckern wegen irreführender oder aggressiver Praktiken, u. a., weil er auf den Umverpackungen seiner Produkte nicht hinreichend auf die Einschränkungen bei der Verwendung von nicht originalen Druckerpatronen hingewiesen hatte (321).

Nationale Verbraucherschutzbehörden ergriffen Maßnahmen gegen die vorzeitige Obsoleszenz von Smartphones (322). Die Installation eines neuen Betriebssystems und anschließender Aktualisierungen wirkte sich negativ auf bestimmte Smartphone-Modelle aus, was zu einer verkürzten Akkulaufzeit und einer verlangsamten Leistung führte. Die Verbraucher wurden nicht hinreichend über den Zweck der Aktualisierungen und ihre Auswirkungen auf die Leistung des Produkts gemäß Artikel 7 UGPRL informiert.

Andere EU-Rechtsvorschriften enthalten zusätzliche Mittel zur Bekämpfung der geplanten Obsoleszenz für bestimmte Produktkategorien.

Gemäß der Ökodesign-Richtlinie (323) kann die Kommission rechtsverbindliche Anforderungen festlegen, um die Umweltverträglichkeit von Produkten zu verbessern, auch in Bezug auf die Reparierbarkeit und die Haltbarkeit. Es gibt bereits Ökodesign-Anforderungen an die Haltbarkeit von Staubsaugern (für einige Bauteile) (324) und von Glühbirnen (325) sowie Ökodesign-Anforderungen an die Reparierbarkeit von Waschmaschinen (326), Geschirrspüler (327), Kühlschränke (328), Fernseher (329) usw. Neue Ökodesign-Anforderungen für andere Konsumgüter, z. B. Mobiltelefone und Tablets (330), befinden sich im Einklang mit dem Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und dem zugrunde liegenden Arbeitsplan für Ökodesign und Energieverbrauchskennzeichnung (331) derzeit in Vorbereitung. Ökodesign-Anforderungen gehen häufig mit neuen oder aktualisierten Energielabels für dieselben Produkte einher, die Angaben über die Energieeffizienz der Produkte, aber auch über andere Parameter bieten (332).

Im Zuge der Initiative für nachhaltige Produkte wird derzeit geprüft, ob die Ökodesign-Richtlinie geändert werden kann, um ihren Geltungsbereich über energieverbrauchsrelevante Produkte hinaus auszuweiten und dafür zu sorgen, dass sie auf ein möglichst breites Spektrum von Produkten anwendbar ist (333).

Mit der Verordnung über das EU-Umweltzeichen (334) wird eine freiwillige Regelung für das EU-Umweltzeichen eingeführt, mit dem Produkte gefördert werden sollen, die während ihres gesamten Lebenszyklus geringere Umweltauswirkungen haben, und das den Verbrauchern fundierte Informationen über die Umweltauswirkungen von Produkten liefern soll. Zu den Kriterien für das Umweltzeichen gehört das die Möglichkeit, die Umweltauswirkungen von Erzeugnissen durch eine Verbesserung ihrer Langlebigkeit und Wiederverwendbarkeit zu verringern, zum Beispiel bei Textilerzeugnissen, elektronischen Displays und Möbeln.

Durch die Richtlinie (EU) 2019/771 über den Warenkauf werden Verbraucher vor einer Vertragswidrigkeit (Mangel) geschützt, die zum Zeitpunkt der Lieferung der Waren besteht und innerhalb von zwei Jahren nach diesem Zeitpunkt offenbar wird („gewerbliche Garantie“, siehe Artikel 10 Absätze 1 und 2). Zur Gewährleistung eines stärkeren Verbraucherschutzes können die Mitgliedstaaten noch längere Fristen für die Haftung des Verkäufers beibehalten oder einführen. Die gewerbliche Garantie kann in Anspruch genommen werden, wenn die Vertragswidrigkeit auf Praktiken der Obsoleszenz zurückzuführen ist.

Im Falle eines Rechtsstreits muss der Verbraucher die Vertragswidrigkeit nachweisen. In Artikel 11 wird klargestellt, dass der Verbraucher bei Vertragswidrigkeiten, die innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt der Lieferung der Waren offenbar werden, nicht nachweisen muss, dass sie bereits zu dem Zeitpunkt der Lieferung der Waren bestand. Die Mitgliedstaaten können eine Frist von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Lieferung der Waren beibehalten oder einführen.

In Artikel 7 Absatz 3 wird der Verkäufer ferner verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher Aktualisierungen für „intelligente Waren“ erhält während des Zeitraums, den der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann (bei einmaliger Lieferung des digitalen Elements) oder während des gesamten Garantiezeitraums (bei kontinuierlicher Lieferung des digitalen Elements). Wenn in Vertrag vorgesehen ist, dass der digitale Inhalt oder die digitale Dienstleistungen der intelligenten Ware fortlaufend über den gesetzlichen Garantiezeitraum hinaus bereitgestellt werden, ist der Verkäufer außerdem verpflichtet, Aktualisierungen für diesen längeren Zeitraum bereitzustellen.

Außerdem wird in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe d die Haltbarkeit als objektive Anforderung an die Vertragsmäßigkeit hinzugefügt (in Artikel 2 Nummer 13 definiert als „die Fähigkeit der Waren, ihre erforderlichen Funktionen und ihre Leistung bei normaler Verwendung zu behalten“). Wenngleich produktbezogene Anforderungen in Bezug auf bestimmte Arten oder Gruppen von Waren Gegenstand produktspezifischer EU-Rechtsvorschriften sind, ist in der Richtlinie allgemein vorgesehen, dass die Waren eine Haltbarkeit haben müssen, die für Waren derselben Art üblich ist und die der Verbraucher in Anbetracht der Art der spezifischen Waren und unter Berücksichtigung öffentlicher Erklärungen, die von einer Person in der Vertragskette abgegeben wurden, vernünftigerweise erwarten kann.

Artikel 17 Absatz 1 bezieht sich auf die „gewerbliche Haltbarkeitsgarantie“ des Herstellers als eine besondere Form der freiwilligen „gewerblichen Garantie“. In dem Fall, dass der Hersteller dem Verbraucher eine solche Garantie bietet, haftet er dem Verbraucher direkt während des gesamten Zeitraums der gewerblichen Haltbarkeitsgarantie auf Nachbesserung der Waren oder Ersatzlieferung gemäß Artikel 14, d. h. kostenlos, innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher.

In der Neuen Verbraucheragenda (335) und im Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft 2020 (336) sind weitere Vorschläge zur Bekämpfung der vorzeitigen Obsoleszenz vorgesehen.

4.2   Digitaler Sektor

Die Richtlinie hat einen umfangreichen Anwendungsbereich, da sie den gesamten Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (online und offline) abdeckt. Sie ist unabhängig von der jeweiligen Technik und gilt unabhängig vom Vertriebsweg, Medium oder Gerät, der bzw. das jeweils für die Umsetzung einer Geschäftspraxis von Unternehmen gegenüber Verbrauchern genutzt wird. Sie gilt für Online-Vermittler, einschließlich sozialer Medien, Online-Marktplätzen und App-Stores, Suchmaschinen, Vergleichsplattformen (337) und verschiedener anderer im digitalen Sektor tätiger Gewerbetreibender.

Die Richtlinie gilt auch für Praktiken und Produkte, bei denen Technologien wie Algorithmen, automatische Entscheidungsfindung und künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz kommen. Dazu gehören alle Praktiken, die Gewerbetreibende gegenüber Verbrauchern in der Werbe- und Verkaufsphase sowie in der Phase nach dem Kauf anwenden, z. B. der Einsatz von Tracking- und Targeting-Technologien, algorithmische Personalisierung, dynamische Optimierung und Distributed-Ledger-Technologien.

4.2.1   Online-Plattformen und deren Geschäftspraktiken

Online-Plattformen bieten im Allgemeinen eine Infrastruktur und ermöglichen die elektronische Kommunikation zwischen Anbietern und Nutzern im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Waren, der Erbringung von Dienstleistungen und der Online-Übermittlung digitaler Inhalte und Informationen. Die Geschäftsmodelle der Online-Plattformen reichen von der bloßen Möglichkeit, nach Informationen von Dritten zu suchen, bis hin zur direkten Ermöglichung von Vertragsabschlüssen zwischen gewerbetreibenden Dritten und Verbrauchern. Zudem können die Plattformen in ihrem eigenen Namen für verschiedene Produkte werben und diese verkaufen.

Die UGPRL findet Anwendung auf die Geschäftspraktiken der Plattformen und der Gewerbetreibenden, die die Plattform nutzen, um ihre Produkte bei den Verbrauchern zu bewerben. Da die UGPRL nur für Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern gilt, besteht der erste Schritt bei der Beurteilung, ob die Richtlinie auf eine Online-Plattform anwendbar ist, in der Prüfung, ob der Betreiber der Online-Plattform ein „Gewerbetreibender“ oder eine „Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt“, gemäß Artikel 2 Buchstabe b ist. In der Einzelfallprüfung kann sich herausstellen, dass der Betreiber einer Plattform für Zwecke tätig ist, die mit seinem eigenen Unternehmen in Zusammenhang stehen; dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn er für Rechtsgeschäfte zwischen Lieferanten und Nutzern eine Provision erhält, wenn er zusätzliche kostenpflichtige Leistungen anbietet oder wenn er durch gezielte Werbung Einnahmen erwirtschaftet.

Beispiele:

Ein nationales Gericht befand, dass ein Dienst zum Vergleich von Lebensmittelpreisen von einem Gewerbetreibenden betrieben und als Mittel für vergleichende Werbung genutzt wurde (338).

Eine Verbraucherschutzorganisation, die ein Vergleichsportal betreibt und Verbrauchern bei Abschluss eines kostenpflichtigen Abonnements Informationen anbietet, muss die Anforderungen der UGPRL erfüllen. Dieser Dienst könnte Bestandteil einer Strategie der Organisation sein, die darauf gerichtet ist, kommerziellen Gewinn aus ihren Dienstleistungen für Verbraucher zu erzielen. Damit würde die Organisation zum „Gewerbetreibenden“ im Sinne von Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie.

Der zweite Schritt bei der Beurteilung, ob die UGPRL anwendbar ist, sollte in der Prüfung bestehen, ob der Betreiber der Plattform an „Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern“ im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d im Geschäftsverkehr mit Nutzern (Anbietern und Kunden) beteiligt ist, die als „Verbraucher“ im Sinne von Artikel 2 Buchstabe a UGPRL eingestuft werden können.

Eine Plattform, die als Gewerbetreibender einzustufen ist, muss in Bezug auf ihre eigenen Geschäftspraktiken stets das EU-Verbraucherrecht einhalten, unabhängig davon, dass diese Praktiken möglicherweise Produkte betreffen, die von Dritten geliefert werden, und nicht von der Plattformen selbst. Dies ist möglich aufgrund der sehr weit gefassten Definition des Begriffs „Geschäftspraktiken“ in Artikel 3 Nummer 1 UGPRL als Praxis, „die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt“, ohne dass zusätzliche Anforderungen an den Ursprung des Produkts gestellt werden.

In der Rechtssache Verband Sozialer Wettbewerb, in der es um die Werbung einer Online-Plattform in einem Printmedium ging, bestätigte der Gerichtshof diesen weit gefassten Anwendungsbereich des Begriffs „Geschäftspraxis“:

„31

Schließlich ist festzustellen, dass die Verpflichtung, die in Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29 genannten Angaben in einer Aufforderung zum Kauf zu machen, nicht davon abhängt, ob der Anbieter der betroffenen Produkte oder ein Dritter Verfasser [d. h die Online-Plattform] dieser Aufforderung ist. Wenn in einem Druckmedium für Produkte verschiedener Anbieter geworben wird, bleiben folglich die nach dieser Vorschrift erforderlichen Angaben – vorbehaltlich der in Rn. 29 des vorliegenden Urteils genannten räumlichen Beschränkungen – weiterhin notwendig.“ (339)

Transparenzanforderungen

Plattformen unterliegen insbesondere den Transparenzanforderungen der Artikel 6 und 7 UGPRL, nach denen irreführende Verhaltensweisen und Unterlassungen im Zusammenhang mit Produktwerbung sowie mit dem Vertrieb oder der Lieferung von Produkten an Verbraucher verboten sind.

So sollten Online-Plattformen beispielsweise die wesentlichen Merkmale ihrer Dienste gemäß Artikel 7 UGPRL transparent darstellen. Je nach dem spezifischen Geschäftsmodell der Plattform können verschiedene Elemente für den Verbraucher von Bedeutung sein, z. B. die Angabe, auf welche Bereiche sich das Angebot der Plattform erstreckt (z. B. Sektoren, Arten und Anzahl der Anbieter), wie häufig die Informationen aktualisiert werden (insbesondere über den Preis und die Verfügbarkeit von Produkten), wie die Plattform die Anbieter auswählt, die über die Plattform tätig sind, und ob und gegebenenfalls welche Kontrollen in Bezug auf ihre Zuverlässigkeit durchgeführt werden.

Aufgrund dieser Informationen können die Verbraucher nachvollziehen, dass die Verfügbarkeit von Produkten und Lieferanten auf der Plattform nicht erschöpfend ist und dass sie über andere Informationsquellen vielleicht noch weitere Angebote finden. Außerdem wird dies die Gefahr mindern, dass Verbraucher dadurch irregeführt werden, dass Suchergebnisse als „Bestes Angebot“ oder „Empfohlen“ gekennzeichnet werden.

Das Bewerben von Preisen oder Produkten, bei denen die Plattform vernünftigerweise Kenntnis davon hat, dass sie tatsächlich nicht verfügbar sind, könnte gegen die Artikel 6 und 7 UGPRL sowie möglicherweise gegen mehrere Bestimmungen der Schwarzen Liste in Anhang I UGPRL verstoßen, nach denen Lockangebote (Ziffer 5), die Vorführung eines fehlerhaften Exemplars in der Absicht, stattdessen ein anderes Produkt abzusetzen („bait-and-switch“-Technik) (Ziffer 6), und die Erteilung sachlich falscher Informationen über die Marktbedingungen oder die Möglichkeit, das Produkt zu finden, mit dem Ziel, Verbraucher dazu zu bewegen, das Produkt zu weniger günstigen Bedingungen als den normalen Marktbedingungen zu kaufen, (Ziffer 18) unter allen Umständen verboten sind. Irreführende Angaben über die beschränkte Verfügbarkeit eines Produkts könnten gegen Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b UGPRL verstoßen.

Ermöglicht eine Plattform Verbrauchern den gemeinsamen Kauf von Produkten zu einem günstigeren Preis (Plattformen für „Gruppenkäufe“), so sind die Verbraucher eindeutig über die Merkmale und den Preis des Angebots und dessen Anbieter zu informieren. Insbesondere sollten die Merkmale des Produkts/des Dienstes, das/der bei einem Gruppenkauf erworben wird, nicht schlechter sein als diejenigen, die zum regulären Preis erhältlich sind, es sei denn, die Verbraucher werden eindeutig darüber informiert, dass dies der Fall ist. Die Bedingungen, unter ein Produkt für Verbraucher besonders günstig sind (z. B. die Mindestanzahl an Käufern oder die Dauer eines Angebots) müssen klar angegeben sein.

Beispiele:

Ein Angebot für eine besondere Behandlung in einem Wellness-Zentrum wird mit einem Preisnachlass von 50 % beworben, wenn die Behandlung über eine Plattform für Gruppenkäufe gekauft wird. Dieses Angebot könnte unter Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben b und d fallen (als irreführende Angabe eines Preisvorteils), wenn die angebotene Behandlung nur 30 Minuten dauert, während für den vollen, normalen Preis eine 60-minütige Behandlung durchgeführt wird und die Verbraucher nicht ausdrücklich auf diesen Unterschied hingewiesen wurden.

Wenn bei Paketangeboten, d. h. einer Kombination mehrerer Produkte oder Dienstleistungen, der Preis je nach Anzahl oder Umfang der bezogenen Produkte oder Dienstleistungen unterschiedlich sein kann, muss der Preis des Gesamtpakets angegeben werden, damit nicht der falsche Eindruck entsteht, es könne eine größere Anzahl an Produkten oder Dienstleistungen zu einem geringeren Preis erworben bzw. bezogen werden (340).

Berufliche Sorgfaltspflicht

Außerdem darf nach Artikel 5 Absatz 2 UGPRL keine als „Gewerbetreibender“ einzustufende Plattform bei ihren Geschäftspraktiken im Umgang mit Kunden gegen die Erfordernisse der beruflichen Sorgfaltspflicht verstoßen. In Artikel 2 Buchstabe h UGPRL wird als „berufliche Sorgfalt“ der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt bezeichnet, bei denen billigerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbetreibende sie gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten und/oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich anwendet.

Die in der UGPRL geregelte berufliche Sorgfaltspflicht dieser Gewerbetreibenden gegenüber Verbrauchern unterscheidet sich von der in Artikel 14 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr geregelten Befreiung von der Verantwortung für illegale Informationen, die auf Antrag Dritter von Diensteanbietern gespeichert werden, und ergänzt diese Regelung. Außerdem ist nach Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verboten, dass Mitgliedstaaten diesen Anbietern von Hosting-Diensten eine allgemeine Verpflichtung zur Überwachung der gespeicherten Informationen oder zur aktiven Forschung nach Umständen auferlegen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

In diesem Sinne wird in Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr betont: „Diese Richtlinie ergänzt das auf die Dienste der Informationsgesellschaft anwendbare Gemeinschaftsrecht und lässt dabei das Schutzniveau insbesondere für die öffentliche Gesundheit und den Verbraucherschutz, wie es sich aus Gemeinschaftsrechtsakten und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu deren Umsetzung ergibt, unberührt, soweit die Freiheit, Dienste der Informationsgesellschaft anzubieten, dadurch nicht eingeschränkt wird.“ Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und der EU-Besitzstand im Bereich des Verbraucherschutzes gelten also grundsätzlich einander ergänzend (341).

Aufgrund ihrer beruflichen Sorgfaltspflichten gemäß der UGPRL sollten die Plattformen geeignete Maßnahmen ergreifen, die es den betreffenden als Gewerbetreibenden handelnden Dritten ermöglichen, die EU-Rechtsvorschriften über Werbung und Verbraucherschutz einzuhalten, ohne dass dies einer allgemeinen Überwachungspflicht oder einer Pflicht zur Durchführung von Untersuchungen entspricht.

Solche Maßnahmen könnten beispielsweise bedeuten, dass die Plattformen ihre Benutzeroberflächen so gestalten, dass sie gewerbetreibenden Dritten ermöglichen, den Nutzern der Plattformen Informationen (insbesondere die nach Artikel 7 Absatz 4 UGPRL in Verbindung mit Aufforderungen zum Kauf geforderten Informationen und Informationen nach Artikel 6 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher) nach Maßgabe der EU-Rechtsvorschriften über Werbung und Verbraucherschutz bereitzustellen. Beispielsweise müssen Online-Marktplätze es den gewerbetreibenden Dritten ermöglichen, den Verbrauchern ihre Identität, ihre Kontaktdaten, den Preis des Produkts und etwaige zusätzliche Kosten, die den Verbrauchern in etwa durch In-App-Käufe entstehen können, zur Verfügung zu stellen.

Halten Online-Plattformen, die in den Geltungsbereich der UGPRL fallen, diese Sorgfaltspflicht nicht ein oder bewerben, verkaufen oder liefern sie den Nutzern ein Produkt auf unlautere Weise, könnte dies einen Verstoß gegen das EU-Verbraucherrecht darstellen. Sie können sich in Bezug auf eigene Geschäftspraktiken nicht auf die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr berufen, nach der Vermittler von ihrer Verantwortung befreit wären, da die betreffende Ausnahme ausschließlich für illegale Informationen gilt, die auf Verlangen Dritter gespeichert werden.

4.2.2   Vermittlung von Verbraucherverträgen mit Dritten

Im Zuge der Änderungen durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 wurde in die UGPRL eine spezifische Definition des Begriffs „Online-Marktplatz“ aufgenommen, wobei es sich um einen Dienst handelt, der es Verbrauchern ermöglicht, Fernabsatzverträge mit anderen Gewerbetreibenden oder Verbrauchern über eine Benutzeroberfläche des Marktplatzes abzuschließen. Der „Online-Marktplatz“ ist ein technologieneutrales Konzept, das auch App-Stores umfasst, die digitale Inhalte und Dienste anbieten.

Viele Online-Marktplätze bieten neben den Produkten von gewerbetreibenden Dritten auch ihre eigenen Produkte an. Einige Marktplätze sind lediglich auf professionelle Drittanbieter ausgerichtet, andere bieten eine Mischung aus Angeboten von Privatpersonen und Gewerbetreibenden oder erleichtern nur die Beziehungen zwischen gleichrangigen Verbrauchern (bestimmte Kooperations- oder Sharing-Economy-Plattformen, bei denen Anbieter und Nutzer tatsächlich Vermögenswerte, Ressourcen, Zeit und Fähigkeiten auf nicht gewinnorientierter Grundlage miteinander teilen, z. B. bei Autofahrten durch Aufteilung der Kosten).

Online-Marktplätze müssen Maßnahmen ergreifen, um dafür Sorge zu tragen, dass der Verbraucher auf der Grundlage der vom Gewerbetreibenden selbst bereitgestellten Informationen ordnungsgemäß über die Identität des Gewerbetreibenden informiert wird. Sollte nämlich durch die Unterlassung des Marktplatzes, die Identität des tatsächlichen Gewerbetreibenden mitzuteilen, der Eindruck entstehen, dass der Marktplatz der tatsächliche Gewerbetreibende ist, kann dies dazu führen, dass er für die Pflichten des Gewerbetreibenden haftet.

Der Gerichtshof befasste sich mit der Frage der Identität des Gewerbetreibenden in der Rechtssache Wathelet (342), in der es um die Haftung eines Offline-Vermittlers (Autowerkstatt) für die Vertragsmäßigkeit der an Verbraucher verkauften Güter im Rahmen der früheren Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs ging (343).

Der Gerichtshof stellte fest (Rn. 33–34), dass die Richtlinie 1999/44/EG zwar nicht die Frage der Haftung der Vermittler gegenüber Verbrauchern regelt, dass „[d]ies allein [jedoch nicht aus]schließt, … dass der Begriff ‚Verkäufer‘ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 1999/44 dahin ausgelegt werden kann, dass er sich auf einen für Rechnung einer Privatperson handelnden Gewerbetreibenden erstreckt, wenn dieser sich aus Sicht des Verbrauchers als Verkäufer eines Verbrauchsguts aufgrund eines Vertrags im Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit darstellt. Der Gewerbetreibende könnte nämlich beim Verbraucher den irrigen Eindruck erwecken, dass er das Verbrauchsgut als Eigentümer verkauft.“

Der Gerichtshof führte weiter aus (Rn. 44), dass „das Ausmaß der Beteiligung und die Intensität der Bemühungen, die der Vermittler beim Verkauf aufgewendet hat, die Umstände, unter denen das Verbrauchsgut dem Verbraucher präsentiert wurde, sowie das Verhalten des Verbrauchers relevant sein [können], um festzustellen, ob dieser hätte verstehen können, dass der Vermittler für Rechnung einer Privatperson handelte.“

Diese Schlussfolgerungen des Gerichtshofs in Bezug auf die Haftung des Offline-Vermittlers für die Vertragsmäßigkeit von Gütern könnten auch für andere Vermittler und andere Verpflichtungen von Gewerbetreibenden nach EU-Recht relevant sein, auch im Kontext von Online-Marktplätzen. Insbesondere könnten Online-Vermittler für die Verpflichtungen des Gewerbetreibenden in Bezug auf vorvertragliche Informationen oder die Vertragserfüllung haftbar gemacht werden, wenn sie sich aus Sicht des Verbrauchers als Gewerbetreibende im Rahmen des (vorgeschlagenen) Vertrags ausgeben.

In der Rechtssache Wathelet betonte der Gerichtshof (Rn. 37), dass „es unerlässlich [ist], dass der Verbraucher von der Identität des Verkäufers und insbesondere von seiner Eigenschaft als Privatperson oder Gewerbetreibender Kenntnis erlangt, um von dem Schutz, den ihm die Richtlinie 1999/44 gewährt, profitieren zu können.“Selbst wenn der tatsächliche Anbieter jedoch auch ein Gewerbetreibender war und der Verbraucher dementsprechend nicht seiner Rechte beraubt wurde, hätte der Verbraucher den Vertrag möglicherweise nicht geschlossen, wenn die Identität des tatsächlichen Gewerbetreibenden bekannt gewesen wäre, weil er z. B. Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit eines solchen Gewerbetreibenden und der Möglichkeit, seine Rechte ihm gegenüber durchzusetzen, hatte.

Weitere Hinweise zum Konzept des Gewerbetreibenden sind in der anhängigen Rechtssache Tiketa (C- 536/20) zu erwarten, in der es um die Frage geht, ob ein Online-Vermittler (Plattform für den Verkauf von Eintrittskarten) gemeinsam mit dem Gewerbetreibenden, der die Dienstleistung tatsächlich erbringt, haftbar gemacht werden kann, wenn der Vermittler es versäumt hat, deutlich darauf hinzuweisen, dass er lediglich als Vermittler handelt.

Durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 wurde Artikel 7 Absatz 4 um einen neuen Buchstaben f ergänzt. Danach sind Anbieter eines Online-Marktplatzes insbesondere verpflichtet, den Verbraucher in jeder Aufforderung zum Kauf darüber zu informieren, ob es sich bei dem Dritten, der die Produkte anbietet, um einen Gewerbetreibenden handelt oder nicht (zum Beispiel um einen gleichrangigen Verbraucher), auf der Grundlage der Erklärung dieses Dritten gegenüber dem Anbieter des Online-Marktplatzes. Mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 wurden dieselben und weitere Informationspflichten für Online-Marktplätze in die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher (Artikel 6a) aufgenommen.

Artikel 7 – Irreführende Unterlassungen

(4)

Im Falle der Aufforderung zum Kauf gelten folgende Informationen als wesentlich, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben:

f)

für Produkte, die auf Online-Marktplätzen angeboten werden, ob es sich bei dem Dritten, der die Produkte anbietet, um einen Gewerbetreibenden handelt oder nicht, auf der Grundlage der Erklärung dieses Dritten gegenüber dem Anbieter des Online-Marktplatzes.

Mit dieser speziell für Online-Marktplätze geltenden Informationspflicht soll sichergestellt werden, dass die Verbraucher stets wissen, von wem sie ein Produkt auf dem Online-Marktplatz erwerben – von einem Gewerbetreibenden oder einem anderen Verbraucher. Die irrtümliche Annahme, dass es sich bei einem Drittanbieter um einen Gewerbetreibenden handelt, kann für den Verbraucher zu Problemen führen, wenn beim Online-Kauf etwas schief läuft (z. B. wenn Waren nicht der Beschreibung entsprechen oder wenn Vertragsbedingungen nicht eingehalten werden) und sich dann herausstellt, dass Verbraucherschutzvorschriften wie das Recht der Verbraucher auf Rücktritt vom Vertrag innerhalb von 14 Tagen oder die gesetzliche Gewährleistung für den geschlossenen Vertrag eigentlich nicht gelten.

In der UGPRL (und in der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher) ist festgelegt, dass die Informationen über den Rechtsstatus des Drittanbieters auf einer Erklärung dieses Anbieters beruhen sollten, die der Online-Marktplatz anschließend dem Verbraucher übermittelt. Daher kann sich der Online-Marktplatz in erster Linie auf die Erklärung des Drittanbieters verlassen. Dieser Ansatz steht im Einklang mit dem Verbot, Online-Vermittlern gemäß der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr allgemeine Überwachungspflichten aufzuerlegen, soweit die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr auf den Online-Marktplatz anwendbar sind. Gleichzeitig bleiben die Verpflichtungen des Marktplatzes in Bezug auf illegale Inhalte unberührt, z. B. das Tätigwerden auf der Grundlage eines Hinweises, mit dem die Plattform auf bestimmte betrügerische Angebote von Gewerbetreibenden aufmerksam gemacht wird (344).

Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dieser Bestimmung um eine Informationspflicht handelt, die für die Verbraucher, die auf Online-Marktplätzen einkaufen, Klarheit schaffen soll. Die Selbsterklärung ist ein guter Indikator für den Rechtsstatus des Anbieters, ersetzt aber nicht die Definition des „Gewerbetreibenden“, die weiterhin gemäß den festgelegten Kriterien anzuwenden ist. In diesem Zusammenhang sei auf Anhang I Ziffer 22 UGPRL verwiesen, nach dem es Gewerbetreibenden verboten ist, den fälschlichen Eindruck zu erwecken, dass sie Nichtunternehmer sind. Dieses Verbot gilt für jede unrichtige oder ungenaue Erklärung, im Sinne dieser neuen Informationsvorschrift kein Gewerbetreibender zu sein.

Nach Artikel 6a Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher muss der Anbieter des Online-Marktplatzes den Verbraucher auch darauf hinweisen, dass er die Verbraucherrechte nicht in Anspruch nehmen kann, wenn der Drittanbieter erklärt, dass er Nichtunternehmer ist.

In der Rechtssache Kamenova, die eine Einzelperson auf einer Online-Plattform betraf, die als Verkäufer auftrat, legte der Gerichtshof zusätzliche Kriterien fest, um zu bestimmen, ob eine Person als Gewerbetreibende einzustufen ist (siehe Abschnitt 2.2 über den Begriff des Gewerbetreibenden).

4.2.3.   Transparenz von Suchergebnissen

Mit Suchmaschinen werden nach bestimmten Algorithmen Informationen im Internet gesucht. Daneben bieten auch andere Vermittler, wie Online-Marktplätze und Preisvergleichsdienste, die Möglichkeit, nach verschiedenen Produkten und Anbietern zu suchen, die über ihre Dienste zugänglich sind. Die Verbraucher gehen davon aus, dass in Suchmaschinen „echte“ oder „natürliche“ Ergebnisse angezeigt werden und dass diese Ergebnisse auf hinreichend neutralen Kriterien beruhen. Die Anbieter nehmen jedoch auch bezahlte Werbung in die Suchergebnisse auf oder verbessern das Ranking von Produkten aufgrund direkter oder indirekter Zahlungen, die sie von den betreffenden Drittanbietern erhalten.

Mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 wurde in Artikel 7 der UGPRL ein neuer Absatz 4a eingefügt, in dem eine spezielle Informationspflicht zu den Hauptparametern für die Festlegung des Rankings vorgesehen ist. Darüber hinaus wurde in Anhang I der UGPRL eine neue Ziffer 11a aufgenommen, nach der bezahlte Werbung oder spezielle Zahlungen, die dazu dienen, ein höheres Ranking der jeweiligen Produkte im Rahmen der Suchergebnisse zu erreichen, offengelegt werden müssen.

Informationen über Parameter für die Festlegung des Rankings

Artikel 7

(4a)

Wenn Verbrauchern die Möglichkeit geboten wird, mithilfe eines Stichworts, einer Wortgruppe oder einer anderen Eingabe nach Produkten zu suchen, die von verschiedenen Gewerbetreibenden oder von Verbrauchern angeboten werden, gelten, unabhängig davon, wo Rechtsgeschäfte letztendlich abgeschlossen werden, allgemeine Informationen, die die Hauptparameter für die Festlegung des Rankings der dem Verbraucher im Ergebnis der Suche vorgeschlagenen Produkte sowie die relative Gewichtung dieser Parameter im Vergleich zu anderen Parametern betreffen und die in einem bestimmten Bereich der Online-Benutzeroberfläche zur Verfügung gestellt werden, der von der Seite, auf der die Suchergebnisse angezeigt werden, unmittelbar und leicht zugänglich ist, als wesentlich. Dieser Absatz gilt nicht für Anbieter von Online-Suchmaschinen im Sinne von Artikel 2 Nummer 6 der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates.

Die neue Informationspflicht in Artikel 7 Absatz 4a gilt nur für Gewerbetreibende, die es den Verbrauchern ermöglichen, nach Produkten zu suchen, die von anderen gewerbetreibenden Dritten oder von Verbrauchern, d. h. auf Online-Marktplätzen und Vergleichsplattformen, angeboten werden. Sie gilt nicht für Gewerbetreibende, die ihren Verbrauchern die Möglichkeit geben, nur in ihrem eigenen Angebot nach verschiedenen Produkten zu suchen.

Die Informationspflicht gilt auch nicht für „Online-Suchmaschinen“ im Sinne der Verordnung (EU) 2019/1150 („P2B-Verordnung“). Hintergrund ist, dass alle Anbieter von Online-Suchmaschinen nach der P2B-Verordnung bereits verpflichtet sind, „klar und verständlich formulierte Erläuterungen“ ihrer Hauptparameter bereitzustellen, die somit auch für Verbraucher und nicht nur für gewerbliche Nutzer zugänglich sind.

Des Weiteren gilt die Informationspflicht in der UGPRL für Gewerbetreibende, wenn der Verbraucher eine Suchanfrage eingibt. Dagegen gilt sie nicht für die Standardgestaltung der Online-Benutzeroberfläche, die dem Verbraucher angezeigt wird und die nicht das Ergebnis einer spezifischen Suchanfrage auf dieser Online-Benutzeroberfläche ist.

Mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 wurde eine ähnliche Informationspflicht auch in die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher aufgenommen, die nur für Online-Marktplätze gilt, d. h. für Vermittler, die den direkten Abschluss von Verbraucherverträgen mit Dritten ermöglichen (sowohl B2C- als auch C2C-Verträge).

Der Begriff des „Ranking“ wird in Artikel 2 Buchstabe m UGPRL definiert als „die relative Hervorhebung von Produkten, wie sie vom Gewerbetreibenden dargestellt, organisiert oder kommuniziert wird, unabhängig von den technischen Mitteln, die für die Darstellung, Organisation oder Kommunikation verwendet werden“. Dieselbe Definition gilt auch im Zusammenhang mit der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher.

In Erwägungsgrund 19 der Richtlinie (EU) 2019/2161 heißt es weiter: „… einschließlich in Folge der Verwendung von algorithmischer Sequenzierung, Beurteilungs- oder Bewertungsmechanismen oder von visueller Hervorhebung oder anderen Hervorhebungsinstrumenten oder einer Kombination davon, dargestellt, organisiert oder kommuniziert werden.“

Im Hinblick auf den Inhalt der Informationen muss die Plattform „allgemeine“ Informationen über die Hauptparameter, mit denen das Ranking der Produkte festgelegt wird, und über die „relative Gewichtung“ dieser Parameter im Vergleich zu anderen Parametern liefern.

Nach Erwägungsgrund 22 der Richtlinie (EU) 2019/2161 sind „Parameter für das Ranking … alle allgemeinen Kriterien, Prozesse und spezifischen Signale, die in Algorithmen eingebunden sind, oder sonstige Anpassungs- oder Rückstufungsmechanismen, die im Zusammenhang mit dem Ranking eingesetzt werden.

Die Informationen über das Ranking lassen die Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates über Geschäftsgeheimnisse (345) unberührt. Wie in der parallelen Verpflichtung zur Transparenz des Rankings für alle Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen gemäß Artikel 5 der P2B-Verordnung erläutert, bedeutet dies, dass eine Abwägung der kommerziellen Interessen der betreffenden Anbieter niemals dazu führen darf, dass die Offenlegung der Hauptparameter für die Festlegung des Rankings abgelehnt wird. Gleichzeitig sind die einschlägigen Anbieter weder nach der Richtlinie (EU) 2016/943 noch nach der P2B-Verordnung verpflichtet, die detaillierte Funktionsweise ihrer Rankingmethoden – einschließlich der Algorithmen – offenzulegen (346) Der gleiche Ansatz gilt für die Informationspflicht nach der UGPRL.

Die Beschreibung der Standardparameter für die Festlegung des Rankings kann allgemein gehalten werden und muss nicht für jede einzelne Suchanfrage individuell angepasst werden (347). Die Informationen müssen in klarer und verständlicher Weise und in einer dem Fernkommunikationsmittel angepassten Weise erteilt werden. Des Weiteren ist festgelegt, dass sie in einem bestimmten Bereich der Online-Benutzeroberfläche zur Verfügung gestellt werden müssen, der von der Seite, auf der die Angebote angezeigt werden, unmittelbar und leicht zugänglich ist.

Die Informationspflicht gilt auch, wenn ein Gewerbetreibender die Suche auf einer Online-Benutzeroberfläche durch Sprachbefehle (über „digitale Assistenten“) und nicht durch Eingabe ermöglicht. Auch in diesem Fall müssen die Informationen auf der Website/in der Anwendung des Gewerbetreibenden „in einem bestimmten Bereich der Online-Benutzeroberfläche zur Verfügung gestellt werden“.

In den neuen Vorschriften über die Transparenz des Rankings gegenüber Verbrauchern (in der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher und in der UGPRL) wird der Begriff „Ranking“ im Wesentlichen ähnlich wie in der P2B-Verordnung definiert. Gemäß der P2B-Verordnung müssen Plattformen ihre gewerblichen Nutzer mittels Informationen in ihren Geschäftsbedingungen der Plattform informieren oder Informationen in der vorvertraglichen Phase zur Verfügung stellen.

Die jeweiligen Informationsanforderungen sind zwar ähnlich, aber ihre „Zielgruppen“ unterscheiden sich. Aus diesem Grund werden in den neuen Bestimmungen der UGPRL (und in der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher) nur „allgemeine“ Informationen über die Hauptparameter für die Festlegung des Rankings und ihre relative Gewichtung verlangt. Dieser Unterschied zur P2B-Verordnung spiegelt den Informationsbedarf der Verbraucher wider, die knappe und leicht verständliche Informationen benötigen. Aus demselben Grund wird in der UGPRL und in der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher auch keine Erläuterung der „Gründe“ für die relative Gewichtung der Hauptparameter verlangt, wie dies in der P2B-Verordnung vorgeschrieben ist.

In der Praxis können die Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten die detaillierteren Informationen, die sie ihren gewerblichen Nutzern im Rahmen der P2B-Verordnung zur Verfügung stellen, als Grundlage für die Ausarbeitung einer verbraucherorientierten Erläuterung der Parameter für das Ranking nutzen. Die Kommission hat Leitlinien zur Transparenz des Rankings gemäß der P2B-Verordnung (348) herausgegeben. In diesen Leitlinien werden mehrere Fragen behandelt, die auch für die Anwendung der Bestimmungen der UGPRL und der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher in Bezug auf die Transparenz des Rankings von Bedeutung sind, z. B. die Begriffe der „Hauptparameter“, der „relativen Hervorhebung“ und der „direkten und indirekten Entgelte“.

Offenlegung von bezahlter Werbung und Ranking

Anhang I Ziffer 11a

(11a)

Anzeige von Suchergebnissen aufgrund der Online-Suchanfrage eines Verbrauchers, ohne dass etwaige bezahlte Werbung oder spezielle Zahlungen, die dazu dienen, ein höheres Ranking der jeweiligen Produkte im Rahmen der Suchergebnisse zu erreichen, eindeutig offengelegt werden.

Die neue Ziffer 11a gilt für jeden Gewerbetreibenden, der die Möglichkeit bietet, nach „Produkten“ (d. h. Waren, Dienstleistungen, digitalen Inhalten) zu suchen, einschließlich Suchmaschinen.

Die Aufnahme von Werbung oder ein höheres Ranking aufgrund der von den betreffenden Gewerbetreibenden erhaltenen Zahlungen ist nicht verboten, aber der Anbieter der Suchfunktion wird verpflichtet, den Verbraucher angemessen darüber zu informieren, wenn in den Suchergebnissen Produkte oder Websites oder URL von Gewerbetreibenden enthalten sind, die für die Aufnahme in die Ergebnisliste (Werbung) gezahlt haben, oder wenn das Ranking durch direkte oder indirekte Entgelte beeinflusst wird.

Werbung“ bezeichnet das Einfügen von Angeboten, die dem Verbraucher nach den geltenden objektiven Suchkriterien sonst nicht präsentiert worden wären, an erster Stelle oder innerhalb der „echten“ Suchergebnisse.

Das „höhere Ranking“ bezieht sich auf Situationen, in denen sich die Position eines oder mehrerer Inserate in dem Ranking aufgrund direkter oder indirekter Entgelte verbessert hat. Erwägungsgrund 20 der Richtlinie (EU) 2019/2161 enthält nicht erschöpfende Beispiele für eine mittelbare Bezahlung zum Zweck eines höheren Rankings:

Eingehen zusätzlicher Verpflichtungen jeglicher Art gegenüber dem Anbieter,

erhöhte Provision pro Transaktion,

unterschiedliche Vergütungsregelungen, die gezielt zu einem höheren Ranking führen.

Im Gegensatz dazu umfassen indirekte Entgelte keine Zahlungen für allgemeine Dienstleistungen, z. B. Listungsgebühren oder Mitgliedsbeiträge, die eine breite Palette von Funktionen abdecken, sofern diese Zahlungen nicht dazu bestimmt sind, ein höheres Ranking zu bewirken.

Werbeanzeigen innerhalb von Suchergebnissen und Suchergebnisse, für die speziell für die Erzielung eines höheren Rankings bezahlt wird, müssen klar und deutlich als solche hervorgehoben werden. Die Informationen über die Werbung oder die Zahlung speziell für die Erzielung eines höheren Rankings müssen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem betreffenden Suchergebnis in einer optisch hervorgehobenen Weise präsentiert werden, die sich von der restlichen allgemeinen Online-Benutzeroberfläche abhebt, und zwar so, dass der Verbraucher unweigerlich darauf aufmerksam wird, wenn er das Suchergebnis sieht.

Sind jedoch Zahlungen, die speziell für die Erzielung eines höheren Rankings geleistet werden, Teil der Parameter für das Ranking und beeinflussen sie das Ranking aller angezeigten Ergebnisse, können Informationen über solche Zahlungen auch durch einen einzigen klaren und hervorgehobenen Hinweis auf der Seite der Suchergebnisse bereitgestellt werden. Eine solche Erklärung sollte gesondert und zusätzlich zu den allgemeinen Informationen über die Parameter für die Festlegung des Rankings erfolgen, die die Gewerbetreibenden gemäß Artikel 7 Absatz 4a UGPRL bereitstellen müssen.

Die Kommission und die nationalen Verbraucherschutzbehörden des CPC-Netzes haben sich im Rahmen der koordinierten Maßnahmen in Bezug auf die Plattformen Booking.com und Expedia (349) mit der Offenlegung von Werbung und bezahltem Ranking in den Suchergebnissen befasst (siehe auch Abschnitt 4.3.6). Infolge dieser Maßnahmen akzeptierten diese Plattformen, auf der Seite mit den Suchergebnissen anzuzeigen, wenn sich Zahlungen auf das Ranking von Unterkünften auswirken. Sie fügten auch einen Link für weitere Erläuterungen hinzu und kennzeichneten solche Objekte deutlich. Außerdem wurde die frühere Angabe „gesponsert“ durch die aussagekräftigeren Kennzeichnungen „Ad“, „Advert“, „Advertisement“ (Werbung) oder einen ähnlichen entsprechenden Text in der jeweiligen Landessprache ersetzt. Ferner wurden diese Angaben deutlicher hervorgehoben.

Beispiele:

Eine Website für Preisvergleiche bot Spitzen-Rankings für Produkte von Gewerbetreibenden an, die eine zusätzliche Gebühr zahlten. Ein nationales Gericht entschied, dass geschäftliche Entscheidungen von Verbrauchern durch eine vergleichende Darstellung beeinflusst werden können, die den Verbrauchern den Eindruck vermitteln könnte, dass keine gewerbliche Absicht und kein kommerzieller Zweck verfolgt wird. Daher wurde diese Geschäftspraxis des Vergleichsportals als irreführend beurteilt. Dass die Vergleichsplattform die Spitzen-Rankings nicht eindeutig als bezahlte Rankings gekennzeichnet hatte, konnte nach Auffassung des Gerichts dazu beitragen, dass das wirtschaftliche Verhalten von Verbrauchern wesentlich beeinflusst wurde (350).

Ein nationales Gericht stellte fest, dass die Praxis einer großen Plattform für Angebotsvergleiche und zur Vermittlung von Unterkünften Hotels die Möglichkeit bot, durch die Zahlung höherer Provisionen Einfluss auf die Rankings zu nehmen (351).

4.2.4   Nutzerbewertungen

Viele Online-Plattformen und auch einzelne Gewerbetreibende bieten Verbrauchern die Möglichkeit, andere Verbraucher über ihre Erfahrungen mit verschiedenen Produkten oder Gewerbetreibenden zu informieren. Häufig finden sich in Online-Marktplätzen, Suchmaschinen, Reiseportalen und Vergleichsportalen und sozialen Netzwerken Möglichkeiten, eine Bewertung zu verfassen. Verschiedene Studien belegen die Bedeutung von Bewertungen für die Kaufentscheidungen der Verbraucher. Daher ist es wichtig, dass die Gewerbetreibenden, die Verbraucherbewertungen zugänglich machen, angemessene und verhältnismäßige Schritte unternehmen, um dafür Sorge zu tragen, dass diese die Erfahrungen echter Verbraucher mit dem betreffenden Produkt widerspiegeln. Der Begriff „Bewertung“ sollte weit ausgelegt werden und schließt auch Praktiken im Zusammenhang mit Ratings ein.

In diesem Bereich wurde jedoch eine Reihe unlauterer Praktiken festgestellt. Gewerbetreibende setzen verschiedene Techniken ein, um die Zahl der positiven Bewertungen für ihre Produkte auf Plattformen zu steigern oder die Zahl der negativen Bewertungen zu verringern oder herunterzuspielen. Um ihre Produkte anzupreisen, organisieren einige Gewerbetreibende die Veröffentlichung gefälschter positiver Bewertungen, indem sie z. B. spezialisierte Unternehmen beauftragen, die echter Verbraucher über soziale Netzwerke oder andere Mittel anwerben. Diese Verbraucher kaufen dann auf Online-Plattformen die Produkte der jeweiligen Gewerbetreibenden und geben im Gegenzug für bestimmte Leistungen Fünf-Sterne-Bewertungen ab. Alternativ bieten sie Verbrauchern Anreize, ihre Produkte im Gegenzug für die Veröffentlichung ihrer Bewertungen zu testen (gesponserte Bewertungen), ohne die Tatsache des Sponsoring offenzulegen.

Überdies können die mit Anreizen verbundenen/gefälschten Bewertungen das Ranking des Produkts und damit die Sichtbarkeit auf der Plattform beeinflussen, wenn die Suchparameter der Plattform die Bewertungsergebnisse berücksichtigen.

Solche Praktiken führen zu einer Verzerrung der Wahlmöglichkeiten der Verbraucher. Einige Plattformen geben zwar an, dass sie Maßnahmen ergriffen haben, um falsche Bewertungen einzuschränken, allerdings scheint das Problem immer größer zu werden und hat zu immer mehr behördlichen Durchsetzungsmaßnahmen geführt. Die Auswirkungen dieser irreführenden Praktiken werden durch die ständige Angebotslücke bei regulären Bewertungen, insbesondere für neue Produkte oder Marktneulinge, noch verschärft (352).

Die UGPRL gilt nicht nur für die Geschäftspraktiken von Online-Plattformen und anderen Gewerbetreibenden, die Verbraucherbewertungen zur Verfügung stellen oder sie zugänglich machen, sondern auch für alle Gewerbetreibenden, die die Bereitstellung von Bewertungen zum Nutzen anderer Gewerbetreibender organisieren. Wie in Abschnitt 2.3 über die Definition des Begriffs „Geschäftspraxis“ erläutert, unterliegen die Geschäftspraktiken eines Gewerbetreibenden der UGPRL, unabhängig davon, ob bei diesen Geschäftspraktiken die eigenen Produkte oder die von anderen Gewerbetreibenden gelieferten Produkte beworben werden.

Im Gegenzug dazu gilt die UGPRL nicht für Verbraucher, die Informationen über ihre Erfahrungen mit Produkten oder Dienstleistungen bereitstellen, es sei denn, sie handeln „im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden“ (siehe auch Abschnitt 4.2.6 über Influencer-Marketing).

Irreführende Praktiken in Bezug auf Verbraucherbewertungen und Empfehlungen von Verbrauchern können einen Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 2 UGPRL darstellen, wonach Gewerbetreibende den kommerziellen Zweck der Geschäftspraxis kenntlich machen müssen, sofern er sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt.

Mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 wurde die UGPRL durch die Einführung spezifischer Bestimmungen im Bereich der Verbraucherbewertungen und Empfehlungen von Verbrauchern gestärkt. Nach Anhang I Ziffer 23b ist es Gewerbetreibenden insbesondere untersagt, zu behaupten, dass Bewertungen eines Produkts von Verbrauchern stammen, die das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben haben, ohne dass angemessene Schritte unternommen wurden, um zu prüfen, ob die Bewertungen wirklich von solchen Verbrauchern stammen. Nach Ziffer 23c ist es ausdrücklich verboten, andere juristische oder natürliche Personen mit der Abgabe gefälschter Bewertungen zu beauftragen, um Produkte zu bewerben. Zudem ist die falsche Darstellung von Verbraucherbewertungen oder Empfehlungen in sozialen Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung untersagt. Schließlich müssen Gewerbetreibende, Verbraucherbewertungen zugänglich machen, die Verbraucher darüber informieren, ob und wie sie sicherstellen, dass die veröffentlichten Bewertungen gemäß Artikel 7 Absatz 6 von Verbrauchern stammen.

Die UGPRL gilt für Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängen. Mit der Bezugnahme auf „Produkte“ in diesen neuen Bestimmungen der UGPRL soll daher betont werden, dass sie nicht für andere Arten von Bewertungen gelten, die nicht mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts zusammenhängen.

Dementsprechend gelten diese Bestimmungen auch für solche Bewertungen, die sich zwar nicht im engeren Sinne auf Produkte oder deren Merkmale beziehen, bei denen aber die Eigenschaften und Leistungen der Gewerbetreibenden beim Anbieten oder Verkaufen dieser Produkte im Vordergrund stehen. Wenn Bewertungen über die Leistung von „Gewerbetreibenden“ in diesem Rahmen als Instrument zur Absatzförderung ihrer Produkte verwendet werden, könnten diese Bewertungen auch als wesentlich für den Verbraucher angesehen werden, der eine geschäftliche Entscheidung in Bezug auf die Produkte dieses Gewerbetreibenden trifft. Insbesondere mit Bewertungen, bei denen der Gewerbetreibende in Bezug auf Parameter wie Qualität, Zuverlässigkeit oder Schnelligkeit der Lieferung von Produkten bewertet wird, kann das Ziel verfolgt werden, für die Produkte des Gewerbetreibenden zu werben, oder sie können mit dieser Werbung verbunden sein. Folglich können die neuen Bestimmungen der UGPRL auf solche Bewertungen angewandt werden.

Im Gegensatz dazu würden Bewertungen, in deren Rahmen die Leistungen des Gewerbetreibenden außerhalb des Kontextes des Geschäftsverkehrs zwischen Unternehmen und Verbrauchern bewertet werden, z. B. soziale Verantwortung, Beschäftigungsbedingungen, Besteuerung, Marktführerschaft, ethische Aspekte usw., wahrscheinlich nicht in den Anwendungsbereich der UGPRL fallen, ebenso wenig wie die neuen Bestimmungen über Verbraucherbewertungen.

Informationen über den Umgang mit den Bewertungen

Artikel 7 Absatz 6

(6)

Wenn ein Gewerbetreibender Verbraucherbewertungen von Produkten zugänglich macht, gelten Informationen darüber, ob und wie der Gewerbetreibende sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von Verbrauchern stammen, die die Produkte tatsächlich verwendet oder erworben haben, als wesentlich.

Die neue Informationspflicht gilt für jeden Gewerbetreibenden, der Verbraucherbewertungen zugänglich macht, auch wenn ein Gewerbetreibender auf seiner Online-Benutzeroberfläche die von einem anderen Gewerbetreibenden zur Verfügung gestellten Bewertungen bewirbt, z. B. eine spezielle Plattform mit Nutzerbewertungen. In Erwägungsgrund 47 der Richtlinie (EU) 2019/2161 wird der Anwendungsbereich der Anforderung umfassend erläutert. Die Informationen müssen sich nämlich nicht nur auf die spezifischen Maßnahmen beziehen, mit denen überprüft werden soll, ob die Bewertungen von Verbrauchern stammen, die das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben haben, sondern auch auf die Verarbeitung der Bewertungen im Allgemeinen. Dazu gehören Informationen darüber, ob alle Bewertungen veröffentlicht werden, wie sie beschafft werden, wie die durchschnittliche Bewertungsnote berechnet wird und ob sie durch gesponserte Bewertungen oder durch vertragliche Beziehungen mit den auf der Plattform vertretenen Gewerbetreibenden beeinflusst werden.

Die Informationen der Gewerbetreibenden über die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um sicherzustellen, dass die veröffentlichten Bewertungen von Verbrauchern stammen, die das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben haben, sind auch deshalb wichtig, weil sie analysiert werden, um zu beurteilen, ob der Gewerbetreibende die Bewertungen tatsächlich als Verbraucherbewertungen im Sinne der neuen Ziffer 23b von Anhang I darstellen kann.

Diese Informationen müssen klar und verständlich sein und verfügbar sein, wenn Gewerbetreibende „Verbraucherbewertungen von Produkten zugänglich machen“, d. h. die Informationen sollten über dieselbe Benutzeroberfläche zur Verfügung gestellt werden, über die auch die Bewertungen zur Einsichtnahme veröffentlicht werden, auch über deutlich gekennzeichnete und gut sichtbare Hyperlinks.

Verbotene Praktiken

Anhang I Ziffer 23b

23b.

Die Behauptung, dass Bewertungen eines Produkts von Verbrauchern stammen, die das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben haben, ohne dass angemessene und verhältnismäßige Schritte unternommen wurden, um zu prüfen, ob die Bewertungen wirklich von solchen Verbrauchern stammen.

Mit der neuen Ziffer 23b von Anhang I wird verhindert, dass Gewerbetreibende ihre Nutzer in Bezug auf die Herkunft der Bewertungen irreführen. Sie dürfen nicht angeben, dass die von ihnen zugänglich gemachten Bewertungen von echten Nutzern stammen, es sei denn, sie ergreifen angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die Bewertungen tatsächlichen Nutzererfahrungen entsprechen, ohne dass dies jedoch eine allgemeine Überwachungsverpflichtung oder eine Verpflichtung zur Forschung nach den jeweiligen Umständen (siehe Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr) bedingen würde.

Ob die Darstellung der Bewertungen durch den Gewerbetreibenden darauf hinausläuft, dass sie „von Verbrauchern stammen, die das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben haben“, hängt davon ab, wie sie vom Durchschnittsverbraucher wahrgenommen wird. Die Bewertungen müssen nicht unbedingt in dieser Form dargestellt werden – auch allgemeinere Verweise auf „Verbraucherbewertungen“ oder „Kunden-/Nutzerbewertungen“ können dazu führen, dass der Durchschnittsverbraucher sie als Bewertungen anderer Verbraucher wahrnimmt, die das Produkt verwendet oder erworben haben.

Die erforderlichen „zumutbaren und angemessenen“ Schritte sind unter anderem unter Berücksichtigung des Geschäftsmodells des Gewerbetreibenden zu bewerten. Ein Online-Marktplatz, der die Bewertungen seiner eigenen Kunden präsentiert, muss möglicherweise andere Maßnahmen ergreifen als ein spezialisierter Bewertungsdienst, der Bewertungen von der breiten Öffentlichkeit einholt, ohne dass zu diesen Personen eine vertragliche Beziehung besteht. Bei der Festlegung dessen, was für den jeweiligen Gewerbetreibenden „zumutbar und angemessen“ ist, sollten auch der Umfang der Tätigkeit des Gewerbetreibenden und das Risikoniveau berücksichtigt werden. So ist beispielsweise davon auszugehen, dass große Plattformen mit einem hohen Betrugsrisiko und größeren Ressourcen umfangreichere Mittel zur Bekämpfung des Betrugs durch Verbraucherbewertungen einsetzen als kleinere Gewerbetreibende.

Allerdings sollten die Maßnahmen zur Überprüfung der Herkunft der Bewertungen auch in dem Sinne verhältnismäßig sein, dass sie die Abgabe von Bewertungen nicht übermäßig erschweren und dadurch Verbraucher, die das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben haben, davon abhalten, eine Bewertung abzugeben.

In Erwägungsgrund 47 der Richtlinie (EU) 2019/2161 wird erläutert, dass zumutbare und angemessene Schritte darin bestehen können, dass „die Informationen zur Überprüfung, ob ein Verbraucher das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben hat, angefordert … [werden].“ Bei diesen Informationen könnte es sich zum Beispiel um eine Buchungsnummer handeln. Weitere „zumutbare und angemessene Schritte“ könnten Folgendes umfassen:

Aufforderung an die Verbraucher, die eine Bewertung abgeben, sich zu registrieren,

Verwendung technischer Mittel zur Überprüfung, ob es sich tatsächlich um eine Person handelt, die eine Bewertung veröffentlicht (z. B. Überprüfung der IP-Adresse, Überprüfung per E-Mail),

Festlegung klarer Regeln für Personen, die Bewertungen veröffentlichen, wonach falsche oder gesponserte Bewertungen, die nicht als solche offengelegt werden, verboten sind,

Einsatz von Instrumenten zur automatischen Aufdeckung betrügerischer Aktivitäten,

Verfügbarkeit angemessener Maßnahmen und Ressourcen, um auf Beschwerden über verdächtige Bewertungen zu reagieren, auch wenn der von den Bewertungen betroffene Gewerbetreibende nachweist, dass diese Bewertungen nicht von Verbrauchern veröffentlicht wurden, die das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben haben.

Dank der Informationen, die die Gewerbetreibenden gemäß Artikel 7 Absatz 6 veröffentlichen werden, dürften sowohl die Nutzer als auch die Durchsetzungsbehörden in der Lage sein, die von den Gewerbetreibenden ergriffenen Maßnahmen zu bewerten und zu beurteilen und diese auch mit den bewährten Verfahren der Branche zu vergleichen, die sich im Laufe der Zeit entwickeln können. In diesem Bereich ist auch eine ISO-Norm verfügbar: „Onlinekundenbewertungen – Grundsätze und Anforderungen für die Erhebung, Moderation und Veröffentlichung“ (ISO/DIS 20488:2018).

Anhang I Ziffer 23c

23c.

Die Abgabe gefälschter Bewertungen oder Empfehlungen von Verbrauchern bzw. die Erteilung des Auftrags an andere juristische oder natürliche Personen, gefälschte Bewertungen oder Empfehlungen von Verbrauchern abzugeben, sowie die falsche Darstellung von Verbraucherbewertungen oder Empfehlungen in sozialen Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung .

Die neue Ziffer 23c deckt zwei Arten unlauterer Geschäftspraktiken ab:

Das erste Element bezieht sich auf Gewerbetreibende, die gefälschte Bewertungen oder Empfehlungen abgeben oder in Auftrag geben, einschließlich des Kaufs von anderen (z. B. von „Like-Fabriken“ oder natürlichen Personen). Dies umfasst insbesondere die Praxis, echte Verbraucher zu beauftragen, die das Produkt erwerben und eine Gegenleistung für die Veröffentlichung positiver Bewertungen erhalten. Dieser Aspekt von Ziffer 23c gilt sowohl für die Gewerbetreibenden als auch für die Verbraucher, die an diesen irreführenden Tätigkeiten beteiligt sind, sofern sie als eine „Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt“, eingestuft werden. Er gilt jedoch nicht für Gewerbetreibende, insbesondere Online-Plattformen, die Verbraucherbewertungen hosten und zugänglich machen, ohne an deren Abgabe (Veröffentlichung) beteiligt zu sein.

Ziel des zweiten Aspekts sind Gewerbetreibende, einschließlich Online-Plattformen, die Verbraucherbewertungen oder Empfehlungen in sozialen Medien zugänglich machen und diese falsch darstellen, indem sie z. B. nur positive Bewertungen einholen und zugänglich machen und erreichen, dass negative Bewertungen zurückgezogen werden.

Der Begriff der „Empfehlung“ sollte weiter ausgelegt werden und auch Praktiken im Zusammenhang mit gefälschten Followern, Reaktionen und Ansichten umfassen.

Mit dem ersten Aspekt soll sichergestellt werden, dass Verbraucherbewertungen die Meinungen, Erkenntnisse, Überzeugungen und Erfahrungen echter Verbraucher widerspiegeln. Deshalb ist es den Gewerbetreibenden untersagt, gefälschte Bewertungen abzugeben oder andere Personen, z. B. echte Verbraucher, damit zu beauftragen.

In Bezug auf den zweiten Aspekt, wonach die falsche Darstellung von Verbraucherbewertungen und Empfehlungen in den sozialen Medien verboten ist, werden in Erwägungsgrund 49 der Richtlinie (EU) 2019/2161 die folgenden Beispiele für verbotene manipulative Praktiken genannt:

Veröffentlichung nur positiver Bewertungen,

Verknüpfung einer Empfehlung eines Nutzers mit einem anderen Inhalt als dem vom Verbraucher befürworteten Inhalt.

Weitere Beispiele für manipulative Praktiken sind Situationen, in denen der Gewerbetreibende

den Verbrauchern vorausgefüllte Vorlagen für positive Bewertungen zur Verfügung stellt,

während des Moderationsverfahrens mit den Verbrauchern in Kontakt tritt, um sie dazu zu bewegen, ihre Bewertungen zu ändern oder die negativen Bewertungen zurückzuziehen,

konsolidierte Bewertungen auf der Grundlage nicht offengelegter und/oder undurchsichtiger Kriterien vorlegt.

Das Verbot der falschen Darstellung von Verbraucherbewertungen berührt nicht die Rechte und Pflichten des Gewerbetreibenden, der Bewertungen zugänglich macht, im Rahmen der Maßnahmen zur Sicherstellung, dass die Bewertungen von Verbrauchern stammen, die das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben haben, gefälschte negative Bewertungen zu entfernen.

Wenngleich nach den neuen Bestimmungen in Anhang I der UGPRL die entsprechenden Geschäftspraktiken in Bezug auf Nutzerbewertungen unter allen Umständen untersagt sind, ist festzustellen, dass Gewerbetreibende, die Bewertungen zugänglich machen, aber negative Verbraucherbewertungen ohne triftigen Grund entfernen, auch bewirken können, dass die Durchschnittsverbraucher, die die Online-Bewertungen lesen, die Dienstleistungen des Gewerbetreibenden weiterhin in Anspruch nehmen oder – im Falle von Plattformen – eine Entscheidung treffen, sich an einen Gewerbetreibenden zu wenden, die sie nicht getroffen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass negative Bewertungen entfernt wurden.

Überdies können Gewerbetreibende, die mit Verbrauchern und/oder anderen Gewerbetreibenden, die Bewertungen zugänglich machen, zusammenarbeiten, um die Veröffentlichung negativer Bewertungen über sie zu verhindern oder diese nach der Veröffentlichung zu entfernen, den Durchschnittsverbraucher (der noch nicht mit diesem Gewerbetreibenden in Kontakt war) dazu veranlassen, diesen Gewerbetreibenden zu wählen und nicht einen Wettbewerber, der sich nicht an solchen unlauteren Geschäftspraktiken beteiligt hat.

Beispiele:

Ein Gewerbetreibender postete auf seiner Website positive Kundenbewertungen für seine Zahnersatzprodukte und stellte diese als „garantiert echte Kundenmeinungen“ dar; die positiven Bewertungen verlinkte er mit einem Bewertungsportal, auf dem die positiven Kundenbewertungen gegenüber neutralen oder negativen Bewertungen bevorzugt wurden. Ein nationales Gericht bewertete als irreführend, dass der Gewerbetreibende vorgab, „garantiert echte Kundenmeinungen“ anzuzeigen (353).

4.2.5   Soziale Medien

Auf Plattformen der sozialen Medien wie Facebook, Twitter, YouTube, Instagram und TikTok können Nutzer Profile erstellen und miteinander kommunizieren; sie können Informationen und Inhalte weitergeben. Auf Plattformen der sozialen Medien werden zunehmend Geschäftspraktiken angewandt, die nach der UGPRL und dem Verbraucherrecht der EU im Allgemeinen problematisch sein können, z. B.:

versteckte Werbung durch die Plattform für soziale Medien oder durch Drittanbieter, einschließlich irreführendem Influencer-Marketing,

unlautere allgemeine Vertragsbedingungen,

Dienste in sozialen Medien, die den Verbrauchern als „kostenlos“ angeboten werden, obwohl sie auf einem Werbemodell beruhen, bei dem als Gegenleistung für den Zugang große Mengen personenbezogener Daten verarbeitet werden,

problematische algorithmische Praktiken, z. B. manipulative gezielte Werbung oder Praktiken, um die Aufmerksamkeit des Verbrauchers zu gewinnen, damit er den Dienst weiter nutzt (siehe auch Abschnitt 4.2.7),

unlautere Praktiken im Zusammenhang mit Käufen auf Plattformen, z. B. von virtuellen Gegenständen,

Geschäftspraktiken von gewerbetreibenden Dritten in sozialen Medien einschließlich Betrug und Täuschung, gefälschter oder irreführender Nutzerbewertungen oder Empfehlungen von Nutzern, direkter Aufforderungen an Kinder, Spam und Abo-Fallen.

Einige Plattformen der sozialen Medien haben sich zu einem Umfeld für Werbung, Produktplatzierungen und Verbraucherbewertungen entwickelt. Daher kann dort ein erhöhtes Risiko für versteckte Werbung bestehen, da kommerzielle Elemente mit nutzergenerierten sozialen und kulturellen Inhalten verwechselt werden. Darüber hinaus ist den Verbrauchern möglicherweise nicht immer bewusst, dass Gewerbetreibende soziale Medien für Marketingzwecke nutzen.

Auf Plattformen der sozialen Medien gibt es verschiedene Arten von Werbung, wie Werbung im bekannten Umfeld, bei der kommerzielle Inhalte mit nichtkommerziellen Inhalten vermischt werden und die oft im gleichen Format und an der gleichen Stelle wie nutzergenerierte Inhalte angezeigt wird (z. B. im persönlichen Feed eines Nutzers). Sie ist auch in mobilen Umgebungen stärker ausgeprägt, da die Inhalte die gesamte Anzeige eines kleineren Bildschirms einnehmen können. Die Inhalte werden häufig von den Werbetreibenden mithilfe der auf der Werbeplattform verfügbaren Veröffentlichungsmöglichkeiten entwickelt. Eine weitere gängige Form der Werbung ist der Einsatz von Influencern, der im nächsten Abschnitt näher erläutert wird.

Alle Formen der kommerziellen Kommunikation auf Plattformen der sozialen Medien müssen eindeutig offengelegt werden. Die Verbote gegen versteckte Werbung in Artikel 7 Absatz 2 und Anhang I Ziffer 22 UGPRL könnten sowohl gegenüber Plattformen der sozialen Medien als auch gegenüber Drittanbietern, die Plattformen der sozialen Medien nutzen, infrage kommen. Eine ähnliche Pflicht zur Offenlegung ergibt sich aus Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und aus den Artikeln 9, 10 und 28b der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste. Die Verpflichtungen der Plattformen der sozialen Medien könnten in Bezug auf Online-Werbung durch die vorgeschlagenen Gesetze über digitale Dienste und digitale Märkte noch verstärkt werden.

Zudem sind viele Nutzer sozialer Medien Kinder oder junge Menschen. Folglich kann Artikel 5 Absatz 3 UGPRL als Rechtsgrundlage für den Schutz schutzbedürftiger Verbraucher sein, und die Offenlegung kommerzieller Kommunikation muss für die wahrscheinliche Zielgruppe verständlich sein, wobei die besonderen Umstände jedes Einzelfalls und das Umfeld der speziellen Plattform der sozialen Medien zu berücksichtigen sind. Ferner ist die direkte Aufforderung an Kinder, die beworbenen Produkte zu kaufen oder Eltern oder andere Erwachsene zu überreden, diese Produkte für sie zu kaufen, nach Anhang I Ziffer 28 in der kommerziellen Kommunikation verboten. Gezielte Werbepraktiken, die auf Kinder als Zielgruppe ausgerichtet sind, dürfen daher nach der UGPRL keine direkten Aufforderungen zum Kauf der beworbenen Produkte enthalten. Zusätzlich gelten im Rahmen der DSGVO besondere Vorschriften für die Gültigkeit der Einwilligung von Kindern und die Bereitstellung von Informationen, wenn Dienste der Informationsgesellschaft direkt für Kinder angeboten werden. Gezielte Werbung kann auch unter die Vorschriften für automatisierte Entscheidungen im Einzelfall nach Artikel 22 DSGVO fallen (354).

Im Zeitraum 2016–2019 haben die Kommission und die nationalen Behörden von Facebook, Twitter und Google+ Zusagen erhalten, dass sie ihre Praktiken mit dem EU-Verbraucherrecht in Einklang bringen werden. Sie befassten sich mit Praktiken wie der mangelnden Transparenz ihres Geschäftsmodells für die Verbraucher und verschiedenen Klauseln in ihren Geschäftsbedingungen (355), wonach die Haftung der Plattform im Zusammenhang mit der Erbringung des Dienstes und der Identifizierung kommerzieller Kommunikation eingeschränkt oder ganz ausgeschlossen wird, auf zwingende EU-Verbraucherrechte verzichtet wird und den Verbrauchern ihre EU-Rechte in Bezug auf die Gerichtsbarkeit und das anwendbare Recht vorenthalten werden.

4.2.6   Influencer-Marketing

Beim Influencer-Marketing werden bestimmte Marken oder Produkte durch Influencer beworben, wobei der positive Einfluss genutzt wird, den Influencer auf die Wahrnehmung der Verbraucher haben können. Ein Influencer wird im Allgemeinen als natürliche Person oder virtuelle Einheit (356) beschrieben, die eine überdurchschnittliche Reichweite auf einer einschlägigen Plattform hat. Im Vergleich zu den meisten anderen Formen der Online-Werbung weist das Influencer-Marketing noch weniger Merkmale auf, die es den Verbrauchern ermöglichen, die kommerzielle Art der Inhalte zu erkennen. Selbst wenn der Influencer Haftungsausschlüsse verwendet, um auf das Vorhandensein kommerzieller Kommunikation hinzuweisen, könnte der Durchschnittsverbraucher, insbesondere Kinder und junge Menschen, davon ausgehen, dass der Inhalt zumindest teilweise als persönliche, nichtkommerzielle Empfehlung und nicht als direkte und klar erkennbare Werbung dargestellt wird.

Für die Zwecke der UGPRL würde ein Influencer als „Gewerbetreibender“ oder alternativ als Person, die „im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt“, gelten. Personen, die auf ihren Konten in sozialen Medien häufig Werbemaßnahmen gegenüber Verbrauchern durchführen, sind wahrscheinlich als „Gewerbetreibende“ einzustufen, unabhängig von der Anzahl ihrer Follower. Beispiele für Faktoren, die bei dieser Feststellung zu berücksichtigen sind, finden sich in Abschnitt 2.2 über den Begriff des „Gewerbetreibenden“. Die Verpflichtungen zur Klarstellung der kommerziellen Kommunikation gilt für Gewerbetreibende unabhängig davon, ob sie der Lieferant der Produkte sind oder nicht (357).

Wie auch bei anderen Formen des versteckten Marketings könnte das Versäumnis, den kommerziellen Aspekt im Inhalt oder in der Praxis eines Influencers eine irreführende Praxis im Sinne der Artikel 6 und 7 darstellen. Die Empfehlungen durch den Influencer erfolgt auf unterschiedliche Weise, z. B. durch bezahlte Beiträge, Affiliate-Inhalte (z. B. teilt der Influencer gegen eine Provision einen Rabattcode oder einen Link mit seinem Publikum), Retweets oder die Kennzeichnung des Gewerbetreibenden/der Marke. Nach Artikel 7 Absatz 2 muss jede kommerzielle Kommunikation klar kenntlich gemacht werden, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt. Über die Anwendung der Artikel 6 und 7 hinaus, die für alle Fälle von Influencer-Marketing gelten, sind nach Anhang I Ziffer 11 Praktiken verboten, aus denen es nicht eindeutig hervorgeht, dass ein Gewerbetreibender für die Verkaufsförderung eines Produktes in redaktionellen Inhalten bezahlt hat. Der Begriff der „redaktionellen Inhalte“ sollte weit ausgelegt werden und umfasst in einigen Fällen auch Inhalte, die vom Influencer erstellt oder von ihm auf Plattformen der sozialen Medien veröffentlicht werden. In der Rechtssache Peek & Cloppenburg bestätigte der Gerichtshof, dass Ziffer 11 in einer Weise ausgelegt werden sollte, die der Realität der journalistischen und werblichen Praxis entspricht (358). In der Rechtssache ging es um die Auslegung des Begriffs „Bezahlung“, was im Folgenden näher erläutert wird. Im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Wirksamkeit des Verbots verwies der Gerichtshof auf die Bedeutung von „ ‚versteckte[r]‘ Internetwerbung in Form von Kommentaren in sozialen Netzwerken, Foren oder Blogs, die scheinbar von Verbrauchern stammen, bei denen es sich jedoch tatsächlich um Werbenachrichten oder Nachrichten kommerzieller Art handelt, die direkt oder indirekt von Wirtschaftsakteuren verfasst oder finanziert werden, und weist mit Nachdruck auf die schädlichen Auswirkungen solcher Praktiken auf das Verbrauchervertrauen und die Wettbewerbsregeln hin.“ (359) Das Fehlen einer angemessenen Offenlegung durch den betreffenden Influencer erhöht schließlich auch das Risiko eines Verstoßes gegen Anhang I Ziffer 22, nach dem es verboten ist, fälschlich als Verbraucher aufzutreten.

Die Offenlegung des kommerziellen Aspekts muss klar und angemessen sein, wobei das Medium, über das die Verkaufsförderung stattfindet, einschließlich Kontext, Platzierung, Zeitpunkt, Dauer, Sprache, Zielgruppe und anderer Aspekte, zu berücksichtigen ist. Die Offenlegung muss so auffällig sein, dass der Durchschnitts- oder schutzbedürftige Verbraucher, der den Inhalt erhält, angemessen informiert wird. Die Offenlegung kann beispielsweise nicht als angemessen betrachtet werden, wenn die Informationen über die kommerzielle Kommunikation nicht an auffälliger Stelle erscheinen (z. B. Hashtags am Ende eines langen Haftungsausschlusses, lediglich die Kennzeichnung eines Gewerbetreibenden) oder der Verbraucher zusätzliche Schritte unternehmen muss (z. B. auf „Weiterlesen“ klicken muss) (360).

Des Weiteren muss jede kommerzielle Kommunikation, die den Verbraucher erreicht, einzeln gekennzeichnet werden, selbst wenn der Influencer eine umfassendere Werbevereinbarung mit einem Gewerbetreibenden/Markeninhaber getroffen hat.

Der kommerzielle Aspekt gilt immer dann als gegeben, wenn der Influencer irgendeine Form der Gegenleistung für die Empfehlung erhält, z. B. in Form von Bezahlungen, Rabatten, Partnerschaftsvereinbarungen, Prozentsätzen aus Affiliate-Links, kostenlosen Produkten (einschließlich unaufgeforderter Geschenke), Reisen oder Einladungen zu Veranstaltungen usw. Für die Anwendung dieser Regeln ist das Vorhandensein eines Vertrags und einer Geldzahlung nicht erforderlich. In der Rechtssache Peek & Cloppenburg bestätigte der Gerichtshof, dass ein Gewerbetreibender auch dann für einen redaktionellen Inhalt „bezahlt“ hat, wenn es sich nicht um einen geldwerten Vorteil handelt. Der Gerichtshof befand, dass eine „geldwerte Gegenleistung“ vorliegen und ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der in dieser Weise vom Gewerbetreibenden geleisteten Bezahlung und der Veröffentlichung bestehen muss. Die konkrete Form der Zahlung ist jedoch für den Verbraucherschutz unerheblich. So wurde beispielsweise festgestellt, dass dies dann der Fall ist, wenn der Gewerbetreibende durch Nutzungsrechte geschützte Bilder kostenlos zur Verfügung stellt, auf denen seine Geschäftsräume und die von ihm angebotenen Produkte zu sehen sind. Der Gerichtshof stellte ferner fest, dass es keinerlei Regelung zu einem wertmäßigen Mindestbetrag der Bezahlung oder zu einem Anteil dieser Bezahlung an den Gesamtkosten der betreffenden Werbeaktion gibt (361).

Je nach den Umständen des Falles kann der Verstoß sowohl dem Influencer als auch dem Gewerbetreibenden/dem Markeninhaber angelastet werden, der/die den Influencer engagiert hat und von der Empfehlung profitiert. Das Vorhandensein einer redaktionellen Kontrolle durch den Gewerbetreibenden ist nicht erforderlich, um die Anwendung dieser Vorschriften auszulösen, könnte aber als Faktor bei der Bestimmung seiner Haftung dienen. Der Gewerbetreibende/Markeninhaber haftet für Verstöße gegen die vorgenannten Bestimmungen und insbesondere gegen die in Artikel 5 genannte berufliche Sorgfaltspflicht. Vorbehaltlich der Prüfung der Umstände des Einzelfalls ist es unwahrscheinlich, dass eine solche Haftung in dem Fall gegeben ist, dass ein Influencer keine Verbindung zu dem Gewerbetreibenden/Markeninhaber hat (d. h. irreführend vorgibt, im Auftrag des Gewerbetreibenden zu handeln). Der Influencer haftet für seine eigenen Pflichten aus der UGPRL, sofern er, wie bereits erläutert, als „Gewerbetreibender“ einzustufen ist.

Beispiele:

Ein Gewerbetreibender veröffentlichte in den sozialen Medien Beiträge von Influencern, die gegen Bezahlung für seine Produkte warben, versäumte es allerdings, ihre Beiträge angemessen als kommerzielle Kommunikation zu kennzeichnen. Ein nationales Gericht befand den Gewerbetreibenden für haftbar, weil er nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hatte, um die Einhaltung des Verbraucherrechts sicherzustellen, z. B. die Sicherstellung von Transparenz, die Aufklärung von Influencern und das Vorhandensein von Kontrollmechanismen zur Abstellung von Verstößen (362).

Für den Fall, dass der Influencer seine eigenen Produkte oder sein eigenes Unternehmen bewirbt, gelten die gleichen Regeln. Der kommerzielle Zweck der Mitteilung muss in solchen Fällen immer angegeben werden, insbesondere im Hinblick auf Anhang I Ziffer 22, nach der es verboten ist, fälschlicherweise zu behaupten oder den Eindruck zu erwecken, dass der Händler nicht für die Zwecke seines Gewerbes handelt, oder fälschlicherweise als Verbraucher aufzutreten. Eine angemessene Offenlegung ist auch dann erforderlich, wenn ein Influencer Marken oder Produkte empfiehlt, die sichtbar mit ihnen im Zusammenhang stehen, z. B. wenn ihr Gesicht oder ihr Name auf den Produkten oder Marken abgebildet ist.

Beispiele:

Eine Influencerin bewarb auf Instagram die Produkte eines Unternehmens, dessen CEO, Hauptaktionärin und einziges Vorstandsmitglied allein sie war. Es wurde festgestellt, dass die betreffenden Instagram-Beiträge irreführend waren, da der kommerzielle Zweck für den Durchschnittsverbraucher unklar war. In einem Beitrag, in dem für Fischöl geworben wurde, wurde indirekt behauptet, dass das Öl die Immunfunktion stärke und somit vor COVID-19 schütze. Da es keine Beweise für solche Behauptungen gab, wurde dieser Beitrag als irreführend und aggressiv eingestuft (363).

Da die Beziehung, die der Influencer zu seinem Publikum aufbaut, häufig auf Vertrauen und einer persönlichen Verbindung beruht, könnte sein Verhalten zudem in einigen Fällen eine aggressive Geschäftspraxis durch unzulässige Beeinflussung darstellen, die nach den Artikeln 8–9 verboten ist. Dies ist vor allem dann von Bedeutung, wenn zur Hauptzielgruppe eines Influencers schutzbedürftige Verbraucher wie Kinder und junge Menschen gehören. Ferner ist die direkte Aufforderung an Kinder, die beworbenen Produkte zu kaufen oder Eltern oder andere Erwachsene zu überreden, diese Produkte für sie zu kaufen, nach Anhang I Ziffer 28 unter allen Umständen verboten.

Wie bereits in den vorangegangenen Abschnitten erörtert, unterliegt die Online-Plattform, die für die Verkaufsförderung genutzt wird, zusätzlich zu den Verpflichtungen der Influencer und Marken ihren eigenen beruflichen Sorgfaltspflichten gemäß der UGPRL. Dazu gehört auch die Verpflichtung, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die es Drittanbietern ermöglichen, ihren Verpflichtungen aus dem EU-Recht nachzukommen, z. B. die Bereitstellung spezifischer und geeigneter Hilfsmittel zur Offenlegung auf der Benutzeroberfläche der Plattform (364).

4.2.7   Datengesteuerte Verfahren und Dark Patterns

Das digitale Umfeld ist in zunehmendem Maße durch die Erzeugung, Anhäufung und Kontrolle einer enormen Menge von Daten über die Verbraucher gekennzeichnet, die mit dem Einsatz von Algorithmen und KI kombiniert werden können, um sie in für kommerzielle Zwecke verwertbare Informationen umzuwandeln. Diese Daten können unter anderem wertvolle Erkenntnisse über soziodemografische Merkmale wie Alter, Geschlecht oder finanzielle Situation sowie über persönliche und psychologische Merkmale wie Interessen, Vorlieben, psychologisches Profil und Stimmung liefern. So können die Gewerbetreibenden mehr über die Verbraucher erfahren, auch über ihre Schwächen.

Zu den datengesteuerten Personalisierungspraktiken in der Geschäftsbeziehung zwischen Unternehmen und Verbrauchern gehören die Personalisierung von Werbung, Empfehlungssysteme, Preisgestaltung, das Ranking von Angeboten in Suchergebnissen usw. Die auf Grundsätzen beruhenden Bestimmungen und Verbote in der UGPRL können zusätzlich zu anderen Instrumenten des EU-Rechtsrahmens wie der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation, der DSGVO oder den für Online-Plattformen geltenden sektorspezifischen Rechtsvorschriften eingesetzt werden, um unlautere datengesteuerte Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern zu bekämpfen. Bestehende Entscheidungen von Datenschutzbehörden über die Einhaltung oder Nichteinhaltung der Datenschutzvorschriften durch einen Gewerbetreibenden sollten bei der Prüfung der allgemeinen Lauterkeit der Praxis gemäß der UGPRL berücksichtigt werden.

Die UGPRL deckt die Phasen der Werbung, des Verkaufs und der Vertragserfüllung ab, einschließlich der Einwilligung zur Verarbeitung personenbezogener Daten und der Verwendung personenbezogener Daten für die Bereitstellung personalisierter Inhalte sowie der Beendigung eines Vertragsverhältnisses. Außerdem hat die Richtlinie einen breiten Anwendungsbereich: Sie deckt sämtliche Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern ab und gilt unabhängig vom Bestehen eines Vertragsverhältnisses oder dem Kauf eines Produkts. Die Richtlinie würde beispielsweise auch Geschäftspraktiken abdecken, z. B. das Erregen der Aufmerksamkeit des Verbrauchers, wodurch geschäftliche Entscheidungen wie die weitere Nutzung des Dienstes (z. B. das Scrollen durch einen Feed), die Anzeige von Werbeinhalten oder das Anklicken eines Links ausgelöst werden.

Verbraucher dazu zu bewegen, sich mit den Inhalten des Gewerbetreibenden zu beschäftigen, ist ein wesentlicher Bestandteil der Geschäftspraktiken und insbesondere der Werbung, sowohl in der Online- als auch in der Offline-Welt. Das digitale Umfeld ermöglicht es den Gewerbetreibenden jedoch, ihre Praktiken auf der Grundlage von Verbraucherdaten wirksamer zu nutzen, höher zu skalieren und sogar dynamisch in Echtzeit einzusetzen. Gewerbetreibende können personalisierte Überzeugungspraktiken entwickeln, weil ihnen ein überlegenes Wissen zur Verfügung steht, das auf aggregierten Daten über das Verhalten und die Vorlieben der Verbraucher beruht, zum Beispiel, indem sie Daten aus verschiedenen Quellen miteinander verknüpfen. Gewerbetreibende haben auch die Möglichkeit, Anpassungen vorzunehmen, um die Wirksamkeit ihrer Praktiken zu verbessern, da sie die Auswirkungen ihrer Praktiken auf die Verbraucher kontinuierlich testen und dadurch mehr über deren Verhalten erfahren (durch A/B-Tests). Außerdem könnten solche Praktiken oftmals angewandt werden, ohne dass die Verbraucher hiervon Kenntnis erlangen. Diese Faktoren und ihre Undurchsichtigkeit bilden die Grundlage für die Unterscheidung zwischen sehr überzeugenden Werbe- oder Verkaufstechniken einerseits und Geschäftspraktiken, die manipulativ und damit nach dem Verbraucherrecht unlauter sein können, andererseits. Zudem könnten sie einen Verstoß gegen die Transparenzverpflichtungen gemäß der DSGVO oder der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation darstellen.

Jede Geschäftspraxis von Unternehmen gegenüber Verbrauchern, bei der das wirtschaftliche Verhalten eines Durchschnitts- oder schutzbedürftigen Verbrauchers wesentlich verzerrt wird oder verzerrt werden könnte, könnte je nach den besonderen Umständen des Einzelfalls einen Verstoß gegen die beruflichen Sorgfaltspflichten des Gewerbetreibenden (Artikel 5), eine irreführende Praxis (Artikel 6–7) oder eine aggressive Praxis (Artikel 8–9) darstellen.

Für die Zwecke dieser Prüfung kann der Maßstab eines Durchschnitts- oder schutzbedürftigen Verbrauchers an die Zielgruppe angepasst und – wenn die Praxis stark personalisiert ist – sogar aus der Perspektive einer einzelnen Person formuliert werden, die Gegenstand der spezifischen Personalisierung war.

Diese Praktiken können sich auch stärker auf schutzbedürftige Verbraucher auswirken. Wie in Abschnitt 2.6 erläutert, sind die Merkmale, die die Schutzbedürftigkeit in Artikel 5 Absatz 3 definieren, indikativer Natur und nicht erschöpfend. Der Begriff der Schutzbedürftigkeit in der UGPRL ist dynamisch und situationsabhängig, d. h. ein Verbraucher kann in einer bestimmten Situation schutzbedürftig sein, in einer anderen jedoch nicht. So können beispielsweise bestimmte Verbraucher im digitalen Umfeld besonders anfällig für personalisierte Überzeugungspraktiken sein, während dies in Ladengeschäften und anderen Offline-Umfeldern nicht der Fall ist.

Die Verwendung von Informationen über die Schutzbedürftigkeit bestimmter Verbraucher oder einer Gruppe von Verbrauchern zu kommerziellen Zwecken dürfte sich auf die geschäftliche Entscheidung der Verbraucher auswirken. Je nach den Umständen des Einzelfalls könnten solche Praktiken eine Form der Manipulation darstellen, bei der der Gewerbetreibende eine „unzulässige Beeinflussung“ des Verbrauchers vornimmt, was zu einer aggressiven Geschäftspraxis führt, die nach Artikel 8 und 9 UGPRL verboten ist. Bei der Prüfung, ob eine unzulässige Beeinflussung vorliegt, ist gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c die Ausnutzung von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers beeinträchtigen, worüber sich der Gewerbetreibende bewusst ist, zu berücksichtigen.

Wenn die Praxis auf Kinder abzielt, ist außerdem Anhang I Ziffer 28 besonders relevant, da nach ihr direkte Aufforderungen an Kinder verboten sind. Auch die möglichen nachteiligen Auswirkungen einer gezielten Ausrichtung auf Kinder rechtfertigen einen besonderen Schutz im Rahmen der DSGVO (365).

Beispiele:

Ein Gewerbetreibender kann feststellen, dass ein Jugendlicher aufgrund von Ereignissen in seinem Privatleben in einer verletzlichen Stimmung ist. Diese Informationen werden anschließend verwendet, um den Jugendlichen zu einem bestimmten Zeitpunkt mit emotionsbezogener Werbung anzusprechen.

Einem Gewerbetreibenden ist bekannt, dass ein Verbraucher in der Vergangenheit Finanzdienstleistungen in Anspruch genommen hat und dass er von einem Kreditinstitut wegen Zahlungsunfähigkeit abgelehnt worden ist. Der Verbraucher wird anschließend von einem Kreditinstitut mit spezifischen Angeboten angesprochen, um seine finanzielle Situation auszunutzen.

Einem Gewerbetreibenden ist die Kaufhistorie eines Verbrauchers in Bezug auf Glücksspiele und zufällige Inhalte in einem Videospiel bekannt. Der Verbraucher wird anschließend mit personalisierter kommerzieller Kommunikation angesprochen, die ähnliche Elemente enthält, um die höhere Wahrscheinlichkeit, dass er sich für solche Produkte interessiert, auszunutzen.

Innerhalb der Kategorie der manipulativen Praktiken wird der Begriff „Dark Patterns“ verwendet, um einen Mechanismus zu bezeichnen, der im Allgemeinen in digitale Benutzeroberflächen eingebaut ist und dazu dient, die Verbraucher auf böswillige Art zu Handlungen zu verleiten. Dark Patterns könnten datengesteuert und personalisiert sein oder auf einer allgemeineren Grundlage implementiert werden, indem Heuristiken und Verhaltensmuster, z. B. Standard- oder Knappheitseffekte, genutzt werden (366).

Der Begriff „Dark Pattern“ ist in der Richtlinie rechtlich nicht definiert. Die UGPRL gilt für alle „unlauteren Geschäftspraktiken“, die den Anforderungen des sachlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie erfüllen, unabhängig von ihrer Einstufung. Wenn Dark Patterns im Kontext von Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern angewandt werden, kann die Richtlinie zusätzlich zu anderen Instrumenten des EU-Rechtsrahmens, wie der DSGVO, verwendet werden, um die Lauterkeit solcher Praktiken in Frage zu stellen.

Wie oben erläutert, könnte jede manipulative Praxis, bei der das wirtschaftliche Verhalten eines Durchschnitts- oder schutzbedürftigen Verbrauchers wesentlich verzerrt wird oder verzerrt werden könnte, je nach den angewandten spezifischen Dark Patterns einen Verstoß gegen die beruflichen Sorgfaltspflichten des Gewerbetreibenden (Artikel 5), eine irreführende Praxis (Artikel 6–7) oder eine aggressive Praxis (Artikel 8–9) darstellen. Für den Einsatz von Dark Patterns ist nach der UGPRL keine Absicht erforderlich. Der in Artikel 5 UGPRL festgelegte Standard der beruflichen Sorgfaltspflicht im Bereich der Gestaltung der Benutzeroberfläche kann Grundsätze umfassen, die aus internationalen Normen und Verhaltenskodizes für die ethische Gestaltung abgeleitet sind. Gemäß den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht gemäß Artikel 5 UGPRL sollten Gewerbetreibende grundsätzlich geeignete Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Gestaltung ihrer Benutzeroberfläche die geschäftlichen Entscheidungen der Verbraucher nicht verzerrt.

Zu manipulativen Praktiken gehören unter anderem das optische Verdecken wichtiger Informationen oder die Anordnung der Informationen in einer Weise, die eine bestimmte Option begünstigt (z. B. eine gut sichtbare Schaltfläche und eine verdeckte Schaltfläche, ein sehr langer Pfad und ein sehr kurzer Pfad), sowie die Verwendung von Fangfragen und mehrdeutiger Sprache (z. B. doppelte Verneinung), um den Verbraucher zu verwirren. Solche Praktiken können als irreführende Handlung gemäß Artikel 6 UGPRL oder als irreführende Unterlassung gemäß Artikel 7 UGPRL eingestuft werden, da sie dazu führen, dass die Informationen unverständlich oder mehrdeutig sind. Überdies könnte das Ausnutzen von Emotionen, um den Nutzer davon abzuhalten, eine bestimmte Wahl zu treffen (z. B. „Bestätigung“ des Verbrauchers, damit er sich schuldig fühlt), eine aggressive Praxis im Sinne von Artikel 8 UGPRL darstellen, die darin besteht, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers auf unzulässige Weise zu beeinflussen.

Beispiele:

Während des Bestellvorgangs auf einem Online-Marktplatz wird der Verbraucher mehrmals aufgefordert, bei den folgenden Fragen „Ja“ oder „Nein“ auszuwählen: „Möchten Sie über ähnliche Angebote auf dem Laufenden gehalten werden?“„Möchten Sie den Newsletter abonnieren?“„Dürfen wir Ihre Daten verwenden, um unser Angebot zu personalisieren?“ Auf halber Strecke der Klicksequenz werden die Schaltflächen „Ja“ und „Nein“ absichtlich vertauscht. Der Verbraucher hat mehrmals auf „Nein“ geklickt, klickt nun aber auf „Ja“ und meldet sich versehentlich für einen Newsletter an.

Die standardmäßigen Einstellungen der Benutzeroberfläche haben einen erheblichen Einfluss auf die geschäftliche Entscheidung eines Durchschnittsverbrauchers. Gewerbetreibende könnten die Verbraucher nicht nur zu bestimmten Handlungen veranlassen, sondern auch an ihrer Stelle bestimmte Maßnahmen ergreifen, z. B. durch die Verwendung von bereits aktivierten Auswahlkästchen, auch um zusätzliche Dienstleistungen in Rechnung zu stellen, was nach Artikel 22 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher verboten ist. Solche Praktiken können auch gegen die UGPRL sowie gegen die Bestimmungen zum Datenschutz und zum Schutz der Privatsphäre verstoßen (367).

Bestimmte Praktiken, die häufig als „Dark Patterns“ gekennzeichnet werden, sind bereits nach Anhang I der UGPRL unter allen Umständen ausdrücklich verboten:

sogenannte „bait-and-switch“-Techniken, die darin bestehen, Produkte zu einem bestimmten Preis anzubieten, ohne dass darüber aufgeklärt wird, dass der Gewerbetreibende hinreichende Gründe für die Annahme hat, dass er nicht in der Lage sein wird, dieses Produkt zu liefern, oder das Produkt anzubieten und sich dann zu weigern, Bestellungen dafür anzunehmen oder innerhalb einer vertretbaren Zeit zu liefern, in der Absicht, stattdessen ein anderes Produkt abzusetzen (Anhang I Ziffern 5 und 6),

die Schaffung von Dringlichkeit durch die falsche Behauptung, dass das Produkt nur eine sehr begrenzte Zeit oder nur eine sehr begrenzte Zeit zu bestimmten Bedingungen verfügbar sein werde (Anhang I Ziffer 7). Dazu gehören z. B. gefälschte Timer und Angaben über begrenzte Lagerbestände auf Websites,

die Erteilung sachlich falscher Informationen über die Marktbedingungen oder die Möglichkeit, das Produkt zu finden, mit dem Ziel, den Verbraucher dazu zu bewegen, das Produkt zu weniger günstigen Bedingungen zu kaufen (Anhang I Ziffer 18),

die Behauptung, der Verbraucher habe einen Preis gewonnen, ohne dass die beschriebenen Preise oder ein angemessenes Äquivalent vergeben werden (Anhang I Ziffern 19 und 31), oder die Beschreibung eines Produktes als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder Ähnliches (Anhang I Ziffer 20),

wiederholte Eingriffe in normale Interaktionen, um den Verbraucher dazu zu bewegen, etwas zu tun oder zu akzeptieren (d. h. „Nörgeln“), kommen möglicherweise einem hartnäckigen und unerwünschtem Ansprechen gleich (Anhang I Ziffer 26) (368).

Daneben werden verschiedene irreführende Praktiken, die gegen die Artikel 6 und 7 UGPRL verstoßen, als „Dark Patterns“ bezeichnet, z. B. irreführende kostenlose Proben und Abo-Fallen, die im Abschnitt 2.9.6 näher erläutert wurden. Bei der Gestaltung ihrer Benutzeroberflächen sollten die Gewerbetreibenden dem Grundsatz folgen, dass die Abmeldung von einem Dienst genauso einfach sein sollte wie die Anmeldung zu einem Dienst, z. B. durch Verwendung der gleichen Methoden, die zuvor für die Anmeldung verwendet wurden, oder anderer Methoden, sofern den Verbrauchern klare und freie Wahlmöglichkeiten geboten werden, die verhältnismäßig und spezifisch für die Entscheidungen sind, die sie treffen sollen.

Beispiele:

Um sich von einem digitalen Dienst abzumelden, ist der Verbraucher gezwungen, zahlreiche nicht-intuitive Schritte zu unternehmen, um zu dem Abmeldelink zu gelangen. Zu diesen Schritten gehören das „Confirmshaming“, bei dem der Verbraucher durch mehrfache emotionale Botschaften („Es tut uns leid, dass Sie gehen“, „Hier sind die Vorteile, die Sie verlieren“) und „visuelle Eingriffe“, z. B. auffällige Bilder, die den Nutzer ermutigen, das Abonnement fortzusetzen, anstatt es zu kündigen, aufgefordert wird, seine Entscheidung zu überdenken (369). Solche Praktiken könnten einen Verstoß gegen Artikel 7 und Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe d UGPRL darstellen.

4.2.8   Preisbildung

Der Begriff „Drip Pricing“ (Tropfpreisgestaltung) bezieht sich auf Situationen, in denen Händler im Laufe des Kaufprozesses Kosten hinzufügen, z. B. durch Hinzufügen von Gebühren, die unvermeidlich sind und von Anfang an im Preis hätten enthalten sein müssen, oder durch eine willkürliche Erhöhung des Endpreises. Dies kann die Verbraucher zu geschäftlichen Entscheidungen veranlassen, die sie nicht getroffen hätten, wenn ihnen unmittelbar bei der „Aufforderung zum Kauf“ der vollständige Preis genannt worden wäre. Insoweit kann auch diese Praxis als irreführende Handlung oder als irreführende Unterlassung und damit als Verstoß gegen die UGPRL gewertet werden.

Bei dynamischer Preisbildung (auch Preisbildung in Echtzeit) ändern sich die Preise eines Produkts in erheblichem Umfang und sehr rasch entsprechend der jeweiligen Nachfrage.

Nach der UGPRL können Gewerbetreibende die Preise ihrer Produkte frei bestimmen, solange sie die Verbraucher angemessen über die Gesamtkosten und über die Berechnung der Gesamtkosten informieren, wenn der Preis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d und Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c UGPRL). Unter Umständen könnte allerdings eine dynamische Preisbildung „unlauter“ im Sinne der UGPRL sein.

Beispiele:

Eine dynamische Preisbildung, bei der ein Gewerbetreibender den Preis für ein Produkt während des Buchungsvorgangs erhöht, insbesondere nachdem der Verbraucher es in seinen digitalen Einkaufswagen gelegt hat oder zur Zahlung übergeht, ohne dem Verbraucher eine angemessene Frist für den Abschluss des Geschäfts einzuräumen, könnte als Verstoß gegen die berufliche Sorgfaltspflicht oder als aggressive Praxis im Sinne der Artikel 8 und 9 UGPRL angesehen werden.

Eine Preisdiskriminierung ist dann gegeben, wenn ein Gewerbetreibender bei unterschiedlichen Verbrauchern oder Verbrauchergruppen unterschiedliche Preise für dieselben Waren oder Dienstleistungen ansetzt. Gemäß der UGPRL ist die Preisdiskriminierung für Gewerbetreibende nicht verboten, solange sie den Verbraucher in angemessener Weise über den Gesamtpreis oder dessen Berechnung informieren. Preisdiskriminierung kann jedoch aufgrund anderer Vorschriften verboten sein.

Die Dienstleistungsrichtlinie (370) enthält unter anderem ein allgemeines Verbot der Preisdiskriminierung nach Staatsangehörigkeiten und Wohnort. In Artikel 20 der Dienstleistungsrichtlinie heißt es: „[D]ie allgemeinen Bedingungen für den Zugang zu einer Dienstleistung, die der Dienstleistungserbringer bekannt gemacht hat“ dürfen „keine auf der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz des Dienstleistungsempfängers beruhenden diskriminierenden Bestimmungen enthalten“. Nach Artikel 20 besteht jedoch „die Möglichkeit, Unterschiede bei den Zugangsbedingungen vorzusehen, die unmittelbar durch objektive Kriterien gerechtfertigt sind“.

Außerdem ist direkte und indirekte Preisdiskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit des Endkunden oder seines Wohnorts oder aufgrund des Ortes der Niederlassung von Speditionsunternehmen oder von Ticket-Anbietern in der Union durch mehrere sektorbezogene Rechtsvorschriften der EU ausdrücklich verboten. Dies gilt auch für den Luftverkehr (371), den Seeverkehr (372), den Schienenverkehr (373) und den Bus- und Bahnverkehr (374).

Die Preisdiskriminierung kann in Form von personalisierter Preisgestaltung erfolgen, die auf der Online-Überwachung und dem Profiling des Verbraucherverhaltens beruht (375).

Beispiel:

Ein Verbraucher, für den eine „höhere Zahlungskraft“ verzeichnet wurde, könnte beispielsweise an der IP-Adresse seines Computers oder durch die Verwendung anderer Mittel erkannt werden, wenn der Verbraucher die Website des Gewerbetreibenden von seinem privaten PC aus öffnet. Diesem Verbraucher könnten beispielsweise durchschnittlich um 10 % höhere Preise angezeigt werden als einem Neukunden oder einem Verbraucher, dem eine „geringere Zahlungskraft“ attestiert wurde.

Nach der UGPRL ist es Gewerbetreibenden nicht untersagt, ihre Preise auf der Grundlage von Online-Überwachung und Profiling zu personalisieren. Nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe ea der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, der durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 hinzugefügt wurde, sind die Unternehmer verpflichtet, die Verbraucher darüber zu informieren, ob der Preis auf der Grundlage einer automatisierten Entscheidungsfindung personalisiert wurde. Ferner können personalisierte Preise und Angebote mit verschiedenen unlauteren Geschäftspraktiken kombiniert werden, beispielsweise, wenn Gewerbetreibende im Zusammenhang mit der datengesteuerten Personalisierung eine „unzulässige Beeinflussung“ auf den Verbraucher gemäß den Artikeln 8 und 9 UGPRL ausüben.

Gewerbetreibende, die Preise unter Verwendung personenbezogener Daten von Verbrauchern personalisieren, müssen auch die DSGVO und die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation einhalten. Dazu gehört die Anforderung, dass automatische Anrufmaschinen, Faxgeräte oder elektronische Post nur dann für die Zwecke der Direktwerbung verwendet werden dürfen, wenn der Teilnehmer zuvor seine Einwilligung gegeben hat (Artikel 13 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), und die Anforderung, dass der Verantwortliche die Direktwerbung einstellen muss, wenn die betroffene Person, die sie erhält, gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten zum Zwecke derartiger Werbung Widerspruch einlegt, wie in Artikel 21 DSGVO vorgesehen. Ferner enthalten die Artikel 12–14 DSGVO Informationspflichten in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten, einschließlich des Rechts auf aussagekräftige Informationen über das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung, und Artikel 22 DSGVO sieht das Recht vor, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – Entscheidung unterworfen zu werden, die der betroffenen Person gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt.

4.2.9   Computerspiele

In Videospielen, mobilen Spielen und Online-Spielen kommen eine Vielzahl verschiedener Geschäftspraktiken zum Einsatz, die im Rahmen der UGPRL Bedenken aufwerfen können, insbesondere für schutzbedürftige Verbraucher wie Kinder und Jugendliche, die nach Artikel 5 Absatz 3 besonders schutzbedürftig sind (siehe Abschnitt 2.6 über schutzbedürftige Verbraucher).

Spiele können In-Game-Werbeaktionen und -Werbung aufweisen, was das Risiko des versteckten Marketings erhöht und eine irreführende Praxis gemäß den Artikeln 6 und 7 UGPRL darstellen kann, sofern das kommerzielle Element nicht hinreichend deutlich und vom Spielgeschehen unterscheidbar gemacht wird. Dies betrifft sowohl In-Game-Käufe als auch außerhalb des Spiels verfügbare Produkte. Die Offenlegung muss das Medium, über das die Verkaufsförderung stattfindet, einschließlich Kontext, Platzierung, Zeitpunkt, Dauer, Sprache und Zielgruppe, umfassen.

Überdies ist es nach Anhang I Ziffer 28 verboten, eine direkte Aufforderung zum Kauf von Produkten an Kinder zu richten. Dies gilt auch für die Ausübung von Druck auf ein Kind, damit es Artikel unmittelbar kauft oder einen Erwachsenen überzeugt, ihm solche Artikel zu kaufen. Studien haben gezeigt, dass Kinder die kommerzielle Absicht von Werbespots in Spielen im Vergleich zu direkteren Werbespots im Fernsehen weniger leicht erkennen und verstehen (376).

Bieten Gewerbetreibende Käufe innerhalb des Spiels an, müssen sie sicherstellen, dass sie die Informationspflichten nach Artikel 7 UGPRL und der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher einhalten. Die wesentlichen Merkmale des Produkts müssen klar beschrieben werden, und die Preise für virtuelle Artikel müssen (auch) in realer Währung klar und hervorgehoben angegeben werden. Kann der Preis vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden, sollten die Gewerbetreibenden die Art der Preisberechnung angeben. Die Preise virtueller Gegenstände müssen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Handelsgeschäfts in realer Werbung klar und hervorgehoben angegeben werden.

Beim Angebot eines „frühzeitigen Zugangs“ zu Spielen, d. h. ein Zugang zu Spielen, die sich noch in der Entwicklung befinden, müssen sich die Gewerbetreibenden darüber im Klaren sein, was der Verbraucher erwarten kann, z. B. in Bezug auf den Inhalt des Spiels, das frühzeitig zugänglich gemacht wird, und seine Entwicklungsaussichten.

Gewerbetreibende sollten die von der Plattform, auf der das Spiel angeboten wird, angebotene elterliche Kontrolle nutzen (z. B. Instrumente zur elterlichen Kontrolle, mit denen Eltern Ausgaben deaktivieren können).

Nach Artikel 7 Absatz 2 und Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe d UGPRL sowie nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe g der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher müssen die Verbraucher vor jedem Kauf klar über die Zahlungsmodalitäten informiert werden. Nach der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher setzen Käufe grundsätzlich die ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers voraus, und Gewerbetreibende müssen den Verbrauchern die erforderlichen Informationen bereitstellen. Außerdem verlangt Artikel 64 der Richtlinie (EU) 2015/2366 über Zahlungsdienste die Zustimmung des Zahlenden für die Durchführung von Zahlungsvorgängen. Wenn diese Zustimmung nicht vorliegt, sind Zahlungsvorgänge nicht autorisiert. Überdies dürfen die Voreinstellungen für Zahlungen keine Käufe ohne ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers (z. B. durch Eingabe eines Kennworts) zulassen. Wenn ein System Zeitfenster für die Gültigkeit einer Zustimmung vorsieht (z. B. 15 Minuten), sollten die Gewerbetreibenden die ausdrückliche Zustimmung der Verbraucher für den gesamten jeweiligen Zeitraum einholen.

Bestimmte Geschäftspraktiken in Spielen, einschließlich versteckter Werbung, könnten eine aggressive Praxis im Sinne der Artikel 8–9 UGPRL darstellen. Dies kann der Fall sein, wenn bei den Praktiken verhaltensbezogene Verzerrungen oder manipulative Elemente zum Einsatz kommen, z. B. in Bezug auf den Zeitpunkt von Angeboten innerhalb des Spiels (z. B. das Angebot von kleinsten Geschäftshandlungen während kritischer Momente im Spiel), hartnäckiges Nörgeln oder die Verwendung visueller und akustischer Effekte, um den Spieler übermäßig unter Druck zu setzen. Außerdem könnten die Geschäftspraktiken personalisiert werden und spezifische Informationen über die Schutzbedürftigkeit der Spieler berücksichtigen. Die Kombination von Praktiken in einem Spiel (z. B. Appell an Kinder oder andere schutzbedürftige Gruppen, Verwendung kleinster Geschäftshandlungen, versteckte und intransparente Werbung) verschärft die Auswirkungen auf die Verbraucher. Abgesehen von den Bedenken in Bezug auf Kinder und Jugendliche könnten auch erwachsene Spieler besonders bei langen und intensiven Spielen stärker für kommerzielle Kommunikation und manipulative Praktiken empfänglich sein.

In diesem Zusammenhang sind auch Spielinhalte mit Glücksspielelementen bedenklich, z. B. süchtig machende Benutzeroberflächen mit Spielautomaten, bestimmten Beute-/Überraschungsboxen oder Wetten. Einige Mitgliedstaaten sind der Ansicht, dass solche Elemente unter die Glücksspielvorschriften fallen, wodurch sich zusätzliche, über die UGPRL (377) hinausgehende Anforderungen ergeben, z. B. die Erteilung von Lizenzen oder das Verbot der Verwendung von Glücksspielelementen in Spielen.

Beispiele:

Bei einem Online-Spiel werden Algorithmen eingesetzt, mit denen auf der Grundlage der Spielgewohnheiten des Nutzers die „Risikopunktzahl“ ermittelt wird, um den Zeitpunkt des Angebots von Beutekisten im Spiel, die Chancen, einen wertvollen Gegenstand in einer Beutekiste zu erhalten, und die Stärke der Gegner im Spiel zu personalisieren – alles mit dem Ziel, den Nutzer an das Spiel zu binden und seine Ausgaben im Spiel zu steigern. Die Algorithmen werden insbesondere bei suchtgefährdeten Spielern eingesetzt. Dies kann eine aggressive Praxis darstellen.

Der Verbraucher sollte klar auf das Bestehen von bezahlten zufälligen Inhalten (z. B. Beuteboxen, Kartenpakete, Glücksräder) hingewiesen werden, einschließlich einer Erläuterung der Wahrscheinlichkeit, einen Zufallsgegenstand zu erhalten. Beute-/Überraschungsboxen sind beispielsweise spielinterne Inhalte, die in der Regel zufällige Spielelemente enthalten (z. B. Waffen, Skins, Spielwährung, Entwicklungsoptionen) (378). Der Verkauf von Beuteboxen in Spielen muss den Informationspflichten gemäß der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher und der UGPRL in Bezug auf den Preis und die wesentlichen Merkmale des Produkts entsprechen.

Beispiele:

Eine nationale Behörde erhielt von einem Spielehersteller Zusagen in Bezug auf die Informationen über In-Game-Käufe, einschließlich Beuteboxen. Die Behörde wies darauf hin, dass für Verbraucher und Eltern ein Höchstmaß an Klarheit und Transparenz in Bezug auf die Frage erforderlich ist, ob solche Käufe getätigt werden können, insbesondere in Bezug auf Beuteboxen, bei denen der Zufall eine wichtige Rolle spielt (379).

Die Kommission und die nationalen Behörden gingen im Zeitraum 2013–2014 gegen unlautere Praktiken im Bereich der Spiele-Apps vor und befassten sich mit Spielen, in denen In-App-Käufe angeboten werden und die an Kinder gerichtet sind oder von ihnen gespielt werden können (380). In ihrem gemeinsamen Positionspapier wurde hervorgehoben, dass gemäß Anhang I Ziffer 20 und Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c UGPRL und Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher ausschließlich Spiele, bei denen In-App-Käufe fakultativ sind, als „kostenlos“ beworben werden können, ohne die Verbraucher irrezuführen. Umgekehrt kann ein Spiel nicht als „kostenlos“ bewerben werden, wenn die Verbraucher das Spiel nicht wie vernünftigerweise zu erwarten spielen können, ohne In-App-Käufe vorzunehmen. Dies ist bei jeder App mit In-App-Käufen im Einzelfall zu prüfen. Es wurde auch betont, dass ein hinsichtlich der Verwendung des Begriffs „free“ mit Anhang I Ziffer 20 für vereinbar befundenes Spiel nach anderen Bestimmungen der UGPRL geprüft werden kann (beispielsweise nach den Artikeln 6–9), um sicherzustellen, dass auch andere Elemente (etwa die Darstellung von Preisinformationen) nicht irreführend oder aggressiv sind. Darüber hinaus ist nach Anhang I Ziffer 28 und Artikel 5 Absatz 3 UGPRL vorgeschrieben, dass an Kinder gerichtete Spiele oder Spiele, bei denen Gewerbetreibende vernünftigerweise vorhersehen können, dass sie auf Kinder attraktiv wirken, keine direkten Aufforderungen an Kinder enthalten dürfen, zusätzliche In-Game-Artikel zu kaufen.

4.2.10   Verwendung von Verfahren zur Geolokalisierung

Wenn Verbraucher in oder aus anderen Mitgliedstaaten einkaufen möchten, verweigern Gewerbetreibende gelegentlich einfach wegen des Wohnorts oder der Staatsangehörigkeit der Verbraucher einen Verkauf oder nehmen eine entsprechende Preisdiskriminierung vor. Diese Verhaltensweisen können im Online-Handel ebenso wie bei Einkäufen in Ladengeschäften vorkommen. Gewerbetreibende können Verfahren zur Geolokalisierung (etwa aufgrund der IP-Adresse, der Wohnanschrift oder des Landes der Ausstellung einer Kreditkarte) nutzen, um den Verkauf von Produkten zu verweigern oder die Verbraucher automatisch zu einem lokalen Webstore umzuleiten oder eine Preisdiskriminierung vorzunehmen.

Gewerbetreibende können unterschiedliche Gründe dafür haben, aufgrund geografischer Informationen den Zugang zu einem Produkt zu verweigern oder andere Preise anzunehmen, z. B. höhere Lieferkosten oder zusätzliche rechtliche Verpflichtungen für den Gewerbetreibenden. Wenn ein Verkauf verweigert wird oder wenn Verbraucher umgeleitet werden, müssen die Gewerbetreibenden die Verbraucher nach Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher spätestens zu Beginn des Bestellvorgangs über Lieferbeschränkungen informieren. Nach Artikel 7 Absatz 5 UGPRL ist diese Informationsanforderung „wesentlich“ im Sinne der UGPRL. Wenn ein Gewerbetreibender die Informationsanforderung nach Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher jedoch erfüllt, ist die betreffende Verweigerung eines Verkaufs oder die Umleitung des Verbrauchers nicht an sich eine unlautere Geschäftspraxis im Sinne der UGPRL. Je nach Sachlage können derartige Praktiken jedoch im Einzelfall als unlautere Geschäftspraktiken bewertet werden.

Solche Praktiken können auch einen Verstoß gegen andere Bereiche des EU-Rechts darstellen. Seit dem 3. Dezember 2018 ist es Online-Gewerbetreibenden nach der Geoblocking-Verordnung (381) untersagt, Kunden in der EU aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung zu diskriminieren. Die Kommission hat in ihrem Dokument mit „Fragen & Antworten zur Geoblocking-Verordnung“ (382) ausführliche Leitlinien zu der Verordnung veröffentlicht. In Bezug auf Online-Dienstleistungen im Zusammenhang mit nicht-audiovisuellen urheberrechtlich geschützten Werken (wie elektronische Bücher, Videospiele, Musik und Software) gilt die Bestimmung zur Nichtdiskriminierung – d. h. die Verpflichtung, ausländischen Kunden Zugang zu gewähren und ihnen dieselben Angebote wie einheimischen Kunden zu machen – gemäß dieser Verordnung nicht. Für die oben genannten Dienstleistungen gelten jedoch bereits andere Vorschriften in der Geoblocking-Verordnung, wie z. B. das Verbot des diskriminierenden Sperrens des Zugangs zu Online-Benutzeroberflächen und des Weiterleitens ohne die vorherige Einwilligung des Kunden (Artikel 3) sowie einer Diskriminierung aus Gründen, die im Zusammenhang mit der Zahlung stehen (Artikel 5).

Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten nach Artikel 20 der Dienstleistungsrichtlinie sicherstellen, dass Verbraucher nicht aufgrund ihres Wohnortes oder ihrer Staatsangehörigkeit unterschiedlich behandelt werden, wenn dies nicht durch objektive Kriterien gerechtfertigt ist. Beide Gesetze beziehen sich auf die prinzipielle Verweigerung von Verkäufen einschließlich automatischer Umleitungen als auch auf die Anwendung unterschiedlicher Preise bei Online-Geschäften und im Offline-Bereich.

Das Geoblocking oder das Filtern kann auch gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen (383). So verhängte die Kommission am 20. Januar 2021 Geldbußen gegen fünf Videospieleverlage und eine Spieleplattform wegen ihrer Geoblocking-Praktiken (384).

4.2.11   Bindung der Verbraucher durch Lock-In-Effekte

Mitunter sehen sich die Verbraucher in ihrer Wahl eingeschränkt, müssen Qualitätseinbußen bei den von ihnen gekauften Produkten hinnehmen, ungünstige Änderungen der Vertragsbedingungen akzeptieren und/oder überhöhte Preise aufgrund einer Anbieterbindung zahlen. Begünstigt wird dies durch Produkte oder Marketingpraktiken, die darauf ausgerichtet sind, einen Lock-In-Effekt zu schaffen, und durch Märkte, denen es an Wettbewerb oder Transparenz mangelt. Dies betrifft insbesondere digitale Märkte mit geschützten Normen, die einen Mangel an Interoperabilität begünstigen.

Wenn sich Verbraucher beispielsweise für ein Mobiltelefon entscheiden, wählen sie auch den App-Store, der mit dem Betriebssystem verbunden ist. Außerdem begeben sie sich in einen pfadabhängigen Prozess, der die Lock-In-Effekte verstärkt, wenn sie weitere IoT-Produkte (Produkte des Internets der Dinge) kaufen, die nur mit ihrem mobilen Ökosystem interoperabel sind. Ist diese Entscheidung einmal getroffen, ist es für die Verbraucher schwierig, ohne finanziellen Verlust (Apps und andere (IoT-)Hardware), Zeitverlust (Wiederherstellung persönlicher Daten, Einstellungen usw.) und Datenverlust zwischen Ökosystemen zu wechseln. Weitere Beispiele sind gekaufte digitale Medien, auf die nach Beendigung des Vertrags mit dem Gewerbetreibenden nicht mehr zugegriffen werden kann, oder Fahrzeugreparaturen, die der Verbraucher in vom Autohersteller zertifizierten Werkstätten durchführen lassen muss, da nur diese Zugang zu den vollständigen Diagnosedaten haben. Verbraucher können auch an eine bestimmte (nationale) Version eines bestimmten Ökosystems gebunden sein, z. B. auf der Grundlage der bei der Registrierung des Nutzerprofils angegebenen Standortdaten, sodass die Verwendung desselben Profils in einer anderen Version der Benutzeroberfläche oder des Ökosystems mit dem Verlust aller in der ursprünglichen Version erworbenen Daten und Inhalte verbunden sein kann.

Durch Artikel 9 Buchstabe d UGPRL wird das Risiko des Lock-Ins von Verbrauchern im Allgemeinen verringert, da es den Gewerbetreibenden untersagt ist, den Verbraucher an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einem anderen Produkt oder einem anderen Gewerbetreibenden zu wechseln. Bei der Feststellung, ob eine Geschäftspraxis aggressiv ist, ist demnach abzustellen auf: „belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Gewerbetreibende den Verbraucher an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einem anderen Produkt oder einem anderen Gewerbetreibenden zu wechseln“. Diese Bestimmung hat einen breiten Anwendungsbereich, der verschiedene außervertragliche Hindernisse abdecken kann.

Der Gerichtshof hat weitere Orientierungshilfen zu einem bestimmten Szenario eines „Lock-In-Effekts“ gegeben. In der Rechtssache Sony prüfte der Gerichtshof die Geschäftspraxis des Verkaufs eines Computers mit vorinstallierter Software (einschließlich des Betriebssystems) (385). Der Gerichtshof stellte fest, dass der Verkauf eines Computers, ohne dass der Verbraucher die Möglichkeit hat, dasselbe Computermodell ohne vorinstallierte Software zu beziehen, an sich keine unlautere Geschäftspraxis im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 UGPRL darstellt, es sei denn, es liegen zusätzliche Umstände vor, die dazu führen, dass die Geschäftspraxis den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und sie in Bezug auf das Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen. Hierzu hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass ein Kopplungsangebot verschiedener Produkte oder Dienstleistungen den in der Richtlinie 2005/29/EG festgelegten Anforderungen an die Lauterkeit genügen kann, insbesondere wenn die Verbraucher ordnungsgemäß informiert werden (386). Der Gerichtshof bestätigte ferner in der Rechtssache Sony, dass es keine irreführende Geschäftspraxis im Sinne von Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe a und Artikel 7 UGPRL darstellt, wenn die Preise der verschiedenen Bestandteile der Software im Computer nicht angegeben wurden (387).

Neben dem Verbraucherschutzrecht der EU gibt es auch EU-Wettbewerbsvorschriften, mit denen Marktungleichgewichte verhindert werden sollen. Die möglichen Risiken eines Lock-Ins der Verbraucher aufgrund der mangelnden Interoperabilität von IoT-Geräten waren einer der Gründe für die am 16. Juli 2020 eingeleitete Sektoruntersuchung zum Internets der Dinge für Verbraucher (388). Zudem wird mit dem Vorschlag der Kommission für ein Gesetz über digitale Märkte das Ziel verfolgt, das Risiko von Lock-In-Effekten für Verbraucher durch neue Verpflichtungen für Gatekeeper-Plattformen einzudämmen (389).

Beim Anbieterwechsel haben Einzelpersonen gemäß Artikel 20 DSGVO und Artikel 16 Absatz 4 der Richtlinie über digitale Inhalte (390) das Recht, ihre personenbezogenen Daten und alle Inhalte, die nicht personenbezogene Daten sind und die vom Verbraucher bei der Nutzung der vom Gewerbetreibenden bereitgestellten digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen bereitgestellt oder erstellt wurden, mitzunehmen, wodurch die Auswirkungen von Lock-In-Praktiken begrenzt werden (391). Im Übrigen tragen Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben g und h und Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben r und s der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher dazu bei, dass die Verbraucher Lock-In-Situationen im Voraus erkennen können, indem der Gewerbetreibende verpflichtet wird, den Verbraucher, bevor er durch einen Vertrag gebunden ist, über die Funktionalität, Kompatibilität und Interoperabilität von Waren mit digitalen Elementen, digitalen Inhalten und digitalen Dienstleistungen zu informieren. Schließlich wird mit Artikel 3 der Geoblocking-Verordnung (392) sichergestellt, dass der Zugang zu der Online-Benutzeroberfläche gewährt wird, unabhängig von der Staatsangehörigkeit, dem Wohnsitz oder dem Ort der Niederlassung des Kunden.

4.3   Reisebranche und Verkehrssektor

4.3.1   Bereichsübergreifende Aspekte

In den Phasen vor, während und nach der Buchung von Reise- und Beförderungsleistungen kann es zu unlauteren Geschäftspraktiken kommen, z. B. zu irreführender Werbung und anderen manipulativen Geschäftspraktiken, dem Fehlen wesentlicher Informationen oder der Bereitstellung irreführender Informationen, Drip-Pricing-Praktiken, missbräuchlichen Vertragsklauseln, Problemen im Zusammenhang mit Stornierungen, unzureichender Unterstützung bei Verspätungen oder Stornierungen sowie unwirksamen Systemen zur Bearbeitung von Beschwerden.

Die UGPRL gilt nicht nur für den Gewerbetreibenden, der die Reise- und Beförderungsleistung tatsächlich erbringt, sondern auch für „ jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt “ (Artikel 2 Buchstabe b). Die Bestimmungen der UGPRL, insbesondere die in den Artikeln 6 und 7 festgelegten Informationspflichten, gelten nicht nur für Fluggesellschaften, Hotels oder Autovermietungen, sondern auch für Vermittler – wie Reiseportale, Vergleichsplattformen oder Meta-Suchmaschinen –, die als Schnittstelle zwischen diesen und den Verbrauchern fungieren.

Beispiele:

Sowohl die Fluggesellschaft als auch der Online-Reisevermittler, der Verbrauchern (393) im Namen oder im Auftrag der Fluggesellschaft Flugtickets anbietet, müssen Verbraucher darüber informieren, ob das Gepäck im Ticketpreis enthalten ist oder ob ein Aufpreis erhoben wird. Außerdem müssen sowohl die Fluggesellschaft als auch das Reisebüro Fluggäste darüber informieren, ob Flüge umgebucht oder Ticketpreise erstattet werden können.

In Artikel 7 Absatz 4 werden mehrere Informationen genannt, die bei Aufforderungen zum Kauf als wesentlich betrachtet werden (beispielsweise bei Flug- oder Bahntickets, bei Unterkünften und bei Mietwagen), wenn die Informationen nicht bereits aus dem Zusammenhang hervorgehen. Wenn diese Informationen nicht bereitgestellt werden, könnte dies unter Umständen als irreführende Unterlassung angesehen werden. Diese Bestimmung bezieht sich insbesondere auf folgende Angaben:

wesentliche Merkmale des Produkts,

Identität des Gewerbetreibenden,

Preis einschließlich Steuern,

Zahlungsmodalitäten,

Beschwerdeverfahren.

Nähere Informationen zu Aufforderungen zum Kauf sind Abschnitt 2.9.5 zu entnehmen.

Nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe b sind Gewerbetreibende verpflichtet, ihre Anschrift und ihre Identität anzugeben. Gemäß Artikel 7 Absatz 5 in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr zählt auch die E-Mail-Adresse des Gewerbetreibenden zu den wesentlichen Informationen im Sinne der UGPRL. Diese Informationen sollten leicht zu finden (d. h. nicht nur in den allgemeinen Geschäftsbedingungen oder auf getrennten Web-Seiten bzw. verlinkten Seiten enthalten) und unmittelbar und ständig verfügbar sein.

Bezüglich der Verfahren zum Umgang mit Beschwerden muss den Verbrauchern nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe d UGPRL klar sein, an wen sie Fragen oder Beschwerden richten können. Die Verbraucher müssen klare Anweisungen dazu erhalten, wie sie sich bei Problemen beschweren können; dazu ist beispielsweise eine E-Mail-Adresse oder eine Telefonnummer anzugeben.

Zu Fragen bezüglich der Sprachfassung von Geschäftsbedingungen siehe Abschnitt 2.9.3 über die Bereitstellung bestimmter Informationen in anderen Sprachen.

Gewerbetreibende – einschließlich Vermittlern zwischen Unternehmen und Verbrauchern – müssen sicherstellen, dass die Ticketpreise von Anfang an transparent sind, d. h. bereits in der Werbephase, aber auch während des Buchungsvorgangs.

Auf Fragen zur Preisdiskriminierung in Bezug auf Eintrittskarten wird in Abschnitt 4.2.8 über Preisbildung eingegangen.

Nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d und Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c muss insbesondere der Gesamtpreis jederzeit angegeben werden und alle fälligen Gebühren und Steuern enthalten, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung/Buchung unvermeidbar und vorhersehbar erhoben werden (einschließlich Zahlungsaufschlägen). So muss beispielsweise bei der Beförderung im Luftverkehr gemäß den sektorspezifischen Rechtsvorschriften (394) der zu zahlende Gesamtpreis jederzeit angegeben werden und den anwendbaren Flugpreis oder die anwendbare Luftfrachtrate sowie alle fälligen Steuern, Abgaben, Zuschläge und Gebühren enthalten, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung/Buchung unvermeidbar und vorhersehbar erhoben werden.

Die Preise für Flüge oder Hotelzimmer können sich sehr rasch ändern. Wenn einem Verbraucher ein Flugticket auf der Plattform eines Online-Reisevermittlers angezeigt wird, kann sich der Preis von dem Augenblick, in dem der Verbraucher seine Suche beginnt, bis zum Moment der Kaufentscheidung ändern. Wenn diese Preisänderungen tatsächlich auf die Dynamik des Marktes zurückzuführen sind und somit vom Online-Reisebüro nicht beeinflusst werden können, wirkt dies sich natürlich darauf aus, ob der Reisevermittler sicherstellen kann, dass der beworbene Preis jederzeit uneingeschränkt zutreffend ist. Nach der beruflichen Sorgfaltspflicht in Artikel 5 Absatz 2 UGPRL müssen Gewerbetreibende, denen die Möglichkeit plötzlicher Preisänderungen bewusst ist, die Verbraucher bei der Bewerbung von Preisen klar darauf hinweisen.

Beispiele:

Ein Gewerbetreibender, der Pauschalreisen anbietet, gab im Gesamtpreis eines Produkts den Preis einer Versicherung an. Die Versicherung war aber nicht verpflichtend, sondern optional. Eine nationale Behörde hielt diese Praxis für irreführend (395).

Dass Touristen zusätzliche Treibstoffkosten in Rechnung gestellt wurden, ohne zu erläutern, wie die betreffenden Gebühren berechnet wurden und ohne den Verbrauchern geeignete Unterlagen bereitzustellen, wurde von einer nationalen Behörde als irreführende Unterlassung, als irreführendes Verhalten und als aggressive Praxis bewertet (396).

Ein Gewerbetreibender, der Ferienwohnungen anbot, hatte bei seiner Preisangabe verpflichtende Kosten (Kosten der Endreinigung, Kurtaxe, zusätzliche Buchungsgebühren usw.) nicht angegeben. Ein nationales Gericht bewertete diese Praxis als Verstoß gegen die berufliche Sorgfaltspflicht und als irreführende Unterlassung (397).

Bietet ein Gewerbetreibender zusätzliche (optionale) Dienstleistungen zum Kauf an, so müssen die Angaben zu optionalen Gebühren gut sichtbar dargestellt werden und sie sollten sich von der Hauptdienstleistung unterscheiden. Die Gewerbetreibenden dürfen Verbraucher bezüglich des Kaufs zusätzlicher Dienstleistungen nicht irreführen. Optionale Kosten können beispielsweise Einzelzimmerzuschläge sowie die Kosten optionaler Versicherungen oder die Aufpreise für Sitzplatzreservierungen oder für die Aufgabe von Gepäck (zusätzlich zum Handgepäck) sein (398). Die Verbraucher müssen in Aufforderungen zum Kauf unterrichtet und spätestens zum Beginn des Buchungsvorgangs über fakultative Kosten informiert werden. Außerdem muss deutlich gemacht werden, dass die betreffenden Kosten fakultativ sind, und die Verbraucher dürfen bei ihrer Entscheidung über die kostenpflichtige Inanspruchnahme zusätzlicher Leistungen nicht irregeführt werden (399).

Diese Anforderungen ergeben sich insbesondere aus Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben b und d und Artikel 7 Absatz 4 Buchstaben a und c UGPRL. Praktiken, die gegen diese Prinzipien verstoßen, könnten auch als Verstöße gegen die Erfordernisse der beruflichen Sorgfaltspflicht betrachtet werden (siehe Artikel 5 Absatz 2 UGPRL).

Ergänzend zu den Vorschriften der UGPRL verbietet die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher die Verwendung von Voreinstellungen, die der Verbraucher deaktivieren muss, um zusätzliche Kosten zu vermeiden, und schreibt stattdessen vor, dass die ausdrückliche Zustimmung der Verbraucher zu zusätzlichen Kosten eingeholt werden muss. Diese Regelung gilt etwa für Voreinstellungen auf Websites. Nach Artikel 22 der Richtlinie gilt: „Hat der Unternehmer vom Verbraucher keine ausdrückliche Zustimmung eingeholt, sondern sie dadurch herbeigeführt, dass er Voreinstellungen verwendet hat, die vom Verbraucher abgelehnt werden müssen, wenn er die zusätzliche Zahlung vermeiden will, so hat der Verbraucher Anspruch auf Erstattung dieser Zahlung.“

Über den Fall der Verwendung von Voreinstellungen hinaus kommen noch weitere Fälle in Betracht, in denen Gewerbetreibende, die Leistungen online verkaufen, zusätzliche Leistungen in unklarer oder mehrdeutiger Weise anbieten (beispielsweise, wenn verborgen wird, dass weitere Leistungen nicht gekauft werden müssen; siehe auch Abschnitt 4.2.7 über Dark Patterns). Diese Geschäftspraktiken können als irreführend, aggressiv oder mit den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht nicht vereinbar betrachtet werden.

Da diese Praktiken insbesondere im Luftverkehr festgestellt wurden und da für diese Branche zusätzliche Vorschriften gelten, werden in Abschnitt 4.3.4 einige Beispiele erläutert.

4.3.2   Pauschalreisen

Die Richtlinie (EU) 2015/2302 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen (Richtlinie über Pauschalreisen) enthält Bestimmungen über die Kombination verschiedener Reiseleistungen, d. h. die Beförderung von Personen, die Unterbringung, die Vermietung von Kraftfahrzeugen (400) und andere touristische Leistungen, die Reisenden angeboten werden.

Die Richtlinie über Pauschalreisen enthält u. a. Vorschriften für vorvertragliche Informationen, die Unternehmen Reisenden bereitstellen müssen (u. a. spezifische Informationen über die in einer Pauschalreise enthaltenen Leistungen und der Gesamtpreis des Pauschalangebots einschließlich Steuern und ggf. sämtlicher zusätzlicher Gebühren, Aufschläge und sonstiger Kosten). Nach der Richtlinie müssen Gewerbetreibende Reisende gut sichtbar darüber informieren, ob die angebotenen Leistungen ein Pauschalangebot darstellen oder als verbundene Reiseleistungen zu betrachten sind, bei denen ein geringerer Schutz besteht; außerdem müssen sie auf Standardinformationsblättern das Schutzniveau des jeweiligen Angebots erläutern.

Darüber hinaus sind Unternehmen verpflichtet, Reisende über optionale oder verpflichtende Reiserücktrittsversicherungen und über die Kosten einer Unterstützung bei Unfall, Krankheit oder Tod zu unterrichten.

Die Richtlinie über Pauschalreisen steht der Anwendung der UGPRL auf Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen in Ergänzung zu ihren besonderen Vorschriften nicht entgegen.

4.3.3   Teilzeitnutzungsverträge

Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates („Timesharing-Richtlinie“) (401) garantiert Verbrauchern bestimmte Rechte im Zusammenhang mit Teilzeitnutzungsverträgen und mit Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie mit Wiederverkaufs- und Tauschverträgen. Insbesondere enthält die Richtlinie:

strenge Vorschriften über vorvertragliche und vertragliche Informationspflichten von Gewerbetreibenden,

Bestimmungen über das Recht der Verbraucher auf Rücktritt von einem Vertrag innerhalb von 14 Kalendertagen,

das Verbot von Anzahlungen während der Widerrufsfrist,

das Verbot der Bewerbung und des Verkaufs der betreffenden Produkte als Investition.

Die UGPRL schützt Verbraucher ergänzend zur Timesharing-Richtlinie.

Die durchgeführten Untersuchungen zur Ergänzung des Evaluierungsberichts der Kommission über die Timesharing-Richtlinie (402) deuten auf bestimmte häufig auftretende Probleme in dieser Branche hin, insbesondere an einigen beliebten Urlaubszielen in einigen EU-Mitgliedstaaten:

irreführende Informationen vor Unterzeichnung des Vertrags, mit denen Käufern der falsche Eindruck vermittelt wird, dass die Auswahl verfügbarer Unterkünfte praktisch unbeschränkt sei oder dass ein Vertrag leicht verkauft oder umgetauscht werden könne, die Verbraucher stellen oft erst einige Zeit nach der Vertragsunterzeichnung fest, dass diese Informationen nicht zutreffend sind,

aggressive Verkaufsmethoden, bei denen potenzielle Käufer erheblich unter Druck gesetzt werden, z. B., indem sie in einen Raum „eingeschlossen“ werden, in dem endlose Präsentationen laufen und den sie in einzelnen Fällen erst dann verlassen dürfen, wenn sie einen Vertrag unterzeichnet haben.

Die UGPRL regelt diese Praktiken mit ihren Bestimmungen über irreführende Handlungen (insbesondere Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b) und über aggressive Geschäftspraktiken (Artikel 8 und 9).

Außerdem deutet der Bericht der Kommission über die Timesharing-Richtlinie darauf hin, dass Verbraucher vielfach Probleme bei der Kündigung der Teilzeitnutzungsverträge haben. In dem Bericht wird der Schluss gezogen, dass dieses Problem durch nationale Rechtsvorschriften und durch eine bessere Durchsetzung der geltenden Rechtsinstrumente der EU im Bereich des Verbraucherschutzes wirksam unterbunden werden könne.

4.3.4   Für den Luftverkehr relevante Aspekte

Bei der Werbung für Flugoptionen müssen die Gewerbetreibenden sicherstellen, dass Aussagen über die Verfügbarkeit von Sitzplätzen und Flügen (z. B. „letztes verfügbares Ticket“) klar und wahrheitsgemäß gemacht werden. Diese Angaben umfassen gegebenenfalls einschlägige Erläuterungen (z. B. „letztes verfügbares Ticket auf dieser Website zu diesem Preis“). Wenn mit bestimmten Preisen für Flugoptionen geworben wird (z. B. „Preise ab 19,99 EUR“), muss der beworbene Preis in Mengen verfügbar sein, die im Hinblick auf die Reichweite der Werbung angemessen sind. Außerdem dürfen Gewerbetreibende Angebote nur dann als zeitlich begrenzt darstellen, wenn sie danach nicht mehr zum gleichen Preis erhältlich sind.

Neben den Bedenken hinsichtlich der beruflichen Sorgfaltspflicht nach Artikel 5 Absatz 2 UGPRL und den irreführenden Geschäftspraktiken nach den Artikeln 6 und 7 UGPRL könnten die oben genannten Geschäftspraktiken unter die Verbote in Anhang I Ziffer 5 (Lockangebote), Ziffer 7 (falsche oder irreführende Angaben zur Knappheit) und Ziffer 18 (falsche Informationen über die Marktbedingungen oder die Möglichkeit, das Produkt zu finden) fallen.

Bei einem Flug könnten „wesentliche Merkmale“ im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a UGPRL etwaige Zwischenlandungen, die genaue Angabe des Bestimmungsortes eines Flugs und die voraussichtliche Flugdauer sein.

Dies gilt insbesondere für Fluggesellschaften, die Flüge von Flughäfen anbieten, die sich in einer bestimmten Entfernung von einer größeren Stadt befinden, aber in ihrer Werbung den Namen dieser Stadt verwenden. Manchmal können derartige Geschäftspraktiken Verbraucher hinsichtlich der tatsächlichen Lage des Flughafens irreführen und sind geeignet, Verbraucher zu geschäftlichen Entscheidungen zu veranlassen, die sie ansonsten nicht getroffen hätten. Manche Verbraucher würden vielleicht einen höheren Preis zahlen, wenn sie dafür an einem Flughafen näher am gewünschten Zielort ankämen.

Beispiele:

Wenn als Zielflughafen „Barcelona“ angegeben wird, obwohl sich der Flughafen tatsächlich in Reus befindet (d. h. 100 km von Barcelona entfernt), ist dies wahrscheinlich als Täuschung anzusehen.

Zusätzlich zu den Anforderungen von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d und Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c UGPRL, nach denen der Preis einschließlich aller unvermeidbarer Gebühren und Steuern anzugeben ist, heißt es in Artikel 23 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 über Luftverkehrsdienste: „Der zu zahlende Endpreis ist stets auszuweisen und muss den anwendbaren Flugpreis beziehungsweise die anwendbare Luftfrachtrate sowie alle anwendbaren Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind, einschließen.

Darüber hinaus schreibt die Verordnung Folgendes vor:

der Endpreis ist nach Bestandteilen aufzuschlüsseln (z. B. Flugpreise, Steuern, Flughafen- und sonstige Entgelte und andere Gebühren und Zuschläge),

fakultative Zusatzkosten müssen am Beginn jedes Buchungsvorgangs klar, transparent und eindeutig mitgeteilt werden,

die Annahme der fakultativen Zusatzkosten durch den Kunden erfolgt auf „Opt-in“-Basis.

Der Gerichtshof hat klargestellt, dass zu den unvermeidbaren und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbaren Bestandteilen des Endpreises im Sinne von Artikel 23 Absatz 1 die Gebühren für den Check-in für Fluggäste, deren Zahlung nicht vermieden werden kann, da es keine andere Möglichkeit gibt, kostenlos einzuchecken, die auf Tarife für Inlandsflüge erhobene Mehrwertsteuer und die Verwaltungsgebühren für Käufe mit einer anderen als der von der Fluggesellschaft bevorzugten Kreditkarte gehören. Im Gegensatz dazu umfassen fakultative Zusatzkosten die Gebühren für den Check-in für Fluggäste, die durch eine kostenlose Möglichkeit des Check-ins vermieden werden können, sowie die Mehrwertsteuer, die auf fakultative Zusatzkosten für Inlandsflüge erhoben wird (403).

Wenn Online-Anbieter von Reiseleistungen gegen die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher oder die Verordnung über Luftverkehrsdienste verstoßen, könnten Elemente der als Verstoß bewerteten Praktiken, die durch Artikel in diesen sektorbezogenen Rechtsinstrumenten nicht speziell geregelt werden, als unlauter nach der UGPRL betrachtet werden, wenn sie geeignet sind, den Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Dies ist jedoch im Einzelfall zu prüfen.

Beispiele:

Ein Gewerbetreibender verwendet Auswahlkästchen mit Voreinstellungen oder bietet zusätzliche Leistungen in unklarer oder mehrdeutiger Art und Weise an, indem er verbirgt, dass weitere Leistungen nicht gebucht werden müssen oder indem er es den Verbrauchern erschwert, die voreingestellten Zusatzleistungen zu deaktivieren. Durch dieses Verhalten könnte der Gewerbetreibende Verbraucher veranlassen, zusätzliche Leistungen anzunehmen, die sie ansonsten nicht ausgewählt hätten.

Meist sind die Kosten einer Reiseversicherung im Preis des Flugtickets nicht enthalten. Wenn von Verbrauchern, die keine Reiseversicherung abschließen möchten, verlangt wird, dass sie beim Buchen eines Flugtickets mit einem Mausklick die Einstellung „Keine Versicherung“ aktivieren, könnte diese Praxis unter Artikel 22 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher und unter Artikel 23 Absatz 1 der Verordnung über Luftverkehrsdienste fallen. Selbst vor dem Inkrafttreten der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher waren einige nationale Behörden bereits nach Maßgabe der UGPRL gegen derartige Praktiken vorgegangen. Die Praxis, dass von Verbrauchern, die keine Reiseversicherung abschließen möchten, beim Buchen eines Flugtickets verlangt wird, dass sie die in einer Liste potenzieller Wohnsitzländer verborgene Option „Keine Versicherung“ auswählen, wurde ebenfalls als unlauter beurteilt, weil sie mit den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht nicht vereinbar (Artikel 5 Absatz 2 UGPRL) oder irreführend (Artikel 6 und 7 UGPRL) war.

Die Informationsanforderungen der Verordnung über Luftverkehrsdienste werden als wesentliche Informationen im Sinne von Artikel 7 Absatz 5 UGPRL betrachtet. Diese Informationsanforderungen kommen zu den Anforderungen der UGPRL nach Artikel 7 Absatz 4 hinzu und betreffen den Gesamtpreis von Flugtickets einschließlich der Angabe, ob die Verbraucher am Abflug-/Zielflughafen ein Flughafenentgelt zahlen müssen. Außerdem ist, wie bereits in Abschnitt 1.2.1 erläutert, darauf hinzuweisen, dass in Fällen, in denen sich sektorbezogene Vorschriften und andere EU-Rechtsvorschriften mit den Bestimmungen der UGPRL überschneiden, die entsprechenden Bestimmungen der Lex specialis vorgehen.

Informationen über verpflichtende Gebühren, die nach dem Buchungsvorgang zu zahlen sind, beispielsweise unmittelbar am Flughafen (z. B. Flughafenentgelte, die bei allen Fluggästen erhoben werden, die von bestimmten Flughäfen abfliegen, etwa in Irland und in England), müssen angegeben und sollten von der Fluggesellschaft oder dem Reisevermittler zu Beginn des Buchungsvorgangs gut sichtbar angezeigt werden.

Wenn Fluggesellschaften oder Vermittler, die Flugtickets verkaufen, einen zu zahlenden Aufschlag an das verwendete Zahlungsmittel knüpfen, muss der Grundpreis die Kosten des am häufigsten verwendeten Zahlungsverfahrens und, wie in der Rechtssache Ryanair (404) klargestellt, die Verwaltungsgebühren für Käufe mit einer anderen als der von der Fluggesellschaft bevorzugten Kreditkarte beinhalten. Wenn diese Aufschläge nicht im Voraus berechnet werden können, müssen die Verbraucher angemessen über die Art der Preisberechnung oder zumindest darüber informiert werden, dass diese Kosten anfallen können.

Beispiele:

Wenn bei Zahlung mit der Kundenkarte einer Fluggesellschaft eine Gebühr von nur 1,50 EUR anfällt, während bei der Zahlung mit einer Kreditkarte 6 EUR berechnet werden, muss der in der Aufforderung zum Kauf und zu Beginn des Buchungsvorgangs genannte Preis die Kreditkartenkosten beinhalten – zumal die meisten Verbraucher wahrscheinlich nicht über eine Kundenkarte der Fluggesellschaft verfügen.

Außerdem ist nach Artikel 19 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher verboten, dass Gewerbetreibende von Verbrauchern für die Nutzung von Zahlungsmitteln Entgelte verlangen, die über die Kosten hinausgehen, die dem Unternehmer für die Nutzung solcher Zahlungsmittel entstehen. Dies sollte auf Entgelte jeder Art angewendet werden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Zahlungsmittel stehen, und zwar unabhängig davon, wie diese den Verbrauchern präsentiert werden.

Beispiele:

Als Verwaltungs-, Buchungs- oder Bearbeitungsgebühren bezeichnete Gebühren, die beim Online-Verkauf von Tickets allgemein üblich sind, insbesondere bei Fluggesellschaften und bei Fährschiffbetreibern sowie beim Online-Verkauf von Veranstaltungstickets, unterliegen Artikel 19, wenn sie mit einem bestimmten Zahlungsmittel umgangen werden können.

Gemäß Artikel 23 Absatz 1 der Verordnung über Luftverkehrsdienste müssen die der Öffentlichkeit zugänglichen Flugpreise und Luftfrachtraten, die in jedweder Form veröffentlicht werden, die anwendbaren Tarifbedingungen einschließen. Der Gerichtshof hat auch in der Rechtssache Air Berlin (405) klargestellt, dass Online-Buchungssysteme nach Artikel 23 Absatz 1 der Verordnung über Luftverkehrsdienste verpflichtet sind, den Verbrauchern den zu zahlenden Endpreis auszuweisen, wenn Preise für Flugdienste angezeigt werden.

Ebenso sollten Informationen über die Gepäckbestimmungen, einschließlich der Freimenge für Handgepäck, der Größe des Gepäcks und aller anfallenden Gebühren, gut sichtbar ausgewiesen werden. Etwaige Zusatzkosten oder Gebühren müssen auf klare Weise mitgeteilt werden (406). Änderungen an bereits bestehenden Gepäckbestimmungen müssen den Verbrauchern ordnungsgemäß mitgeteilt werden, um sie nicht irrezuführen, insbesondere gemäß Artikel 7 Absätze 1, 4 und 5 UGPRL. Ein Durchschnittsverbraucher kann vernünftige Erwartungen an die Gepäckbestimmungen haben, z. B. die Berücksichtigung von Standard-Handgepäck, das in Bezug auf Gewicht und Abmessungen vernünftigen Anforderungen entspricht, im Preis für das Flugticket (407).

Beispiele:

Ein nationales Gericht ordnete an, dass eine Fluggesellschaft einem Kunden, der für die Mitnahme eines Handgepäcks ohne gesondertes Ticket zur Kasse gebeten wurde, das Geld zurückerstatten muss, und forderte die Fluggesellschaft auf, die entsprechende Klausel aus ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen zu streichen. Die Fluggesellschaft erlaubte nur kleine Taschen in der Kabine, wenn sie unter dem Vordersitz verstaut werden konnten. Für größere Taschen bis zu 10 kg musste eine Gepäckgebühr gezahlt oder eine gebührenpflichtige Priority-Bordkarte erworben werden. Das Gericht urteilte, dass die Handgepäckregelung ein schwerwiegendes Missverhältnis in den Vertragsbeziehungen der Parteien zum Nachteil des Verbrauchers verursachte (408).

Nach Artikel 23 Absatz 1 der Verordnung über Luftverkehrsdienste müssen die fakultativen Zusatzkosten für die Sitzauswahl (die Alternative ist die zufällige Zuweisung von Sitzen in verschiedenen Bereichen des Luftfahrzeugs) auf klare, transparente und eindeutige Art und Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitgeteilt werden.

Nach der UGPRL müssen Gewerbetreibende, wenn sie mit einem bestimmten Flugticket werben, auch die Rücktrittsbedingungen für dieses Ticket angeben (beispielsweise, ob der Kaufpreis erstattet wird oder ob umgebucht werden kann). Die gilt insbesondere, wenn die Fluggesellschaft/der Reisevermittler dem Verbraucher bei einem Rücktritt Verwaltungsgebühren in Rechnung stellt, die höher sind als der eigentliche Ticketpreis. Wenn die von Fluggesellschaften berechneten Rücktrittsgebühren höher sind als die Ticketpreise, ist der Hinweis eines Gewerbetreibenden auf eine Rücktrittsmöglichkeit möglicherweise irreführend.

Außerdem dürfen eingerichtete Verfahren es den Verbrauchern nicht erschweren, nicht mehr fällige Steuern und Abgaben zurückzuverlangen. Ansonsten könnte ein Verstoß gegen die Erfordernisse der beruflichen Sorgfaltspflicht im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 UGPRL und eine aggressive Geschäftspraxis nach den Artikeln 8 und 9 und insbesondere nach Artikel 9 Buchstabe d UGPRL gegeben sein.

Im Falle von Flugannullierungen durch die Fluggesellschaft muss diese die Fluggäste auf klare Art und Weise über die geltenden Fluggastrechte gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über Fluggastrechte und die entsprechenden Verfahren, die vom Verbraucher einzuhalten sind, informieren, Das Versäumnis, diese Informationen rechtzeitig und eindeutig zur Verfügung zu stellen, könnte auf einen Verstoß gegen die Erfordernisse der beruflichen Sorgfaltspflicht gemäß Artikel 5 Absatz 2 UGPRL hindeuten und kann daher als irreführend im Sinne der UGPRL angesehen werden. Beispielsweise sollten Informationen über die geltenden Rechte und Verfahren klar dargestellt werden, wobei die verschiedenen gesetzlichen Möglichkeiten, die der Fluggast im Falle einer Verspätung/Annullierung eines Fluges hat, in gleicher Weise hervorgehoben werden sollten. Sie sollten dem Fluggast zeitnah und auf benutzerfreundliche Art und Weise mitgeteilt werden, z. B. in Form eines Hyperlinks in einer E-Mail oder in einer SMS-Mitteilung.

Beispiele:

Im Jahr 2017 ergriffen mehrere Durchsetzungsbehörden Maßnahmen als Reaktion auf die massenhafte Annullierung von Flügen durch eine Fluggesellschaft infolge von Streiks der Besatzung und des Luftfahrtpersonals. Es wurde festgestellt, dass die Fluggesellschaft bei der Unterrichtung der Fluggäste über die Annullierung irreführend gehandelt hat, da sie keine vollständigen und angemessenen Informationen über die Rechte der Verbraucher auf Entschädigung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zur Verfügung gestellt hatte. Die Fluggesellschaft wurde von mehreren Behörden aufgefordert, die Verbraucher über die aus der Annullierung resultierenden Rechte und die einzuhaltenden Verfahren zu informieren (409).

Im Jahr 2020 legte die Kommission als Reaktion auf die massiven Annullierungen aufgrund der COVID-19-Pandemie zusätzliche Leitlinien über Passagierrechte in der Union sowie eine Empfehlung zu Gutscheinen vor (410). Bei Annullierungen durch die Fluggesellschaft muss das Beförderungsunternehmen den Passagieren die Kosten erstatten oder sie anderweitig befördern. Die Erstattung in Form eines Gutscheins unterliegt der Zustimmung des Fluggasts. Beschließen die Fluggäste selbst, ihre Reise zu stornieren, wird die Erstattung des Flugtickets (in Barmitteln oder in Form eines Gutscheins) nicht durch die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 geregelt und hängt daher von den Geschäftsbedingungen des Luftfahrtunternehmens ab (411).

Im Jahr 2021 verhängte eine Verbraucherschutzbehörde gegen drei Fluggesellschaften Geldbußen in Höhe von insgesamt 8,4 Millionen EUR wegen Verstößen gegen die UGPRL im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. Es wurde festgestellt, dass die Fluggesellschaften gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen hatten, als sie in Zeiten, in denen die Reisebeschränkungen aufgehoben waren, weiterhin Flüge aus gesundheitlichen Gründen stornierten und Gutscheine ausstellten, anstatt den Fluggästen die Erstattung ihrer Tickets anzubieten. Die Behörde stellte ferner fest, dass die Fluggesellschaften irreführende Informationen lieferten und Unterlassungen vornahmen, u. a. durch Verfahren, die die Verbraucher dazu veranlassten oder zwangen, sich für Gutscheine, statt für eine Erstattung in Geld zu entscheiden. Bei einigen der mit einer Geldbuße belasteten Fluggesellschaften wurde festgestellt, dass sie den Inhabern von Gutscheinen zusätzliche Hindernisse in den Weg legten, indem sie beispielsweise verlangten, dass sie eine Telefonnummer anrufen, um ihre Gutscheine einzulösen (412).

Das CPC-Netz der Verbraucherschutzbehörden führte im Jahr 2021 eine koordinierte Erhebung bei einer Reihe von Fluggesellschaften durch und befragte sie zu ihren Praktiken bei der Annullierung von Flügen und der Erstattung der Ticketpreise während der COVID-19-Pandemie. Dabei ermittelte das Netz problematische Praktiken in der gesamten Branche. Insbesondere stellte es fest, dass den Verbrauchern Erstattungen oft weniger deutlich präsentiert wurden als Gutscheine und dass die Fluggesellschaften die betroffenen Verbraucher nicht proaktiv über ihre Rechte, einschließlich der in der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vorgeschriebenen Informationen, informierten (413).

Die Praktiken im Zusammenhang mit der Berichtigung von Namen auf Flugtickets sollten transparent und verhältnismäßig sein und den Umständen des Falls Rechnung tragen. Abgesehen von den Bedenken hinsichtlich des irreführenden Charakters der Geschäftspraktiken kann die Erhebung zusätzlicher Gebühren in einigen Fällen eine aggressive Geschäftspraxis im Sinne der Artikel 8 und 9 darstellen, insbesondere wenn der Verbraucher erst am Flughafen über solche Gebühren informiert wird, wenn der Abflug unmittelbar bevorsteht. Ergibt sich die Geschäftspraxis aus Vertragsklauseln, kann die Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln anwendbar sein (siehe Abschnitt 1.2.4).

Beispiele:

Eine Verbraucherschutzbehörde verhängte eine Geldbuße gegen eine Fluggesellschaft, da diese den Verbrauchern eine Strafe auferlegt hatte, die zunächst in der Zahlung eines neuen Flugtickets bestand, um die bereits erworbene Dienstleistung in Anspruch nehmen zu können, worauf eine Gebühr von 50 EUR pro Strecke folgte, wenn der Name des Fluggastes bei der Buchung nicht ordnungsgemäß erfasst wurde, insbesondere wenn ein zweiter Vorname oder ein Nachname fehlte oder einzelne Buchstaben vertauscht wurden. Die Fluggesellschaft informierte nicht im Voraus über die Folgen einer unvollständigen Erfassung der Daten, und einige Unstimmigkeiten waren auf das System der Fluggesellschaft selbst zurückzuführen, z. B. auf den begrenzten Platz, der für die Eingabe aller Namen von Fluggästen zur Verfügung stand, oder auf die fehlerhafte Anpassung der Benutzeroberflächen an die Websites von Vermittlern (414).

4.3.5   Besonders relevante Aspekte bei Mietwagen

Die Bestimmungen der UGPRL gelten sowohl für die Gewerbetreibenden, die Autos vermieten, als auch für Vermittler wie Buchungswebsites oder Vergleichsportale. Im Jahr 2017 erhielten die Kommission und die nationalen Behörden von fünf Autovermietungen im Einklang mit dem EU-Verbraucherrecht Zusagen in Bezug auf folgende Praktiken: (415)

alle Kosten sind im Gesamtpreis enthalten: Der auf der Website angegebene Preis muss mit dem Endpreis, den die Verbraucher zahlen müssen, übereinstimmen, einschließlich aller zusätzlichen Kosten, z. B. spezifische Betankungsgebühren, Flughafengebühren, Zuschläge für „junge Fahrer“ oder die „Einweggebühr“, wenn das gemietete Fahrzeug nicht an derselben Stelle abgegeben wird, wo es abgeholt wurde,

klare Beschreibung der wichtigsten Leistungen der Vermietung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen in allen Landessprachen, insbesondere der wesentlichen Merkmale der Anmietung, z. B. inbegriffene Kilometer, Tankregelung, Stornierungsbedingungen und Kautionsvorschriften usw.,

klare Informationen im Preisangebot über den Preis und die Einzelheiten von Zusatzleistungen, insbesondere für Zusatzversicherungen, die den im Schadensfall fälligen Betrag und insbesondere die Kosten, die der Fahrer möglicherweise noch zu zahlen hat, verringern.

Gewöhnlich stellen Autovermietungen Fahrzeuge mit vollem Tank bereit und verlangen von den Verbrauchern, dass sie die Fahrzeuge am Ende der Mietdauer auch wieder mit vollem Tank zurückgeben. Verbraucher hatten sich jedoch darüber beschwert, dass einige Gewerbetreibende ihnen zusätzliche Kosten für die Tankfüllung berechneten, als sie das Fahrzeug übernahmen, anschließend aber erwarteten, dass die Verbraucher das Fahrzeug mit leerem Tank zurückgaben, ohne ihnen jedoch eine Entschädigung zu leisten, wenn der Tank bei der Rückgabe nicht leer war.

Nach der UGPRL können solche Geschäftspraktiken vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung als unlauter angesehen werden, wenn die Gewerbetreibenden die Informationspflichten der Artikel 6 und 7 der Richtlinie nicht erfüllen. Wenn Autovermietungen ein Fahrzeug mit vollem Tank vermieten, könnte der Hinweis, dass die Verbraucher den Kraftstoff bei Übernahme bezahlen müssen, unter Umständen als wesentliche Information nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben b und d, Artikel 7 Absatz 1 und Artikel 7 Absatz 4 Buchstaben a und c UGPRL betrachtet werden. Die Kosten sind nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d und Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c UGPRL wahrscheinlich als nicht fakultativ und somit als Bestandteil des Gesamtpreises des jeweiligen Produkts anzusehen; daher müssen die betreffenden Angaben zu Beginn des Buchungsvorgangs bereitgestellt werden.

Eine Geschäftspraxis, bei der Verbraucher erheblich mehr Kraftstoff bezahlen müssen als sie tatsächlich verbrauchen, könnte zudem unter Umständen gegen die Erfordernisse der beruflichen Sorgfaltspflicht nach Artikel 5 Absatz 2 UGPRL verstoßen.

Beispiele:

Die Mietdauer und die lokalen Gegebenheiten könnten bei der Beurteilung berücksichtigt werden, ob die Praxis der Berechnung einer vollen Tankfüllung eine unlautere Geschäftspraxis darstellt. Aufgrund der Tatsache, dass ein Fahrzeug kurzzeitig vermietet wird (z. B. für zwei oder drei Tage), oder der geografischen Lage (z. B. Vermietung auf einer kleinen Insel) dürfte unwahrscheinlich sein, dass die Verbraucher überhaupt eine vollständige Tankfüllung benötigen.

Nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben b und d und nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstaben a und c sind Verbraucher eindeutig über die wesentlichen Merkmale und den Preis eines Vermietungsangebots zu informieren. Die wesentlichen Merkmale und der Preis eines Mietwagenvertrags könnten beispielsweise Angaben über den Fahrzeugtyp, die Kosten, den Umfang von Haftungsausschlüssen und Selbstbehalten und mögliches Zubehör (z. B. Winterreifen und Kindersitze) umfassen.

Beispiele:

Es könnte irreführend sein, wenn ein Gewerbetreibender mit der Behauptung „0 Haftung“ wirbt, tatsächlich aber selbst bei geringen Schäden grundsätzlich ein Selbstbehalt des Verbrauchers fällig wird.

Die Behauptung „einschließlich Vollkasko“ könnte irreführend sein, wenn die Versicherung beispielsweise keine Schäden am Dach und an der Windschutzscheibe abdeckt.

Autovermietungen müssen ferner besondere nationale und lokale Anforderungen berücksichtigen.

Beispiele:

Nach nationalem Recht kann es vorgeschrieben sein, dass alle Fahrzeuge im Winter mit Winterreifen ausgerüstet sein müssen. Ein Unternehmen, das in diesem Mitgliedstaat im Winter Autos vermietet, muss seine Fahrzeuge daher mit Winterreifen ausrüsten. Wenn für die Winterreifen zusätzliche Kosten berechnet werden, sind die Verbraucher zu Beginn des Buchungsvorgangs über diese nicht fakultativen Kosten zu unterrichten.

4.3.6.   Besonders relevante Aspekte bei Reiseportalen

Die UGPRL gilt nicht nur für Gewerbetreibende, die Reisedienstleistungen anbieten, sondern auch für Vermittler wie Reiseportale (416), die die in den vorangegangenen Abschnitten behandelten zentralen Bestimmungen einhalten müssen. Die Verbraucher müssen wesentliche Informationen über die Identität des Gewerbetreibenden, seine Kontaktdaten, die geltenden Rücktrittsbedingungen und zentrale Aspekte der Reisesicherheit erhalten, z. B. ob die Unterkünfte für Touristen mit Rauch- und Kohlenmonoxiddetektoren ausgestattet sind oder ob Personenbeförderungsdienste mit Fahrzeugen angeboten werden, die angemessen geprüft und versichert sind.

Im Jahr 2019 erhielten die Kommission und die nationalen Behörden im Einklang mit dem EU-Verbraucherrecht Zusagen von Airbnb in Bezug auf folgende Praktiken: (417)

die Verbraucher müssen auf der Ergebnisseite den Gesamtpreis sehen, einschließlich aller fälligen obligatorischen Gebühren und Abgaben (z. B. Servicegebühren, Reinigungsgebühren und lokale Steuern),

es wird deutlich ausgewiesen, ob eine Unterkunft von einem privaten oder einem gewerblichen Anbieter auf den Markt gebracht wird,

auf der Website wird ein leicht zugänglicher Link zur Plattform für die Online-Streitbeilegung (418) geboten sowie alle erforderlichen Informationen im Zusammenhang mit der Streitbeilegung zur Verfügung gestellt,

es wird klargestellt, dass die Verbraucher das Recht haben, vor den Gerichten ihres Wohnsitzlandes zu klagen, und es wird das Recht gewahrt, einen Gastgeber im Fall eines persönlichen Schadens oder sonstiger Schäden zu verklagen,

die Geschäftsbedingungen werden nicht einseitig geändert, ohne die Verbraucher vorab klar zu informieren und ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, den Vertrag zu stornieren.

Im Jahr 2020 erhielten die Kommission und die nationalen Behörden im Einklang mit dem EU-Verbraucherrecht Zusagen von Booking und Expedia, unter anderem in Bezug auf folgende Praktiken: (419)

Sicherstellung einer klaren Darstellung von Preisnachlässen und Rabatten – dies umfasst auch, dass Preise, die in Bezug auf verschiedene Beherbergungsdaten berechnet wurden, nicht als Rabatt dargestellt werden (z. B. durch Durchstreichen oder Begriffe wie „% Rabatt“), und klare Kennzeichnung, wenn niedrigere Preise nur für Mitglieder von Prämienprogrammen gelten,

klare Darstellung, wenn Zahlungen, die Anbieter von Unterkünften erhalten haben, sich auf die Platzierung in den Suchergebnissen ausgewirkt haben, und die Informationen sollten nur dann in die Suchergebnisse aufgenommen werden, wenn sie den Suchkriterien entsprechen (z. B. wenn in den Ergebnissen Hotels angezeigt werden, die zu den angegebenen Terminen nicht verfügbar sind, sollten sie nur in einer angemessenen Weise dargestellt werden),

klare Angaben über die Anzahl der Besucher und die Verfügbarkeit von Zimmern mit den entsprechenden Erläuterungen, z. B. „begrenzte Anzahl von Zimmern auf dieser Website“ oder „zu diesen Aufenthaltsdaten“,

keine Darstellung eines Angebots als zeitlich begrenzt, wenn es danach auch zum gleichen Preis erhältlich ist,

keine Beschränkung oder keinen völligen Ausschluss der Haftung im Zusammenhang mit der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen, und keine allgemeine und absolute Verpflichtung des Verbrauchers, die Haftung für alle denkbaren Risiken zu übernehmen.

4.4   Finanzdienstleistungen und Immobilien

Artikel 3 Absatz 9

Im Zusammenhang mit „Finanzdienstleistungen“ im Sinne der Richtlinie 2002/65/EG und Immobilien können die Mitgliedstaaten Anforderungen stellen, die im Vergleich zu dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich restriktiver und strenger sind.

Erwägungsgrund 9

Für Finanzdienstleistungen und Immobilien sind aufgrund ihrer Komplexität und der ihnen inhärenten ernsten Risiken detaillierte Anforderungen erforderlich, einschließlich positiver Verpflichtungen für die betreffenden Gewerbetreibenden. Deshalb lässt diese Richtlinie im Bereich der Finanzdienstleistungen und Immobilien das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher über ihre Bestimmungen hinauszugehen.

4.4.1   Bereichsübergreifende Aspekte

Zur Erläuterung des Beweggrundes für Artikel 3 Absatz 9 der Richtlinie wurde im Bericht der Kommission von 2013 über die Anwendung der UGPRL (420) festgestellt:

„Die Hauptgründe hierfür sind: höhere finanzielle Risiken bei Finanzdienstleistungen und Immobilien (im Vergleich zu anderen Waren und Dienstleistungen), die Unerfahrenheit der Verbraucher in diesen Bereichen (gepaart mit mangelnder Transparenz, insbesondere bei Finanzgeschäften), besondere Merkmale in beiden Sektoren, die Verbraucher sowohl für absatzfördernde Praktiken als auch für Druck anfällig machen, die Erfahrung der zuständigen Durchsetzungsbehörden mit einem auf nationaler Ebene gewachsenen System und letztlich die Funktionsweise und Stabilität der Finanzmärkte selbst.“

Nach Artikel 3 Absatz 9 UGPRL sehen die dort enthaltenen Bestimmungen eine Mindestangleichung nur für die Bereiche Finanzdienstleistungen und Immobilien vor. Daher können die Mitgliedstaaten strengere oder restriktivere nationale Vorschriften erlassen, wenn diese Vorschriften mit den geltenden Rechtsvorschriften der EU vereinbar sind.

In der Rechtssache Citroën Belux gelangte der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die Mitgliedstaaten Kopplungsangebote an Verbraucher allgemein verbieten können, wenn mindestens ein Bestandteil eine Finanzdienstleistung ist (421). In dieser Sache bestand das Kopplungsangebot von Citroën im Abschluss einer sechsmonatigen kostenlosen Vollkaskoversicherung beim Kauf eines Citroën-Neufahrzeugs. Außerdem stellte der Gerichtshof in Bezug auf Artikel 3 Absatz 9 klar:

„… Er enthält keine Begrenzung im Hinblick darauf, wie restriktiv die nationalen Vorschriften insoweit sein dürfen, und sieht keine Kriterien im Hinblick auf das Ausmaß der Komplexität oder der Risiken vor, die die Dienstleistungen aufweisen müssen, um strengeren Vorschriften zu unterliegen.“ (422)

Die Untersuchung der Kommission über die Anwendbarkeit der UGPRL auf die Bereiche Finanzdienstleistungen und Immobilien hat ergeben, dass die Ausnahmeregelung von Mitgliedstaaten in großem Umfang in Anspruch genommen wurde (423). Die Untersuchung zeigt, dass die meisten zusätzlichen Vorschriften aus sektorbezogenen vorvertraglichen und vertraglichen Informationsanforderungen bestehen (424). Außerdem wurde festgestellt, dass eine beträchtliche Anzahl an Verboten in erster Linie Direktverkäufe und Werbepraktiken (425) sowie Praktiken unter Ausnutzung besonderer Schutzbedürftigkeit (426) oder die Vermeidung von Interessenkonflikten (427) betreffen.

Im Bericht der Kommission über die Anwendung der UGPRL wurde festgestellt, dass unbeschadet umfangreicher nationaler Rechtsvorschriften in mindestens der Hälfte aller Fälle im Zusammenhang mit unlauteren Geschäftspraktiken in den Bereichen Finanzdienstleistungen und Immobilien auf die UGPRL Bezug genommen wurde (428).

Im Bereich Immobilien und Finanzdienstleistungen scheint Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a UGPRL mit den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht für Gewerbetreibende im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern besonders relevant zu sein (429). Wenn ein Gewerbetreibender nicht mit dem Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt handelt, der von in diesen Bereichen gewerblich tätigen Personen vernünftigerweise erwartet werden kann, erleiden die Verbraucher unter Umständen erhebliche wirtschaftliche Nachteile.

Die am häufigsten genannte unlautere Praxis (im Sinne der UGPRL) im Zusammenhang sowohl mit Finanzdienstleistungen (430) als auch mit dem Immobilienbereich betreffen das Fehlen wesentlicher Informationen in der Werbephase und irreführende Produktbeschreibungen (431). Bei Online-Angeboten können Informationen über die wesentlichen Merkmale des Verbraucherkredits fehlen, oder die anfänglich angezeigten Kreditkosten enthalten nicht alle anfallenden Gebühren oder sind auf unklare, unverständliche und zweideutige Weise dargestellt, wie dies in Artikel 7 Absätze 1, 2 und 4 UGPRL vorgeschrieben ist (432). Diese Geschäftspraktiken können auch mit Verstößen gegen andere Verbraucherschutzvorschriften einhergehen, insbesondere gegen die Verbraucherkreditrichtlinie und die Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln.

4.4.2   Besondere Aspekte bei Immobilien

Der Immobilienbereich wird gewöhnlich auf nationaler Ebene geregelt. Für einige wichtige Aspekte bestehen seit März 2016 inzwischen aber auch Vorschriften auf EU-Ebene (433). Die allgemeinen Bestimmungen der UGPRL ergänzen in der Regel sowohl sektorbezogene EU-Rechtsvorschriften als auch gelegentlich strengere Vorschriften auf nationaler Ebene.

Bei der Anwendung der Richtlinie in diesem Sektor sind einige besondere Aspekte zu beachten. Verbraucher investieren häufig in Immobilien als Alternative zu Pensionsfonds. Sie kaufen Immobilien zur Vermietung und beziehen Mieteinnahmen statt der Zinsen, die sie bei einer Investition in ein Finanzprodukt erhalten würden. Insoweit ist die Anwendung des Begriffs „Verbraucher“ auf Immobilienkäufer zu prüfen.

Nach Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie ist jede natürliche Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können , ein „Verbraucher“. Somit ändert auch die Tatsache, dass eine natürliche Person eine Immobilie als Investition erwirbt, nichts an ihrem Verbraucherstatus, solange der Erwerb nicht im Rahmen der beruflichen Tätigkeiten der Person erfolgt. Insoweit ist die Richtlinie anwendbar und schützt beispielsweise auch Verkäufer, die beim Kauf von einem Bauträger irregeführt werden.

Beispiele:

Ein Lehrer in Deutschland beschließt, in einer Ferienanlage in Spanien zwei Wohnungen zu kaufen, um diese an Dritte zu vermieten und sich im Ruhestand in Spanien niederzulassen. Sofern er dies nicht im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten tut, ist er hinsichtlich seiner Wohnungen in Spanien ein Verbraucher im Sinne der Richtlinie.

Der Begriff des „Gewerbetreibenden“ kann auch für Vermieter gelten. Nach Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie ist jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt , ein „Gewerbetreibender“. Die bloße Tatsache, dass jemand eine Wohnung oder ein Haus an einen Dritten vermietet, sollte demnach nicht dazu führen, dass diese Person gegenüber ihrem Mieter automatisch als Gewerbetreibende eingestuft wird. Erzielt diese Person jedoch einen wesentlichen Teil ihres Einkommens aus der Vermietung von Wohnungen an andere Personen, kann sie unter bestimmten Umständen ein Gewerbetreibender im Sinne der UGPRL sein (siehe auch Abschnitt 2.2 über den Begriff des „Gewerbetreibenden“).

Wenn Verbraucher schließlich eine Immobilie kaufen, ist dies für sie eine wichtige und besondere Entscheidung. Daher müssen Gewerbetreibende besonders darauf achten, dass sie die Informationsanforderungen der Artikel 6 und 7 UGPRL erfüllen. Im Zusammenhang mit der Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln hat der Gerichtshof die Bedeutung der Immobilie als Familienwohnsitz als Grundrecht hervorgehoben (434).

Beispiele:

Verbraucher, die im Rahmen bestimmter Bauprojekte Wohnungen erworben hatten, erfuhren erst nach Fertigstellung der Baumaßnahmen, dass die Wohnungen weder an eine Wasserversorgung noch an das Stromnetz angeschlossen waren. Der Hinweis auf diesen Umstand ist eine wesentliche Information über die „wesentlichen Merkmale des Produkts“ sowohl nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b als auch nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a UGPRL. Außerdem könnte die Tatsache, dass eine zusätzliche Leistung erforderlich sein würde, um diese Anschlüsse für die Wohnungen herzustellen, nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e wesentlich sein.

Die Fläche einer Immobilie könnte als wesentliche Information nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a und b und nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a betrachtet werden.

Der Preis einer Immobilie ohne Mehrwertsteuer und alle unvermeidbaren Kosten (Makler- oder Verkaufsgebühren usw.) wären wesentliche Informationen nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c.

4.4.3   Besondere Aspekte bei Finanzdienstleistungen

Da in dieser Branche ein stabiler Rahmen sektorbezogener Rechtsvorschriften der EU besteht, wird hier die Funktion der UGPRL als „Sicherheitsnetz“ besonders deutlich (435).

Finanzdienstleistungen werden in Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (436) definiert als „jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung“ (437). Mehrere Arten sektorbezogener EU-Rechtsvorschriften sind für den Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen von Bedeutung. Einige Beispiele:

Richtlinie 2014/65/EU über Märkte und Finanzinstrumente (MiFID 2);

Richtlinie (EU) 2015/2366 über Zahlungsdienste;

Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge;

Richtlinie 2014/17/EU über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher;

Richtlinie 2014/92/EU über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten und den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen;

Richtlinie (EU) 2016/97 über Versicherungsvertrieb;

Verordnung (EU) 2015/751 des Europäischen Parlaments und des Rates (438) über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge (Text von Bedeutung für den EWR);

Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIPs).

Häufig sind Finanzdienstleistungsprodukte schwer zu verstehen und können mit beträchtlichen wirtschaftlichen Risiken einhergehen. Daher müssen Gewerbetreibende besonders darauf achten, dass sie nach dem Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt handeln, der vernünftigerweise bei jemandem vorausgesetzt werden kann, der in diesem geschäftlichen Bereich beruflich tätig ist (siehe Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a UGPRL).

Beispiele:

Nach Artikel 5 Absatz 6 der Verbraucherkreditrichtlinie müssen Kreditgeber und gegebenenfalls Kreditvermittler Verbrauchern angemessene Erläuterungen geben, damit diese beurteilen können, ob ein angebotener Kreditvertrag ihren Bedürfnissen und ihrer finanziellen Situation gerecht wird. Dazu sind ggf. die nach Artikel 5 Absatz 1 der Verbraucherkreditrichtlinie bereitzustellenden vorvertraglichen Informationen sowie die wesentlichen Merkmale der angebotenen Produkte und die besonderen potenziellen Auswirkungen für die Verbraucher zu erläutern (einschließlich der Folgen eines Zahlungsverzugs der Verbraucher).

Gewerbetreibende dürfen auch keine irreführenden Praktiken im Sinne der Artikel 6 und 7 UGPRL anwenden, z. B.

fehlende Angaben in der Werbung zum effektiven Jahreszins und zu den Kosten eines Kredits,

irreführende Angebote über Kreditverträge mit niedrigen Zinssätzen,

fehlende angemessene Informationen über die Rechtspflichten beim Unterzeichnen von Verträgen.

Beispiele:

Gewerbetreibende dürfen wirtschaftliche Vorteile nicht übertrieben darstellen, Verbrauchern keine Informationen über finanzielle Risiken vorenthalten und die früher mit dem betreffenden Finanzprodukt erzielten Ergebnisse nicht übermäßig in den Vordergrund stellen.

Wesentliche Merkmale eines Finanzprodukts nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a können auch Informationen darüber sein, dass ein Finanzprodukt nicht in der Währung des Landes berechnet wird, in dem der Vertrag geschlossen wird (439).

Nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d und Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c muss die Darstellung und Berechnung von Gebühren und Abgaben alle den Verbrauchern entstehenden Kosten beinhalten, einschließlich z. B. der Kosten einer Dienstleistung in Form von Provisionen für Makler oder Vermittler oder des Zinssatzes im Verzugsfall. Bei der Darstellung und der Berechnung von Gebühren und Abgaben muss außerdem klar angegeben sein, dass ein bestimmter niedriger Zinssatz und/oder bestimmte günstige Zinsen nur für einen beschränkten Zeitraum gelten.

In den Artikeln 8 und 9 werden die Kriterien beschrieben, nach denen Geschäftspraktiken als aggressiv angesehen werden. In Anhang I Ziffer 27 UGPRL wird insbesondere auf eine aggressive Geschäftspraxis im Bereich Finanzdienstleistungen Bezug genommen, die demnach unter allen Umständen als unlauter gilt:

ANHANG I Ziffer 27

Aufforderung eines Verbrauchers, der eine Versicherungspolice in Anspruch nehmen möchte, Dokumente vorzulegen, die vernünftigerweise nicht als relevant für die Gültigkeit des Anspruchs anzusehen sind, oder systematische Nichtbeantwortung einschlägiger Schreiben, um so den Verbraucher von der Ausübung seiner vertraglichen Rechte abzuhalten.

Beispiele:

Unter gewissen Umständen können Hindernisse für einen Wechsel (440) als aggressive Geschäftspraxis und somit als unlauter nach Artikel 9 Buchstabe d betrachtet werden (441).

Im Versicherungssektor wurde die Bestimmung in Anhang I Ziffer 27 in Fällen angewendet, in denen Versicherer die Regulierung von Schadensfällen verweigerten, indem Verbraucher, die aufgrund ihrer Versicherungspolice eine Regulierung beantragten, zur Vorlage von Unterlagen verpflichtet wurden, die vernünftigerweise nicht als relevanter Beleg für die Richtigkeit des Regulierungsantrags betrachtet werden konnten. In diesen Fällen antworteten die Gewerbetreibenden regelmäßig nicht auf Schreiben ihrer Kunden, um diese von der Wahrnehmung ihrer vertraglichen Rechte abzuhalten.

Im Bereich Finanzdienstleistungen haben mehrere nationale Behörden die UGPRL umfassend angewendet.

Beispiele:

Eine nationale Behörde leitete rechtliche Schritte gegen bestimmte Banken wegen irreführender Informationen über Risiken bestimmter Finanzprodukte (z. B. Anleihen der Investmentbank Lehman Brothers) ein (442). Bei der Prüfung der Frage der Irreführung berücksichtigte die Behörde den Umstand, dass es sich bei der Verbraucherzielgruppe für den Verkauf der besagten Anleihen eher um gewöhnliche Bankkunden als um professionelle Anleger handelte, die mit derlei Finanzprodukten vertraut waren.


(1)  Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 22).

(2)  SWD(2016) 163 final.

(3)  Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinien 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7).

(4)  Artikel 4 und Erwägungsgründe 5, 12 und 13 der Richtlinie.

(5)  Urteil des Gerichtshofs vom 23. April 2009, VTB-VAB NV/Total Belgium, und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV, verbundene Rechtssachen C-261/07 und C-299/07, ECLI:EU:C:2009:244, Rn. 52. Siehe auch Urteil des Gerichtshofs vom 11. März 2010, Telekomunikacja Polska SA w Warszawie/Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej, C-522/08, ECLI:EU:C:2010:135.

(6)  Urteil des Gerichtshofs vom 19. Oktober 2017, Europamur Alimentación SA/Dirección General de Comercio y Protección del Consumidor de la Comunidad Autónoma de la Región de Murcia, C-295/16, ECLI:EU:C:2017:782.

(7)  Ebenda, Rn. 42.

(8)  Die Mitteilungen der Mitgliedstaaten werden auf den Websites der Kommission zur UGPRL unter dem folgenden Link veröffentlicht: https://ec.europa.eu/info/law/law-topic/consumers/unfair-commercial-practices-law/unfair-commercial-practices-directive_en.

(9)  Beschluss des Gerichtshofs vom 4. Oktober 2012, Pelckmans Turnhout NV, C-559/11, ECLI:EU:C:2012:615.

(10)  Urteil des Gerichtshofs vom 4. Mai 2017, Luc Vanderborght, C-339/15, ECLI:EU:C:2017:335.

(11)  Urteil des Gerichtshofs vom 9. November 2010, Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag GmbH & Co. KG/„Österreich“-Zeitungsverlag GmbH, C-540/08, ECLI:EU:C:2010:660.

(12)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. Januar 2013, Georg Köck/Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb, C-206/11, ECLI:EU:C:2013:14, Rn. 31.

(13)  Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 21).

(14)  Richtlinie (EU) 2019/633 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette (ABl. L 111 vom 25.4.2019, S. 59).

(15)  Beschluss des Gerichtshofs vom 15. Dezember 2011, Inno NV, C-126/11, ECLI:EU:C:2011:851, Rn. 29.

(16)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Januar 2010, Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs eV/Plus Warenhandelsgesellschaft, C-304/08, ECLI:EU:C:2010:12.

(17)  Beschluss des Gerichtshofs vom 8. September 2015, Cdiscount SA, C-13/15, ECLI:EU:C:2015:560.

(18)  Beschluss des Gerichtshofs vom 7. März 2013, Euronics Belgium CVBA/Kamera Express BV und Kamera Express Belgium BVBA, C-343/12, ECLI:EU:C:2013:154, Rn. 31.

(19)  Beschluss des Gerichtshofes vom 30. Juni 2011, Wamo BVBA/JBC NV und Modemakers Fashion NV, C-288/10, ECLI:EU:C:2011:443, Rn. 40.

(20)  Siehe dazu das Urteil des Gerichtshofs vom 13. September 2018, Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato/Wind Tre SpA und Vodafone Italia SpA, verbundene Rechtssachen C-54/17 und C-55/17, ECLI:EU:C:2018:710, Rn. 60 und 61.

(21)  Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. L 60 vom 28.2.2014, S. 34).

(22)  Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Neufassung) (ABl. L 321 vom 17.12.2018, S. 36).

(23)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juli 2015, Abcur AB, verbundene Rechtssachen C-544/13 und C-545/13, ECLI:EU:C:2015:481.

(24)  Urteil des Gerichtshofs vom 25. Juli 2018, Dyson Ltd und Dyson BV/BSH Home Appliances NV, C-632/16, ECLI:EU:C:2018:599.

(25)  Richtlinie 2010/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Angabe des Verbrauchs an Energie und anderen Ressourcen durch energieverbrauchsrelevante Produkte mittels einheitlicher Etiketten und Produktinformationen (ABl. L 153 vom 18.6.2010, S. 1) und Delegierte Verordnung (EU) Nr. 665/2013 der Kommission vom 3. Mai 2013 zur Ergänzung der Richtlinie 2010/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Energieverbrauchskennzeichnung von Staubsaugern (ABl. L 192 vom 13.7.2013, S. 1).

(26)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2020, Konsumentombudsmannen/Mezina AB, C-363/19, ECLI:EU:C:2020:693.

(27)  Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. L 404 vom 30.12.2006, S. 9).