EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 25.11.2021
COM(2021) 720 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Kapitalmarktunion – Umsetzung ein Jahr nach dem Aktionsplan
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Kapitalmarktunion – Umsetzung ein Jahr nach dem Aktionsplan
Einleitung
Die Kapitalmärkte spielen eine Schlüsselrolle bei der Bereitstellung von Finanzmitteln, damit EU-Unternehmen investieren und expandieren können. Dies ist auch relevant, während sich die Wirtschaft der EU allmählich von der COVID-19-Krise erholt. Jedoch sind die europäischen Kapitalmärkte nach wie vor fragmentiert, was die Fähigkeit der Unternehmen, Kapital in der gesamten EU zu beschaffen, beeinträchtigt. Ein integrierter EU-Kapitalmarkt würde erheblich zu einer dauerhaften Erholung, zu nachhaltigem Wachstum und zu einem kosteneffizienten grünen und digitalen Wandel beitragen.
Die Kapitalmarktunion bietet eine Gelegenheit, die Fragmentierung der Märkte in der EU anzugehen. Fortschritte bei der Umsetzung des Aktionsplans 2020 für die Kapitalmarktunion
müssen daher weiterhin eine zentrale politische Priorität der EU bleiben. Aus diesem Grund betonte Präsidentin von der Leyen in ihrer Absichtserklärung vom September 2021, dass der Aktionsplan 2020 für die Kapitalmarktunion umgesetzt werden muss, und die Kommission unterstrich in ihrem Arbeitsprogramm, dass vollständig entwickelte und integrierte europäische Kapitalmärkte erforderlich sind.
Ein Jahr nach der Annahme des Aktionsplans 2020 für die Kapitalmarktunion erfüllt die Europäische Kommission nun ihre Verpflichtungen und legt vier Legislativvorschläge vor. Diese vier Vorschläge wurden so konzipiert, dass sie zur Verwirklichung der Ziele der Kapitalmarktunion beitragen. Die Arbeit an anderen Maßnahmen zur Kapitalmarktunion wird fortgesetzt, womit der Weg für weitere ehrgeizige Ziele im Jahr 2022 geebnet wird.
1.Noch stärkere Argumente für die Kapitalmarktunion
2.Die politische Bedeutung der Kapitalmarktunion
Wirtschaftswachstum nach der COVID-19-Pandemie. Die wirtschaftliche Erholung nach der COVID-19-Krise stellt eine unmittelbare Priorität der EU dar. Während die Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 um 6,3 % zurückging, dürfte sie sich den Prognosen zufolge schneller erholen als zuvor erwartet, wobei mit Wachstumsraten in Höhe von 5,0 % für dieses Jahr und 4,3 % für 2022 gerechnet wird.
Dank der effektiven Strategien zur Eindämmung des Virus und der erheblichen Fortschritte bei der Impfung konnten die Mitgliedstaaten ihre Volkswirtschaften schrittweise wieder öffnen.
Zwar wird im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) durch strukturelle Reformen
und öffentlich finanzierte Investitionsvorhaben ein wesentlicher Beitrag zur Erholung geleistet, doch werden starke und gut integrierte Kapitalmärkte von entscheidender Bedeutung sein, um künftiges Wirtschaftswachstum zu unterstützen.
Eine grüne Kapitalmarktunion. Private Finanzierungen sind für den grünen Wandel von entscheidender Bedeutung. Als Teil des europäischen grünen Deals hat sich die EU das rechtsverbindliche Ziel gesetzt, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden.
Ferner will sie ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel stärken sowie den Verlust an biologischer Vielfalt und die Schädigung der Umwelt insgesamt umkehren. Die EU nimmt weltweit eine Führungsrolle bei der Entwicklung grüner Kapitalmärkte ein, um private Investitionen zugunsten ihrer ehrgeizigen Klima- und Umweltziele zu bündeln, und wird dabei durch die Strategie der Kommission zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft
unterstützt. Gegenwärtig ist die EU der bevorzugte Ort für die Emission grüner Anleihen, wobei 2020 rund 50 % aller grünen Anleihen in der EU emittiert wurden.
Darüber hinaus lautete 2020 etwa die Hälfte der weltweiten Emissionen grüner Anleihen auf Euro
, was den Euro zur weltweit führenden Währung für grüne Finanzierungen macht. Der Markt der EU für grüne Anleihen dürfte durch das Ziel der Kommission, bis Ende 2026 durch die Emission grüner Anleihen bis zu 30 % der Mittel aus dem Aufbauinstrument „NextGenerationEU“– nämlich 240 Mrd. EUR – zu mobilisieren, weiter gestärkt werden. Die Führungsrolle der EU in diesem Bereich bietet eine einzigartige Gelegenheit, einen wahrhaft integrierten grünen Kapitalmarkt – eine grüne Kapitalmarktunion – zu schaffen, mit dem der umfassenderen Integration der EU-Kapitalmärkte ein stärkerer Impuls verliehen werden kann. Damit jedoch eine grüne Kapitalmarktunion entstehen kann und erfolgreich ist, müssen die strukturellen Hindernisse beseitigt werden, aufgrund derer die Kapitalmärkte nach wie vor entlang nationaler Grenzen fragmentiert sind und die Kapitalmarktunion im Allgemeinen gehemmt wird.
Der digitale Wandel. Die EU hat sich auch für die Digitalisierung ihrer Wirtschaft ehrgeizige Ziele gesetzt. Für diesen digitalen Wandel sind erhebliche private Investitionen erforderlich. Ein großer, integrierter und effizienter Kapitalmarkt – die Kapitalmarktunion – ist dabei von entscheidender Bedeutung, um diese Investitionen zu generieren. Zugleich haben neue Technologien das Potenzial, die Integration der Kapitalmärkte zu unterstützen, die Bereitstellung von Finanzdienstleistungen zu verbessern und sie zum Nutzen von Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern effizienter zu gestalten. Im Rahmen der Digitalisierung sind bereits neue Geschäftsmodelle, auch für Kleinanleger, entstanden, in denen der Vertrieb von Finanzinstrumenten über Intermediäre wie Banken durch einen direkteren Zugang über spezialisierte Plattformen oder Finanztechnologieunternehmen (FinTechs) ergänzt wird.
Offene strategische Autonomie. Ein starkes, wettbewerbsfähiges und integriertes Finanzsystem bildet das Rückgrat einer robusten und dynamischen Wirtschaft. Es dient nicht nur der Finanzierung etablierter Unternehmen, sondern ist auch unerlässlich für die Finanzierung der Unternehmen von morgen, der Einhörner und der Start-up-Unternehmen in der EU, die in Bereichen tätig sind, die für die EU von zentralem strategischem Interesse sind; dazu zählen beispielsweise die Bereiche Quantentechnik, Halbleiter, Wasserstoffenergie, Arzneimittel, Biotechnologie und künstliche Intelligenz. Zwar ist die EU weiterhin offen für die globalen Finanzmärkte, jedoch sind tiefe und liquide EU-Kapitalmärkte, die von wettbewerbsfähigen und kosteneffizienten Marktinfrastrukturen wie zentralen Gegenparteien gestützt werden, von ausschlaggebender Bedeutung, um die übermäßige Abhängigkeit der EU von Anbietern kritischer Finanzdienstleistungen aus Drittländern zu verringern. Die Kapitalmarktunion wird zusammen mit der Bankenunion die offene strategische Autonomie der EU, ihre globale wirtschaftliche Rolle und das Vertrauen in den Euro stärken.
3.Ziele der Kapitalmarktunion
Im Aktionsplan zur Kapitalmarktunion von 2020 wurden drei Hauptziele ermittelt, um den Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern in der gesamten EU konkrete Vorteile zu bringen.
Ziel 1: ein besserer Finanzierungszugang für europäische Unternehmen
Die Kapitalmarktunion ist notwendig, um den Unternehmen in der EU diversifiziertere Finanzierungsmöglichkeiten zu bieten und ihre übermäßige Abhängigkeit von der Finanzierung durch Banken zu verringern. Dieses Ziel hat seit 2020 an Bedeutung gewonnen, da die Unternehmen nach der COVID-19-Krise einen größeren Bedarf an Kapital, insbesondere Eigenkapital, haben. Durch die Schaffung stärker integrierter und entwickelter Kapitalmärkte ermöglicht die Kapitalmarktunion Unternehmen den Zugang zu umfangreicheren und liquideren Beständen an Mitteln, die direkt von Anlegern stammen.
Ziel 2: Gestaltung der EU als noch sichererer Platz für die langfristige Spar- und Anlagetätigkeit der Menschen
Sparerinnen und Sparer sollten in Finanzprodukte investieren können, die ihren Anlage- und Risikopräferenzen am besten entsprechen, einschließlich der immer stärker von ihnen nachgefragten Umwelt-, Sozial- und Governance-Produkte (ESG-Produkte). Zahlreiche Sparerinnen und Sparer nutzen die Kapitalmärkte jedoch nicht, da sie ihnen nicht trauen oder sich der verfügbaren Möglichkeiten nicht bewusst sind, wodurch Unternehmen potenzielle Kapitalmarktmittel entgehen. Daher ist es von wesentlicher Bedeutung, Kleinanleger in die Lage zu versetzen, diese Möglichkeiten zu nutzen, und sie gleichzeitig ausreichend zu schützen. Das Ziel der bevorstehenden Strategie für Kleinanleger, die 2022 angenommen werden soll, besteht darin, die Interessen der Kleinanleger in den Mittelpunkt zu rücken.
Ziel 3: Integration der nationalen Kapitalmärkte in einen echten Binnenmarkt
Die globale Wettbewerbsfähigkeit der EU wird durch die Fragmentierung ihrer Kapitalmärkte geschwächt. Mit den Maßnahmen zur Kapitalmarktunion sollen die Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen – auch tief verwurzelte Hindernisse wie unterschiedliche und ineffiziente Insolvenzrahmen oder Vorschriften über Quellensteuern – beseitigt und die EU-weiten Pässe für die Erbringung von Dienstleistungen gestärkt werden. Dies wird es Unternehmen wiederum ermöglichen, auf größere Kapitalpools von institutionellen Anlegern und Kleinanlegern in der gesamten EU zurückzugreifen.
4.Das heutige Paket von Legislativmaßnahmen – die Kapitalmarktunion ein Jahr später
Vor dem Hintergrund dieser Ziele stellen die heute angenommenen Legislativvorschläge einen wichtigen Schritt für die Umsetzung des Aktionsplans der Kommission zur Kapitalmarktunion aus dem Jahr 2020 dar. Sie gehen die Probleme in einem breiten Spektrum von Kapitalmarktdienstleistungen an und tragen zur Verwirklichung der Hauptziele der Kapitalmarktunion bei.
5.Ein einheitlicher europäischer Zugangspunkt zur Schaffung von mehr Finanzierungs- und Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmen
Derzeit sind finanzielle und nachhaltigkeitsbezogene Informationen über Unternehmen und Finanzprodukte über alle Mitgliedstaaten verstreut, wobei zahlreiche Zugangspunkte, verschiedene Sprachen und mehrere digitale Formate verwendet werden. Diese Fragmentierung ist ein Hindernis für Investitionen, insbesondere für grenzüberschreitende Investitionen.
Die Kommission schlägt daher eine Verordnung zur Einrichtung eines einheitlichen europäischen Zugangspunkts (European Single Access Point – ESAP) durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) vor.
Der ESAP wird eine gemeinsame Quelle für öffentliche und kostenfreie
Informationen über EU-Unternehmen und -Anlageprodukte sein, unabhängig von ihrem Standort oder Herkunftsort in der EU. Durch einen phasenweisen Ansatz wird sichergestellt, dass der ESAP ab 2024 einsatzbereit ist.
Mit dem ESAP werden Investitionsmöglichkeiten stärker ins Blickfeld europäischer und internationaler Anleger gerückt. Dadurch wird der Zugang zu Finanzmitteln für EU-Unternehmen verbessert, insbesondere für kleinere Unternehmen und Unternehmen in kleineren Kapitalmärkten. Anleger werden bei der Suche nach Informationen Zeit und Ressourcen sparen und so zur Verwirklichung des Ziels der Kapitalmarktunion, die Anlagetätigkeit der Bürgerinnen und Bürger einfacher und sicherer zu gestalten, beitragen. Der ESAP wird auch Unternehmerinnen und Unternehmern zugutekommen, da sie ihn als Instrument für die Suche nach Geschäftsmöglichkeiten in der gesamten EU nutzen können.
Zudem ist der ESAP ein Eckpfeiler der Strategie für ein digitales Finanzwesen
. Mit der Zeit wird sich der ESAP voraussichtlich zum einzigen Zugangspunkt für finanzielle und nachhaltigkeitsbezogene Informationen und Produktdaten von Unternehmen entwickeln, wodurch der Datenfragmentierung entlang der nationalen Grenzen entgegengewirkt und eine bessere digitale Nutzung und Weiterverwendung von Informationen ermöglicht wird.
Darüber hinaus hat der ESAP auch ein großes Potenzial für die Förderung des grünen Wandels. Indem ein einfacherer, zentralisierter Zugang zu den ESG-Daten von EU-Unternehmen und Informationen über ESG-Finanzprodukte bereitgestellt wird, wird der zunehmenden Forderung aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft nach nachhaltigkeitsbezogenen Informationen nachgekommen und so zu einem gerechten Übergang zur Nachhaltigkeit beigetragen.
6.Förderung langfristiger Investitionen über europäische langfristige Investmentfonds
Europäische langfristige Investmentfonds (ELTIF) zielen darauf ab, langfristige Finanzierungen börsennotierten und nicht börsennotierten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie langfristigen Infrastrukturvorhaben in einer Vielzahl von Sektoren zuzuführen, etwa Vorhaben in den Bereichen energieeffizientere Verkehrsinfrastruktur, Erzeugung grüner Energie, saubere technologische Innovationen und soziale Infrastruktur. Dafür muss jedoch das volle Potenzial von ELTIF ausgeschöpft werden. Gegenwärtig ist die Anzahl der ELTIF noch gering: Mit Stand Oktober 2021 sind nur etwa 57 ELTIF in vier Mitgliedstaaten zugelassen. Im Allgemeinen sind die Marktteilnehmer der Auffassung, dass die bestehenden Vorschriften für die Zulassung, die Anlagepolitik, die Tätigkeitsbedingungen und den Vertrieb von ELTIF nicht ausreichend an langfristige Investitionen angepasst sind. Dies führt in Verbindung mit Zutrittshindernissen für Kleinanleger dazu, dass ELTIF weniger attraktiv für Fondsverwalter und Anleger sind.
Durch die vorgeschlagenen Änderungen am ELTIF-Rahmen werden sie jedoch attraktiver. Sie werden die Rolle der ELTIF als ergänzende Finanzierungsquelle für die Realwirtschaft stärken und ihnen ermöglichen, langfristige Spareinlagen vermehrt in langfristige Investitionsvorhaben zu lenken. Nach Annahme der überarbeiteten Vorschriften wird die Bandbreite der Vermögenswerte, die für eine ELTIF-Investition infrage kommen, erweitert und ELTIF-Verwaltern bei Einrichtung, Verwaltung und Vertrieb von ELTIF zusätzliche Flexibilität geboten. Ferner wird die Attraktivität von ELTIF gesteigert, indem einige der Anforderungen an ELTIF, die ausschließlich an professionelle Anleger vertrieben werden, gelockert werden. Im Einklang mit dem Ziel der Kapitalmarktunion, die Rolle der Kleinanleger zu stärken, werden durch die vorgeschlagenen Änderungen zudem einige der Schwellenwerte beseitigt, die den Zugang von Kleinanlegern zu ELTIF behindern, während die Anleger weiterhin geschützt werden.
Die überarbeiteten Vorschriften werden dazu beitragen, eine stärker integrierte Kapitalmarktunion aufzubauen und so die Wirtschaft der EU wettbewerbsfähiger und resilienter zu machen. Sie werden auch den europäischen Grünen Deal und die europäische Energieunion unterstützen, indem langfristige Investitionen, die für grüne Vorhaben und Energieinfrastrukturvorhaben erforderlich sind, gebündelt werden. Außerdem sind ELTIF besonders dafür geeignet, technologische Innovationen zu finanzieren und den digitalen Wandel zu unterstützen. Angesichts der demografischen Herausforderungen der EU könnten ELTIF auch dazu beitragen, soziale Infrastrukturvorhaben wie Krankenhäuser und Sozialwohnungen zu finanzieren.
7.Diversifizierung der Finanzierung für Unternehmen durch die Überarbeitung der Richtlinie über die Verwaltung alternativer Investmentfonds
Mehr und mehr Investitionen werden über Finanzintermediäre auf den Kapitalmärkten getätigt. Insbesondere alternative Investmentfonds spielen bei der Finanzintermediation eine immer wichtigere Rolle. Seit ihrer Annahme im Jahr 2011 wurde mit der Richtlinie über die Verwaltung alternativer Investmentfonds die Schaffung eines effizienten Binnenmarkts für alternative Investmentfonds unterstützt und ein starker Regulierungs- und Aufsichtsrahmen für deren Verwalter in der EU eingerichtet.
Die Kommission schlägt gezielte Änderungen am Rahmen der Richtlinie über die Verwaltung alternativer Investmentfonds vor, um die Markt für alternative Investmentfonds noch effizienter und besser integriert zu machen. Die Änderungen werden den Zugriff auf Finanzmittel für EU-Unternehmen erleichtern, indem der Regulierungsrahmen für Fonds, die Darlehen an Unternehmen vergeben, harmonisiert wird. Fonds, die Darlehen vergeben, stellen bei der Bereitstellung von Finanzmitteln für EU-Unternehmen eine tragfähige Alternative zu Bankdarlehen dar, insbesondere wenn sich traditionelle Darlehensgeber bei einer angespannten Marktlage zurückziehen. Diese Fonds unterliegen einer Reihe unterschiedlicher nationaler Vorschriften. So wird der Binnenmarkt fragmentiert und der Wettbewerb zwischen Marktteilnehmern eingeschränkt. Durch die Ausweitung des Angebots an Finanzierungsoptionen ermöglichen es die neuen Vorschriften Unternehmen, zu wachsen, Innovationen zu finanzieren und ihre grünen und digitalen Ziele unter allen Marktbedingungen zu verwirklichen.
Die überarbeiteten Vorschriften werden ferner den Anlegerschutz verbessern. Erstens werden ihre Interessen besser geschützt, indem sichergestellt wird, dass Fondsverwalter, die ihre Aufgaben an Dritte delegieren, dieselben hohen Standards einhalten, die in der gesamten EU gelten. Mit dem Vorschlag werden die bestehenden Vorschriften präzisiert und wird ein Beitrag zur aufsichtlichen Konvergenz geleistet, während anerkannt wird, dass eine Delegierung es ermöglicht, Anlageportfolios effizient zu verwalten und auf das erforderliche Fachwissen in einem bestimmten geografischen Markt oder einer Anlageklasse zurückzugreifen. Sie werden somit zum weltweiten Erfolg des europäischen Investmentfondssektors beitragen. Zweitens werden die Verwalter von offenen alternativen Investmentfonds oder Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) durch die geänderten Vorschriften dazu angehalten, die harmonisierten Instrumente für das Liquiditätsmanagement angemessen einzusetzen, was sie dabei unterstützt, die Liquiditätsrisiken wirksam zu steuern, um den Wert der Investitionen in Zeiten von Marktspannungen zu erhalten. Dies dürfte das Vertrauen der Anleger in diese Anlageinstrumente stärken und dazu führen, dass Kleinanleger eher investieren.
8.Verbesserung der Markttransparenz durch die Überarbeitung der Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR)
Eine effiziente Marktinfrastruktur ist das Rückgrat eines ordnungsgemäß funktionierenden Kapitalbinnenmarkts. In der Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR) ist geregelt, wie der Handel in der EU funktioniert. Die MiFIR wurde in den letzten zehn Jahren angepasst, und der vorliegende Vorschlag wird weiter zu einer wettbewerbsfähigeren, transparenteren und stärker integrierten Handelslandschaft zu gerechteren Bedingungen beitragen. Mit dem Vorschlag wird sichergestellt, dass die Finanzmärkte der EU unter den sich ständig verändernden globalen Handelsbedingungen weiterhin florieren.
Die Finanzmärkte stützen sich auf hochwertige Marktdaten. Gut zugeschnittene Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen wie Preise und Handelsvolumen sind daher von wesentlicher Bedeutung und tragen zur Preisbildung bei. Durch die vorgeschlagenen geänderten Vorschriften wird die Markttransparenz erhöht, indem die Inanspruchnahme einer Ausnahme von der Veröffentlichung von Handelsdaten eingeschränkt wird.
Auch die Handelslandschaft entwickelt sich stetig weiter, und Börsen stehen nun im Wettbewerb mit Investmentbanken.
Um für gleiche Wettbewerbsbedingungen für Börsen und Investmentbanken zu sorgen, werden die Transparenzanforderungen und die Handelspraktiken zwischen den verschiedenen Akteuren durch die vorgeschlagenen Änderungen weiter angeglichen. Ferner soll die umstrittene Praxis der Händler unterbunden werden, Brokern Anreize zu bieten, damit sie ihnen Kundenaufträge weiterleiten, unabhängig davon, ob dies im besten Interesse ihrer Kunden liegt (Rückvergütungen für die Weiterleitung von Wertpapieraufträgen, „payment for order flows“ – PFOF).
Darüber hinaus wird mit den überarbeiteten Vorschriften nach ihrer Annahme zeitnah ein umfassender Überblick über die Handelsbedingungen an den Börsen und sonstigen Handelsplätzen in der EU möglich sein.
Aufgrund dieser Vorschriften wird auch ein konsolidierter Datenticker geschaffen, wobei Börsen, insbesondere kleinere Börsen, für die Übermittlung von Daten zu Aktien angemessen vergütet werden. Alle Anleger – unabhängig von ihrer Größe – werden auf Marktdaten zugreifen können, um einen konsolidierten Überblick über die Handelsbedingungen auf den Märkten der EU und über verschiedene Finanzinstrumente wie Aktien, börsengehandelte Fonds und Anleihen zu erhalten. Dadurch wird der Informationsvorteil verringert, über den die größten Marktteilnehmer gegenüber anderen Marktteilnehmern verfügen, insbesondere gegenüber kleineren Vermögensverwaltern, Banken und Brokern, die sich die teuren Dienste von Datenverkäufern möglicherweise nicht leisten können. Eine größere Transparenz in Bezug auf die Handelsbedingungen für die verschiedenen Händler wird auch zu einer Verringerung der Ausführungsrisiken von Transaktionen führen. Der Datenträger wird ebenso Kleinanlegern zur Verfügung stehen, womit ein Beitrag zur Demokratisierung des Handels in der EU geleistet wird.
9.Die Zukunft der Kapitalmarktunion – Ziele für 2022
Die heute angenommenen Legislativvorschläge stellen – neben den Anfang des Jahres zur Überprüfung der Richtlinie „Solvabilität II“
und zum Bankenpaket
angenommenen Legislativvorschlägen
– bedeutende Meilensteine auf dem Weg zur Schaffung der Kapitalmarktunion dar. Jedoch endet die Arbeit der Kommission nicht an dieser Stelle. Es wird weiterhin an den anderen Maßnahmen des Aktionsplans 2020 für die Kapitalmarktunion gearbeitet, wobei die Arbeiten während der Amtszeit der gegenwärtigen Kommission abgeschlossen werden sollen. In diesem Abschnitt werden einige Maßnahmen für die Kapitalmarktunion dargelegt, die für 2022 geplant sind. Der Stand bei der Umsetzung anderer Maßnahmen ist im Anhang zu dieser Mitteilung beschrieben.
3.1. Überarbeitung der Notierungsvorschriften zur Unterstützung von Unternehmen bei der Mittelbeschaffung auf öffentlichen Märkten
Die Kapitalbeschaffung auf den öffentlichen Märkten in der EU ist nach wie vor kostspielig und umständlich, insbesondere für KMU. Aus diesem Grund wurde in dem Aktionsplan 2020 für die Kapitalmarktunion angekündigt, dass die Kommission die Notierungsvorschriften in der EU vereinfachen wird. Ihre Sachverständigengruppe zu KMU hat im Mai 2021 zwölf Empfehlungen zur Frage vorgelegt, wie der Zugang von KMU zu den öffentlichen Märkten erleichtert werden kann.
Auf der Grundlage dieser Empfehlungen, des Rechtsakts über die Notierung von KMU
und der von den gesetzgebenden Organen als Teil des Maßnahmenpakets für die Erholung der Kapitalmärkte angenommenen Maßnahmen
plant die Kommission nun, im zweiten Halbjahr 2022 einen Legislativvorschlag anzunehmen, mit dem die Bürokratie für Unternehmen, die Mittel auf den öffentlichen Märkten in der EU beschaffen wollen, abgebaut wird und zugleich die Marktintegrität und der Anlegerschutz gewahrt werden. In dem Vorschlag sollen die Vorschriften für Unternehmen, die ein Notierungsverfahren
durchlaufen, und für Unternehmen, die bereits auf öffentlichen Märkten in der EU notiert sind, kritisch bewertet werden. Diese Initiative wird dazu beitragen, die öffentlichen Märkte in der EU zu vergrößern, sie effizienter, liquider und somit wettbewerbsfähiger zu gestalten sowie eine bessere Kapitalallokation für nachhaltige und innovative Unternehmen zu ermöglichen.
3.2. Ein Rahmen für ein offenes Finanzwesen zur Unterstützung der Kapitalmärkte und zur Schaffung von Mehrwert für Verbraucherinnen und Verbraucher und Unternehmen
Im Anschluss an den Aktionsplan 2020 für die Kapitalmarktunion und die Strategie für ein digitales Finanzwesen
wird die Kommission ihre Arbeit beschleunigen, um die Datenwirtschaft für Kapitalmärkte, Verbraucherinnen und Verbraucher und Unternehmen in der EU bestmöglich zu nutzen. Im Einklang mit dem anstehenden Vorschlag für ein Datengesetz und aufbauend auf der Evaluierung der Richtlinie über Zahlungsdienste II
soll Finanzinstituten mit einem „Rahmen für ein offenes Finanzwesen“ der Austausch und die Weiterverwendung von Daten zur Schaffung neuer Dienste ermöglicht werden, vorbehaltlich der Zustimmung durch Kunden, der Datenschutzvorschriften und klarer Sicherheitsvorkehrungen. So wird dafür gesorgt, dass mehr Daten für innovative Finanzdienstleistungen verfügbar sind. Ferner wird ein solcher Rahmen den Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Auswahlmöglichkeiten bieten und ihnen bei der Suche nach Produkten helfen, die ihren Anlagepräferenzen, auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit, am besten entsprechen, während sie gleichzeitig die Kontrolle über ihre Daten und darüber, wer auf sie zugreifen kann, behalten können. Dies sollte direkt zu einer stärkeren Beteiligung von Kleinanlegern beitragen. Ein offenes Finanzwesen kann sich auch positiv auf den Zugang von KMU zu Finanzmitteln auswirken. KMU würden von der Bewertung ihres wirtschaftlichen Profils durch mehrere Finanzdienstleister und dem Angebot an Finanzierungslösungen, die ihren Bedürfnissen entsprechen, profitieren.
Der Rahmen für ein offenes Finanzwesen wird auf dem Grundsatz der gleichen Wettbewerbsbedingungen für bestehende und neue Marktteilnehmer aufbauen. Die Vorteile des Datenaustauschs beschränken sich nicht nur auf das Finanzwesen. Daher wird das offene Finanzwesen die breiter angelegten Dateninitiativen der Kommission ergänzen.
Zum Aufbau des offenen Finanzwesens über den Anwendungsbereich der Richtlinie über Zahlungsdienste II hinaus wird die Kommission einen Bottom-up-Ansatz verfolgen, der sich auf ihre Arbeit mit Interessenträgern an einer ersten Reihe von bestimmten Anwendungsfällen und auf Beiträge der kürzlich eingesetzten Sachverständigengruppe über einen europäischen Finanzdatenraum stützt. In einem zweiten Schritt wird sie – wie in der Strategie für ein digitales Finanzwesen angekündigt – einen Legislativvorschlag für einen neuen Rahmen für ein offenes Finanzwesen vorlegen, der auf den horizontalen Initiativen für den Datenzugang aufbaut und mit diesen in Einklang steht.
Darüber hinaus wird die Kommission eine Strategie für aufsichtliche Daten annehmen, um es EU-Finanzaufsichtsbehörden zu ermöglichen, die von ihnen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigten Daten effizient zu erfassen und wirksam zu verwenden, indem die Standardisierung und der Austausch der Daten – vorbehaltlich der Einhaltung der Datenschutzvorschriften – verbessert werden. Mit der Strategie wird darauf abgezielt, die aufsichtliche Berichterstattung in der EU zu modernisieren und die Kosten und den Aufwand für meldende Einrichtungen, etwa Banken, Versicherungsunternehmen und sonstige Finanzinstitute, zu minimieren.
3.3. Finanzwissen
Ein hohes Maß an Finanzwissen ist für Anleger auf den Kapitalmärkten von entscheidender Bedeutung. Es kann Menschen dabei helfen, verantwortungsbewusste Anlagen auf den Kapitalmärkten zu tätigen und die damit verbundenen Risiken besser zu verstehen, auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Darüber hinaus werden durch die Digitalisierung von Finanzdienstleistungen und das wachsende Angebot an nachhaltigen Finanzprodukten und -dienstleistungen zwar neue Möglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbraucher geschaffen, doch führen sie auch zu neuem Lernbedarf für diese. Schließlich setzen die demografischen Veränderungen in der EU, insbesondere die Bevölkerungsalterung, die Sozialsysteme unter Druck. Die Menschen sind zunehmend gefordert, die Verantwortung für die Vorbereitung auf den Ruhestand selbst zu übernehmen. Das Maß an Finanzwissen schwankt jedoch je nach Bevölkerungsgruppe erheblich, und die Gruppen mit geringen Kenntnissen im Finanzbereich wissen nicht immer, wie sie ihr Geld bestmöglich anlegen können.
Auf der Grundlage der Ergebnisse der im Aktionsplan 2020 für die Kapitalmarktunion angekündigten Machbarkeitsstudie
arbeitet die Kommission mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und den Mitgliedstaaten an der Entwicklung eines Finanzbildungsrahmens für Erwachsene, der bis Ende dieses Jahres vorzulegen ist. Danach wird die Arbeit an einem Finanzbildungsrahmen für junge Menschen aufgenommen. Innerhalb dieser Rahmen werden die Kompetenzen festgelegt, die Menschen in der EU benötigen, um sinnvolle Entscheidungen über ihre persönlichen Finanzen treffen zu können. Mit ihnen wird der Austausch bewährter Verfahren im Bereich Vermittlung von Finanzwissen zwischen den Mitgliedstaaten und privaten Interessenträgern unterstützt.
3.4. Unternehmensinsolvenzen: ein besser vorhersehbares Ergebnis für Unternehmen und Anleger
In integrierten Kapitalmärkten sollten Kapitalgeber bei der grenzüberschreitenden Kreditvergabe an Unternehmen ein ähnliches Maß an Vertrauen haben wie auf ihrem inländischen Markt. Ein zentraler Aspekt in diesem Zusammenhang ist ein hohes Maß an Rechtssicherheit in Bezug auf die Folgen, falls ein Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Gegenwärtig bestehen jedoch deutliche Unterschiede im Insolvenzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten. Eine größere Angleichung des Insolvenzrechts in der gesamten EU wird der Integration der nationalen Kapitalmärkte förderlich sein. Hierbei handelt es sich um ein langfristiges Vorhaben, da das Insolvenzrecht komplex ist und nationale politische Entscheidungen in der Frage widerspiegelt, wie schutzbedürftige Interessenträger im Falle einer Unternehmensinsolvenz am besten geschützt werden können.
Die Kommission wird bis zum dritten Quartal 2022 eine Initiative vorschlagen, mit der gezielte Aspekte des Rahmens für Unternehmensinsolvenzen und der entsprechenden Verfahren harmonisiert werden sollen. Vorbehaltlich einer Folgenabschätzung wird die Kommission eine Richtlinie vorschlagen. Der genaue Anwendungsbereich dieses Richtlinienvorschlags wird Gegenstand weiterer Beratungen mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament sein. Dieser Richtlinienvorschlag könnte durch eine Empfehlung der Kommission ergänzt werden.
Fazit
Durch die COVID-19-Pandemie wurden strukturelle Veränderungen beschleunigt, die in der EU bereits im Gange waren. Diese strukturellen Veränderungen betreffen die Demografie, das geopolitische Umfeld, die Digitalisierung – nicht nur im Finanzwesen – und den Weg hin zur CO₂-Neutralität und einer umfassenderen Nachhaltigkeit. Starke und integrierte Kapitalmärkte werden entscheidend dazu beitragen, dass die EU diese Veränderungen bewältigen und eine widerstandsfähige und wettbewerbsfähige Zukunft für ihre Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen schaffen kann.
Daher ist es so wichtig, die politische Dynamik im Hinblick auf die Kapitalmarktunion aufrechtzuerhalten. Die Kommission erfüllt heute vier der Verpflichtungen, die sie im Aktionsplan 2020 für die Kapitalmarktunion eingegangen ist, und die Arbeit an anderen Maßnahmen ist in vollem Gange.
Seit Beginn der Initiative für die Kapitalmarktunion 2015 haben das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten stets betont, dass die EU über große, starke und integrierte Kapitalmärkte verfügen muss. Jetzt müssen sie ihr Engagement für die Kapitalmarktunion unter Beweis stellen, indem sie das Gesetzgebungsverfahren beschleunigen und den Ehrgeiz der Vorschläge aufrechterhalten.